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Analytische Funktionen und der

Monodromiesatz

Alexander von Felbert

24.08.2006

1 Motivation und Einleitung

In diesem Dokument setzen wir voraus, dass der Leser die Grundbegri�e der Funktionen-theorie beherrscht.

Die Umkehrfunktionen der elementaren Funktionen (Wurzelfunktionen, Logarithmus,Arcussinus, etc.) sind von Natur aus 'mehrdeutige' Funktionen. Man kann zwar durchWahl eines 'Zweiges' auf einem geeigneten (etwa einfach zusammenhängenden) De�niti-onsgebiet Eindeutigkeit erzwingen, das ist aber stets mit willkürlichen Festlegungen ver-bunden. Es stellt sich die Aufgabe, das globale Verhalten einer mehrdeutigen Funktion zustudieren und einen organischen Zusammenhang zwischen ihren Zweigen herzustellen.Überdies soll durch geeignete Interpretation des De�nitionsbereichs die 'mehrdeutige'Funktion zu einer eindeutigen gemacht werden. Diese Aufgabe wird mit Hilfe von Rie-mannschen Flächen, welche Gebiete auf Zahlenspären überlagern, gelöst.

In diesem Dokument werden für dieses Vorhaben die Grundlagen gelegt und der Wegzu beschreitende Weg z.T. angedeutet. Hauptsächlich werden die Analytische Fortset-zung, das Kreiskettenverfahren und der Monodromiesatz erläutert und mit Beispielendeutlich gemacht.

2 Der Identitätssatz und die analytische Fortsetzung

Unser erstes Ziel, welches wir anstreben, wird ein möglicher Beweis für den sehr bedeu-tenden Identitätssatz sein. Dazu benötigen wir jedoch noch den Begri� der diskretenMenge, diesen kennen Sie vielleicht bereits von den elliptischen Funktionen bzw. ausdem Bereich der Gitter.

Definition 2.1:Sei D ⊂ C eine o�ene Menge. Eine Teilmenge M ⊂ D heiÿt diskret, wenn in D keinHäufungspunkt von M enthalten ist.

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Beispiel 2.2:Es sei M := {1, 1

2, 13, 14, . . . , 1

n, . . .} ist eine diskrete Menge in D = C• := C\{0} nicht

jedoch in D = C. Dies ist evident, da der einzige eigentliche Häufungspunkt von Mdie Zahl 0 sein könnte. Die Aussage eine Menge M ist diskret alleinstehend ergibt alsokeinen Sinn, denn der Begri� diskret bezieht sich stets auf zwei in Relation zueinanderstehende Mengen!

Den Begri� der diskreten Menge benötigen wir im folgenden Satz:

Satz 2.3: Sei f : D → C eine von der Nullfunktion verschiedene analytische Funktionauf einem Gebiet D ⊂ C. Sodann liegt die Menge der Nullstellen dieser Funktion N(f)diskret in D.

Beweis. (indirekt)Wir nehmen also an, dass a ∈ D ein Häufungspunkt der Nullstellenmenge N(f) von fist. Wir entwickeln f in eine Potenzreihe um diesen Punkt (f ist analytisch!):

f(z) =∞∑n=0

an(z − a)n, |z − a| < r.

Da a Häufungspunkt der Nullstellenmenge ist (setzen Sie a ein), gibt es in beliebigerNähe von a Punkte z 6= a mit f(z) = 0.Aufgrund der Stetigkeit (Funktion verhält sich 'ruhig' in einer Umgebung von a) von ffolgt damit

a0 = f(a) = 0.

Dengleichen Schluss kann man nun iterativ auf die Reihendarstellungen von

f(z)

z − a= a1 + a2(z − a) + . . . ,

f(z)

(z − a)2= a2 + a3(z − a) + . . . ,

. . .

anwenden, so erhalten wir a1 = 0, a2 = 0, . . ., d.h. die Koe�zienten der Potenzreiheverschwinden was f(z) = 0 in einer vollen Umgebung von a (bzw. in der gröÿten o�enenKreisscheibe um a, welche ganz in D enthalten ist) bedeutet.Nun ist die Menge U aller Häufungspunkte von N(f) o�en, die Menge V aller komplexenZahlen z ist jedoch o�ensichtlich selbst o�en und da D zusammenhängend ist, mussV = ∅ sein (schlieÿlich gilt V ∪ U = D).

Nun ist es ein leichtes den Identitätssatz für analytische Funktionen zu beweisen; al-ternativ hätte man einen Beweis des Identitätssatzes über die Identität von Potenzreihenführen können.

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mathematik-netz.de Der Identitätssatz und die analytische Fortsetzung

Satz 2.4: Sind f, g : D → C zwei analytische Funktion auf einem Gebiet D ⊂ C, D 6= ∅,so sind die folgenden Aussagen äquivalent:

1. f=g.

2. Die Koinzidenzmenge {z ∈ D; f(z) = g(z)} hat einen Häufungspunkt in D.

3. Es gibt einen Punkte z0 ∈ D mit f (n)(z0) = g(n)(z0) für alle n ∈ N0

Beweis. Für den Beweis wendet man f − g auf den Satz 2.1 an.

Der Identitätssatz ist bemerkenswert, denn er postuliert, dass eine analytische Funkti-on auf einem GebietD bereits auf einer relativ kleinen Teilmenge (der Koinzidenzmenge)von D eindeutig bestimmt ist. Stellen wir also fest, dass eine (noch) unbekannte Funkti-on g auf einem Kurvenstückchen mit einer bereits bekannten Funktion f übereinstimmt,so können wir mit Hilfe des Identitätssatzes sogar f = g folgern.

