Anders und nicht artig

15

description

Neue Wege der Unternehmenspositionierung. Mit mehr als 100 erfolgreichen Praxis-Beispielen Wer wagt, gewinnt! Zu viele Unternehmen bieten ähnliche Produkte oder Dienstleistungen zu einem ähnlichen Preis in einer ähnlicher Qualität an. Die Folge: Ein Verdrängungswettbewerb über den Preis. Und wer nicht mithalten kann, geht unter – außer diejenigen, die mutig genug sind, bestehende Regeln zu brechen und sich durch Innovationen und Andersartigkeit von der Konkurrenz abzuheben. Denn nicht die Schnellen oder Großen werden den Kampf um den Kunden gewinnen, sondern die Kreativen, denen es gelingt, den Geist und die Herzen der Menschen zu bewegen. „Anders und nicht artig“ gibt Impulse für neue und andersartige Strategien auf anderen Märkten, für andere Kunden und mit motivierten Mitarbeitern.

Transcript of Anders und nicht artig

Page 1: Anders und nicht artig
Page 2: Anders und nicht artig

Der AndersArtigkeits- Index

„Es gibt viele Wege zur Andersartigkeit – angefangen

von der Änderung von Spielregeln bis hin zur

Durchsetzung von Kostenvorteilen.“57

Heribert Meffert

Werfen wir nun einen Blick auf den AndersArtigkeits-Index, der Ihnen

die unterschiedlichen Wege aufzeigt, Ihr Unternehmen zu positionieren.

133

Page 3: Anders und nicht artig

134 Kapitel III: Was andersArtige Unternehmen erfolgreich macht

AndersArtigkeit und der aus ihr resultierende Erfolg sind individuell. Doch

zustande kommen sie durch ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren,

die bei allen Unternehmungen zu finden sind. Diese Faktoren werden im

AndersArtigkeits-Index durch die zwölf „Tortenstücke“ repräsentiert, wobei

die ganze „Torte“ das ganzheitliche System der AndersArtigkeit widerspiegelt.

Der AndersArtigkeits-Index

METHODISC H E

MOTIONAL

R

AT IONA L

I N S PIRIEREND

OR

GA

NISATION M

ITARBEITE

R

IN

NO

VATION MARK

E

iA

Regelbruch

Image

Nachhaltigkeit

Service

Mitarbeiter-orientierung

KulturQualität

Geschwindig-keit

Prozess

Geschäfts-modell

Technologie

WissenWissen

Page 4: Anders und nicht artig

Der AndersArtigkeits- Index 135

Innovation: Betrachten Sie Ihr Unternehmen erstens rational, aus

der Perspektive des Verstandes: Entscheidende Triebkräfte und

„Stellschrauben“ sind hier das Geschäftsmodell, die zur Verfü-

gung stehende Technologie sowie das Wissen, das Ihnen und Ihrem

Vorhaben zugänglich ist. Drei „Stellschrauben“, deren Veränderung

AndersArtigkeit für Ihr Unternehmen generieren kann – und damit

den gewünschten Erfolg. Diese rationale, verstandesmäßige Posi-

tionierung Ihres Unternehmens lässt sich insgesamt als Teilbereich

der Innovation zusammenfassen.

Organisation: Zweitens erlaubt der AndersArtigkeits-Index die

methodische Betrachtung Ihres Unternehmens. Hier geht es um die

Organisation – oder, um weiter das Sinnbild des Menschen zu nutzen:

Hier geht es nicht um den Verstand, sondern um den Körper, seinen

gesundheitlichen Zustand sowie die Art und Weise seiner Handlungen.

Wirtschaftlich gesehen geht es hier um Varianzen in der Geschwin-

digkeit, im Prozessablauf und in der Qualität der herzustellenden

Produkte und Dienstleistungen.

Mitarbeiter: Drittens erreichen Sie AndersArtigkeit auf der Ebene der

Gefühle. Wenn es um Emotionen geht, spielen immer auch Ihre Mit-

arbeiter eine entscheidende Rolle: Wie ist die Unternehmenskultur, die

sich auf Arbeitsklima und Arbeitsleistung Ihrer Mitarbeiter auswirkt?

