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seite ankommen Advent und Weihnacht

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Advent und Weihnacht

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Wo gehn wir denn hin? Immer nach Hause.Novalis (1772-1801), eigtl. Friedrich von Hardenberg, lebte und wirkte 1785-1801 in Weißenfels

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Harzer Schmalspurbahn

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Liebe Leserin, lieber Leser,

wir alle möchten irgendwo ankommen, irgendwann. Im Inneren wie im Äußeren. Advent heißt „Ankunft“, was sich ja letztlich auf das Wunder der Heiligen Nacht bezieht. Wir verbinden mit der Advents- und Weihnachtszeit heute häufig eine Zeit und einen Weg der Einkehr und Besinnung; auch Heimat und die Geborgenheit in Beziehungen. Ankommen. Dieses Weihnachtsheft ist ein Versuch. Unserer Bitte, eigene Geschichten, Erinnerungen, Meditationen, Bilder und Gedichte beizutragen, sind viele Menschen gefolgt. Die Auswahl halten Sie nun in der Hand, ergänzt durch Stimmen und Impressionen, die ebenfalls unserer Region entstammen. Mitteldeutschland ist Advents- und Weihnachtsland! Entdecken Sie es. Und kommen Sie gut an!

Das Marketingteam derDiakonie Mitteldeutschland

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Über dem Warten auf den „Trost Israels“ war er alt geworden, der greise Simeon. Dieser wartende Alte, der alternde Wartende – erkennen wir uns in ihm?Unsere menschliche Existenz ist auch ein Warte- zustand. Und immer wieder müssen wir dabei Enttäuschungen verkraften, Resignation über-winden und unsere Skepsis besiegen.Ich sehe dieses alte, faltige Gesicht. Simeon mit dem Kind im Arm. Die Falten verschwinden nicht, aber das Gesicht bekommt ein Strahlen von innen heraus – ein Strahlen, das den Tod auslachen kann. Ein Strahlen, das die lange Wartezeit vergessen lässt. Ein Strahlen, das vom Frieden gekennzeichnet ist. „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren.“ Mit diesen Worten löst sich das Knäuel eines langen Lebens mit all seinen Windungen und Knoten. Jetzt hatte Simeon die Antwort auf die vielen

EIN STRAHLEN, DAS DIE WARTEZEIT VERGESSEN LÄSST

Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.Lukas 2, 29 f.Rembrandt, Die Lobpreisung des Simeon (1661)

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quälenden Fragen seines Daseins gefunden. Jetzt ist er bereit, sein Leben aus den Händen zu geben, nach-dem er den Inbegriff des Lebens in seinen Armen gehalten hat.Dabei gibt es an dem Kind nichts Besonderes zu sehen! Aber das ist es ja gerade: hinter dem, was

da ganz natürlich und allerweltlich zu sein scheint, erkennt Simeon Gottes Angesicht. Solches Erken-nen heißt Glauben. Man kann es auch „Durchblick“ nennen: durch das Vordergründige hindurchblicken auf das Hintergründige und dem Sinn verleihen, was sinnlos erscheint. Antworten erkennen, wo nur Fragen sind; Ja sagen, wo man nur noch Nein sagen möchte, Leben erspüren, wo alles tot zu sein scheint – den Heiland erkennen, wo man nur ein Baby in den Armen zu halten meint.„Es ist nur ein Baby wie andere auch.“ Simeon hätte durchaus auch so reagieren können. Doch wer nur sieht, was vor Augen ist, sieht zu wenig. Unser Simeon sah mehr und fand den Frieden, der „höher ist als alle Vernunft“.Ich wünsche Ihnen einen solch sehenden Glauben, ein Ankommen im Strahlen der Liebe Gottes, nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit. Möge er Ihnen die Wege im neuen Jahr erleichtern, Sie in glücklichen Stunden dankbar das Wirken des liebenden Vaters erkennen lassen und Sie begleiten, wenn Sie in den Menschen, denen Sie begegnen, das Antlitz Jesu Christi suchen.

Eberhard Grüneberg, Vorstandsvorsitzender, Diakonie Mitteldeutschland

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WINTER–AHNUNG

Müdes Herz füllst dich nun wieder,mit des Lichtscheins warmen Hauch.In dir klingen Weihnachtslieder,von Gottes Liebe auch.Und du hättest nie gedacht,dass er lebend in dir wacht.

Ute Hinkeldein Erfurt, Aktionskreis Frieden

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WIE KAM DER ADVENTSKRANZ INS HAUS?

