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Analyse von Vivaldis Kompositionsstil anhand der Flautinokonzerte sowie Rekonstruktion und Vervollständigung des Concerto RV 312 in Vivaldis Stil Maturitätsarbeit von Tobias Andermatt, 6a Betreuer: Alfons Schröter Korreferent: Martin Gebhardt Realgymnasium Rämibühl Zürich Tobias Andermatt Ceresstrasse 25 8008 Zürich 7. Januar 2019

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Analyse von Vivaldis Kompositionsstil anhand der Flautinokonzerte

sowie

Rekonstruktion und Vervollständigung des Concerto RV 312

in Vivaldis Stil

Maturitätsarbeit

von

Tobias Andermatt, 6a

Betreuer: Alfons Schröter

Korreferent: Martin Gebhardt

Realgymnasium Rämibühl

Zürich

Tobias Andermatt

Ceresstrasse 25

8008 Zürich

7. Januar 2019

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung .........................................................................................................31.1 Fragestellung und Vorgehen ..........................................................................................................3

1.2 Vivaldis Flautinokonzerte ..............................................................................................................4

2. Formanalyse.....................................................................................................52.1 Ecksätze .........................................................................................................................................5

2.1.1 Formale Übersichtsanalyse der Ecksätze................................................................................6

2.1.2 Harmonische Abfolge der Formteile ....................................................................................11

2.2 Mittelsätze....................................................................................................................................12

2.2.2 Mittelsatz ohne Ritornell ......................................................................................................13

2.2.3 Tonart der Mittelsätze...........................................................................................................13

3. Bausteinprinzip .............................................................................................14 4. Harmonische Bausteine ................................................................................15

4.1 Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV, V und ihren Variationen .................................................15

4.1.1 Nichtmodulierende Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV und V ........................................15

4.1.2 Modulierende Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV und V.................................................16

4.2 Tonleiter-Harmonieabfolgen........................................................................................................16

4.2.1 Dur-/Moll-Tonleiterabfolge: Bass und Melodiestimme liegen auf demselben Ton.............16

4.2.2 Dur-/Moll-Tonleiterabfolge: Bass und Melodiestimme sind im Terzabstand angeordnet...17

4.2.3 Chromatische Tonleiterabfolge ............................................................................................17

4.3 Quintfallsequenz ..........................................................................................................................20

4.3.1 Tonartunabhängige Quintfallsequenzen ...............................................................................20

4.3.2 Tonartabhängige Quintfallsequenz.......................................................................................21

4.3.3 Ausstieg aus Quintfallsequenzen..........................................................................................22

4.4 Quintanstiegsequenz ....................................................................................................................24

4.5 Orgelpunkt ...................................................................................................................................24

4.5.1 Orgelpunkt im Bass ..............................................................................................................24

4.5.2 Orgelpunkt in der Oberstimme .............................................................................................25

4.6 Harmonische Rückung.................................................................................................................25

5. Motivische Bausteine ....................................................................................26

5.1 Motivischer Aufbau eines Formteils............................................................................................26

5.2 Komposition eines Motivischen Bausteins ..................................................................................29

5.3 Festgelegte Motivische Bausteine................................................................................................30

5.4 Motivische Ideen..........................................................................................................................32

5.4.1 Begleitung.............................................................................................................................32

5.4.2 Imitierte Mehrstimmigkeit....................................................................................................32

5.4.3 Unisono.................................................................................................................................33

5.4.4 Ritornellübergreifendes Motiv .............................................................................................33

5.4.5 Ritornelleinwurf in Solopassagen.........................................................................................33

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6. Vivaldis handwerklicher Arbeitsprozess ....................................................34

6.1 Dauer des Arbeitsprozesses .........................................................................................................34

6.2 Die Komposition der einzelnen Stimmen ....................................................................................34

6.2.1 Austauschbarkeit von Phrasen..............................................................................................36

6.2.2 Kompositionsfehler ..............................................................................................................36

7. Rekonstruktion und Vervollständigung des Concerto RV 312.................38

7.1 Einleitung .....................................................................................................................................38

7.2 Rekonstruktion .............................................................................................................................39

7.3 Vervollständigung und Neukomposition des Concerto RV 312 für Flautino..............................41

7.3.1 Vervollständigung des ersten Satzes ....................................................................................41

7.3.2 Neukomposition des zweiten Satzes.....................................................................................43

7.3.3 Neukomposition des dritten Satzes.......................................................................................44

8. Schlusswort ....................................................................................................47 9. Anhang ...........................................................................................................48

9.1 Bibliographie................................................................................................................................48

9.2 Register der erwähnten Werke Vivaldis ......................................................................................49

9.3 Bildnachweis ................................................................................................................................49

9.4 Dank .............................................................................................................................................50

9.5 Partitur RV 312 ............................................................................................................................50

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1. Einleitung Bei der Lektüre des Buches Vivaldi’s Music for Flute and Recorder von Frederico M. Sardelli stiess ich auf Antonio Vivaldis Konzert RV1 312 für Violine in G-Dur, bei welchem ein gro-sser Teil des ersten Satzes ursprünglich für Flautino komponiert worden war, also für eine kleine Blockflöte. Da neben diesem Konzert nur drei weitere Flautinokonzerte von Vivaldi existieren, stellte ich mir als begeisterter Blockflötist die Frage, wie dieses Konzert für Flauti-no zu vervollständigen wäre! Zuerst kam ich darauf, die restlichen Teile des Konzertes, wel-che für Violine geschrieben worden waren, einfach für Flautino zu transponieren. Doch schnell musste ich feststellen, dass dies schon von dem französischen Gymnasiallehrer Jean Cassignol getan wurde, welcher seine Transkription zudem als „Rekonstruktion“2 betitelt, was suggeriert, dass es eine Urfassung des ganzen Konzertes für Flautino gegeben hätte. Dies be-hauptet er, ohne überzeugende Indizien für seine These anzugeben. So beschloss ich, den er-sten Satz im Stile Vivaldis zu vervollständigen und den zweiten und dritten Satz völlig neu zu komponieren (jedoch auch im Stile Vivaldis).

1.1 Fragestellung und Vorgehen

Um dieses Unterfangen zu meistern, musste ich allerdings zuerst Antonio Vivaldis Komposi-tionsstil untersuchen. Dies ist das Thema des theoretischen ersten Teils meiner Maturitätsar-beit. Meine zentrale Fragestellung für diesen Teil lautet also: Nach welchen Prinzipien kom-ponierte Antonio Vivaldi für Flautino? Um diese Frage zu klären, beschloss ich, mich auf Vivaldis Flautinokonzerte zu fokussieren (das Flautino wird sonst nur in zwei Opern Vivaldis verwendet). Es sollen also wiederkehren-de Elemente auf formaler, motivischer und harmonischer Ebene in den drei Flautinokonzerten gefunden werden. Auch Prinzipien von Vivaldis Arbeitsprozess erachte ich als wichtig, wes-halb sie in einem eigenen Kapitel behandelt werden. Bei der Analyse der Flautinokonzerte fiel mir auf, dass sämtliche Harmonieabfolgen und sämtliche motivischen Elemente auf ein paar wenigen allgemeingültigen Mustern oder Pat-terns aufbauen, welche ich im Folgenden „Bausteine“ nenne. Ich stelle also eine These auf, welche versucht, die zuvor gestellte Frage zu beantworten: Vivaldis Konzerte sind vollständig aufgebaut aus Harmonischen und Motivischen Bausteinen (dies nenne ich Bausteinprinzip). Zur Beantwortung meiner Fragestellung sind also die konkreten Harmonischen und Motivi-schen Bausteine in Vivaldis Flautinokonzerten zu finden und zu beschreiben. Nachdem ich diese Bausteine gefunden und die Fragestellung meiner Meinung nach genü-gend ausführlich beantwortet habe, beginnt der zweite, praktische Teil meiner Maturitätsar-beit: Die Vervollständigung des ersten Satzes und die Neukomposition des zweiten und drit-ten Satzes des Konzerts RV 312 im Stile Vivaldis. Dazu konnte ich die Erkenntnisse aus dem theoretischen, ersten Teil meiner Arbeit direkt anwenden.

1 RV ist die Abkürzung für Ryom-Verzeichnis, das Verzeichnis der Werke Vivaldis. 2 Cassignol, Vorwort zu Concerto D-Dur, RV 312R.

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1.2 Vivaldis Flautinokonzerte Bevor mit der Analyse begonnen werden kann, muss erklärt werden, was überhaupt ein Flau-tino ist. So simpel diese Frage scheint, so kompliziert ist die Antwort: Sardelli beantwortet diese Frage auf insgesamt über 20 (!) Seiten3 in seinem Buch. Deshalb fasse ich seine Argu-mente und Schlussfolgerungen kurz zusammen: Da der Begriff Flauto zu Vivaldis Zeiten eine Altblockflöte in f’ bezeichnete, steht der Be-griff Flautino wohl für eine kleinere Blockflöte, so etwa die Sopranflöte in c’’ oder die So-praninoflöte in f’’. Nun gibt es von Vivaldi drei Flautinokonzerte: Die Konzerte RV 443, RV 444 und RV 445. Sardelli ordnet den Konzerten RV 443 und RV 445 mit überzeugenden Ar-gumenten die Sopranflöte als korrektes Instrument zu, für das Konzert RV 444 gibt er sowohl Argumente für Sopran-, als auch Sopraninoflöte.4 Bei den Konzerten für Sopranblockflöte (RV 443 und RV 445) notierte Vivaldi die vermut-lich an den Kopisten gerichtete Transpositionsanweisung „Gl’Istrom:ti transportati alla 4:a“ respektive „Gl’Istrom:ti alla 4a Bassa“.5 Der Kopist sollte also den Sopranflötenpart unverän-dert übernehmen, aber alle anderen Instrumente eine Quarte tiefer notieren. So konnte der damalige Flötist die Sopranflöte zur Hand nehmen und die Noten so lesen, wie wenn er die damals übliche Altflöte in der Hand hätte. Dieser Transpositionshinweis wurde aber in eini-gen Notenausgaben missachtet, weshalb heutzutage Uneinigkeit herrscht, in welcher Tonart die Stücke denn stehen. Aus praktischen Gründen habe ich mich für die folgenden Partitur-ausgaben6 entschieden: RV 443: Fassung in C-Dur (untransponiert) RV 444: Fassung in C-Dur (untransponiert) RV 445: Fassung in e-Moll (transponiert) Neben diesen drei Flautinokonzerten komponierte Vivaldi auch drei Opernarien, in welchen ein Flautino verwendet wird.7 Zusätzlich komponierte Vivaldi auch zwei Konzerte für Alt-blockflöte (RV 441 und RV 442), wovon das Konzert RV 441 durchaus stilistische Ähnlich-keiten mit den Flautinokonzerten zeigt. Keines der Flautinokonzerte wurde zu Lebzeiten Vi-valdis veröffentlicht, entstanden waren sie wohl zwischen 1720 und 1730.8

Abb. 1: Anweisung an den Kopisten im Manuskript des Flautinokonzertes RV 443.

3 Sardelli, S. 177-198. 4 Sardelli, S. 197. 5 Sardelli, S. 195. 6 Genaueres in der Quellenangabe. 7 Sardelli, S. 188. 8 Sardelli, S. 198.

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2. Formanalyse

Die meisten der über 300 von Vivaldi komponierten Solokonzerte (inklusive der Flautinokon-zerte) besitzen die gleiche Form. Sie sind geschrieben für ein Soloinstrument (in unserem Fall für das Flautino) und für ein „Orchester“. Das Orchester besteht aus erster und zweiter Violi-ne, einer Viola und dem Generalbass (abgekürzt B.C. für Basso Continuo).9 Diese Konzerte sind dreisätzig, in der Folge schnell–langsam–schnell. Die Ecksätze (also die beiden schnel-len ersten und dritten Sätze) sind in der Ritornellform geschrieben, während der langsame Mittelsatz verschiedene Formen annehmen kann. Dies wird nun im Folgenden erläutert.

2.1 Ecksätze

Die beiden schnellen Ecksätze eines dreisätzigen Concerto sind von der Form her gleich auf-gebaut, mit dem einzigen Unterschied, dass die dritten Sätze ein schnelleres Tempo besitzen (Allegro molto, RV 443 und RV 444) oder im 2/4-Takt stehen (RV 444 und RV 445), wäh-rend die ersten Sätze im 4/4-Takt (RV 444 und RV 445) oder 3/4-Takt (RV 443) stehen und ein langsameres Tempo besitzen (Allegro non molto, RV 444 oder Allegro, RV 443). In allen anderen formalen Aspekten sind sie gleich aufgebaut: Sie stehen in der Ritornellform. Bei der Ritornellform wechseln sich Tutti-Abschnitte (sogenannte Ritornelle) und Solo-Abschnitte ab. Der Konzertsatz beginnt immer mit einem Ritornell, welches mehrere, mehr oder weniger klar getrennte Ritornellsegmente enthält (in den folgenden Schemata mit Klein-buchstaben bezeichnet). Danach folgt der erste Solo-Abschnitt, welcher auf harmonischer Ebene die Funktion hat, in eine andere Tonart zu modulieren. Dabei wird das Soloinstrument (in unserem Fall das Flautino) auf unterschiedliche Art und Weise von Teilen des Orchesters begleitet. Auf dieses Solo folgt nun wieder ein Ritornell, welches kürzer ist als das erste, aus einzelnen Segmenten des Anfangsritornells zusammengesetzt ist und in einer anderen Tonart steht. Diese beiden Teile (Ritornell und Solo) wechseln sich nun immer wieder ab, bis, durch Modulationen in den Soloabschnitten, die Grundtonart wieder erreicht und der Konzertsatz somit zu Ende ist. Diese einzelnen Blöcke werden von Vivaldi meist mit Elisionen verbun-den: Das Ende einer Phrase ist zugleich der Beginn der folgenden. Man betrachte dazu das folgende Beispiel:

Abb. 2: RV 443, 3. Satz, T. 18: Die rot markierten Töne sind sowohl Schlusstöne eines Soloabschnitts als auch Anfangstöne eines Ritornells.

9 Wie dies in der Praxis genau zu besetzen ist, entnehme man der Literatur über die historisch infor-mierte Aufführungspraxis. Auch Quantz erklärt verschiedene Besetzungsmöglichkeiten (S. 185). Denkbar wäre zum Beispiel eine Einzelbesetzung für die Violinen und die Viola, für den Generalbass ein Cembalo und ein Violoncello.

