Anwendung der mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung ... · Heike Santen, Klaus Fricke,...

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Heike Santen, Klaus Fricke, Norbert Dichtl, Olaf Schulz Anwendung der mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung (MBA) in Brasilien Leitfaden zur integrierten Abfallbewirtschaftung mit Einbindung der MBA einschließlich Betrachtungen zur Deponierung, Sickerwasserreinigung und Altdeponiesanierung Endbericht zum BMBF-geförderten Pilotprojekt „Mechanisch-biologische Restabfallbehandlung und Deponierung einschließlich Sickerwasserreinigung und Altdeponiesanierung“ (Förderkennzeichen 02WA0531)

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Heike Santen, Klaus Fricke, Norbert Dichtl, Olaf Schulz

Anwendung der mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung (MBA) in Brasilien

Leitfaden zur integrierten Abfallbewirtschaftung mit Einbindung der MBA einschließlich Betrachtungen zur Deponierung, Sickerwasserreinigung und Altdeponiesanierung

Endbericht zum BMBF-geförderten Pilotprojekt „Mechanisch-biologische Restabfallbehandlung und Deponierung einschließlich Sickerwasserreinigung und Altdeponiesanierung“ (Förderkennzeichen 02WA0531)

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Herausgegeben von:

TU Braunschweig

Leichtweiß-Institut; Abt. Abfallwirtschaft

Institut für Siedlungswasserwirtschaft

GKE Consult GmbH, Braunschweig

Mit finanzieller Unterstützung durch:

Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF

Projektträger PTWA am Forschungszentrum Karlsruhe FZK

Autoren: Heike Santen

Klaus Fricke

Norbert Dichtl

Mitarbeit: Erwin Tochtrop Flávia Martins

Kai Münnich Tobias Bahr

Dieter Zachmann Jan Bauer

Mascha Brauns Philipp Hirtler

Svenja Gärtner Britta Engel

Sinan Ünligil Thomas Berger

Katarina Ávila André Vinícius A. Borgatto

Druck: Hubert & Co., Göttingen, 2007 (Auflage: 400)

Copyright: © TU Braunschweig, 2007

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-I-

INHALT

Inhalt..........................................................................................................................................I

Tabellen-Verzeichnis.............................................................................................................. IV

Abbildungs-Verzeichnis......................................................................................................... VII

Einleitung..................................................................................................................................1

Teil A – Projekt- und landesspezifische Grundlagen..........................................................3

1 Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft ........................................................4

1.1 Grundlagen der Privatsektorbeteiligung .................................................................4

1.2 Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft Brasiliens........................................7

1.3 Rahmenbedingungen für ausländische Investoren in Brasilien..............................8

2 Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien........................................................12

2.1 Geographie und Klima..........................................................................................12

2.2 Demographie und sozio-ökonomischer Kontext ...................................................12

2.3 Das föderative System Brasiliens und politischer Hintergrund .............................13

2.4 Wirtschaft und Wirtschaftspolitik – der Standort Brasilien ....................................14

2.5 Das brasilianische Umweltrecht und dessen Umsetzung.....................................17

3 Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien ...................................................22

3.1 Vorbemerkungen ..................................................................................................22

3.2 Abfallarten.............................................................................................................22

3.3 Abfallmasse ..........................................................................................................23

3.4 Abfallzusammensetzung.......................................................................................25

3.5 Zuständigkeiten, Privatsektorbeteiligung und Finanzierung .................................29

3.6 Sammlung und Transport .....................................................................................31

3.7 Abfallentsorgung...................................................................................................34

3.8 Recycling ..............................................................................................................38

Teil B – Pilotprojekt Novo Hamburgo.................................................................................43

4 Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion ..................................44

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-II-

4.1 Projektgebiet.........................................................................................................44

4.1.1 Der Bundesstaat Rio Grande do Sul und die Metropolregion Porto Alegre..........44

4.1.2 Novo Hamburgo....................................................................................................46

4.1.3 Rechtliche Grundlagen im Projektgebiet ..............................................................47

4.2 Ziele und Aktivitäten des Pilotprojekts ..................................................................51

4.3 Übersicht über die Abfallwirtschaft in Novo Hamburgo – Status quo ...................52

4.3.1 Abfallzusammensetzung.......................................................................................52

4.3.2 Müllabfuhr und Behandlung/Entsorgung ..............................................................53

4.3.3 Massenbilanz........................................................................................................56

4.3.4 Privatsektorbeteiligung und Kosten ......................................................................57

4.3.5 Zusammenfassende Bewertung ...........................................................................60

4.4 Untersuchungen zu den einzelnen Anlagenteilen ................................................61

4.4.1 Sortierung .............................................................................................................61

4.4.2 Biologische Behandlung .......................................................................................78

4.4.3 Deponierung .......................................................................................................101

4.4.4 Sickerwasserbehandlung....................................................................................118

5 Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien ...................................................128

5.1 Verfahrenskonzept..............................................................................................128

5.1.1 Vorgeschlagenes Behandlungskonzept für Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle in Novo Hamburgo..................................................................................128

5.1.2 Deponierung von biologisch vorbehandelten Abfällen - MBA-Deponie ..............132

5.2 Massenbilanz......................................................................................................135

6 Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts.......................................138

6.1 Kostenbetrachtungen..........................................................................................138

6.1.1 Allgemeine Hinweise zu den Kostenbetrachtungen ...........................................138

6.1.2 Invest- und Betriebskosten der mechanischen Aufbereitung .............................138

6.1.3 Invest- und Betriebskosten der biologischen Behandlung..................................139

6.1.4 Invest- und Betriebskosten der biologischen Methangasoxidation.....................142

6.1.5 Kosten der angepassten Sickerwasserbehandlung............................................142

6.1.6 Mögliche Einnahmen und Einsparungen ............................................................143

6.1.7 Zusammenfassung der Kosten und Einsparungen.............................................149

6.2 Lessons learned – Erfahrungen aus der Durchführung des Projekts .................152

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-III-

7 Zusammenfassung und Fazit ..........................................................................155

7.1 Hintergrund.........................................................................................................155

7.2 Recycling und Sortierung....................................................................................156

7.3 Biologische Behandlung .....................................................................................159

7.4 Deponierung .......................................................................................................160

7.5 Sickerwasserbehandlung....................................................................................162

7.6 Integriertes Konzept zur Abfallwirtschaft mit MBA..............................................162

7.7 Kosten, Einsparungen und Einnahmen ..............................................................164

7.8 Fazit ....................................................................................................................165

8 Anhang ..............................................................................................................169

8.1 Literatur...............................................................................................................169

8.2 Datenanhang ......................................................................................................175

8.2.1 Deponiegasprognosen........................................................................................175

8.2.2 Kostenberechnungen..........................................................................................177

8.3 Kontakte..............................................................................................................184

8.4 Karte von Brasilien..............................................................................................186

8.5 Glossar, Abkürzungen, Formelzeichen...............................................................187

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-IV-

TABELLEN-VERZEICHNIS Tabelle 1-1: Modelle der Privatsektorbeteiligung (VBI, 2007; Wolter, 2004; Blohm und

Lüder, 1995; Wikipedia, 2007) ......................................................................6

Tabelle 1-2: Arten und Charakteristika der Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft (Cointreau-Levine und Coad, 2000)..............................................................7

Tabelle 1-3: Übersicht über Unternehmenssteuern in Brasilien (Brasilianische Botschaft, 2006)...........................................................................................................11

Tabelle 2-1: Wirtschaftsdaten/Marktindikatoren für Brasilien im Jahr 2006 (AHK, 2006)....................................................................................................................15

Tabelle 2-2: Handelsbeziehungen Brasiliens - Lieferländer für Importe und Abnehmerländer für Exporte (AHK, 2006a) ................................................16

Tabelle 3-1: Hausmüllzusammensetzung in versch. brasilianischen Gemeinden im Vergleich zum Standard-Restmüll Deutschland .........................................28

Tabelle 3-2: Spezifische Kosten für die Deponierung nach Stand der Technik in versch. Gemeinden, Stand 2001/2002 (Jucá, 2002) ...............................................31

Tabelle 3-3: Ausgewählte Sickerwasserreinigungsanlagen in Brasilien (nach Jucá, 2002)....................................................................................................................37

Tabelle 3-4: Recyclingquoten für ausgewählte Wertstoffe in Brasilien in % des Verbrauchs (CEMPRE, 2006a)...................................................................40

Tabelle 3-5: Minimale und maximale Wertstoffpreise für sortierte und aufbereitete Wertstoffe in Brasilien in €/Mg (CEMPRE, 2006a) .....................................40

Tabelle 4-1: Allgemeine Daten zu Rio Grande do Sul (FEE, 2007)................................44

Tabelle 4-2: Wirtschaftsdaten 2006 von Brasilien (AHK, 2006a) und Rio Grande do Sul (FEE, 2007) im Vergleich............................................................................45

Tabelle 4-3: Schwermetallgrenzwerte und Hygieneanforderungen an organische Düngemittel in Brasilien (Normverordnung SDA No 27 des brasilianischen Landwirtschafts- und Versorgungsministeriums) sowie Anforderungen gem. deutscher Bioabfall-Verordnung .................................................................49

Tabelle 4-4: Anforderungen an Sickerwasser in Brasilien und Deutschland ..................50

Tabelle 4-5: Anforderungen an Sickerwasser in Brasilien in Abhängigkeit der Mengen in Brasilien ......................................................................................................50

Tabelle 4-6: Stoffliche Zusammensetzung des Hausmülls und hausmüllähnlicher Abfälle, Novo Hamburgo.............................................................................53

Tabelle 4-7: Abholzyklen der getrennten Wertstoffabfuhr, Novo Hamburgo ..................54

Tabelle 4-8: Invest- und Betriebskosten für die Kompostierung in Novo Hamburgo (eigene Berechnung) ..................................................................................59

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-V-

Tabelle 4-9: Übersicht über die spezifischen Kosten und Gesamtkosten der einzelnen abfallwirtschaftlichen Leistungen in Novo Hamburgo (Bezugsjahr 2006)...60

Tabelle 4-10: Sortierfraktionen, Wertstoffsammler-Kooperative Novo Hamburgo............62

Tabelle 4-11: Mengen aussortierter Wertstoffe sowie Erlöse, Wertstoffsammler-Kooperative Roselândia, Novo Hamburgo..................................................64

Tabelle 4-12: Spezifische Sortierleistung in kg aussortierte Wertstoffe pro Arbeiter und Tag; bezogen auf einen 8h Arbeitstag, in versch. Sortieranlagen in Brasilien....................................................................................................................65

Tabelle 4-13: Getrennt gesammelte Wertstoffmenge, Anschlussgrad an die getrennte Wertstoffsammlung und Kosten in verschiedenen brasilianischen Gemeinden (CEMPRE, 2006b; IBGE, 2007) ..............................................70

Tabelle 4-14: Hochrechnung möglicher Einnahmen aus dem Wertstoffverkauf bei Sortierung einer abgesiebten Grobfraktion > 100 mm in Novo Hamburgo .78

Tabelle 4-15: Trockensubstanz, organische Trockensubstanz sowie Haupt- und Spurennährstoff-Gehalte im Kompost, Novo Hamburgo ............................84

Tabelle 4-16: Schwermetallgehalte im Gesamtmüllkomposte in Novo Hamburgo und in anderen Komposten sowie Grenzwerte......................................................85

Tabelle 4-17: Analysenparameter von Input und Output der Kompostierung, Novo Hamburgo ...................................................................................................90

Tabelle 4-18: Spezifischer Luft- und Wasserbedarf der Kompostierung ..........................91

Tabelle 4-19: Übersicht über mögliche technische Varianten zur biologischen Behandlung in Novo Hamburgo ......................................................................................94

Tabelle 4-20: CO2-, CH4- und O2-Konzentrationen in den Gasdräns, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo (in Vol.-%) ......................................................................104

Tabelle 4-21: CO2- und CH4-Volumenströme in den Gasdräns, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo (in m³/h) .........................................................................104

Tabelle 4-22: Ergebnisse der Deponiegasprognose mit dem Ansatz nach Tabarasan/Rettenberger mit verschiedenen Eingangsparametern ..........105

Tabelle 4-23: Verwendete Faktoren für die Deponiegasprognose nach Weber, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo....................................................................106

Tabelle 4-24: Übersicht der Ergebnisse der Deponiegasprognosen für die Deponie Roselândia, Novo Hamburgo....................................................................107

Tabelle 4-25: Physikalische und chemische Parameter des Substrats der Methangasoxidationsschicht.....................................................................109

Tabelle 4-26: Methanoxidationsraten unter Einsatz verschiedenen Filtermaterialien (Laborversuche)........................................................................................112

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-VI-

Tabelle 4-27: Abschätzung der möglichen Reduktion der Methanemissionen in CO2-Äquivalenten, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo...............................118

Tabelle 4-28: Sickerwasserzusammensetzung des Zulaufs in Novo Hamburgo und Canoas......................................................................................................123

Tabelle 4-29: Bemessungsparameter für die Sickerwasserreinigungsanlagen der Deponie Roselândia in Novo Hamburgo .................................................................123

Tabelle 4-30: Reinigungsverfahren für Deponie-Sickerwasser und deren Wirksamkeiten für ausgewählte Soffgruppen ....................................................................124

Tabelle 4-31: Spezifischer Energie- und Betriebsmittelverbrauch der verschiedenen Verfahrensstufen in kWh/m³ bzw. kg/m³ Sickerwasser.............................126

Tabelle 5-1: Methanemissionen aus versch. Deponien ................................................134

Tabelle 5-2: Sickerwasser-Belastungen bei der Deponierung von verschiedenen Abfällen (Quelle: Kebekus et al., 2000) ....................................................134

Tabelle 6-1: Übersicht über die Invest- und Betriebskosten einer mechanischen Aufbereitung, Novo Hamburgo .................................................................139

Tabelle 6-2: Übersicht über die Invest- und Betriebskosten der biologischen Behandlung für versch. technische Varianten, Novo Hamburgo ..................................141

Tabelle 6-3: Detallierte Kostenaufstellung der Deponiesickerwasserreinigung, Novo Hamburgo (1. Ausbaustufe Teichanlage) .................................................143

Tabelle 6-4 : Mögliche Einnahmen aus CO2-Zertifikaten, Wertebereiche (Fricke et al., 2007).........................................................................................................146

Tabelle 6-5: Mögliche Einnahmen aus CO2-Zertifikaten, Wertebereiche bezogen auf den Input in die biologische Behandlung (34.020 Mg/a) für das vorgeschlagene Behandlungskonzept Novo Hamburgo .....................................................148

Tabelle 6-6: Kosten der Abfallbehandlung in Novo Hamburgo - Status quo (inkl. Langstreckentransport) .............................................................................150

Tabelle 6-7: Kosten der Abfallbehandlung in Novo Hamburgo nach dem optimierten Konzept, bei Beibehaltung des Langstreckentransports...........................150

Tabelle 6-8: Kosten der Abfallbehandlung in Novo Hamburgo bei durchschnittlichen Deponiekosten – Status quo.....................................................................151

Tabelle 6-9: Betriebskosten der Abfallbehandlung in Novo Hamburgo nach dem optimierten Konzept, bei durchschnittlichen Deponiepreisen ...................151

Tabelle 8-1: Detaillierte Kostenaufstellung der mechanischen Aufbereitung, Novo Hamburgo .................................................................................................178

Tabelle 8-2: Detaillierte Kostenaufstellung der biologischen Behandlung in Dreieckmieten mit mobilem Umsetzaggregat ...........................................179

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-VII-

Tabelle 8-3: Detaillierte Kostenaufstellung der biologischen Behandlung in statischen Mieten mit semi-permeabler Abdeckung ..................................................180

Tabelle 8-4: Detaillierte Kostenaufstellung der biologischen Behandlung in statischen Mieten in Boxenausführung mit semi-permeabler Membran ....................181

Tabelle 8-5: Detaillierte Kostenaufstellung der biologischen Behandlung in statischen Mieten mit passiver Belüftung (Kaminzug-Verfahren) ..............................182

Tabelle 8-6: Detaillierte Kostenaufstellung der angepassten Sickerwasserreinigung in einer Teichanlage .....................................................................................183

ABBILDUNGS-VERZEICHNIS Abbildung 2-1: Aufbau des nationalen Umweltsystems SISNAMA.....................................18

Abbildung 3-1: Einwohner-spezifisches Abfallaufkommen nach Gemeindegröße, Brasilien (IBGE, 2002) ...............................................................................................23

Abbildung 3-2: Abfallmengen und einwohnerspezifisches Abfallaufkommen in Rio de Janeiro (COMLURB, 2005; IBGE, 2007; PMRJ, 2007) ..............................24

Abbildung 3-3: Jahresgang des Aufkommens an Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen in Rio de Janeiro und Novo Hamburgo im Vergleich (Quelle: COMLURB, 2005; SEMAM-NH, 2004)..........................................25

Abbildung 3-4: Organik- und Wertstoffgehalte im Hausmüll im Vergleich zum mittleren Pro-Kopf-Einkommen, Rio de Janeiro, 2005 (COMLURB, 2005)......................26

Abbildung 3-5: Anteile ausgewählter Stofffraktionen am Hausmüll in Rio de Janeiro, 1981 - 2005 (COMLURB, 2005).............................................................................27

Abbildung 3-6: Anschlussgrade an die Hausmüllabfuhr in Brasilien nach Gemeinden (Quelle: IBGE, 2002)...................................................................................32

Abbildung 3-7: Bereitstellung von Hausmüll zur Abfuhr......................................................32

Abbildung 3-8: Frequenz der Hausmüllabfuhr in Brasilien nach Gemeinden (Quelle: IBGE, 2002)...........................................................................................................33

Abbildung 3-9: Abfallentsorgung in Brasilien, 1991 – 2000 (nach Jucá, 2002)...................35

Abbildung 3-10: Abfallentsorgung in Brasilien nach Gemeinden, 2000 (IBGE, 2002) ..........36

Abbildung 3-11 : Anzahl der Gemeinden mit getrennter Wertstoffsammlung in Brasilien, 1994 - 2005 (CEMPRE, 2006b) ...........................................................................39

Abbildung 4-1: Prognose der Abfallmassen für den Bundesstaat Rio Grande do Sul, 2006 (Intecsa, 2006) ............................................................................................46

Abbildung 4-2: Luftbild des Abfallentsorgungszentrums Roselândia, Novo Hamburgo, Süd-Brasilien ......................................................................................................54

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-VIII-

Abbildung 4-3: Massenbilanz des Abfallbehandlungszentrums Roselândia, Novo Hamburgo ...................................................................................................57

Abbildung 4-4: Blick in die Wertstoffsortierung in Novo Hamburgo ....................................62

Abbildung 4-5: Handelskette für Recyclingstoffe ................................................................66

Abbildung 4-6: Differenzierung der getrennten Wertstoffsammlung nach Hol-/Bringsystem und Einzel- oder Vielstoffgemischen...........................................................68

Abbildung 4-7: Sieblinie des Hausmülls und des Sortierrests in Novo Hamburgo im Vergleich .....................................................................................................73

Abbildung 4-8: Siebschnittverteilung der Fraktionen Papier/Pappe, Kunststoffe sowie Verbund (Tetra-Pack) im Hausmüll, Novo Hamburgo ................................74

Abbildung 4-9: Siebschnittverteilung der Fraktionen Eisen- und Nicht-Eisenmetalle im Hausmüll, Novo Hamburgo.........................................................................74

Abbildung 4-10: Siebschnittverteilung der Fraktion Organik im Hausmüll, Novo Hamburgo 75

Abbildung 4-11: Korngrößenverteilung von Resthaus- und Geschäftsmüll beim Einsatz unterschiedlicher Zerkleinerungsaggregate (Fricke et al. 2002c) ...............76

Abbildung 4-12: Stoffliche Zusammensetzung der Fraktion > 100 mm, Hausmüll Novo Hamburgo ...................................................................................................77

Abbildung 4-13: Blick auf die biologische Behandlung, Novo Hamburgo .............................79

Abbildung 4-14: Temperaturverlauf in der biologischen Behandlung, Beispielmieten 1, Novo Hamburgo ...................................................................................................80

Abbildung 4-15: Temperaturverlauf in der biologischen Behandlung, Beispielmieten 2, Novo Hamburgo ...................................................................................................81

Abbildung 4-16: Stoffliche Zusammensetzung des Inputs in die biologische Behandlung (Sortierrest), Novo Hamburgo.....................................................................82

Abbildung 4-17: Vergleich der stofflichen Zusammensetzung an verschiedenen Probenahmestellen, Roselândia, Novo Hamburgo.....................................83

Abbildung 4-18: Trockensubstanz-Gehalte im Verlauf der Kompostierung, Versuchsmieten, Novo Hamburgo..........................................................................................87

Abbildung 4-19: Temperaturen im Verlauf der Kompostierung, Versuchsmieten, Novo Hamburgo ...................................................................................................88

Abbildung 4-20: Massenabbau in der Kompostierung - Vergleich Kompostierungsversuche Novo Hamburgo..........................................................................................89

Abbildung 4-21: Sieblinie des biologisch behandelten Abfalls ..............................................91

Abbildung 4-22: Massenbilanz der Siebung nach der biologischen Behandlung, Novo Hamburgo ...................................................................................................92

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-IX-

Abbildung 4-23: Offene Mietenkompostierung, Radlader beim Mietenaufsetzen .................96

Abbildung 4-24: Offene überdachte Mietenkompostierung, erste Bioabfallkompostanlage, Witzenhausen (Baujahr 1985) ....................................................................96

Abbildung 4-25: Dreiecksmietenumsetzer (Fa. BACKHUS) .................................................97

Abbildung 4-26: Skizze Saugbelüftungssystem für Dreieckmieten.......................................98

Abbildung 4-27: Ansicht statischer Mieten mit semipermeabler Abedeckung in Boxen-Ausführung (Biodegma-Anlage)..................................................................99

Abbildung 4-28: Schematische Darstellung des Kaminzugverfahrens ...............................100

Abbildung 4-29: Blick auf die Deponie Roselândia, Novo Hamburgo .................................102

Abbildung 4-30: Lage der Gasdräns, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo.....................103

Abbildung 4-31: Prognose der jährlichen Deponiegasvolumen nach dem Ansatz von Weber (1980), Deponie Roselândia, Novo Hamburgo .........................................106

Abbildung 4-32: Halbtechnischer Versuchsstand zur Untersuchung der Methanoxidation unter humiden Klimaten (Durchmesser: 39 cm, Höhe: 200 cm) ...............109

Abbildung 4-33: Methanoxidationsraten und Bildungsraten von Kohlendioxid in [mol/m² h], normiert auf 27°C, N = Niederschläge [mm/m²] ........................................111

Abbildung 4-34: Methanoxidationsraten [mol/m² h], normiert auf 27°, Starkregenereignis 22 Stunden.....................................................................................................111

Abbildung 4-35: Gaskonzentrationen über das Säulenprofil vor und nach achtstündigem Niederschlagsereignis hoher Intensität.....................................................112

Abbildung 4-36: Versuchssäule auf der Deponie Roselândia, Novo Hamburgo................114

Abbildung 4-37: Methankonzentrationen über die Filterhöhe der Versuchssäule B, direkt auf dem Gasdrän montiert, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo................115

Abbildung 4-38: Methankonzentrationen über die Filterhöhe der Versuchssäule, C und H, direkt auf der Abfalloberfläche montiert, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo .................................................................................................115

Abbildung 4-39: Schematische Darstellung der Sickerwasserreinigungsanlage der Deponie Roselândia, Novo Hamburgo....................................................................119

Abbildung 4-40: Erster Behandlungsteich mit Belüfter sowie zerstörter Folienbereich, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo .....................................................119

Abbildung 4-41: Täglicher Sickerwasserabfluss Ab der Monate Juli und August 2005, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo .....................................................121

Abbildung 4-42: Verfahrenskombinationen zur Sickerwasserreinigung..............................125

Abbildung 5-1: Vorgeschlagenes Behandlungskonzept für Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle in Novo Hamburgo ........................................................................128

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-X-

Abbildung 5-2: Erzielbare Einbaudichten bei versch. Einbauverfahren und Abfallarten, Erfahrungen aus Deutschland, Thailand und Brasilien (eigene Daten; Hüttner et al., 2005) ..................................................................................133

Abbildung 5-3: Deponierungs-Kosten für Reaktor-Deponien (unvorbehandelte Abfälle) und für MBA-Deponien, Beispielrechnung für das Pilotprojekt Phitsanulok, Thailand (Quelle: Hüttner et al., 2005)......................................................135

Abbildung 5-4: Massenfluss für das vorgeschlagene Abfallbehandlungskonzept in Novo Hamburgo .................................................................................................136

Abbildung 6-1: Kosten der biologischen Abfallbehandlung in versch. Pilotprojekten (Quelle: Hüttner et al., 2003) ..................................................................................140

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Einleitung

-1-

EINLEITUNG Von der Abfallwirtschaft zur Ressourcenwirtschaft: Sekundärressourcen aus Abfällen kommt eine weiterhin steigende Bedeutung zu. So ist weltweit eine zunehmende Verknappung von Rohstoffen zu beobachten und die Märkte für Sekundärrohstoffe wachsen. Vor diesem Hintergrund steigt die Bedeutung von Abfallwirtschaftskonzepten und Behandlungsverfahren, die eine Stoffstromauftrennung und ein weitgehendes Recycling sicher stellen können. Gleichzeitig setzen die internationalen Bemühungen um den Klimaschutz neue Rahmenbedingungen für die Abfallwirtschaft. Bei der Auswahl von Abfallbehandlungstechnologien werden zunehmend Fragen nach klimarelevanten Emissionen und der Energieeffizienz sowie der Nutzung der im Abfall enthaltenen Energie berücksichtigt. Abfallwirtschaftskonzepte und –verfahren müssen heute verstärkt danach bewertet werden, ob sie eine umfassende Rückgewinnung recyclebarer Wertstoffe sicherstellen, ob sie dies in energetisch effizienter Weise tun und ob sie insgesamt zu einer Reduktion klimarelevanter Emissionen beitragen.