Pastor, Lehrer, Erzieher, Sozialpolitiker und Gründer der „Inneren Mission“: Johann Hinrich Wichern wurde am 21. April 1808 geboren. Bundesweit erinnert die Diakonie an ihre neuzeitlichen Anfänge, denn ein Aufruf Wicherns führte 1848 zur Gründung des heute ältesten Wohlfahrtsverbandes in Deutschland.Wichern wurde in Hamburg geboren und gründete dort später die Rettungsanstalt „Rauhes Haus“. Doch auch in Mitteldeutschland finden sich zahlreiche Spuren seines Wirkens. Während des Theologie-studiums in Göttingen und Berlin lernt er in Halle die Franckeschen Stiftungen kennen und ist von der Arbeit in dem Waisenhaus und der Schulstadt beein-druckt. Viele Jahre später, im Dienst der preußischen Verwaltung, bereist er regelmäßig und häufig Orte in Mitteldeutschland.„Hat er nicht auch den Adventskranz erfunden?“, weiß inzwischen mancher zu fragen.Das hat er, im Jahre 1839. Da nämlich suchte der Leiter des Rauhen Hauses nach einer optisch über-zeugenden Antwort auf die alle Jahre wiederkehrende Frage seiner Zöglinge: „Wie lange ist es denn noch bis Weihnachten?“ Es kam ihm die Idee, im Andachts-raum auf einem hölzernen Kreis 19 kleine rote Kerzen für die Werktage und vier große weiße Kerzen für die Sonntage aufzubauen. An der täglich größer

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Norddeutschland beschränkt. Der erste Adventskranz in einer katholischen Gemeinde ist 1925 in Köln nachgewie-sen, in Süddeutschland und Österreich wurde er erst 1930 nach und nach eingeführt.Die 23 Kerzen verschwanden bald. Übrig blieben vier, für jeden Adventssonntag eine. Je näher Weihnachten, desto hel-ler das Licht. Heutzutage sind die vier dicken Kerzen nicht wie bei Wichern weiß sondern vielmehr wie die von ihm für die Werktage ausgewählten Kerzen rot.Der vorweihnachtliche Schmuck des Adventskranzes hat von Deutschland aus einenSiegeszug in Europa angetre-ten. Selbst in den orthodoxen Kirchen ist er heute üblich. Wegen der zwei Wochen län-geren Adventszeit hat er dort aber sechs rote Kerzen.

Diakonisches Werk der EKD , Frieder Weigmann, Diakonie Mitteldeutschland

werdenden Zahl brennender Kerzen wurde das Näher-rücken des Weihnachtstages für die Kinder sichtbar. Der hölzerne Kerzenhalter ist der erste Beleg für einen Lichterkranz zur Adventszeit.Wichern hat in seinem Tagebuch festgehalten: „Um den Lobesspruch an der Orgel waren 23 bunte Wachs-lichter aufgestellt. Mit jeder Verheißung wurde eines der Lichter angezündet, so dass zuletzt alle 23 wie ein Strahlenkranz das Lob des Herrn umleuchteten. Das Ganze diente wie zur Erbauung als Stärke und Freude im Herrn.“Mit Tannengrün war dieser Holzleuchter noch nicht umflochten. Er blieb bis zum letzten Adventstag, dem 23. Dezember, im Betsaal; dann löste ihn ein Christ-baum ab.Die heutige Form fand der Kranz erst zwanzig Jahre später. 1860 sei der Holzleuchter im Rauhen Haus mit Tannengrün geschmückt worden und im ebenfalls von Wichern gegründeten Johannesstift in Berlin habe erstmals ein aus Tannenzweigen gebundener Advents-kranz gestrahlt, heißt es in den Darstellungen über Wichern und den Adventskranz. Nur gibt es da ein kleines Problem: der Berliner Stadtteil Tegel hat nie ein Waisenhaus gehabt.Die von Wichern ausgebildeten Diakone in Hamburg und Berlin zogen in das Land hinaus und brachten den Brauch des Adventkranzes mit in ihre Kirchengemein-den oder Arbeitsplätze. Doch der vorweihnachtliche Lichterkranz blieb zunächst auf evangelische Kreise in

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DIE KIRCHENJAHRESUHR

Mit dem ersten Advent beginnt das neue Kirchen-jahr. Warum und wie einige kirchliche Festtage durch unseren Kalender wandern – darauf hat der Diakonieverbund Eisenach eine ansprechend gestaltete Antwort.Die verstellbare Kirchenjahresuhr gibt einen ver-ständlichen Überblick über das gesamte Kirchen-jahr mit seinen Festkreisen und Feiertagen. Die beweglichen Feiertage im Jahreslauf können durch zwei drehbare Scheiben leicht auf das aktuelle Jahr eingestellt werden. So lässt sich auf einfache und anschauliche Art erkennen, wann und warum Pfingsten, Himmelfahrt und die anderen Feiertage auf das jeweilige Datum fallen und sich zum Bei-spiel Aschermittwoch und der Toten- bzw. Ewig-keitssonntag jedes Jahr verschieben.Pfarrer Manfred Hilsemer und der Architekt Max von Trott zu Solz haben die Kirchenjahresuhr entwickelt. Hergestellt wird sie in den Eisenacher Werkstätten des DVE. Die Kirchenjahresuhr gibt es in zwei verschiedenen Größen: 60 x 60 cm und 84 x 84 cm. Die kleine kann als Bausatz oder zu-sammengesetzt erworben werden. Die Uhr ist ideal für Schulen, Gemeinden und diakonische Einrich-tungen, ist aber auch für den häuslichen Gebrauch als Wandschmuck verwendbar.

