Anleitung zum Praktikumsversuch M48: Analyse von Z0-Zerfällen · Kalorimeter/Schauerzähler ........

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Anleitung zum Praktikumsversuch M48: Analyse von Z 0 -Zerfällen Physikalisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Letzte Änderung: Oktober 2011 (Revision 1.07) [email protected]

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Anleitung zum

Praktikumsversuch M48:

Analyse von Z 0-Zerfällen

Physikalisches Institut

der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Letzte Änderung: Oktober 2011

(Revision 1.07)[email protected]

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis v

Tabellenverzeichnis v

1. Einführung 1

2. Teilchenphysikalische Grundlagen 32.1. Wirkungsquerschnitte und Zerfallsbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2. Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.2.1. Elektroschwache Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2.2. Starke Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.3. Physik bei Energien in der Nähe der Z 0-Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.3.1. Bhabha-Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.4. Extraktion von Z 0-Parametern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.5. Einheiten, Formeln und Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3. Teilchendetektion und -klassifikation mit dem OPAL-Detektor 153.1. Der OPAL-Detektor am LEP-Beschleuniger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.2. Teilchenidentifikation mit dem OPAL-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173.3. Schnitte zur Trennung von Ereignisklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

4. Versuchsdurchführung 254.1. Klassifizierung einzelner Ereignisse mit GROPE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264.2. Schnittkriterienbestimmung mit MC-Datensätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274.3. Statistische Analyse von Messdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

4.3.1. Durchführung verschiedener Experimente zum Zerfall des Z 0-Bosons . . . . . . 294.3.2. Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Referenzen 33

iii

Materialien (zusätzliches Dokument)

A. Kinematische Formelsammlung (Streuprozesse) 1

B. Das OPAL-Experiment 5B.1. CERN – LEP – OPAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5B.2. Funktionsweise wichtiger Detektorkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

B.2.1. Proportionalkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7B.2.2. Kalorimeter / Schauerzähler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8B.2.3. Luminositätsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9B.2.4. Details zu den OPAL-Subdetektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

C. Ergebnisse der LEP-Experimente 15

D. Die Breit-Wigner-Form 17D.1. Linienbreite beim Zerfall instabiler Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17D.2. Breit-Wigner-Form resonanter Wirkungsquerschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

E. Strahlungskorrekturen 21

F. Luminositätswerte 23

G. Eventdisplay GROPE 25G.1. Programmaufruf und wichtige Befehle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25G.2. Definition der verwendeten Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27G.3. Zusätzliche Werkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

H. Datenanalysepaket ROOT 29

I. Particle Data Booklet 33

J. Glossar 41

Abbildungsverzeichnis

1.1. Z 0-Resonanzkurve als Ergebnis des Praktikumsversuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.1. Schematische Darstellung der Fragmentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2. Wirkungsquerschnitte an der Z 0-Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3. Feynman-Diagramme für den Prozess e+e− → f f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.4. t -Kanal-Beiträge zur Reaktion e+e− → e+e− . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3.1. Schnittzeichnung des OPAL-Detektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.2. OPAL-Eventdisplay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173.3. Schema: Teilchenidentifikation in OPAL anhand des Ansprechverhaltens der einzel-

nen Subdetektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.4. Feynman-Diagramm: Zwei-Photon-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.5. Beispiele zur Trennung von Ereignisklassen durch Anwendung von Schnitten . . . . . . 22

A.1. Mandelstam-Variablen und crossing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2A.2. Mandelstam-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

B.1. Übersicht des Beschleunigerkomplexes am CERN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6B.2. Blick in den LEP-Tunnel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7B.3. Zusammenbau des OPAL-Detektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

C.1. Resultate der LEP-Experimente, Teil I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15C.2. Resultate der LEP-Experimente, Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

E.1. Feynman-Diagramme für reelle QED-Strahlungskorrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21E.2. Feynman-Diagramme für virtuelle Strahlungskorrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21E.3. Feynman-Diagramme für Vertexkorrekturen und Gluonabstrahlungsprozesse . . . . . . 22

G.1. GROPE-Bildschirmdarstellung (1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25G.2. GROPE-Bildschirmdarstellung (2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

H.1. Beispiel eines ROOT-Tree-Objektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31H.2. ROOT object browser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

v

Tabellenverzeichnis

2.1. Standardmodell der Elementarteilchenphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.2. Partialbreiten für die verschiedenen Fermionpaare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3.1. Detektorkomponenten und ihre Darstellung im grafischen Display von GROPE . . . . . 183.2. Wichtigste Zerfallskanäle des τ-Leptons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

4.1. Übersicht der verwendeten Datensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264.2. Trennung der verschiedenen Zerfallskanäle anhand geeigneter Variablen . . . . . . . . . 274.3. Variablen für Ereignisschnitte in den Hochstatistik-Ntupeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

B.1. Charakterisierung elektromagnetischer und hadronischer Schauer . . . . . . . . . . . . . . 10B.2. Luminositätswerte einiger Ringbeschleuniger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

F.1. LEP-Luminositätswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

G.1. GROPE-Befehlsreferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

vii

1. Einführung

Überblick und VersuchszielDieser Versuch soll Ihnen einen ersten Einblick in Experimente und Analysemethoden dermodernen Elementarteilchenphysik vermitteln. Als Beispiel für ein solches Experiment dientder OPAL-Detektor – eins von vier großen Detektorsystemen, die zwischen 1989 und 2000 voninternationalen Kollaborationen am LEP-Beschleuniger/CERN zur Untersuchung der Physikvon Elektron-Positron-Kollisionen betrieben wurden.

Die Bezeichnung Omni-Purpose Apparatus at LEP drückt aus, dass OPAL einen typischen„Mehrzweck-Teilchendetektor“ darstellt, wie sie bereits seit vielen Jahren – und auch aktuellbeim LHC – in der Hochenergiephysik verwendet werden.

Die von den LEP-Detektoren über Jahre gesammelten Daten können im Hinblick auf ver-schiedene Fragestellungen ausgewertet werden. Zur Illustration der Detektions- und Analy-semethoden soll hier die Bestimmung von fundamentalen Größen der Elementarteilchen-physik aus der Vermessung der Linienform der Z 0-Resonanz nachvollzogen werden.

Versuchsinhalte, Methoden und VorkenntnisseZiel dieses Versuches ist es, Sie mit folgenden Bereichen der Physik bekannt zu machen:

• Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen,

• Wechselwirkung von Teilchen und Strahlung mit Materie,

• moderne Teilchendetektorsysteme und Teilchenidentifikation,

• Physik an e+e−-Speicherringen bei hohen Energien.

Dabei werden u.a. folgende Methoden und Hilfsmittel verwendet:

• Klassifikation einzelner Ereignisse anhand von Messdaten verschiedener Subdetekto-ren des OPAL-Detektors, welche grafisch mit dem OPAL-Eventdisplay GROPE aufbereitetwerden,

• computerbasierte, statistische Auswertung großer Datensätze (Arbeiten mit Histogram-men und Selektionsschnitten),

• Modellanpassung (Fit) an Messdaten zur Ermittlung von Analyseparametern; Überprü-fung der Fitqualität mit statistischen Methoden (z.B. χ2-Test),

• sonstige Hilfsmittel wie die Programmiersprachen PYTHON und C++ zur Durchführungder Auswertung.

Der Praktikumsversuch wird am PC im Raum TL 209 unter dem Betriebssystem Linux an zweiTagen durchgeführt. Zur Auswertung stehen vorselektierte und aufbereitete Datensätze sowiegrundlegende Analyseprogramme zur Verfügung. Letztere sollen im Rahmen des Praktikumsangewendet und z.T. erweitert werden. Der Hauptteil der Auswertung geschieht mit Hilfe desam CERN entwickelten Programmpakets ROOT. Vorkenntnisse in C++ und Linux sowie inder Benutzung von Computeralgebra-Programmen wie MATLAB, MAPLE oder MATHEMATICA

sind von Vorteil, werden aber nicht erwartet. Grundkenntnisse der Elementarteilchenphysikwerden vorausgesetzt.

1

Im Rahmen dieses Versuches werdenSie wichtige Größen der Elementarteil-chenphysik, wie z.B. die Masse undLebensdauer bzw. Zerfallsbreite desZ 0-Bosons (vgl. nebenstehende Ab-bildung), den elektroschwachen Mi-schungswinkel (sin2θW ), den Quark-Farbfaktor der starken Wechselwirkungoder die Anzahl der Neutrinoarten, ausechten Daten eines Großexperimentsbestimmen.

Abbildung 1.1.: Z 0-Resonanzkurve als Ergebnisdes Praktikumsversuchs

Vorbereitungs- und LiteraturhinweiseDieser Versuch ist sehr abstrakt, da Sie keinen Zugang zum Versuchsaufbau haben und auchselber keine eigentliche „Messung“ durchführen, sondern lediglich bereits vorliegende Da-ten auswerten sollen. (Dies entspricht in einigen Bereichen der Physik, insbesondere in derHochenergie- und Astrophysik, einer typischen Arbeitssituation!) Daher ist es wichtig, dassSie Ihre Hausaufgaben vor Versuchsantritt gemacht haben. Anleitung und Materialien sindbewusst ausführlich gehalten und als Informationsangebot an Sie zu verstehen, welches Sieje nach Vorkenntnisstand selektiv bearbeiten sollten.

Hier noch eine (recht breite) Auswahl von weiterführenden Texten, welche je nach Vorkennt-nissen und Interesse zusätzlich zum Anleitungsheft und den der Anleitung beiliegenden Ma-terialien nützlich sein könnten:

• Teilchenphysik allgemein:

1. Chr. Berger: Elementarteilchenphysik, Springer, 2006

2. D. Griffiths: Introduction to Elementary Particles, John Wiley & Sons, 1987

3. F. Halzen, A. D. Martin: Quarks and Leptons, John Wiley & Sons, 1984

4. D. H. Perkins: Introduction to High Energy Physics, Addison-Wesley, 2000

• Teilchendetektion:

1. C. Grupen: Teilchendetektoren, Spektrum Akademischer Verlag, 1998

2. K. Kleinknecht: Detektoren für Teilchenstrahlung, Vieweg+Teubner, 2005

3. W. R. Leo: Techniques for Nuclear and Particle Physics Experiments, Springer-Verlag,1994

• Statistik und Datenauswertung:

1. R. J. Barlow: Statistics, Wiley, 1989

2. G. Cowan: Statistical Data Analysis, Oxford University Press, 1997

Anmerkung: Dieser Versuch wird in ähnlicher Form auch an vielen anderen Hochschulen angebo-ten. Die Grundlagen (vor allem die aufbereiteten Datensätze) wurden von der Uni Bonn übernom-men; wir bedanken uns bei den dortigen Kollegen für die Unterstützung.

2

2. Teilchenphysikalische Grundlagen

Nach einer kurzen Einführung in Messgrößen und Hilfsmittel in Abschnitt 2.1 werden in den wei-teren Unterkapiteln 2.2 und 2.3 das Z 0-Boson und seine Eigenschaften im Kontext des Standard-modells der Elementarteilchenphysik erläutert. Abschnitt 2.4 fasst schließlich die Untersuchungen,die im Rahmen dieses Praktikumsversuches bezüglich der Parameter des Z 0-Bosons vorgenommenwerden können, zusammen. In Abschnitt 2.5 finden Sie noch eine Sammlung der wichtigsten For-meln und Relationen.