Wie ist das Führungsverhalten in Ihrem Unternehmen und damit die

Mitarbeiterorientierung? Und nicht zuletzt die Frage nach dem Ser-

vice: Seine Qualität garantiert nicht nur die emotionale Bindung der

Kunden an Ihr Unternehmen. Er entscheidet auch maßgeblich darüber,

wie zufrieden Ihre Mitarbeiter mit ihrer Arbeit und ihren Produkten

sind. Und beeinflussen damit wiederum die Zufriedenheit der Kunden.

Marke: Als inspirierendes Unternehmen können Sie Ihre Marke beein-

flussen, formen, charakterisieren – kurz: mit AndersArtigkeit aufladen.

Wie bereits im vorherigen Kapitel ausgeführt, spielen hier Werte wie

Page 5: Anders und nicht artig

Mar136 Kapitel III: Was andersArtige Unternehmen erfolgreich macht

Nachhaltigkeit, das Image eines Unternehmens und die Entscheidung für oder

gegen einen Regelbruch die ganz entscheidenden Rollen. Auf den folgenden

Seiten drehen wir uns gemeinsam durch den kompletten Index und schauen

uns zu jeder der zwölf Stellschrauben prägnante Aspekte und Beispiele an.

Wenn Ihnen dabei nicht schwindelig wird, haben Sie gute Chancen, Ihre eigene

Positionierung zu erkennen. (Tatsächlich müssen Sie sich in den meisten Fällen

nicht komplett neu und anders erfinden. Ansätze sind immer schon da – Sie

müssen Sie nur freilegen und für alle sichtbar machen.)

Das inspirierende Unternehmen:

„Oftmals kommt Andersartigkeit von Außenseitern. Von Unternehmern

und Unternehmen, die Regeln brechen ... neue Regeln und Grenzen

definieren ... einfach von anderen Vorstellungen kommen …“58

Heribert Meffert

AndersArtigkeit über Regelbrüche

Der Erfolg von Unternehmen, die alles anders machen als die anderen, die

bestehende Marktregeln nicht beachten oder ganz bewusst brechen, hat diesen

Unternehmen in der Vergangenheit wiederholt recht gegeben.

Das Modeunternehmen Abercrombie & Fitch (A&F) zum Beispiel verstößt

gegen generelle, traditionelle Regeln der Einzelhandels-Branche. Wurde

Erfolg im Einzelhandel bisher mit großzügigen Schaufenstern, einer hellen,

gut strukturierten und ansprechenden Auslage im Geschäft, freundlichem,

nachfragendem Verkaufspersonal und leichter Hintergrundmusik in Zusam-

menhang gebracht, so macht A&F diesbezüglich alles anders: Bretter vor den

Schaufenstern, dunkles Ambiente im Store, der – auch aufgrund der lauten

Musik – eher einer Disko gleicht, leicht bekleidetes Verkaufspersonal, das sich

Wie stark ist Ihre Marke?

Page 6: Anders und nicht artig

rke Der AndersArtigkeits- Index 137

aber nicht anbiedert, sondern durch eine freundliche, zurückhaltende Art zum

Kauf animiert: All das resultiert darin, dass inzwischen auf der 5th Avenue

in New York die Menschenschlangen gruppenweise durch den A&F-Laden

geschleust werden müssen.

Brechen Sie ungeschriebene Regeln und schaffen Sie dadurch neue Wettbewerbsvorteile!

AndersArtigkeit über Image

Zwei Forscher der University of Applied Science in Mainz haben bereits vor

einigen Jahren nachgewiesen, wie wichtig das Unternehmensimage für den

wirtschaftlichen Erfolg ist.59 Eine Analyse der Kommunikationsleistungen

und Umsatzergebnisse verschiedener Finanzunternehmen ergab: Ein positives

Image hilft nachweislich, den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern – und zwar

um bis zu 50 Prozent!