Bestellungen unter: (03691) 745 26 23

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Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!

Jesaja 60,1

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DAS LIED VOM „SÄGEN“

Unser Sohn Martin wurde im Juli 1974 geboren. Bald schon merkten wir, dass Musik, vor allem das gemeinsame Singen in der Familie, für ihn einmal sehr wichtig und schön sein wird. In der Advents- und Weihnachtszeit verging kaum ein Tag, an dem nicht zur Gitarre gesungen wurde. Martins Lieblingslied war „Alle Jahre wieder …“. Natürlich wurde nicht nur Weihnachten, sondern das ganze Jahr über gesungen und musiziert, besonders an Geburtstagen.Und so passierte es! An Martins drittem Geburtstag, nachdem die „Affenbande“, die „Großfahrt“, die „Schwäbsche Eisenbahne“ erklungen waren, wollte Martin unbedingt das Lied vom „Sägen“ hören und singen. Ich fing an mit: „Wer will fleißige Handwerker sehn“. Martin schüttelte enttäuscht den Kopf, „Zeigt her eure Füßchen“, auch das war falsch, das Lied vom „Sägen“ sollte es sein. Mir fiel kein anderes Lied mehr ein, das wenigstens etwas mit „Sägen“ zu tun haben könnte.„Doch du kennst es, ich weiß es ganz genau! Wir haben es doch schon so oft gesungen“, rief Martin mir trotzig zu, und es kullerten ganz dicke Tränen. Ich aber kannte wirklich kein weiteres Lied vom „Sägen“. Die Geburtstagsfeier endete sehr traurig.

Dann kam wieder Weihnachten. Wie in jedem Jahr, am Samstag vor dem 1. Advent, sechs Uhr am Abend, wenn die schöne Adventszeit beginnt, saßen wir zusammen. Der erste Stollen wurde angeschnitten, es gab den ersten Glühwein und wir sangen gemein-sam das allerschönste Advents- und Weihnachtslied: „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind …“ Bei der zweiten Strophe platzte es unserem Martin nur so heraus: „Ich habe es ja gewusst, ich habe es gewusst, du kennst das Lied vom Sägen.“ Und er strahlte über das ganze Gesicht, als die gesamte Familie sang: „Kehrt mit seinem ‚Sägen’ ein in jedes Haus …“ So ist doch noch Martins sehnlichster Geburtstagswunsch in Erfüllung gegangen, wenn auch mit einem halben Jahr Verspätung.Noch heute singen wir gerne und viel bei allen Fa-milienfesten. Aber am Geburtstag von Martin, mitten im Sommer, erklingt aus vollen Kehlen: „Alle Jahre wieder … Kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus!“ Dann ist in unserer Familie für eine kurze Zeit mitten im Sommer ein kleines bisschen Weihnachten!

Lothar Vonderlind, Eisfeld „Eine Geschichte, wie sie sich vor ein paar Jahren in unserer Familie zugetragen hat und noch heute bei diversen Anlässen immer wieder erzählt wird und zum Schmunzeln anregt.“

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seite ��Foto: Gerhard Weigmann, Leinefelde (Eichsfeld), Advent 1968

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MEIN GESCHENK AN MICH

Mit großen fragenden Augen sitzt mir meine Freundin gegenüber. Aus ihrem Mund kommt der unwiderruf- liche Vorwurf: „Was, bei dir gibt es keinen Stollen am 1. Advent?“. Es sollte ein gemütlicher 1. Advent sein, mit dem ersten Licht am Adventskranz. Aber schlicht im Beiwerk von Kaffee und Tee. Fast kommt es mir vor, als müsste ich mich entschuldigen. „Ähm … ja …, ich faste im Advent.“Schade, wieder gelingt es mir nicht, meinen Worten einen festen und überzeugenden Ton zu geben. Dabei ist mir das Fasten gerade in dieser Zeit zu einer wich-tigen Zeit der Vorbereitung geworden.Es gab zu viele Weihnachtsfeste, an denen ich schon im Vorfeld übersättigt war. Der Gänsebraten, der Stollen, die selbstgebackenen Plätzchen, das alles war nicht schlecht. Aber es fehlte der Appetit. Es fehlte die Freude. Selbst die Augen waren schon satt, noch ehe der Lichterbaum angeschaltet wurde.Ich erinnerte mich zurück an Jahre, an denen wir uns freuten, die mühsam gehäuften Schätze auf den festlich gedeckten Weihnachtstisch zu bringen. Wie schmeckten die Navelorangen. Sie waren hart er-kämpft beim langen Stehen am Konsum und streng gehütet vor dem begehrenden Ansinnen des eigenen Schweinehundes. Wie zart war die Schokolade von der