Diese Erkenntnis ist sehr bedeutend für die Fortsetzung reeller Funktionen ins Kom-plexe, denn die reelle Zahlengerade kann ebenfalls als Koinzidenzmenge (bzw. als Kurve)aufgefasst werden. Durch den Identitätssatz wissen wir also nun, dass es nur eine kom-plexe Fortsetzung für die Funktionen sin, cos, exp, tan, ... geben kann.

Bei der Anwendung des Identitätssatzes sollte man die Voraussetzungen nie aus denAugen verlieren, so ist es von absoluter Notwendigkeit, dass die betrachtete Funktion aufeinem Gebiet D ⊂ C de�niert ist. Gebiete sind nichtleere, o�ene und v.a. zusammenhän-gende Mengen. Auf nicht zusammenhängenden Mengen kann man leicht eine Funktionde�nieren, welche dem Identitätssatz dann scheinbar nicht mehr genügen würde: Dazubetrachte man zwei disjunkte Gebiete D1 und D2, wobei D := D0 ∪ D1 und de�niereman f : D → C mit f(z) = 0, für z ∈ D0 und f(z) = 1 für z ∈ D1. Betrachtet mannun die Funktion g : D → C mit g(z) = 0 für alle z ∈ D, so würde scheinbar mit demIdentitätssatz folgen, dass f ≡ g gilt, was natürlich nicht der Wahrheit entspricht.

Ferner ist es wesentlich, dass die Koinzidenzmenge von f und g nicht diskret in D ist.Es muss also sichergestellt werden, dass der Häufungspunkt der Koinzidenzmenge auchtatsächlich in D enthalten ist und nicht etwa auf dem Rand von D liegt.

Aus dem Identitätssatz ergeben sich durch die Äquivalenz 1.⇔2. unmittelbare Folge-rungen.

Folgerung 2.5: Sei D ⊂ C o�en, f : D → C komplex di�erenzierbar (also analytisch)und auf jeder Zusammenhangskomponente von D nicht konstant. Für jedes a ∈ C istdie Menge f−1(a) = {z ∈ D|f(z) = a} eine diskrete Teilmenge von D, d.h. ohneHäufungspunkt in D.

Beweis. Ein Beweis ist schnell erbracht; würde es einen solchen Häufungspunkt geben,so könnten wir den Identitätssatz auf die Funktion f und die konstante Funktion a

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anwenden, was zu einem Widerspruch zu den Voraussetzungen führen würde.

Wie in obiger Folgerung gesehen, haben wir eine weitere Charakterisierung für kon-stante Funktionen gewonnen. Existiert ein Häufungspunkt in welchem eine Funktionstets denselben (konstanten) Wert a annimmt, z.B. auf einem Stück einer Kurve, so istdiese Funktion gänzlich auf der Zusammenhangskomponente konstant.

Die Begri�e �analytisch� bzw. �holomorph� werden in der Funktionentheorie nicht ein-heitlich gebraucht. Wir wollen in diesem Dokument stets unter analytisch verstehen, dasseine Funktion f auf einer o�enen Teilmenge von C in eine Potenzreihe entwickelbar ist.Entsprechend setzen wir �holomorph� mit der komplexen Di�erenzierbarkeit auf einero�enen, zusammenhängenden Menge gleich.

Da beide Eigenschaften jedoch äquivalent sind, müsste man nicht zwischen beidenBegri�en di�erenzieren.

Definition 2.6:Seien D,H Gebiete in C mit D ⊂ H und f : D → H eine holomorphe Funktion. Eineweitere holomorphe Funktion F : H → C mit F|D = f heiÿt holomorphe Fortsetzung

von f nach H. Die Funktion f heiÿt dann nach H holomorph fortsetzbar.

Ein mächtiges Verfahren der holomorphen Fortsetzung einer Funktion liefern derenTaylorentwicklungen, wenn die Konvergenzkreise aus dem ursprünglichen Holomorphie-gebiet herausragen.

Definition 2.7:Sei D ein Gebiet in C und f holomorph auf D. Man betrachte die Taylorentwicklung∑∞

n=0 an(z − c)n von f in einem festem Punkt c ∈ D. Nach dem Satz von Taylor ist derKonvergenzradius r dieser Reihe gröÿer oder gleich dem Randabstand dist(∂D, c)(=∞,falls ∂D = ∅, also D = C ist). Ist der Konvergenzradius gröÿer als der Randabstand,so ist der Konvergenzkreis Br(c) nicht vollständig in D enthalten. Man sagt dann, dieGrenzfunktion f0 : Br(c)→ C der Potenzreihe entstehe aus f durch analytische Fort-setzung.

Das der Konvergenzradius tatsächlich gröÿer oder gleich dem Abstand Rand bis Ent-wicklungspunkt ist, kann man oftmals an der Beweisführung des Satzes von Taylor (oftauch Potenzreihenentwicklungs-Satz ganannt) erkennen. Je nach Herangehensweise andie Funktionentheorie (Weierstraÿscher- oder Cauchy-Zugang) unterscheiden sich dieBeweis z.T. erheblich; doch allen Beweisen liegt zu Grunde, dass Sie zunächst eine imGebiet ganz enthaltene Kreisscheibe betrachten, um anschlieÿend festzustellen, dass mandiese sozusagen bis zum Rand �aufblasen� kann.