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2.1.1 Formale Übersichtsanalyse der Ecksätze Im Folgenden analysierte ich die Ecksätze der drei Flautinokonzerte nach gleichem Schema.10 Anhand dieses Schemas erhält man einen sehr guten Überblick über die Länge der einzelnen Formteile, über die Tonart, in der ein Formteil steht, und über die Besetzung des Formteils. Bei den Anzahl Takten pro Formteil wurden die Elisionen stets zu den beginnenden Formtei-len gezählt, da sie eher als Anfangstöne des beginnenden Formteils empfunden werden denn als Schlusstöne des endenden Formteils. Fallen der Schluss eines Formteils und der Beginn eines Formteils in der Taktmitte zusammen (siehe Abb. 2), wird der Takt einfachheitshalber zu beiden Formteilen gezählt. Concerto RV 443 (Fassung in C-Dur) Erster Satz [Allegro], C-Dur, 3/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Ritornell 1 (a, b, c, d)

Solo 1 Ritornell 2 (a’11, d’)

Solo 2

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-18 (18) a: 1-5 (5) b: 6-12 (7) c: 13-14 (2) d: 15-18 (4)

19-41 (23) 42-49 (8) a’: 42-46 (5) d’: 47-49 (3)

50-72 (23)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I I - VI VI VI - IV

Besetzung (neben Flautino)

Tutti Tutti – B.C. Tutti Streicher ohne B.C. – B.C.

Ritornell 3 (a’, b’, d’)

Solo 3 Ritornell 4 (b’, c’, d’)

Solo 4 Ritornell 5 (b, c, d)

73-80 (8) a’: 73-76 (4) b’: 77-78 (2) d’: 79-80 (2)

81-101 (21) 102-111 (10) b’: 102-108 (7) c’: 109-110 (2) d’: 111 (1)

112-142 (31) 143-155 (13) b: 143-149 (7) c: 150-151 (2) d: 152-155 (4)

IV IV - III III III - I I Tutti B.C. – Streicher

ohne B.C. – B.C. Tutti B.C. – Streicher

ohne B.C. Tutti

10 Das Prinzip dieses Schemas wurde verändert von Rampe (S. 185) übernommen. 11 a’ bezeichnet eine abgeänderte Form von a. Im dritten Ritornell taucht eine weitere Form von a auf, auch diese wird einfachheitshalber als a’ bezeichnet.

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Dritter Satz, Allegro molto, C-Dur, 4/4-Takt12 Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Ritornell 1 (a, b, c, d)

Solo 1 Ritornell 2 (a’, b’, c’)

Solo 2

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-8 (8) a: 1-2 (2) b: 3-5 (2.5) c: 5-6 (1) d: 6-8 (2.5)

9-18 (9.5) 18-24 (6) a’: 18-20 (2) b’: 20-22 (2.5) c’: 23-24 (1.5)

24-37 (13)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I I - V V V - III

Besetzung (neben Flautino)

Tutti B.C. Tutti B.C.

Ritornell 3 (d’)

Solo 3 Ritornell 4 (a’, b’)

Solo 4 Ritornell 5 (b, c, d)

37-39 (2.5) d’: 37-39 (2.5)

40-53 (13.5) 53-58 (5) a’: 53-55 (2) b’: 55-58 (3)

58-70 (12.5) 71-77 (7) b: 71-73 (2.5) c: 73-74 (1) d: 74-77 (3.5)13

III III - VI VI VI - I I Tutti B.C. Tutti B.C. Tutti

12 Dieser 4/4-Takt entspricht allerdings eher einem 2/4-Takt, da häufig in 2/4-Gruppen strukturiert wird: Dies sieht man an den vielen Formteilen welche x.5 Takte lang sind. 13 Die unterschiedliche Länge des Ritornellsegments d rührt daher, dass am Ende des Satzes noch ein ganzer Takt mit dem Schlusston angehängt wurde.

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Concerto RV 444 (Fassung in C-Dur) Erster Satz, Allegro non molto, C-Dur, 4/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Ritornell 1 (a, b, c, d)

Solo 1 Ritornell 2 (a’, c’)

Solo 2

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-11 (11) a: 1-4 (3.5) b: 4-6 (2) c: 6-9 (3.5) d: 10-11 (2)

12-31 (20) 32-35 (4) a’: 32-33 (2) c’: 34-35 (2)

36-43 (8)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I I - VI VI VI - II

Besetzung (neben Flautino)

Tutti B.C. – Streicher ohne B.C.

Tutti B.C. – Streicher ohne B.C. – B.C.

Ritornell 3 (b’)

Solo 3 Ritornell 4 (c’)

Solo 4 Ritornell 5 (a, b, c, d)

44-45 (2) b’: 44-45 (2)

46-57 (12) 58-60 (2.5) c’: 58-60 (2.5)

60-68 (8.5) 69-79 (11) a: 69-72 (3.5) b: 72-74 (2) c: 74-77 (3.5) d: 78-79 (2)

II II - III III I I Tutti B.C. Tutti B.C. – Streicher

ohne B.C. Tutti

Dritter Satz, Allegro molto, C-Dur, 2/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Ritornell 1 (a, b, b’)

Solo 1 Ritornell 2 (a’, b’)

Solo 2

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-15 (15) a: 1-3 (3) b: 4-9 (6) b’: 10-15 (6)

15-34 (20) 35-44 (10) a: 35-37 (3) b: 38-44 (7)

45-82 (38)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I I - V V V - III

Besetzung (neben Flautino)

Tutti Streicher ohne B.C. (unisono)

Tutti B.C.

Ritornell 3 (a’)

Solo 3 Ritornell 4 (a, b, b’)

83-88 (6) a’: 83-88 (6)

88-124 (37) 125-139 (16) a: 125-127 (3) b: 128-133 (6) b’: 134-139 (6)

III I - I (in Moll) - I I Tutti B.C. Tutti

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Concerto RV 445 (Fassung in e-Moll) Erster Satz, Allegro, e-Moll, 4/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Ritornell 1 (a, b, c, d)

Solo 1 Ritornell 2 (a’, d’)

Solo 2

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-12 (12) a: 1-3 (2.5) b: 3-6 (3) c: 6-9 (3) d: 9-12 (3.5)

13-31 (19) 32-36 (4.5) a’: 32-33 (2) d’: 34-36 (2.5)

36-48 (12.5)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I14 I - III III III - V (in Moll)

Besetzung (neben Flautino)

Tutti B.C. mit einzel-nen Einwürfen der restlichen Streicher

Tutti Streicher ohne B.C. (unisono) – B.C. – nur Vio-linen

Ritornell 3 (c’)

Solo 3 Ritornell 4 (a, b’)

Solo 4 Ritornell 5 (a, b, c, d)

49-52 (4) c’: 49-52 (4)

53-69 (16.5)

69-72 (3.5) a: 69-71 (2.5) b’: 72 (1)

73-92 (20)

93-105 (13) a: 93-95 (2.5) b: 95-98 (3) c: 98-101 (3) d: 99-105 (4.5)15

V (in Moll) V (in Moll) - I I I I Tutti B.C. – Streicher

ohne B.C. – B.C. Tutti Streicher ohne

B.C. – B.C. Streicher ohne B.C.

Tutti

14 Das Ritornellsegment c moduliert in die V. Stufe (in Moll), während das Segment d wieder zurück-moduliert. 15 Die unterschiedliche Länge des Ritornellsegments d rührt daher, dass am Ende des Satzes noch ein ganzer Takt mit dem Schlusston angehängt wurde.

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Dritter Satz [Allegro], e-Moll, 2/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Ritornell 1 (a, b, c,)

Solo 1 Ritornell 2 (a’, c’)

Solo 2

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-23 (23) a: 1-6 (6) b: 7-18 (12) c: 19-23 (5)

24-43 (20) 44-53 (10) a’: 44-48 (5) c’: 49-53 (5)

54-80 (27)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I I - III III III - V (in Moll)

Besetzung (neben Flautino)

Tutti B.C. Tutti Nur Violinen (unisono) – B.C.

Ritornell 3 (a’, c’)

Solo 3 Ritornell 4 (a)

Solo 4 Ritornell 5 (a, b, c)

81-87 (7) a’: 81-86 (6) c’ 87 (1)

88-103 (16) 104-109 (6) a: 104-109 (6)

110-143 (34) 144-167 (24) a: 144-149 (6) b: 150-161 (12) c: 162-167 (6)16

V (in Moll) V (in Moll) - I I I I Tutti B.C. –

Streicher ohne B.C.

Tutti B.C. –Streicher ohne B.C.

Tutti

16 Die unterschiedliche Länge des Ritornellsegments c rührt daher, dass am Ende des Satzes noch ein ganzer Takt mit dem Schlusston angehängt wurde.

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2.1.2 Harmonische Abfolge der Formteile Durch die zuvor verwendeten Schemata erkennt man, dass Ecksätze grundsätzlich fünf Ritor-nelle und vier Soloepisoden besitzen (Ausnahme RV 444, dritter Satz) und jedes Ritornell in einer eigenen Tonart steht. Als fixe Regel gilt, dass sowohl das erste, als auch das letzte Ri-tornell in der Grundtonart des Concerto stehen. Die restliche Ritornelle stehen in Verwandten Tonarten: Sämtliche Ritornelle werden durch die modulierenden Solopassagen verbunden. Doch auch die Tonarten der restlichen Ritornelle sind nach einem Schema aufgebaut (zumin-dest in den drei Flautinokonzerten!), wie ich herausgefunden habe: Eröffnungssätze in Dur (RV 443 und RV 444): 1. Rit. 2. Rit. 3. Rit 4. Rit 5. Rit Tonart (RV 443)

I (Dur) VI (Moll) IV (Dur) III (Moll) I (Dur)

Tonart (RV 444)

I (Dur) VI (Moll) II (Moll) III (Moll) I (Dur)

Schlusssätze in Dur (RV 443 und RV 444): 1. Rit. 2. Rit. 3. Rit. 4. Rit. 5. Rit. Tonart (RV 443)

I (Dur) V (Dur) III (Moll) VI (Moll) I (Dur)

Tonart (RV 444)

I (Dur V (Dur) III (Moll) I (Dur) –

Eröffnungs- und Schlusssätze in Moll (RV 445): 1. Rit. 2. Rit. 3. Rit. 4. Rit. 5. Rit. Tonart (RV 445, Eröff-nungssatz)

I (Moll) III (Dur) V (Moll) I (Moll) I (Moll)

Tonart (RV 445, Schluss-satz)

I (Moll) III (Dur) V (Moll) I (Moll I (Moll)

Man sieht, dass es für Dur-Grundtonarten zwei Ritornelltonart-Abfolgen gibt und für Moll-Grundtonarten eine. Das wären folgende: Dur: a) Grundtonart (I) - Paralleltonart (VI) - Subdominante (IV/II) - Gegenparallele (III) - Grundtonart (I) b) Grundtonart (I) - Dominante (V) - Gegenparallele (III) - (Paralleltonart (VI)) - Grundtonart (I) Moll: a) Grundtonart (I) - Paralleltonart (III) - Dominante (in Moll) (V) - Grundtonart (I) - Grundtonart (I)

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2.2 Mittelsätze Bis jetzt wurde nur über die schnellen, in Ritornellform stehenden Ecksätze gesprochen. Die Mittelsätze hingegen besitzen ein langsames Tempo (Largo RV 443 und RV 444, Larghetto RV 445) und unterschiedliche Formen. In den Flautinokonzerten kommen zwei Formen vor:

2.2.1 Mittelsatz mit Ritornell Die Mittelsätze mit Ritornell sind ähnlich aufgebaut wie die Ecksätze: Mit dem Unterschied dass es nur zwei Ritornelle gibt: Ein längeres zu Beginn und ein kürzeres am Ende des Satzes. Beide Ritornelle bestehen aus denselben Motivischen Bausteinen, wobei das Ritornell zu Be-ginn Segmente enthalten kann, welche im Schlussritornell nicht mehr vorkommen (z.B. RV 445, 2. Satz). Das Schlussritornell muss zwingend in der Grundtonart des Satzes stehen, wäh-rend das Eröffnungsritornell zumindest in der Grundtonart beginnen muss. Zwischen diesen beiden Ritornellen steht ein langer Soloabschnitt, in welchem zweimal (RV 445), bezie-hungsweise dreimal (RV 444) moduliert wird. Diese Modulationen werden stets mit einer Kadenz (inklusive Kadenztriller) abgeschlossen. Folglich wird der Solo-Abschnitt eingeteilt in einzelne Teile (im untenstehenden Schema mit Grossbuchstaben bezeichnet). Im ganzen Soloabschnitt kann ein Motivischer Baustein die Funktion eines Hauptmotivs übernehmen, er kann somit in allen Teilen des Soloabschnitts vorkommen. Während in den Ritornellen das gesamte Orchester spielt, wird das Flautino im Soloabschnitt nur mit einer einfachen Beglei-tung ohne Generalbass begleitet. Im Concerto RV 444 wird das Flautino durch die erste Vio-line, welche gebrochene Akkorde spielt, und durch die zweite Violine und die Viola begleitet, welche unisono die Bassfunktion übernehmen. Bei diesem Übernehmen der Bassfunktion durch die Violinen und die Viola werden diese Instrumente als Basset bezeichnet; Vivaldi notiert diese Instrumente im Bassschlüssel. Die Violinen und die Viola müssen also oktavie-ren. Im Concerto RV 445 wird das Flautino nur durch die in Bassetfunktion spielenden Violi-nen und die in Bassetfunktion spielende Viola unisono begleitet. Zur Veranschaulichung der Form folgt ein ähnliches Schema wie bei der formalen Über-sichtsanalyse der Ecksätze. Concerto RV 444 (Fassung in C-Dur) Zweiter Satz, Largo, a-Moll, 4/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Form-teilsegmente

Ritornell 1 (a)

Solo 1 (A, B, C)

Ritornell 2 (a’)

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-3 (2.5) a: 1-3 (2.5)

3-15 (12) A: 3-8 (5.5) B: 9-11 (3) C: 12-15 (3.5)

15-17 (2.5) a’: 15-17 (2.5)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I A: I - V (in Moll) B: V (in Moll) - IV C: IV - I

I

Besetzung (neben Flautino)

Tutti 1. Violine und Basset

Tutti

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Concerto RV 445 (Fassung in e-Moll) Zweiter Satz, Larghetto, e-Moll, 4/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Form-teilsegmente

Ritornell 1 (a, b)

Solo 1 (A, B)

Ritornell 2 (a’)

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-6 (6) a: 1-2 (2) b: 3-6 (4)

7-22 (16) A: 7-15 (9) B: 16-22 (7)

23-24 (2) a’: 23-24 (2)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I - V A: I - III B: III - I

I

Besetzung (neben Flautino)

