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AMIR D. BERNSTEIN

Von der Balance of Power zur Hegemonie

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Historische Forschungen

Band 84

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Von der Balance of Power zur Hegemonie

Ein Beitrag zur europäischen Diplomatiegeschichte zwischen Austerlitz und Jena/Auerstedt

1 8 0 5 - 1 8 0 6

Von

Amir D. Bernstein

Duncker & Humblot • Berlin

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Gedruckt mit Unterstützung der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung

im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Die Philosophische Fakultät I der Humboldt Universität zu Berlin

hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

ISSN 0344-2012 ISBN 3-428-12126-0 978-3-428-12126-7

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©

Internet: http://www.duncker-humblot.de

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Vorwort

Die vorliegende Schrift entstand aus einer Untersuchung zur deutschen Ge-schichte, die ich 1999/2000 im Rahmen meines Magisterstudiums an der Lud-wig-Maximilians-Universität in München und an der Tel-Aviv-Universität durchfühlte. Diese Studie stellte den Ausgangspunkt für das Dissertationspro-jekt dar, welches ich im Herbst 2001 am Institut für Geschichtswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin aufnahm.

Die Realisierung des Projektes erstreckte sich thematisch sowie geographisch weit über die Landesgrenze hinaus. Bei all denen in Berlin, Bremen, Lübeck, Hamburg, Dresden, Marburg, Paris, London und Wien, die mich dabei unter-stützten, möchte ich mich herzlich bedanken!

Ein besonderer Dank gilt dabei meinem Betreuer Prof. Dr. Wolfgang Hardt-wig, der den Werdegang der Arbeit mit großem Interesse verfolgte, Prof. Dr. Konrad Canis für die Erstattung des Zweitgutachtens im Promotionsverfahren, meiner Freundin Vera Oelbracht, die während des Studiums stets an meiner Sei-te stand, Ruth Nübe, die mir bei der Entschlüsselung einiger wichtiger Doku-mente assistierte, Maja Sandler für ihre persönliche Betreuung während meines Aufenthaltes in Berlin und nicht zuletzt Eva Hertel, Andrea Sorgenfrei, Thors-ten Kogge, Yvonne Renger und Rebekka Denz für ihre wichtigen Textkorrektu-ren.

Die Veröffentlichung der Schrift wurde durch die Mittel der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung ermöglicht. Ihr und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft möchte ich meinen Dank für ihre freundliche Unterstützung aus-sprechen.

Nachsicht seitens meiner Familie ließ diese Arbeit zustande kommen. Mei-nen Eltern Chaim und Erika Bernstein widme ich diese Abhandlung.

Berlin & Zürich, im Frühjahr 2006

v w j i n i ptnn

Amir D. Bernstein

in

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Inhaltverzeichnis

Einleitung 11 I. Problemfeld und Methode 11 II. Forschungsstand und Quellenbasis 19

A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen 30 I. Zur Geschichte der europäischen Balance of Power 30 II. Die Akteure 37

B. Balance of Power oder Hegemonie 49 I. Die antifranzösische Koalition 49 II. Talleyrand, Napoleon und das europäische Gleichgewicht 58 III. Napoleons Friedensstiftung in Mitteleuropa 63 IV. Preußen und die napoleonische Neuordnung 69 V. Exkurs: Spannungen in der Peripherie und auf dem Kontinent 87

C. Vom Rheinbund zu einer confédération du nord de l'Allemagne 110 I. Die Anfänge der europäischen Neuordnung 110 II. Exkurs: Zum Ursprung der norddeutschen Politik Preußens 121 III. Territorialpolitik: Preußen, Kurhessen und der Nordbund 129 IV. Politisch-kulturelle Diskrepanz: Kursachsen, Preußen und der Nordbund.. 139 V. Handels- und Außenpolitik: Preußen, die Hansestädte und der Nordbund... 150

D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement? 160 I. Der Oubril-Vertrag 160 II. England, Talleyrand und die kontinentale Neuordnung 165 III. Vom Rétablissement zum Umbruch 174 IV. Der Weg nach Jena 185 V. Von der Balance of Power zur Hegemonie 212

E. Schlussbetrachtungen 227 I. Strukturwandel auf dem Kontinent 227 II. Europa und der Orient 229 III. Außenpolitik und außenpolitische Praxis 230 IV. Frieden und Krieg 231 V. Diplomatie im Übergang 232