In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Deponierung gemischter Sieldungsabfälle noch immer die vorherrschende Praxis. Ein steigendes Umweltbewusstsein und vor allem drängende Probleme aus dem unsachgemäßen Abkippen von Abfällen lassen den Bedarf an geeigneten Instrumenten der Abfallwirtschaft nicht nur in Brasilien, sondern in vielen Ländern Lateinamerikas stark steigen.

Die mechanisch-biologische Abfallbehandlung (MBA) stellt eine flexible und anpassungsfähige Technologie der Abfallbehandlung dar, mit sich der verschiedene Behandlungsziele erreichen lassen. Sie kann als kosteneffizient gelten und erlaubt unterschiedlichste Anlagengrößen. Im Kontext der oben dargestellten Entwicklungen kann sie als eine Schlüsseltechnologie angesehen werden. Angepasste Konzepte zur MBA stoßen in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern wie auch in Brasilien auf großes Interesse.

Viele deutsche Unternehmen verfügen gerade auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft und speziell der Abfallbehandlung über ausgeprägtes Know-how und bewährte Technologien. Vor allem mittelständische Betriebe können flexibel und mit hoher Umsetzungsgeschwindigkeit auf den neuen Märkten agieren.

Im diesem Spannungsfeld liegen große Potenziale für den Transfer von bewährten Technologien aus den westlichen Ländern und insbesondere Deutschland in die oben genannten Länder. Wie bei jeder Technologieeinführung müssen jedoch die Rahmenbedingungen bekannt sein und die Technologien den lokalen Anforderungen angepasst werden. Wichtige Faktoren dabei sind u. a.:

Kulturelle, soziale, ökologische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen;

Vorhandenes Know-how und Ausbildungsstandard;

Integration der im Land vorhandenen Technologien;

Status der Ver- und Entsorgung;

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Einleitung

-2-

Vorhandene Infrastruktur und Sekundärrohstoffmärkte;

Abfallwirtschaftliche, geographische und klimatologische Kenngrößen.

Der vorliegende Leitfaden will einen Beitrag zum angepassten Transfer der in Europa etablierten MBA-Verfahren leisten. Er fasst die verfügbaren Informationen zur MBA in Brasilien einschließlich der angrenzenden Bereiche wie Abfallerfassung und Getrenntsammlung, Kompostproduktion und -anwendung, Wertstoffsortierung und Sekundärbrennstoffausschleusung sowie Deponierung und Sickerwasserreinigung anwendungsbezogen zusammen und kommentiert sie.

Der Leitfaden ist das Ergebnis mehrjähriger Forschungsarbeit zur MBA und angrenzender Bereiche in Brasilien. Einen Schwerpunkt dieser Forschungstätigkeit bildet das Pilotprojekt zur MBA in Novo Hamburgo, das die TU Braunschweig und GKE Consult GmbH mit Förderung des BMBF von im Zeitraum von 2002 bis 2007 durchführten. Im Zentrum des Projekts stand die Frage, wie sich die MBA unter brasilianischen Bedingungen in ein integriertes Abfallwirtschaftskonzept einpassen lässt. Dem Wissenstransfer wurde in diesem Projekt besondere Bedeutung beigemessen, da nur bei ausreichender Weitergabe der Erfahrungen ein nachhaltiger Nutzen sowohl für die deutschen Anlagenbauer und Berater, aber auch für die Partner vor Ort zu erzielen ist.

In diesem Sinne versteht sich der vorliegende Leitfaden als eine Hilfestellung für alle Experten und Entscheidungsträger in der europäisch-brasilianischen Abfallwirtschaft.

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TEIL A – PROJEKT- UND LANDESSPEZIFISCHE GRUNDLAGEN

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Teil A - Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft

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1 PRIVATSEKTORBETEILIGUNG IN DER ABFALLWIRTSCHAFT

1.1 GRUNDLAGEN DER PRIVATSEKTORBETEILIGUNG

Die Privatsektorbeteiligung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben wird - u.a. unter dem Stichwort PPP Public Private Partnerships oder unter dem entsprechenden deutschen Begriff ÖPP Öffentlich-private Partnerschaften - in der letzten Zeit verstärkt diskutiert.

Durch die Übertragung öffentlicher Aufgaben an private Unternehmen werden eine Reihe von Vorteilen erwartet (Cointreau-Levine und Coad, 2000; Coad, 2005; Dorvil, 2006):

Private Unternehmen bringen privates Kapital für die öffentliche Aufgabenerfüllung ein. Die Fähigkeit der öffentlichen Hand, größere Investitionen zu tätigen, ist in vielen Ländern und auf fast allen Verwaltungsebenen bei häufig unterfinanzierten Haushalten begrenzt und verhindert bzw. verzögert oftmals auch technisch und infrastrukturell wichtige Investitionsvorhaben. Mit Privatkapital können solche Projekte u.U. schneller und effizienter durchgeführt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang gerade für Schwellen- und Entwicklungsländer, dass die Privatsektorbeteiligung bei investiven Projekten einen Beitrag zur Überwindung der hohen Staatsverschuldung leisten kann: wenn die Investitionen zunächst von Privaten getätigt und über Gebühren refinanziert werden, muss die öffentliche Hand keine zusätzlichen Kredite aufnehmen und kann so Ihren Haushalt entlasten.

Das spezifische Know-how, das private Unternehmen einbringen können, ist besonders für Schwellen- und Entwicklungsländer wie Brasilien als relevantes Argument für eine Privatsektorbeteiligung zu beurteilen: hier verfügen die öffentlichen Angestellten oftmals nicht über die erforderlichen speziellen Qualifikationen. Dem entsprechend ist das spezifische Wissen, das für Planung, Bau und Betrieb vieler öffentlicher Dienstleistungen und Infrastruktur erforderlich ist, nicht immer in ausreichendem Maße vorhanden.

Private Unternehmen unterliegen dem Wettbewerb um die günstigsten Preise und den besten Service. Allgemein wird von der Privatsektorbeteiligung eine Effizienzsteigerung erwartet, sei es, dass Private die gleichen Leistungen zu geringeren Kosten oder einen besseren Service zu gleichen Kosten liefern können. Privaten Unternehmern wird ein besserer Zugang zu Fachkräften zugesprochen. Sie können diese flexibel und bedarfsgerecht einbinden; ähnliches gilt auch für die Bereitstellung von Infrastruktur und Ressourcen wie Fahrzeuge und Maschinen. Des Weiteren sind private Unternehmen weniger an teilweise langwierige administrative Prozesse gebunden als öffentliche Institutionen und können daher oftmals mit höherer Umsetzungsgeschwindigkeit agieren.

Durch die Beteiligung des Privatsektors können – entsprechend der Ausgestaltung des Vertrags – erhebliche Verbesserungen im Entsorgungs- und Servicestandard auch in kurzer Zeit erreicht werden, ohne dass die öffentliche Hand eigene Ressourcen bereitstellen muss. Gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern bestehen bei den zuständigen öffentlichen Trägern oftmals keine geeigneten

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Teil A - Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft

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Strukturen, die die Wahrnehmung umfangreicher zusätzlicher planerischer und betrieblicher Aufgaben erlauben. Die Vergabe öffentlicher Dienstleistungen und Investitionsvorhaben an Private kann daher eine Entlastung der öffentlichen Verwaltung darstellen.

Dem entgegen bestehen eine Reihe von Vorbehalten gegenüber der Privatsektorbeteiligung (Coad, 2006; Dorvil, 2006; Wegener, 2007; Rothenberger, 2005):

Durch private Beteiligungsmodelle werden die Investitionskosten über die Refinanzierung für die öffentliche Hand über einen u. U. langen Zeitraum gestreckt. Dabei besteht grundsätzlich die Gefahr, dass die kurzfristigen finanziellen Vorteile höher bewertet werden als die langfristigen Folgekosten; so entstehen Belastungen, die die Finanzkraft der Kommune übersteigen können.

Die Festlegung von vernünftigen und überprüfbaren Zielgrößen für die Leistungserbringung erweist sich gerade im Bereich der Abfallwirtschaft als sehr schwierig, da zum einen üblicherweise nur wenig Daten vorhanden sind und zum anderen über die Vertragslaufzeit erhebliche Veränderungen der Rahmenbedingungen z.B. hinsichtlich Abfallmengen und –zusammensetzung, gesetzlicher Standards, Siedlungsstrukturen etc. möglich sind. Dem entsprechend birgt auch die gerechte Verteilung der Risiken zwischen privaten Unternehmen und Öffentlicher Hand erhebliche Schwierigkeiten.

Bei einigen Leistungsbereichen wie der öffentlichen Daseinsvorsorge ist das Herstellen einer Wettbewerbssituation zwischen verschiedenen privaten Bewerbern oftmals schwierig, da es sich bei den zu privatisierenden Leistungen um langfristige Aufgaben mit monopolähnlichen Strukturen handelt.

Bei der Privatisierung abfallwirtschaftlicher Leistungen ist die Integration ökologischer und sozialer Aspekte schwer. So werden die Belange der informellen Müllsammler vielfach nicht ausreichend berücksichtigt und es werden keine Anreize zur Abfallvermeidung und zum Recycling geschaffen.

Eine Anpassung der abfallwirtschaftlichen Leistungen an veränderte politische Zielsetzungen ist bei langfristigen Verträgen oftmals nur eingeschränkt möglich. Die Privatisierung öffentlicher Leistungen bedingt dann einen Verlust von Einflussmöglichkeiten auf Art und Qualität der Leistungen.

Als Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Privatsektorbeteiligung werden i.A. eine ausgewogene Definition der Leistungen und Risiken beider Partner als Ergebnis eines soliden Entscheidungsfindungs- und Planungsprozesses sowie ausreichende Kontrolle und Eingriffsmöglichkeiten der öffentlichen Hand angesehen. Dadurch entstehen so genannte Transaktionskosten, die die finanziellen Vorteile der Privatisierung kompensieren oder sogar übersteigen können.

Grundsätzlich muss bei der vergebenden Kommune eine ausreichende technische und administrative Kapazität zur Entscheidungsfindung, Verhandlung und Kontrolle vorhanden sein, die für eine erfolgreiche Privatsektorbeteiligung unabdingbar ist. Es

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Teil A - Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft

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muss im Einzelfall geprüft werden, ob die bestehenden Verwaltungsstrukturen dazu ausreichen.

Gelegentlich wird befürchtet, dass eine verstärkte Privatsektorbeteiligung die Gefahr einer vermehrten Korruption und Veruntreuung öffentlicher Mittel birgt.

In der Fachwelt sind die Chancen der Privatsektorbeteiligung für Schwellen- und Entwicklungsländer insbesondere für die Abfallsektor inzwischen unbestritten (Dorvil, 2006; Coad, 2005). Der fachliche Diskurs konzentriert sich dem entsprechend weniger auf das „Ob“ sondern mehr auf das „Wie“, d.h. auf die Frage, wie die unbestreitbaren Vorteile der Privatsektorbeteiligung ausgeschöpft werden können und wie erfolgreiche Partnerschaften vertraglich und organisatorisch gestaltet werden müssen.

Unter dem Stichwort „Privatsektorbeteiligung“ werden eine Vielzahl von Modellen zusammengefasst, mit denen öffentliche Aufgaben vollständig oder teilweise an private Unternehmen delegiert oder in Kooperation mit diesen wahrgenommen werden (Tabelle 1-1).

Tabelle 1-1: Modelle der Privatsektorbeteiligung (VBI, 2007; Wolter, 2004; Blohm und Lüder, 1995; Wikipedia, 2007)

Modell der Privasektorbeteiligung

Charakteristika

Kooperationsmodell gemischtwirtschaftliche Unternehmen, in die Öffentliche Hand und private Unternehmen jeweils ihre Kompetenzen einbringen

Betriebermodell private Unternehmen errichten und betrieben ein Infrastrukturprojekt im Auftrag der öffentlichen Hand; Bauherreneigenschaft und wirtschaftliches Risiko übernimmt das private Unternehmen; Finanzierung über festegelegte Gebühren, die der Nutzer (öffentliche Hand) entrichtet

Betriebsführungsmodell (Konzessionsmodell)

Ein privates Unternehmen betriebt auf vertraglicher Basis gegen Entgelt und in dessen Namen Anlagen des öffentlichen Aufgabenträgers

Betriebsüberlassungsmodell Zwischenform zwischen Betreibermodell und Betriebsführungsmodell mit weitgehender Autonomie des privaten Betriebsführers

BOT-Modell (Build-Operate-Transfer)

Schlüsselfertige Erstellung von Anlagen einschließlich Finanzierung der Vorlaufkosten und umfassendem Projektmanagement sowie Betriebsübernahme für die Anlaufphase durch private Unternehmen bzw. eigens gegründete Projektgesellschaften; Abwandlungen: BOO (Build-Own-Operate), BOOT (Build – Own – Operate - Transfer), BLT (Build - Lease - Transfer); ggf. einschließlich Planung und Gestaltung (Design & Build)

Für den Bereich abfallwirtschaftlicher Leistungen sind vor allem einfache Dienstleistungsverträge (z.B. für die Müllabfuhr) und Konzessionsmodelle relevant (Tabelle 1-2). In vielen Ländern, so auch in englischsprachigen Ländern und Brasilien, werden allerdings auch dem BOT-Modell ähnliche Arten der Privatsektorbeteiligung einschl. Investitionen durch Private unter dem Begriff der Konzession subsumiert.

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Teil A - Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft

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Tabelle 1-2: Arten und Charakteristika der Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft (Cointreau-Levine und Coad, 2000)

Art der Privatsektorbeteiligung Einnahmequelle Monopol im

Entsorgungsgebiet Art der Leistungen

Dienstleistungsvertrag Öffentlicher Entsorgungsträger Ja Dienstleistung

Franchise Nutzer Ja Dienstleistung

Private Einzel-Verträge Nutzer Nein Dienstleistung

Konzession Öffentlicher

Entsorgungsträger und Nutzer-Gebühren

Ja Invest und Betrieb

1.2 PRIVATSEKTORBETEILIGUNG IN DER ABFALLWIRTSCHAFT BRASILIENS

In Brasilien ist die Übertragung kommunaler Aufgaben auf „Dritte“ im Bundesgesetz No 8.987/95 (Anonym, 1995) definiert. Demnach können Aufgaben, die in die Zuständigkeit der Kommunen fallen, entweder an Körperschaften öffentlichen Rechts, kommunale Unternehmen oder an privatwirtschaftliche Unternehmen vergeben werden. In dem Gesetz ist auch die Möglichkeit der Gründung von interkommunalen Zweckverbänden vorgesehen (D’Almeida et al., 2000). Diese Möglichkeit der Vergabe kommunaler Aufgaben an „Dritte“ betrifft auch die Dienstleistungen der Stadtreinigung.

Grundsätzlich werden dabei zwei Arten der Vergabe unterschieden, diese kann durch:

eine ‚Genehmigung‘ (permissão) erfolgen, bei der es sich um einen „widerruflichen Verwaltungsakt“ (ato administrativo precário) handelt, mit dem die Durchführung von Leistungen öffentlichen Interesses an private Unternehmen abgegeben wird;

eines Verwaltungsvertrags (contrato administrativo) in Form einer Konzession (concessão) an Dritte delegiert werden. Dies ist in Brasilien die übliche Form der Vergabe. Nach brasilianischer Definition kann einer solchen Konzession ein Betriebsführungs-/Betriebsüberlassungsmodell (concessão de serviço público) oder auch ein Betreiber-Modell zu Grunde liegen (concessão de serviço público precedida da execução de obra pública – Konzession mit vorherigem Bau).

Basis der Vergabe ist immer eine Ausschreibung (licitação), die nur dann entfällt, wenn es sich bei dem Auftragnehmer um ein Unternehmen ohne Gewinnabsichten handelt, das eigens zur Erfüllung der zu vergebenden Aufgaben durch die Stadtverwaltung gegründet wurde. Die Regelung, Ordnung und Überwachung der Dienstleistungen bzw. der Auftragnehmer verbleibt immer bei der Stadtverwaltung, die sich zusätzlich das Recht vorzubehalten hat, die Leistungen im Falle von mangelnder Erfüllung durch das Privatunternehmen wieder selber zu erbringen. Die rechtlichen Grundlagen der Vergabe öffentlicher Dienstleistungen durch Genehmigungen und Konzessionen sind in dem Bundesgesetz No 8.987/95 festgeschrieben. Zusätzlich sind noch die gesetzlichen

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Teil A - Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft

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Regelungen bei der Durchführung von Ausschreibungen zu beachten (Gesetz No 8.666/94 und seine Novellen, die Gesetze No 9.076/95 und No 9.180/95)

Für die Genehmigung zum Betrieb eines Abfallentsorgungszentrums sind Lizenzgebühren an das Umweltamt zu entrichten. Zunächst müssen Anmelde- und Genehmigungsgebühren und nach erfolgter Genehmigung Betriebsgebühren gezahlt werden. Diese richten sich u.a. nach der Größe und dem Verschmutzungspotenzial.

Für Entsorgungsdienstleistungen industrieller Abfälle gilt der freie Wettbewerb.

1.3 RAHMENBEDINGUNGEN FÜR AUSLÄNDISCHE INVESTOREN IN BRASILIEN

Ausländische Investoren und Dienstleistungsanbieter, die auf dem brasilianischen Markt agieren wollen, stehen die folgenden Möglichkeiten für geschäftliche Aktivitäten zur Verfügung (AHK, 2006b):

Handelsvertretung

Joint Venture

Kauf/Beteiligung an einem brasilianischen Unternehmen

Gründung einer Tochtergesellschaft

Die wesentlichen Merkmale dieser Geschäftsformen sind im nachfolgenden Kasten zusammengefasst. Weitergehende Informationen sowie Beratung sind bei der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Außenhandelskammer (AHK Brasil) verfügbar; die AHK Brasil unterhält Büros in mehreren brasilianischen Großstädten sowie ein Kontaktbüro in Frankfurt (Main).

Alle Auslandsinvestitionen in Brasilien müssen bei der Zentralbank (Banco Central do Brasil) angezeigt und im Falle von Sachinvestitionen sogar genehmigt werden. Nur auf Grundlage einer Genehmigung ist eine Rückführung des Kapitals oder ein Gewinntransfer möglich. Beide sind keinerlei Beschränkungen unterworfen.

Brasilien und Deutschland haben im Jahr 1975 ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen, mit dem verhindert wird, dass Dividenden, Gewinne, Zinsen oder Einkommen von Arbeitnehmern in beiden Ländern besteuert werden. Dieses wurde im April 2005 von deutscher Seite gekündigt und ist seit Anfang 2006 außer Kraft getreten. Trotz der weiterhin bestehenden steuerlichen Anrechnungsmöglichkeiten kann es daher zu einer Doppelbesteuerung kommen. Ein baldiger Abschluss eines neuen Abkommens wird nicht erwartet.

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Teil A - Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft

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GESCHÄFTSFORMEN FÜR AUSLÄNDISCHE FIRMEN (QUELLE: AHK, 2006B)

Handelsvertretung

Die Einrichtung einer Handelsvertretung (Representação Comercial) stellt in der Regel die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit dar, als ausländisches Unternehmen auf dem brasilianischen Markt zu agieren. Sie wird als probate Möglichkeit zur Erschließung eines neuen Markts oder die Einführung neuer Produkte angesehen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der ausländische Exporteur keinen eigenen Rechtsstatus erwirbt und die Geschäftsbeziehungen so unter Umständen ein plötzliches Ende finden können. Die Tätigkeit des Handelsvertreters ist zum Teil im neuen brasilianischen Zivilgesetzbuch, im Wesentlichen aber in einem Sondergesetz geregelt, das zahlreiche Regelungen zugunsten des Vertreters beinhaltet. So muss bei Beendigung der Handelsvertretung i.d.R. eine Abfindung in Höhe von 1/12 aller gezahlten Vergütungen gezahlt werden.