2.1. Wirkungsquerschnitte und Zerfallsbreiten

Um Ereignisraten oder Reaktionswahrscheinlichkeiten anzugeben, verwendet man den Begriff Wir-kungsquerschnitt. Man kann jedem Teilchen eine (Querschnitts-)Fläche zuordnen. Vereinfacht ge-sagt kommt es zu einer Reaktion, wenn der Wechselwirkungspartner des Teilchens auf diese Flächetrifft. Man misst den Wirkungsquerschnitt (σ) in barn: 1 b = 10−24 cm2. Der Name kommt daher,dass diese Einheit für die Maßstäbe der Teilchenphysik immer noch so groß ist wie ein Scheu-nentor (engl.: barn = Scheune). Die Wirkungsquerschnitte σ(e+e− → f f) der Elektron-Positron-Vernichtung in verschiedene Fermion-Antifermion-Paare bei Energien nahe der Z 0-Masse liegenim Bereich einiger nb. Betrachtet man nur den Wirkungsquerschnitt eines Teilprozesses, z.B. e+e− →q q, so spricht man von einem partiellen Wirkungsquerschnitt (im Folgenden häufig mit σ f be-zeichnet).

Experimentell wird nicht der Wirkungsquerschnitt, sondern die Anzahl N der innerhalb eines be-stimmten Zeitintervalls stattfindenden Ereignisse gemessen. Um daraus einen Wirkungsquerschnittσ zu berechnen, benötigt man eine Größe, die Informationen über den Beschleuniger enthält (Bün-delung des Strahls, Umlauffrequenz, etc.): die Luminosität . Man erhält dann

σ=N dt

,

wobei dt auch als integrierte Luminosität bezeichnet wird.

Eine weitere wichtige Größe ist die Zerfallsbreite Γ, da sie eine Aussage über die mittlere Lebens-dauer τ eines Resonanzzustandes ermöglicht. Diese Lebensdauer ist für viele Teilchen derart kurz,dass man sie nicht durch Messung von Flugstrecken erhalten kann. Man kann τ jedoch aufgrundder Heisenbergschen Unschärferelation aus der Energieunschärfe abschätzen. Diese Energieun-schärfe wird durch die (totale) Breite Γ angegeben. Bei einer Breit-Wigner-Form der Resonanzkurve(vgl. Zusatzmaterialien, Abschnitt D) entspricht Γ der vollen Halbwertsbreite (full width at half ma-ximum, FWHM), und es gilt

τ=ħhΓ

.

Betrachtet man nur einen bestimmten Zerfallskanal f f, so bezeichnet man den Anteil, den er zurGesamtbreite beiträgt, als Partialbreite Γ f (= Γ× Verzweigungsverhältnis). Dabei muss die Summealler Partialbreiten die totale Breite ergeben.

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2.2. Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen

Ein wichtiges Ziel der Physik war es schon immer, nach einem einheitlichen Konzept zu suchen, umdie Vielfalt der beobachteten Naturerscheinungen zu erklären. Es zeigte sich, dass sich alle physika-lischen Vorgänge im Prinzip auf einige wenige Bausteine und Kräfte zurückführen lassen. Nach demgegenwärtigen Verständnis sind die Grundelemente strukturlose Elementarteilchen. Diese werden,entsprechend ihrem Spin, in zwei Gruppen unterteilt (Fermionen mit halbzahligem und Bosonenmit ganzzahligem Spin, siehe Tabelle 2.1). Die Fermionen, weiter unterteilt in jeweils drei Gene-rationen von Quarks und Leptonen, bilden die fundamentalen Bausteine der Materie, die Boso-nen vermitteln als sogenannte Vektorbosonen (Spin = 1) die fundamentalen Wechselwirkungen:elektromagnetische, schwache und starke Wechselwirkung.

Tabelle 2.1.: Teilcheninhalt des Standardmodells der Elementarteilchenphysik. (a) Bei den Fermionenwerden linkshändige Isospin-Dubletts und rechtshändige Isospin-Singuletts unterschieden1.(b) Die vier fundamentalen Wechselwirkungen (Gravitation ist hier der Vollständigkeit halbermit aufgeführt, obwohl sie nicht im Rahmen des Standardmodells behandelt wird) werdendurch Austausch bestimmter Bosonen vermittelt.

(a) Fermionen

Fermionmultipletts I I3 Q f Farbe

Lep

ton

en

νe

e

L

νµµ

L

νττ

L

1/2+1/2

−1/2

0

−1—

eR µR τR 0 0 −1 —

Qu

arks

u

d

L

c

s

L

t

b

L

1/2+1/2

−1/2

+2/3

−1/3r, g, b

uR cR tR 0 0 +2/3

dR sR bR 0 0 −1/3

(b) Bosonen als Wechselwirkungsträger

Wechselwirkung koppelt an Austauschteilchen Masse [GeV/c2]

stark Farbladung Gluonen 0

elektromagnetisch elektr. Ladung Photon γ 0

schwach schwache Ladung W ±, Z 0 80 bzw. 91

Gravitation Masse Graviton 0

Diese Wechselwirkungen werden im sogenannten Standardmodell durch Quantenfeldtheorien be-schrieben, die auf dem Prinzip der lokalen Eichinvarianz beruhen. Die Stärke der Wechselwirkun-gen wird durch die entsprechenden Kopplungskonstanten beschrieben. Die vierte fundamentaleWechselwirkung, die Gravitation, ist so schwach, dass sie in der Teilchenphysik keine Rolle spielt.

Die Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung (Glashow, Salam und Weinberg) wurde durch

1I steht für den schwachen Isospin und I3 für dessen dritte Komponente. Der schwache Isospin ist eine Quantenzahl,welche einer bestimmten Symmetrie der Fermionen zugeordnet wird: er trägt der Tatsache Rechnung, dass sich dieTeilchen innerhalb eines Isospin-Dubletts bezüglich der schwachen Wechselwirkung wie identische Teilchen verhal-ten. Außerdem lassen sich mit diesem Formalismus die durch die schwache Wechselwirkung vermittelten Übergängeinnerhalb solcher Isospin-Dubletts beschreiben.

4

die Entdeckung der massiven Vektorbosonen W ± und Z 0 (Feldteilchen der schwachen Wechsel-wirkung) 1983 am CERN eindrucksvoll bestätigt. Für die starke Wechselwirkung zwischen Quarkswurde die Eichtheorie der Quantenchromodynamik (QCD) entwickelt. In dieser Theorie wird diestarke Wechselwirkung durch den Austausch von acht masselosen Vektorbosonen, den Gluonen,vermittelt.

Besonders erfolgreich in der Untersuchung der Grundaussagen des Standardmodells ist die Anni-hilation von Elektronen und Positronen. Der große Vorteil der e+e−-Speicherringe, verglichen mitHadron-Speicherringen, ist die Tatsache, dass sowohl der Anfangszustand als auch die möglichenEndzustände wohldefiniert sind. Daher kann man, zumindest im Prinzip, die Wirkungsquerschnit-te für die einzelnen Kanäle im Rahmen bekannter Theorien berechnen.

Nach der Theorie des Standardmodells werden bei der Annihilation von Elektronen und Positro-nen haupsächlich Lepton-Antilepton-Paare und Quark-Antiquark-Paare erzeugt. Quarks und ab-gestrahlte Gluonen fragmentieren anschließend zu Hadronen.

2.2.1. Elektroschwache Wechselwirkung

Die Quantenelektrodynamik (QED) ist eine Eichtheorie und beschreibt die Wechselwirkung zwi-schen geladenen Teilchen durch den Austausch eines Photons. Für die schwache Wechselwirkungwurde nach einer entsprechenden Eichtheorie gesucht. Die zuerst eingeführte Theorie mit W + undW −- Bosonen konnte jedoch nur das Verhalten bei niedrigen Energien beschreiben. Auf der Suchenach einer Eichtheorie wählte man die SU (2)-Symmetrie, was zu der Einführung von drei Eichbo-sonen W +, W − und W 0 und damit auch zu einer wichtigen Voraussage, der Existenz von neutralenStrömen (durch den Austausch eines W 0) führte. Die Kopplungsstärke dieses Feldes wird bestimmtdurch die „schwache Ladung“ g (entsprechend der Ladung e im elektrischen Feld), wobei folgen-der Zusammenhang mit der Fermi-Konstanten GF (bestimmt aus der µ-Lebensdauer) besteht:

GF =

2 · g 2

8M 2W ±= 1.16637 ·10−5 GeV−2 (2.1)

mit der Masse M±W der geladenen W -Bosonen.

Bei hohen Energien ist die Kopplungsstärke dieses Feldes nicht sehr verschieden von der der elek-tromagnetischen Wechselwirkung. Dies legte es nahe, beide Wechselwirkungen zu vereinigen. Fürdie elektromagnetische Wechselwirkung wurde eine weitere Symmetrie U (1) mit einem Feldteil-chen Y 0 eingeführt. Die Symmetrie SU (2)×U (1) wirkt auf die linkshändigen Fermionenpaare (vgl.Tab. 2.1).

Nur im Falle der geladenen W -Bosonen sind die Eichteilchen der Theorie mit den physikalischenZuständen identisch. Es wäre naheliegend, das Y 0 mit dem Photon zu identifizieren. Dies würdejedoch einer Kopplung des Y 0 an Neutrinos entsprechen, die das Photon nicht hat. Man muss daherannehmen, dass das Photonfeld eine quantenmechanische Mischung der Felder von W 0 und Y 0 ist:

|γ⟩= cosθW |Y 0⟩+ sinθW |W 0⟩.

Dazu gibt es ein zweites elektrisch neutrales Feld, das Z 0, welches ebenfalls eine Mischung darstelltund zum Photonfeld orthogonal ist:

|Z 0⟩=−sinθW |Y 0⟩+ cosθW |W 0⟩.

Der Mischungswinkel wird nach einem der Pioniere dieser sogenannten „elektroschwachen Theo-rie“ als Weinberg-Winkel θW bezeichnet.

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In der ursprünglichen Formulierung dieser Theorie sind die Eichbosonen alle masselos. Das Pro-blem war daher, die Theorie so umzuformulieren, dass drei der vier Teilchen eine Masse besitzen,ohne dass die sonstigen Eigenschaften der ursprünglichen Theorie zerstört werden. Dies geschiehtmit dem sogenannten Higgs-Kibble-Mechanismus (spontane Symmetriebrechung), der zur Vorher-sage eines weiteren neutralen massiven Teilchen mit Spin = 0 führt, dem Higgs-Boson.

Die drei Parameter der elektroschwachen Theorie wurden zuerst bei niedrigen Schwerpunktsener-gien gemessen:

• αem = e 2/(4π0ħhc ), die elektromagnetische Feinstrukturkonstante

• GF , die Fermi-Konstante (aus der µ-Lebensdauer)

• sin2θW = e 2/g 2, (aus dem Vergleich von Neutrinoreaktionen mit W ±- (geladener Strom) bzw.Z 0-Austausch (neutraler Strom)).

Alle weiteren Größen können durch diese Parameter ausgedrückt werden. So ist z.B. die Masse desW -Bosons mit den Kopplungskonstanten und dem Weinberg-Winkel θW wie folgt verknüpft:

M 2W ± · sin2θW =

2 · g 2

8GF· sin2θW =

π ·α2GF

. (2.2)

Zwischen den Massen der Vektorbosonen W ± und Z 0 besteht folgende Beziehung:

M W ±

MZ 0= cosθW . (2.3)

Die Massen der Fermionen und des Higgs-Teilchens werden von der Theorie jedoch nicht vorher-gesagt.