Ein stabiles und positives öffentliches Bild hat sichtbaren Einfluss auf den wirt-

schaftlichen Erfolg eines Unternehmens, weil sich Kunden und Mitarbeiter,

Aktionäre und Geschäftspartner daran orientierten. Wer die Öffentlichkeit

heute und morgen überzeugen kann, den belohnt spätestens übermorgen der

Markt! Auf Dauer kann niemand erfolgreich sein, der sein Image in der Medi-

engesellschaft leichtfertig verspielt. Nutzen Sie deshalb auch die Imagebildung

als einen der entscheidenden Faktoren zum Aufbau von AndersArtigkeit. Auf

die Bedeutung von inneren Markenbildern in diesem Zusammenhang sind

wir bereits in Kapitel ll ausführlich eingegangen.

Ein positives Image beschleunigt

wirtschaftlichen Erfolg!

Page 7: Anders und nicht artig

Mar

138 Kapitel III: Was andersArtige Unternehmen erfolgreich macht

AndersArtigkeit über Nachhaltigkeit

AndersArtig über Nachhaltigkeit – dafür steht das „Ferienart Resort & Spa“

in Saas-Fee in der Schweiz: Hier können Sie als Gast ein rundum andersAr-

tiges 5-Sterne-Hotel und ganzheitlichen alpinen Feriengenuss mit Gastrono-

mie, Wellness, Kultur und Nachhaltigkeit in kunstbetonter Szenerie erleben.

Vor Ort erzählt Ihnen der Hotelchef und Miteigentümer Beat Anthamatten

stolz von seiner Nachhaltigkeitspolitik, die er liebevoll „Enkeltauglichkeits-

politik“ nennt. Und schon allein mit diesem Begriff öffnet er die Herzen der

Gäste und setzt neue Maßstäbe. Sie dürfen als Gast erleben, wie sich das

„Ferienart Resort und Spa“ auf allen Ebenen für die Umwelt einsetzt. Ein

eigens installiertes Ökoteam überwacht die Umsetzung aller Vorschläge und

auch deren Wirksamkeit. Hier nur ein kleiner Auszug aus dem Umweltpro-

gramm des Luxus-Hotels:

„Ferienart Resort und Spa“

• hält sich an ein internes Abfallentsorgungs-konzept und setzt sich aktiv dafür ein, Abfall zu vermindern.

• verringert den Gebrauch von chemisch verunrei-nigten Produkten und ersetzt diese durch gesün-dere, umweltschonende.

• führt eine Energie-Buchhaltung, um Messgrößen festzuhalten, zu analysieren und den Verbrauch von Energie, Wasser und Öl zu vermindern, ohne die Gästezufriedenheit zu beeinträchtigen.

• unterstützt seine „Ökochefs“ aktiv beim Festlegen der monatlichen Ziele und beteiligt sich an deren Erreichung.

• informiert und kommuniziert transparent – das Thema Nachhaltigkeit ist ein fixer Bestandteil der Kommunikation und wird in Team-Meetings, Öko-Meetings und Eintrittsgesprächen transportiert.

Page 8: Anders und nicht artig

rke

Der AndersArtigkeits- Index 139

Aber nicht nur die Mitarbeiter werden zum nachhaltigen Handeln aufgefor-

dert, auch die Gäste werden in Anthamattens „Enkeltauglichkeitspolitik“

miteinbezogen. So fordert Wallo, der Hausgeist des Hotels, die kleinen Gäste

auf, einen Umwelt-Tipp abzugeben, den sie selbst dann auch künftig beher-

zigen müssen – damit angefangen, das Licht auszuschalten, wenn man den

Raum verlässt, bis dahin, den Wasserhahn nur so lange zu öffnen, wie man den

Wasserstrahl auch wirklich benötigt. Für jeden abgegebenen Umwelt-Tipp der

kleinen Gäste spendet das Hotel einen Schweizer Fränkli an eine ausgewählte

Umweltstiftung. Wir sagen: Dieses Marken-Konzept ist wirklich nachhaltig!

Dass sich Nachhaltigkeit als Image-Faktor in barer Münze auszahlt, beweist

sogar ein Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer: Immer mehr Unter-

nehmen sind auch dort bereit, soziale und ökologische Verantwortung zu

übernehmen. Diesen Trend bestätigt auch eine Untersuchung von SustainAbi-

lity, einem unabhängigen Strategie- und Beratungsunternehmen aus London.