Joint Ventures

Joint Ventures unterliegen in Brasilien keiner gesetzlichen Regelung und erfordern daher eine ausführliche vertragliche Reglung der Rechten und Pflichten beider Partner. Grundsätzlich können die möglichen Beiträge der Partner sowohl aus Kapital als auch Know-how bestehen. Als interessant können Joint Ventures dann angesehen werden, wenn die ausländischen Partner hochwertige Technologie oder ein marktgängiges Produkt einbringen können, während der brasilianische Partner ein landeskundiges Management zur Verfügung stellt. Die Europäische Union fördert die Gründung von Joint Ventures zwischen EU-Unternehmen und deren brasilianischen Partnern auf Basis des Programms „European Community Investment Partners“.

Beteiligungen/Kauf einer brasilianischen Gesellschaft

Beschränkungen für ausländische Investoren beim vollständigen Kauf oder beim Erwerb von Anteilen einer brasilianischen Gesellschaft bestehen nach der brasilianischen Verfassung nur noch in wenigen Wirtschaftsbereichen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Nuklear- oder Raumfahrtindustrie. Der Erwerb der Beteiligung an einer Gesellschaft muss vertraglich zwischen dem oder den bisherigen Gesellschaftern und dem Investor als zukünftigen Gesellschafter geregelt werden; dabei wird die Gesellschaft selbst in ihrem status quo nicht berührt.

Es ist allerdings zu beachten, dass u.U. eine Genehmigung des Kartellamts CADE (Conselho Administrativo de Defesa Econômica) erforderlich wird. Zwingend vorgeschrieben ist sie bei Fusion, Inkorporation, Kauf und Verkauf von Unternehmen oder sonstigen Zusammenschlüssen von Gesellschaften, wenn beteiligte Unternehmen/beteiligte Unternehmensgruppen in Brasilien mehr als 20% des „relevanten Marktes" kontrollieren oder wenn einer der betroffenen Parteien bzw. die Gruppe, zu der sie gehört, nach der letzten Bilanz weltweit einen Jahresumsatz von über R$ 400 Mio. hatte (im Mai 2006 entsprach dies rund € 140 Mio). Der Begriff „relevanter Markt" ist allerdings nicht gesetzlich definiert.

Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft

Die Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft hat gegenüber der Beteiligung an brasilianischen Firmen den Vorteil, dass dadurch keine Abhängigkeiten von einem lokalen Partner entstehen. Dem gegenüber steht allerdings das zumindest in der Anfangsphase erhebliche Risiko der fehlenden Kenntnis der landesüblichen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr und im Umgang mit Behörden.

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Teil A - Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft

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Die AHK Brasil empfiehlt die Gründung einer GmbH (Limitada - Ltda.) oder einer Aktiengesellschaft (Sociedade Anônima - SA). Die Gründung eines kaufmännischen Einzelunternehmens, einer Offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft, die im brasilianischen Recht ähnlich wie in Deutschland ausgestaltet sind, ist möglich, wird jedoch von der AHK Brasil aufgrund der persönlichen Haftung der Gesellschafter nicht empfohlen. Mit solchen Personengesellschaften sind ferner auch keine steuerlichen Vorteile verbunden.

Im Folgenden wird ein Überblick über die Steuern und Abgaben für Unternehmen in Brasilien gegeben, die vom Bund, den Regionalstaaten bzw. den Gemeinden erhoben werden (Brasilianische Botschaft, 2006). Die Zusammenstellung der Steuern erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie gibt einen Überblick der relevanten Steuern für Unternehmen und berücksichtigt keine speziellen Steuern für Privatpersonen.

Die indirekten Steuern nehmen einen größeren Anteil als in Deutschland ein. Die unternehmerische Tätigkeit wird mit der Industrieproduktesteuer IPI (Imposto sobre Produtos Industrializados) belastet, die bei Lieferung und Import von Waren anfällt, sowie mit der Umsatzsteuer auf Waren und Dienstleistungen ICMS (Imposto sobre Circulação de Mercadorias e Serviços). Bei dem Kauf oder der Anmietung von Immobilien werden Grundsteuern in Höhe von zwei Prozent des tatsächlichen Wertes der Transaktion bzw. des Schätzwertes erhoben. Für den Besitz von Grundstücken und Gebäuden wird die Immobiliensteuer IPTU (Imposto Predial e Territorial Urbano) eingefordert, die etwa ein Prozent des aktuellen Wertes der Immobilie beträgt. Erwirtschaftet ein Unternehmen Gewinne, muss es eine Körperschaftssteuer zahlen, die „Einkommenssteuer für juristische Personen“ (Imposto de Renda da Pessoa Jurídica – IRPJ) heißt. Weiterhin fallen gewinnabhängige Sozialabgaben an.

Beim Import von Fertigwaren und Rohstoffen erhebt der Bund Einfuhrzoll. Am 1. Januar 1995 trat die Zollunion Mercosul (Mercado Comum do Sul) in Kraft, die die Mitgliedsländer Argentinien, Brasilien, Paraguay Uruguay, und Venezuela sowie die assoziierten Staaten Chile, Bolivien, Peru, Kolumbien und Ecuador umfasst. Innerhalb dieser Zollunion können fast alle Produkte zollfrei gehandelt werden. Für 85 Prozent aller Waren und Dienstleistungen aus Nichtmitgliedsländern gilt ein gemeinsamer Außenzolltarif (Tarifa Externa Comum – TEC), der zwischen 3 und 23 Prozent ad valorem schwankt und im Durchschnitt bei 12 Prozent liegt. Darüber hinaus unterliegen eingeführte Waren den Verbrauchssteuern IPI und ICMS und der Importeur muss eine Art Schifffahrtsabgabe zahlen, die 25 Prozent der Frachtkosten entspricht. Im Zahlungs- und Überweisungsverkehr fällt die Finanzgeschäftssteuer (Imposto sobre Operações Financeiras - IOF) bei Emissions-, Kredit- und Versicherungsgeschäften an. Auch alle in Fremdwährung durchgeführten Transaktionen werden besteuert. Seit Oktober 1996 wird weiterhin eine Abgabe auf Bewegungen im Zahlungsverkehr (Contribuição Provisória sobre Movimentos Financeiros - CPMF) erhoben.

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Teil A - Privatsektorbeteiligung in der Abfallwirtschaft

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In Tabelle 1-3 sind die Steuern mit den jeweiligen Sätzen zusammengefasst. Dabei ist zu beachten, dass die Sätze regional stark variieren können und die Tabelle durchschnittliche und beispielhafte Werte enthält.

Tabelle 1-3: Übersicht über Unternehmenssteuern in Brasilien (Brasilianische Botschaft, 2006)

Art der Steuer Steuersatz 12 Prozent auf Transportleistungen

18 Prozent auf Waren Umsatzsteuer ICMS

25 Prozent auf Kommunikationsdienstleistungen

Verbrauchersteuer IPI Durchschnittlich 15 Prozent des Warenwertes

Grundsteuer 2 Prozent des tatsächlichen Wertes bzw. des Schätzwertes

Immobiliensteuer IPTU 1 Prozent des aktuellen Wertes der Immobilie

10 Prozent des Gewinns* Körperschaftssteuer IRPJ

Zzgl. 8 Prozent des Gewinns vor Steuern als Sozialabgaben

Schifffahrtsabgabe bei Importen 25 Prozent der Frachtkosten

Finanzgeschäftssteuer IOF 0 bis 25 Prozent der in Fremdwährung durchgeführten Transaktion

Bewegungen im Zahlungsverkehr CPMF 0,38 Prozent der Kontobewegung

* Bei Gewinnen von über R$ 240.000 muss eine 10-prozentige Zusatzsteuer entrichtet werden.

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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2 REGIONALE RAHMENBEDINGUNGEN IN BRASILIEN

2.1 GEOGRAPHIE UND KLIMA

Brasilien liegt zwischen dem 5. Grad nördlicher und dem 34. Grad südlicher Breite und ist mit einer Fläche von 8,5 Millionen qkm das größte Land Südamerikas und das 5. größte der Erde.

Das Klima ist tropisch in Äquatornähe, subtropisch bis gemäßigt im Süden und überwiegend regenreich mit jährlichen Niederschlägen von 1.080 mm in Rio de Janeiro bis ca. 2.000 mm in Manaus. Die mittleren Temperaturen liegen bei 23 – 30 °C im Dezember und 15 – 22 °C im Juni.

Die große Landfläche umfasst unterschiedlichste Vegetationszonen vom amazonischen Regenwald im Norden, der ein Drittel der Landesfläche umfasst, zu den Trockensteppen und Feuchtsavannen in den mittleren Landesteilen bis zu den atlantischen Regenwäldern an regenreichen Küsten und den prärieartigen Pampas im Süden. Brasilien verfügt über eine große Artenvielfalt und gilt als einer der größten Lebensräume von lebenden Organismen der Welt. Schätzungen gehen davon aus, dass 10 % der weltweit 1,4 Mio. katalogisierten Arten hier beheimatet sind.

Brasilien ist reich an Bodenschätzen. So verfügt das Land über Eisenerzreserven in Höhe von geschätzten 48 Mrd. Mg. Die bereits bekannten Vorkommen decken den prognostizierten Weltbedarf an Eisen der kommenden 500 Jahre. Weitere relevante Bodenschätze in Brasilien sind Mangan, Bauxit sowie Nickel. Von Bedeutung sind auch die neuesten Funde von hochprozentigem Uranerz in den Staaten Minas Gerais und Goiás. Darüber hinaus liegen in Brasilien Reserven an Kalium, Phosphat, Wolfram, Zinnstein, Blei, Graphit, Chrom, Gold, Zirkonium sowie am seltenen radioaktiven Element Thorium. Neunzig Prozent aller Edelsteine der Welt, wie Diamanten, Aquamarine, Topase, Amethyste, Turmaline und Smaragde, werden in Brasilien gefördert. Seit Ende 2005 ist Brasilien Selbstversorger in Bezug auf Erdöl, das vor der Atlantikküste gefördert wird (Tópicos, 2007).

2.2 DEMOGRAPHIE UND SOZIO-ÖKONOMISCHER KONTEXT

Im Jahr 2006 lebten 186 Mio. Einwohner in Brasilien; es gehört damit nach China, Indien, den USA, Indonesien und den GUS-Staaten zu den bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Die mittlere Bevölkerungsdichte ist mit 18,4 Einwohnern/km² als sehr gering zu bewerten, das Problem der Überbevölkerung besteht somit in Brasilien nicht. Allerdings ist der Verstädterungsgrad hoch; ca. 80% der Brasilianer leben in Städten. In Folge einer starken Binnenmigration, die durch das regionale Ungleichgewicht bezüglich der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen hervorgerufen wird, konzentriert sich die Bevölkerung dabei ebenso wie die Industrie auf wenige Ballungsräume: So werden allein im Bundesstaat São Paulo 50% aller Güter produziert.

Die brasilianische Bevölkerung ist überwiegend jung. Fast 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt. Allerdings sinken die Geburtenraten auch in Brasilien in Folge der

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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massiven Verstädterung und der Modernisierung des Wirtschaftslebens stark; gleichzeitig steigt die Lebenserwartung stetig an. In der Folge hat sich das Bevölkerungswachstum von ca. 2,9 % in den 1960er Jahren auf aktuell 1,2 - 1,9% verlangsamt und die Bevölkerung „altert“ (UNDP, 2007, AHK, 2006a und Topicos, 2007).

Die ungleiche Verteilung von Wohlstand und Chancen wird immer noch als eines der zentralen Probleme Brasiliens angesehen. So verdienten 2005 58% der Beschäftigten lediglich 0,5 – 2 Minimallöhne von 350 R$ (IBGE, 2007), 22% der Bevölkerung lebten im Mittel der Jahre 1990 - 2003 unterhalb der nationalen Armutsgrenze, 7,5% der Bevölkerung mussten sogar mit weniger als einem US$ am Tag auskommen (UNDP, 2006). Laut UNDP galten zwischen 2001 und 2003 ca. 8% der Bevölkerung als unterernährt. Vor diesem Hintergrund hat die aktuelle Regierung von Luiz Ignácio Lula da Silva im Jahr 2002 ein „Null-Hunger“-Programm („Fome Zero“) gestartet, mit dem eine ausreichende Ernährung der armen Bevölkerung sicher gestellt werden soll.

2.3 DAS FÖDERATIVE SYSTEM BRASILIENS UND POLITISCHER HINTERGRUND

Brasilien ist eine föderative Republik aus 26 Bundesstaaten und dem Bundesdistrikt Brasília. Wie schon die erste Verfassung Brasiliens aus dem Jahre 1891, so bestätigt auch die heute gültige Verfassung von 1988 die drei autonomen Ebenen Bund, Bundesstaaten und Kommunen und mit einer Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative. aus 26 Bundesstaaten und dem Bundesdistrikt Brasília. Die 3 Glieder der Föderation sind dabei, anders als in allen anderen Bundesstaaten dieser Erde, formal gleichberechtigt (Frey, 1997).

Bezüglich der Stellung der Kommunen im föderativen System Brasiliens bedeutet dies, dass sie als dritte unabhängige Macht im Staate gelten. Diese kommunale Autonomie bezieht sich sowohl auf die Politik als auch auf Finanzen und Verwaltung, ausgedrückt unter anderem durch das Recht auf eine eigene kommunale Verfassung (lei orgânica) (Frey, 1997). Eingeschränkt wird die kommunale Autonomie durch die Pflichtaufgaben, die sich aus der Verfassung ergeben, wie die Bereitstellung eines ÖPNV, einer schulischen Grundversorgung, eines öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie die Erstellung von Flächennutzungs- und Bauleitplänen (CF, Art. 30, Abs. V – IX).

Die Regierungsoberhäupter (Bundespräsident, Gouverneure und Bürgermeister) können für maximal 2 Legislatur-Perioden à 4 Jahre direkt vom Volk gewählt werden. Der auf 8 Jahre gewählte Bundessenat und das alle 4 Jahre gewählte Abgeordnetenhaus bilden auf Bundesebene die Legislative; in den Bundesstaaten sind dies die Landesparlamente bzw. in den Kommunen die Kommunalparlamente. Berechtigt zur Wahl sind alle Bürger, die älter als 16 Jahre sind; für zwischen 18 und 69-jährige ist die Stimmabgabe verpflichtend.

Der Bundespräsident genießt eine machtvolle Position. Er entscheidet u.a. über die Besetzung des Regierungskabinetts sowie über die Vergabe von zahlreichen Schlüsselpositionen und kann mittels „provisorischer Maßnahmen“ (medidas provisórias, MP) kurzfristig politische Beschlüsse ohne eine Zustimmung des Kabinetts umsetzen.

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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Die brasilianische Parteienlandschaft ist vielfältig, allein im Abgeordnetenhaus sind zurzeit 20 Parteien vertreten. Ihre ideologische Basis ist zumeist weniger ausgeprägt als dies in Europa der Fall ist; die wenigsten Parteien verfügen über ein regelrechtes Parteiprogramm. Regionale Verbünde, parteiübergreifende Interessengruppen und einzelne Politiker, hier insbesondere die Gouverneure, haben den größten Einfluss auf die Politik im Abgeordnetenhaus und im Senat.

Die wesentlichen außerparlamentarischen Kräfte sind die trotz Aufteilung immer noch starken Gewerkschaften, die Landlosenbewegung (Movimento sem Terra, MST) sowie der linke Flügel der römisch-katholischen und einige protestantische Kirchen.

2.4 WIRTSCHAFT UND WIRTSCHAFTSPOLITIK – DER STANDORT BRASILIEN

Brasilien ist heute, nach der der Hochinflation Anfang der 90er Jahre und der argentinischen Wirtschaftkrise im Jahr 2002, wieder ein ökonomisch stabiles Land mit günstigen Wachstumsprognosen. Es gilt als attraktiv für Investoren.

Bereits der konservativen Regierung unter Fernando Henrique Cardoso (1994 – 2002) gelang es mit der Einführung des „plano real“, die galoppierende Inflation zu stoppen und die Wirtschaft zu liberalisieren. Da jedoch nicht gleichzeitig umfassende Reformen umgesetzt werden konnten, basierte die Geldwertstabilität im Wesentlichen auf einer Kombination monetärer Maßnahmen, wie hohe Zins- und Umtauschraten und geringe Importzölle (Economist, 1999). In der Folge stieg das Handelsdefizit, die Staatsverschuldung blieb mit ca. einem Drittel des Bruttoinlandprodukts hoch. Brasilien blieb empfindlich gegenüber Schwankungen des globalen Weltmarkts. So war eine deutliche Abwertung des brasilianischen Reals im Sommer 1999 eine Folge der internationalen Wirtschaftskrise in den Jahren 1997-1998. Im Zuge der argentinischen Wirtschaftskrise 2002 geriet auch die brasilianische Wirtschaft unter Druck, wenn auch ein finanzieller und wirtschaftlicher Kollaps wie im Nachbarland – u. a. dank umfangreicher IWF-Kredite- vermieden werden konnte.

Mitten in der nachfolgenden Wirtschaftkrise gewann der linke Arbeiterführer Luiz Ignácio Lula da Silva die Präsidentschaftswahlen – nicht ohne vorher die Fortsetzung einer orthodoxen Finanz- und Wirtschaftspolitik versprochen zu haben. Seine linke Regierung hat es geschafft, die Staatsverschuldung zu reduzieren, die makroökonomische Stabilität zu konsolidieren und gleichzeitig die Sozialbudgets aufzustocken. In Folge der Programme zur Stärkung der Wirtschaft konnte erstmals 2004 wieder ein Wirtschaftswachstum verzeichnet werden. Die Lula-Regierung kündigte 2005 an, ihre IWF-Schulden zurück zu zahlen (Economist, 2007a). Heute gehört Brasilien mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund US$ 797,3 Mrd. (2006) zu den 10 führenden Wirtschaftsmächten der Welt (AHK, 2006b).

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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Tabelle 2-1: Wirtschaftsdaten/Marktindikatoren für Brasilien im Jahr 2006 (AHK, 2006)

Wirtschaftsdaten - Marktindikatoren Brasilien (2006)

Bruttoinlandsprodukt - BIP (Mrd. US$) 797,3

BIP je Einwohner (US$/a) 4.322

Anteil der Wirtschaftssektoren am BIP (%):

Landwirtschaft 9,8%

Industrie 37,9%

Dienstleistungen 52,3%

Wirtschaftswachstum 2,3%

Wirtschaftswachstum nach Sektoren (%):

Landwirtschaft 1,5%

Bergbau und Industrie 2,9%

Dienstleistungen 2,1%

Inflation (%):

2005 5,7%

2006* 4,5%

Handelsbilanz Brasiliens (Mrd. US$): 2005 2006*

Einfuhren 73,6 87,7

Ausfuhren 118,3 127,5

Saldo 44,7 39,8 *Prognose

Dennoch wird das brasilianische Wirtschaftswachstum als gering im weltweiten und lateinamerikanischen Vergleich angesehen, auch wenn das staatliche Statistik-Institut jüngst seine Berechnungen der Wirtschaftsdaten nach oben korrigierte (Economist, 2007b). So lag das durchschnittliche Wirtschaftswachstum von 2000 – 2005 bei ca. 3% im Vergleich zu einem durchschnittlichen Wachstum von 4,5% weltweit.

Präsident Lula hat sich für seine zweite Amtsperiode das Ziel gesetzt, das Wirtschaftswachstum vor allem durch umfangreiche Investitionen im Infrastruktursektor auf i.M. 5% zu steigern. Nach Expertenmeinung wird die erfolgreiche Umsetzung dieses Ziels vor allem von den mikroökonomischen Reformen abhängen, deren Ausgestaltung noch offen ist. Als wesentliche Hemmnisse für ein höheres Wirtschaftswachstum werden vor allem das immer noch hohe Staatsdefizit von 45% des BIP, hohe Zinsen, das extrem komplexe Steuersystem und die weit verbreiteten informellen Arbeitsverhältnisse angesehen (Economist, 2007a).

Brasilien weist als typisches Schwellenland deutliche regionale Unterschiede in der Entwicklung der einzelnen Regionen auf. So ist der Süden des Landes im Vergleich zu den

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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nördlichen und nord-östlichen Landesteilen deutlich besser entwickelt (Bergmann, 1997). Das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2000 lag in Gesamtbrasilien bei ca. R$ 4.000 (ca. € 1.100), in den nördlichen Gebieten jedoch lediglich bei maximal R$ 2.000 (ca. € 730).

Die Handelsbeziehungen zwischen Brasilien und Deutschland sind traditionell stark (Tabelle 2-2). Deutschland ist – neben den USA und Argentinien – eines der Haupt-Lieferländer für Importe nach Brasilien und gleichzeitig eines der wichtigsten Abnehmerländer für Exporte aus Brasilien. Aus Deutschland werden hauptsächlich Maschinen, Motoren und Anlagen, elektronische Produkte sowie Fahrzeuge und –teile eingeführt. Die Ausfuhren aus Brasilien nach Deutschland betreffen im Wesentlichen Eisenerze, landwirtschaftliche Erzeugnisse (Soja, Kaffee etc.) sowie Produkte aus Maschinenbau und Elektrotechnik. Die Handelbilanz zwischen beiden Ländern war in den vergangenen Jahren annähernd ausgeglichen (AHK, 2006a).

Tabelle 2-2: Handelsbeziehungen Brasiliens - Lieferländer für Importe und Abnehmerländer für Exporte (AHK, 2006a)

Importe nach Brasilien - nach Lieferländern USA 17%Argentinien 9%Deutschland 8%China 7%Japan 5%Algerien 4%Frankreich 4%

Exporte aus Brasilien - nach Abnehmerländern USA 19%Europäische Union 22%Deutschland 5%Niederlande 4%Argentinien 8%Mexiko 4%Chile 3%

Einen boomenden Exportartikel Brasiliens stellt das aus Zuckerrohr hergestellte Bioethanol dar. Brasilien verfügt über eine lange Tradition der Bioethanolherstellung: bereits seit den 1970er Jahren hat die Bundesregierung die Ethanol-Kraftstoffproduktion mit dem Programm PROALCOOL massiv gefördert. Bioethanol wird in Brasilien an den Tankstellen flächendeckend angeboten. In Folge der weltweit hohen Erdölpreise und der günstigen Herstellungspreise in Brasilien haben sich die brasilianischen Exporte des aus Zuckerrohr gewonnenen umweltfreundlichen Biosprits in den Jahren von 2000 bis 2005 auf fast 2,5 Milliarden Liter verzehnfacht. Global wird mit einer starken Zunahme der Produktion von Bioethanol für den Kraftstoffsektor gerechnet. Bezogen auf Deutschland und Europa kann

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

-17-

infolge der Förderung regenerativer Treibstoffe und den hohen Herstellungskosten in Europa mit einer weiterhin großen Steigerung der Bioethanolimporte gerechnet werden.