2.2.2. Starke Wechselwirkung

Die Quantenchromodynamik (QCD) ist als Theorie der starken Wechselwirkung ebenso eine Eich-theorie wie die QED. An die Stelle der elektrischen Ladung tritt die Farbladung (color: rot, grün, blau)der Quarks als Quelle der Felder. Jedes Quark hat also einen inneren Freiheitsgrad Nc , der ihm er-laubt, drei verschiedene Zustände anzunehmen. Kräfte treten nur zwischen Teilchen mit Farbe auf.Die Quanten des Kraftfeldes sind hier ebenfalls masselose Teilchen mit Spin = 1, die Gluonen. DieSymmetrie für die starke Wechselwirkung ist die SU (3), d.h. es gibt acht verschiedene Gluonen.

Im Gegensatz zum Photon, welches keine elektrische Ladung trägt, haben die Gluonen selbst einekomplizierte Farbladung, sie tragen einen Farb- und Antifarbindex. Daher können die Gluonen imGegensatz zu den Photonen mit sich selbst in starke Wechselwirkung treten. Dies hat zur Folge, dassdie starke Wechselwirkung bei sehr kleinen Abständen verhältnismäßig schwach wird (asymptoti-sche Freiheit), bei großen Abständen (> einige 10−13 cm) jedoch sehr stark wird.

An die Stelle der elektromagnetischen Kopplungskonstanten α, welche die Stärke der Kraft charak-terisiert, tritt die QCD-Kopplungskonstante αs . Wie in der QED, so führt auch in der QCD die Va-kuumpolarisation zu einer gleitenden Kopplungskonstanten αs (q 2). Im Gegensatz zur QED nimmt,wie schon erwähnt, αs (q 2) aber mit wachsendem q 2 ab:

αs (q 2) =12π

(33−2N f ) · log(q 2/Λ2). (2.4)

Dabei bezeichnet Λ den Skalenparameter der QCD, der experimentell bestimmt werden muss, N f

die Zahl der Quarksorten, auch Flavor genannt, die in dem Prozess zu betrachten sind (N f = 5 beiEcm ≈MZ ) und q 2 den charakteristischen Impulsübertrag zum Quadrat. Für kleine Werte von q 2,

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also große Abstände, wird αs so groß, dass sich die Wechselwirkung nicht mehr mit den Methodender Störungsrechnung beschreiben lässt. Man muss zu phänomenologischen Modellen übergehen.

Eine wichtige Anwendung der QCD ist die Beschreibung der hadronischen Endzustände bei dere+e−-Vernichtung.

Bei der sogenannten „Fragmentation“(schematisch illustriert in Abb. 2.1) entstehtim ersten Schritt ein Quark-Antiquark-Paar,welches auseinanderfliegt. Dadurch wird dieKraft zwischen den Quarks sehr groß. In demQCD-Feld zwischen den Quarks entstehenaus der hohen Feldenergie weitere Quark-Antiquark-Paare. Auf diese wirkt sofortwieder die starke Farbkraft. Dieser Prozesssetzt sich so lange fort, bis q 2 klein genuggeworden sind. Aus den Quarks bildensich farbneutrale Hadronen. Diese Teilchenfliegen ungefähr in dieselbe Richtung wiedie ursprünglichen Quarks. Es bilden sichzwei Bündel von Teilchen (Jets) heraus.

Z 0, γ

b

e−

e+

s

su

u

d

d

u

ub

Abbildung 2.1.: Schematische Darstellung der Frag-mentation am Beispiel des Prozessese+e− → Z 0, γ→ b b→Hadronen.

Bei hohen Schwerpunktsenergien treten verstärkt auch die Gluonabstrahlungsprozesse mit hartenGluonen auf, d.h. wir finden auch Ereignisse mit mehr als zwei Jets von Teilchen. Dieser kaskaden-ähnliche Übergang von farbigen Quarks zu farblosen (weißen) Hadronen, auch Fragmentations-prozess genannt, ist experimentell nicht direkt beobachtbar; der Messung zugänglich sind nur diestabilen Teilchen im Endzustand.

2.3. Physik bei Energien in der Nähe der Z 0-Resonanz

Bei e+e−-Wechselwirkungen beobachtet man folgende Prozesse:

1. Elastische e+e−-Streuung (Bhabha-Streuung).

2. Annihilation des e+e−-Paares in ein virtuelles Photon oder Z 0, das anschließend in ein Fer-mion-Antifermion-Paar (nicht e+e−) übergeht.

3. Inelastische e+e−-Streuung, wobei zwei virtuelle Photonen (je eines aus dem elektrischenFeld der einlaufenden Teilchen) wechselwirken und Hadronen erzeugen können. (DiesenProzess bezeichnet man als „Zwei-Photon-Reaktion“.)

4. Annihilation des e+e−-Paares in zwei oder drei reelle Photonen.

Jeder dieser Prozesse wird noch kompliziert durch die Möglichkeit, dass entweder das e+ oder dase− oder beide reelle Photonen abstrahlen können.

Das Standardmodell beschreibt die Erzeugung von Fermion-Antifermion-Paaren bei e+e−-Wech-selwirkungen

e+e− → (γ, Z 0)→ f f

durch den Austausch der neutralen Eichbosonen, des Photons und des Z 0.

Die elektromagnetische Wechselwirkung geladener Fermionen wird durch die elektrischen Ladun-gen Q f der beteiligten Fermionen erzeugt. Im Falle des schwachen neutralen Stroms hat jedes Fer-

7

mion zwei Kopplungen, nämlich die Vektorkopplung g V und die Axialvektorkopplung g A :

g fV = I f

3 −2Q f sin2θW , (2.5)

g fA = I f

3 . (2.6)

(Darin ist I f3 die dritte Komponente des schwachen Isospins (schwache Ladung).)

Bei Wechselwirkungsenergien nahe der Z 0-Masse ist die Produktion reeller Z 0-Teilchen möglichund der Wirkungsquerschnitt zeigt eine Resonanzüberhöhung um einen Faktor in der Größenord-nung (MZ /ΓZ )2 ≈ 103, wie in Abb. 2.2 anhand des Vergleichs von Modellvorhersage und Messdatenillustriert. Diese Resonanz eröffnet die Möglichkeit, Präzisionsmessungen der Eigenschaften des Z 0

durchzuführen.

Abbildung 2.2.: Wirkungsquerschnitte an der Z 0-Resonanz. Die durchgezogenen Linien stellen die Vorher-sage des Standardmodells dar, die Punkte stehen für Messdaten verschiedener Beschleuni-gerexperimente.

Im Endzustand f f treten folgende Fermion-Antifermion-Paare auf:

geladene Leptonen: e+e−, µ+µ−, τ+τ−,

ungeladene Leptonen (Neutrinos): νe νe, νµ νµ, ντ ντ,

Quarks: u u, d d, s s, c c, oder b b

(nicht t t, wegen der großen Masse M t ≈ 171.2 GeV/c2).

Die wichtigsten Parameter des Z 0-Bosons sind seine Masse und die partiellen Zerfallsbreiten in dieverschiedenen Endzustände, die zusammen die totale Breite des Z 0 ausmachen:

ΓZ = Γe+Γµ+Γτ+Γhad+NνΓν +Γunbek. (2.7)

Dabei bedeutet Γν die Zerfallsbreite des Z 0 in jede der Nν verschiedenen Arten von leichten νν-Paaren. Sinnvollerweise fasst man alle auftretenden Quark-Antiquark-Zerfälle zur hadronischenBreite

Γhad =

q=t

Γq

zusammen, da die verschiedenen Quark-Kanäle ja nicht einzeln aufgelöst werden.

8

Γunbek. enthält die im Standardmodell nicht vorhergesagten Zerfallsprozesse. Bisher wurden kei-ne solchen Prozesse beobachtet, d.h. Γunbek. ist mit Null verträglich. Vor Beginn der Experimen-te bei LEP waren drei Arten von Neutrinos bekannt (νe,νµ,ντ). Eine der wichtigsten Fragestellun-gen war daher: Gibt es weitere Leptongenerationen mit leichten Neutrinos? (Die Antwort der LEP-Experimente auf diese Frage, welche auch im Rahmen dieses Versuchs anhand der Messungen desOPAL-Detektors nachvollzogen werden kann, ist in Abb. C.1 in den Zusatzmaterialien dargestellt!)

Die Feynman-Diagramme für den Prozess e+e− → f f in niedrigster Ordnung sind in Abbildung2.3 zu sehen. Der Wirkungsquerschnitt, in dieser Ordnung auch Born-Wirkungsquerschnitt ge-nannt, setzt sich aus einem reinen Z 0-Austausch-Term, einem reinen γ-Austausch-Term und einemInterferenz-Term zusammen:

σ(e+e− → f f) =σZ +σγ+σZγ. (2.8)

Unter Vernachlässigung der Fermionmassen erhält man:

σZ = σQE D · (v 2e +a 2

e ) · (v 2f +a 2

f )· |χ(s ) |2σγ = σQE D ·Q2

f

σZγ = σQE D · (−1) ·Q f ·ve ·v f ·Re(χ(s )),

(2.9)

mit

χ(s ) =s

(s −M 2Z 0 )+ i sΓZ /MZ )

Propagator,

σQE D =4π3· α

2

s·N f

c QED-Wirkungsquerschnitt,

N fc = 1 für Leptonen, 3 für Quarks Farbfaktor,

Q f Elektrische Ladung in Einheiten von e ,

v f =I f

3 −2Q f sin2θW

2 sinθW cosθW

=g f

V

2 sinθW cosθWKopplungskonstante (siehe Gl. (2.5)),

a f =I f

3

2 sinθW cosθW

=g f

A

2 sinθW cosθWKopplungskonstante (siehe Gl. (2.6)),

s = E 2cm Quadrat der Schwerpunktsenergie,

MZ 0 = 91.188 GeV/c2 Masse des Z 0-Bosons,

sin2θW = 0.2312 Weinberg-Winkel.

Der Wirkungsquerschnitt bei Energien in der Nähe der Z 0-Masse wird dominiert durch den Z 0-Austausch-Term, der die typische Breit-Wigner-Form für den Austausch eines Teilchens mit Spin=1 hat (vgl. Abschnitt D der Zusatzmaterialien). Vernachlässigt man die anderen Beiträge, so erhältman mit der Partialbreite

Γ f = N fc α(M 2

Z )3 ·MZ 0 ·

v 2f +a 2

f

= N fc ·

212π ·GF ·M 3

Z 0 ·(g f

V )2+(gfA )2

(2.10)

9

γ

e−

e+

f

f

Qe QfZ 0

e−

e+

f

f

g eV , g e

A g fV , g f

A

Abbildung 2.3.: Feynman-Diagramme für den Prozess e+e− → f f in niedrigster Ordnung (s -Kanal).

folgende Form für den Wirkungsquerschnitt:

σ f =12πΓeΓ f

s M 2Z

· |χ(s ) |2

=12π

M 2Z 0

· s ΓeΓ f

(s −M 2Z 0 )2+(s 2Γ2

Z /M2Z 0 )

(2.11)

und als Wirkungsquerschnitt für ein Fermionpaar f f am Resonanzmaximum (d.h. s =M 2Z 0 ):

σpeakf =

12π

M 2Z 0

· Γe

ΓZ· Γ f

ΓZ, (2.12)

d.h. dieser hängt nur von den Verhältnissen zwischen den partiellen und der totalen Breite ab. Γe re-präsentiert in diesem Ausdruck gemäß Gl. (2.10) die Kopplung des Z 0 an die Elektronen/Positronenim Anfangszustand und Γ f die Kopplung des Z 0 an die Fermionen im Endzustand.