Tutti Basset Tutti

2.2.2 Mittelsatz ohne Ritornell Die zweite Form, welche Vivaldi benutzte, ist der Mittelsatz ohne Ritornell: Er besteht nur aus zwei langen Solo-Abschnitten, welche je einmal wiederholt werden. Folglich hat dieser Satz die Form AB. Diese Form wird allerdings weitaus weniger häufig benutzt als die Ritor-nellform. Von allen Blockflötenkonzerten (inklusive RV 441 und RV 442) ist nur ein Mittel-satz ohne Ritornelle komponiert: Der Mittelsatz des Concerto RV 443, komponiert im Stil einer Siciliana. Das Flautino spielt eine verzierte, kantable Melodie, während der Basso Con-tinuo mit repetierten Achtelnoten begleitet. Die restlichen Streicher legen eine Art „Klangtep-pich“ mit lang ausgehaltenen Noten darüber. Es folgt das bekannte Übersichtsschema. Concerto RV 443 (Fassung in C-Dur) Zweiter Satz, Largo, e-Moll, 12/8-Takt Formteil A :|| B :|| Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-5 (5) 6-13 (8)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I - V (in Moll) V (in Moll) - I

Besetzung (neben Flautino)

Tutti Tutti

2.2.3 Tonart der Mittelsätze Auffällig ist, dass die Mittelsätze in einer anderen Tonart stehen können als die Ecksätze. Alle Mittelsätze der Flautinokonzerte (und Blockflötenkonzerte überhaupt) sind zudem in Moll. Hier eine Auflistung der Verwandtschaft der verwendeten Tonarten: Ecksätze Mittelsatz RV 443 C-Dur e-Moll (Gegenparallele) RV 444 C-Dur a-Moll (Parallele) RV 445 e-Moll e-Moll (gleiche Tonart)

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3. Bausteinprinzip Wie in der Einleitung erwähnt, fiel mir bei der Analyse der Flautinokonzerte auf, dass sämtli-che vorkommende harmonische Wendungen und Motive auf ein paar wenigen, wiederkeh-renden Patterns oder Muster beruhen, welche ich im Folgenden Bausteine nenne. Somit stelle ich die These auf: Vivaldis Konzerte sind vollständig aufgebaut aus Harmonischen und Moti-vischen Bausteinen (dies nenne ich Bausteinprinzip).17 Harmonische Bausteine beschreiben Harmonieabfolgen, während Motivische Bausteine kleinste motivische Einheiten sind, aus denen durch motivverarbeitende Techniken (vor allem Sequenzierung und Wiederholung) Phrasen entstehen. Zudem stehen die einzelnen Bausteine in einer Hierarchie: Zuoberst in der Hierarchie steht die Form, in welcher das Stück komponiert ist. Sie definiert die Abfolge zwischen Ritornell- und Solopassagen aber auch die Abfolge der Tonarten der einzelnen Ritornell- und Solopassagen. In der Hierarchie eine Stufe tiefer folgen die Harmo-nischen Bausteine. Sie müssen so aneinandergereiht werden, dass die von der Form geforderte Tonartabfolge erreicht wird. Als tiefste Hierarchiestufe folgen nun die Motivischen Baustei-ne: Die Harmonischen Bausteine geben ihnen vor, in welcher Harmonie die einzelnen Motive und Phrasen stehen müssen. Deshalb stehen einzelne Motivische Bausteine nur in einer Har-monie (z.B. G-Dur). Die Form gibt zudem vor, ob die Motive virtuos sein müssen (z.B. in Solopassagen der Ecksätze) oder eher kantabel (z.B. in den Mittelsätzen). Während von Vivaldi nach einem bestimmten Prinzip ständig neue Motivische Bausteine erfunden werden (siehe Kapitel 5.2), verwendet er in allen Flautinokonzerten nur sechs ver-schiedene Harmonische Grundbausteine. In den folgenden Kapiteln werden zuerst die Har-monischen Bausteine aufgelistet und beschrieben, anschliessend wird das Prinzip zur Erfin-dung von Motivischen Bausteinen erläutert. Zudem folgt eine Auflistung wiederkehrender Motivischer Bausteine.

17 Rampe benutzt den Begriff „Baukastensystem“ (S.182), dies allerdings nur in Bezug auf den Auf-bau der Ritornelle und nicht in Bezug auf harmonische Abläufe oder Motive.

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4. Harmonische Bausteine Harmonische Bausteine sind Formeln von Harmonieabfolgen, aus welchen Vivaldi seine Konzerte schuf, und somit das harmonische Grundgerüst einer Phrase bilden. Ich versuchte diese zu finden und zu definieren. Hier werden nun alle vorgestellt, welche ich gefunden ha-be. Mit diesen Bausteinen ist es möglich, den gesamten harmonischen Ablauf eines Flautino-konzerts zu erklären (nicht allerdings die Harmonieabfolgen von sämtlichen Konzerten Vi-valdis; diese bestehen zum Teil aus komplexeren Harmonieabfolgen).

4.1 Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV, V und ihren Variationen Dies ist das simpelste aller von Vivaldi verwendeten Harmonieschemata: Vivaldi verwendet Stufen aus der Vollkadenz (I. Stufe, IV. Stufe oder V. Stufe)18 beziehungsweise Variationen davon. Als Variationen kann folgendes dienen: Für die I. Stufe:

- In ganz wenigen Fällen die Parallele Moll- oder Durtonart (z.B. RV 444, 2. Satz, T. 8). Für die IV. Stufe:

- Die II. Stufe als Quintsextakkord (nur bei Molltonarten, z.B. RV 444, 2. Satz, T. 16) - Die II. Stufe als Sextakkord (nur bei Durtonarten, z.B. RV 444, 3. Satz T. 14) - Der Neapolitanische Sextakkord (nur bei Molltonarten, z.B. RV 445, T. 140)

Für die V. Stufe:

- Der Dominantseptakkord (z.B. RV 443, 1. Satz, T. 52) - Verminderte oder Ganzverminderte Akkorde (z.B. RV 444, 1. Satz, T. 66)

Von diesem Harmonischen Baustein gibt es wiederum zwei Arten: Die nichtmodulierenden Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV und V und die modulierenden Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV und V.

4.1.1 Nichtmodulierende Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV und V Nichtmodulierende Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV und V19 treten meist während der Ritornelle oder zu Beginn eines Soloteils auf, denn sie haben die Funktion einer Einleitung, bevor Vivaldi beginnt zu modulieren. So ist der Beginn des ersten Solos aus dem Concerto RV 443 sechs Takte lang (T. 19 – T. 24): Benutzt wird während dieser Zeit nur die I. und V. Stufe; folglich müssen nicht alle genannten Stufen (I, IV und V) verwendet werden. Es kön-nen auch nur die I. Stufe oder die I. und die V. Stufe benutzt werden. Jedes Solo und jedes Ritornell wird durch eine Kadenz beendet. Die einfachste Kadenz ist der Schluss I-V-I (Die V. Stufe kann auch durch eine kleine Septime ergänzt werden). Diese Ka-denz kann aber noch erweitert werden durch die IV. Stufe (und ihren Variationen) zum Schluss I-IV-V-I. Zudem können vor der V. Stufe noch Quart- und Quartsextvorhalte einge-schoben werden.

18 Die Stufentheorie wurde erst nach Vivaldis Zeiten entwickelt. Trotzdem kann man mit ihrer Hilfe viel erklären, weshalb ich sie benutze. 19 In einer Phrase, welche z.B. in e-Moll steht, bezeichne ich e-Moll einfachheitshalber als die erste Stufe, obwohl das gesamte Konzert z.B. in der Grundtonart C-Dur steht.

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Abb. 3: RV 443, 1. Satz, T. 24. In dieser Kadenz wurde die IV. Stufe durch die II. Stufe als Sextak-kord ersetzt.

Abb. 4: RV 443, 1. Satz, T. 101. In dieser Kadenz wurde vor der V. Stufe noch ein Quartsextvorhalt eingeschoben.

4.1.2 Modulierende Harmoniefolgen mit den Stufen I, IV und V Dies ist eine der von Vivaldi am häufigsten benutzten Modulationsarten, welche während der Soloteile verwendet wird. Das Schema funktioniert auf folgende Art und Weise: Die I. Stufe einer beliebigen Tonart wird gleichzeitig als IV. Stufe einer neuen Tonart betrachtet: Auf die-se IV. Stufe folgt dann die V. Stufe der neuen Tonart. Folglich wurde moduliert. Ein Beispiel dazu wäre im dritten Satz des Concerto RV 444 in den Takten 62 – 78 zu finden. Siehe auch Abb. 5.

Abb. 5: Modulierende Harmoniefolge mit den Stufen I, IV und V: Von a-Moll nach e-Moll

4.2 Tonleiter-Harmonieabfolgen Diese Harmonieabfolgen beruhen auf Dur-, Moll- oder chromatischen Tonleitern. Auch hier gibt es wieder verschiedene Unterarten, welche nun aufgelistet werden.

4.2.1 Dur-/Moll-Tonleiterabfolge20: Bass und Melodiestimme liegen auf demselben Ton21 Bei dieser Variante liegen der Bass und die Melodiestimme auf demselben Ton; die Tonleiter kann sowohl aufwärts als auch abwärts gerichtet sein. Dies funktioniert sowohl mit Dur- als auch mit Molltonleitern. Vivaldi verwendet dieses Muster allerdings sehr selten. Zur Veran-schaulichung soll ein Beispiel aus dem 1. Satz des Concerto RV 443 dienen:

20 Tonleiter-Harmonieabfolge wird abgekürzt als Tonleiterabfolge. 21 Bzw. eine oder mehrere Oktaven auseinander.

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Abb. 6: Dieser Phrase liegt eine Dur-Tonleiterabfolge zu Grunde. Der Bass und die Melodiestimme beginnen jeweils auf demselben Ton (RV 443, 1. Satz, T. 25-29).

4.2.2 Dur-/Moll-Tonleiterabfolge: Bass und Melodiestimme sind im Terzabstand ange-ordnet Diese Tonleiterabfolge kann sowohl aufwärts als auch abwärts gerichtet sein: Sie funktioniert mit Dur- und Molltonleitern. Hier sollen zur Veranschaulichung zwei Beispiele dienen (RV 443, 1. Satz, T. 36 – 38 und RV 445, 1. Satz, T. 29 – 31).

Abb. 7: Aufsteigende Melodisch-Moll-Tonleiterabfolge: Die Basstöne und die ersten Töne des Sech-zehntelmusters der Melodiestimme sind immer im Terzabstand angeordnet.

Abb. 8: Absteigende Dur-Tonleiterabfolge gefolgt von einer aufsteigenden Dur-Tonleiterabfolge: Die Basstöne und die ersten Töne des Sechzehntelmusters der Melodiestimme sind immer im Terzabstand angeordnet. Dieses Muster kann tonleiterbedingt nicht sehr lange sein: Vivaldi verwendet es deshalb häu-fig, um andere Bausteine oder Phrasen zu verbinden.

4.2.3 Chromatische Tonleiterabfolge Diese Tonleiterabfolge kann nur aufwärts gerichtet sein. Die aufsteigende chromatische Ton-leiter wird auf eine bestimmte Art und Weise harmonisiert, nämlich in dem sich Dur-Sextakkorde mit Dreiklängen abwechseln, welche in der Grundstellung sind. Die Sextakkorde

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stehen in der Funktion einer Zwischendominante, während die Dreiklänge in der Grundstel-lung die Funktion einer I. Stufe annehmen. Im Grundmuster stehen sowohl der Sextakkord als auch der Akkord in der Grundstellung in Dur. Hier als Beispiele die zwei Möglichkeiten, wie die Chromatische Tonleiter ab dem Ton a harmonisiert wird:

Abb. 9: Der erste Ton a wird als Dreiklang in der Grundstellung harmonisiert.

Abb. 10: Der erste Ton a wird als Sext- akkord harmonisiert.

Vivaldi verwendet dieses Muster auf unterschiedliche Art und Weise. Dies sollen nun drei Beispiele aus den Flautinokonzerten zeigen.

Abb. 11: RV 444, 1. Satz, T. 63–64. Ein typisches Beispiel des Harmonischen Bausteins „chromati-sche Tonleiterabfolge“. In Rot die Harmonie des jeweiligen Abschnitts, 6 = Sextakkord, GS = Grund-stellung. Man beachte die Chromatische Tonleiter in der tiefsten Stimme. Bei den bisherigen Erklärungen und Beispielen war die Chromatische Tonleiter stets im Bass ausgeschrieben. Doch dies muss nicht zwingend der Fall sein: Das Harmonieschema funktio-niert trotzdem!

Abb. 12: RV 445, 2. Satz, T. 16–17. Auch diese Harmonieabfolge beruht auf der chromatischen Ton-leiterabfolge. In den roten Klammern stehen die theoretischen Akkordumkehrungen, wenn die ausge-schriebene Chromatische Tonleiter die Bassstimme wäre. In Blau wurde die versteckte Chromatik sichtbar gemacht. Vivaldi verwendet diesen Baustein in zwei Funktionen: Einerseits als harmonische Grundlage für längere Phrasen (Abb. 11), andererseits als simple Modulation (Abb. 12). Bei dieser einfa-

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chen Modulation kommt nur ein einziger Wechsel zum Sextakkord22 vor. Bei längeren Phra-sen hingegen kann Vivaldi die Abwechslung zwischen Sextakkorden und Dreiklängen in der Grundstellung theoretisch unendlich lang weiterführen, doch dies wäre nicht sehr spannend für den Zuhörer. Folglich muss Vivaldi irgendwie aus diesem Muster „aussteigen“. Dies tut er auf die folgende Art und Weise:

Abb. 13: Zu Beginn sehen wir die gewohnte chromatische Tonleiterabfolge. Der Ausstieg ist gelb markiert: Vivaldi lässt E-Dur nach a-Moll auflösen (statt wie zu erwarten nach A-Dur!). Die Akkorde wechseln aber weiterhin zwischen Grundstellung (GS) und Sextakkord (6) ab, der Bass allerdings bleibt liegen und geht erst im nächsten Schritt einen Ganzton höher. Somit landet Vivaldi bei h-vermindert, welches es nun z.B. nach C-Dur aufzulösen gilt (siehe RV 444, 1. Satz, T. 63–67). Somit ist der Ausstieg geglückt und eine neue Tonart erreicht. Alternativ könnte man in diesem Beispiel auch von F-Dur (IV. Stufe, Sextakkord) nach G-Dur (V. Stufe) um so nach C-Dur (I. Stufe) zu gelan-gen (siehe Abb. 14).