2.5 DAS BRASILIANISCHE UMWELTRECHT UND DESSEN UMSETZUNG

HINTERGRUND

Auch wenn es in Brasilien schon seit langem gesetzliche Regelungen zum Umwelt- insbesondere aber zum Naturschutz gibt, hat die Umweltgesetzgebung - wie in vielen Ländern der Welt - erst nach der UNO-Konferenz in Stockholm 1972 an Bedeutung gewonnen. Seit der neuen Bundesverfassung von 1988 und den ein Jahr später verfassten konstitutionellen Texten der Länder und der Kommunen hat Brasilien eine der fortschrittlichsten Umweltgesetzgebungen der Welt. So enthält die Bundesverfassung (constitução federal – CF) weit reichende Schutzrechte und –vorschriften, die deutlich über die Regelungen des deutschen Grundgesetzes hinausgehen. Innerhalb der umfangreichen Staatsaufgaben, die in der Verfassung festgeschrieben sind, werden an vielen Stellen Belange des Umweltschutzes berücksichtigt, so z.B. innerhalb der Wirtschaftsordnung („... trägt dabei dem Umweltschutz (...) Rechnung“, CF, Art. 174, §3) oder auch der Sozialordnung („Alle haben ein Recht auf eine ökologisch ausgeglichene (...) Umwelt“, CF, Art. 225).

Bezüglich der gesetzgeberischen Kompetenzen und der Umsetzung der Rechtsvorschriften ist nach drei Hauptebenen zu differenzieren:

Nationale Ebene

Bundesstaatliche Ebene

Kommunale Ebene

Der Erlass von Umweltgesetzen, Normen oder Grenzwerten kann – auf Grundlage der übergeordneten Gesetzgebung - durch alle drei Staatsebenen erfolgen und es dürfen bundesstaatliche oder kommunale Regelungen zwar fordernder, nie jedoch weniger streng als die entsprechenden übergeordneten Vorschriften sein.

Für die Umsetzung des Umweltrechts wurde mit dem Gesetz No 6.938 aus dem Jahre 1981 das nationale Umweltsystem SISNAMA (Sistema Nacional do Meio Ambiente) eingerichtet, das als ein Geflecht von Organen, Institutionen, Regeln und Verfahrensweisen auf der föderalen, bundesstaatlichen und kommunalen Ebene für den „den Schutz und die Qualität der Umwelt verantwortlich ist“ (D’Almeida et al., 2000) (Abbildung 2-1).

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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Abbildung 2-1: Aufbau des nationalen Umweltsystems SISNAMA

NATIONALE EBENE

Auf nationaler Ebene plant und koordiniert das Bundesministerium für Umwelt und Wasserressourcen (Ministério de Meio Ambiente e Recursos Hídricos) die Umweltpolitik. Als durchführendes und überwachendes Organ steht dem Ministerium das IBAMA (Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renováveis), das brasilianische Institut für Umwelt und erneuerbare Ressourcen zur Seite. Vom nationalen Umweltrat CONAMA (Conselho Nacional de Meio Ambiente) werden Richtlinien und politische Vorgaben vorgeschlagen und im Rahmen der Möglichkeiten Normen festgesetzt.

Staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organen, aber auch jedem Bürger werden in der Bundesgesetzgebung das Recht auf Information, Partizipation und Intervention im Bereich des Umweltschutzes zugesichert. So müssen Informationen bzgl. des Umweltzustandes oder umweltrelevanter Aktivitäten durch die zuständigen Organe veröffentlicht werden (gem. CF, Art. 5, XXXIV). Die Zivilgesellschaft wird durch die Beteiligung am nationalen Umweltrat CONAMA in die Erarbeitung von umweltpolitischen Richtlinien und Grundsätzen einbezogen. Als letzte Interventionsmöglichkeit steht jedem Bürger sowie staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organen der Klageweg offen - über die so genannte Popularklage

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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(Ação Popular) gem. CF, Art. 5 LXXII bzw. durch eine Amtsklage (Ação Civil Pública) gem. dem „Gesetz über die nationale Umweltpolitik“. Beide Klagewege gelten als wichtige Instrumente für den gerichtlichen Schutz von Umweltinteressen.

Die brasilianische Verfassung legt allgemeine Normen bezüglich des Umwelt- und Naturschutzes fest. Für detailliertere Regelungen gilt auf der bundesstaatlichen Ebene das Prinzip der konkurrierenden Gesetzgebung: mit wenigen Ausnahmen können die einzelnen Bundesstaaten Bundesgesetze ergänzen bzw. eigene erlassen, sofern noch Regelungsspielraum besteht. Ausnahmen stellen die Bereiche Wasser, Verkehr, Transport und nukleare Anlagen dar, die unter die alleinige gesetzgebende Kompetenz des Bundes fallen.

Im Bundesrecht sind im Weiteren allgemeingültige Instrumente einer vorsorgenden bzw. schadensbegrenzenden Umweltpolitik vorgesehen. So sieht z.B. das „Gesetz über die nationale Umweltpolitik“ (Lei sobre a Política Nacional do Meio Ambiente..., Lei No 7.804, Novelle vom 18. Juli 1989) ein so genanntes Zoneamento ambiental, eine Ausweisung von Nutzungs- und Schutzzonen vor. Weiterhin fordert die Bundesverfassung in Art. 225, §10, IV, die Anfertigung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Bevölkerung vor einer Genehmigung von umweltwirksamen Aktivitäten.

Das gleiche Gesetz sowie die zugehörigen Dekrete weisen die Zuständigkeit für die Erteilung von Genehmigungen für potentiell oder faktisch umweltverschmutzende oder ressourcenverbrauchende Aktivitäten, einschließlich der Projekte der öffentlichen Hand, i.A. den Landesorganen zu, wobei solche Aktivitäten von nationaler oder regionaler Bedeutung einer Genehmigung durch die Bundesbehörde IBAMA bedürfen. Viele Kommunalregierungen erarbeiten inzwischen eigene Genehmigungsverfahren als Teil einer lokalen Umweltpolitik.

Eine weitere Stärkung hat das nationale Umrechtrecht durch das Umweltstrafgesetz aus dem Jahre 1998 (Lei 9.605/98) erhalten. Es beinhaltet u.a. die volle zivil-, verwaltungs- und strafrechtliche Haftung von juristischen Personen für Umweltschäden (Art. 3); bei Verstößen gegen das Umweltrecht können über die zivilrechtliche Haftung hinaus sowohl strafrechtliche als auch administrative Sanktionen verhängt werden, wie z.B. das Verbot, mit staatlichen Stellen Verträge zu schließen.

Brasilien verfügt über ein äußerst umfangreiches Umweltrecht, das in Form von Dekreten, behördlichen Normen, ministeriellen Erlassen, Resolutionen des nationalen Umweltrates und technischen Normen, bundes- und bundesstaatlichen Gesetzen zur Anwendung kommt. Im Einzelfall ist daher eine genaue Analyse der Vorschriften, vor allem der zahlreichen Spezialgesetze, durch einen brasilianischen Fachanwalt zu empfehlen.

Für den hier erörterten Kontext sind die folgenden gesetzlichen Regelungen hervor zu heben:

Ministerieller Erlass No 53, 1979 vom Bundesinnenministerium: enthält Bestimmungen zur Behandlung fester Abfälle, weist den bundesstaatlichen Organen

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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die Zuständigkeit für die Überwachung der Abfallbehandlung und -ablagerung (Abs. I) zu und untersagt die Endlagerung von Abfällen unter „freiem Himmel“ (Abs. X).

Gesetz No 7.802, 1989: enthält Regelungen zum Umgang mit und zur Behandlung von Abfällen, Verpackungen und Agrochemikalien.

Gesetz No 7.804, Novelle vom 18. Juli 1989 („Gesetz über die nationale Umweltpolitik“; s. weiter oben): dieses Basisgesetz des Umweltschutzes beschreibt Leitlinien der nationalen Umweltpolitik, ihrer Ziele und Mechanismen sowie ihrer Anwendung. Es führt neue Begriffe und Konzeptionen in die Umweltpolitik ein, wie z.B. das Verursacherprinzip, die Umwelt-Flächennutzungsplanung oder die Umweltverträglichkeitsprüfung Das Umweltrecht wurde mit diesem Gesetz erstmals auch auf staatliche Projekte und Aktivitäten, wie z.B. auf Projekte des Straßen- und Staudammbaus oder auch auf die großen Staatsunternehmen anwendbar, die bis dato durch die staatliche Kontrolle nicht erfasst wurden.

BUNDESSTAATLICHE EBENE

Im Allgemeinen fällt den bundesstaatlichen Organen die Planung und Implementierung der bundesstaatlichen Umweltpolitik sowie die Überwachung und Genehmigung umweltrelevanter Aktivitäten zu (Florisbela dos Santos, 2000). Die zuständigen bundesstaatlichen Ministerien können auch eigene Umweltgesetze und Vorschriften erlassen. So sind in den einzelnen Bundesländern i.d.R. neben den nationalen Reglungen auch die spezifischen Reglungen des Bundesstaats zu beachten.

Für die bundesstaatlichen Organe gibt es keine einheitliche Organisationsform oder Aufgabenbeschreibung. Während das Ressort der Umweltpolitik in einigen Bundesstaaten mit anderen Ressorts, wie der Forschung und Technik, der Stadtplanung, dem Tourismus oder der Industrie zu einem Landesministerium zusammengefasst wurde, ist der Umweltbereich in anderen Bundesstaaten fast spiegelbildlich zum Aufbau des Umweltsystems auf Bundesebene als „dezentrales Landesumweltsystem“ organisiert, mit einem Umweltministerium als Zentralorgan und für die Ausführung zuständigen Genehmigungs- und Überwachungsbehörden (D’Almeida et al., 2000).

KOMMUNALE EBENE

Die Kommunen sind explizit in das SISNAMA einbezogen und stellen Verwaltungsorgane für die nationale Umweltpolitik dar. Sie sind verantwortlich für die Kontrolle, Überwachung und Durchführung von Umweltprojekten innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches.

Wie auch für die bundesstaatlichen Organe gibt es bezüglich der kommunalen Institutionen keine einheitliche Organisationsform oder Aufgabenbeschreibung. Während es in einigen Gemeinden ausgewiesene Umweltbehörden gibt, sind diese Aufgaben in anderen Kommunen in fachverwandten Behörden wie dem Stadtplanungsamt o.ä. angesiedelt. Weiterhin gibt es in einigen Gemeinden einen kommunalen Umweltrat, in dem, ebenso wie

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Teil A – Regionale Rahmenbedingungen in Brasilien

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im nationalen Umweltrat, Vertreter der lokalen und übergeordneten Regierungsebenen sowie Vertreter der Zivilgesellschaft über die lokale Umweltpolitik beraten und entscheiden. Solche kommunalen Umwelträte und Umweltbehörden sind seit den 80er Jahren verstärkt gegründet worden.

Dem direkt vom Volk gewählten Bürgermeister kommt -wie dem Präsident auf der Bundesebene- eine Schlüsselstellung in der Kommunalpolitik zu. Als oberster Leiter und Repräsentant der Stadtverwaltung (Prefeitura) ist er direkt und indirekt für alle Handlungen der Exekutive verantwortlich. Bei allen Gesetzentwürfen, die in das Stadtparlament (câmara de vereadores) eingebracht werden, verfügt der Bürgermeister über ein Vetorecht, das nur durch eine 2/3-Mehrheit außer Kraft gesetzt werden kann (Frey, 1997). Er entscheidet über die Besetzung aller sogenannten Vertrauenspositionen (cargas de confianza) wie Dezernenten und Fachbereichsleiter in den kommunalen Behörden (secretario und diretor). Die Stadtverordnetenkammer bildet auf der kommunalen Ebene die Legislative, deren wichtigste Funktion neben der Kontrolle, Überwachung und Beratung des Bürgermeisters die Gesetzgebung ist. Für einige zentrale Aufgabenbereiche, wie z.B. für alle Fragen der Personalpolitik und der Finanzen, hat der Bürgermeister das alleinige Recht zur Einbringung von Gesetzesinitiativen.

Das kommunale Normensystem genießt innerhalb seines Autonomiebereiches den „Status der Unverletzlichkeit“. Es steht den Kommunen nicht nur zu, Bundes- und Landesgesetzes dort zu ergänzen, wo es angebracht ist; „Aspekte von lokalem Interesse“ können sogar alleinig von den Gemeinden geregelt werden. Hier können u.U. auch entgegenstehende Landes- und Bundesgesetze gebrochen werden (Bothe, 1990; Krell, 1993 und Frey, 1997). Zum Vergleich: in Deutschland sind die kommunalen Handlungsmöglichkeiten durch höherrangige Vorgaben stark begrenzt, die Kommunen sind hier “Vollzugsinstanzen höherrangiger Politik”. Trotz der in Brasilien weit reichenden kommunalen Kompetenzen, insbesondere im Bezug auf die Stadtreinigung, die als Angelegenheit „lokalen Interesses“ verstanden wird, haben jedoch bisher nur wenige Gemeinden eigene Umweltgesetze erlassen (D’Almeida et al., 2000).

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

-22-

3 ABFALLAUFKOMMEN UND –ENTSORGUNG IN BRASILIEN

3.1 VORBEMERKUNGEN

Im Jahre 2002 hat das brasilianische Statistik-Institut IBGE (Instituto Brasiliero de Geografía e Estadística) eine umfangreiche Studie zum nationalen Status der Ver- und Entsorgung veröffentlicht (IBGE, 2002); die darin enthaltenen Daten beziehen sich auf das Referenzjahr 2000. Diese Studie stellt auf nationaler Ebene den aktuellsten Stand der Daten dar.

Bei den nachfolgenden dargestellten Daten aus der nationalen Studie ist zu beachten, dass es sich dabei zumeist um Selbstauskünfte der zuständigen Körperschaften handelt, deren Richtigkeit nicht überprüft werden konnte. Weiterhin müssen viele Angaben als geschätzt bewertet werden. So verfügen beispielsweise lediglich 8,4% aller brasilianischen Deponiestandorte über eine Fahrzeugwaage zur Verwiegung der gesammelten und entsorgten Abfälle. Ähnliche Einschränkungen gelten auch für die weiteren zitierten Informationen; i.A. stehen nur wenig systematisch und umfassend erhobene Daten zur Verfügung. Im Falle eines konkreten Projekts empfehlen sich daher immer detaillierte Untersuchungen zur Ermittlung solider Planungsgrundlagen.

3.2 ABFALLARTEN

Gemäß der Norm ABNT NBR-10.004/2004 werden unter festen Abfällen alle Reststoffe in trockenem oder halb-trockenem Zustand verstanden, die in Industrie, Handel, Landwirtschaft und Stadtreinigung entstehen. In dieser Definition sind auch die Schlämme aus der Abwasserbehandlung eingeschlossen sowie Reststoffe aus der Emissionsbehandlung und einige flüssige Reststoffe, die nicht in der konventionellen Abwasserbehandlung mitbehandelt werden können. Gemäß oben genannter Norm werden die Abfälle grundsätzlich in die folgenden Klassen eingeteilt:

Abfälle Klasse I - Sonderabfälle: Abfälle, von denen in Folge ihrer spezifischen Eigenschaften wie Brennbarkeit, Reaktivität, Toxizität, Keimbelastungen oder Korrosivität eine besondere Gefährdung ausgeht.

Abfälle Klasse II – nicht-gefährliche Abfälle:

Klasse IIa – nicht-inerte Abfälle: Abfälle, die weder der Klasse I (Sonderabfälle) noch der Klasse IIb (inerte Abfälle) zugeordnet werden können. Sie können Eigenschaften wie biologische Abbaubarkeit, Brennbarkeit oder Löslichkeit in Wasser aufweisen.

Klasse IIb – intere Abfälle : Abfälle, bei denen aus repräsentativ gewonnenen Proben im dynamischen und statischen Kontakt mit destilliertem oder vollentsalztem Wasser bei Umgebungstemperaturen keinerlei Bestandteile in Konzentrationen, die über den entsprechenden Grenzwerten für Trinkwasser liegen, im Wasser nachgewiesen werden können. Ausgenommen sind dabei die Parameter Farbe, Trübung, Härte und Geschmack.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

-23-

Neben dieser Einteilung der festen Abfälle in Klassen in Abhängigkeit von ihrem Gefährdungspotenzial, erfolgt ferner oftmals eine Charakterisierung der Abfälle nach Herkunftsbereichen. So kann u.a. unterschieden werden zwischen Hausmüll (resíduos domiciliares), Abfällen aus Gesundheitseinrichtungen (resíduos dos serviçios de sáude), Industrieabfällen (resíduos industriais), Baurestmassen (resíduos da construção civil) sowie Sonderabfällen (resíduos especiais).

Im Folgenden werden schwerpunktmäßig Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle betrachtet, entsprechend Abfällen der Klasse IIa.

3.3 ABFALLMASSE

Statistiken zur Abfallmasse sind, wie bereits weiter oben beschrieben, nur begrenzt verfügbar. Insbesondere bezüglich der Abfälle, deren Entsorgung nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kommunen fällt, bestehen nur vereinzelte Daten zu den Mengen.

Bezüglich Hausmüll und hausmüllähnlicher Abfälle hat das IBGE für das Jahr 2000 ein mittleres Einwohner-spezifisches Abfallaufkommen von 0,74 kg pro Einwohner und Tag ermittelt (Abbildung 3-1); dies entspricht einem täglichen Abfallaufkommen in ganz Brasilien von ca. 125.281 Mg/d. Erwartungsgemäß ergeben sich dabei deutliche Unterschiede in Abhängigkeit von der Gemeindegröße: während das tägliche Abfallaufkommen pro Kopf in kleinen Gemeinden bis 49.999 Einwohner lediglich ca. 0,4 – 0,5 kg/EW*d beträgt, fallen in den brasilianischen Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern ca. 1,2 – 1,3 kg Hausmüll pro Einwohner und Tag an.

0,74

0,460,42

0,48

0,56

0,69

0,78

1,29

1,16

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

Ges

amt

bis

9.99

9 E

W

von

10.0

00 b

is19

.999

EW

von

20.0

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EW

von

100.

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bis

199.

999

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200.

000

bis

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999

EW

von

500.

000

bis

999.

999

EW

größ

er 1

Mio

. EW

kg/E

W*d

Abbildung 3-1: Einwohner-spezifisches Abfallaufkommen nach Gemeindegröße, Brasilien (IBGE, 2002)

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Die obigen Angaben können anhand einzelner Fallbeispiele nachvollzogen werden: so beträgt das einwohnerspezifische Siedlungsabfallaufkommen in der Metropole Rio de Janeiro ca. 1,1 – 1,2 kg/EW*d (Abbildung 3-2), während es im Fallbeispiel Novo Hamburgo (ca. 260.000 Einwohner) bei lediglich ca. 0,5 kg/EW*d liegt.

Abbildung 3-2 ist ebenfalls zu entnehmen, dass das Abfallaufkommen in Rio de Janeiro im letzten Jahrzehnt deutlich gestiegen ist. Neben der steigenden Einwohnerzahl kann dafür auch eine höhere Wirtschaftsleistung verantwortlich gemacht werden, wodurch gleichzeitig das einwohner-spezifische Abfallaufkommen steigt. Ähnliche Aussagen können für viele brasilianische Metropolen und regionale Zentren getroffen werden: dort sind im Allgemeinen im letzen Jahrzehnt ebenfalls Einwohnerzahl und Wirtschaftsleistung gestiegen.

Für die kommenden Jahre ist vor allem in den größeren Städten mit einem weiter steigenden Abfallaufkommen zu rechnen. Diese Prognose kann zum einen mit der Tatsache begründet werden, dass die brasilianische Bevölkerung insgesamt trotz sinkender Geburtenraten weiter wächst und die Binnenmigration in die größeren Städte weiterhin stark ist. Zum anderen wird der brasilianischen Wirtschaft in den kommenden Jahren ein hohes Wachstumspotenzial zugesprochen (vergl. Kapitel 2.2 und 2.4).

Entwicklung der Abfallmengen und des einwohnerspezifischen Abfallaufkommens in Rio de Janeiro von 1992 - 2005

0

500.000

1.000.000

1.500.000

2.000.000

2.500.000

3.000.000

1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006

Jahr

Abf

alla

ufko

mm

en [M

g/a]

0,00

0,25

0,50

0,75

1,00

1,25

1,50

Einw

ohne

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zifis

ches

A

bfal

lauf

kom

men

[kg/

EW*d

]

Hausmüll [Mg/a]

Öffentliche Abfälle [Mg/a]

Summe Siedlungsabfälle [Mg/a]

kg/EW*d (Siedlungsabfälle)

Abbildung 3-2: Abfallmengen und einwohnerspezifisches Abfallaufkommen in Rio de Janeiro (COMLURB, 2005; IBGE, 2007; PMRJ, 2007)

Im Jahresgang ist gerade in touristisch geprägten Gemeinden ein erhöhtes Abfallaufkommen in den Sommermonaten von November bis Januar zu verzeichnen, wie beispielsweise in Rio de Janeiro (Abbildung 3-3). In Urlaubsregionen kann das Hausmüllaufkommen in dieser Haupt-Ferienzeit auch sprunghaft ansteigen. Für die Gemeinde São Sebastião an der Küste des Bundesstaats São Paulo hat Schenk (2001) beispielsweise einen Anstieg des

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Hausmüllaufkommens von 39 Mg/d außerhalb der Feriensaison auf bis zu 180 Mg/d in der Hauptsaison prognostiziert.

Jahresgang des Abfallaufkommens (Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle) in Novo Hamburgo und Rio de Janeiro

0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

350.000

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Monat

Abfa

llauf

kom

men

Rio

[Mg/

Mon

at]

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

Abfa

llauf

kom

men

N. H

ambu

rgo

[Mg/

Mon

at]

Rio de Janeiro (2005)

Novo Hamburgo(2002/2003)

Abbildung 3-3: Jahresgang des Aufkommens an Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen in Rio de Janeiro und Novo Hamburgo im Vergleich (Quelle: COMLURB, 2005; SEMAM-NH, 2004)

3.4 ABFALLZUSAMMENSETZUNG

Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass Haushaltsabfälle in Brasilien, wie für viele Entwicklungs- und Schwellenländer charakteristisch, höhere Organik-Gehalte als beispielsweise in Deutschland aufweisen, während Verpackungsabfälle wie Kunststoffe nur in vergleichsweise geringem Maße im Abfall zu finden sind (D’Almeida et al., 2000). Die tatsächliche Zusammensetzung des Hausmülls und hausmüllähnlicher Abfälle ist jedoch in Abhängigkeit von demographischen und lokalen Faktoren wie Art der Abfallsammlung, Einkommen, Lebensgewohnheiten, Bildungsniveau und Jahreszeiten starken Schwankungen unterworfen.

So hat eine Untersuchung im Auftrag des Stadtreinigungsbetriebs COMLURB von Rio de Janeiro aus dem Jahr 2005 ergeben, dass das mittlere Pro-Kopfeinkommen in einzelnen Stadtteilen mit dem Organik- bzw. Wertstoffanteil im Hausmüll in direktem Zusammenhang steht (Abbildung 3-4; COMLURB, 2005).