Durchfährt man die Resonanzkurve, so stellt man – wie durch den Nenner des Bruches in Gl. (2.11)angegeben – für jeden Prozess die gleiche Breite ΓZ fest. Der maximale Wirkungsquerschnitt σpeak

ffür die einzelnen Prozesse wird hingegen durch den relativen Beitrag (die Partialbreite) des Zerfalls-kanals festgelegt.

Die von der Theorie vorhergesagten Zerfallsbreiten für die einzelnen Fermionen sind in Tabelle 2.2angegeben.

Tabelle 2.2.: Partialbreiten für die verschiedenen Fermionpaare unter Vernachlässigung der Massen.

Kanal Partialbreite

Γe = Γµ = Γτ = Γ 83.8 MeV

Γνe = Γνµ = Γντ = Γν 167.6 MeV

Γu = Γc 299 MeV

Γd = Γs = Γb 378 MeV

10

2.3.1. Bhabha-Streuung

Die Reaktion e+e− → e+e−, auch Bhabha-Streuung genannt, muss gesondert betrachtet werden,weil hier zusätzliche Feynman-Diagramme auftreten. Neben den in Abbildung 2.3 gezeigten Feyn-man-Graphen der allgemeinen e+e−-Paarvernichtung in Fermion-Antifermion-Paare (s -Kanal)kommen hier reine Streudiagramme (t -Kanal, siehe Abb. 2.4) hinzu. s bzw. t bezeichnen dabeiMandelstamvariablen, die in Abschnitt A der Zusatzmaterialien erklärt sind.

Für die Z 0-Breite liefert jedoch nur der s -Kanal einen Beitrag. Die Endzustände von s - und t -Kanalsind identisch, d.h. ein einzelnes Ereignis ist nicht eindeutig dem einen oder anderen Kanal zuzu-ordnen. Die statistische Winkelverteilung ist jedoch unterschiedlich und wir werden sie in diesemVersuch dazu benutzen, den Anteil der s -Kanal-Ereignisse zu bestimmen bzw. um den Untergrunddurch t -Kanal-Ereignisse zu unterdrücken. Wir betrachten dazu den differentiellen Wirkungsquer-schnitt dσ

dΩ , der nicht vom Winkelφ (rund um die Strahlachse), sondern nur vom Winkel θ (zwischendem einlaufenden und dem auslaufenden Elektron) abhängt. Es gilt:

dσdΩ∝

1+ cos2θ

s -Kanal,

(1− cosθ )−2 t -Kanal.(2.13)

Bei großen Streuwinkeln θ dominiert demnach der s -Kanal, bei kleinem θ hingegen der t -Kanal.

γ

e−

e+

e−

e+

Z 0

e−

e+

e−

e+

Abbildung 2.4.: t -Kanal-Beiträge zur Reaktion e+e− → e+e−.

2.4. Übersicht: Extraktion von Z 0-Parametern

Als Fazit dieses Kapitels wollen wir kurz zusammenfassen, welche Eigenschaften des Z 0-Bosonsund seiner Wechselwirkungen wir aus den Messungen extrahieren können, und auf welche Weise:

• Ein Breit-Wigner-Fit an die Wirkungsquerschnitte σ f als Funktion der SchwerpunktsenergieEcm in der Nähe des Z -Pols liefert jeweils

– die Masse MZ 0 des Z 0-Bosons,

– die Gesamtzerfallsbreite ΓZ , und

– den Peak-Wirkungsquerschnittσpeakf .

• Das Verhältnis von verschiedenen Wirkungsquerschnittenσ f für die einzelnen Zerfallskanäleergibt

– die partiellen Zerfallsbreiten Γ und Γhad, sowie

11

– die relative Kopplungsstärke des Z 0 an den jeweiligen f f-Endzustand.

Man definiert die Verhältnisse

R0e ≡Γhad

Γe, R0

µ ≡Γhad

Γµ, R0

τ ≡Γhad

Γτ,

welche unter der Annahme von Leptonuniversalität zu einem einzigen Parameter

R0 ≡Γhad

Γ(2.14)

reduziert werden können.2

• Der Zusammenhang zwischen der Partialbreite Γ f und dem Weinberg-Winkel θW

Γ f =N f

c2 ·24π

GF M 3Z 0 ·

1+

1−4|Q f |sin2θW2

(2.15)

gemäß Gl. (2.5), (2.6) und (2.10) (mit

I f3

2= 1

4 ) erlaubt die Bestimmung der Kopplungsstärke

der schwachen relativ zur elektromagnetischen Wechselwirkung (sin2θW = e 2/g 2).

• Aus dem Vergleich der gemessenen unsichtbaren Zerfallsbreite Γinv bzw. des VerhältnissesR0

inv mit der Vorhersage des Standardmodells für dieses Verhältnis

R0inv =Nν

ΓνΓ

SM(2.16)

kann man (unter der Annahme NνΓν = Γinv, d.h. keine weiteren Beiträge) die Anzahl Nν leich-ter Neutrinogenerationen bestimmen.

2Hierin stellt Γ die Partialbreite für den Zerfall des Z 0 in ein masseloses geladenes Leptonpaar dar. Da die Masse desτ-Leptons mit Mτ = 1777 MeV/c2 nicht mehr vernachlässigbar ist, findet man selbst unter der Annahme gleicherKopplungsstärke bei Leptonuniversalität, dass Γmess

τ gegenüber Γ um ca. 0.23% verringert ist.

12

2.5. Einheiten, Formeln und Relationen

In der Teilchenphysik wählt man häufig Einheiten, in denen c = 1 und ħh = 1 gesetzt werden.Dementsprechend werden auch Massen und Teilchenimpulse in Einheiten der Energie (MeV, GeV,...) angegeben.

Für explizite Rechnungen müssen jedoch die richtigen Werte für c und ħh eingesetzt werden, um daskorrekte Zahlenergebnis zu erhalten!

Hier eine Übersicht der physikalischen Dimension diverser Größen mit und ohne Verwendung vonc = 1 und ħh = 1:

Größe Dimension Umrechnung

c = 1, ħh = 1 sonst

Masse GeV GeV/c2 1 kg = 5.61×1026 GeV

Länge GeV−1 (ħhc )/GeV 1 m = 5.07×1015 GeV−1

Zeit GeV−1 ħh/GeV 1 s = 1.52×1024 GeV−1

Stromstärke GeV

c/ħh ·GeV 1 A = 1.24×10−6 GeV

Wirkungsquerschnitt GeV−2 (ħhc/GeV)2 1 b = 2.57×103 GeV−2

Einheiten

1 fm = 10−15 m Längeneinheit („1 Fermi“)

1 GeV = 1.602 176 487(40)×10−10 J Energieeinheit

1 b = 10−24 cm2 = 10−28 m2Wirkungsquerschnittseinheit „Barn“

1 nb = 10−9 b= 10−33 cm2

Konstanten (nach [PDG08])

c = 299 792 458 m/s Lichtgeschwindigkeit

e = 1.602 176 487(40)×10−19 C Elementarladung

ħh = 6.582 118 99(60)×10−22 MeV · s Plancksches Wirkungsquantum/2πħhc = 0.1973 GeV · fm= 197.3 eV ·nm

MZ 0 = 91.1876(21)GeV/c2 Z 0-Masse

GF = 1.166 37(1)×10−5 GeV−2 Fermi-Kopplungskonstante

me = 0.510 998 910(13)MeV/c2 Masse des Elektrons

mp = 938.272 031(23)MeV/c2 Masse des Protons

13

Formeln und Größen

elektromagn. Kopplungskonstanteα(M 2

Z 0 ) =1

128.87bei einer Energie von 91.2 GeV

starke Kopplungskonstanteαs (M 2

Z 0 ) = 0.12bei einer Energie von 91.2 GeV

dritte Komponente des schwachen Isospins I f3 =

+1/2 für f = ν , u, c

−1/2 für f = e−, µ−, τ−

sowie für d, s, b

schwache Vektorkopplungskonstante g fV = I f

3 −2Q f sin2θW

schwache Axialvektorkopplungskonstante g fA = I f

3

Propagator des Z 0-Bosons χ(s ) =s

(s −M 2Z 0 )+ i s

ΓZ 0

MZ 0

Wirkungsquerschnitt für e+e− → ff σ f (s ) =12π

M 2Z 0

sΓeΓ f

s −M 2

Z 0

2+

sΓZ 0

MZ 0

2

partielle Zerfallsbreite für e+e− → ff Γ f =N f

c

212π

GF M 3Z 0

(g f

V )2+(gfA )2

Farbfaktor des Fermions f N fc =

1 für Leptonen

3 für Quarks

14

3. Teilchendetektion und -klassifikation mitdem OPAL-Detektor

In diesem Kapitel werden die einzelnen Komponenten des OPAL-Detektors und ihre Funktion kurzvorgestellt, um darauf aufbauend die Methoden der Teilchenidentifikation in diesem Experimentzu erläutern.

3.1. Der OPAL-Detektor am LEP-Beschleuniger

Der LEP-Speicherring (Large Electron Positron Collider) war von 1989 bis 2000 am europäischenLabor für Kern- und Teilchenphysik CERN1 (Genf) in Betrieb. Er lieferte eine Fülle von Messdaten,welche besonders genaue Studien der Physik der Elektron-Positron-Kollision bei hohen Energienerlaubten. Die meisten von Ihnen werden den 27 km langen LEP-Tunnel, in dem sich heute nachdem Abbau von LEP der Large Hadron Collider (LHC) befindet, aus den Medien (und sicher auchaus der Teilchenphysik-Vorlesung) kennen.

In der ersten Betriebsphase (LEP-I, von 1989 bis 1995) lag die maximale Schwerpunktsenergie beiEcm =

s ≈ 110 GeV – also gerade ausreichend, um Z 0-Bosonen mit einer Masse von ≈ 91 GeV/c2

über die Reaktion e+e− →Z 0 zu erzeugen. Damit konnten Z 0-Bosonen erstmals mit sehr guter Sta-tistik produziert2 und ihre Eigenschaften mit zuvor unerreichter Präzision vermessen werden (vgl.Abb. C.2). Aus dieser Messphase stammen die Daten, die in diesem Versuch ausgewertet werden.

Für die zweite Betriebsphase (LEP-II, von 1996 bis 2000) wurde der Beschleuniger auf eine maxi-male Schwerpunktsenergie von Ecm =

s ≈ 200 GeV ausgebaut, so dass nun auch verstärkt eine

Produktion von W ±-Paaren (M W ≈ 80 GeV/c2) in der Reaktion e+e− →W +W − möglich wurde.3

Detektorkomponenten

Wie die meisten Experimente der Hochenergiephysik ist der OPAL-Detektor zwiebelschalenför-mig aus mehreren Subdetektoren zusammengesetzt, deren Zusammenspiel optimal auf die Rekon-struktion der Wechselwirkungen, welche im Zentrum des Detektors am Kollisionspunkt stattfinden,abgestimmt ist. Von innen nach außen betrachtet reihen sich folgende Hauptkomponenten anein-ander (vgl. Abb. 3.1):

• Der Zentrale Spurdetektor (central tracker) dient zur Flugbahn- und Impulsmessung gelade-ner Teilchen im Magnetfeld.

• Das elektromagnetisches Kalorimeter (ECAL) misst die Energie von Elektronen bzw. Positro-nen und Photonen.

• Mit dem Hadronkalorimeter (HCAL) wird die Energie der Hadronen bestimmt.