Beachten Sie bitte, dass diese hier angegebenen De�nitionen der holomorphen undanalytischen Fortsetzbarkeit nicht äquivalent sind! Man könnte die analytische Fortsetz-barkeit auch als Potenzreihen(weiter)entwicklung auf �de�nitionsfremde� Gebiete be-

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mathematik-netz.de Der Identitätssatz und die analytische Fortsetzung

zeichnen.

Ein Beispiel wird die De�nition veranschaulichen.

Beispiel 2.8:Es sei D = E, der o�ene Einheitskreis (z ∈ E : |z| < 1), und f : E → C holomorph(damit analytisch) mit f(z) =

∑∞n=0 z

n = 11−z sowie c ∈ E. Die holomorphe Funktion f

besitzt auf E also die Taylorentwicklung der geometrischen Reihe.

Wollen wir die Funktion f bzw. dessen Reihe um einen Punkt c ∈ E in eine Reiheentwickeln, so dass |z − c| < |1 − c| gilt, d.h. wir betrachten die Kreisscheibe z ∈B|1−c|(c) um den neuen Entwicklungspunkt c, dann gilt für alle z ∈ C mit z−c

1−c ∈ E, alsoz ∈ B|1−c|(c):

∞∑n=0

[z − c1− c

]n=

1

1−[z−c1−c

] =1− c1− z

= (1− c) 1

1− z.

Dieser Term ist durch Einsetzen in die Summenformel der geometrischen Reihe entstan-den, dividieren wir diesen nun durch (1− c) so erhalten wir

∀z ∈ B|1−c|(c) :∞∑n=0

(z − c)n

(1− c)n+1=

1

1− z.

Es ist also∑∞

n=0(z−c)n

(1−c)n+1 die Taylorreihe von f um c. Nach dem Quotientenkriterium ist

deren Konvergenzradius gleich r = |1− c|, betrachten Sie dazu limn→∞(1−c)n+2

(1−c)n+1 .

Im Falle Re(c) < 0 ist der Konvergenzkreis B|1−c|(c) keine Teilmenge von E. DieGrenzfunktion g : B|1−c|(c) → C de�niert durch g(z) :=

∑∞n=0

(z−c)n(1−c)n+1 der Potenzreihe

entsteht somit -gemäÿ De�nition- aus f durch analytische Fortsetzung.

Wir können also Folgendes festhalten:

• Die Potenzreihe∑∞

n=0 zn = f(z) konvergiert lediglich auf dem Einheitskreis E und

damit ist f nur auf E de�niert.

• Wie bereits festgestellt ist im Falle Re(c) < 0 die Funktion∑∞

n=0(z−c)n

(1−c)n+1 (∀z ∈B|1−c|(c)) die analytische Fortsetzung von f auf B|1−c|(c). Derartige Fortsetzungenkönnen beliebig ausgedehnt werden, jede dieser Funktionen stimmt dann mit derFunktion z 7→ 1

1−z überein. Dabei muss die Singularität c = 1 als Entwicklungs-punkt gemieden werden.

• Die Funktion F : C\{1} → C, F (z) = 11−z kann auf ganz C\{1} de�niert werden

(beachten Sie, dass F nicht durch die Reihe erklärt wurde).

• Somit kann man F als holomorphe Fortsetzung von f nach C\{1} interpretieren.

Mit diesen neuen Einsichten kehren wir nun wieder zur Diskussion des Identitätssatzeszurück und reichen die noch ausstehende Folgerung aus diesem Satz nach; diese geht den

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umgekehrten Weg, sie setzt also voraus, dass ein Häufungspunkt in der KoinzidenzmengeK gegeben ist.

Folgerung 2.9: Sei D ⊂ C ein Gebiet, K ⊂ D eine Menge mit mindestens einemHäufungspunkt in D (z.B. K o�en, nicht leer) und f : K → C. eine Funktion. Wenneine analytische Funktion f : D → C existiert, welche f fortsetzt, so ist diese eindeutigbestimmt.

Beweis. Da die Koinzidenzmenge von f und dessen Fortsetzung einen Häufungspunktenthält, ist der Identitätssatz direkt anwendbar. Ein indirekter Beweis ist nun augenfäl-lig.

Dieses Korollar ist von groÿer Bedeutung für alles weitere - existiert also eine holo-morphe (und damit eine analytische) Fortsetzung, so ist diese eindeutig bestimmt!

Wie oben im Beispiel angedeutet wurde, kann man mit Hilfe von Potenzreihen analy-tische bzw. holomorphe Fortsetzungen von bereits bekannten Potenzreihen bzw. Funk-tionen entwickeln. Wie wir aus der Theorie der Residuen wissen, begrenzen wesentlicheSingularitäten und Pole den Entwicklungsbereich von Potenzreihen, deshalb nehmenwir an, dass wir von derartigen unangenehmen Dingen verschont bleiben. Wir kennenalso eine Funktion f , dessen Taylorentwicklung f(w) =

∑∞n=0

f (n)(z)n!

(w − z) (also diezugehörige Potenzreihe) um den Punkt z und den Konvergenzradius r > 0.