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Tante aus dem Westen. Und der Nachtisch, Pfirsiche aus der Dose, was für ein Genuss.Damals, zu Ostzeiten, da musste man noch warten können. Zugegeben, das war nicht immer leicht. Aber die Freude war groß.Vor einigen Jahren las ich, dass Advent in alten Zeiten eine Fastenzeit war. Also, warum nicht heute wieder? Den Beginn setzte der Verzicht auf üppiges Essen. Außerdem nichts Süßes, keine Plätzchen, ja, und auch kein Stollen. Später kam die Entwöhnung der Augennahrung dazu. Musste am 1. Advent schon die ganze Wohnung im festlichen Schmuck strahlen? Ein Kraftakt, der mich bereits in der Woche vor dem 1. Advent mit hängender Zunge und dem Gefühl, nicht genügen zu können in die Knie zwang. Also, auch hier fasten? JA! Jedes Jahr neu lasse ich mich auf das Wagnis ein, den Verzicht zugunsten der Weihnachtsfreude zu üben. Und jedes Jahr spüre ich neue Killer der Vorfreude auf. Es ist ein beschwerlicher Weg, aber letztlich mein Geschenk an mich.

Isabell Kaiser, Eisenberg Die Autorin ist Verwaltungsmitarbeiterin einer Diakonie-Sozialstation

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IMMER AM 1. DEZEMBER

Obwohl bereits über 50 Jahre vergangen sind, wird mir der 1. Dezember 1945 stets in Erinnerung bleiben. Es war Kriegsende. Die Nahrungsmittel waren knapp, die Städte zerbombt und der Flüchtlingsstrom aus dem Osten schien nicht enden zu wollen. Ich kann mich aber nicht entsinnen, dass es Obdachlose gegeben hätte. Wir waren uns alle bewusst, dass wir zusam-menrücken mussten, selbst wenn es sehr eng in den Wohnungen zuging. Auch wir hatten das Haus voller Flüchtlinge.Es war am 1. Dezember 1945, draußen wehte ein eiskalter Wind, als Emma, eine unserer Flüchtlings-frauen, meine Mutter fragte, ob sie von dem restlichen Deckreisig einen Adventskranz binden könnte. Meine Mutter hatte nichts dagegen einzuwenden, obwohl uns nicht nach Advent, geschweige nach Weihnachten zumute war, denn wir waren alle in großer Sorge um meinen Bruder. Er war noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrt. Schon seit acht Monaten hatten wir kein Lebenszei-chen von ihm erhalten. Wir wussten nicht, ob er noch lebte. Wenn ja, wie mag es ihm ergehen in der Gefan-genschaft? Wird er genügend Essen haben, wird er ein Dach über dem Kopf haben und warme Kleidung bei dieser eiskalten Witterung? Wir lebten ständig in der Ungewissheit zwischen Hoffen und Bangen.Birgit Duschek, Halle

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Ich selbst war zwölf Jahre alt und saß über einer Weihnachtsbastelei, als ich plötzlich ein Freudenge-schrei hörte. Ich legte meine Arbeit zur Seite, um zu sehen, was los war. Es gab eine große Umarmung und die Freudentränen flossen. Mein Bruder war nach Hause gekommen. Er war umringt von meinen Eltern und Geschwistern, dass ich vorerst gar nicht an ihn heran kam. Ich hörte nur, wie er sagte: „Fasst mich nicht an, ich habe sehr viel Kleiderläuse“. Aber wen scherte das! Seine Ankunft war für uns das schönste Advents- und Weihnachtsgeschenk.Doch wie sah er aus? Er war abgemagert – nur noch Haut und Knochen. Wir mussten einen Arzt kommen lassen, damit er überlebte und ganz allmählich wieder zu Kräften kam.Im Gefangenenlager wurde ihm mitgeteilt, dass ein weiterer Gefangener aus unserem Ort anwesend wäre. Sie haben den Heimweg zusammen antreten können und waren bis zu dessen Tod eng befreundet.Inzwischen sind über 50 Jahre vergangen und wir wollen dankbar sein, dass wir diese Jahre in Frieden leben konnten. Mögen unseren Kindern die Gräuel des Krieges erspart bleiben.

Rosmarie Naumann, Rothenstein

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Der Hosentaschen-Adventskranz

Eine originelle Idee für Menschen unterwegs hat die Werkstatt im Diakonieverbund Eisenach entwickelt. Der Hosentaschen-Adventskranz passt in eine Streich-holzschachtel. Diese ist mit einem Bildchen aus der Kunstwerkstatt verziert und kann auch mit individu-ellen Aufdrucken bestellt werden.

Mit wenigen Handgriffen ist schnell ein kompletter Adventskranz aufgebaut. Michael Lein, Mitarbeiter im Diakonieverbund Eisenach hat ein passendes Lied dazu verfasst (Hell solln unsre Kerzen strahlen).

Bestellungen unter: (03691) 745 26 40

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2. Lichterglanz in allen Häusern kündet von dem Licht im Stall. Weihnachtsfreude allen Menschen! Wenn sie einkehrt überall, wünschen wir einen hellen Schein mitten dir ins Herz hinein.

3. Was die Engel einst gesungen, klingt noch heut in jedes Land: Gottes Liebe in dem Kinde. Weil sie alle Welt umspannt, wünschen wir einen hellen Schein mitten dir ins Herz hinein.