1http://www.cern.ch2Insgesamt wurden an LEP-I ca. 18 Millionen Z 0-Ereignisse gemessen. Daher erhielt der Beschleuniger auch den Bei-

namen „Z 0-Fabrik“.3Es wurden in LEP-II ca. 80000 W ±-Ereignisse registriert.

15

• In den Myonkammern werden Myonen identifiziert und ihre Impulse gemessen.

Eine detailliertere Beschreibung des OPAL-Detektorsystems findet sich in den Zusatzmaterialien,Abschnitt B.2.4.

Abbildung 3.1.: Schnittzeichnung des OPAL-Detektors. (a) Querschnitt (x -y -Ebene), (b) Längsschnitt (x -z -Ebene). Das Koordinatensystem wurde wie folgt definiert: der Ursprung liegt im nominellene+e−-Kollisionspunkt, die x -Achse ist horizontal und zeigt in Richtung des Mittelpunkts vonLEP, die y -Achse ist vertikal und die z -Achse zeigt in Richtung des Elektronenstrahls. DerPolarwinkelΘwird von der z -Achse aus gemessen und der Azimutwinkelϕ von der x -Achseum die z -Achse zur y -Achse.

16

Abbildung 3.2.: OPAL-Eventdisplay „GROPE“: Querschnittsansicht der wichtigsten Detektorkomponentenmit der Darstellung eines Ereignisses aus dem hadronischen Zerfallskanal. Die Kopfzeileenthält Informationen wie Run-Nummer, Event-Nummer, Datum und Messzeit und gibt diewichtigsten Messgrößen an. Maßstäbe für Länge und Energieeinträg sind unten angegeben,die rechte Spalte gibt eine Information über die Triggerstatus der Subdetektoren.

3.2. Teilchenidentifikation mit dem OPAL-Detektor

Aus Abbildung 3.2 und Tabelle 3.1 können Sie ersehen, welche Informationen Ihnen das OPAL-Eventdisplay für jedes aufgezeichnete Zerfallsereignis liefert. Abbildung 3.3 zeigt in schematischerDarstellung an, wie (und ob) verschiedene Teilchensorten von den einzelnen Subdetektoren vonOPAL „gesehen“ werden.

Wie lassen sich nun diese Informationen – nicht nur die Werte der Messgrößen, sondern auch dieTopologie der vom Ereignis hinterlassenen Spuren – zur Rekonstruktion des Zerfallskanals nutzen?Hierzu betrachten wir zunächst geladene und neutrale Teilchen getrennt voneinander.

17

Tabelle 3.1.: Detektorkomponenten und ihre Darstellung im grafischen Display von GROPE (vergleiche Abb.3.2 und 3.3).

Detektorkomponente Teilchenart und Nach-weismechanismus

Darstellung in GROPE

Vertexdetektor geladen (Ionisation) Spur

Jet- und Z-Kammer geladen (Ionisation) Spur

TOF geladen (Ionisation) Rechteck am Durchstoßpunkt

ECALelektromagn. Schauer Trapez:

(Bremsstrahlung; Paarbil-dung)

Länge ∝ deponierte Energie

HCALhadronischer Schauer Trapez:

(Zerfälle und Kernreaktio-nen)

Länge ∝ deponierte Energie

Myonkammern geladen Pfeil in Flugrichtung des Myons

Geladene TeilchenGenerell erkennt man geladene Teilchen daran, dass sie i.A. ein Signal in den Spurdetektorenerzeugen, während ungeladene Teilchen dort „unsichtbar“ bleiben.

Geladene Hadronen und Elektronen bzw. Positronen lassen sich voneinander durch die Formund den Startpunkt des Schauers im elektromagnetischen Kalorimeter unterscheiden. Derelektromagnetische Schauer eines e+/e− ist vollständig im ECAL enthalten und weist einegeringe laterale Ausdehnung auf. Hadronische Schauer dagegen beginnen in der Regel spä-ter, sind breiter und dehnen sich in das HCAL aus. Der Schwerpunkt der Energiedepositionliegt meistens im HCAL. Die Unterschiede zwischen elektromagnetischen und hadronischenSchauern werden jedoch mit fallender Teilchenenergie immer geringer, so dass man geladeneHadronen und e+/e− unterhalb einer Energie von etwa 2 GeV nicht mehr anhand der Schau-erentwicklung trennen kann. Bei niedrigen Energien besteht jedoch die Möglichkeit einerTeilchenidentifikation aufgrund des spezifischen Energieverlustes dE/dx in der Jet-Kammer.

Myonen erzeugen beim Durchgang durch die Kalorimeter keinen Schauer und verlieren alsminimalionisierende Teilchen (wegen mµme, vgl. Bethe-Bloch-Formel) ebenfalls nur we-nig Energie durch Ionisation. Ihr Markenzeichen ist somit, dass sie dicke Materieschichtendurchdringen (siehe Abb. 3.3) und selbst in den ganz außen am Detektor angebrachten Myo-nenkammern noch ein Signal verursachen.

Neutrale TeilchenNeutrale Teilchen identifiziert man hauptsächlich aufgrund der unterschiedlichen Schauer-profile. Solche neutralen Teilchen, die in den Spurkammern in geladene Teilchen zerfallenbzw. konvertieren, zeigen zwei Spuren in einer typischen V-Form. Die Spitze des V, also derZerfalls- bzw. Konversionsort des neutralen Teilchens, liegt dabei außerhalb des Primärver-tex.

Das π0 zerfällt quasi „sofort“ (nach einer mittleren Lebensdauer von τπ0 ≈ 8 · 10−17 s) in zweiPhotonen, deren Öffnungswinkel von der Energie des π0 abhängt. Mit steigender Energieliegen die beiden Photonen durch den „Lorentzboost“ immer dichter zusammen und kön-nen schließlich von einem einzelnen Photon, das nicht aus einem π0-Zerfall stammt, nichtmehr unterschieden werden. Photonen werden also durch ihren elektromagnetischen Schau-er, neutrale Pionen durch zwei dicht beieinander liegende elektromagnetische Schauer iden-

18

tifiziert. Es darf in beiden Fällen keine Spur gefunden werden, welche auf den Schauer zeigt.

Bevor Photonen in das ECAL eintreten, können sie in Materie in ein e+e−-Paar konvertieren.Da praktisch die gesamte Materie (oder besser: die gesamte Strahlungslänge) in den Wändendes Zentraldetektors und der Solenoidspule konzentriert ist, besteht eine große Wahrschein-lichkeit, dass die Konversion dort stattfindet. Ein konvertiertes Photon wird durch zwei gela-dene Spuren in V-Form und durch zwei elektromagnetische Schauer identifiziert. Spuren undSchauer müssen eindeutig zueinander in Beziehung stehen.

Neutrale Hadronen mit großer Fluglänge (z.B. K 0L ) werden durch einen hadronischen Schau-

er, auf den keine Spur zeigt, identifiziert. In Abb. 3.3 ist weiterhin der Zerfall eines K 0S in zwei

geladene Pionen als Beispiel für die Signatur eines kurzlebigen neutralen Hadrons gezeigt.

Im Folgenden werden die wichtigsten Eigenschaften und Erkennungsmerkmale der einzelnen Re-aktionskanäle (unsichtbar, leptonisch, hadronisch) aufgelistet.

e+e− → νx νx

– Zerfallsprodukte (Neutrinos) können i.d.R. nicht nachgewiesen werden: „invisible decay modes“.

– Falls ein Anfangsbremsstrahlungsphoton emittiert wurde (Z 0 → γνx νx ) , ist der Zerfallsmodusdennoch nachweisbar.

e+e− → e+e−

– Zwei entgegengesetzt geladene, nahezu kollineare Spuren, deren Gesamtimpuls (Ctrk(SumP))jeweils ungefähr dem doppelten Strahlimpuls entspricht.

– Energieeintrag im ECAL entspricht ebenfalls ungefähr der doppelten Strahlenergie.

– In niedrigster Ordnung tragen drei Feynman-Graphen bei (vgl. Abb. 2.3 und 2.4 links). Beim s -Kanal sind nahe der Z 0-Resonanz Photonaustausch und γ-Z 0-Interferenzterm um zwei bzw. so-gar drei Größenordnungen gegenüber dem reinen Z 0-Austausch unterdrückt. Wichtig ist jedochder t -Kanal-Photonaustausch, der bei kleinen Streuwinkeln einen hohen Wirkungsquerschnitthat und bei der Analyse von Z 0-Zerfällen durch geeignete Winkelschnitte reduziert werden muss.

e+e− →µ+µ−

– Unterscheidet sich von e+e− dadurch, dass die Myonen beide Kalorimeter nahezu ohne Energie-verlust durchdringen und zusätzlich Signale in den Myonenkammern auslösen.

– Spurpunkte in den Myonenkammern müssen eindeutig mit den Spuren im Zentraldetektor inVerbindung gebracht werden (bei der Extrapolation der Zentraldetektorspur Einfluss des Ma-gnetfeldes beachten!).

e+e− → τ+τ−

– Das τ ist ein kurzlebiges Teilchen (mittlere Lebensdauer 2.9 · 10−13 s) und wird daher nur überseine Zerfallsprodukte nachgewiesen. Dabei sind verschiedene Zerfallsarten möglich; die wich-tigsten davon sind in Tabelle 3.2 aufgeführt. Je nach der Anzahl n der dabei auftretenden gelade-nen Spuren spricht man von „n-prong-Ereignissen“, deren Verzweigungsverhältnis jedoch mitsteigender Multiplizität stark abnimmt (1-prong ca. 85%, 3-prong ca. 15%, 5-prong ca. 0.11%).

– Zur Abgrenzung desτ+τ−-Kanals vom hadronischen Kanal verlangt man, dass die geladene Mul-tiplizität klein ist, was jedoch die Unterscheidung zu den übrigen leptonischen Ereignissen er-schwert.

– Eine zusätzliche Energiebetrachtung (E_Ecal, Ctrk(SumP)) kann hier Abhilfe schaffen, da auf-grund der beim τ-Zerfall emittierten Neutrinos ein großer Teil der Energie nicht nachgewiesen

19

sichtbare Spurunsichtbare Spur

Vert

exka

mm

er

Jetk

amm

er

EC

AL

HC

AL

K 0S

K 0L

γ

π0

µ±e±

tiertes γkonver-

π±,K ±

Myo

n-K

amm

ern

Sole

noi

d

z-K

amm

ern

Stra

hlr

ohr

Dru

ckbe

häl

ter

Abbildung 3.3.: Teilchenidentifikation in OPAL anhand des Ansprechverhaltens der einzelnen Subdetekto-ren (Schemazeichnung nicht maßstabsgetreu). Es kann prinzipiell zwischen elektrisch ge-ladenen und neutralen Teilchen unterschieden werden: erstere werden in den Spurdetek-toren registriert (durchgezogene Linien), während letztere dort keine Spuren hinterlassen(angedeutet durch gepunktete Linien). Elektromagnetische und hadronische Schauer sindschematisch durch „Blasen“ in den Kalorimetern eingezeichnet. Die grau eingefärbte Flächesymbolisiert den nicht instrumentierten Bereich von Magnetspule (Solenoid) und Druckbe-hälter.

wird.

20

e+e− → q q

– Dies ist mit einem Verzweigungsverhältnis von ΓhadΓZ 0≈ 70% der klar dominierende Zerfallskanal.

– Charakteristischste Merkmale sind die große Zahl (im Mittel ca. 20) geladener Spuren und diehohen Energiewerte, die in beiden Kalorimetern gemessen werden.