Nun könnten wir aber einen Punkt z1 nahe am Rand des Konvergenzgebietes wäh-len und um diesen wieder in eine Potenzreihe ansetzen, die wiederrum eine holomorpheFunktion F darstellt. Die dadurch fortgesetzte Funktion F würde mit der Ausgangs-funktion f auf einer Schnittmenge (und damit auf einem Kurvenstück Γ von z nach

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z1) übereinstimmen. Durch iteratives Fortsetzen dieser Vorgehensweise (wir haben Häu-fungspunkte von Singularitäten und andere unwegbare Dinge ausgeschlossen!) könnteman schlieÿlich die gesamte komplexe Ebene umfassen. Diese Methode wird in der Lite-ratur auch oft �Kreiskettenverfahren� genannt. Dabei stöÿt man jedoch hin und wiederauf das folgende, scheinbar widersprüchliche Phänomen: Kehrt man nämlich auf gewis-sen Wegen wieder zum Ausgangspunkt z zurück, so kann es vorkommen, dass dieserplötzlich einen di�erenten Funktionswert annimmt - dies liegt natürlich an der Mehr-deutigkeit so mancher Funktion (z.B. log oder die Wurzelfunktionen).

Um die Notation zu vereinfachen noch folgende

Definition 2.10:Ein Funktionselement (einer analytischen Funktion) ist ein Paar (f,G), wobei ∅ 6=G ⊆ C ein Gebiet und f eine analytische Funktion. Zwei Funktionselemente (f1, G1) und(f2, G2) heiÿen direkte bzw. unmittelbare analytische Fortsetzungen voneinander,wenn gilt:

G1 ∩G2 6= ∅ und f1 ≡ f2 auf G1 ∩G2.

Wir notieren dann (f1, G1) ∼ (f2, G2) und sagen, dass (f2, G2) eine unmittelbare

Umformung von (f1, G1) ist.

Eine unmittelbare analytische Fortsetzung entspricht der gewöhnlichen analytischenFortsetzung, wie wir sie weiter oben bereits de�niert haben. Mit Hilfe der neuen Nota-tion können wir das weiter oben angesprochene Phänomen formal formulieren:

Seien (f1, G1) ∼ (f2, G2) und (f2, G2) ∼ (f3, G3), dann kann es passieren, dassG1∩G3 6= ∅, während f1 6≡ f3 auf G1∩G3, so dass also (f1, G1) � (f2, G2)! Das heiÿt die(fk, Gk), k = {1, 2, 3} de�nieren im Allgemeinen kein Funktionselement (F,G1∪G2∪G3).

Beispiel 2.11:Es sei G = C− die �geschlitzte� komplexe Ebene und Log : C− → C der so genannteHauptzweig des Logarithmus sowie c ∈ C− mit Re(c) < 0.

Auf der Kreisscheibe B1(1) besitzt Log die Taylorentwicklung

∞∑n=1

(−1)n−1(z − 1)n

n.

Dann gilt für alle z ∈ C mit zc∈ B1(1), d.h. z ∈ Bc(c):

Log(z

c) =

∞∑n=1

(−1)n−1( zc− 1)n

n

=∞∑n=1

(−1)n−1(z − c)n

n

1

cn

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Damit ist g(z) := Log(c) +∑∞

n=1(−1)n−1

n1cn

(z − c)n die Taylorentwicklung von f um c.Der Konvergenzradius dieser Reihe ist nach der Quotientenregel gleich |c|.Da Re(c) < 0, ist der Konvergenzkreis B := B|c|(c) keine Teilmenge von C−.

Wir können nun herausheben:

• Die Funktion g ist damit -gemäÿ De�nition- die analytische Fortsetzung F von fnach U := G ∪B.

• Beachten Sie, dass g nicht die holomorphe Fortsetzung F von f ist. VergleichenSie mit der Skizze weiter unten.

• Dieses Phänomen erklärt sich, wie bereits erwähnt, durch die Vieldeutigkeit somancher Funktion. Abhilfe scha�en hier Riemannsche Flächen bzw. Blätter aufwelchen diese Funktionen dann eindeutig de�nierbar sind.

Die Zuordnung z 7→ f(x) =

{f(z) für z ∈ Gg(z) für z ∈ B

ist (aufgrund der Merhdeutigkeit des Logarithmus) nicht eindeutig.

Genau an dieser Stelle setzt dann auch die Theorie der Riemanschen Blätter bzw.der Riemannschen Flächen an. Stellt man sich alle De�nitionsbereiche der verschiede-nen Zweige des Logarithmus, also C−, derart vor, dass im wörtlichen Sinne C an derreellen Achse �aufgeschlitzt� ist und jeweils an einer der beiden Nahtstellen eine weiteregeschlitzte Ebene anschlieÿt, so kommt man zur Riemannschen Fläche des Logarithmus.

Zur Verdeutlichung betrachten wir die Funktion bzw. dessen Reihe um den Punktc = −1 + i. Wir erhalten dann

g(z) = Log(−1 + i) +∞∑n=1

(−1)n−1

n

1

(−1 + i)n(z − [−1 + i])n

Nach dem Quotientenkriterium (oft auch Satz von Cauchy-Hadamard genannt) hatdiese Reihe aber einen gröÿeren Konvergenzradius als 1, nämlich

√2.

In diesem Fall bestimmt nicht der Randabstand sondern der Ab-stand zur nächsten Singularität (z = 0) den Konvergenzradius. Al-lerdings stellt die erhalten Reihe für Im(z) < 0 (grauer Bereich)nicht mehr den Hauptwert dar sondern den ersten (Neben-)Zweigdar. Die Funktionswerte unterscheiden sich also um 2πi.