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8 Inhaltverzeichnis

F. Quellen- und Literaturverzeichnis 236 I. Archivalien 236 II. Gedruckte Quellen 239 III. Zeitungen, Zeitschriften und Periodika 243 IV. Lexika 244 V. Sekundärliteratur 244

G.Anhang 260 I. Kurzbiographien 260 II. Personen-, Orts- und Sachregister 278

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Abkürzungsverzeichnis

Abt. Abteilung ADB Allgemeine Deutsche Biographie AE Archives du ministère des affaires étrangère, Paris AHL Archiv der Hansestadt Lübeck AHRF Annales historiques de la révolution française Art. Artikel ASA Altes Senatsarchiv ASG Archiv für Sächsische Geschichte Best. Bestand BFW Bailleu, Paul (Hg.): Briefwechsel König Friedrich Wilhelm's III. CJCG Meyer, Philip: Staatsakten für Geschichte und öffentliches Recht CN Napoléon : Correspondance de Napoléon Ie r

CP Correspondance Politique DN Tulard , Jean (Hrsg.): Dictionnaire Napoléon DNB Stephen , Leslie Sir: The Dictionary of National Biography DR Deutsche Rundschau Ebd. Ebenda E.K.D. Eure Kurfürstliche Durchlaucht f° Folio Fasz. Faszikel FBPG Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte GG Geschichte und Gesellschaft GH German History GStA Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem HA Hauptabteilung HHStA Haus- Hof- und Staatsarchiv, Wien HJ The Historical Journal HStAM Hessisches Staatsarchiv Marburg HT Stamm-Kuhlmann: Karl August von Hardenberg 1750-1822 HZ Historische Zeitschrift ISIRO Sbornik: Imperatorskago Russkago istoriceskago obscestva Kart. Karton Konv. Konvolut LL.AA.SS. Leur Altesses Sérénissimes Loc. Locat MD Mémoires et Documents

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10 Abkürzungsverzeichnis

NA The National Archives, Kew NASG Neues Archiv für Sächsische Geschichte ND Nachdruck Nl. Nachlass NP Metternich-Winneburg: Aus Metternich's nachgelassenen Papieren o. O. ohne Ort PFDK Bailleu, Paul (Hg.): Preußen und Frankreich von 1795 bis 1807 PJ Preußische Jahrbücher RA Ratsarchiv Rep. Repositur RPTA Martens , George Frédéric: Recueil des principaux traités d'alliance RTCR Martens : Recueil des Traités et Convention conclus par la Russie RTF Clercq , Jean Henri Alexandre de: Recueil des traités de la France S.A.S. Son Altesse Sérénissime SDFO Rose, John Holland: Despatches from the British Foreign Office SHStA Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Dresden S.M. Sa Majesté, Seine Majestät StAB Staatsarchiv Bremen StAH Staatsarchiv Hamburg TL Talleyrand: Lettres inédites de Talleyrand TM Talleyrand: Mémoires du Prince de, hrsg. von Duch de Broglie undat. undatiert unpag. n icht paginiert V.M. Votre Majesté ZBL Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte ZfP Zeitschrift für Politik ZIB Zeitschrift für Internationale Beziehungen

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Einleitung

I. Problemfeld und Methode

Die Französische Revolution transformierte Frankreich. Die Revolutions-kriege transformierten Europa. Aus der militärischen und politischen Auseinan-dersetzung zwischen Frankreich und den Kräften der Restauration entstanden auf dem Kontinent während des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts neue staatliche sowie zwischenstaatliche Strukturen.

Unter der Herrschaft Napoleons erreichte der Strukturwandel in Europa sei-nen Höhepunkt. Indem Napoleon neue Staatsgebilden einführte - z. B. die Schweizer Eidgenossenschaft 1803 und das polnische Herzogtum 1807 - und zugleich die alte Ordnung zerstörte - z. B. durch die Absetzung legitimer Herr-scher in Portugal und den Niederlanden 1806 - , unterminierte der General, Konsul und spätere Kaiser der Franzosen die europäische Balance of Power. Durch Krieg und Frieden focht er die politische Welt des Ancien Régime an, um seine hegemonialen Aspirationen zu verwirklichen.