– Die geladenen Hadronen bilden zwei oder mehr Bündel von Teilchenspuren (Jets). Im Prozessder Fragmentation entstehen auch neutrale Hadronen (hauptsächlich π0).

– Eine Unterscheidung der einzelnen q q-Zerfallskanäle nach Flavors ist schwierig und würde zuhohe Anforderungen an diesen Praktikumsversuch stellen.

– Zwei-Photon-Ereignisse (vgl. Abb. 3.4), bei denen im Endzustand ein q q-Paar entsteht, stellenprinzipiell einen Untergrund dar, jedoch ist die detektierte Energie in diesen Ereignissen meistklein und man kann sie durch einen geeigneten Energieschnitt eliminieren. (Elektron und Po-sitron sind in der Regel nicht sichtbar, da sie nur wenig gestreut werden und somit im Strahlrohrbleiben bzw. in den Vorwärtsdetektor gelangen.)

Abbildung 3.4.: Feynman-Diagramm: Zwei-Photon-Reaktion.

Tabelle 3.2.: Die wichtigsten Zerfallskanäle des τ−-Leptons (für τ+ analog) [PDG08].

Zerfallskanal Verzweigungsverhältnis [%] Typ

π−π0ντ 25.52±0.10 1-prong

e−νeντ 17.85±0.05 1-prong

µ−νµντ 17.36±0.05 1-prong

π−ντ 10.91±0.07 1-prong

π−π−π+ντ 9.32±0.07 3-prong

π−π−π+π0ντ 4.61±0.06 3-prong

π−π0π0π0ντ 1.04±0.07 1-prong

3.3. Schnitte zur Trennung von Ereignisklassen

Für die im Praktikumsversuch durchzuführende Analyse ist es weniger wichtig, ein K 0 von einemπ0

zu unterscheiden, als Elektronen und Myonen von Hadronen. Außerdem betrachten wir im zwei-ten und dritten Teil so viele Ereignisse, dass wir nicht alle Details wie Schauerform oder spezielleGeometrie betrachten können, sondern diese in globalen Variablen zusammenfassen.

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In welcher Weise diese Messgrößen eingesetzt werden, wird in den folgenden Abschnitten erläutert.

Als Beispiel kann die Trennung der Z 0→ e+e−-Ereignisse von Z 0→µ+µ−-Ereignissen dienen. BeideEreignisklassen unterscheiden sich, wie man sich leicht überlegen kann, fast nicht in den VariablenCtrk(SumP) und Ctrk(N). Kleine Unterschiede werden wegen der in e+e− → e+e−-Ereignissengrößeren Wahrscheinlichkeit, Bremsstrahlungsphotonen abzugeben, verursacht. Große Unterschie-de ergeben sich aber in der totalen Energie im ECAL. Für die e+e− → e+e− - Ereignisse sollte imMittel die Schwerpunktsenergie gemessen werden. In den e+e− →µ+µ−-Ereignissen erwartet manvon den beiden Myonen, wie bereits erwähnt, nur eine kleine Energiedeposition mit einem Äquiva-lent von≈ 2 GeV im ECAL. In e+e− → e+e−-Ereignissen wird keine Energie im HCAL deponiert. DieMyonen der e+e− → µ+µ−-Ereignisse durchdringen das ECAL und das HCAL und geben zusam-men im Mittel ein Energieäquivalent von≈ 5 GeV an das HCAL ab. Die Trennung der e+e− → e+e−-Ereignisse von den e+e− → µ+µ−-Ereignissen kann also mit einem sogenannten Schnitt auf dieMessgröße E_ECAL durchgeführt werden. Man verlangt, dass E_ECAL größer sein muss als ein be-stimmter, vom Experimentator (≡ Praktikumsteilnehmer) zu ermittelnder Wert.

Akzeptanz und Untergrund

Das Ziel ist es, den Schnitt in einer geeigneten Messgröße oder gleichzeitige Schnitte in verschie-denen Messgrößen so zu wählen, dass ein möglichst großer Anteil der „gewünschten“ Ereignissedie Schnittbedingung(en) erfüllt und der Anteil an „unerwünschten“ Untergrundereignissen mög-lichst klein wird. Als Akzeptanz eines oder mehrerer Schnitte bezeichnet man das Verhältnis derEreignisse einer ausgewählten Klasse, welche die Schnittbedingungen passieren, zu der Zahl allervorhandener Ereignisse derselben Klasse. Die erreichte Akzeptanz und Untergrundunterdrückunghängen sowohl von den Mittelwerten als auch von den Breiten der Verteilungen ab. Dazu sind inAbb. 3.5 zwei hypothetische Beispiele gezeigt.

Ereignisklasse B

Ereignisklasse AHäu

figk

eit

X

(a)

Häu

figk

eit

X

Ereignisklasse B

Ereignisklasse A

Untergrund Akzeptanz-Verluste

(b)

Abbildung 3.5.: Beispiele zur Trennung von Ereignisklassen durch Anwendung von Schnitten.

Im ersten Beispiel (Abb. 3.5(a)) sind die Ereignisklassen A und B in der Variablen X vollständig ge-trennt. Eine Akzeptanz von 100% und eine vollständige Unterdrückung der jeweils unerwünsch-ten Ereignisklasse ist mit einem Schnitt in der Variablen X möglich. Dies ist der Idealfall. Der Nor-malfall ist im zweiten Beispiel gezeigt. Mit der Wahl des Schnitts legt man die Akzeptanz und dieBeimischung des Untergrunds fest. Liegt das Augenmerk darauf, eine besonders reine Menge derEreignisklasse A zu erhalten, muss der Schnitt in X klein gewählt werden. Will man möglichst alleEreignisse der Klasse A behalten, so muss der Schnitt groß gewählt werden.

Um eine Ereignisklasse aus den gesamten Daten abzutrennen, genügt es meistens nicht, nur in

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einer Messgröße zu schneiden; es sind gleichzeitige Schnitte in verschiedenen Messgrößen erfor-derlich. Weiterhin können Schnitte natürlich auch auf zusammengesetzte Messgrößen erfolgen.Fordert man z.B. X 2+Y 2 < ξ, so schneidet man im zweidimensionalen Raum X-Y eine Kreisflächemit dem Radius

ξ aus. Das Ziel dieses Schnittverfahrens ist es, die am besten geeigneten Varia-

blen zu finden und die Schnittbedingungen zu optimieren, um eine möglichst reine Ereignismengezu erhalten.

Im Praktikumsversuch müssen diese Schnitte von Hand gemacht werden, es ist jedoch auch mög-lich, mathematische Optimierungsverfahren (Fisher-Diskriminanten, neuronale Netze) zu nutzen.Wendet man diese Verfahren an, so ist es jedoch schwieriger, systematische Fehler zu bestimmen.

Ereignissimulation (Monte-Carlo)

Durch Schnitte verliert man prinzipiell, wie es in Abb. 3.5 anschaulich gezeigt ist, Ereignisse dergesuchten Klasse und behält einen Anteil an unerwünschten Untergrundereignissen. Zur Berech-nung von Wirkungsquerschnitten (dies ist ebenfalls Teil des Praktikumsversuchs) benötigt man ne-ben der integrierten Luminosität die „genaue“ Zahl der aufgetretenen Ereignisse N einer Klasse.Nach den Schnitten erhält man eine Zahl von beobachteten Ereignissen Nbeob, die korrigiert wer-den muss. Eine Korrektur von Nbeob, die nur auf Daten basiert, ist im Beispiel von Abb. 3.5(b) nichtmöglich, da man im Experiment die Verteilungen in der Messgröße X der beiden Ereignisklassen Aund B nicht einzeln messen kann, sondern nur deren Summe.

Eine Möglichkeit, die wegen der Schnitte auftretenden Akzeptanzverluste zu bestimmen, bietenEreignissimulationen mit Hilfe von Computerprogrammen. Dazu wird eine bestimmte, möglichstgroße Anzahl an Ereignissen einer bestimmten Klasse folgendermaßen generiert: Zunächst erzeugtman in einer e+e−-Annihilation auslaufende Fermion-Antifermion-Paare. Dann simuliert man fürQuark-Antiquark-Paare den Hadronisierungsprozess und dann den Zerfall der instabilen Teilchen.In einem letzten, sehr aufwendigen Schritt werden alle Detektorsignale simuliert, wie sie von dendurchlaufenden Teilchen erzeugt werden, so dass zum Schluss die Informationen in gleicher Weisevorliegen wie bei „richtigen“ Ereignissen. Simulierte und beobachtete Ereignisse können jetzt mitden gleichen Analyseprogrammen untersucht werden. Bei der Ereignissimulation werden alle nutz-baren theoretischen und experimentellen Kenntnisse verwendet. Die simulierten Daten enthaltenneben den auch in tatsächlichen Daten enthaltenen Informationen zusätzlich Angaben über dieentstandenen Teilchen, so dass man die Reaktion des Detektors bei ganz bestimmten Ereignissenuntersuchen kann!

Simuliert man in unserem Beispiel die Ereignisklassen A und B, so können die einzelnen Verteilun-gen in der Größe X getrennt bestimmt werden. Wendet man nun die gleichen Schnitte wie auf dieDaten an, so erhält man sehr einfach die Akzeptanz. In gleicher Weise kann man den Untergrund-beitrag berechnen. Dazu ist allerdings eine relative Normierung zwischen den beiden Verteilungender Klasse A und B nötig. Dies kann z.B. durch eine Anpassung der Daten an die beiden überlagertenEinzelverteilungen erfolgen. Das Ergebnis der Anpassung ist dann der relative Anteil an Ereignissender Klasse A zur Klasse B.

Man sollte jedoch bei der Verwendung von Monte-Carlos nie aus den Augen verlieren, dass man be-reits eine Menge Annahmen über den zu untersuchenden Prozess in die Auswertung hineinsteckt.Man muss also aufpassen, dass die Ergebnisse nicht zu stark mit den Monte-Carlos korreliert sind,sonst bekommt man nur das Ergebnis, das man hineingesteckt hat. So können systematische Feh-ler entstehen, deren Beurteilung für Sie jedoch schwierig ist (da Sie nichts über die Entstehung derMonte-Carlos wissen) und über den Praktikumsversuch hinaus geht.

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4. Versuchsdurchführung

Versuchsteile

Der Versuch besteht aus drei Teilen, welche nacheinander zu bearbeiten sind:

I. Im ersten Teil werden charakteristische Eigenschaften von bestimmten Zerfallskanälen (e+e−,µ+µ−, τ+τ−, qq) anhand von vorsortierten Lerndatensätzen studiert. Die Messung einzelnerEreignisse (pro Datensatz 20 Stück) wird dazu grafisch im OPAL-Eventdisplay GROPE aufberei-tet. Ziel dieses Versuchsteils ist es, Klassifikationskriterien bezüglich der vorhandenen Mess-größen zu finden, anhand derer sich Ereignisse der vier verschiedenen Zerfallskanäle unter-scheiden lassen.

Zur Überprüfung des eigenen Verständnisses und zur weiteren Übung der Teilchenidentifika-tion stehen gemischte Testdatensätze zur Verfügung.

II. Im zweiten Teil werden die zuvor gefundenen groben Klassifikationskriterien mit Hilfe vonMonte-Carlo-Datensätzen (MC) hoher Statistik (ca. 100 000 Ereignisse pro Datensatz) weiteruntersucht und zu Identifikationsschnitten verfeinert. Die Tatsache, dass die MC-Daten nurEreignisse jeweils eines Typs enthalten, erlaubt die Bestimmung von Schnitteffizienz und Re-stuntergrund der Analysemethode, welche für Versuchsteil III benötigt werden.