In seiner 2010 erschienenen Studie „Market Movers“ werden exemplarisch

vier Unternehmen aus Asien und Lateinamerika vorgestellt, die sich durch

ihr nachhaltiges Wirtschaften von der Konkurrenz unterscheiden und sich so

Marktvorteile verschafften: Die MAS Holding beispielsweise, ein Textilherstel-

ler aus Sri Lanka, setzt bereits seit 20 Jahren auf gute Arbeitsbedingungen, faire

Löhne und Programme zur Frauenförderung. Trotz billigerer Konkurrenz aus

China und Bangladesch konnte sich das Unternehmen auf dem internationalen

Markt behaupten und fertigt heute für Triumph, Adidas und Gap.

Ein weiteres Beispiel ist der Unternehmer Zhong Kaimin aus Peking, der Bio-

Eier für den regionalen Markt produziert. Schon bevor die Seuchen SARS und

Vogelgrippe in China grassierten, war dem Unternehmer Qualität, Tier- und

Umweltschutz wichtig. Obwohl sein Produkt dreimal so teuer ist wie ein

chinesisches Standard-Ei, wuchsen seine Umsätze zwischen 2002 und 2006

jährlich um hundert Prozent.

Setzen Sie sich durch Nachhaltigkeit von Ihren Wettbewerbern ab!

Page 9: Anders und nicht artig

Mitarb140 Kapitel III: Was andersArtige Unternehmen erfolgreich macht

Das emotionale Unternehmen:

Nichts prägt das Bild Ihres Unternehmens stärker als Ihre Mitarbeiter. Wie

Ihre Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern zusammenarbeiten entspricht

eben auch der Art und Weise, wie diese mit Ihren Kunden umgehen. Führen

Sie Ihre Mitarbeiter mithilfe von Regeln und Anweisungen, dann werden sie

diese Regeln auch befolgen und Ihre Kunden dementsprechend behandeln.

Wenn klare Verantwortlichkeiten und Pflichtenhefte in Ihrem Unternehmen

wichtig sind, werden Ihre Mitarbeiter diese erfüllen – und arbeiten, weil sie

zuständig sind und nicht, um ein Problem zu lösen. Wenn Sie Ihre Verkäufer

mit ausgefeilten Bonus- und Provisionsplänen motivieren, werden diese auch

ihre Beratung nach dem Bonusplan ausrichten und nicht nach dem Kunden.

Mitarbeiter müssen vollkommen von den Leistungen ihres Unternehmens

überzeugt sein, erst dann können sie diese Überzeugung auch auf den Kunden

übertragen! Wenn eine Verkäuferin in einem Reformhaus privat nur günstige

Supermarktprodukte einkauft und verzehrt, wie soll sie dann einen Kunden

authentisch von Reformhausprodukten überzeugen können? Wie soll ein

Verkäufer in einem Autohaus, dessen Autos das Doppelte kosten wie die der

Konkurrenz, aber seiner Ansicht nach nicht viel mehr können, bei Preisver-

handlungen seine Kunden überzeugen können?

Überzeugung und Identifikation lassen sich nicht diktieren – weder dem Mit-

arbeiter noch dem Kunden. Die Erfahrung aber zeigt: Wenn Sie sich gemein-

sam mit Ihren Mitarbeitern intensiv mit den Bedürfnissen und Wünschen der

Kunden auseinandersetzen und in Folge nachvollziehbar machen, warum die

eigenen Leistungen so wertvoll sind, werden Sie auch hohe Preise durchsetzen

können. Sie sind gefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich

Ihre Mitarbeiter mit Ihren Produkten sowie Ihrem Unternehmen identifizieren

und sich dafür mit all ihren Stärken einsetzen.60

Wie mitarbeiterbezogen ist Ihr Unternehmen?

Page 10: Anders und nicht artig

beiter Der AndersArtigkeits- Index 141

Fragen Sie sich: Gelingt es Ihnen, Ihre Mitarbeiter für eine gemeinsame Aufgabe zu gewinnen?

Übrigens wird den sozialen Medien im Mitarbeiterumgang mittlerweile eine

zentrale Rolle zugesprochen: Denn wie innovativ und zukunftsfähig ein Unter-

nehmen in Zukunft sein wird, hängt entscheidend davon ab, wie frei das Wis-

sen intern zirkulieren und in welchem Ausmaß kommunikativer Austausch

stattfinden darf. Und dafür bieten soziale Netzwerke die geeignete Plattform.