O�ensichtlich ist die Relation ∼ der direkten analytischen Fort-setzung nicht transitiv und damit auch keine Äquivalenzrelation.

Satz 2.12: Es seien G ⊆ C ein Gebiet und f homomorph auf G mit f(z) 6= 0 für jedesz ∈ G. Dann existiert eine holomorphe Funktion g mit

∀z ∈ G : f(z) = exp(g(z))

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mathematik-netz.de Das Kreiskettenverfahren

Man nennt g einen analytischen Zweig des Logarithmus von f .Zusatz: Wenn z0 ∈ G und f(z0) = exp(ω0), kann man g so wählen, dass g(z0) = w0.

Beweis. Da die Funktion f nach Voraussetzungen keine Nullstellen auf G hat, und dieAbleitung einer Holomorphen Funktion sowie die Bildung des Quotienten aus zwei holo-morphen Funktionen eine holomorphe Funktion ergibt folgt: f

fist holomorph und besitzt

damit eine Stammfunktion F auf G.

(f(z) exp(−F (z)))′ = exp(−F (z))(f ′(z)− f(z)F ′(z))

= exp(−F (z))(f ′(z)− f ′(z))

= 0

∀z ∈ G.

Die Ableitung [f(z) exp(−F (z))]′ ist also gleich 0, somit muss [f(z) exp(−F (z))] kon-stant sein (,denn es gilt ∀z ∈ G : f ′(z) = 0⇔ f ist konstant).⇒ f(z) = exp(+F (z) + c), da [f(z) exp(−F (z))] konstant.Zum Beweis des Zusatzes beachte man, dass bereits F (z0) + c = ω0 − 2ikπ, für eingewisses k ∈ Z geeignet ist. Man braucht also nur F (z) + c durch F (z) + c + 2ikπ zuersetzen, um das Gewünschte zu erhalten.

Satz 2.13: Sei G ⊆ C ein Gebiet und es sei f eine holomorphe Funktion ohne Nullstellenauf G. Für beliebiges a ∈ C existiert dann eine holomorphe Funktion g mit

∀z ∈ G : (f(z))a = g(z)

Die Funktion f hat also eine analytische a-te Potenz. Insbesondere tri�t dies für a =1n, n ∈ {2, 3, . . .} zu, d.h. f hat auch beliebige analytische n− teWurzeln: (g(z))n = f(z)

auf G.

Dieser Satz wird auch beim Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes benötigt. EinBeweis ergibt sich mit Hilfe des vorangegangenen Satzes einfach.

Beweis. Wendet man den Satz 2.5 auf die Funktion f an, so erhalten wir eine holomorpheFunktion g′ mit f(z) = exp(g′(z)). Beachtet man die Rechenreglen für Potenzen, so siehtman unmittelbar, dass wir lediglich g(z) := exp(ag(z)) = exp(ag(z)+2kiπ), k ∈ Z setzenmüssen, um die gewünschte Funktion g zu erhalten.

3 Das Kreiskettenverfahren

Nun greifen wir die bereits skizzierte Idee des Kreiskettenverfahrens wieder auf unduntersuchen dieses genauer.

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Bemerkung 3.1:Im Folgenden wird mit Bε(w) die ε-Umgebung von w bezeichnet, d.h. Bε(w) := {z ∈ C :|w − z| < ε}.

Diese und die folgende De�nition werden uns die Notation des Kreisketten-Satzes er-heblich vereinfachen.

Definition 3.2:Eine Kette C von Gebieten sei eine endliche Folge von Gebieten Gk(k = 1, . . . ,m) mitGk−1 ∩Gk 6= ∅ (k = 2, . . . ,m). Im Falle, dass alle Gk Kreise (Kreisscheiben) sind, spre-chen wir von einer Kreiskette.

Ist ein Funktionselement (f1, D1) gegeben, so heiÿt ein Funktionselement (f2, D2) ana-lytische Fortsetzung von (f1, D1) längs der Kette C, falls es analytische Funktionengk : Gk → C, Gk Gebiete, (k = 1, . . . ,m) gibt, so dass gilt:(f1, D1) ∼ (g1, G1) sowie (gm, Gm) ∼ (f2, D2) und (gk−1, Gk−1) ∼ (gk, Gk), (k = 2, . . . ,m).Wir notieren dies durch (f1, D1) ∼C (f2, D2).

Eine Kreiskette ist also eine Menge von sich überschneidenden Gebieten bzw. Kreis-scheiben. Sodann gehen wir den für alles weitere bedeutenden Satz an.

Satz 3.3: (Kreiskettenverfahren)Es seien G1, G2 Gebiete in C mit G1 ∩ G2 6= ∅. Die analytische Funktion f1 : G1 → Chabe die unmittelbar Fortsetzung f2 : G2 → C, d.h. (G2, f2) ∼ (G1, f1). Seien weitera ∈ G1, b ∈ G2 beliebig vorgegeben.

• Dann gibt es eine Kurve γ von a nach b innerhalb G1 ∪G2 und

• eine Kreiskette C = {B1, . . . , Bn} mit B1 ⊆ G1, Bn ⊆ G2,⋃nj=1Bj ⊆ [G1 ∪G2].

• Ferner sind die Mittelpunkte der Kreisscheiben Bj auf γ derart angeordnet, dassC ganz γ überdeckt und

• ((f2)|Bn , Bn) analytische Fortsetzung von ((f1)|B1 , B1) längs C (und somit auchlängs γ) ist.