Text und Melodie: Michael R. Lein, Eisenach

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Da bist du wieder

Da bist du wieder, Weihnachtszeit,der Mensch wird neu geboren.Still schweigen Leid und Einsamkeit,oh, geh‘ uns nicht verloren.

Da bist du wieder, Weihnachtszeit,mit Glück aus Kindertagen.Die Glocken klingen hell und weit,laß‘ uns jetzt Liebe wagen.

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Da bist du wieder, Weihnachtszeit,mit Glück aus Kindertagen.Die Glocken klingen hell und weit,laß‘ uns jetzt Liebe wagen.

Da bist du wieder, Weihnachtszeit,mit deinem Lichtentzücken.Hilfst nun in allem Menschenleidund baust uns wieder Brücken.

Ute Hinkeldein, Erfurt

Weihnachtsmarkt in Erfurt

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EIN LEISER ENGEL

Jahr für Jahr ist die Zeit vor dem Weihnachtsfest eine ganz besondere in der Kindertagesstätte. Sicherlich, es wird gebastelt, gesungen und gespielt wie auch sonst, aber daneben macht sich eine ganz besondere – heim-liche und manchmal auch heilige Stimmung breit. Sie verzaubert die Räume durch besonderen Schmuck und nimmt das eine oder andere Herz gefangen im Schein der Kerzen auf dem Tisch und auf dem Adventskranz. Der Höhepunkt aber ist die Weihnachtsfeier mit Kin-dern, Eltern, Großeltern und anderen Gästen. Lange wird geprobt für das Krippenspiel, Plätzchen werden gebacken, der Große Saal wird geschmückt und dann ... dann gibt es manchmal ein Problem. Während eines Krippenspieles ist es doch tatsächlich passiert, dass der Engel, der den Hirten die Weihnachtsbotschaft verkünden sollte, hinter der Bühne eingeschlafen ist. Die Hirten, welche gespannt auf die Kunde von Jesu Geburt warteten, begannen zu rufen – erst leise, dann immer lauter: Engel, Engel! Und nach einer Zeit wurde das Rufen immer zahlreicher, verbreitete sich im Großen Saal, die Unruhe wuchs, und plötzlich – plötzlich geschah es! Der Engel, der geweckte Engel

erschien, rieb sich die müden Augen und sang ganz leise: „Heute ist Jesus geboren, freut euch all. Heute ist Jesus geboren, kommt zum Stall.“Ich weiß nicht mehr, ob die anderen Kinder oder Erwachsenen über diesen müden Engel gelacht haben. Ich glaube es eigentlich nicht. Denn manchmal kom-men Engel ganz leise, und die Freude, die sich mit Weihnachten ganz gewaltig entfalten soll, die beginnt ganz klein und leise, mit einer Mutter Maria, einem Vater Joseph und einem Kind namens Jesus.Und so spielen wir in der Tagesstätte jedes Jahr aufs Neue in den Tagen vor dem Christfest die Geschich-te von Jesu Geburt. Nicht immer gibt es so erwäh-nenswerte Zwischenfälle wie den eben berichteten, und nicht immer gelingt uns das Spiel. Aber das ist eigentlich ganz nebensächlich. Denn nicht wir machen Weihnachten, wir können uns nur aufmachen, damit Engel und Kind und Gott in uns Raum gewinnen. Immer wieder und immer mehr.

Christoph Audersch, Kindertagesstätte der Stadtmission Halle

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Aus: Jahreskalender Evangelische Stiftung Christopherushof, Alten-gesees, siehe Seite 37

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UNSERE WUNDER-VOLLE WEIHNACHTSKRIPPE

1943 mussten alle Frauen, die nicht arbeiteten, mit ihren Kindern Berlin verlassen. So kam es, dass ich als 20-jährige Kindergärtnerin allein in einem dreistöckigen Hause zurückblieb. In einer schweren Bombennacht im August 1943 wurde unser Haus getroffen. Nur mit der Hilfe meines Bruders kamen wir aus den brennenden Trüm-mern heraus. Im Oktober war die Goldene Hochzeit meiner Eltern. Was schenken? Da fiel mir unsere Weihnachtskrippe ein. Sie besteht aus einem Stück und ist aus Porzellan. Die heilige Fa-milie sitzend auf einem Porzel-lanblock, die ganze Skulptur ist etwa 25x25 cm groß. Sie stand

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zu Hause in der untersten Etage. Also, überlegte ich, müssten die Scherben doch dicht beieinander liegen. Nun ging ich jeden Tag mit Spitzhacke und Schaufel hin, und buddelte und grub. Nach vierzehn Tagen hatte ich 36 Scherben gefunden. Plötzlich kam mein Vater, der in einem Ministerium arbeitete, und brachte noch sechs Stücke, die er gefunden hatte. Als ich sie nun mit Kleber und Gips versuchte zusammenzusetzen, erlebte ich für mich das Weihnachtswunder. Natürlich fehlten Scherben. Aber die freie linke Hand Marias, die sie wie segnend hinter dem heil gebliebenen Kind hielt, war mit allen Fingern unzerstört, während ande-res zertrümmert war. Kein Krieg, Hass und Feindschaft können das Wunder von Weihnachten zerstören. Während die geschäftige Hand der Maria fehlte, blieb das Kind – Anbetung und Segen! Diese Krippe begleitete meine Eltern bis zu ihrem Tode. Nun steht sie bei uns im Eisenacher Mutterhaus. Sollte jemand von Ihnen durch Eisenach kommen, so kann er sie gerne anschauen.