Eine offene, kreative Unternehmenskultur birgt große Chancen und bietet

Mitarbeitern größere Freiheiten. Das Ziel muss laut Experten eine Demo-

kratisierung der Kommunikation sein, die sich durch „laute Vielstimmigkeit

und gnadenlose Transparenz“ auszeichnet, wie der Konzernsprecher der

Otto Group, Thomas Voigt, kürzlich in einem Interview mit der Marketing-

Zeitung Horizont äußerte. Nur wer es künftig schafft, Kontrolle abzugeben

und Vertrauen zu schenken, kann sich das Social-Media-Know-how seiner

Mitarbeiter zunutze machen, um eine zukunftsfähige Unternehmenskultur

zu entwickeln.

AndersArtigkeit über Service

Wer heute als modernes, serviceorientiertes Unternehmen auftreten und

sich auf diese Weise von Konkurrenzunternehmen absetzen will, muss die

folgende – schlichte, aber von vielen noch nicht akzeptierte – Wahrheit verin-

nerlichen: Der Konkurrenzkampf zwischen Wettbewerbern spielt sich im Kopf

des Kunden ab. Nirgendwo sonst! Dessen Sicht der Dinge ist als wichtigstes

Element des Marketings neu entdeckt worden, und so schwer dies manchmal

zu verstehen ist: Die gleichen Leistungen können sehr unterschiedlich wahr-

genommen werden. Das Schlüsselwort dabei lautet Service.

Natürlich prägen die Leistungen sowie die Art und Weise, wie sie erbracht

werden, das Bild eines Unternehmens beim Kunden. Im positiven Fall ver-

mittelt das Marketing ein Leistungsversprechen, das auch eingehalten wer-

den kann, und schafft damit Vertrauen. Als immer wichtiger, weil prägend,

Page 11: Anders und nicht artig

Mitaa142 Kapitel III: Was andersArtige Unternehmen erfolgreich macht

entpuppen sich die vielen Kontaktpunkte, durch die der Kunde mit dem

Unternehmen in Berührung kommt: die Rechnung, die ihm geschickt wird;

die Offerte, die genauso aussieht wie die der Konkurrenz, aber im Preis höher

liegt; die Mails und die Briefe, die dem Kunden deutlicher als jeder Prospekt

zeigen, ob man auf seine Anliegen eingeht und wie wertvoll er für den Absen-

der ist. Zwischen den Zeilen wird in Gebrauchsanweisungen, im Briefverkehr

und auf der Homepage so manches unbewusst erzählt, was der Kunde wissen

will. Und ob es dem Absender gefällt oder nicht, der Kunde interpretiert diese

Botschaften und zieht seine Schlüsse daraus. Nicht von ungefähr hat eine

große Anzahl von Unternehmen die Bedeutung dieser Botschaftsüberbringer

erkannt, analysiert sie und beurteilt, ob sie dem Kunden wirklich das erzählen,

was sie gerne möchten.

Gute Leistung ist in den meisten Fällen nicht nur ein bisschen teurer als der

Durchschnitt. Außergewöhnlich Gutes ist meist deutlich teurer und manchmal

nur für den doppelten oder dreifachen Preis zu haben. Doch weiß der Kunde

über den Mehrwert, den er erhält, Bescheid und erkennt er den Nutzen, der

für ihn damit verbunden ist? Und wenn nicht, wer erzählt es ihm, wenn nicht

das Unternehmen, das diese guten Leistungen verkaufen möchte? Es ist oft

erschreckend, wie wenig sich Unternehmen mit herausragenden Leistungen

um ihre Kommunikation kümmern und wie wenig professionell sie diese

betreiben bzw. diese ganz ihrer Agentur überlassen.61

Geben Sie Ihren Kunden das Gefühl, etwas

Besonderes zu sein!BMW zum Beispiel schafft es, seine Emotionalisierungsstrategie auf der

gesamten Linie perfekt zu inszenieren – von der Werbung bis hin zum Service.