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Relation von Einkommen und Hausmüllzusammensetzung, Rio de Janeiro 2005

y = -0,0103x + 67,157R2 = 0,8006

y = 0,0084x + 28,381R2 = 0,7805

0

10

20

30

40

50

60

70

80

0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600

Mittleres Einkommen/Kopf (R$)

Gew

.-%

Organik

Summe Recyclebar

Anmerkung: Unter „Summe Recyclebar“ wurden die Fraktionen Papier/Pappe, Glas, Metalle und Kunststoffe

zusammengefasst.

Abbildung 3-4: Organik- und Wertstoffgehalte im Hausmüll im Vergleich zum mittleren Pro-Kopf-Einkommen, Rio de Janeiro, 2005 (COMLURB, 2005)

Eine weitere wichtige Einflussgröße auf die Hausmüllzusammensetzung besteht in der Art der Sammlung. Dort, wo eine umfangreiche formelle oder informelle Wertstofferfassung besteht, sind i.d.R. geringere Anteile an gut recyclebaren Materialien wie Papier/Pappe oder Hartkunststoffen im Hausmüll zu verzeichnen.

Dies wird beispielsweise bei der Betrachtung der Anteile ausgewählter Stofffraktionen am Hausmüll in Rio de Janeiro deutlich (Abbildung 3-5). Infolge der zunehmend ausgeweiteten Getrenntsammlung einer gemischten Wertstofffraktion sanken die Anteile recyclebarer Bestandteile wie Papier/Pappe und Kunststoffe am Hausmüll, während gleichzeitig der Organik-Anteil stieg.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Veränderungen der Anteile ausgewählter Stofffraktionen am Hausmüll in Rio de Janeiro, 1981 - 2005

0

10

20

30

40

50

60

70

1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005

Jahr

Ant

eil [

Gew

.-%]

Papier/PappePlastik Organik

Abbildung 3-5: Anteile ausgewählter Stofffraktionen am Hausmüll in Rio de Janeiro, 1981 - 2005 (COMLURB, 2005)

In Tabelle 3-1 sind Daten zur Hausmüllzusammensetzung einiger Gemeinden in Brasilien und Lateinamerika zusammengefasst und der Zusammensetzung von deutschem Standardrestmüll gem. (Fricke et al., 2002b) gegenübergestellt. Die großen Unterschiede vor allem hinsichtlich der Organikanteile und sonstiger Fraktionen sind zum Teil der stark differierenden Sortier-Methodik geschuldet. Oftmals werden beispielsweise alle nicht sortierfähigen Abfallbestandteile ohne weitere Analyse als „Organik“ klassifiziert, so dass rechnerisch hohe Organik-Anteile ermittelt werden. Weiterhin werden teilweise Materialverbünde der Kunststofffraktion zugeordnet.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Tabelle 3-1: Hausmüllzusammensetzung in versch. brasilianischen Gemeinden im Vergleich zum Standard-Restmüll Deutschland

Rio de Janeiro,

Brasilien, 2005 1)

Novo Hamburgo,

Brasilien, 2004 2)Ilhabela,

Brasilien, 2000 3)

Treinta y Tres, Uruguay,

2003 4) Durán,

Ecuador, 2003 5)

Standard-restmüll

Deutschland 6)

Organik inkl. Feinfraktion 63,3 40,7 49,0 36,3 64,8 41,0 Papier/Pappe 12,4 11,5 19,9 13,2 13,1 16,1 Kunststoffe 15,3 18,4 17,0 17,8 15,3 9,8 Materialverbund 1,1 2,2 0,4 Glas 3,2 1,2 3,0 2,7 2,1 6,4 Metalle 1,7 2,2 3,7 1,5 1,5 4,6 Sonstiges 3,0 23,7 7,4 28,1 3,2 22,1

1) Großstadt, ca. 6,1 Mio. Einwohner, überwiegend mit getrennter Wertstofferfassung (COMLURB, 2005) 2) Industriestadt in der Metropolregion Porto Alegre (Projektstandort), ca. 260.000 Einwohner, getrennte

Wertstofferfassung mit geringem Anschlußgrad (eigene Daten); der biologisch abbaubare Anteil der Fraktion Hygieneprodukte wurde unter „Organik“ sub-summiert.

3) Touristisch geprägte Inselgemeinde, ca. 26.000 Einwohner, zum Zeitpunkt de Probennahme keine getrennte Wertstofferfassung; "Sonstiges" beinhaltet Materialverbund (eigene Daten)

4) Landwirtschaftlich geprägte Provinzhauptstadt mit ca. 35.000 Einwohnern; Biomüll wird vielfach als Schweinefutter eingesetzt (eigen Daten)

5) Gemeinde in direkter Nachbarschaft zur ecuadorianischen Wirtschaftsmetropole Guayaquil, ca. 450.000 Einwohner (eigene Daten)

6) "Sonstiges" beinhaltet Materialverbund (Fricke et.al, 2002b)

Trotz aller Schwankungen der Abfallzusammensetzung in Abhängigkeit von Analysemethoden und lokalen Gegebenheiten können einige allgemeingültige Aussagen getroffen werden:

Die Wertstoffe Glas und Metalle liegen in Brasilien i.d.R. in deutlich geringeren Anteilen im Hausmüll vor als z.B. in Deutschland. Dies ist zum einen damit zu begründen, dass in vielen brasilianischen Gemeinden informelle Müllsammler Wertstoffe noch vor der Müllabfuhr abschöpfen. Besonders häufig werden die in Brasilien weit verbreiteten Getränkedosen gesammelt, für die auf dem Sekundärstoffmarkt hohe Preise erzielt werden. Glas ist dem gegenüber für Getränkeflaschen kaum gebräuchlich und daher nur zu geringen Anteilen im Hausmüll zu finden.

Der Verbrauch an Kunststoffverpackungen, insbesondere an Folien und Tüten, ist in Brasilien hoch. Da es kein flächendeckendes System zur Erfassung der Verpackungsabfälle gibt und gerade Alt-Weichkunststoffe für informelle Müllsammler mangels Markt wenig interessant sind, weist der Hausmüll in Brasilien vergleichsweise hohe Kunststoffanteile auf.

Es können ausgeprägte regionale Besonderheiten bestehen, die ggf. in der abfallwirtschaftlichen Planung zu berücksichtigen sind. So enthält der Hausmüll einiger Stadtteile von Rio de Janeiro beispielsweise bis zu 2,4% Kokosnuss-Schalen, deren Fasern für eine stoffliche Verwertung geeignet sind. Entlang der

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Strandpromenaden in den südlichen Stadtteilen wie Copacabana und Ipanema hat die COMLURB daher inzwischen eine getrennte Sammlung für die Kokosnuss-Schalen eingeführt. Im Projektgebiet in Novo Hamburgo ist der Hausmüll infolge der lokalen, überwiegend kleinen Betriebe der Leder- und Schuhindustrie durch relativ hohe Anteile an Textilien, Schuhen und Lederresten charakterisiert.

Da die Zusammensetzung des Hausmülls eine wesentliche Entscheidungsgröße für die Auswahl geeigneter Abfallwirtschaftssysteme darstellt und weiterhin i.d.R. nur wenige und schlecht vergleichbare Daten vorliegen, ist die Durchführung von Sortieranalysen im Zuge der Planung in jedem Fall zu empfehlen.

3.5 ZUSTÄNDIGKEITEN, PRIVATSEKTORBETEILIGUNG UND FINANZIERUNG

Gemäß der brasilianischen Verfassung fällt die Abfallwirtschaft als Teil der grundlegenden Ver- und Entsorgung den Gemeinden zu, die zu diesem Zweck sogar berechtigt sind, eigene Gesetze zu erlassen (vgl. Kap.2.5). Die Zuständigkeit der Kommunen umfasst alle Abfälle, die auf ihrem Gebiet entstehen, einschl. der Abfälle aus Gesundheitseinrichtungen.

Wie in Kapitel 1 dargestellt, können die Kommunen diese Verantwortung auch auf Zweckverbände und andere Institutionen übertragen oder Dritte mit der Erfüllung der Entsorgungsdienstleistungen beauftragen. Interkommunale Zweckverbände sind allerdings noch wenig verbreitet: nach Daten des IBGE waren im Jahr 2000 gerade 218 der insgesamt 5.507 Gemeinden Mitglied solcher Zweckverbände. Vor allem in den nördlichen und nord-östlichen Landesteilen wurde von der Möglichkeit solcher Zweckverbände nur wenig Gebrauch gemacht; weniger als ein Viertel aller Zweckverbände Brasiliens befinden sich in diesen Regionen. Neben politischen Aspekten stellen vor allem die Gebietsstrukturen in Brasilien ein Hemmnis für die Gründung solcher interkommunalen Zweckverbände dar: eine durchschnittliche brasilianische Gemeinde umfasst ca. 1.800 km² und hat damit eine viel größere territoriale Ausdehnung als beispielsweise deutsche Gemeinden (i.M. 30 km²). Die langen Transportwege und die dadurch entstehenden hohen Transportkosten lassen daher oftmals interkommunale Lösungen als wenig wirtschaftlich erscheinen.

Die IBGE-Studie verzeichnet eine wachsende Tendenz, private Unternehmen mit den Dienstleistungen der Stadtreinigung zu beauftragen; hier vor allem in den größeren Städten und in den südlichen und süd-westlichen Landesteilen. So hatten bereits im Jahr 2000 ca. 62% aller Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern private Unternehmen im Bereich der Stadtreinigung beauftragt; von den 31 Gemeinden mit mehr als einer halben Million Einwohner waren es sogar 27, entsprechend 87%. Dem gegenüber haben nur ca. 7% der Gemeinden mit weniger als 50.000 Einwohnern private Dienstleistungen in der Abfallwirtschaft beauftragt (IBGE, 2002).

Entsprechend den üblichen Entsorgungswegen (s. nachfolgenden Abschnitt) werden die privaten Dienstleister dabei im Wesentlichen für Leistungen der Müllabfuhr beauftragt. Darüber hinaus entstehen zunehmend private Deponien, auf denen zum Teil auch kommunale Abfälle entsorgt werden.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Die Aktivitäten der Stadtreinigung müssen entsprechend den Zuständigkeiten von den Kommunen finanziert werden. Neben den Geldern, die die Kommunen über automatische Transfers von Bund und Bundesstaaten erhalten, können sie auch eigene Steuern und Gebühren zur Finanzierung ihrer Aktivitäten erheben. Die wichtigste kommunale Steuer ist –nach der Dienstleistungssteuer- die Gebäude- und Grundsteuer IPTU. Zusammen mit dieser wird von vielen Kommunen eine Stadtreinigungs-Gebühr erhoben, die ebenso wie die IPTU nach Grundstücksgröße und Gebäudewert bemessen wird. Die erhobenen Gebühren sind allerdings i.d.R. nicht kostendeckend.

Eine große Anzahl an Kommunen macht von der Möglichkeit, eigene Steuern zu erheben, keinen Gebrauch. So besteht nach Daten des IBGE in immerhin 55% der brasilianischen Gemeinde keine Stadtreinigungsgebühr; dies betrifft besonders die kleinen Gemeinden des Norden und Nordostens Brasiliens. In den südlichen und südwestlichen Regionen sowie in den Großstädten wird dem gegenüber in fast allen Fällen eine Stadtreinigungsgebühr erhoben, besonders dann, wenn private Unternehmen mit Teilen der oder der Gesamtheit der Stadtreinigungsaufgaben beauftragt wurden.

Ca. 79% der brasilianischen Gemeinden geben bis zu 5% des gesamten städtischen Budgets für die Stadtreinigung aus, bei ca. 16% der Gemeinden machen die Aufwendungen für die Stadtreinigung bis zu 10% des Gesamt-Etats aus (IBGE, 2002).

Über die Kosten einzelner abfallwirtschaftlicher Leistungen liegen nur wenig Daten vor. Dies kann u.a. darauf zurückgeführt werden, dass i.d.R. keine kostendeckenden Gebühren erhoben werden und deswegen auch keine gesonderten Konten für die Abfallwirtschaft bestehen. Eine Aufschlüsselung der städtischen Ausgaben nach Leistungsbereichen kann daher oftmals nicht vorgenommen werden. Für die Deponierung nach Stand der Technik hat Jucá (2002) einige Daten zu den spezifischen Kosten zusammengetragen (Tabelle 3-2). Demnach ist die Streubreite der Deponierungskosten sehr groß. Es wurden spezifische Kosten von R$ 5,80 – 90,00 (ca. 2 – 33 €) pro Mg ermittelt. Der Median liegt bei ca. R$ 18,00 (6,70 €) pro Mg.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Tabelle 3-2: Spezifische Kosten für die Deponierung nach Stand der Technik in versch. Gemeinden, Stand 2001/2002 (Jucá, 2002)

Gemeinde - Bundesstaat Name Deponie Betrieb spez. Kosten [R$/Mg] Jahr

Fortaleza - Ceará Deponie Caucaia privat vergeben 5,80 2001

Fortaleza - Ceará Deponie Aquiraz privat vergeben 7,20 2001Porto Alegre – Rio Grande do Sul Deponie Extrema städtisch 18,00 2002

Porto Alegre - Rio Grande do Sul Deponie Santa Tecla städtisch 18,00 2002

São Paulo – São Paulo Deponie São João privat vergeben 18,00 2001

Santo André – São Paulo städtisch 13,00 2001

União da Vitória - Paraná städtisch 17,50 2001

Salavdor - Bahia Metropol-Deponie städtisch 15,00 2001

Palmas - Tocantins städtisch 90,00 2001

Arahuaína - Tocantins städtisch 41,70 2002

Guarai - Tocantins städtisch 33,30 2002

Median 18,00

3.6 SAMMLUNG UND TRANSPORT

Eine flächendeckende, regelmäßige Hausmüllabfuhr war laut der Studie des IBGE zumindest im Basisjahr 2000 nicht in allen Gemeinden gegeben. So gaben in dieser Studie nur ca. 33% der Gemeinden an, Anschlussgrade an die Hausmüllabfuhr von 100% der Einwohner sicher stellen zu können (Abbildung 3-6). Ca. 60% aller brasilianischen Gemeinden erreichten Anschlussgrade von > 80%. Hintergrund der oftmals nicht flächendeckenden Müllabfuhr ist die spezielle Siedlungsstruktur brasilianischer Gemeinden. So erlauben die informellen Siedlungen, die sich in allen größeren Städten finden, oftmals durch ihre enge und unkontrollierte Bebauung sowie die Lage auf Hügeln und in Überschwemmungsgebieten nicht die Durchführung einer Müllabfuhr mit schweren Transportfahrzeugen. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass brasilianische Gemeinden sehr große Fläche und zum Teil sehr abgelegene Gebiete umfassen können, in denen keine regelmäßige Müllabfuhr angeboten wird. Zum Teil werden hier an günstig zu erreichenden Stellen große „Gemeinschaftsmülltonnen“ aufgestellt und bei Bedarf geleert. In den innerstädtischen Bereichen sowie den formellen Wohngebieten kann dahingegen davon ausgegangen werden, dass eine flächendeckende und regelmäßige Müllabfuhr stattfindet.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Anschlussgrad an die Hausmüllabfuhr in Brasilien nach Gemeinden

o. Angabe; 3,5%

100%; 33,1%

> 70 bis 80%; 14,1%

>50 - 70%; 13,3%bis 50%; 8,9%

>80 bis 90%; 17,4%> 90 bis 99%; 9,6%

Abbildung 3-6: Anschlussgrade an die Hausmüllabfuhr in Brasilien nach Gemeinden (Quelle: IBGE, 2002)

Die Hausmüllabfuhr erfolgt in Brasilien überwiegend systemlos. Die Bürger stellen ihre Abfälle in Plastiktüten oder sonstigen Verpackungen an den Abfuhrtagen an der Straße zur Anholung bereit; teilweise werden dazu Ölfässer oder aufgeständerte Körbe zur Abfallbereitstellung benutzt (Abbildung 3-7). Sammelgefäße finden sich überwiegend für gewerbliche Abfallerzeuger, in innerstädtischen stark verdichteten Bereichen sowie in einigen Großstädten.

Abbildung 3-7: Bereitstellung von Hausmüll zur Abfuhr

Üblicherweise erfolgt die Hausmüllabfuhr werktäglich bis täglich (Abbildung 3-8). Sofern eine getrennte Wertstoffsammlung besteht (vergleiche Kapitel 3.8), erfolgt diese zumeist alternierend, d.h. ein bis zwei Mal pro Woche anstatt der Hausmüllabfuhr. Die - im Vergleich

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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zu Deutschland hohe - Frequenz der Müllabfuhr ist erforderlich, da der Abfall bei in der Regel hohen Organikgehalten und hohen Außentemperaturen nur schlecht gelagert werden kann.

Abfuhrzyklen in Brasilien nach Gemeinden

3 Mal wöchentlich; 20,4%

2 Mal wöchentlich; 12,5%

1 Mal wöchentlich; 4,1%

Täglich; 60,4%

Unregelmäßig; 2,6%

Abbildung 3-8: Frequenz der Hausmüllabfuhr in Brasilien nach Gemeinden (Quelle: IBGE, 2002)

Für die Hausmüllabfuhr werden in der Regel Press- oder Drehtrommelfrahrzeuge eingesetzt, die zumindest in den großen Städten und dort, wo private Unternehmen die Müllabfuhr durchführen, einen guten technischen Zustand aufweisen. Gelegentlich werden auch einfache LKWs mit offener Ladefläche zur Wertstoffsammlung eingesetzt, mit dem Ziel, eine hohe Verdichtung zu verhindern und die nachfolgende händische Sortierung zu vereinfachen.

Fast alle Gemeinden mit mehr als 200.000 Einwohnern verfügen über Umladestationen, in denen der Abfall von den Sammelfahrzeugen auf größere, für den Langstreckentransport geeignete Fahrzeuge umgeladen wird. Dabei handelt es sich oftmals um offene Flächen oder einfache Hallen, in denen der Abfall aus den Sammelfahrzeugen abgeladen und mittels Radladern auf die Fahrzeuge für den Langstreckenstransport aufgeladen wird.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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3.7 ABFALLENTSORGUNG

Verfahren zur Behandlung der Abfälle wie mechanisch-biologische Abfallbehandlung, Kompostierung oder Verbrennung finden in Brasilien noch kaum Anwendung: weniger als 3% des Abfalls werden kompostiert, nur ca. 1% einem Recycling zugeführt und weniger als 0,5% verbrannt (IBGE, 2002). Ein Grund für die geringe Verbreitung der Kompostierung liegt auch in der Tatsache begründet, dass einige Großprojekte zur Gesamtmüllkompostierung gescheitert sind. So mussten in Rio der Janeiro alle drei Gesamtmüllkompostierungsanlagen, die Ende der 80er/Anfang der 90er mit europäischer Technologie gebaut wurden, nach kurzer Betriebszeit wieder stillgelegt werden. Gründe dafür waren u.a. Geruchsprobleme und Mängel in der Prozesstechnik, die nicht auf den spezifischen Abfall, das Klima und sonstige Rahmenbedingungen zugeschnitten war. Einzig die Anlage in Cajú ist heute wieder in Betrieb, wobei allerdings die zentrale Prozesseinheit - Rottetrommeln- umfahren und durch eine einfache, offene Kompostierung in Dreieckmieten ersetzt wurde.

Die Müllverbrennung ist vor dem Hintergrund des knappen Finanzvolumens, das für die Abfallwirtschaft zu Verfügung steht, derzeit noch nicht mit einem sinnvollen Standard realisierbar. Es wurden in der Vergangenheit in Brasilien einige Hausmüllverbrennungsanlagen errichtet, hauptsächlich in Rio de Janeiro und São Paulo, doch die große Mehrzahl wurde wieder außer Betrieb genommen und die restlichen dienen fast ausschließlich der Verbrennung von Krankenhausabfällen. Trotz der geringen Verbreitung wird die Müllverbrennung durchaus als eine Option zur Lösung des Abfallproblems angesehen.

Die Deponierung ist in Brasilien die vorherrschende Methode der Abfallentsorgung. Nach Daten des IBGE wurden im Jahr 2000 ca. 97% des erfassten Hausmülls deponiert (s. Abbildung 3-9). Dabei werden in der brasilianischen Fachwelt üblicherweise drei Arten von Deponien unterschieden:

Geordnete Deponien nach westlichem Standard (aterro sanitário) verfügen über eine Basisabdichtung -i.d.R. aus HDPE-Folie, teilweise mit zusätzlicher mineralischer Abdichtung oder auf einer geologischen Barriere- sowie über Vorrichtungen zur Sammlung und Erfassung der gasförmigen und flüssigen Emissionen. Das gefasste Deponiegas wird häufig abgefackelt; es bestehen aber auch erste Projekte wie z.B. in Novo Iguaçu - RJ, die eine energetische Verwertung beinhalten. Die Behandlung der Sickerwässer erfolgt oftmals in biologischen Reinigungsstufen (s. auch weiter unten). Die genauen Anforderungen an den Deponiebau und die Infrastruktur werden in der Regel im Rahmen des Genehmigungsprozesses festgelegt.

Als gesicherte Müllkippen (aterro controlado) werden solche Deponien bezeichnet, die zwar über keine oder nur einfache Abdichtungssysteme und Einrichtungen zur Fassung und Behandlung der Deponieemissionen verfügen, aber immerhin über grundlegende Sicherungseinrichtungen wie Umzäunung, Annahmekontrolle etc. verfügen. I.d.R. wird ein geordneter Betrieb mit Annahmekontrolle, Einbau und Verdichtung des Abfalls mittels Schubschildraupen und regelmäßiger Abdeckung

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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sichergestellt. Oftmals handelt es sich dabei um ehemals wilde Müllkippen, deren Standard nachträglich verbessert wurde.

Wilde Müllkippen (lixão) sind Abfall-Ablagerungen „unter freiem Himmel“, ohne jegliche Sicherungsmaßnahmen und ohne geordneten Betrieb.

Gemäß dieser Untergliederung der Deponien gelangten im Jahr 2000 36,2% des Hausmülls und hausmüllähnlicher Abfälle auf geordneten Deponien (aterro sanitário), ca. 37,0% dieser Abfälle werden auf „gesicherte Müllkippen“ (aterro controlado) verbracht, während immerhin noch 22,5% der Hausmüll- und hausmüllähnlichen Abfälle auf so genannten „lixões“ – wilden Müllkippen entsorgt wurden. (Abbildung 3-9).

Abbildung 3-9: Abfallentsorgung in Brasilien, 1991 – 2000 (nach Jucá, 2002)

Gegenüber dem Stand von 1991, nach dem noch 77% der Abfälle auf wilden Müllkippen entsorgt wurden (EMBRAPA, 1994), hat sich der Standard der Deponierung im Laufe der 90er Jahre deutlich verbessert.