Schwester Marie-Luise v. Dewitz, Eisenach, Diakonissenhausstiftung

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ICH STEH AN DEINER KRIPPEN HIER

Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast

mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren. Eh ich durch

deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du

mein wollest werden.

Paul Gerhardt (1607-1676), geboren in Gräfenhainichen, Studium und

erste literarische Arbeiten in Wittenberg

WEIHNACHTEN

Lichterkerzen am TannenbaumKerzen am Adventskranz sind Kerzen des Friedens.Ich denke an das Lied„Sind die Lichter angezündet?“,an die „Stille Nacht“,Schwippbögen,Leuchtsilhouetten im Fenster.Weihnachten ein Familienfest,miteinander feiern.In sich gehen, zur Ruhe kommen,Kerzen am Adventskranz entzünden.

Manuela Achtziger Schreibwerkstatt, Bad Langensalza

Weihnachtliche SchaufensterBratäpfelund wartenauf das ChristkindJesus spüren,in mir drin.Das ist die Adventszeit.

Hans Liehr Schreibwerkstatt, Bad Langensalza

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seite ��Weihnachtskrippe im Diakoniewerk Halle

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HIRTENART

Bethlehems Hirten – ein eigenartiges Zusammenspiel, wie es scheint:Hirten erfahren als erste die Botschaft von der Geburt des Kindes,das später einmal von sich sagen wird:Ich bin der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe lässt.Hirtenart – das ist anvertrautes Leben schützen und bewahren und – im Extremfall – mit dem eigenen Leben dafür eintreten.Das neugeborene Kind, damals wie heute, wird der Extremfall sein.

Krippe und Kreuz – die untrennbaren Grundfesten christlichen Glaubens:Das ‚auf Hirtenart‘ geübte Ausschauhalten nach Mitmenschen, die in dieser sensiblen Zeit Gefahr laufen, verloren zu gehen.Dabei wird es unausbleiblich sein, in sich selbst nach Verlorengegangenemzu suchen, um es vielleicht wieder zu finden.„ ... denn euch ist heute der Heiland geboren, der Herr ...“, der gute Hirte.

Orla Danz, Mühlhausen „Ich schreibe seit vielen Jahren – besonders aber, seit mein Mann und ich in den (Pfarrer-)Ruhestand gegangen sind.“

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DER ENGEL TRAT ZU IHNEN – UND DIE KLARHEIT DES HERRN LEUCHTETE UM SIE

nicht vom himmel herunter geschwebt kam er wie wir es von bildern kennen

nicht mit pauken und trompeten wie wir es gern singen

nein, er trat zu ihnen, schreibt lukasganz schlichtganz unerwartetvielleicht von außen an ihren kreis heranleise und aus ungewohnter richtung

und da war alles klarda lauschten sieda hörten sieda glaubten sieund da erzählten sie es weiterda leuchtete die klarheit des HERRNin dunkler nacht

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Eberhard Schulz, Diakonie Mitteldeutschland, Magdeburg

auf dem Weihnachtsmarkt in Weimar, 2007

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EISREGEN

Weihnachten vor über 30 Jahren ... Eigentlich war es wie immer! Schon Monate vorher unternahmen die Menschen der früheren DDR alle Anstrengungen, irgendwelche Sachen zu ergattern, die später einmal auf dem Gabentisch zu finden waren. Das Zitat von Sokrates „Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf“, fand damals wenig Gehör. Mein Mann fuhr mit unserer kleinen Tochter Nancy über die Feiertage aufs Land. Ich verblieb bei seinen pflegebedürftigen Großeltern in Erfurt. Der Rummel um die Festtage berührte durch die widrigen Umstän-de zu dieser Zeit mein Herz wenig. Um der Tristes des Abends auszuweichen, ging ich zum Gottesdienst in die nahe gelegene Thomaskirche. Das Licht der Kirche schimmerte schon von weitem verheißungsvoll durch die bunten Glasscheiben. Vor dem Altar, wo in tiefer Stille der Glanz der heiligen Weihnacht aufging, versammelten sich schlichte Hirten um die Krippe, über der hoch oben vom Himmel herab ein seliger Festchor erklang. Es war beinahe Abend, als später unter schallendem Glockengeläut die Menschen aus dem Gotteshaus strömten. Plötzlich, laute Rufe durchbrachen die Däm-merung. Der kurz zuvor niedergeprasselte Eisregen hatte Kirchgelände und Straßen in eine Schlitterbahn verwandelt. Wo man hinsah, überall krochen verängs-tigte Menschen auf den Knien herum. Eine alte Frau