Beweis. G1 und G2 sind Gebiete und damit zusammenhängend; da f2 die Fortsetzungvon f1 ist, muss mind. ein Häufungspunkt der Koinzidenzmenge {z ∈ C|f1(z) = f2(z)}in G1 bzw. G2 liegen, d.h. die Schnittmenge G1∩G2 ist nicht leer. D.h. die VoraussetzungG1 ∩G2 6= ∅ ist redundant und könnte deshalb ausgespart werden. Da also G1 ∩G2 6= ∅ist G1 ∪ G2 wieder ein Gebiet und damit (weg-)zusammenhängend - es existiert alsoeine stetige Kurve γ : [0, 1] → G1 ∪ G2 mit γ(0) = a und γ(1) = b. Der Abstand d vonΓ := γ([0, 1]) zum Rand von G1 ∪ G2 ist strikt positiv. Für t ∈ [0, 1] �ndet man stetseine o�ene Kreisscheibe B(γ(t)) um γ(t), die ganz in G1 oder in G2 enthalten ist - dieMengen G1 bzw. G2 sind o�en!

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mathematik-netz.de Das Kreiskettenverfahren

Die Vereinigung⋃t∈[0,1]Bd/4(γ(t)) überdeckt die kompakte Menge Γ o�en, und des-

halb gibt es eine Partition (endliche Teilüberdeckung) 0 = t0, t1, . . . , tm, tm+1 = 1, sodass auch

⋃m+1k=0 Bd/4(γ(tk)) die Menge Γ überdeckt (die Menge Γ ist kompakt!, vgl.

Heine-Borelscher-Überdeckungssatz).

Wir können die Zahlen t1, . . . , tm vertauschen, so dass Folgendes erreicht wird:z1 := γ(t1) ∈ Bd/2(a), z2 := γ(t2) ∈ Bd/2(z1), z3 := γ(t3) ∈ Bd/2(z2), . . . und zm :=γ(tm) ∈ Bd/2(zm−1). O.B.d.A. können wir B(a) := B(γ(0)) bzw. B(b) := B(γ(1)) setzen.

Nach Konstruktion ergibt sich damit

B(γ(tj))) ∩B(γ(tj−1)) 6= ∅, (j = 1, . . . ,m+ 1).

Entwickelt man für jedes k ∈ {1, . . . ,m} die holomorphe Funktion, welche aus der�Verklebung� (siehe weiter unten) von f1 und f2 auf G1∪G2 entsteht, in eine Potenzreihegk =

∑∞n=0 ank

(z − zk)n mit dem Konvergenzradius rk um zk, so ist der zugehörigeKonvergenzradius rk gröÿer oder gleich d, und damit hat man eine Kette (Brk(zk), gk),k = 1, . . . ,m mit den Eigenschaften:

• (Br1(z1), g1) ∼ (Bra(a), f1)

• Für jedes k ∈ {2, . . . ,m} ist (Brk(zk), gk) ∼ (Brk−1(zk−1), gk−1).

• (Brb(b), f2) ∼ (Brm(zm), gm).

Damit ist eine geeignete Kreiskette, wie im Satz gefordert, gefunden und alles weitereebenfalls bereits gezeigt. Alternativ hätte man die Funktionen gk auch wie folgt de�nieren

können gk :=

{f1, falls Dk ⊆ G1

f2, falls Dk ⊆ G2

.

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Der eben erbrachte Beweis ist in erster Linie ein Existenzbeweis, denn das die analy-tischen Fortsetzungen jeweils dieselbe (fortgesetzte) Funktion beschreiben ist mit Hilfedes Identitätssatzes klar.Wollen wir das Kreiskettenverfahren zu einer wirklichen Berechnungsmethode vollen-

den, so liefert das nun folgende Korollar die Anleitung hierzu:

Konstruktionsprinzip: Gegeben sei ein Gebiet G und eine analytische Funktionf : G→ C. Es seien die endlich vielen Singularitäten sk(k ∈ N) von f.

1. Sei dann z1 ∈ G so gewählt, dass z1 keine Singularität ist. In einer gewissenUmgebung U1 von z1 lässt sich f in eine Potenzreihe f1 =

∑∞m=1 am(z − z1)m

entwicklen. Sei s1 die nächstgelegene Singularität von z1 aus gesehen.

2. Man wähle z2 ∈ U1 möglichst nah am Rand ∂U1, jedoch so, dass z2 nicht auf derStrecke von z1 nach s1 liegt.

3. Aufgrund der Taylorformel für die Koe�zienten einer Potenzreihe und der Tatsa-che, dass f1 ≡ f2 auf der Schnittmenge gilt, können wir die Koe�zienten (bn) derfortgesetzten Reihe f2 =

∑∞n=1 bn(z − z2)n wie folgt berechnen:

bn =1

n!(f1)

(n)(z2)

=∞∑m=n

m(m− 1) . . . (m− n+ 1)

n!am(z2 − z1)m−n

=∞∑m=n

(m

n

)am(z2 − z1)m−n.

Sei s2 die nächstgelegene Singularität zu z2. Auch diese Reihe konvergiert wiederim Kreis mit Konvergenzradius |z2 − s2|, wodurch U2 de�niert werden kann.