Zur Veranschaulichung der chromatischen Tonleiterabfolge mit „Ausstieg“ noch ein Fallbei-spiel aus dem Concerto RV 443:

Abb. 14: RV 443, 1. Satz, T. 6–13. Die etwas versteckte Chromatische Tonleiter wurde in Blau sicht-bar gemacht. In roten Klammern die theoretisch vorhandenen Akkordumkehrungen, wenn die chroma-tische Tonleiter die Bassstimme wäre. Das gelbe Rechteck bezeichnet den „Ausstieg“. Die Chromati-sche Tonleiter nimmt man hier beim Hören gar nicht wahr: Dies war wohl von Vivaldi beabsichtigt, denn so merkt der Zuhörer nicht, dass Vivaldi eigentlich immer dieselben Harmonischen Formeln benutzt.

22 In diesem Fall kann der Sextakkord ausserdem durch Quintsextakkorde, verminderte oder ganzver-minderte Akkorde ersetzt werden.

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Diesen Ausstieg benutzt Vivaldi allerdings nur bei längeren Phrasen. Bei den kurzen, einfa-chen Modulationen, bei denen nur ein Wechsel zum Sextakkord verwendet wird, wird der Sextakkord schlicht als neue V. Stufe betrachtet, welche sich zu der dazugehörigen neuen I. Stufe auflöst (siehe auch Abb.12).

4.3 Quintfallsequenz Ein sehr wichtiger Harmonischer Baustein Vivaldis ist die Quintfallsequenz. Schon 1728 be-merkte dies der deutsche Komponist und Musiktheoretiker Johann David Heinichen. In seiner Generalbassschule schreibt er: „Zu einem Concert des berühmten Vivaldi findet sich folgende Circulatio Modorum ma-jor[um] per 4tas, davon ich ohngefehr nur die ersten fundamental-Noten des, piano spielen-den Bassettes hersetzen will, weil ich das Concert nicht bei der Hand habe:“23

Abb.15: J.D. Heinichen: Der Generalbass in der Composition (1728), S. 868. Quintfallsequenzen sind Akkordfolgen, deren Grundtöne in Quinten abwärts wandern (oder in Quarten aufwärts, es resultiert dasselbe). In der Praxis sieht es meist so aus, dass der Grund-ton abwechselnd eine Quinte sinkt, und danach wieder um eine Quarte steigt (siehe Abb. 15), oder auch so dass die Grundtöne gar nicht notiert sind, dafür andere Töne aus dem Akkord im Bass liegen (es entstehen somit z.B. Sextakkorde). Ich teile Vivaldis Quintfallsequenzen in zwei Arten ein: In Tonartunabhängige Quintfallsequenzen und Tonartabhängige Quintfallse-quenzen. Zuerst zu den Tonartunabhängigen.

4.3.1 Tonartunabhängige Quintfallsequenzen Diese Quintfallsequenzen bewegen sich nur in reinen Quinten fort. Betrachtet man den Bass-ton als Grundton eines Dur-Dreiklangs, so bewegen sich diese Quintfallsequenzen durch den Quintenzirkel; folglich sind sie zwingend modulierend. Hier ein theoretisches Beispiel:

Abb.16: Eine Tonartunabhängige Quintfallsequenz. Sie bewegt sich nur in reinen Quinten fort und wandelt so durch den Quintenzirkel: Deshalb nannte sie Heinichen auch „Circulatio Modorum majo-rum per 4tas“ (Kreislauf der Durtonarten durch Quarten). Die Akkorde der Tonartunabhängigen Quintfallsequenz sind immer in Dur (somit können auch kleine oder grosse Dur-Septakkorde verwendet werden). Zur Veranschaulichung folgt ein Beispiel aus Vivaldis Flautinokonzert RV 444.

23 Zit.: Heinichen, S. 868.

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Abb. 17: RV 444, 1. Satz, T. 40–42. In Rot die Harmonie des jeweiligen Abschnitts. Man beachte wie der Grundton abwechselnd in reinen Quinten bzw. reinen Quarten aufwärts bzw. abwärts wandert. Gelb markiert ist der Ausstieg aus dem Muster: Vivaldi geht von Es statt nach As nach A (dieser Schritt entspricht einer verminderten Quint) und kommt somit nach A-Dur welches er nach d-Moll auflösen kann.

4.3.2 Tonartabhängige Quintfallsequenz Die Tonartabhängigen Quintfallsequenzen sind von einer bestimmten Tonart abhängig: Es kommen nur Töne vor, welche auch in dieser Tonart zu finden sind; folglich sind sie auch in Stufen einzuteilen. Da nur leitereigene Grundtöne verwendet werden, kommt zwingend ein Tritonusschritt vor. Es folgen zwei theoretische Beispiele von Tonartabhängigen Quintfallse-quenzen.

Abb. 18: Diese Quintfallsequenz hängt von der Tonart C-Dur ab: Es kommen keine tonartfremden Töne vor. In Rot sieht man die Einteilung in Stufen.

Abb. 19: Diese Quintfallsequenz hängt von der Tonart a-Moll ab. Auch hier kommen keine tonart-fremden Töne vor.24 In Rot sieht man die Einteilung in Stufen.

24 Das Gis in E-Dur stammt aus dem Harmonischen Moll; Vivaldi verwendet es um diesen Akkord als V. Stufe zu benutzen.

I IV VII III VI II V I

I IV VII III VI II V I

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Hier zwei Beispiele aus den Flautinokonzerten zu den Tonartabhängigen Quintfallsequenzen:

Abb. 20: RV 443, 1. Satz, T. 32–35. Diese Quintfallsequenz hängt von der Tonart a-Moll ab (vgl. Abb. 19); die roten Linien markieren die Harmoniewechsel. Bewusst nenne ich diese Quintfallsequenzen „nur“ Tonartabhängig. Es gibt nämlich auch Tonartabhängige Quintfallsequenzen, welche Mischformen aus unterschiedlichen Tonarten darstellen. Man betrachte dazu das folgende Beispiel:

Abb. 21: RV 445, 1. Satz, T. 43–48. Die Enden der (motivischen) Phrasen sind in h-Moll (gelb mar-kiert). Die darunterliegenden Quintfallsequenzen sind jedoch beide in fis-Moll (Anfänge und Enden sind blau markiert). An diesem Beispiel sieht man, dass Vivaldi ein Meister der Quintfallsequenz war.

4.3.3 Ausstieg aus Quintfallsequenzen Auch bei den Quintfallsequenzen benutzt Vivaldi gewisse Formeln zum Ausstieg aus dem vorgegebenen Muster. In den einfachsten Fällen steigt Vivaldi aus der Quintfallsequenz aus, in dem er beliebige Dur-/Moll-Akkorde der Quintfallsequenz als IV. oder beliebige Dur-Akkorde als V. Stufe einer Kadenz betrachtet. So kann er diese Kadenz dann vollenden und ist aus der Quintfallsequenz ausgestiegen; in den meisten Fällen dient dies der Modulation. Dazu zwei Beispiele:

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Abb. 22: Ein beliebiger Durakkord wird als V. Stufe betrachtet (z.B. RV 444, 1. Satz, T. 18).

Abb. 23: Ein beliebiger Dur-/Mollakkord wird als IV. Stufe betrachtet (z.B. RV 443, 1. Satz, T. 119).

Eine Ausstiegsformel, welche nur bei Molltonartabhängigen Quintfallsequenzen existiert, funktioniert folgendermassen: Vivaldi wechselt von dem Akkord in der III. Stufe (Dur) zu-rück in die I. Stufe (= Parallele Molltonart). Diesen Mollakkord kann er dann als I. Stufe ver-wenden oder noch zur IV. Stufe umdeuten:

Abb. 24: Man sieht den Wechsel von C-Dur nach a-Moll. Dieser a-Moll-Akkord wird als IV. Stufe einer neuen Tonart (e-Moll) betrachtet. (siehe z.B. RV 443, 1. Satz, T. 90).

Abb. 25: Ein spannendes Beispiel: Der Wechsel zum a-Moll-Akkord wird über-sprungen; stattdessen wird direkt nach H-Dur gewechselt. Hätte der C-Dur-Akkord noch eine kleine Septime, könnte man dieses Phänomen als Tritonussubstitution betrach-ten. Deshalb wird er in Klammern als Sub-stitutionsdominante bezeichnet. (RV 443, 3. Satz, T. 32).

Eine weitere Ausstiegsformel, welche nur bei Molltonartabhängigen Quintfallsequenzen in Erscheinung tritt, ist folgende: Der eine, zwingend vorkommende, verminderte Akkord wird umgedeutet zur VII. Stufe der Parallelen Durtonart. Auf diese VII. Stufe folgt dann die neue I. Stufe. Alternativ kann vor dem Wechsel VII-I auch noch die V. Stufe eingeschoben werden:

Abb. 26a: Der vorkommende verminderte Akkord (II. Stufe) wird zur VII. Stufe umgedeutet: Er wird zur neuen ersten Stufe aufgelöst (welche der Parallelen Durtonart entspricht) (siehe z.B. RV 445, 3. Satz, T. 34).

Abb. 26b: Bevor zur neuen ersten Stufe aufgelöst wird, wird noch die V. Stufe eingeschoben (siehe z.B. RV 443, 3. Satz, T. 61).

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Zudem gibt es noch weitere Ausstiegsformeln: Die eine betrifft nur Tonartunabhängige Quintfallsequenzen. Bei dieser Ausstiegsformel wird, statt wie üblich in reinen Quinten fort-zuschreiten, ein Tritonusschritt gemacht. Über diesem neuen Grundton wird nun ein Dur-Akkord gelegt, welcher als V. Stufe betrachtet wird und den es zu einer I. Stufe aufzulösen gilt. Siehe dazu Abb. 17. Eine weitere Ausstiegsmöglichkeit besteht darin, an einen beliebigen Akkord einer Quintfallsequenz direkt eine Chromatische Sextakkord-Tonleiterabfolge anzu-hängen, siehe dazu RV 443, 3. Satz, T. 48.

4.4 Quintanstiegsequenz Die Quintanstiegsequenz funktioniert ähnlich wie die Quintfallsequenz. Anstatt dass sich der Grundton in Quintschritten abwärts bewegt, schreitet er nun in Quintschritten aufwärts (oder in Quartschritten abwärts; das Resultat ist dasselbe). Zur Erklärung ein theoretisches Beispiel:

Abb. 27: Eine Quintanstiegsequenz: Man beachte den in Quintschritten steigenden und in Quart-schritten fallenden Grundton. Dies tritt in den drei Flautinokonzerten allerdings eher selten auf (im Vergleich zur Quintfall-sequenz). Deshalb beschränke ich meine Erklärungen auf ein praktisches Beispiel:

Abb. 28: RV 443, 1. Satz, T. 81–86. Bei dieser Phrase handelt es sich um eine Quintanstiegsequenz, wie die hinzugefügten Grundtöne zeigen.

4.5 Orgelpunkt Ein weiterer Harmonischer Baustein Vivaldis ist der Orgelpunkt. Bei einem Orgelpunkt bleibt ein gleichbleibender Ton (oder auch ein Ton mit einer kleinen Verzierung) über längere Zeit bestehen, oder wird mehrere Male wiederholt, während sich die Harmonien darüber verän-dern.

4.5.1 Orgelpunkt im Bass Bei einem Orgelpunkt im Bass, liegt der Orgelpunkt (wie der Name schon sagt) im Bass. Bei Vivaldi ist es meist so, dass bei einem Orgelpunkt der Basston in dem darüber ertönenden Akkord enthalten ist. Ein typisches Orgelpunktmuster Vivaldis besteht darin, dass sich die V. Stufe in Grundstellung und die I. Stufe in Quartsextumkehrung über dem Grundton der V. Stufe abwechseln. Die Oberstimmen bewegen sich dabei im Terzabstand auf einer Tonleiter. Dazu ein Beispiel:

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Abb. 29: RV 443, 1. Satz, T. 93–97. Es handelt sich hier um eine Phrase, welcher ein Orgelpunkt zugrunde liegt. Man beachte wie sich die Oberstimmen tonleiterartig im Terzabstand fortbewegen. Vivaldi wechselt nur zwischen der I. Stufe (e-Moll) und der V. Stufe (H-Dur).

4.5.2 Orgelpunkt in der Oberstimme Bei diesem Fall liegt der Orgelpunkt in der Oberstimme: Dabei ist der Orgelpunkt allerdings weniger ein ausgehaltener Ton als ein häufig repetierter Motivischer Baustein. Die Bassstim-me spielt dazu eine abwärtsgerichtete Tonleiter. Ein Beispiel dazu findet sich im ersten Ritor-nell des ersten Satzes des Concerto RV 444 (T. 1–4).

4.6 Harmonische Rückung Sozusagen als harmonischen „Effekt“ benutzt Vivaldi in seltenen Fällen harmonische Rüc-kungen; ohne Modulation wird nach einer Kadenz direkt in eine andere Tonart gewechselt. Diese Rückungen finden aber stets in verwandte Tonarten statt, z.B. von C-Dur nach c-Moll25 (Varianttonart), von a-Moll nach C-Dur26 (Paralleltonart) oder von e-Moll nach C-Dur27 (Ge-genparallele). Auffällig ist auch, dass sich bei jeder Rückung das Tongeschlecht (Dur/Moll) ändert.

25 RV 444, 3. Satz, T. 111. 26 RV 443, 3. Satz, T. 58. 27 RV 444, 1. Satz, T. 60.

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5. Motivische Bausteine

5.1 Motivischer Aufbau eines Formteils Ich beginne diesen Abschnitt mit einem Zitat von Rampe: „Bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte sich das Prinzip etabliert, Melodien aus einzelnen Segmenten zusammen zu setzen, die über Takte hinweg einen oder mehrere Atembögen bil-den, um sich zur Phrase zu addieren entsprechend einem gesprochenen Satz. Bei Melodien von Ritor-nellen spielt zunächst das Baukastensystem aufeinander folgender Segmente eine Rolle, welche bei Bedarf im Verlauf einer Ritornellform auch einzeln zitiert werden können. Viele Ritornelle enthalten bis zu vier oder fünf verschiedene Segmente (...). Um den Melodiebogen allerdings zusammen zu hal-ten und zu schliessen, stellten Komponisten an den Beginn oft ein sogenanntes Motto, eine melodische Idee, aus der als Keimzelle weitere Gedanken entwickelt wurden – das sogenannte Fortspinnungsprin-zip (...).“28 Rampe erklärt hier wie Ritornelle aus „Segmenten“ zusammengesetzt werden. Diese Segmen-te lassen sich aber wieder in kleinere Segmente einteilen. Auch diese kleineren Segmente las-sen sich meist in noch kleinere Segmente aufteilen. So teile ich immer weiter, bis ich zu dem kleinsten, unteilbaren Grundsegment komme, welches ich einen Motivischen Baustein nenne. Motivische Bausteine stehen meist nur in einer Harmonie (z.B. G-Dur). Auf der folgenden Seite ein Beispiel, wie das Ritornell aus dem Concerto RV 443 aus solchen Motivischen Bau-steinen (welche zu grösseren Segmenten zusammengefügt werden) zusammengesetzt ist. Im Übrigen gilt dieses Prinzip nicht nur für Ritornelle: Auch die Soloepisoden wurden auf diese Art und Weise komponiert. Jedoch muss ich anmerken, dass es sich hier um ein theoretisches Prinzip handelt und nicht in allen Fällen vollständig zu klären ist, was jetzt ein Segment und was ein Motivischer Baustein ist.