umarmte verkrampft als letzte Zuflucht einen Baum und ließ ihn aus Angst vor Stürzen nicht wieder los. Beim Hochziehen versicherte ich ihr, dass ich an diesem Abend für sie alle Zeit der Welt habe, da keiner auf mich wartete. Gegenseitig stützend, rutschten wir beide nun zu deren Wohnung. Die große Villa lag direkt an der Gera. Sie hinterließ von außen einen heruntergekommenen Eindruck. Wir betraten durch den hohen, von Ruß geschwärzten Flur, der zugleich auch als Küche diente, die Wohnstube. Aus dem großen Raum kam uns eisige Kälte entge-gen. Fast entschuldigend erzählte die Fremde, dass ihr die Kohlen ausgegangen sind und die geringe Rente von 300 Mark für das Weihnachtsgeschenk angespart wurde. Heiligabend … ohne Bäumchen, keine Süßig-keiten und kalte Zimmer! „Ich komme gleich wieder.“, rief ich in den Raum. Nach einer Stunde kam ich bepackt von zu Hause mit einem Rucksack voller Kohlen, einer Tasche Holz sowie Plätzchen, Tee und Kerzen. Es dauerte nicht lange, bis aus dem alten Ofen in der Küche anheimeln-de Wärme strömte. Das Teewasser kochte schnell. Die alte Frau begann, Tisch und Stühle zur Seite zu räumen. Aus dem Nebenzimmer holte sie eine große verpackte Rolle, ihr ersehntes Weihnachtsgeschenk. Zum Vorschein kam ein wunderschöner Teppich. Beim Auspacken müssen sich meine Gesichtszüge

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fragend verändert haben; die Frau bemerkte es, lächelte mich aber nur an. Sehr lange saßen wir im Kerzenschein am wärmenden Ofen. Sie plauderte von all den überstan-denen Sorgen und Trübsalen ihres Lebens. Mit leuchtenden Augen erzählte sie mir auch, dass der Teppich bei Weinreiter 1500 Mark gekostet hat. „Weinreiter, das renommierteste Geschäft der Stadt und einen Teppich für fünf Monatsrenten!“, entfuhr es mir fassungslos. „Ja, diesen kostbaren Teppich habe ich mir heute geschenkt. Und wenn ich nur einen einzigen Abend glücklich auf ihm verlebe, dann hat er seinen Zweck erfüllt.“ Ich dankte heimlich dem Eisregen für sein Kommen … als Geschenk des Himmels.

Regina Holzhey, CJD Erfurt „Jedes Jahr verfasse ich aus der Erinnerung heraus zu Weihnachten meine eigene Weihnachtsge-schichte.“.“

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CHRISTNACHT

Glockentöne heiser hallen,dunkle Nacht deckt zu das Land,schwere Flocken leise fallen,Winter webt sein Festgewand.

Fern am Himmel grüßt ein Stern,leuchtend er die Nacht erhellt,kündet die Geburt des Herrn,kündet uns das Heil der Welt.

Menschenherzen, voll von Leid,hört der Botschaft lichten Schall!Banges Sehnen wird zur Freud‘durch das Kind im finst‘ren Stall.

Alle, die das Kindlein lieben,und ihr Sein ihm anvertrau‘n,finden in ihm wahren Frieden,werden Gottes Heil neu schau‘n.

Johannes Anbau, Eisenach Melodie: „Nun komm, der Heiden Heiland“, Evangelisches Gesangbuch 4

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TRADITIONSSTIFTER WELTBERÜHMTER LIEDER

Wer kennt es nicht, es gehört zu den weltweit be-kanntesten Weihnachtsliedern: „Stille Nacht, heilige Nacht.“ Das evangelische Gesangbuch weist als Urheber den katholischen Priester Joseph Mohr aus. Eigentlich hätte es vor dem Hintergrund seines Ur-sprungs im katholischen Salzburger Land wohl kaum Aufnahme in unser Gesangbuch gefunden. Ein Leipziger Verlag veröffentlichte 1833 die ersten gedruckten Blätter des Stille-Nacht-Liedes und so muss es nach Halle gelangt sein. Denn in den hiesigen Franckeschen Stiftungen entdeckt Johann Hinrich Wi-chern, der Gründer des „Rauhen Hauses“ in Hamburg, das Weihnachtslied. Wichern schreibt selbst, dass er es der „Sammlung zwei-, drei und vierstimmiger Lieder zum Gebrauche beim Gesangunterrichte in Schulen zunächst für die Schulen in Franckens Stiftungen“ von Carl Gottlob Abela entnommen habe. Wichern übernahm also neben einigen sozialpädagogischen Konzepten des Waisenhauses in Halle auch viele der Lieder, die er vor gut 160 Jahren mit seinen Zöglin-gen sang. „Stille Nacht, heilige Nacht“ findet sich im Verlag des Rauhen Hauses erstmals 1844 in dem von Wichern persönlich für die Arbeit mit Jugendlichen zusammengestellten und bearbeiteten Gesangbuch „Unsere Lieder“.