So emotionalisiert nicht nur die Werbekampagne „Is it Love“ die Beziehung

Page 12: Anders und nicht artig

aa Der AndersArtigkeits- Index 143

von Mini-Fahrern zu ihrem Auto und weckt damit das Interesse möglicher

Kunden. Ein „Oho!“-Beispiel einer Mini-Werkstatt in München zeigt, dass

die Emotionalisierung auch im Service perfekt umgesetzt wird: Nachdem der

Mini meiner (Silvies) Freundin – sie nennt ihn zärtlich „Mein Liebster“ – zu

einer großen Inspektion in die Werkstatt musste, lag bei der Abholung ihres

„Liebsten“ auf dem Lenkrad ein Schild, auf dem Folgendes stand: „Ich habe

dich vermisst!“ Diese kleine Aufmerksamkeit hat das Herz meiner Freundin

so sehr berührt, dass sie die nächsten Tage, sogar Wochen – eigentlich bis

zum heutigen Tag – diese Geschichte jedem erzählt, der sie hören will – oder

auch nicht. Solche Kleinigkeiten dienen nicht nur der Kundenbindung und

-pflege, sondern auch dem „Neugierigmachen“ durch Mundpropaganda.

Denn was ist authentischer als der Bericht eines Freundes oder Bekannten?62

Berühren Sie die Herzen Ihrer Kunden und sichern Sie sich deren

Treue und Weiterempfehlung!

Page 13: Anders und nicht artig

Mitarb

144 Kapitel III: Was andersArtige Unternehmen erfolgreich macht

Mundpropaganda, Weiterempfehlung und Begeisterung durch Gäste spielt

auch bei Hotels und hier besonders bei Seminarhotels eine große Rolle. Auch

die Branche der Tagungen und Seminare befindet sich in einem harten Wett-

bewerb um attraktive Kunden. Wir selbst erleben diesen Markt sehr intensiv

in der Situation als Gast und Kunde. Zwei Seminarhotels (stellvertretend für

sehr viele andere) sind uns dabei in den letzten Jahren besonders aufgefallen:

Das Mintrops Burghotel in Essen begeistert immer wieder sowohl Seminar-

leiter als auch Teilnehmer, da es sich in besonderer Weise am Nutzen für

seine Gäste orientiert. Der Nutzen für den Seminarleiter beginnt bereits bei

der Anreise, indem eigene Parkplätze ganz in der Nähe der Seminarräume zur

Verfügung stehen, so dass die Unterlagen nicht weit zu transportieren sind. Es

gibt auf dem Parkplatz eine Servicestation für das Auto. Ein anderes Beispiel

für einen besonderen Kundennutzen stellt die Bibliothek des Hotels dar, aus

der sich jeder Gast Bücher ausleihen kann. Die Verblüffung ist perfekt, wenn

Sie ein Buch, das Sie bei Ihrer Abreise aufgeschlagen liegen ließen, bei Ihrem

nächsten Eintreffen auf Ihrem Nachttisch finden, mit einem Lesezeichen an der

richtigen Stelle – mit-

samt der Bemerkung

„Viel Spaß beim

Weiterlesen!“. Jeder

Mitarbeiter in diesem

Hotel ist angehalten,

sich Gedanken darü-

ber zu machen, wel-

chen besonderen Nut-

zen das Seminarhotel

zusätzlich bieten kann.

Das Ergebnis ist offen-

sichtlich: Dieses Hotel

zählt seit Jahren zu den

besten Tagungshotels

Deutschlands!63 Quelle: www.mmhotels.de

Page 14: Anders und nicht artig

beiter

Der AndersArtigkeits- Index 145

Ein Seminarhotel, das den Titel „Seminarhotel des Jahres“ schon sieben Mal

erhalten hat, ist der Schindlerhof in Nürnberg, geführt von Familie Kobjoll.