28 Rampe, S. 182.

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Abb. 30: RV 443, 1. Satz, T. 1–18. Blau markiert sind die grössten vier Segmente dieses Ritornells. Sie sind voneinander unabhängige Sinneinheiten, welche im Verlaufe des Concertos auch einzeln auftre-ten können.29 Rot markiert sind die acht kleineren Segmente, aus welchen die grösseren Segmente aufgebaut sind. Betrachtet man im ersten grossen Segment (mit einer blauen Eins markiert) die Bass-stimme, fällt auf, dass diese nur aus Wiederholungen des mit einer roten Zwei markierten kleineren Segments besteht. Die Viola spielt dasselbe, einfach um eine Terz versetzt. Auch die Flautinostimme (und die Stimme der 1. Violine) bestehen nur aus einer Wiederholung des mit einer roten Eins mar-kierten kleinen Segments. Die zweite Violine spielt dasselbe, versetzt um einen ganzen Takt. Nur mit-hilfe dieser beiden (kleineren) Segmenten (rote 1 und 2) wurde das erste grössere Segment (blaue 1) also zusammengesetzt. Als Harmonischer Baustein liegt ihm im Übrigen eine nichtmodulierende Harmonieabfolge (welche nur die I. Stufe benutzt) zu Grunde. Auch das zweite grössere Segment (blaue 2) besteht nur aus Sequenzen der kleineren Segmente (rote 3 und 4). Diesem zweiten grösseren Segment liegt eine Chromatische Tonleiterabfolge zu Grunde: Man sieht wie die Segmente mit den Harmonischen Bausteinen zusammenhängen. Auf diese Art und Weise sind alle Flautinokonzerte auf-gebaut: Über einem Harmonischen Baustein werden Segmente (aus wenigen Motivischen Bausteinen zusammengesetzt) sequenziert und wiederholt, bis sie von anderen Segmenten abgelöst werden.

29 Siehe dazu auch Kapitel 2.1.1.

1.

2.

3.

4.

5.

6. 7.

8.

1. 2.

3. 4.

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Nun betrachten wir die in Abb. 30 rot markierten, kleineren Segmente genauer. Auch sie las-sen sich teilweise in noch kleinere, motivisch zusammengehörige Einheiten aufteilen. Ich teile weiter, bis sich auf diese Art und Weise nichts mehr aufteilen lässt: So gelange ich zu den Motivischen Bausteinen. Hier die Segmente, welche sich weiter aufteilen lassen:

Segment 1 Segment 1a Segment 1b

Segment 3 Segment 3a Segment 3b

Zudem sind einige Segmente noch aus Wiederholungen30 und Sequenzen aufgebaut:

Segment 3a Segment 3a1

Segment 8 Segment 8a Somit haben wir alle Motivischen Bausteine gefunden, aus denen die verschiedenen Segmen-te des Ritornells des 1. Satzes des Concerto RV 443 zusammengesetzt sind:

Rampe sprach zudem noch von einem „Motto“, oder einer „melodischen Idee“, die einem Ritornell zu Grunde liegt: In diesem Fall wäre das wohl der folgende Rhythmus, er tritt in jedem grösseren Segment des Ritornells auf:

30 Auch Segment 1a könnte man als Wiederholung betrachten. Somit hätte man nur noch die eine Viertelnote als Motivischen Baustein. Doch diese alleine ist als Motiv nicht erkennbar, weshalb ich die Wiederholung der vier Viertelnoten als Motivischer Baustein zähle.

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5.2 Komposition eines Motivischen Bausteins Bis jetzt wurde besprochen, was Motivische Bausteine sind. Doch wie werden diese kompo-niert, sozusagen „erfunden“? Obwohl schon 1924 formuliert, trifft diese Aussage von Wil-helm Fischer den Nagel auf den Kopf: „Wie der erste Teil eines Scarlattischen Symphonieallegros besteht auch ein Vivaldisches Tutti aus einer melodisch prägnanteren Kopfpartie und einer oder mehreren daran gehängten Sequenzgruppen. Die Kopfpartie steht fast immer auf rein harmonischer Grundlage (Akkordwiederholung, einfachste Akkordverbindungen) und bringt daher in der Regel Dreiklangzerlegungen, die durch Durchgangsfül-lung in Skalen oder Skalenteile übergehen können.“ 31 Fischer formuliert sehr kurz und knapp, wie Vivaldi seine Motive „erfindet“: Sie basieren alle auf einem Akkord (oder einzelnen Tönen aus Akkorden). Folglich bestehen sie meist aus Dreiklangszerlegungen (oder auch Tonwiederholungen). Durch das Hinzufügen von „Durch-gangsfülltönen“ (also Töne zwischen Grundton und Terz, zwischen Terz und Quinte und zwi-schen Quinte und Oktave), entstehen Tonleitern oder Tonleiterabschnitte. Dabei gilt es zu beachten, dass nie zwei Fülltöne direkt hintereinander vorkommen32 und dass sie maximal einen Ganzton vom vorherigen akkordeigenen Ton entfernt sind: Fülltöne sind akkordfremde Töne und haben nur die Funktion zwei akkordeigene Töne zu verbinden. Fischer bezieht diese Technik allerdings nur auf die „melodisch prägnantere Kopfpartie“. Bei genauerer Analyse aber merkt man, dass (fast33) sämtliche verwendeten Motive auf dieser Technik beruhen; so-wohl jene in der Melodiestimme als auch jene in der Bassstimme (und folglich auch jene in den Mittelstimmen, da diese, um eine Terz verschoben, meist dasselbe wie der Bass- oder die Melodiestimme spielen). Zum besseren Verständnis dieses Prinzips hier ein Beispiel:

Abb. 31: Aus dem C-Dur-Akkord im ersten Takt erfand ich Motive nach Vivaldis Prinzip: Die in Rot markierten Töne sind akkordeigene Töne, sämtliche anderen Töne „füllen“ den Übergang zur näch-sten akkordeigenen Note: Sie sind Somit Fülltöne. Auf diese Art und Weise werden sämtliche Motivi-schen Bausteine erfunden. Es folgt ein Beispiel aus Vivaldis Flautinokonzerten.

31 Fischer, zit. nach Kolneder, S. 33. 32 Es sei denn, der Abstand Quint–Oktave soll gefüllt werden; in diesem Fall dürfen zwei Fülltöne hintereinander vorkommen. 33 Das Modell stösst z.B. in T. 26 des ersten Satzes des Concerto RV 443 an seine Grenzen.

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Abb. 32: RV 443, 3. Satz T. 9–18. Sämtliche Fülltöne wurden blau markiert. Im untersten System sind die jeweiligen Akkorde notiert, auf denen die Motivischen Bausteine basieren. Zugleich sind die Ak-korde die Harmonie des jeweiligen Abschnitts. Man sieht an diesem Beispiel sehr schön, wie sämtli-che Motivischen Bausteine entweder gebrochene Akkorde, Tonwiederholungen oder durch Fülltöne angereicherte Teile eines gebrochenen Akkordes sind. Dies trifft sowohl auf die Melodiestimme als auch auf den Basso Continuo zu. Man beachte, wie nie zwei Fülltöne hintereinander auftreten und wie der Abstand zwischen Füllton und akkordeigenem Ton nie mehr als ein Ganztonschritt beträgt.

5.3 Festgelegte Motivische Bausteine In den meisten Fällen erfindet Vivaldi Motivische Bausteine nach dem im vorherigen Ab-schnitt erklärten Prinzip. Dennoch gibt es auch festgelegte Motivische Bausteine, welche satz- und konzertübergreifend vorkommen, folglich also nicht nur „zum Einzelgebrauch“ erfunde-ne Motivische Bausteine sind. Es folgt eine Auflistung der mehrfach vorkommenden Motivi-schen Bausteine.

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Klangeffekte

Dieser Baustein wird von Vivaldi als Klangeffekt verwendet.

Dieser Baustein wird teilweise in den Mit-telstimmen der Ritornelle verwendet.

Triller-Bausteine

Diese Trillerbausteine kommen (leicht variiert) häufig in Schlusssätzen vor.

Abphrasierungsbausteine

Diese Bausteine werden häufig als Phrasenende benutzt. Sie sind in allen drei Flautinokonzerten zu finden. Zudem gibt es auch einen „Frage-Baustein“, welcher am Ende einer Phrase stehen kann: Die motivische Bewegung ist hier allerdings aufwärts gerichtet und mit einer unerwarteten harmonischen Wendung verknüpft (siehe z.B. RV 443, 1. Satz T. 92). Bassbausteine

Dieser Baustein finde sich unzählige Male in den Flautinokonzerten. Folgt auf diesen Baustein noch einmal der Anfangston des Bausteins, wird das rechte Muster verwendet, folgt ein anderer, wird das linke Muster verwendet.

Auch diese Bassbausteine kommen sehr häufig vor.

Kadenzbausteine

Häufig treten bei Kadenzen ein Oktavsprung im Bass und ein Triller in der Oberstimme auf. Der Ok-tavsprung kommt allerdings häufiger vor: In der Oberstimme können stattdessen auch Akkordbre-chungen auftreten.

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5.4 Motivische Ideen Motivische Ideen sind Prinzipien, welche auf mehrere Motivische Bausteine anwendbar sind. Sie stellen keinen exakt bestimmtbaren Baustein dar, sondern sind in gewissen Bausteinen zu finden.

5.4.1 Begleitung Die Begleitung ist ein zentrales Prinzip in allen Solopassagen. Es gibt verschieden Beglei-tungsbesetzungen; man betrachte dazu die Schemata im Kapitel 2.1.1. Die Begleitung tritt nie in den Vordergrund, sondern spielt meist nur die Töne, die nötig sind, um eine Harmonie zu füllen. Dies kann kombiniert werden mit simpelsten Rhythmen, um der Phrase einen Grund-rhythmus zu geben. Es folgt ein Beispiel, wie Bausteine, denen dieses Prinzip zu Grunde liegt, aussehen können.

Abb. 33: RV 445, 1. Satz, T. 62–63. Die Motivischen Bausteine in der Begleitung bestehen aus sim-plen Rhythmen und haben die Funktion, die Harmonie zu füllen.

5.4.2 Imitierte Mehrstimmigkeit Die Flöte kann nur einen Ton gleichzeitig spielen34. Deshalb verwendet Vivaldi häufig eine imitierte Mehrstimmigkeit: Zwei oder mehr Stimmen werden imitiert, indem unterschiedliche Melodien oder Motive in hohem Tempo nacheinander gespielt werden. Meist bleibt das eine Motiv orgelpunktmässig liegen, während sich die andere Stimme versteckt fortbewegt. Durch das hohe Spieltempo nimmt der Zuhörer auf diese Art und Weise zwei Stimmen wahr. Dies sieht dann so aus:

Abb. 34: RV 443, 1. Satz, T. 21–22. Die „versteckte“ zweite Stimme wurde rot markiert.

Abb. 35: RV 444, 1. Satz, T. 40–41. Auch hier wurde die „versteckte“ zweite Stimme rot markiert.

34 Zumindest in der Barockzeit!

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5.4.3 Unisono Eine motivische Idee gewisser Ritornellsegmente ist die Unisonoführung sämtlicher Instru-mente. Dabei orientiert sich Vivaldi am Bass: Es werden somit keine schönen Melodien ge-spielt, sondern Bass-Motive. Ein Beispiel dazu wäre im Ritornell des ersten Satzes des Con-certo RV 444 zu finden (T. 6–9 und T. 11).

5.4.4 Ritornellübergreifendes Motiv Vor allem bei Schlussätzen finden sich gewisse Motivische Bausteine, welche im Ritornell vorkommen, auch in Solo-Abschnitten wieder (siehe z.B. RV 444, 3. Satz, T. 16 f. und T. 89 f.). Normalerweise sind Harmonische Bausteine, welche im Ritornell zu finden sind, nicht in den Solo-Abschnitten zu finden.

5.4.5 Ritornelleinwurf in Solopassagen In den Concerti RV 443 und RV 445 findet sich je im ersten Solo-Abschnitt des ersten Satzes ein kurzer Ritornelleinwurf: Dabei wird nur mit den Violinen ganz kurz ein Segment des Ri-tornells erwähnt (siehe z.B. RV 445, 1. Satz T. 22–24).

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6. Vivaldis handwerklicher Arbeitsprozess Bis jetzt wurde vor allem Antonio Vivaldis Kompositionsstil betrachtet. Was die Fragestel-lung „Nach welchen Prinzipien komponierte Antonio Vivaldi für Flautino?“ allerdings auch beinhaltet und bisher ausser Acht gelassen wurde, ist die Frage, welche handwerkliche Schaf-fensweise Vivaldi verwendete. Wie lange brauchte er zum Komponieren eines Concertos? Welche Stimmen komponierte er zuerst? All diese Fragen sollen in diesem Kapitel geklärt werden.

6.1 Dauer des Arbeitsprozesses Antonio Vivaldi war zu seiner Zeit berühmt dafür, erstaunlich wenig Zeit zum Komponieren gebraucht zu haben. So beschrieb 1739 der französische Gelehrte Charles de Brosses Vivaldi folgendermassen: „Er ist ein alter Mann, hat aber eine erstaunliche kompositorische Besessenheit. Ich habe es gehört, wie er sich anbot, ein Concerto mit allen Stimmen in kürzerer Zeit zu komponieren, als ein Kopist zum Abschreiben braucht.“35 Dies ist allerdings weniger erstaunlich, als es auf den ersten Blick scheint, wenn man Vivaldis Kompositionsstil betrachtet: Wie in den vorherigen Kapiteln beschrieben, benutzte Vivaldi eine Menge von Bausteinen und vorgegebenen Strukturen, so dass er nie etwas völlig neu erfinden musste. Zudem benutzte Vivaldi in seinen Kompositionsmanuskripten sehr viele Abkürzungen, wie „Al’:“ für „Allegro“, verzichtete zum Beispiel in Unisonoführungen dar-auf, alle Stimmen aufzuschreiben, oder schrieb Soli, welche aus Arpeggien bestanden, nur in skizzierter Form auf. Eine weitere zeit- und aufwandsparende Methode Vivaldis war der Verzicht auf Generalbassbezifferungen (dennoch wurde er natürlich ausgesetzt!). Auch Vi-valdis „kompositorische Besessenheit“ oder sein „submanischer Schaffensprozess“36 zeigt sich im Manuskript: Der Beginn eines Manuskripts ist meist schön geschrieben, doch je wei-ter man blättert, umso unleserlicher wird die Schrift, die Notenhälse immer grösser und ge-schweifter. Vivaldi muss wie besessen komponiert haben, konnte nicht aufhören, bevor eine Komposition vollendet war. Auf der folgenden Seite finden sich Beispiele aus den Manu-skripten des Blockflötenkonzerts RV 441 und des Flautino-Konzerts RV 443 zu den genann-ten Sachverhalten.