III. Nun geht es nach all der Vorarbeit endlich an die Auswertung großer Messdatensätze (wieder-um jeweils > 100 000 Ereignisse) des OPAL-Detektors! Mit diesen Daten können verschiedeneFragestellungen, welche die Physik der Z 0-Resonanz betreffen, untersucht werden. Sie könnenin diesem Versuchsteil zwischen mehreren Analyseaufgaben („Experimenten“) wählen. Ledig-lich Experiment E1 ist obligatorisch, da es die zentrale Aufgabe des Versuchs – nämlich die Be-stimmung von Masse und Lebensdauer des Z 0-Bosons – betrifft. Bitte bearbeiten Sie zusätzlichzu E1 mindestens ein weiteres Experiment.

Hinweise

• Eine Übersicht der verfügbaren Datensätze aus den jeweiligen Versuchsteilen finden Sie inTabelle 4.1.

• Zu vielen der Analyseaufgaben werden Ihnen auf dem Praktikumsrechner im Verzeichnis/home/fpraktikum/analysis_scripts/

Beispiele für Makros oder Skripte zur Verfügung gestellt, die Sie in der Regel vor der Benut-zung noch modifizieren müssen. Bitte editieren Sie niemals das Original, sondern legen sichstets erst eine eigene Kopie – am besten in einem zentralen Sammelordner für Ihre Gruppe –an, bevor Sie mit den Änderungen loslegen.

Dieser eigene Ordner erleichtert Ihnen auch das Aufbewahren und Sortieren der Ergebnisseaus den einzelnen Versuchsteilen; wählen Sie daher einen möglichst bezeichnenden Namen(z.B. Gruppennummer, Datum, ...). Der Ordner sollte sicherheitshalber bis zur Abgabe IhresVersuchsprotokolls auf dem Praktikumsrechner gespeichert bleiben, Sie brauchen ihn alsonicht am letzten Versuchstag zu löschen.

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• Es lohnt sich häufig, Grafikausgaben der einzelnen Analyseschritte für eine mögliche weitereVerwendung abzuspeichern. (In manchen Fällen wird dies bereits durch die vorhandenenMakros für Sie erledigt, aber häufig müssen Sie auch selbst für die Dokumentation sorgen.)

Tabelle 4.1.: Übersicht der verwendeten Datensätze.

VersuchsteilI: Ereignis- II: Schnittkriterien- III: Messung von

klassifikation bestimmung Z 0-Parametern

Datenart sortierte Hochstatistik- Hochstatistik-

Lerndatensätze Monte-Carlos LEP-Daten

(je 20 Ereignisse) (je ca. 105 Ereignisse)

Anwendung GROPE ROOT ROOT

Zugriff virtuelle Maschine: lokal: lokal:

ssh -Y suse ∼/daten/mc/ ∼/daten/real/vorhandene ee (selektiert) ee.root daten_1.root

Dateien mm (selektiert) mm.root daten_2.root

tt (selektiert) tt.root daten_3.root

qq (selektiert) qq.root daten_4.root

test1 (gemischt) daten_5.root

test2 (gemischt) daten_6.root

test3 (gemischt)

test4 (gemischt)

4.1. Klassifizierung einzelner Ereignisse mit GROPE

Mit dem Programm GROPE (Graphic Reconstruction of OPAL Events) können von OPAL detektier-te Ereignisse grafisch analysiert werden. Hierzu werden die von den jeweiligen Subdetektoren ge-sammelten Informationen zusammen mit der Geometrie der Detektorkomponenten schematischdargestellt; zusätzlich werden diverse Messgrößen am oberen Rand der Grafik ausgegeben.

Der Betreuer wird Sie zu Beginn dieses Versuchsteils in die Benutzung des OPAL-Eventdisplays GRO-PE einweisen. Eine Liste mit den wichtigsten Befehlen und einer Erläuterung der verwendeten Grö-ßen („GROPE Reference Card“) liegt am Arbeitsplatz aus. Zudem finden Sie eine ähnliche Befehls-übersicht sowie ein paar illustrative Bildschirmfotos in Abschnitt G in den Zusatzmaterialien, sodass Sie sich bereits vor Versuchsbeginn ein wenig mit GROPE vertraut machen können.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass es sich bei GROPE um Originalsoftware des OPAL-Experiments und somitum das älteste der in diesem Versuch verwendeten Analysewerkzeuge handelt. Die Installation von GROPE

auf einem aktuellen (Linux-)Betriebssystsem ist sehr kompliziert und fehleranfällig; aus diesem Grund wurdeGROPE auf einem relativ alten System innerhalb einer virtuellen Maschine eingerichtet.

Dies bedeutet für die Benutzung nur unwesentliche Einschränkungen. Im Prinzip müssen Sie lediglich be-achten, dass der Versuchsteil mit GROPE – anders als die Teile II und III – auf der virtuellen Maschine durch-geführt wird. Dazu verwenden Sie vom Terminal auf dem Praktikumsrechner aus den Login

ssh -Y suse

(das aktuelle Passwort verrät Ihnen der Betreuer am Versuchstag).

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1. Üben Sie zunächst den Umgang mit GROPE und erkunden Sie die verschiedenen Informati-onsebenen und -quellen des Eventdisplays. Welche Anzeige stellt welche Detektorinformati-on dar?

2. Gehen Sie am Bildschirm alle Ereignisse der vorselektierten Lerndatensätze (ee, mm, tt, qq)durch und notieren Sie sich eventuelle Auffälligkeiten. Erstellen Sie anschließend mit Hilfedes ROOT-Makros

/home/fpraktikum/analysis_scripts/part1/make_histos.C

Histogramme der Kenngrößen Ctrk(N), Ctrk(Sump), Ecal(SumE) und Hcal(SumE) für jede dervier Ereignisklassen. Der Aufruf erfolgt von der Konsole aus einfach über

root -l make_histos.C

Überlegen Sie sich anhand der Histogramme geeignete Schnittkriterien für eine Trennung derZerfallsmodi. Diese grobe Klassifikation soll Ihnen im zweiten Versuchsteil (Abschnitt 4.2) alsGrundlage für die Definition genauerer Schnittkriterien dienen.

3. Betrachten Sie nun einen der vier gemischten Testdatensätze, der Ihnen vom Versuchsbe-treuer zugeteilt wird, und identifizieren Sie die Endzustände der 20 Ereignisse. Verifizierenund verfeinern Sie dabei Ihre zuvor in den „reinen“ Datenätzen gewonnenen Identifikations-kriterien.

4. Fassen Sie Ihre Erfahrungen aus der Untersuchung der Lerndatensätze und des Testdatensat-zes zusammen, indem Sie die aussagekräftigsten Trennkriterien in Form einer Matrix festhal-ten (siehe Tab. 4.2).

Tabelle 4.2.: Trennung der verschiedenen Zerfallskanäle anhand geeigneter Variablen. Tragen Sie als Nicht-diagonalelemente der „Matrix“ jeweils die Haupttrennungsvariable ein (also entweder Ctrk(N),Ctrk(Sump), Ecal(SumE), Hcal(SumE) oder auch ein anderes Trennkriterium, das Ihnen geeig-net erscheint).

Z 0→ e+e− Z 0→µ+µ− Z 0→ τ+τ− Z 0→ q q

Z 0→ e+e− —

Z 0→µ+µ− —

Z 0→ τ+τ− —

Z 0→ q q —

4.2. Schnittkriterienbestimmung mit MC-Datensätzen

(a) Machen Sie sich mit der ROOT-shell als Ihrer neuen Arbeitsumgebung für diesen und den fol-genden Versuchsteil vertraut. Die wichtigsten Befehle und einige nützliche Hinweise zum Um-gang mit ROOT finden Sie in Abschnitt H der Zusatzmaterialien; außerdem steht Ihnen bei derEingewöhnung der Versuchsbetreuer mit Rat und Tat zur Seite. Don’t panic.

Tabelle 4.3 fasst die in den Monte-Carlo- und OPAL-Messdaten-Ntupeln vorhandenen Varia-blen zusammen. Es handelt sich im Wesentlichen um Größen, die Sie schon vom Umgang mitGROPE kennen, jedoch werden andere Bezeichnungen verwendet.

(b) Erstellen Sie mit ROOT aus den MC-Datensätzen Histogramme der charakteristischen Messgrö-ßen und vergleichen Sie diese für die verschiedenen Ereignisklassen. Ein fertiges ROOT-Makrozur Erzeugung geeigneter Histogramme finden Sie unter

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Tabelle 4.3.: Variablen für Ereignisschnitte in den Hochstatistik-Ntupeln. Außer den hier angegebenen Grö-ßen wird zu jedem Ereignis zusätzlich Run-Nummer und Event-Nummer angegeben, die jedochfür die statistische Datenauswertung irrelevant sind.

run Bezeichnung einer zusammenhängenden Messperiode

event Eindeutige Identifikation eines Ereignisses innerhalb einer Messperiode

Ncharged „geladene Multiplizität“: Anzahl geladener Spuren im Zentraldetektor

Pcharged „geladene Energie“: Skalare Summe der in den Vertex-/Jet-/Z-Kammern gemesse-nen Impulse aller geladenen Spuren

E_ecal Gesamte im ECAL gemessene Energie

E_hcal Gesamte im HCAL gemessene Energie

E_lep Strahlenergie, d.h. halbe Schwerpunktsenergie

cos_thet Cosinus des Polarwinkels θ zwischen einlaufendem e+ und auslaufendem positivgeladenem Fermion (nur sinnvoll bei Zerfällen mit je einer eindeutigen positiv ge-ladenen Spur, also Z 0→ e+e− und Z 0→µ+µ−)

cos_thru Cosinus des Polarwinkels ϑ zwischen Thrust*- und Strahlachse

*Thrust Definiert n (ϑ,ϕ) eine beliebige Achse durch den Vertex eines Ereignisses, so lie-

fert die Größe maxϑ

Nchargedi=1 pi ·n (ϑ,ϕ)Ncharged

i=1 |pi |

ein Maß für die Auffächerung der gelade-

nen Spuren. Die Achse n (ϑ,ϕ), bei der das Maximum auftritt, wird als Thrustach-se bezeichnet. Sie entspricht meist in etwa der Achse, auf der das primär erzeugteFermion-Antifermion-Paar auseinandergeflogen ist.

/home/fpraktikum/analysis_scripts/part2/find_cuts.C

Legen Sie sich einen Plan für Ihr weiteres Vorgehen zurecht. Wie können Sie Ihre Schnittkriteri-en optimieren? Welche Informationen bzw. Verteilungen müssen Sie aus den Daten extrahieren,um die nachfolgenden Aufgaben lösen zu können?

(c) Überlegen Sie sich, wie Sie für den e+e−-Ereignistyp die Beiträge von s - und t -Kanal voneinan-der trennen können. Warum ist dies unbedingt notwendig?

Vergleichen Sie außerdem die Winkelverteilungen aller Kanäle für OPAL-Messdaten und MC-Daten miteinander. Was bedeutet das Ergebnis dieses Vergleichs für den τ+τ−-Kanal?

Wie müssen Sie Ihre Schnitte nun für den e+e−-Kanal und den τ+τ−-Kanal abändern und wel-chen Einfluss hat diese Änderung auf den weiteren Verlauf der Analyse dieser beiden und derübrigen Kanäle?