Bei Betrachtung der Abfallentsorgung nach Gemeinden stellte sich die Situation der Abfallentsorgung im Jahr 2002 allerdings negativer dar (Abbildung 3-9). Demnach verfügten 63% der Gemeinden lediglich über eine gänzlich ungesicherte Müllkippe. Umgekehrt kann aus diesen Daten auch entnommen werden, dass gerade die großen Gemeinden und Großstädte mit hohem Müllaufkommen in den letzen Jahren große Anstrengungen zur Verbesserung der Abfallentsorgung unternommen haben. Auch wenn derzeit keine aktuellen Zahlen zum Status quo der Deponierung in ganz Brasilien vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass sich der Standard der Deponierung in den letzten Jahren noch deutlich gegenüber dem Status quo im Jahr 2000 verbessert hat. So haben viele Gemeinden in die Verbesserung ihrer Mülldeponien investiert oder neue errichtet.

Ungesicherte Müllkippen

„geordnete Müllkippen“

Verbrennung

Sortierung

Kompostierung Deponie nach Stand der Technik

Hau

smül

lmen

gen

(Mg/

d)

Ungesicherte Müllkippen

„geordnete Müllkippen“

Verbrennung

Sortierung

Kompostierung Deponie nach Stand der Technik

Hau

smül

lmen

gen

(Mg/

d)

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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ungesicherte Müllkippe63%

gesicherte Müllkippe18%

keine Angaben5%

geordnete Deponie14%

Abbildung 3-10: Abfallentsorgung in Brasilien nach Gemeinden, 2000 (IBGE, 2002)

In den letzten Jahren sind zeitgleich zur Verbesserung des Gesamt-Standards der Mülldeponien auch erhebliche Verbesserungen bei der Sickerwasserbehandlung realisiert worden. Deponiesickerwasser wird in Brasilien in situ oder in nahe gelegenen Industrie- bzw. kommunalen Abwasserkläranlagen behandelt. Die Reinigung vor Ort erfolgt in der Regel mittels Teichanlagen, wobei es großer bereitzustellender Flächen bedarf, da mit hohen Sickerwassermengen zu rechnen ist. Dies kann darauf zurück geführt werden, dass bei den hohen Niederschlägen viel Wasser in den Deponiekörper eindringt und gleichzeitig infolge der erhöhten Luftfeuchte nur wenig Wasser verdunstet. Um die zu reinigenden Mengen klein zu halten, wird auf vielen Deponien nach Stand der Technik ein Teilstrom des Sickerwassers auf die Deponie zurückgeführt. Die Reinigungsleistung der Behandlungsteiche reicht oftmals nicht aus, um die Konzentrationen an CSB, Stickstoff u.a. signifikant zu reduzieren. Dies wurde auch in Brasilien erkannt und es werden bereits in Studien Möglichkeiten der Effizienzsteigerung bestehender Anlagen durch ergänzende biochemische und chemisch-physikalische Reinigungsstufen betrachtet. Tabelle 3-3 gibt eine Übersicht realisierter Sickerwasserreinigungsanlagen in Brasilien.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Tabelle 3-3: Ausgewählte Sickerwasserreinigungsanlagen in Brasilien (nach Jucá, 2002)

Stadt Art der Deponie Reinigungsverfahren

Norden

Belém (Pará) Deponie n. Stand d. Technik SW-Rezirkulation, biologische Reinigung

Nordosten

Fortaleza (Ceará) Deponie n. Stand d. Technik anaerobe und fakultative Teiche

Fortaleza (Ceará) Deponie n. Stand d. Technik anaerobe und fakultative Teiche

Salvador (Bahia) Deponie n. Stand d. Technik in Industrieabwasser-KA behandelt

Palmas (Tocantins) Deponie n. Stand d. Technik anaerober und fakultativer Teich sowie Schönungsteich

Guarai (Tocantins) Deponie n. Stand d. Technik 2 anaerobe Teiche

Südosten

Extrema (Minas Gerais) Deponie n. Stand d. Technik anaerobe Teiche, ein fakultativer

Teich, ein Schönungsteich

Paracatu (Minas Gerais) Deponie n. Stand d. Technik ein fakultativer und ein anaerober

Teich

Contagem (Minas Gerais) Deponie n. Stand d. Technik Sand/Kies-Filter und Imhoff-Tank

Belo Horizonte (Minas Gerais) sanierte Deponie SW-Rezirkulation, Überschuss in

Abwasser-KA behandelt

Itaquaquecetuba (São Paulo) Deponie n. Stand d. Technik Behandlung in kommunaler

Kläranlage

Santo André (São Paulo) Deponie n. Stand d. Technik anaerober Teich und fakultativer

Teich mit Belüfter

São Paulo Deponie n. Stand d. Technik in Abwasser-KA behandelt

Rio de Janeiro "geordnete Müllkippe" Ausgleichsbecken, Nanofiltration

Süden

Biguaçu (Santa Catarina) Deponie n. Stand d. Technik

Sammelbrunnen mit Teil-Rezirkulation, UASB-Reaktor, anaerober und fakultativer Teich, Schönungsteich

Porto Alegre (Rio Grande do Sul) Deponie n. Stand d. Technik belüfteter Teich, danach zur

Abwasser-KA transportiert

Porto Alegre (Rio Grande do Sul) Deponie n. Stand d. Technik anaerober und belüfteter Teich, 2

fakultative Teiche, Sand/Kiesfilter

KA = Kläranlage; SW = Sickerwasser

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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In vielen Städten wird das Sickerwasser nicht direkt vor Ort behandelt, sondern der nächstgelegenen kommunalen Abwasserkläranlage zugeführt. Damit ist die Gefahr verbunden, dass es aufgrund der unbeständigen Sickerwasserzusammensetzung zu Prozessschwierigkeiten innerhalb der verschiedenen Reinigungsstufen kommt. Für die Deponiebetreiber ergeben sich außerdem durch die Mitbehandlung des Sickerwassers auf kommunalen Kläranlagen hohe Kosten, da das Sickerwasser in der Regel abgepumpt und mit Hilfe von Tankwagen bis zur Kläranlage transportiert werden muss, sofern keine Rohrleitung besteht. Auf einigen Kläranlagen werden Speicherbecken vorgehalten, um das Sickerwasser dosiert dem eigentlich zu reinigenden Abwasserstrom zuführen zu können und die Gefahr des Eintretens von Prozessschwierigkeiten zu minimieren.

Zusammenfassen ist festzuhalten, dass sich der Standard der Siedlungsabfallentsorgung in Brasilien im Laufe des letzten Jahrzehnts erheblich verbessert hat. Diese Verbesserungen können laut IBGE auf folgende Umstände zurückgeführt werden:

Steigendes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung;

Druck durch das Innenministerium (Ministério Público), das aktiv für die Unterzeichnung von Selbstverpflichtungen der Gemeinden zur Sanierung und Sicherung von Müllkippen geworben hat;

Der Druck durch das UNICEF-Programm „Kinder auf der Müllkippe – nie mehr!“ (Lixo e Cidadania - Criança no Lixo, Nunca Mais);

Die Bereitstellung umfangreicher Finanzmittel für den Sektor durch den Nationalen Umweltfond (Fundo Nacional de Meio Ambiente);

Die Unterstützung einiger bundesstaatlicher Regierungen.

In der Folge hat sich die Ausstattung von Deponien gerade in mittleren und großen Städten deutlich verbessert. Dennoch sieht auch das IBGE den Bedarf für weitere Anstrengungen, um einen akzeptablen Status der Abfallentsorgung zu erreichen. In vielen mittleren und kleinen Gemeinden wird beispielsweise der Abfallwirtschaft oftmals noch nicht der Stellenwert zugesprochen, der erforderlich ist, um eine umweltverträgliche Bewirtschaftung sicherstellen zu können. Weiterhin fehlt es noch an Kapazitäten zur Vorbehandlung und stoffstromspezifischen Behandlung von Abfällen, die geeignet sind, das Gefährdungspotenzial von Abfällen zu reduzieren und die Anteile verwerteter Abfälle zu erhöhen.

3.8 RECYCLING

In Brasilien unterliegen die Recyclingaktivitäten überwiegend dem Marktgeschehen; gesetzliche Verpflichtungen oder Regelungen zum Abfallrecycling existieren nicht. Dem entsprechend gibt es noch wenig formelle Strukturen zur Getrenntsammlung oder Wertstoffsortierung, auch wenn die Anzahl der Gemeinden, die eine getrennte Wertstoffsammlung eingeführt haben seit 1999 um fast das 2,5-fache auf derzeit 327 (2005)

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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gestiegen ist (Abbildung 3-11). Derzeit sind etwa 25 Mio. Einwohner, entsprechend ca. 13,5% der Bevölkerung, an eine getrennte Wertstoffabfuhr angeschlossen.

Gemeinden mit getrennter Wertstofferfassung

0

50

100

150

200

250

300

350

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Jahr

Anz

ahl G

emei

nden

Abbildung 3-11 : Anzahl der Gemeinden mit getrennter Wertstoffsammlung in Brasilien, 1994 - 2005 (CEMPRE, 2006b)

Trotz der vergleichsweise geringen Anzahl an Gemeinden mit getrennter Wertstoffsammlung werden in Brasilien bereits heute hohe Recyclingquoten erzielt; für einzelne Wertstoffe wie Papier/Pappe oder Getränkedosen liegen sie bei ca. 50 bis über 90% (Tabelle 3-4).

Die hohen Recyclingquoten sind vor allem eine direkte Folge der großen sozialen Disparitäten in Brasilien: einen wesentlichen Beitrag zum Wertstoffrecycling leisten catadores genannte informelle Müllsammler, die auf den Straßen oder Deponien Wertstoffe aus dem Abfall sortieren und deren einzige Einkommensquelle in den Verkauferlösen besteht.

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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Tabelle 3-4: Recyclingquoten für ausgewählte Wertstoffe in Brasilien in % des Verbrauchs (CEMPRE, 2006a)

Art 2002 2004 2005

PET 43,0% 47,0% 47,0%

Weißblech (Getränke-Dosen) 88,0% 88,0%

Tetra-Pak 22,1% 23,0%

Glas 47,0% 45,0%

Aluminium (Getränke-Dosen) 95,7% 96,2%

Papier/Pappe 44,7% 45,8% 46,9%

Tabelle 3-5: Minimale und maximale Wertstoffpreise für sortierte und aufbereitete Wertstoffe in Brasilien in €/Mg (CEMPRE, 2006a)

Juli/August 06 Sept./Okt. 06 Nov./Dez. 06 Art

Min. Max. Min. Max. Min. Max.

PET 127 235 13 235 181 282

Weißblech (Getränke-Dosen)

51 235 62 90 51 112

Tetra-Pack 18 90 11 253 36 127

Glas 9 62 14 43 14 72

Aluminium (Getränke-Dosen)

615 1.303 1.013 1.593 1.013 1.339

Papier/Pappe 40 105 25 192 47 192

Die Müllsammler durchsuchen die zur Abholung bereit gestellten Abfälle in den Straßen oder sortieren auf den Mülldeponien – hier insbesondere den ungesicherten Müllkippen - Wertstoffe aus den angelieferten Abfällen, um von dem Verkauf der Wertstoffe ihr Leben zu bestreiten. Hierbei kann es sich von illegalen Aktivitäten bis hin zu losen Absprachen mit den Verantwortlichen handeln. So konnte vielfach auch eine informelle Getrenntsammlung beobachtet werden: einige Haushalte oder Gewerbebetriebe separieren z.B. Getränkedosen oder Altpapier und -pappe, um sie einem Müllsammler oder einer Gruppe von Müllsammlern als eine Form von Spende zu übergeben (eigene Beobachtung). Vielfach handelt es sich bei

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Teil A – Abfallaufkommen und –entsorgung in Brasilien

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den Müllsammlern um arbeitslose Zuwanderer aus ärmeren Landesteilen, oftmals Analphabeten, die keine andere Möglichkeit finden konnten, um Geld zu verdienen.

Angaben über die Anzahl der Müllsammler gehen weit auseinander: Für Brasilien wird geschätzt, dass an die 200.000 Menschen in den Straßen der Städte Wertstoffe sammeln; wenigstens weitere 5.000 sammeln direkt auf den Müllkippen und leben auch dort oder in unmittelbarer Nähe (D’Almeida et al., 2000). Nach anderen Quellen kann angenommen werden, dass im Mittel ca. 2% der Bevölkerung in Entwicklungsländern von der Sammlung und dem Verkauf von Wertstoffen leben (Sundgren, 2003, in: Hunger et al., 2005). Müllsammler finden sich dabei insbesondere in den großen Metropolen und in den wirtschaftlich weniger entwickelten Landesteilen. So arbeiten nach einer Studie des Umweltamts des brasilianischen Bundesstaats Pernambuco, der im wirtschaftlich schlecht entwickelten Nordosten liegt, in 81% der Gemeinden Müllsammler, in 40% der Gemeinden sogar mit einem hohen Anteil Minderjähriger.

Die Tätigkeit der informellen Müllsammler ist nicht auf die kommunalen Dienstleistungen oder auf die der privaten Entsorger abgestimmt und kann daher eine geordnete Abfallwirtschaft erheblich stören. Straßenmüllsammler zerreißen oft die zur Abholung bereitgestellten Müllsäcke und zerstreuen bei der Sortierung Abfälle auf der Straße. Die Müllsammler auf den Deponien erschweren den regulären Betrieb der Deponie und widersetzen sich häufig mit großem Widerstand eventuellen Änderungen im Betrieb, die ihre Arbeit erschweren könnte. Müllsammler werden häufig seitens der staatlichen Stellen in erster Linie als „Störenfriede“ angesehen, die am Besten von der Abfallwirtschaft ferngehalten werden sollten (Medina 2004, in: Hunger et al., 2005)

Es herrscht jedoch unter Fachleuten immer mehr die Einsicht, dass dieser Sektor nicht ignoriert oder gar ausgegrenzt werden darf, will man die sozialen Probleme nicht einfach verlagern. Vor diesem Hintergrund sind in Brasilien zahlreiche Beispiele von Projekten zur Verbesserung der Lebenssituation der Müllsammler entstanden, initiiert durch Politiker, Sozialarbeiter, Nicht-Regierungsorganisationen oder kirchliche Einrichtungen.

So liegen Erfahrungen mit Programmen zur Getrenntsammlung vor, die die Integration des informellen Sektors beinhalten. Ein übliches Vorgehen ist dabei die Gründung von Müllsammler-Kooperativen; derzeit gibt es in ganz Brasilien ca. 142 solcher Kooperativen. In Brasilien wird der cooperativismo durch die Bundesverfassung und die Bundesgesetze No 5.764/71 und 8.949/94 geregelt (Gregório, 2000).

Die Müllsammler-Kooperativen werden auch durch die brasilianische Bundesregierung gefördert: so hat diese jüngst beschlossen, an ihren Verwaltungssitzen eine Getrenntsammlung einzuführen und die als Wertstoffgemisch gesammelten Abfälle Müllsammler-Kooperativen zur Sortierung, Aufbereitung und Verkauf zu übergeben. Solche Kooperativen können auch Kredite bei der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES erhalten. Für eine nachhaltige und erfolgreiche Wirkung dieser Programme ist es wichtig, diese nicht als karitative Aktivitäten anzusehen, sondern vielmehr den volkswirtschaftlichen und ökonomischen Wert der Arbeit, die die Müllsammler leisten, herauszustellen und zu stärken.

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TEIL B – PILOTPROJEKT NOVO HAMBURGO

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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4 PILOTPROJEKT NOVO HAMBURGO – ERGEBNISSE UND DISKUSSION

4.1 PROJEKTGEBIET

4.1.1 Der Bundesstaat Rio Grande do Sul und die Metropolregion Porto Alegre

Der Bundesstaat Rio Grande do Sul liegt im äußersten Süden Brasiliens an der Grenze zu Uruguay und Argentinien. Rio Grande do Sul hat eine Fläche von ca. 282.000 km2, die in 496 Munizipien aufgeteilt ist. Dort leben ca. 10,7 Mio. Menschen, deren Vorfahren "índios", Portugiesen, Italiener, Deutsche und Asiaten sind. In der Gebirgsregion trifft man beispielsweise viele Brasilianer, die deutsch oder italienisch sprechen. Der Verstädterungsgrad ist ähnlich wie im Rest Brasiliens mit ca. 83% hoch.

Rio Grande do Sul liegt im subtropischen Klimagebiet. Die mittlere Temperatur in Porto Alegre liegt im Sommer bei ca. 24°C und im Winter bei ca. 14°C. In einzelnen Regionen gibt es starke Temperatur- und Niederschlagsschwankungen im Winter: so kann es auch in Porto Alegre zu längeren Nachtfrostperioden kommen. Nach Menegat et al. (1999) liegt die mittlere jährliche Niederschlagsmenge bei 1.324 mm an durchschnittlich 135 Regentagen. Dabei fallen die größten Niederschlagsmengen im Juni und September. Die relative Luftfeuchtigkeit liegt im Jahresmittel bei 76%.

Porto Alegre (1,36 Mio. Einwohner) ist die Hauptstadt des Bundesstaats und gleichzeitig das Zentrum der Metropolregion Porto Alegre, deren Ballungsraum sich von der Hauptstadt ostwärts bis nach Novo Hamburgo hin ausdehnt. Wie aus Tabelle 4-2 ersichtlich, liegen die wirtschaftlichen Daten Rio Grande do Suls deutlich über denen des Landesdurchschnitts; die Lebensqualität und das Wirtschaftsleben sind hier i.A. als gut zu bezeichnen. So gehört Rio Grande do Sul mit dem viertgrößten Bruttoinlandsprodukt landesweit zu den wirtschaftlich führenden Bundesstaaten in Brasilien.

Tabelle 4-1: Allgemeine Daten zu Rio Grande do Sul (FEE, 2007)

Rio Grande do Sul

Bevölkerung (2005) 10.749.595 EW

Fläche (2005) 281.748,5 km²

Gemeinden 496

Bevölkerungsdichte (2005) 38,2 EW/km²

Verstädterungsgrad (2003) 83,3%

Analphabetenrate (2000) 6,65%

Lebenserwartung bei Geburt (2000) 72,1 Jahre

Kindersterblichkeitsrate (2006) 13,2/1.000 Lebendgeburten

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Tabelle 4-2: Wirtschaftsdaten 2006 von Brasilien (AHK, 2006a) und Rio Grande do Sul (FEE, 2007) im Vergleich

Brasilien Rio Grande do Sul

Bruttoinlandsprodukt - BIP (Mrd. US$) 797,3 71,9

BIP je Einwohner (US$/a) 4.322 6.555

Wirtschaftswachstum 2,3% 2,7%

Anteil der Wirtschaftssektoren am BIP (%):

Landwirtschaft 9,8% 11,5%

Industrie 37,9% 44,5%

Dienstleistungen 52,3% 44,0%

Die Wirtschaft des Bundesstaats wird geprägt einerseits von der starken industriellen Wirtschaft in Porto Alegre und andererseits von der Landwirtschaft in den übrigen Landesteilen außerhalb der Metropolregion. Die wichtigsten Wirtschaftzweige sind metallverarbeitende Industrie, Lebensmittelindustrie sowie Leder-, Schuh- und Textilindustrie. Im Süden des Bundeslandes Rio Grande do Sul wird in der Tiefebene in geringem Maße Reis angebaut. Der Südwesten ist durch weite Flächen mit karger Vegetation und Rinder- und Schafzucht geprägt. Im Nordwesten wird Landwirtschaft mit der Fruchtfolge Mais, Weizen und Soja betrieben. Unter den subtropischen klimatischen Bedingungen sind bis zu drei Ernten pro Jahr auf einem Feld erzielbar. Des Weiteren werden Geflügelzucht, zu geringen Teilen Schweinezucht und Rinderzucht betrieben. Der Nordosten als Küstenregion hat Mittelgebirgscharakter mit sehr fruchtbaren Tälern. In dem Gebiet wird sowohl Obst- und Weinanbau als auch Feld- und Viehwirtschaft betrieben.

Hinsichtlich des Umweltschutzes nimmt Rio Grande do Sul zusammen mit weiteren Bundesstaaten aus den südlichen und südöstlichen Landesteilen eine führende Stellung ein. Dies umfasst auch die Abfallwirtschaft. So führen gemäß einer Studie des spanischen Ministeriums für Wirtschaft in Zusammenarbeit mit der brasilianischen Regierung immerhin 37 % der Gemeinden im Bundesstaat eine getrennte Müllsammlung durch – in Gesamt-Brasilien liegt dieser Anteil bei lediglich ca. 6%. Die Wertstoffsortierung erfolgt in 22 % der Fälle in eigenen Sortieranlagen, in 47 % werden die Abfälle Organisationen von Arbeitern (Müllsammlerkooperativen) übergeben; 31 % der Gemeinden übergeben sie an private Firmen. Im Bundesstaat Rio Grande do Sul betreiben etwa 15 % der Kommunen eine lizensierte biologische Abfallbehandlung. Es wurde weiterhin ermittelt, dass 6 % der Bevölkerung ihren Abfall kompostieren (Intecsa, 2006).

Trotz des großen Umweltbewusstseins und aller Fortschritte beim Recycling von Abfällen, werden für Rio Grande do Sul weiterhin steigende Abfallmassen prognostiziert. Derzeit fallen im gesamten Bundesstaat ca 5.488 Tonnen Siedlungsabfälle pro Tag an. Analog zur prognostizierten Bevölkerungsentwicklung ergibt sich jährlich ein knapp 3-prozentiger Anstieg der Abfallmassen wie in Abbildung 4-1 dargestellt ist (Intecsa, 2006).

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Abfallmengen-Prognose für den Bundesstaat Rio Grando do Sul, 2006

4.000

4.500

5.000

5.500

6.000

6.500

7.000

7.500

8.000

8.500

2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035

Jahr

[(Mg/

d]

Abbildung 4-1: Prognose der Abfallmassen für den Bundesstaat Rio Grande do Sul, 2006 (Intecsa, 2006)

4.1.2 Novo Hamburgo

Novo Hamburgo liegt 45 km nördlich von Porto Alegre im Wassereinzugsgebiet des Flusses Rio dos Sinos und wird von zahlreichen Zuflüssen zu diesem Fluss durchschnitten. Im Norden ist die Gemeinde von Hügeln umgeben. Nach den offiziellen Daten des bundesstaatlichen Amts für Wirtschaft und Statistik (FEE - Fundação Economía e Estadística) hatte Novo Hamburgo im Jahr 2005 257.285 Einwohner (FEE, 2007), die auf einer Fläche von 223,6 km² leben. 98% der Bevölkerung ist in der städtischen Zone ansässig, die nur ca. 35% der Gesamtfläche der Kommune ausmacht. In den Jahren 1997 – 2000 lag das mittlere Bevölkerungswachstum – ebenfalls nach Daten des FEE - bei 0,82%. Das BIP betrug nach Zahlen des FEE im Jahr 2004 ca. US$ 1,18 Mrd. und ist gegenüber dem Vorjahr 2003 um 15,5% gewachsen. Das BIP/Kopf wurde in der gleichen Quelle im Jahr 2004 mit US$ 4.670 angegeben. Beim Vergleich mit den Daten des Bundesstaats bzw. Gesamt-Brasiliens sind die starken Währungsschwankungen bei der Konvertierung in US$ zu beachten. Unter Berücksichtigung der Wechselkurse und der unterschiedlichen Bezugsjahre kann geschlossen werden, dass der BIP/Kopf in Novo Hamburgo ähnlich hoch ist wie der mittlere Wert des gesamten Bundesstaats und damit um ca. 40 – 50% höher als im brasilianischen Mittel.