6.2 Die Komposition der einzelnen Stimmen Anhand des Manuskriptes des Concertos RV 445 konnte Peter Ryom exemplarisch darlegen, in welcher Reihenfolge Vivaldi komponiert hatte.37 Obwohl Vivaldi zwei verschiedene Tinten benutzt hatte, legte Ryom überzeugend dar, dass das Stück „in einem Guss“ komponiert wor-den sein musste. Mit der einen Tintenfarbe komponierte Vivaldi zuerst das Eröffnungsritor-nell und den gesamten Flautinopart sowie einige skizzierte Begleitungen. Dann musste ihm die Tinte ausgegangen sein, denn er verwendete ab diesem Punkt eine neue Tinte: Mit dieser wurden die skizzierten Begleitungen ausgearbeitet und das Stück vollendet.38 Vivaldi erdach-te seine Konzerte in der Regel also aus der Solo-Stimme (zumal er ja auch virtuoser Violinist war) und fügte dann den Rest hinzu.

35 Zit. nach Rampe, S. 192. 36 Zit. Rampe, S. 192. 37 Ryom, Les manuscrits de Vivaldi, S. 365–370. 38 Sardelli, S. 202

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Abb. 36: Beginn des Manuskripts von RV 441: Man erkennt die abgekürzte Unisono-Schreibweise, den unbezifferten Generalbass, die Abkürzung „Al’: non molto“ (für Allegro non molto) und die (zu Beginn noch) leserliche Handschrift.

Abb. 37: Solo aus dem dritten Satz von RV 441: Man beachte die abgekürzte Schreibweise der Sech-zehntel-Arpeggien in der Blockflötenstimme (oberes System).

Abb. 38: Übergang zwischen Solo und Ritornell im dritten Satz von RV 443: Hier erkennt man deut-lich, in welchem Tempo Vivaldi die Feder geführt haben muss. Vivaldi schreibt keine Pausen für die Violinen und die Viola im Solo, sondern lässt den Platz einfach leer. Auch kann man im letzten Takt die abgekürzte Unisono-Schreibweise erkennen (1. Violine und Flautino spielen unisono).

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6.2.1 Austauschbarkeit von Phrasen In gewissen Fällen ist die Ähnlichkeit von (längeren) Phrasen aus zwei (oder mehr) verschie-denen Konzerten so gross, dass man nicht mehr nur von ähnlichen Bausteinen sprechen kann. In diesen Fällen kopierte und veränderte Vivaldi Phrasen aus anderen, von ihm komponierten Werken. Vivaldi kopierte vor allem in den beiden Concertos für Altblockflöte (RV 441 und RV 442), aber auch im Flautino-Concerto RV 445 gewisse Stellen aus anderen Konzerten und sogar Opern. Das Concerto RV 442 zum Beispiel benutzt in den Ecksätzen Themen aus Opernarien, der langsame Mittelsatz ist sogar schlicht eine Transposition einer Opernarie aus Vivaldis Oper „La virtù triofante“. Zudem sind viele Themen aus diesem Konzert auch in unzähligen anderen Violinkonzerten Vivaldis enthalten.39 Ein weiterer Sachverhalt, der beweist, wie schematisch Vivaldi dachte und wie austauschbar seine Phrasen sind, ist das Concerto RV 312, insbesondere die besprochenen Stellen im Kapi-tel 7.2. Vivaldi streicht den Flautino-Part und fügt ein motivisch gesehen völlig neues Violin-solo über die unveränderte Begleitung (= unveränderter Harmonischer Baustein) hinzu, ohne dass sich etwas an der Qualität der Musik verändern würde. Erwähnenswert ist zudem, dass Vivaldi die ursprünglichen Takte 41-45 aus dem ersten Satz des Concertos RV 312 wieder-verwertete im Flautino-Konzert RV 445 (Takte 79-83), allerdings transponiert um einen Ganzton nach unten. Dies beweist auch, dass das Concerto RV 312 in direktem Bezug zu den anderen Flautino-Konzerten steht und sowohl stilistisch als auch chronologisch in der selben Gruppe einzuordnen ist.

6.2.2 Kompositionsfehler Bei der Analyse fiel mir auf, dass Vivaldi durchaus Phrasen komponierte, die man, rein analy-tisch betrachtet, als fehlerhaft bezeichnen könnte. Es folgen hier einige Beispiele.

- Im Concerto RV 445 (3. Satz, Takt 134) schreibt Vivaldi einen unspielbaren Ton vor. Dieser Fehler entstand in einem sequenzierten Teil: Vivaldi sequenzierte wohl ohne gross nachzudenken und bemerkte seinen Fehler nicht.40 Allgemein haderte Vivaldi viel mit unspielbaren Tönen auf der Blockflöte: Auch in den Manuskripten der Con-certi RV 441 und RV 312 existieren gestrichene Passagen, in denen unspielbare Töne vorkommen. Zudem treten in den Ritornellen der ersten Sätze der Concerti RV 444 und RV 312 zum Teil mehrere unspielbare Töne auf; dies ist aber vertretbar, da sie nur in den Ritornellen auftreten.

- Kein Fehler, aber eine Besonderheit, die mir auffiel, ist, dass Vivaldi sehr häufig Gei-genmuster verwendet (wie zum Beispiel Arpeggien), die auf der Blockflöte extrem schwierig zu spielen sind, so zum Beispiel im ersten Satz des Concerto RV 443 (Takte 50-66).

- Eine spannende Sache sind vorkommende Oktav- und Quintparallelen sowie verdeck-te Parallelen. Eventuell waren nicht alle davon zu Vivaldis Zeit „verboten“, doch diese Frage zu klären ginge weit über den Umfang meiner Arbeit hinaus. Genauso gut denkbar ist, dass diese Parallelen tatsächlich Fehler sind, da Vivaldi sehr hektisch komponiert hatte. Doch solange man die Parallelen beim Hören nicht als störend emp-findet, ist dies nicht weiter schlimm.

Aus all diesem kann man schliessen, dass Vivaldi nicht allzu vertraut mit der Blockflöte ge-wesen war: Unspielbare Töne und ungünstig spielbare Phrasen wären sonst nicht vorgekom-39Sardelli, S. 164

40 Sardelli, S. 190

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men. Der liberale Umgang mit Parallelen zeigt, dass Vivaldi mehr seinem Baukastensystem vertraute und weniger den kontrapunktischen und satztechnischen Regeln. Dazu noch ein Bei-spiel:

Abb. 39: Zweiter Satz von Concerto RV 445: Bei der mit 1. bezeichneten Stelle schreiten Flautino (bzw. 1. Violine) und Viola in dieselbe Richtung fort (nach oben) und erreichen eine reine Quinte. Es handelt sich somit um eine verdeckte Quintparallele. Bei der mit 2. bezeichneten Stelle erreichen sie eine Oktave, somit handelt es sich um eine verdeckte Oktavparallele.

1. 2.

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7. Rekonstruktion und Vervollständigung des Concerto RV 312

7.1 Einleitung Im zweiten Teil meiner Maturitätsarbeit vervollständige ich das Concerto RV 312, welches heute eigentlich als Violinkonzert bekannt ist. Betrachtet man allerdings das Manuskript die-ses Konzertes, fällt auf, dass Vivaldi das Stück ursprünglich als Flautinokonzert geplant hatte:

Abb. 40: Titelseite des Manuskripts des Concerto RV 312: Vivaldi notiert als Titel „Conto P. Flauti-no“. Aus unbekannten Gründen strich Vivaldi dies durch und ersetzte „Flautino“ durch „2 Violini“. Doch auch dieser Zusatz ist durchgestrichen; stattdessen notierte Vivaldi ein zweites Mal „Flautino“. Immer noch unzufrieden mit der Instrumentation strich Vivaldi diesen Zusatz und beliess den unklaren Titel „Conto P.“ Offenbar entschied sich Vivaldi dann jedoch für eine Violine als Soloinstrument: Er strich gewisse Stellen, welche er schon für Flautino komponiert hatte (liess aber die bereits kompo-nierte Begleitung stehen!), und ersetzte diese mit anderen Soli, welche für die Violine gedacht waren:

Abb. 41: Im obersten System ist die ursprüngliche Flautinostimme notiert, welche von den beiden Vio-linen (2. und 3. System) und der Viola (4. System) begleitet wird; der Generalbass pausiert. Als sich Vivaldi dazu entschied, das Flautinokonzert in ein Violinkonzert umzuändern, strich er die Flöten-stimme (oberstes System) und benutzte das leerstehende 5. System um dort eine neue Solo-Violinenstimme zu notieren.

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Das Ziel des zweiten Teils meiner Arbeit besteht nun darin, das Fragment zu rekonstruieren, welches Vivaldi ursprünglich für Flautino komponierte hatte. Dieses Fragment vervollständi-ge ich anschliessend, in dem ich, im Stile Antonio Vivaldis, eine passende Vervollständigung des gesamten Konzerts komponiere. Dazu werde ich die Erkenntnisse anwenden, welche ich im ersten Teil meiner Arbeit gewonnen habe. Eine Transposition des vorhandenen Violinparts für Flautino wurde schon von Cassignol herausgegeben, weshalb ich den zweiten und dritten Satz vollständig neu komponiere.

7.2 Rekonstruktion In einem ersten Schritt musste ich einen Scan des Manuskripts des Concerto RV 312 besor-gen, anhand dessen ich sämtliche Korrekturen und Anmerkungen Vivaldis entnehmen konnte. Das Manuskript befindet sich in der Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino in der Rac-colta Mauro Foà in Turin. Es besitzt die Signatur Foà 30, fols 91-100. Auf Anfrage und Be-zahlung wurde mir ein Scan per Post auf CD-ROM geschickt. Zuerst musste ich also herausfinden, bis zu welcher Stelle Vivaldi mit dem Flautino als Solo-Instrument komponiert hatte. Dies gestaltete sich relativ einfach: Die Stelle befindet sich im Takt 62 des ersten Satzes. Man betrachte dazu das folgende Bild:

Abb. 42: Bis und mit Takt 62 (rot markiert) komponierte Vivaldi mit Flautino als Soloinstrument: Ab dieser Stelle folgt nur noch eine einzige (unvollständige) gestrichene Stelle, welche eindeutig für Flau-tino gedacht war. Vivaldi war nicht sehr vertraut mit dem Tonumfang der Blockflöte; mit einem roten Kreis wurde ein Ton markiert (fis’’’’), welcher (zu Vivaldis Zeiten) unspielbar war. Vermutlich aus diesem Grund brach Vivaldi das Flautinokonzert ab und komponierte es für Violine zu Ende. Nach dieser gestrichenen Passage folgen viele Stellen, welche typische Violinmuster enthalten und den Ton-umfang der Violine benutzen.

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Bis und mit Takt 62 des ersten Satzes ist also das Fragment eines Flautinokonzerts mit allen Stimmen erhalten! Die Arbeit bestand nun darin, sämtliche gestrichenen Stellen zu entziffern und die Handschrift auf dem Computer zu transkribieren.41 Dabei korrigierte ich einige „Tippfehler“ Vivaldis, welche wohl auf seinen extrem schnellen Arbeitsprozess zurückzufüh-ren sind. Es folgt eine Auflistung aller korrigierten Stellen: Korrekturen zu Vivaldis Manuskript des ersten Satzes des Concerto RV 312 bis Takt 62 Takt: Betroffene Stimme(n): Korrekturvorschläge: 38 Fl. Vorschlag42: a statt ais 41 Fl. Vorhalt: dis statt d 45 Fl. Tonleiter: a statt ais 45 Vl. II Kadenz: g statt e 48/49 Vla. siehe unten 53 Fl. Tonleiter: 32tel-Pause ergänzt 54 Fl. 16tel-Kette nach Tonleiter: d und c statt dis und cis Korrektur der Viola-Stimme in den Takten 48 und 49 Manuskript: Korrekturvorschlag:

Solche Korrekturen sind nicht unüblich und finden sich in fast allen Ausgaben von Vivaldis Konzerten. Wie bereits erwähnt, finden sich im Manuskript des ersten Satzes zwei Solo-Passagen, welche für Flautino gedacht waren, dann aber von Vivaldi gestrichen und durch Violin-Soli ersetzt wurden. Sie zeigen exemplarisch, wie über einem bestimmten Harmonischen Baustein ver-schiedene Motivische Bausteine verwendet werden können, der Harmonische Baustein in der Hierarchie folglich höher steht. Es folgt ein Vergleich der Flautino- mit der Violinstimme der beiden Stellen. Flautino- und Violin-Soli im Vergleich Takte 35–37 (Harmonischer Baustein: Chromatische Tonleiterabfolge) Flautino

Violine

41 Sowohl für die Rekonstruktion als auch für die Vervollständigung wurde das Notenschreibpro-gramm MuseScore verwendet. 42 Meint den musikterminologischen Begriff „Vorschlag“.

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41

Takte 41–45 (Harmonischer Baustein: Tonartabhängige Quintfallsequenz) Flautino

Violine

In beiden Passagen wirken die Violin-Soli differenzierter und ausgearbeiteter als die Flautino-Soli: Während die beiden Soli für Flautino aus reinen Akkordbrechungen bestehen, benutzt Vivaldi abwechslungsreichere Motivische Bausteine in den Violinsoli, welche er zudem auch gleich mit Artikulationshinweisen versieht. Dies lässt vermuten, dass Vivaldi wenig Zeit hat-te, um die Flautino-Stellen zu komponieren, und er sich zu einem späteren Zeitpunkt, als ihm mehr Zeit zur Verfügung stand, entschloss, die Soli für Violine umzuarbeiten. Für meine Rekonstruktion des Konzerts als Flautino-Konzert wählte ich logischerweise die ursprünglichen Flautino-Stellen.