4. Innerhalb von U2 wählen wir uns wieder einen Punkt z3, ... usw.

Bemerkung 3.4:Nicht jede Funktion lässt sich analytisch fortsezen. Die Funktion f(z) =

∑∞n=0 z

2n =z+z2+z4+z8+. . . ist nicht holomorph in z = 1 (der Nullstelle von z−1), in z = ±1 (denNullstellen von z2 − 1), in jeder der 4 Nullstellen von z4 − 1, usw. Da diese Nullstellenauf dem Einheitskreis überall dicht liegen, können wir mit dem Kreiskettenverfahrennicht über den Einheitskreis hinaus gelangen. Der Rand des Einheitskreises ist also einenatürliche Grenze der Holomorphie von f .

4 Homotopie und der Monodromiesatz

Die Fortsetzbarkeit eines holomorphen �Funktionskeimes� f auf einem Gebiet D ⊂ C ,längs beliebiger in D verlaufender Wege sichert nicht die Eindeutigkeit der Fortsetzung,dazu sind die Voraussetzungen des Identitätssatzes zu erfüllen. Unter gewissen topo-logischen Voraussetzungen jedoch ist die Eindeutigkeit gewährleistet, dazu führen wirzunächst die notwendigen Begri�ichkeiten ein.

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Definition 4.1:Sei U ein topologischer Raum und z0, z1 ∈ U zwei Punkte. Zwei Wege α, β : [0, 1] → Uvon z0 = α(0) = β(0) nach z1 = α(1) = β(1) heiÿen homotop (bei festem Anfangs-und Endpunkt), wenn eine stetige Abbildung H : [0, 1] × [0, 1] → U existiert, die diefolgenden Eigenschaften hat:

1. H(x, 0) = α(x) für alle x ∈ [0, 1]

2. H(x, 1) = β(x) für alle x ∈ [0, 1]

3. H(0, s) = z0, H(1, s) = z1 für alle s ∈ [0, 1]

Die Abbildung H heiÿt dann eine Homotopie von α nach β.

Für jedes s ∈ [0, 1] ist durch x 7→ H(x, s) ein Weg in U von z0 nach z1 de�niert. DieSchar der Wege {H(·, s)|s ∈ [0, 1]} nennt man auch eine stetige Deformation des Weges αin den Weg β. Dabei bezieht sich der erste Eintrag von H(·, s) auf die Funktionsvariableder Ausgangs- bzw. Zielfunktion (α bzw. β also auf x). Der zweite Eintrag s gibt denGrad der Deformation an; haben wir also eine Homotopie H gefunden, so entsprichtH(x, 0) = α(x) bzw. H(x, 1) = β(x), da der Grad der Deformation gleich 0 (noch keineDeformation) bzw. gleich 1 (volle Deformation) ist.

Wir führen uns diesen neuen Begri� mit einem Beispiel vor Augen.

Beispiel 4.2:Seien α, β : [0, 1] → R2 zwei Kurven, de�niert durch α(x) = (x, x) und β(x) ={

(2x, 0) für x ∈ [0, 12]

(1, 2x− 1) für x ∈ [12, 1]

. Beide Kurven starten im Anfangspunkt z0 := (0, 0) und

münden im Endpunkt z1 := (1, 1); in der Skizze wurde α rot und β blau markiert.

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Als zu Grunde gelegtes Gebiet geben wir uns irgendein o�enes Kreisgebiet (diesesist konvex!) mit Mittelpunkt (0, 0) vor, welches die Kurven β und α umfasst. Sodannbetrachten wir die Funktion

H(x, s) := sα(x) + (1− s)β(x) mit s, x ∈ [0, 1].

Untersuchen wir diese Funktion näher, so stellen wir fest, dass o�ensichtlich H(x, 0) =β(x) und H(x, 1) = α(x) gelten. Weiterhin gilt für beliebiges s ∈ [0, 1] : H(0, s) = z0bzw. H(1, s) = z1. Es folgt also, dass H eine Homotopie von β nach α ist.In der Skizze ist die Kurve H(x, 1

2) abegebildet, man kann sehr schön erkennen, dass die

Kurve β sich wie ein Taschenmesser auseinanderklappt.

Auf analoge (verallg.) Weise kann man beweisen, dass in einem konvexen GebietG ⊂ Cje zwei Wege mit gleichem Anfangspunkt und gleichem Endpunkt homotop sind. Wirerinnern uns, ein Gebiet heiÿt konvex, wenn zu je zwei Punkten P,Q ∈ G auch dieVerbindungsstrecke PQ in G liegt. Da G nach Voraussetzung konvex ist, können keine�Löcher� die Deformation der Kurven stören. Derartige störende Löcher können nämlich

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in konvexen Gebieten überhaupt nicht existieren.

Man kann sich also eine Homotopie als Deformationsfunktion von der einen Kurvehin zur anderen vorstellen; ist nun eine der beiden Kurven ein einzelner Punkt unddie andere Kurve eine geschlossene (Jordan-)Kurve, so kann man diese, gleich einemLasso, beliebig zusammenziehen. Diese Heuristik führt auch klar vor Augen, warum dieHomotopie eng verknüpft ist mit dem einfachen Zusammenhang einer Menge.

Bemerkung 4.3:Für einen topologischen Raum U und fest gewählte Punkte z0, z1 ∈ U ist die Homotopieeine Äquivalenzrelation in der Menge aller in U verlaufenden Wege von z0 nach z1:

• Die Re�exivität der Relation ist klar, denn jede Kurve lässt sich durch die Identitätin sich selbst �deformieren�, d.h. es gilt α ∼ α.