Das Zentrum der politisch-militärischen Aktivitäten Napoleons lag im deutschsprachigen Mitteleuropa. Dort stachen sein Wirken und dessen Auswir-kungen zurzeit der großen Schlachten von Austerlitz und Jena/Auerstedt beson-ders hervor.1 Im Laufe dieser kurzen Zeitspanne wurde Mitteleuropa im Tau-ziehen zwischen Napoleon und der antifranzösischen Koalition neu gestaltet. Bayern, Württemberg und Baden erfuhren weitgehende territoriale Veränderun-gen, die süddeutschen Fürsten schlossen sich im Rahmen des Rheinbundes zu einem neuen föderativen Gebilde zusammen, der letzte römisch-deutsche Kaiser Franz II. löste das Alte Reich auf, und Preußen leitete infolge seiner verheeren-den Niederlage auf dem Schlachtfeld umfassende innere Reformen ein.

Diese und andere Ereignisse, die das Zentrum des Kontinents zwischen De-zember 1805 und Oktober 1806 prägten, werden in der modernen, zumal der deutschen Historiographie oft auf die deutsche Geschichte bezogen und auf den Endpunkt des bekannten historischen Narratives fixiert. Dementsprechend be-trachten Historiker wie Louis Medlein und Paul Schroeder die Drei-Kaiser-

1 Hierzu siehe: Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1987, S. 11.

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12 Einleitung

Schlacht als das Ende des alten kontinentalen Gleichgewichtssystems und den Anfang der napoleonischen Hegemonie.2 Ähnlich bildet auch die Doppel-schlacht von 1806, wie John Jürgen belegte, den Nullpunkt in der preußisch-deutschen historischen Erzählung.3 Dabei werden aber unter dem Eindruck der großen Ereignisse die vergangenen Handlungen nach ihren bekannten Ender-gebnissen rekonstruiert und andere durchaus plausible Eventualitäten des Ge-schichtsablaufs von vornherein ausgeschlossen.4

In diesem Kontext und aufgrund von Anzeichen in der Literatur für andere historische Entwicklungslinien in der preußischen5 und europäischen Geschich-te6 stellt die vorliegende Arbeit die Frage nach der Existenz von strukturellen Optionen und Alternativen zur von Napoleon angestrebten Vorherrschaft in Eu-ropa. Ziel ist es dabei, die internationalen Beziehungen zwischen Dezember 1805 und Oktober 1806 ausführlich zu rekonstruieren und die Tragweite der großen Schlachten dieser Epoche für die gesamte Staatenwelt auszuloten. Ange-sichts von Forschungsdefiziten in der Diplomatiegeschichte der Übergangszeit, die - wie Heinz Duchhardt moniert - weiterhin existieren,7 erscheint die Be-schäftigung mit diesem Themenkomplex besonders opportun.8 Im Hinblick auf konstruktive Ansätze zur Erneuerung der Disziplin arbeiten die vorliegenden Untersuchungen das „zwischenstaatliche Neben-, Mit- und Gegeneinander" in den Jahren 1805/06 extensiv aus.9 Dabei versuchen sie, den methodischen so-wie den geographischen Horizont der gängigen Geschichtsschreibung der Dip-lomatiegeschichte zu erweitern.

2 Medlein, Louis: Histoire du consulat et de l'empire, Bd. 6, Paris 1949, S. 146; Schroeder, Paul W. : The Transformation of European Politics 1763-1848, Oxford 1994, S. 286.

3 Jürgen, John: „Jena 1806" - Symboldatum der Geschichte des 19. und 20. Jahr-hunderts, in: Umbruch im Schatten Napoleons. Die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen, hrsg. von Gerd Fesser/Reinhard Jonscher (= Jenaer Studien, Bd. 3), Je-na 1998, S. 179.

4 Granier, Jacques: Jena und die Erhebung Preußens, in: Umbruch im Schatten Na-poleons. Die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen, hrsg. von Gerd Fes-ser/Reinhard Jonscher (= Jenaer Studien, Bd. 3), Jena 1998, S. 15; Granier bezieht sich dabei nur auf die Schlacht von Jena/Auerstedt. Seine Bemerkung trifft aber auf den Fall der Schlacht von Austerlitz zu.

5 Hierzu siehe z. B. Schmidt, Adolf: Geschichte der preußisch-deutschen Unionsbe-strebungen. Zweite Abteilung. Der norddeutsche Reichsbund 1806, Berlin 1851.