7.3 Vervollständigung und Neukomposition des Concerto RV 312 für Flau-tino

7.3.1 Vervollständigung des ersten Satzes In einem nächsten Schritt ging es nun darum, das bis und mit Takt 6243 rekonstruierte Konzert zu vollenden. Wie zuvor erwähnt, komponierte ich ab diesem Punkt alles neu, allerdings im Stile Vivaldis, denn ich musste meine These (Bausteinprinzip) überprüfen. Sollte mir die Vervollständigung gelingen, so ist dies ein Beweis dafür, dass das stimmt, was ich im ersten theoretischen Teil herausgefunden hatte. Ich ging nun nach meiner Hierarchie vor, welche ich in Bezug auf die unterschiedlichen Bau-steine aufgestellt hatte (siehe Kapitel 3). Zuerst betrachtete ich die Form, des bereits vorhan-denen Fragments. Ich erstellte dazu dasselbe Schema, welches ich schon im Kapitel 2 ver-wendet hatte.

43 Die bis Takt 67 erhaltene Flautinostimme wurde in meiner Vervollständigung übernommen.

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Concerto RV 312 (rekonstruierte und vervollständigte Fassung für Flautino in G-Dur) Erster Satz, Allegro molto, G-Dur, 4/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Ritornell 1 (a, b, a’, c)

Solo 1 Ritornell 2 (a’, b’)

Solo 2

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-13 (12.5) a: 1-3 (2.75) b: 3-7 (3.75) a’: 7-8 (1.5) c: 9-10 (2) a’: 11-13 (2.5)

13-25 (12.5) 26-32 (6.5) a’: 26-27 (1.75) b’: 27-32 (4.75)

32-45 (13.5)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I44 I - V V V - III

Besetzung (neben Flautino)

Tutti B.C. Tutti B.C. – Streicher ohne B.C.

Ritornell 3 (a’, d45)

Solo 3 Ritornell 4 (a’)

Solo 4

46-49 (3.5) a’: 46-47 (1.75) e: 47-49 (1.75)

49-57 (8) 57-60 (3) a’: 57-60 (3)

60-?

III III - VI VI I Tutti B.C. Tutti B.C. – ? Die Abfolge der Tonarten der einzelnen Ritornelle entspricht dem Dur-Typ b (siehe Kapitel 2.2.3). Die Ritornalltonart-Abfolge ist somit identisch mit der des letzten Satzes des Concer-to RV 443: Typ b) Grundtonart (I) - Dominante (V) - Gegenparallele (III) - Paralleltonart (VI) - Grundtonart (I) In der Formanalyse hatte ich erarbeitet, dass ein Ecksatz normalerweise fünf Ritornelle hat und das letzte Ritornell wieder dasselbe ist wie zu Beginn. Formal gesehen bricht das Manu-skript also am Ende des ersten Satzes ab: Ich musste nur noch das vierte Solo neukomponie-ren46 und anschliessend das erste Ritornell wieder einfügen. Da der Beginn des vierten Solos schon von Vivaldi komponiert wurde und es wieder in G-Dur steht (also der Grundtonart des Stückes), musste ich nicht modulieren (da auch das letzte Ritornell in der Grundtonart steht). Ich entschied mich dazu, das Ritornell mit dem Ritornellsegment b zu beginnen, da dies auch Vivaldi in seiner Vervollständigung für Violine getan hatte. Dies erachte ich als richtig, da das Ritornell für Violine oder Flautino sowieso dasselbe ist. Schlussendlich musste ich nur noch wissen, wie lange dieses vierte Solo in etwa sein müsste; dazu verglich ich mit den letz-ten Soli der ersten Sätze der Concerti RV 444 und RV 445. Das Solo sollte somit etwa 10 bis 15 Takte lang sein.

44 Das Ritornellsegment b moduliert in die V. Stufe, während das Ritornellsegment a’ wieder zurück-moduliert. 45 Das Ritornellsegment d taucht an dieser Stelle zum ersten Mal auf: Dies ist der einzige Fall in allen Flautinokonzerten, bei dem ein Ritornellsegment vorkommt, welches nicht im Anfangsritornell zu finden ist.46 Ab Takt 63 das Orchester und ab Takt 67 die Flautinostimme.

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Ich hatte nun alle formalen Vorgaben geklärt und konnte somit in der Hierarchie eine Stufe nach unten weiterrücken: Ich musste mich für die Harmonischen Bausteine entscheiden, wel-che ich verwenden sollte: In diesem Punkt war ich relativ frei, da ich nicht modulieren musste und somit keine Kombination von gewissen Harmonischen Bausteinen herausfinden musste, welche eine bestimmte Modulation ergibt. Ich entschied mich dazu, Harmonieabfolgen mit den Stufen I, IV und V sowie Tonleiterharmonieabfolgen, bei denen Bass und Oberstimme eine Terz versetzt sind, anzuwenden, da diese von der Taktlänge her auch relativ flexibel sind (somit konnte ich meine geforderten 10 bis 15 Takte gut erreichen). Als nächstes musste ich nur noch Motivische Bausteine nach dem in Kapitel 5.2 beschriebenen Prinzip erfinden und in die Harmonischen Bausteine einbetten. Anschliessend liess ich das fünfte und letzte Ritornell einsetzen, welches ja schon von Vivaldi vorgegeben war (aufgrund der formalen Vorgaben). Der erste Satz war somit rekonstruiert und vervollständigt. Hier die Vervollständigung meines Schemas: Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Solo 4 Ritornell 5 (b, a’, c)

Takt, in Klammern Anzahl Takte

60-71 (11.25)

71-81 (10.25) b: 71-75 (3.75) a’: 75-76 (1.5) c: 77-78 (2) a’: 79-81 (3)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I I

Besetzung (neben Flautino)

B.C. Tutti

7.3.2 Neukomposition des zweiten Satzes Als erstes galt es nun wieder die formalen Fragen zu klären: In welcher Form soll der Satz stehen (Mittelsatz mit Ritornell oder Mittelsatz ohne Ritornell)? Wie lange soll er sein? Wel-che und wie viele Modulationen sollen vorkommen? In welcher Ton- und Taktart soll er ste-hen? Wie soll das Flautino während des Solos begleitet werden? Ich entschied mich dafür, einen Mittelsatz mit Ritornell zu komponieren, da dies bei Vivaldi viel häufiger auftritt. Zudem entschied ich, diesen zweiten Satz als Siciliana zu komponieren, da dies bei Vivaldi (und allgemein in der Barockzeit) bei Mittelsätzen häufig der Fall war. Somit war die Wahl der Taktart eingeschränkt auf die beiden Taktarten 6/8-Takt und 12/8-Takt. Ich entschied mich für den 6/8-Takt. Als Tonart wählte ich die Tonart e-Moll (Parallele Molltonart). Als ungefähre, optimale Länge des ganzen Satzes errechnete ich 52 Takte: Ich multiplizierte die Länge des zweiten Satzes des Concerto RV 443 mit vier (13 x 4 = 52; 13 x 2 = 26, da alles wiederholt, 26 x 2 = 52, da der 2. Satz von RV 443 im 12/8-Takt und meine Neukomposition des zweiten Satzes von RV 312 im 6/8-Takt steht). Ich entschied mich zu-dem für drei Modulationen (vgl. 2. Satz RV 444) statt für zwei (vgl. 2. Satz RV 445), da ich dies spannender finde. Schlussendlich galt es noch zu bestimmen, wie das Flautino während der Solopassage begleitet werden soll. Entscheidend war nur, dass der Generalbass während der Solopassage pausiert; dies ist sowohl in den Mittelsätzen der Concerti RV 444 und RV 445 so, als auch in den Mittelsätzen der beiden Blockflötenkonzerte RV 441 und RV 442. Ich entschied mich für eine Solo-Violine (vgl. 2. Satz RV 441). Nachdem ich alle formalen Fragen geklärt hatte, begann ich, den ersten Formteil zu kompo-nieren: das Ritornell. Es galt nun wieder, die Harmonischen Bausteine auszuwählen, welche

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ich verwenden wollte. Ich entschied mich für Harmonieabfolgen mit den Stufen I, IV und V, da das Ritornell nicht allzu lange sein durfte. Als nächstes erfand ich wieder Motivische Bau-steine, welche ich in die zuvor festgelegten Harmonieabfolgen einbettete. In diesem Punkt war ich allerdings nicht völlig frei: Die Form (Siciliana) gab für die Motivischen Bausteine die folgenden Rhythmen vor:

Auf diese Art und Weise komponierte ich sämtliche Formteile: Zuerst überlegte ich mir, wel-che Parameter von der Form vorgegeben und bestimmt werden, anschliessend wählte ich Harmonische Bausteine passend zur Form aus und als letztes fügte ich Motivische Bausteine in die vorgegebenen Strukturen ein. So komponierte ich den zweiten Satz. Es folgt nun das bekannte Formschema. Concerto RV 312 (rekonstruierte und vervollständigte Fassung für Flautino in G-Dur) Zweiter Satz, Largo, e-Moll, 6/8-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Form-teilsegmente

Ritornell 1 (a)

Solo 1 (A, B, C)

Ritornell 2 (a’)

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-6 (6) a: 1-6 (6)

7-39 (33) A: 7-17 (11) B: 18-25 (8) C: 26-39 (14)

40-43 (4) a’: 40-43 (4)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I A: I - III B: III - V (in Moll) C: V (in Moll) - I

I

Besetzung (neben Flautino)

Tutti 1. Violine als Basset

Tutti

Die Länge des von mir neukomponierten, zweiten Satzes beträgt nun also nur 43 Takte anstatt der errechneten, optimalen 52. Da ich allerdings schon drei Modulationen verwendet habe und der Satz in sich abgeschlossen tönt, wollte ich nicht noch unnötige Takte hinzufügen.

7.3.3 Neukomposition des dritten Satzes Auch diesen Satz komponierte ich nach der im vorherigen Kapitel (7.3.2) beschriebenen Me-thode: Zuerst galt es wieder die formalen Vorgaben zu definieren: Da es sich um einen dritten Satz handelt, beschloss ich den 2/4-Takt und die Ritornellform mit fünf Ritornellen zu ver-wenden. Auch die Tonart ist schon definiert: G-Dur (Ecksätze besitzen dieselbe Tonart). Um die Länge dieses Satzes zu bestimmen, verglich ich mit den im 2/4-Takt stehenden Schlussät-zen der Concerti RV 444 und RV 445: Folglich sollte mein zu komponierender Schlusssatz etwa zwischen 139 und 167 Takte lang sein. Als Tempo wählte ich, wie bei Vivaldi häufig in Schlusssätzen, Allegro molto. Nun galt es noch zu klären, in welcher Abfolge die Tonart der Ritornelle stehen sollte. Im ersten, von Vivaldi komponierten Satz, fand sich die Abfolge des Dur-Typs b. Ich entschied mich, in diesem Schlusssatz dieselbe Abfolge zu verwenden (also I-V-III-VI-I), da Vivaldi auch im Concerto RV 445 in beiden Ecksätzen dieselbe Ritornellto-nartabfolge verwendet hatte (Moll-Typ a) und Vivaldi in den Concerti RV 443 und 444 in den Schlussätzen die Ritornelltonartabfolge des Dur-Typs b verwendet hatte.

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Da nun alle formalen Vorgaben geklärt waren, begann ich mit der Komposition des Eröff-nungsitornells. Hier gibt die Form vor, dass mehrere (mindestens drei) Ritornellsegmente vorkommen. Ich entschied mich dazu, ein Ritornell mit vier Ritornellsegmenten zu kompo-nieren. Ich bestimmte nun wieder die Harmonischen Bausteine und begann dann, die Motivi-schen Bausteine zu erfinden. Dabei verwendete ich in Takt 3 und 4 einen Trillerbaustein, wel-cher bei Vivaldi häufig zu finden ist. Wie Vivaldi auch, baute ich zudem mein Ritornell aus nur sehr wenigen Motivischen Bausteinen zusammen; sie sind in der Partitur eingetragen. Nachdem ich das Ritornell komponiert hatte, kam ich zum ersten Solo. Hier gab die Form vor, dass ich von der I. Stufe (G-Dur) zur V. Stufe (D-Dur) modulieren musste. Ich suchte mir also eine Kombination von verschiedenen Harmonischen Bausteinen heraus, welche die ge-wünschte Modulation ergab. Als nächstes erfand ich wieder Motivische Bausteine mit der in Kapitel 5.2 erklärten Methode. Auch hier achtete ich darauf, möglichst wenige neue Motivi-sche Bausteine zu erfinden und bereits vorhandene zu sequenzieren oder zu wiederholen. Meist passten Harmonische und Motivische Bausteine direkt zueinander; ich musste also nur bei einem Wechsel des Harmonischen Bausteins neue Motivische Bausteine erfinden. Zudem verglich ich die Länge dieses ersten Solos wieder mit den Längen der ersten Soli aus anderen Flautinokonzerten Vivaldis, damit meines aus Perspektive der Taktlänge nicht aus der Reihe fiel. Meist gibt es in Vivaldis Konzerten ähnliche Stellen (da die Form ja auch sehr ähnlich ist!), so dass ich bei gewissen Stellen bei Vivaldi schauen konnte, wie er Motivische Baustei-ne der Oberstimme und der Begleitung sowie Harmonische Bausteine kombinierte. Auf diese Art und Weise komponierte ich jedes Solo, sodass auf weitere Erläuterungen über die Kom-position der Soli verzichtet wird. Als ich nun D-Dur und somit den Schluss des ersten Solos erreicht hatte, bekam ich von der vorgegebenen Form die Aufgabe, das zweite Ritornell mit einer Auswahl aus leicht veränder-ten Segmenten des ersten Ritornells zu komponieren. Dazu transponierte ich die Ritornell-segmente a, c und d nach D-Dur. Schon war das zweite Ritornell komponiert. Auf ähnliche Art und Weise komponierte ich auch die restlichen Ritornelle. Man kann somit erkennen, wie simpel und schnell sich das Komponieren mit Hilfe Vivaldis Bausteinprinzip gestaltet: Das Bausteinprinzip bewährt sich also auch in der Praxis. Somit bestätige und beweise ich meine These und betrachte meine Fragestellung als beantwortet. Damit die Abfolge der Harmonischen und Motivischen Bausteine klar ersichtlich ist, habe ich sämtliche verwendeten Bausteine in der Partitur eingezeichnet. Auf der nächsten Seite folgt nun noch das Formschema zu meinem neukomponierten dritten Satz.