Die Anfänge des Hotels liegen in dem Seminar UnternehmerEnergie, das Klaus

Kobjoll vor über drei Jahrzehnten bei Josef Schmidt besuchte. Die Inhalte dieses

Seminars können kaum nachhaltiger umgesetzt werden als dies im Schindlerhof

geschehen ist, der in allen Kategorien für AndersArtigkeit steht: Herausragend

sind der besonders herzliche Service, die permanenten Innovationen und die

nachgewiesene Qualität (das Hotel ist Gewinner sämtlicher Qualitätspreise

Europas). So wird etwa auch im Hinblick auf die Autos der Gäste ein Rund-

umservice geboten: Sie geben den Schlüssel Ihres Wagens an der Rezeption ab

und am Abend erhalten Sie ihn innen wie außen gesäubert. Dass solcher Service

etwas kosten darf, ist selbstverständlich, und die Gäste sind auch gerne bereit,

dafür zu bezahlen. „Lösen Sie die Probleme Ihrer Kunden und Sie lösen immer

auch Ihre eigenen“, hatte ja bereits Josef Schmidt damals im Seminar gesagt.

Besonders mögen wir den sehr freundlichen und authentischen Geist dieses

Hotels, der sich unter anderem darin zeigt, dass Sie auch von jenen Mitarbeitern,

die Sie noch nie gesehen haben, selbstverständlich mit Ihrem Namen begrüßt

werden. Sie können erahnen, welches Engagement da dahintersteht.64

Verblüffen Sie Ihre Kunden und lassen Sie sie zu Ihren Fans werden!

AndersArtigkeit über Mitarbeiterorientierung

Die Gestaltung einer partnerschaftlichen und vertrauensvollen Unternehmens-

kultur liegt der BurgerGruppe, einem sehr erfolgreichen mittelständischen Her-

steller von Antriebstechnologie aus dem Schwarzwald, sehr am Herzen – nicht nur

in Bezug auf den Kunden, sondern insbesondere auch in Bezug auf seine Mitar-

beiter! Von der Vision „Angenehm anders als alle anderen“ ausgehend, bekundet

das Unternehmen, vorwiegend besondere Mitarbeiter zu beschäftigen, die eine

besondere Ausbildung haben und besondere Arbeiten durchführen. „Wir haben

besondere Ideen und produzieren besondere Produkte zu besonderen Preisen

Page 15: Anders und nicht artig

Mitarb146 Kapitel III: Was andersArtige Unternehmen erfolgreich macht

in besonderer Qualität“,

heißt es auf der Home-

page – und: „Bei uns

steht der Mensch im Mit-

telpunkt des Handelns.“

„Angenehm anders“ ist

bei der BurgerGruppe

vor allem das Projekt

„HAPPY SHEEP“: Das

zunächst nur als Expe-

riment aufgesetzte Pro-

jekt hat bundesweit für

Schlagzeilen gesorgt. Entstanden aus der Suche nach einer Möglichkeit, den

steilen Hang vor dem Betriebsgelände zu mähen, zählt seit 2006 eine Vielzahl

von vom Aussterben bedrohter Wald- und Bergschafe zur BurgerGruppe. In

Eigenregie haben die Auszubildenden den Stall konstruiert und gebaut, Zäune

errichtet, einen Wasseranschluss gelegt und die Betreuung der Schafe – vom

Schafdienst bis hin zu Tierarztterminen – übernommen und organisieren alles,

was sonst noch so ansteht. Lehrlinge und Studenten misten regelmäßig den

Stall aus und setzen die Zäune um. Zweimal im Jahr scheren sie die Tiere und

spinnen sowie filzen die gewaschene Wolle unter Anleitung einer Bäuerin.

Das meiste davon geschieht nach Feierabend und an den Wochenenden. Im

Zuge der „Deutschlandinitiative: 365 Orte im Land der Ideen“ organisier-

ten die Auszubildenden einen „Tag der offenen Tür am Schafstall“, zu dem

knapp hundert Kindergartenkinder eingeladen waren, um in einem Spiel- und

Lernparcours alles Wissenswerte und Interessante über das Projekt „HAPPY

SHEEP“ und die zwölf wolligen Mitglieder der BurgerGruppe zu erfahren.65

Planung, Organisation, Umsetzung – jeder Auszubildende sucht sich seine

Aufgaben. Der intensive Austausch miteinander fördert zudem die soziale

Kompetenz untereinander.66

Was wir mit diesem Beispiel sagen wollen: Sehen Sie Ihre Mitarbeiter im Mittelpunkt

und nicht Ihre Mitarbeiter als Mittel!

HAPPY SHEEP