• Ist H eine Homotopie von α nach β, so ist H∗, de�niert durch H ∗ (t, s) :=H(t, 1− s), eine Homotopie von β nach α, womit die Symmetrie bewiesen ist.

• Sind H0 und H1 Homotopien von α nach β bzw. von β nach γ, so de�niert

H(x, s) :=

{H0(x, 2s) für x ∈ [0, 1] und s ∈ [0, 1

2]

H1(x, 2s− 1) für x ∈ [0, 1] und s ∈ [12, 1]

eine Homotopie von α nach γ. Hiermit ist die Transitivität der Relation gezeigt.

Die sich durch die Äquivalenzrelation ergebenden Äquivalenzklassen heiÿen auch Ho-motopieklassen. Man kann nachweisen, dass durch die Multiplikation · (der Hinterein-anderlegung von Kurven mit gleichem Anfangs- und Endpunkt) von Kurven eine wohl-de�nierte Operation auf der Menge aller Kurven π1(z0, U) mit gleichem Anfangs- undEndpunkt z0 auf einem Gebiet U erklärt wird. Das Paar (π1, ·) bildet sodann eine Grup-pe, die so genannte Fundamentalgruppe. Mithilfe dieser Fundamentalgruppe lassensich topologische Räume charakterisieren, z.B. kann man damit den Zusammenhang ei-ner Menge erklären.

Nun sind wir in die Lage versetzt den zentralen Satz dieses Dokuments zu beweisen.

Satz 4.4: (Monodromiesatz)Sei G ⊆ C ein Gebiet, a ∈ G und b ∈ C fest. Sei f : G → C eine holomor-phe Funktion vorgegeben. Seien weiter {γs}s∈[0,1] eine einparametrige Kurvenschar undH : [0, 1] × [0, 1] → G sei eine Homotopie von Wegen {γs}s∈[0,1] mit γs := H(·, s) in Gmit gemeinsamen Anfangspunkt a und Endpunkt b.Für jedes s ∈ [0, 1] sei Gs ein Gebiet, welches b enthält, und gs : Gs → C eine holomor-phe Funktion derart, dass (f,G) längs γs analytische Forsetzung zu (gs, Gs) gestattet.Dann gilt:

(g0, G0) ∼ (g1, G1)

, d.h. die analytischen Fortsetzungen g0 und g1 stimmen auf der Umgebung G0∩G1 vonb überein.

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Beweis. Sei der Deformierungsgrad s ∈ [0, 1]s �xiert. Mit den gegebenen Voraussetzun-gen können wir das Kreiskettenverfahren anwenden, d.h. es existiert eine Kette

C = {A0, . . . , Am+1}

welche γs (es ist s �xiert, also γs eine einzelne Kurve!) überdeckt und A0 = G, sowieAm+1 = Gt genügt. Das heiÿt:

∃0 = t0 < t1 < . . . < tm < tm+1 = 1

mit Ej := γs(tj−1, tj) ⊂ Aj(j = 1, . . . ,m + 1). O.B.d.A. können wir für das Intervall[a, b]t gleich [0, 1]t setzen.

Wir können also mit Hilfe der �Kettenglieder� Aj der Kreiskette C, das Intervall [0, 1]tin eine Partition mit obigen Bedingungen zerlegen.

Es sei nun ε ∈ {min(d(Ej,C \Aj))} mit j ∈ {1, . . . ,m+ 1} gewählt. Da die FunktionH nach Voraussetzung stetig auf einer kompakten Menge (den Kurven) ist, folgt unmit-telbar daraus, dass H gleichmäÿig stetig ist. Deshalb gilt:

Zu jedem vorgegebenen ε > 0 existiert ein δ > 0, so dass für alle s1, s2 ∈ [0, 1]s gilt (tkann beliebig gewählt werden):

|s1 − s2| < δ ⇒ |H(s1, t)−H(s2, t)| = |γs1(t)− γs2(t)| < ε

Wählen wir also ein Element s ∈ [0, 1]s genügend nahe zum vorgegebenen s0 ∈ [0, 1]s,so folgt

|γs0(t)− γs(t)| < ε⇒ γs(t) ∈ Aj,

womit für beliebiges j = 0, . . . ,m+1 auch stets γs([tj−1, tj]) ⊂ Aj gilt. Also überdecktdie Kette C (neben γs) ebenso γs.

Da die analytische Fortsetzung längs einer Kette bzw. einer Kurve eindeutig bestimmtist, folgt dann:

(gs, Gs) ∼ (gs, Gs), also gs ≡ gs auf Gs ∩Gs.

Mittels der endlichen Überdeckungseigenschaft (beachten Sie, dass [0, 1]2 kompakt ist)konstruiert man sich bspw.

G0 ∩Gs1 . . . ∩Gsn ∩Gs1

⇒ g0 ≡ gs1 ≡ . . . ≡ gsm ≡ g1,

, d.h. man wählt sich stets ein hinreichend naheliegendes sk bei sk−1.Beachtet man sodann, dass b ∈ G0 ∩ Gs1 . . . ∩ Gsn ∩ Gs1 , so liefert der Identitätssatz

g0 ≡ g1 auf G0 ∩G1.

Der Monodromiesatz ist von groÿer Bedeutung für die Funktionentheorie aber auchim Bereich der algebraischen Topologie.

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