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Concerto RV 312 (rekonstruierte und vervollständigte Fassung für Flautino in G-Dur) Dritter Satz, Allegro molto, G-Dur, 2/4-Takt Formteil, in Klam-mern einzelne Ritor-nellsegmente

Ritornell 1 (a, b, c, d)

Solo 1 Ritornell 2 (a’, c’, d’)

Solo 2

Takt, in Klammern Anzahl Takte

1-17 (17) a: 1-4 (4) b: 5-9 (5) c: 10-13 (4) d: 14-17 (4)

18-34 (17) 35-45 (11) a’: 35-38 (4) c’: 39- 42 (4) d’: 43-45 (3)

46-74 (29)

Tonart, in Bezug auf die Grundtonart

I I - V V V - III

Besetzung (neben Flautino)

Tutti B.C. Tutti B.C. – Streicher ohne B.C. – B.C.

Ritornell 3 (a’, d’)

Solo 3 Ritornell 4 (b’, c’, d’)

Solo 4 Ritornell 5 (a, b, c, d)

75-79 (5) a’: 75-78 (4) d’ 79 (1)

80-100 (21) 101-107 (7) b’: 101-103 (3) c’: 104-105 (2) d’: 106-107 (2)

108-129 (22) 130-146 (17) a: 130-133 (4) b: 134-138 (5) c: 139-142 (4) d: 143-146 (4)

III III - VI VI I I Tutti B.C. – Streicher

ohne B.C. – B.C. Tutti B.C. – Streicher

ohne B.C. – B.C.

Tutti

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8. Schlusswort Im theoretischen ersten Teil meiner Arbeit untersuchte ich Antonio Vivaldis Kompositionsstil anhand der Flautinokonzerte auf formaler, harmonischer, motivischer und handwerklicher Ebene. Nach kurzer Zeit fiel mir auf, dass vor allem auf harmonischer und motivischer Ebene sehr viele wiederkehrende und mustergültige Elemente oder Formeln auftreten. Diese Ele-mente nannte ich Harmonische und Motivische Bausteine. Ich stellte die These auf, dass Vi-valdis Konzerte vollständig aus Harmonischen und Motivischen Bausteinen zusammengesetzt sind. Zudem brachte ich die Form der Konzerte, Harmonische Bausteine und Motivische Bau-steine in eine hierarchische geordnete Struktur. Zuoberst in der Hierarchie steht die Form: Die schnellen Ecksätze der dreisätzigen Konzerte sind in der Ritornellform komponiert, während die langsamen Mittelsätze entweder mit oder ohne Ritornell auftreten. Die verschiedenen Ritornelle folgen aufeinander in unterschiedli-chen Tonarten, doch wie ich herausfand, gibt es auch hier vorgegebene Abläufe. All diese formalen Aspekte bringen Bedingungen mit für die hierarchisch tiefer gestellten Harmonischen Bausteine. Harmonische Bausteine sind wiederkehrende Formeln von Harmo-nieabfolgen, anhand derer sämtliche Harmonieabfolgen in Vivaldis Flautinokonzerte erklärt werden können: Ich habe alle gefunden und beschrieben. Insgesamt gibt es nur sechs Harmo-nische Hauptbausteine, von denen es dann allerdings (auch in meiner Arbeit beschriebene) Untergruppen gibt. Diese Harmonischen Bausteine wiederum bringen Vorgaben mit für die hierarchisch am tief-sten stehenden Motivischen Bausteine. Motivische Bausteine sind kleinste, unteilbare motivi-sche Segmente, die Vivaldi wiederholte, sequenzierte oder auf sonstige Art und Weise verar-beitete und so seine Phrasen komponierte. Die Harmonische Bausteine geben ihnen vor, in welcher Harmonie sie stehen müssen. Motivische Bausteine sind bei Vivaldi fast ausschliess-lich Akkordbrechungen oder mit Fülltönen angereicherte Akkordbrechungen. Vivaldi kom-ponierte mit nur sehr wenigen Motivischen Bausteinen erstaunlich lange Phrasen: So ist das Ritornell des 1. Satzes des Concerto RV 443 (mit allen Stimmen!) aus insgesamt nur zehn unterschiedlichen Motivischen Bausteinen zusammengebaut. Mithilfe dieses Baukastensystems musste Vivaldi nur sehr wenig „neu erfinden“: Es ging vor allem um neue Kombinationen dieser Bausteine. Deshalb konnte Vivaldi auch sehr schnell komponieren: Die Analyse seines Schaffensprozesses zeigt, dass er sehr hektisch und zum Teil auch fehlerhaft komponierte. Im zweiten praktischen Teil meiner Arbeit ging es darum, das Bausteinsystem in der Praxis anzuwenden und ein unvollendetes Flautinokonzert (RV 312) im Stile Vivaldis zu vollenden. Ich hielt mich dabei an die im ersten Teil meiner Arbeit gewonnenen Erkenntnisse. Im ersten Satz ging es vor allem darum, gestrichene Stellen für Flautino in Vivaldis Manuskript zu su-chen, aber auch Kompositionsfehler Vivaldis ausfindig zu machen. Den zweiten und dritten Satz komponierte ich vollständig neu; den zweiten Satz im Stile einer Siciliana, den dritten Satz in der Ritornellform im schnellen 2/4-Takt. Meine Arbeit entschlüsselt also Antonio Vivaldis Kompositionsstil, sie liefert geradezu das Rezept, ein Konzert im Stile Vivaldis zu komponieren. Als Beweis, dass dieses Rezept funk-tioniert, habe ich das Flautinokonzert RV 312 im Stile Vivaldis vollendet.

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9. Anhang

9.1 Bibliographie

Handschriften

- Turin, Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino, Foà 30, fols 91-100 Allgemeine Literatur vor 1900

- Heinichen, Johann David: Der General-Bass in der Composition, Dresden 1728. - Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen,

Berlin 1752. nach 1900

- Antonicek, T.H. / Hilscher, E.: Vivaldi, Graz 1997. - Kolneder, Walter: Melodietypen bei Vivaldi, Zürich 1973. - Rampe, Siegbert: Antonio Vivaldi und seine Zeit, Graz 2010. - Ryom, Peter: Les Manuscrits de Vivaldi, Kopenhagen 1977. - Sardelli, Frederico Maria: Vivaldi’s Music for Flute and Recorder, Aldershot 2007

(ital. 12001). - Stravinsky, Igor: Gespräche mit Robert Craft, Zürich 1961 (eng. 11958). - Talbot, Michael: Vivaldi, London 1978.

Internetquellen

- https://de.wikipedia.org/wiki/Arie (28.12.18, 14:30) - https://de.wikipedia.org/wiki/Gegenklang (28.12.18, 14:30) - https://de.wikipedia.org/wiki/Modularität (28.12.18, 14:30) - https://de.wikipedia.org/wiki/Ritornell(28.12.18, 14:45) - http://www.mu-sig.de/Theorie/Tonsatz/Tonsatz15.htm#t6412 (28.12.18, 14:45) - https://www.srf.ch/kultur/musik/antonio-vivaldi-der-priester-mit-dem-

maedchenorchester (28.12.18, 14:45) Partituren und Klavierauszüge

- Vivaldi, Antonio: Concerto D-Dur für Flautino und Klavier, hrsg. von Jean Cassignol, Wilhelmshaven 2009 (entspricht RV 312R).

- Vivaldi, Antonio: Concerto c-moll per Flauto, hrsg. von Winfried Michel, Winterthur 1993 (entspricht RV 441).

- Vivaldi, Antonio: Concerto per Flautino C-dur, hrsg. von Winfried Michel, Winter-thur 1996 (entspricht RV 443).

- Vivaldi, Antonio: Concerto in C für Sopraninoblockflöte, Streicher und Basso conti-nuo, hrsg. von Peter Thalheimer, Oberaspach 2000 (entspricht RV 444).

- Vivaldi, Antonio: Concerto e-moll per Flautino. hrsg. von Winfried Michel, Winter-thur 1999 (entspricht RV 445).

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9.2 Register der erwähnten Werke Vivaldis RV47 Titel 312 Concerto G-Dur für Violine (unvollendete Flautinofassung im Manuskript erhalten) 312R Concerto G-Dur (resp. D-Dur) für Flautino („Rekonstruktion“ von Cassignol) 441 Concerto c-Moll für Altblockflöte 442 Concerto F-Dur für Altblockflöte 443 Concerto C-Dur (resp. G-Dur) für Flautino 444 Concerto C-Dur für Flautino 445 Concerto a-Moll (resp. e-Moll) für Flautino 740 Oper „La virtù trionfante dell’ amore e dell’odio overo il Tigrane

9.3 Bildnachweis Titelblatt: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Portraits_of_Antonio_Vivaldi?uselang=de#/media/File:Vivaldi_by_Caldwall.jpg (27.12.18, 15:00) Abbildungen: 1 http://hz.imslp.info/files/imglnks/usimg/3/3e/IMSLP166321-PMLP296488-

vivaldi_concerto_rv433.pdf (27.12.18, 15:30) 36 http://hz.imslp.info/files/imglnks/usimg/2/20/IMSLP176721-PMLP310801-

vivaldi_concerto_rv441.pdf (27.12.18, 15:40) 37 http://hz.imslp.info/files/imglnks/usimg/2/20/IMSLP176721-PMLP310801-

vivaldi_concerto_rv441.pdf (27.12.18, 15:40) 38 http://hz.imslp.info/files/imglnks/usimg/3/3e/IMSLP166321-PMLP296488-

vivaldi_concerto_rv433.pdf (27.12.18, 15:40) 40 Turin, Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino, Foà 30, fols 91-100 41 Turin, Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino, Foà 30, fols 91-100 42 Turin, Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino, Foà 30, fols 91-100 Die restlichen Abbildungen sind Screenshots von dem Programm MuseScore. Ich hielt mich an die im Kapitel 9.1 aufgelisteten Partituren und Klavierauszüge.

47 RV steht für Ryom-Verzeichnis, das Verzeichnis der Werke Vivaldis.

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9.4 Dank Ich möchte mich bei all den Personen bedanken, welche mich beim Verfassen meiner Maturi-tätsarbeit auf die eine oder andere Art und Weise unterstützt haben. Zuerst möchte ich mich bei Alfons Schröter, meinem Betreuer und Ergänzungsfachlehrer, bedanken, welcher mich generell unterstützt, sich meine Gedanken angehört und meine Texte durchgelesen hat. Mein Dank gilt zudem meinen Instrumentallehrpersonen Martina Joos (Blockflöte), Noëmi Rueff (Klavier) und Martin Gebhardt (Oboe), welche meine Thesen und Prinzipien sowie meine Komposition mit mir diskutierten. Besonders möchte ich mich bei Martina Joos bedanken, welche mir half, den Scan des Manuskripts von Concerto RV 312 zu besorgen. Auch bedanken möchte ich mich bei dem Cembalisten und Korrepetitor Martin Zimmermann, welcher meine Kompositionen durchsah und Verbesserungsvorschläge lieferte, und bei dem Musiktheorielehrer Manuel Perovic, welcher mich in den Anfangsstadien meiner Arbeit mit einem Beratungsgespräch unterstützte. Abschliessend möchte ich mich bei meinen Freunden und meiner Familie bedanken, welche mich mental unterstützten und meine (unge-fragten) Musiktheorievorträge über sich ergehen liessen.

9.5 Partitur RV 312 Im Folgenden liegt die Partitur meiner Rekonstruktion und Vervollständigung des Concerto RV 312 bei. Ich fügte ein paar Hinweise und Notizen hinzu, welche nun erläutert werden: Rote Zahlen In allen Sätzen wurden die Harmonischen Bausteine mit roten Zahlen markiert. Die Zahlen entsprechen der Auflistung im Inhaltsverzeichnis meiner Maturitätsarbeit. Da allerdings vor allen Harmonischen Bausteinen eine „4“ stehen würde, beschloss ich diese „4“ zu streichen. Nichtmodulierende Harmonieabfolgen mit den Stufen I, IV und V wurden also einfachheits-halber mit „1.1“ statt „4.1.1“ bezeichnet. Der Harmonische Baustein behält solange seine Gül-tigkeit, bis die nächste rote Zahl (und somit der nächste Harmonische Baustein) auftritt. Blaue Kästchen In allen Sätzen wurden die Motivischen Bausteine mit blauen Kästchen markiert. Jeder Moti-vische Baustein wurde nur einmal markiert. Es muss beachtet werden, dass simple Variatio-nen eines Bausteins nicht als eigene Bausteine gezählt wurden: Es gibt somit keine eindeutige Zuordnung, was als eigenständiger Baustein gezählt wird und was nicht. Ich versuchte, so gut es geht, alle Bausteine aufzuzeichnen, aus denen der jeweilige Satz aufgebaut ist. Nicht ein-gezeichnet sind motivisch irrelevante Auftakte und Schlusstöne. Grüne Klammern Im ersten Satz der folgenden Partitur wurde in grünen Klammern markiert, was ich selber komponiert habe. Der Rest des ersten Satzes wurde von Antonio Vivaldi komponiert.

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A. Vivaldi

T. AndermattConcerto G-Dur

per Flautino

Partitur

Maturitätsarbeit

Rekonstruktion und Vervollständigung

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Antonio Vivaldi 1678 – 1741

Tobias Andermatt *2001

Concerto in G-Dur

für Flautino (Sopraninoblockflöte), Streicher

und Basso continuo

Rekonstruktion und Vervollständigung

(im Stile Antonio Vivaldis)1

des Flautino-Concerto-Fragments RV 312

1. Satz: Allegro molto, 4/4

(A. Vivaldi / T. Andermatt)

2. Satz: Largo, 6/8

(T. Andermatt)

3. Satz: Allegro molto, 2/4

(T. Andermatt)

1 Vgl. dazu Kapitel 7 (S. 38) des theoretischen Teils meiner Maturitätsarbeit.

Quelle Titelblatt:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/38/Canaletto_%28II%29_028.jpg (15.3.19).

Das Layout des Titelblattes lehnt sich an die Titelblätter des Verlages Amadeus (Winterthur) an.

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1.15.2

1.2

1.1

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1.2

1.1 2.2

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1.1

5.2

1.1

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2.3

3.23.23.2 2.3

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3.2

1.1

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3.2

1.1

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6 1.11.2

2.3

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1.1

2.2

1.1

1.2

2.2

5.21.2

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1.1

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1.1
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2.2
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1.1
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2.3
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3.2
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6
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1.2
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1.1
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2.3
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2.2
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1.1
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1.15.2

5.1 1.1

2.2

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2.3

1.1

5.1

1.1

1.1

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2.3

3.2

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1.1 5.1

1.12.2

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3.2 (2.3)

5.1

2.2 1.1 5.2

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5.1 1.1 6 1.1

2.2 1.1 2.3

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2.2 1.1

5.2 5.1

1.1

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