6 z. B. Raumer, Kurt von: Politiker des Masses? Talleyrands Strassbourger Friedensplan (17. Oktober 1805), in: HZ 193 (1961), S. 286-368.

7 Duchhardt, Heinz: Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648-1806 (= Enzy-klopädie Deutscher Geschichte, Bd. 4), München 1990, S. 1.

8 Pommerin, Reiner: Das europäische Staatensystem zwischen Kooperation und Konfrontation 1739-1856, in: Aufbruch aus dem Ancien Régime. Beiträge zur Geschichte des 18. Jahrhunderts, hrsg. von Helmut Neuhaus, Köln 1993, S. 80 ff.

9 Duchhardt (1990), S. 1.

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I. Problemfeld und Methode 13

Methodisch weichen die Untersuchungen vom linearen historiographischen Schema ab, welches fast teleologisch auf das Endresultat zentraler Ereignisse-quenzen fokussiert ist. Da sich dieses Untersuchungsmuster explizit für ausge-wählte, auf das Schlussergebnis bezogene Indikatoren interessiert, wird, so Reinhart Koselleck, „nicht nur das Darstellungspotential [begrenzt], sondern vom Historiker sachgerechte Zuwendungen zum Quellenbestand [verlangt]".10

Als Lösung für diese Problematik schließt sich die Arbeit dem theoretischen Ansatz von Ute Daniel an und räumt der Erklärungskraft des Ephemeren größe-res Gewicht ein.11 Die darauf fundierte Geschichtsrekonstruktion konzentriert sich folglich auf wenig oder unbeachtete Nebenlinien der Geschichte, die in der vorhandenen Literatur nicht vollständig zutage treten, und integriert diese in die zentrale geschichtliche Erzählung.

Anhand dieses theoretischen Ansatzes identifiziert die Arbeit unbekannte Entwicklungsoptionen im europäischen Staatensystem. Zunächst erschließt sie dadurch unterbelichtete Aspekte des Machtkampfs zwischen den Kräften der Balance of Power und dem nach Hegemonie strebenden Napoleon. In diesem Kontext wird neben den napoleonischen Staatsverträgen und den späteren Frie-densverhandlungen mit Russland und England (1806) auch dem Projekt Talley-rands nachgegangen, eine Allianz mit Wien zu schließen. Dabei wird auch sein späterer Plan dargelegt, in Norddeutschland einen Nordbund unter preußischer Ägide zu stiften.12 Die Analyse dieses Plans, dessen Rezeption und der preußi-schen Versuche, ihn umzusetzen, hinterfragt die Durchführbarkeit der Ideen Talleyrands und seiner Gesinnungsgenossen im französischen Außen-ministerium. Dabei wird in erster Linie danach gefragt, inwiefern der Struktur-wandel in Mitteleuropa eine „Fortsetzung des Krieges im Frieden"13 und eine weitere Stufe in der von Napoleon anvisierten Territorialexpansion Frankreichs über die Rheingrenze hinaus darstellte14 oder ob diese strukturelle Umbildung

10 Koselleck, Reinhart: Darstellung, Ereignis und Struktur, in: ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt 1992, S. 144.

11 Daniel, Ute: Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart 1995, S. 455-457.

12 Siehe z. B. Schroeder (1994), S. 303; Erdmann, Karl Dietrich: Die Umgestaltung Deutschlands im Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. 1786-1815, in: Deutsche Geschichte im Überblick. Ein Handbuch, hrsg. von Peter Rassow, 3. Aufl., Stuttgart 1973, S. 377.

13 Rohden, Peter Richard: Die klassische Diplomatie. Von Kaunitz bis Metternich, Stuttgart 1972, S. 76-77.

14 Weis, Eberhard: Napoleon und der Rheinbund, in: Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, hrsg. von Armgard von Reden-Dohna (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Abteilung Universalgeschichte, hrsg. von Karl Otmar Freiherr von Aretin, Beiheft 5), Wiesbaden 1979, S. 57-58; Conrad, Hermann: Rheinbund und Norddeutscher Reichsbund. Eine Episode der deutschen Verfassungs-geschichte des 19. Jahrhunderts?, in: Gedächtnisschrift Hans Peters, hrsg. von ders.,