Das Wirtschaftsleben konzentriert sich auf die Sektoren Industrie und Handel, wobei die Herstellung von Schuhen und Schuhkomponenten sowie deren Handel und Export die wichtigste Rolle einnehmen. Nach Angaben der Stadtverwaltung von Novo Hamburgo

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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werden zwei Drittel der gesamten gewerblichen Umsätze im Gebiet von Novo Hamburgo durch die Industrie erzielt, hauptsächlich durch kleine und mittelständische Unternehmen.

Trotz der im brasilianischen Kontext relativ guten Wirtschaftsdaten gibt es in Novo Hamburgo einige Armutsgebiete, zumeist informelle bzw. illegale Ansiedlungen in geografischen Risikogebieten wie Berghängen oder in Überschwemmungsgebieten ohne Basisentsorgung.

4.1.3 Rechtliche Grundlagen im Projektgebiet

ZUSTÄNDIGKEITEN

Das Landesumweltministerium von Rio Grande do Sul - SEMA (Secretaria Estadual do Meio Ambiente) regelt die Umweltpolitik auf bundesstaatlicher Ebene. Als Genehmigungs- und Überwachungsbehörde für umweltrelevante Projekte ist dem Ministerium die FEPAM (Fundação Estadual de Proteção Ambiental Henrique Luis Roessler) unterstellt. Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst unter anderem die folgenden Aufgaben (FEPAM, 2007):

Ausstellung von Genehmigungen

Projektfinanzierung

Öffentlichkeitsarbeit für den Umweltsektor

Durchführung von Umweltqualitätskontrollen

Koordination von Umweltprojekten und –programmen

Auf Grundlage der übergeordneten Gesetzgebung können von den Kommunen weitere Normen und Kriterien für die Genehmigung und den Betrieb umweltrelevanter Aktivitäten festgelegt werden. Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst unter anderem die kommunale Abfallwirtschaft einschließlich der Straßenreinigung, Abfallsammlung, Abfallbehandlung und –deponierung.

ALLGEMEINES UMWELTRECHT

Der Bundesstaat Rio Grande do Sul hat mit dem Gesetz No 11.520 (Fassung vom 8. August 2000) einen eigenen Umwelt-Kodex (Código Estadual do Meio Ambiente) verabschiedet Dieser bestätigt das grundsätzliche Recht jeden Bürgers auf eine intakte Umwelt und verpflichtet die bundesstaatlichen Organe ebenso wie die Gemeinden, Umweltschutzbelange zu berücksichtigen. Dazu werden eine Reihe von bundesstaatlichen Maßnahmen definiert, wie z.B. Umweltentwicklungspläne, Schutzflächenausweisungen etc. Bei allen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Planungen sind Umweltbelange zu berücksichtigen. Der Umweltkodex fordert dazu explizit eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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ABFALLRECHT

Sämtliche abfallwirtschaftlichen Aktivitäten bedürfen einer Genehmigung durch die FEPAM. Industrielle Abfallerzeuger müssen sich registrieren lassen. Weitere Einzelheiten der Grundsätze für die Erteilung von Genehmigung, Zuständigkeiten und Strafen regeln das Gesetz No 23.082 vom 26.04.1974 sowie das Dekret No 38.356 vom 01.04.1998. Diese beiden Rechtsakte fordern die Befolgung der abfallwirtschaftlichen Hierarchie von Vermeiden vor Verwerten vor Behandeln/Entsorgen. Die Gemeinden im Bundesstaat sollen die Getrenntsammlung und das Recycling schrittweise ausbauen.

Weitere, im vorliegenden Kontext relevante Rechtsvorschriften sind die FEPAM - Verordnung 47/98 zu Abfalltransporten sowie die bundesstaatliche Verordnung 12/95 (Portaria Estadual Nº 12/95-SSMA, de 29.11.95) zur Behandlung/Deponierung von Siedlungsabfällen und Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

DÜNGEMITTELRECHT – ANFORDERUNGEN AN KOMPOSTE

Qualitätsanforderungen an den Kompost ergeben sich aus dem Düngemittelrecht, das in den „Normverordnungen“ (instruções normativas) Nº 23 (vom 21.08. 2005) und SDA No 27 (vom 05. Juni 2006) des brasilianischen Landwirtschafts- und Versorgungsministeriums (Ministério da agricultura, pecuária e abastecimento) niedergelegt ist.

Die Normverordnung von 2005 definiert Begrifflichkeiten, lässt Zusatzstoffe zur Herstellung von Erden und Substraten aus Komposten zu und definiert Grenzwerte für einige chemisch-physikalische Parameter wie Wassergehalt und pH-Wert. Die Normverordnung von 2006 schreibt Schwermetall-Grenzwerte für alle Düngemittel – mineralische wie organische- vor. Für organische Komposte werden des Weiteren noch Hygiene-Parameter festgelegt (Tabelle 4-3).

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Tabelle 4-3: Schwermetallgrenzwerte und Hygieneanforderungen an organische Düngemittel in Brasilien (Normverordnung SDA No 27 des brasilianischen Landwirtschafts- und Versorgungsministeriums) sowie Anforderungen gem. deutscher Bioabfall-Verordnung

Grenzwert Brasilien Grenzwerte Deutschland

Parameter SDA No 27 BioAbfV, Kat. 1 BioAbfV, Kat. 2

Arsen (mg/kg) 20 - -

Cadmium (mg/kg) 3 1,5 1

Blei (mg/kg) 150 150 100

Chrom (mg/kg) 200 100 70

Quecksilber (mg/kg) 1 - -

Nickel (mg/kg) 70 50 35

Selen (mg/kg) 80 - -

Zink (mg/kg) 400 300

Kupfer (mg/kg) 100 70

Thermophile Coliforme - geschätzte Anzahl pro Gramm Trockenmasse (NMP/g de MS) 1.000,00

Lebensfähige Helmintos-Eier - Gesamtanzahl pro 4 Gramm Feststoff 1

Salmonella sp Kein Nachweis in 10g Trockenmasse

ANFORDERUNGEN DAS EINLEITEN VON DEPONIESICKERWASSER

Im Unterschied zu Deutschland, wo sich die Anforderungen an die Sickerwasserqualität nach der Herkunft richten, wird in Brasilien insbesondere hinsichtlich der Konzentrationen an CSB und BSB5 nach der Größe der Sickerwasserreinigungsanlage und der Qualität des Gewässers, in das eingeleitet wird, unterschieden. In dem Erlass Portaria N° 05/89 werden von der FEPAM Emissionsgrenzwerte für Sickerwasser aus Siedlungsabfalldeponien in Rio Grande do Sul vorgegeben, nach denen sich die städtischen Umweltämter zu richten haben. Hier sind die Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer mit sehr weitreichenden Auflagen verbunden. Tabelle 4-4 zeigt die in der Projektregion einzuhaltenden Grenzwerte im Vergleich zu den in Deutschland geltenden Anforderungen.

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Tabelle 4-4: Anforderungen an Sickerwasser in Brasilien und Deutschland

Parameter Brasilien Deutschland

CSB * mg/l 360 200

BSB5 * mg/l 120 20

gesN mg/l 10 70 (ges. anorg. N)

gesP mg/l 1 3

Cyanid µg/l 200 200

Quecksilber µg/l 10 50

Cadmium µg/l 100 100

Chrom µg/l 500 500

Chrom (VI) µg/l 100 100

Nickel µg/l 1.000 1.000

Blei µg/l 500 500

Kupfer µg/l 500 500

Zink µg/l 1.000 2.000

Arsen µg/l 100 100

* für Q < 200 m³/d

Im Vergleich zu den Anforderungen in Deutschland sind brasilianischen Grenzwerte als gleichwertig und zum Teil sogar als strenger (ges. N, ges P, Quecksilber, Zink) anzusehen. Die Grenzkonzentrationen an Gesamtstickstoff und Gesamtphosphor stellen mit 10 und 1 mg/l sogar eine starke Verschärfung gegenüber deutschen Grenzwerten dar und können mit einfachen Techniken nicht ohne weiteres erreicht werden.

Tabelle 4-5: Anforderungen an Sickerwasser in Brasilien in Abhängigkeit der Mengen in Brasilien

BSB5 CSB Abwasseranfall ( m3/d )

(mg/l) (mg/l)

Q < 200 ≤ 120 ≤ 360

200 ≤ Q < 1.000 ≤80 ≤ 240

1.000 ≤ Q < 2.000 ≤ 60 ≤ 200

2.000 ≤ Q < 10.000 ≤ 40 ≤ 160

10.000 ≤ Q ≤ 20 ≤ 100

In Abhängigkeit von der dem Vorfluter zufließenden Wassermenge und in Abhängigkeit davon, ob bereits eingeleitet wird oder zukünftig eingeleitet werden soll, stellen sich der

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Grenzgehalt von CSB und BSB5 dar. Für Zuflüsse kleiner 200 m³/d, wie sie in der Sickerwasserreinigung üblicherweise zu erwarten sind, ergeben sich die Grenzwerte bzgl. des CSB und BSB5 zu 360 und 120 mg/l. Für andere Wassermengen sind die Grenzwerte für BSB5 und CSB der oben stehenden Tabelle zu entnehmen.

4.2 ZIELE UND AKTIVITÄTEN DES PILOTPROJEKTS

Von Januar 2005 bis März 2007 haben TU Braunschweig und GKE Consult GmbH in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung von Novo Hamburgo und der lokalen Hochschule ULBRA – Universidade Luterana do Brasil, Canoas - ein Forschungsprojekt am Standort Novo Hamburgo umgesetzt.

Gesamtziel des Vorhabens war es, ein geschlossenes, optimiertes und an die lokalen Rahmenbedingungen angepasstes Konzept zur mechanisch-biologischen Abfallbehandlung zu entwickeln, das die angrenzenden Bereiche der Wertstoffsortierung, Deponierung sowie Prozess- und Sickerwasserreinigung berücksichtigt.

Das Projekt beinhaltete ferner eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) sowie den örtlichen zuständigen Stellen (u.a. FEPAM, Metroplan). Der enge Austausch zwischen den Projektbeteiligten sollte dabei den erfolgreichen Transfer von technisch-wissenschaftlichem Know-how unter Berücksichtigung der speziellen lokalen Rahmenbedingungen ermöglichen. Damit wurde gleichzeitig die Grundlage gelegt, um die Ergebnisse auf andere, vergleichbare Standorten in Brasilien bzw. Südamerika zu ermöglichen.

Das gesamte F&E-Vorhaben umfasste fünf Teilprojekte:

Teilprojekt 1 Grundlagenermittlung in den Bereichen Abfall und Deponie einschließlich Sickerwasser.

Teilprojekt 2 Anpassung und Optimierung einer vorhandenen mechanisch-biologischen Recycling- und Restabfallbehandlungsanlage mit besonderer Berücksichtigung der Einbindung sozialer Problemgruppen.

Teilprojekt 3 Konzepterstellung für die Technologieanpassung des Deponiebaus und Deponiebetriebs für Materialien aus der mechanisch-biologischen Restabfallbehandlungsanlage sowie Altdeponiesicherung und -sanierung unter Verwendung von Materialien aus der mechanisch-biologischen Restabfallbehandlungsanlage.

Teilprojekt 4 Konzepterstellung für die Sicker- und Prozesswasserbehandlung

Teilprojekt 5 Öffentlichkeitsarbeit und Wissenstransfer zur Darstellung der Leistungsfähigkeit biologischer Abfallverwertungs- und -behandlungs-verfahren sowie Verbreitung der Ergebnisse bei deutschen Fachleuten und Unternehmern.

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Im Projektzeitraum wurden die folgenden Untersuchungen durchgeführt:

Untersuchungen zur Leistung der vorgeschalteten Wertstoffsortierung

Untersuchungen zur Qualität des produzierten Gesamtmüllkomposts

Untersuchungen zur Verbesserung des Betriebs und der Leistung der Gesamtmüllkompostierung

Untersuchungen zur Methangasoxidation mit Kompostsubstraten aus der Gesamtmüllkompostierung

Untersuchungen zur angepassten Sickerwasserreinigung

Konzeptentwicklung für eine optimierte MBA im großtechnischen Maßstab

Kosten- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

Die einzelnen Teilprojekte beinhalteten i.d.R. die folgenden Arbeitpakete:

Aufnahme des Status quo der Funktionseinheit, einschl. Überprüfung der Funktionalität der bestehenden Infrastruktur;

Recherche von Vergleichsdaten aus Brasilien und Europa;

Orientierende Untersuchungen für technische und betriebliche Alternativen (sofern möglich);

Erarbeitung von Vorschlägen zur Verbesserung der technischen Anlagen und des Abfallmanagements insgesamt.

Ziel der Bearbeitung war dabei keine ausführliche Vorplanung ebenso wenig wie die Umsetzung der aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten nicht Gegenstand des vorliegenden Projekts war. Vielmehr sollten auf Basis der Untersuchungen Bewertungskriterien, Potenziale und Schwierigkeiten verschiedener Lösungen für eine integrierte Abfallbewirtschaftung mit MBA-Verfahren aufgezeigt werden, die auch auf andere Standorte in Brasilien übertragen werden können.

4.3 ÜBERSICHT ÜBER DIE ABFALLWIRTSCHAFT IN NOVO HAMBURGO – STATUS QUO

4.3.1 Abfallzusammensetzung

Die Kenntnis der stofflichen Zusammensetzung des Abfalls stellt eine wichtige Grundlage für die Planung abfallwirtschaftlicher Maßnahmen dar. Daher führten die Autoren in den Jahren 2002 und 2003 Sieb- und Sortieranalysen des Hausmülls durch. Dazu wurden bei Anlieferung an die Sortierstation repräsentative Stichproben entnommen, mit Sieben der Lochweite 100, 40 und 10 mm gesiebt und die Siebüberlaufe jeweils händisch auf 16 Fraktionen sortiert.

Das Ergebnis der Sortieranalyse zeigt, dass der Hausmüll von Novo Hamburgo durch relativ hohe Kunststoffanteile sowie hohe Anteile an Textilien und Schuhen gekennzeichnet ist, während die Organik- und Papier/Pappefraktionen zu geringeren Anteilen im Hausmüll

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vorliegen, als dies für eine mittelgroße Stadt in einem Schwellen- und Entwicklungsland zu erwarten wäre. Der Anteil biologisch abbaubarer Anteile kann unter Berücksichtigung der nativen Organik, der Papier/Pappe-Fraktion sowie des biologisch abbaubaren Anteils der Hygieneprodukte zu ca. 51% abgeschätzt werden. Ca. 34% des Hausmülls ist als potenziell recyclebar einzuschätzen werden, davon umfasst allein die Papier/Pappe-Fraktion ca. 11,5%.

Tabelle 4-6: Stoffliche Zusammensetzung des Hausmülls und hausmüllähnlicher Abfälle, Novo Hamburgo

Fraktion Gew.-% Organik 29,8Papier, Pappe 11,5Hartplastik 4,2Weichplastik, Folien 14,2Verbund 2,2Glas 1,2Eisenmetalle 2,0Nicht-Eisenmetalle 0,2Hygieneartikel 15,0Stoff, Leder 5,2Schuhe 1,8Gummi 0,5Mineralien 0,7Problemstoffe 0,1Feinfraktion mineralisch 10,9Sonstiges 0,4Summe 100,0

Die hohen Textilien- und Kunststoffanteile können auf die starke Präsenz von kleinen Unternehmen der Schuh- und Textilienherstellung zurückgeführt werden. In diesen Betrieben fallen hauptsächlich Verpackungs- und Produktionsabfälle wie Stoff- und Lederreste etc. an. Industrielle Abfallproduzenten, die weniger als ca. 50 kg Abfälle/d produzieren, entsorgen ihre Abfälle über die Hausmüllabfuhr.

4.3.2 Müllabfuhr und Behandlung/Entsorgung

Die Müllabfuhr in Novo Hamburgo erfolgt größtenteils systemlos, d.h. die Abfälle werden in Mülltüten am Straßenrand oder in Abfallkörben bereitgestellt. Die Sammlung erfolgt täglich, wobei einmal wöchentlich eine getrennte Wertstoffabfuhr stattfindet (Tabelle 4-7).

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Tabelle 4-7: Abholzyklen der getrennten Wertstoffabfuhr, Novo Hamburgo

Stadtteil Wochentag

Santo Afonso, Industrial, Liberdade und Lomba Grande Montag

Primavera, Ideal, Ouro Branco und São José Dienstag

Rondônia, Boa Vista, Rio Branco, Pátria Nova, Vila Rosa und Vila Nova Mittwoch

Mauá, Hamburgo Velho, Centro, Boa Saúde, Petrópolis, São Jorge Donnerstag

Canudos Freitag

Rincão, Operário, Guarani, Roselândia und Vila Diehl Samstag

Die Beteiligung der Bevölkerung an der Abfalltrennung ist jedoch noch gering, so dass der „Restmüll“ und der „Wertstoffmüll“ gemeinsam weiterbehandelt und entsorgt werden.

Alle Abfälle, sowohl die Restabfälle als auch die getrennt gesammelten Wertstoffe, werden an das Entsorgungszentrum Roselândia angeliefert.

Das Abfallentsorgungszentrum Roselândia, ca. 7 km nördlich von Novo Hamburgo gelegen, wurde im Jahr 2000 mit Mitteln der Stadt und mit finanzieller Unterstützung des staatlichen Rohöl-Gesellschaft Petrobrás eingerichtet bzw. erweitert und umfasst die folgende Einrichtungen (Abbildung 4-2):

Händische Wertstoffsortierung durch eine Müllsammlerkooperative (Pilotprojekt)

Gesamt-Müllkompostierung (Pilotphase, für einen Teilstrom des vorsortierten Abfalls)

Siedlungsabfalldeponie (von 1989 bis 2005 in Betrieb, zurzeit geschlossen) mit Sickerwasserbehandlung

Abbildung 4-2: Luftbild des Abfallentsorgungszentrums Roselândia, Novo Hamburgo, Süd-Brasilien

Sickerwasser-behandlung

Deponiekörper - I

Deponiekörper - II

Deponiekörper - III

Kompostierung

Wertstoffsortierung

Sickerwasser-behandlung

Deponiekörper - II

Deponiekörper - I

Deponiekörper - III

Kompostierung

Wertstoffsortierung

Sickerwasser-behandlung

Deponiekörper - I

Deponiekörper - II

Deponiekörper - III

Kompostierung

Wertstoffsortierung

Sickerwasser-behandlung

Deponiekörper - II

Deponiekörper - I

Deponiekörper - III

Kompostierung

Wertstoffsortierung

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Das Abfallentsorgungszentrum Roselândia gilt nicht zuletzt wegen seines integrierten Ansatzes und dem Einsatz in Brasilien noch wenig üblicher Verfahren wie der Kompostierung in Südbrasilien als Referenzprojekt.

Bei Sortierstation und der Kompostierungsanlage handelt es sich um Pilotanlagen; die Kapazität der Anlagen reicht derzeit nicht aus, um den gesamten Abfallstrom zu behandeln. Abfallmassen, die nicht in der Sortieranlage bzw. der Kompostierung behandelt werden können, werden direkt einer Deponierung zugeführt.

Für den Betrieb des Abfallbehandlungszentrums ist die COMUR (Companhia Municipal de Urbanismo) zuständig, ein städtisches Unternehmen, das direkt dem Umweltamt Novo Hamburgos SEMAM (Secretária de Meio Ambiente) unterstellt ist. Neben den Siedlungsabfällen der Stadt werden auch private Anlieferungen verarbeitet und deponiert.

Der angelieferte Abfall wird –bei ausreichender Kapazität in der Sortieranlage- zunächst einer Wertstoffsortierung unterzogen. Die Wertstoffsortierung erfolgt händisch an überdachten Fließbändern durch eine Müllsammler-Kooperative. Die Kooperative umfasst ca. 130 Mitglieder, die in zwei Schichten den angelieferten Abfall auf recyclebare Wertstoffe sowie Störstoffe für die nachfolgende Kompostierung sortieren. Die Müllsammler erhalten anteilig die Verkaufserlöse der Wertstoffe als Einkommen.

2002 erfolgte mit Unterstützung der Petrobras der Bau der Kompostierungsanlage. Die Anlage ist als aktiv belüftete Zeilenkompostierung mit einer Behandlungskapazität von maximal ca. 11.500 Mg/a ausgeführt. Seitdem wird dort ein Teilstrom des Sortierrests biologisch in 8 offenen Rotteboxen mit einem Fassungsvermögen von je max. 140 Mg über 5-6 Wochen behandelt. Nach der Kompostierung wird der Abfall bei Bedarf auf einer offenen, unbefestigten Fläche nachgereift und getrocknet, anschließend erfolgt eine Siebung. Die abgesiebte Feinfraktion des biologisch behandelten Abfalls soll als Gesamtmüllkompost verkauft werden, während die Grobfraktion (> 15 mm) deponiert wird. Der Betrieb der Gesamtmüllkompostierung erfolgt ebenfalls durch die Müllsammlerkooperative, die durch den Verkauf des Komposts ein Zusatzeinkommen erwirtschaften soll.

Auf der Deponie wurden zwischen 1989 und 2005 größtenteils Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle, ab 2002 teilweise vorbehandelt, abgelagert. Die weitere Ablagerung auf der Deponie musste auf behördliche Anweisung im Herbst 2005 gestoppt werden, da es Zweifel an der Standsicherheit gab, nachdem es im westlichen Teil des Deponiekörpers zu Abrutschungen im Böschungsbereich gekommen war. Seitdem werden die zu deponierenden Abfälle zunächst auf ungedichteten Flächen innerhalb des Entsorgungszentrums zwischengelagert, umgeladen und auf eine ca. 80 km entfernte, private Deponie gefahren.

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4.3.3 Massenbilanz

Abbildung 4-3 zeigt die auf Grundlage eigener Untersuchungen hochgerechnete Massenbilanz des Abfallbehandlungszentrums. Eine Verwiegung erfolgt nur für den angelieferten Hausmüll; private Anlieferungen sowie die Massenströme innerhalb des Entsorgungszentrums werden nicht verwogen. Seit Herbst 2005 werden auch die Abfallmengen, die auf der privaten Deponie entsorgt werden, durch Verwiegungen erfasst; allerdings lagen diese Daten den Autoren nicht vor. Zur Abschätzung der Massenströme innerhalb der Anlage erfolgten daher eigene Bilanzierungs- und Verwiegungskampagnen, auf deren Grundlage die Massenbilanz hochgerechnet wurde. Auch im Rahmen der Bilanzierungskampagnen konnten jedoch aufgrund der großen Entfernung des Abfallbehandlungszentrums zur Fahrzeugwaage und den nur begrenzt zur Verfügung stehenden Fahrzeugen nicht immer alle Massenströme gewogen werden. Einzelne Massen wurden daher anhand der Anzahl der LKW- Ladungen und eines mittleren Ladegewichts geschätzt. Weiterhin stellen die Bilanzierungen lediglich eine Momentaufnahme dar und spiegeln deswegen nicht zwangsläufig den durchschnittlichen Betrieb über längere Zeiträume wider. In so fern sind die in Abbildung 4-3 dargestellten Werte lediglich als Anhaltspunkt zu verstehen.