Es sind in den Folgejahren wohl vor allem die Brüder des Rauhen Hauses, die in Hamburg ausgebildeten Diakone, die das Lied in ganz Deutschland bekannt machen. An der Verbreitung im englischen Sprach-raum dürfte Wicherns Tochter Caroline großen Anteil haben, die nach dem Tod des Vaters 1881 eine eigene Sammlung von Weihnachtsliedern herausgab und bis 1895 als Gesanglehrerin am Ellerslie-College in Man-chester wirkte, einer Ausbildungsstätte für Kindergärt-nerinnen.Auch ein anderer internationaler „Weihnachtshit“ ist der diakonischen Jugendhilfe in Mitteldeutschland entnommen. Der Schriftsteller und Pädagoge Johann Daniel Falk verfasste 1816 das Lied „O du fröh-liche“ für seine Zöglinge im Lutherhof in Weimar. Im „Allerdreifeiertagslied“ wurden ursprünglich die drei hohen Feste des Kirchenjahres besungen – Weihnach-ten, Ostern und Pfingsten. Erst mit der Bearbeitung von Heinrich Holzschuher erhält „O du fröhliche“ 1829 zwei weitere Weihnachtsstrophen. Die Melodie stammt von einem alten sizilianischen Volkslied, das Johann Gottfried Herder von einer Italienreise 1788 nach Weimar brachte. Herder hatte Lieder und Melo-dien gesammelt, unter anderem auch das sizilianische Fischerlied „O sanctissima“.

Frieder Weigmann, Diakonie Mitteldeutschlandseite ��

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WEIHNACHTEN BEWAHREN Das ist Weihnachten bewahren. Ich beschließe zu vergessen,was ich für andere getan habe,und will mich daran erinnern,was andere für mich taten;ich will übersehen,was die Welt mir schuldet,und daran denkenwas ich der Welt schulde. Ich will erkennen,daß meine Mitmenschen genausowirkliche Wesen sind wie ich,und will versuchen,hinter ihren Gesichternihre Herzen zu sehn,die nach Freude und Frieden hungern. Ich will das Beschwerdebuch gegen die Leistungendes Universums schließenUnd mich nach einem Platz umsehen,wo ich ein paar Saaten Glücklichsein säen kann.

Henry van Dyke, eingereicht von Marion Baumgart, Diakonie Mitteldeutschland, Magdeburg

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KRIPPENWEG

Weihnachtliche Gedankenzum Problem Irak Afghanistan

Eiferer, den Häscherndes Herodes gleich,sind unterwegs,die Welt mit Angstund mit Gewalttatzu bedecken,in jedem ihrer Opferdich, du Kind von Bethlehem,zu treffen.

So gehen hilflos wirzu deiner Krippe,auf unsren Lippen frohe Liederund doch das Herz voll Trauer,voller Furcht.

Warum nur tragen wirdie Traurigkeit im Herzen,warum nicht – zuversichtlich –dich, das Licht, das Leben,Kind von Bethlehem?

Birgit Duschek, Halle Orla Danz, Mühlhausen

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Die Werkstätten der Evange-lischen Stiftung Christopherus-hof vertreiben einen Tischkalen-der mit dreizehn Engelsmotiven und extra Kalendarium. Die Hintergründe wurden in den Werkstätten des Christopherus-hofes gestaltet. Die Engels- illustrationen stammen von Pauline Schmidt.

Bestellung unter: (036643) 300www.christopherushof.de

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Dass nicht vergessen werde,was man so gern vergisst:dass diese arme Erdenicht unsre Heimat ist.Es hat der Herr uns allen,die wir mit Geist getauft,in Zions goldnen Hallendas Bürgerrecht erkauft.

Eleonore von Reuß (zu Stolberg-Wernigerode, 1835-1903), Evangelisches Gesangbuch 63; In Ilsenburg (Harz) engagierte sich von Reuß diakonisch und literarisch.

DAS JAHR GEHT STILL ZU ENDE

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Diakonisches WerkEvangelischer Kirchen inMitteldeutschland e. V.

Bist Du der Retter, der kommen soll, oder müssen wir

auf einen anderen warten?Lukas 7,19

Konzept und Redaktion: Frieder WeigmannGestaltung: Anke Spohn (www.pressebuero-lies.de)Druck: impress, Halle gedruckt auf Recyclingpapier

Eigenverlag, Herausgeber: Diakonie Mitteldeutschland (Medien, Marketing und Kommunikation)Johannisstraße ��0���� Dessau

Fotos: www.photocase.com; Thomas Meinicke (MZ, S. ��), F. Weigmann (S. �, �, �0, ��)

Bildnachweis: Nationalmuseum Stockholm (S. �), DVE (S. ��), Diakonissen-hausstiftung Eisenach (S. ��), Birgit Duschek (S. ��, ��), Christopherushof, Altengesees (S. ��, ��)

Bestellung:[email protected]

Impressum:

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