Am Ende dieses Aufgabenteils haben Sie also nun Ihre endgültigen Schnittkriterien festgelegt.Besprechen Sie Ihre Auswahl mit dem Versuchsbetreuer, bevor Sie mit dem nächsten Aufgaben-teil fortfahren.

(d) Bestimmen Sie sorgfältig die Nachweiswahrscheinlichkeiten und die Untergrundanteile dereinzelnen Kanäle, indem Sie die in Aufgabenteil (c) definierten Schnitte auf die simulierten Er-eignisse aus den MC-Datensätzen anwenden.

Beispiele:

• Durch Anwendung der ee-Selektionsschnitte auf den ee-MC-Datensatz bestimmen Siedie Akzeptanz der ee-Selektionsschnitte (wie viele „gute“ e+e−-Ereignisse gehen durchdie Schnitte verloren?).

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• Durch Anwendung der ee-Selektionsschnitte auf den tt-MC-Datensatz bestimmen Sieden τ+τ−-Untergrund, welcher durch Ihre Schnittwahl nicht aus dem e+e−-Kanal besei-tigt wird.

Stellen Sie Ihre Ergebnisse in Form einer Untergrund-Akzeptanz-Matrix (= Effizienzmatrix) darund überlegen Sie sich genau, wie Sie demzufolge bei der Analyse der echten OPAL-Daten inVersuchsteil III Ihre gemessenen Raten korrigieren müssen.

Wie sind dabei die statistischen Fehler zu behandeln?

4.3. Statistische Analyse von Messdaten

4.3.1. Durchführung verschiedener Experimente zum Zerfall des Z 0-Bosons

Experiment E1: Bestimmung der Zerfallsparameter des Z 0-Bosons(a) Bestimmen Sie bei jeder der sieben Schwerpunktsenergien die Anzahl der Ereignisse im

hadronischen und in den leptonischen Kanälen. Subtrahieren Sie den Untergrund undkorrigieren Sie auf die Akzeptanz Ihrer Selektionsschnitte.

Berechnen Sie dann die partiellen Wirkungsquerschnitte σ f für die hadronischen undleptonischen Ereignisse. Beachten Sie, dass ein Messergebnis ohne Angabe der Unsicher-heit (Fehler) wertlos ist!

Für diesen Aufgabenteil können Sie das Python-Skript eff_wq.py benutzen, welches Sieim Verzeichnis

/home/fpraktikum/analysis_scripts/part3/

finden. Nachdem Sie das Skript kopiert und angepasst haben (an welchen Stellen Anpas-sungen wie z.B. die Eingabe Ihrer eigenen Messdaten notwendig sind, entnehmen Sie denentsprechenden Anmerkungen im Code), rufen Sie es aus dem beinhaltenden Verzeich-nis heraus auf:

./eff_wq.py

Die zur Berechnung der Wirkungsquerschnitte benötigten Luminositäts- und Strahlungs-korrekturwerte sind in dem Skript bereits hinterlegt (die Luminositätswerte inklusive derFehler finden Sie auch in den Zusatzmaterialien in Tabelle F.1).

Bei der Ausführung wird eine Datei erstellt (standardmäßig: z0_results.txt), welchezu jeder der sieben Schwerpunktsenergien eine Zeile mit folgenden Spalten enthält:

Ecm[GeV] σe [nb] σµ [nb] στ [nb] σhad [nb]

Achtung: Die statistischen Fehler werden in diesem Python-Skript noch nicht behan-delt. Sie haben nun die Möglichkeit, das Skript diesbezüglich geeignet zu erweitern, oderdie Fehler auf andere Art und Weise zu bestimmen. Es bieten sich Computeralgebra-Programme wie z.B. MATLAB, MAPLE oder MATHEMATICA an. Für den nachfolgenden Ana-lyseschritt, nämlich den Fit der Resonanzkurve, werden die Fehlerangaben benötigt.

(b) Bestimmen Sie aus den partiellen Wirkungsquerschnitten mit Hilfe des ROOT-Makros

/home/fpraktikum/analysis_scripts/part3/fit_breitwigner.C

die Masse MZ 0 des Z 0-Bosons, seine ZerfallsbreiteΓZ 0 und die Peak-Wirkungsquerschnitteder drei leptonischen und des hadronischen Kanals durch χ2-Anpassung einer Breit-Wigner-Kurve an die Messpunkte der vier Resonanzkurven.

29

Beim Aufruf

.x fit_breitwigner.C("z0_results_errors")

in der ROOT-Kommandozeile werden folgende Größen aus der Eingabedatei aus insge-samt 10 Spalten eingelesen:

➀ ➁ ➂ ➃ ➄

Ecm [GeV] σe [nb] σµ [nb] στ [nb] σhad [nb] . . .

➅ ➆ ➇ ➈ ➉

→ . . . ∆Ecm [GeV] ∆(σe) [nb] ∆(σµ) [nb] ∆(στ) [nb] ∆(σhad) [nb]

Es ist wichtig, dass Sie beim Aufruf des Makros den Namen der Eingabedatei wie im Beispiel ge-zeigt ohne Endung angeben. Sofern die Endung Ihrer Textdatei nicht „.txt“ lautet, müssen Sie dasMakro geringfügig anpassen.

Diskussion der Güte des Fits: Wie viele Freiheitsgrade hat Ihre Anpassung? Woran erken-nen Sie, dass das Modell mit Ihren Daten verträglich ist? Geben Sie ein Vertrauensniveau(confidence level, C. L.) an.

(c) Bestimmung teilchenphysikalischer Größen durch Auswertung der Fit-Resultate:

(i) Bilden Sie aus Ihren Einzelergebnissen die gewichteten Mittelwerte ΓZ 0 und MZ 0

(Fehlerangabe nicht vergessen!). Vergleichen Sie diese mit den offiziellen Resultatender LEP-Experimente (siehe z.B. [PDG08] oder Abb. C.2 in den Zusatzmaterialien)sowie im Fall von ΓZ 0 mit der theoretischen Erwartung (siehe Tab. 2.2).

(ii) Berechnen Sie aus ΓZ 0 die mittlere Lebensdauer τZ 0 des Z 0-Bosons und geben Sieeine kurze Einordnung dieses Wertes: Wie groß ist τZ 0 verglichen mit der Lebens-dauer anderer instabiler Teilchen, und welche physikalische Bedeutung hat dieserWert?

(iii) Bestimmen Sie für jeden der vier Kanäle aus dem gemessenen Peak-Wirkungsquer-schnitt σpeak

f die Partialbreite Γ f . Überlegen Sie sich, mit welcher Partialbreite Sieam besten beginnen. Wie liegen Ihre gemessenen Ergebnisse unter Berücksichti-gung der Messunsicherheiten relativ zu den von Ihnen in der Vorbereitungsaufgabeberechneten theoretischen Werten?

Nachdem Sie nun Experiment E1 durchgeführt haben, wählen Sie aus den folgenden Experiment-vorschlägen (mit * markiert) mindestens einen weiteren zur Bearbeitung aus:

Experiment E2*: Überprüfung der LeptonuniversalitätWie deuten Sie Ihre Ergebnisse (insbes. die partiellen Peak-Wirkungsquerschnitte aus E1 (b)bzw. die Partialbreiten aus E1 (c)) hinsichtlich der Leptonuniversalität?

Wie groß ist das Verhältnis des Peak-Wirkungsquerschnitts im hadronischen Kanal zu denender leptonischen Kanäle?

Vergleichen Sie das Ergebnis mit den zu erwartenden Verhältnissen der Verzweigungsverhält-nisse (branching ratios, BR) und diskutieren Sie gegebenenfalls die Unterschiede.

Experiment E3*: Bestimmung der Anzahl leichter NeutrinogenerationenBestimmen aus Ihren Ergebnissen die Anzahl der „leichten“ (d.h. mν <MZ 0/2) Neutrinogene-rationen. Welche gemessenen Werte benutzen Sie hierfür am besten und welche Annahmenmüssen Sie für die Bestimmung machen?

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Experiment E4*: Bestimmung des Quark-Farbfaktors der starken WechselwirkungBetrachten Sie den experimentellen Wert Γhad aus Ihrer Analyse. Der im Standardmodell er-wartete Wert ist

ΓSMhad =Nc ·δQCD · (2Γu+3Γd) . (4.1)

Der Faktor δQCD ≈ 1+ αsπ ≈ 1.05 mit der Kopplungskonstanten αs der starken Wechselwir-

kung berücksichtigt die Gluonabstrahlungsprozesse der Quarks (Prozesse höherer Ordnung).Die theoretischen partiellen Breiten Γu, d können Sie Ihren eigenen Berechnungen aus denVorbereitungsaufgaben entnehmen. (Vorsicht, der Farbfaktor Nc darf in diese theoretischenPartialbreitenwerte noch nicht eingerechnet sein!) Durch den Vergleich von Γhad und ΓSM

hadlässt sich der Wert von Nc ermitteln.

Experiment E5*: Bestimmung des Weinberg-WinkelsVerwenden Sie die in E1 (c) ermittelten Partialbreiten Γ f , um mit Hilfe von Gl. (2.15) denWert von sin2θW zu berechnen. Rechnen Sie am besten in „natürlichen Einheiten“ (ħh = 1,c = 1). Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit dem Literaturwert (z.B. aus der Referenz [PDG08])und zeigen Sie die Ursachen eventueller Abweichungen auf.

Beurteilen Sie, ausgehend von der Relation e 2 = g 2 · sin2θW zwischen der elektromagneti-schen Ladung e und der „schwachen Ladung“ g , ob die schwache Wechselwirkung ihrem Na-men im Vergleich zur elektromagnetischen Wechselwirkung gerecht wird. (Zur Erinnerung:Für die Kopplungsstärke ist jeweils die Konstanteαem ∝ e 2 bzw.αschw ∝ g 2 ausschlaggebend.)

4.3.2. Diskussion der Ergebnisse

Diskutieren Sie ausführlich, welche stillschweigenden Annahmen Ihrer Analyse zugrunde liegenund betrachten Sie Ihre Ergebnisse misstrauisch und unter Beachtung systematischer Unsicher-heiten. Stellen Sie eine Liste möglicher systematischer Fehler auf.

Halten Sie diese Diskussion und Bewertung der Ergebnisse sowie der Fehlerquellen auch in IhremVersuchsprotokoll fest.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß und viel Erfolg bei der Durchführung des Versuchs!

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Literaturverzeichnis

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[Gru98] C. Grupen: Teilchendetektoren. Spektrum Akademischer Verlag, 1998

[Hal84] F. Halzen and A. D. Martin: Quarks and Leptons. "John Wiley & Sons", 1984

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[LHC08] The Large Hadron Collider. LHC website at CERN: http://public.web.cern.ch/public/en/LHC/LHC-en.html (2008)

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[Scho09] H. Schopper: LEP – The Lord of the Collider Rings at CERN 1980–2000. The Making,Operation and Legacy of the World’s Largest Scientific Instrument. Springer, 2009

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[ZRes06] The ALEPH, DELPHI, L3, OPAL, SLD Collaborations, the LEP Electroweak WorkingGroup, the SLD Electroweak and Heavy Flavour Groups:Precision electroweak measurements on the Z resonance. Phys. Rep. 427 (2006) 257 - 454.Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1016/j.physrep.2005.12.006→ (via SpringerLink, ggfs. nur aus der Uni-Bibliothek oder aus dem Uni-Netzwerk abrufbar)bzw. http://arxiv.org/abs/hep-ex/0509008v3→ (pre-print, frei zugänglich)

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