Gemäß der Verwiegung bei Anlieferung fallen jährlich ca. 50.000 Mg Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle an; dies entspricht einem einwohnerspezifischen Aufkommen von ca. 0,5 kg/Einwohner*d. Der Hochrechnung der Massenströme innerhalb des Sortierzentrums ist zu entnehmen, dass ca. 30 – 40% des Materials direkt deponiert werden und somit einer Wertschöpfung nicht zur Verfügung stehen. Es handelt sich dabei teilweise um Abfälle, bei denen ein geringer Wertstoffanteil vermutet wird; vor allem aber um Übermengen, die von der Wertstoffsammlerkooperative nicht verarbeitet werden können. Nach der Entnahme von verwertbaren Stoffen in der Sortierung verbleibt ein Sortierrest in Höhe von 29.000 – 32.000 Mg/a, der zum Teil deponiert wird. Ca. 8.500 – 11.500 Mg/a des Sortierrests werden der Gesamtmüllkompostierung zugeführt. Dabei wird die maximale rechnerische Kapazität der Kompostierungsanlage in der Regel nicht voll ausgeschöpft; von den 8 zur Verfügung stehenden Rotteboxen werden nur 7 für den biologischen Prozess genutzt, während eine zum Mischen des Abfalls mit Grünschnitt verwendet wird. Unter Berücksichtigung der zugegebenen Grünschnittmengen lassen sich die Rotteverluste i.M. zu ca. 14 – 15% bezogen auf den Input in die Kompostierung abschätzen, entsprechend 2 - 3% des gesamten Hausmüllaufkommens. Ca. 7.900 – 10.700 Mg/a biologisch stabilisierte Abfälle werden der Siebanlage zugeführt; dort werden ca. 1.580 – 2.140 Mg Kompost mit den Korngrößen < 20, 15 bzw. 10 mm gewonnen. Die Kompostmenge entspricht ca. 5 - 6% des gesamten Hausmüllaufkommens.

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Abbildung 4-3: Massenbilanz des Abfallbehandlungszentrums Roselândia, Novo Hamburgo

Zusammen mit den Wertstoffen, die in der Sortieranlage abgetrennt werden, können also ca. 7 - 12% des Abfalls einer Verwertung zugeführt werden. Umgekehrt müssen ca. 84 – 91% des Abfallaufkommens deponiert werden. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass es sich bei der Sortierstation und der Kompostierung um Pilotanlagen handelt, die nicht für die Behandlung des gesamten Abfallaufkommens ausgelegt wurden. Umgekehrt kann daraus gefolgert werden, dass sich die Gesamt-Verwertungsquote bei Ausweitung und Optimierung der Sortierung und Gesamtmüll-Kompostierung deutlich steigern lässt.

4.3.4 Privatsektorbeteiligung und Kosten

Für die Sammlung und Entsorgung der Siedlungsabfälle ist die Gemeinde bzw. das städtische Umweltamt (SEMAM – Secretaria Municipal de Meio Ambiente) zuständig. SEMAM hat dazu Verträge mit mehreren Unternehmen geschlossen: Die VEGA Engenharia Ambiental ist mit der Sammlung und dem Transport der Abfälle bis Roselândia beauftragt. Die COMUR (Companhia Municipal de Urbanismo), ein städtisches Versorgungsunternehmen, ist u.a. für den Betrieb des gesamten Abfallbehandlungszentrums zuständig. Ferner besteht ein Vertrag mit der SIL – Soluções Ambientais Ltda. über die Endlagerung der Abfälle auf der privaten Deponie in Minas do Leão. Weiterhin zahlt die

Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle

50.000 Mg/a – 100%

Sortierzentrum

Input: 30.000 – 35.000 Mg/a – (59 - 69%)

Kompostierung

Input: 8.500 - 11.500 Mg/a – (17 - 23%)

Siebanlage

Input: 7.900 – 10.700 Mg/a – (16 – 21%)

Deponie

44.060 - 46.820 - (84 - 91%)

Kompost

1.580 – 2.140 Mg/a – (5 - 6%)

Wertstoffe 1.000 – 3.000 Mg/a 2 - 6%

Rotteverluste 1.200 – 1.700 Mg/a – (2 - 3%)

Grünschnitt 600 -900 Mg/a – (1 - 2%)

15.0

00 –

20.0

00 M

g/a

(30

–40

%)

Ca.

20.

500

Mg/

a (4

0%)

Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle

50.000 Mg/a – 100%

Sortierzentrum

Input: 30.000 – 35.000 Mg/a – (59 - 69%)

Kompostierung

Input: 8.500 - 11.500 Mg/a – (17 - 23%)

Siebanlage

Input: 7.900 – 10.700 Mg/a – (16 – 21%)

Deponie

44.060 - 46.820 - (84 - 91%)

Kompost

1.580 – 2.140 Mg/a – (5 - 6%)

Wertstoffe 1.000 – 3.000 Mg/a 2 - 6%

Rotteverluste 1.200 – 1.700 Mg/a – (2 - 3%)

Grünschnitt 600 -900 Mg/a – (1 - 2%)

15.0

00 –

20.0

00 M

g/a

(30

–40

%)

Ca.

20.

500

Mg/

a (4

0%)

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SEMAM Gebühren für die Genehmigung und den Betrieb des Abfallbehandlungszentrums an die FEPAM (Fundação Estadual de Proteção Ambiental), der bundesstaatlichen Umweltschutzbehörde mit Sitz in Porto Alegre.

Die COMUR stellt u.a. Wachpersonal, Radlader einschl. Fahrer und Werkstattpersonal auf der Deponie. Insgesamt wendet die Stadtverwaltung laut eigenen Angaben ca. 2,9 Mio R$/a (entsprechend ca. 1,1 Mio €) für die COMUR auf. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Zahlungen an die COMUR auch weitere Leistungen der Stadtreinigung außerhalb der Abfallwirtschaft umfassen. Eine getrennte Abrechnung nach Leistungsbereichen findet in brasilianischen Kommunal-Haushalten nicht statt; der Anteil der Zahlungen an die COMUR für die abfallwirtschaftliche Leistungen kann daher nicht beziffert werden und wird im Folgenden nicht weiter berücksichtigt.

Die Kosten, die der Stadtverwaltung für den Betrieb der Sortierung entstehen, lassen sich ebenfalls nicht näher beziffern. Die Ausstattung wurde vollständig aus Fördermitteln, Spenden oder Investvorschüssen von Wertstoffabnehmern finanziert. Ein Teil der Betriebskosten trägt mutmaßlich die Kooperative selbst, während einzelne Positionen wie z.B. Strom und personelle Unterstützung von der Stadtverwaltung übernommen werden. Über den Umfang dieser Leistungen liegen allerdings keine verlässlichen Informationen vor, so dass hier keine Kosten ermittelt werden konnten.

Die Kosten für die Kompostierung wurden anhand der Gegebenheiten vor Ort und in Brasilien üblicher Kostenansätze für Personal, Wartung und Instandhaltung sowie Betriebsmittel wie Strom und Diesel überschlägig ermittelt (Tabelle 4-8). Die Investitionskosten für die Kompostierung, wie sie derzeit besteht, können inkl. des eingesetzten Radladers zu ca. 680.000 R$ (ca. 250.000 €) abgeschätzt werden. Bei üblichen Ansätzen zur Lebensdauer und Zinsen (siehe Anhang 8.2.1) können spezifische Investkosten von ca. 10,84 R$/Mg (ca. 3,98 €/Mg) ermittelt werden. Wenn ein geordneter Betrieb der Kompostierung zu Grunde gelegt wird, bei dem alle Mieten planmäßig betrieben werden, lassen sich die variablen Kosten der Kompostierung zu ca. 175.000 R$/a (ca. 64.200 €/a) abschätzen; dies entspricht spezifischen variablen Kosten von ca. 17,46 R$/Mg (6,41 €/Mg).

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Tabelle 4-8: Invest- und Betriebskosten für die Kompostierung in Novo Hamburgo (eigene Berechnung)

Pilotanlage Gesamtmüllkompostierung Novo HamburgoInput [Mg/a] 10.000

Art Anzahl Einheitspreis Summe R$ Summe €

Bauteile und Infrastruktur Überdachung, Zeilen, Entw. (m²) 142.343,74 52.264,35

Maschinen und E-Technik Sieb, Zerkleinerer, Steuerung 188.688,21 69.280,65

Mobiles Gerät Radlader (Stck.) 1 345.888,83 127.000,00

Summe 676.920,77 248.545,00

Bauteile und Infrastruktur 12.410,18 4.556,64

Maschinen und E-Technik 25.636,68 9.413,02

Mobiles Gerät 70.340,86 25.827,05

Summe 108.387,72 39.796,72

Löhne und Gehälter Betriebspersonal (per anno) 86.932,48 31.919,00

Bauteile (1,5%) 2.135,16 783,97

Maschinen und E-Technik (6,0%) 11.321,29 4.156,84

Mobiles Gerät (10%) 34.588,88 12.700,00

Ver- und Entsorgungskosten Strom, Treibstoffe, etc.; psch. 39.624,70 14.549,00

Summe 174.602,51 64.108,80

spezifischer Kapitaldienst 10,84 3,98

Spezifische variable Kosten 17,46 6,41

Summe spezifische Betriebskosten 28,30 10,39

Jährliche variable Kosten (€/a)

Investkosten

Jährlicher Kapitaldienst (€/a)

RWU

Wenn die oben genannten Kosten für die einzelnen Leistungsbereiche der Abfallwirtschaft addiert werden, lassen sich die Gesamtkosten der kommunalen Abfallwirtschaft in Novo Hamburgo zu ca. 4 Mio. R$, entsprechend ca. 1,5 Mio. €/a beziffern (Tabelle 4-9). Ca. 93% der Gesamtkosten werden derzeit für die Müllabfuhr, den Langstreckentransport und die Deponierung aufgewendet. Der Anteil der Kompostierung an den Gesamtkosten beträgt dem gegenüber lediglich 7%.

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Tabelle 4-9: Übersicht über die spezifischen Kosten und Gesamtkosten der einzelnen abfallwirtschaftlichen Leistungen in Novo Hamburgo (Bezugsjahr 2006)

R$/Mg €/Mg Menge [Mg/a] R$/a €/aLizenzgebühren 1) (FEPAM) 0,40 0,15 50.000 19.837 7.283

Müllabfuhr (VEGA) 1) 28,70 10,54 50.000 1.434.860 526.838

Kompostierung2) 28,30 10,39 10.000 282.990 103.906Langstreckentransport (SIL) 1) 31,17 11,44 43.510 1.356.207 497.958

Deponierung (SIL) 1) 21,26 7,81 43.510 925.023 339.641

Summe 4.018.916 1.475.6261) Daten SEMAM; 2) eigene Berechnung

Die Kosten der Abfallwirtschaft werden –neben anderen Aufgaben der Stadtreinigung- aus der so genannten „Stadtreinigungsgebühr“ (Taxa de Limpeza Urbana) finanziert, die zusammen mit der kommunalen Gebäudesteuer IPTU erhoben wird. Nach Angaben der Stadtverwaltung von Novo Hamburgo betrug das Aufkommen dieser Stadtreinigungsgebühr in Novo Hamburgo im Jahr 2005 ca. 5,2 Mio. R$ (ca. 1,9 Mio. €). Die Gesamtkosten für die Stadtreinigung umfassen beispielsweise auch die Straßenreinigung und Grünpflege. Unter Zugrundelegung der Kosten für die Abfallwirtschaft einschl. der gesamten Kosten für die Leistungen der COMUR lassen sich die Aufwendungen für die Stadtreinigung zu mind. ca. 6,9 Mio R$ (ca. 2,6 Mio. €) abschätzen. Durch die Gebühr werden also maximal 76% der tatsächlich entstehenden Kosten gedeckt; der Rest muss aus Steuermitteln finanziert werden.

4.3.5 Zusammenfassende Bewertung

Bei der Betrachtung des Status quo des Entsorgungszentrums Roselândia ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Abfallbehandlungszentrum um ein innovatives Pilotvorhaben handelt, das im Wesentlichen auf Initiative Einzelner entstanden ist. Organisatorische und finanzielle Strukturen, die eine systematische Planung und Weiterentwicklung des Projekts erlaubt hätten, lagen nicht im ausreichenden Maße vor. Dies hat zu einem suboptimalen Betrieb und damit zu suboptimalen Leistungsdaten der Anlagen geführt. Im Einzelnen kann von folgenden Schwierigkeiten beim Betrieb der Anlagen berichtet werden:

Vor der Sortieranlage wurden immer wieder große Mengen Hausmüll auf unbefestigten und für die Abfalllagerung ungeeigneten Flächen abgelagert. Die Kapazität der Kooperative reicht nicht aus, um allen Abfall zeitnah sortieren zu können. Gleichzeitig möchte die Kooperative nicht auf die Wertstoffe verzichten, die im Hausmüll enthalten sind, da sie auf die Einahmen aus dem Verkauf angewiesen ist. Sie hat daher auf einer Zwischenlagerung bestanden. Es kam immer wieder zu

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einer unregelmäßigen Besetzung der Fließbänder, viele Kooperativenmitglieder sortierten noch vor der eigentlichen Sortierstrecke auf der Lagerfläche.

Für Betrieb und Rotteführung der Gesamtmüllkompostierung lagen beim Betreiber und insbesondere beim Betriebspersonal keine ausreichenden Erfahrungen vor; in der Folge waren die Rottebedingungen oftmals suboptimal. Vor allem fehlte es an einem Betriebskonzept und detaillierte Vorgaben für das Betriebspersonal. Weiterhin erfüllte die Betriebstechnik (Belüftung, Bewässerung, Temperatursteuerung) ihre Funktion nicht ausreichend. Infolge der mangelhaften Betriebsbedingungen erfolgte nur eine unzureichende Stabilisierung und Hygienisierung des Abfalls. Der produzierte Gesamtmüllkompost wies noch eine Vielzahl keimfähiger Samen und Pflanzenteile auf, die –neben anderen Verunreinigungen wie Glassplitter u.a.- den Absatz des Komposts erschwerten. Die Kompostierung wurde daher Ende 2005 Jahres ganz eingestellt und erst mit den neueren Untersuchungen der TU Braunschweig und optimiertem Betriebskonzept wieder aufgenommen.

Die Deponie wird in der brasilianischen Fachwelt der geordneten Deponierung zugeordnet. Sie verfügt zwar über eine einfache Sickerwasserdränage mittels Ringgräben und einzelne Gasdräns, kann jedoch dennoch nicht als „sanitary landfill“ klassifiziert werden. Aufgrund der mangelnden Funktion der bestehenden Gasdräns und der Sickerwasserfassung können von der Deponie nennenswerte Emissionen ausgehen. In der Vergangenheit wurden einzelne Felder in für die Deponiestabilität ungünstiger Weise überschüttet. Die Stadtverwaltung ist behördlicherseits aufgefordert, ein umfassendes Konzept zur Sicherung/Sanierung der Deponie sowie zur Abfallbehandlung insgesamt vorzulegen.

Gemessen an der abfallwirtschaftlichen Leistung und den üblichen brasilianischen Kosten entstehen im Fallbeispiel vergleichsweise hohe Kosten. Wesentlicher Preistreiber ist dabei der lange Transport der Restabfälle zur Deponie in Minas do Leão, auf den allein knapp 34% der Gesamtaufwendungen entfallen.

Die Stadtverwaltung hat erkannt, dass die oben beschriebenen Schwierigkeiten den erfolgreichen Betrieb des Abfallbehandlungszentrums gefährden und hat daher eine Kooperation mit den Autoren dieses Leitfadens gesucht. Ziel der Kooperation ist es, wesentliche Probleme in Bau und Betrieb der Anlagen zu identifizieren und konstruktive Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

4.4 UNTERSUCHUNGEN ZU DEN EINZELNEN ANLAGENTEILEN

4.4.1 Sortierung

STATUS QUO

Alle Abfälle werden zunächst auf dem teilweise überdachten Lagerplatz vor der Wertstoffsortierung abgelagert und von dort mit einem Radlader und teilweise manuell über Müllrutschen auf zwei Fließbänder von je 37 m Länge befördert (Abbildung 4-4). Dort

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sortieren ca. 25 - 30 Arbeiter pro Band den Abfall in zwei Schichten auf vermarktbare Wertstoffe wie Metalle, Hartkunststoffe, Glas, Papier und Pappe.

Die aussortierten Wertstoffe müssen vor dem Verkauf weiter aufbereitet werden. Dies beinhaltet im Wesentlichen das Pressen des sortierten Materials zu Ballen, sowie teilweise eine weitergehende, manuelle Nachsortierung und Reinigung.

Die Wertstoffe müssen aufgrund der Anforderungen der Abnehmer in eine Vielzahl von Unterfraktionen sortiert werden (Tabelle 4-10). Insbesondere bei den Kunststoffen ist eine möglichst sorten- und farbreine Sortierung laut Angaben der Kooperative eine wichtige Voraussetzung, um einen Käufer für das Material zu finden.

Abbildung 4-4: Blick in die Wertstoffsortierung in Novo Hamburgo

Tabelle 4-10: Sortierfraktionen, Wertstoffsammler-Kooperative Novo Hamburgo

Sortierfraktionen Papier (weiß) Hartplastik Pappe Plastikeimer Journale und Papier (gemischt) Plastikbehälter für Seren Verbundverpackungen PVC Milchpackungen PVC (hart) Tetrapacks Aluminiumdosen Plastik (transparent) Eisen- und Dosenschrott Filme Glasscherben Plastiktüten Gläser Nescafé 200g PET (weiß) Gläser Nescafé 100g PET (grün) Gläser Nescafé 50g PP (Wasserflaschen) Große Flaschen Margarine- und Mayonnaisetöpfe Flaschen Plastik (bunt) Glasbehälter, z.B. Einmachgläser Plastikbecher/PS Whiskyflaschen

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Die Anzahl der Kooperativenmitglieder schwankt; im Mittel des Untersuchungszeitraums waren es ca.130. Laut Aussagen der COMUR und der Kooperativenleitung fehlen im Mittel 5 - 6 Leute pro Tag wegen Krankheit. Von den anwesenden Mitgliedern arbeiten ca. 1 - 2 in der Kooperativen-eigenen Küche, einer im Büro, ca. 10 – 12 an den Pressen und in der Nachsortierung sowie bis zu 10 an der Kompostierung. Weitere 10 Personen werden als „Springer“ eingeteilt, die am Fließband, bei der Beschickung und an den Pressen aushelfen. Die restlichen Mitglieder arbeiten am Fließband. Durch die Aufteilung der Arbeitszeit in zwei Schichten sind die beiden Fließbände i.d.R. mit ca. 50 - 60 Personen besetzt.

Beim Vergleich der Verkaufsdaten aus unterschiedlichen Jahren, die von der Kooperativenleitung bereit gestellt wurden, zeigen sich starke Schwankungen hinsichtlich der aussortierten Mengen und der erzielten Erlöse (Tabelle 4-11). Den Autoren liegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine verminderte Durchsatzleistung, veränderte Abfallzusammensetzung oder verschlechterte Verkaufsbedingungen vor, die die großen Schwankungen begründen könnten. In so fern kann eine unvollständige Erfassung der Verkaufmengen und –erlöse nicht ausgeschlossen werden.

Aufgrund dieser unstimmigen Angaben zu aussortierten Mengen und Einnahmen erscheint es sinnvoll, ergänzend Vergleichsdaten aus anderen Sortieranlagen zu betrachten. So kann eine Abschätzung der möglichen Sortierleistung beim derzeitigen Verfahren grob anhand von Vergleichsdaten anderer Sortieranlagen erfolgen (Tabelle 4-12). Demnach kann ein Arbeiter bei Sortierung am Sortiertisch ca. 162 – 175 kg Wertstoffe aus gemischten Abfällen aussortieren. Bei einer Sortierung am Fließband kann diese Sortierleistung sogar auf bis zu 335 kg/Arbeiter*d gesteigert werden. Hochgerechnet auf die 50 bis 60 Arbeiter der Kooperative, die an 302 Tagen im Jahr jeweils ca. 8,5 h am Sortierband arbeiten, könnten somit ca. 2.500 – 6.500 Mg Wertstoffe/Jahr aussortiert werden.

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Tabelle 4-11: Mengen aussortierter Wertstoffe sowie Erlöse, Wertstoffsammler-Kooperative Roselândia, Novo Hamburgo

2000 2002/2003 2006

Art Menge [Mg] Erlöse [R$]

durchsch. Preis

[R$/Mg]

Menge [Mg] Erlöse [R$]

durchsch. Preis

[R$/Mg]

Menge [Mg] Erlöse [R$]

durchsch. Preis

[R$/Mg]

Papier/Pappe 1.007 82.851 82,28 538 116.520 216,74 594,9 87.597 147,25

Weichkunststoffe 232 51.020 219,91 505 99.384 196,72 188,8 65.385 346,26

Hartkunststoffe 832 366.319 440,47 456 239.160 524,47 116,5 58.982 506,44

Tetra-Pack *) 68 2.660 38,89 116,3 75.190 646,32

Glas 450 47.234 104,96 230 9.600 41,67 10,7 1.305 122,26

Metalle 726 147.867 203,67 94 86.964 924,36 132,7 61.743 465,35

Summe 3.247 695.291 214,16 1.892 554.288 293,01 1.159,9 350.202 301,93

*) für 2000 unter Hartkunststoffen subsumiert

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Tabelle 4-12: Spezifische Sortierleistung in kg aussortierte Wertstoffe pro Arbeiter und Tag; bezogen auf einen 8h Arbeitstag, in versch. Sortieranlagen in Brasilien

Sortieranlage Organisationsform Art der Sortierung

Sortierleistung [kg/Arbeiter*d] Quelle, Jahr

São Sebastião - SP Kooperative Sortiertisch 162 Santen, 2000

Embu - SP Kooperative Sortiertisch 175 Santen, 2000

São José dos Campos - SP

Städtisches Unternehmen Fließband 335

Grimberg et al., 1998, Assis, 1998

Anhand der vorliegenden Zahlen und vor allem anhand der Aussagen der Kooperativenmitglieder ist zu vermuten, dass die tatsächliche Sortierleistung deutlich geringer ist als die weiter oben berechnete maximale Leistung. So verdienen die Mitglieder der Kooperative laut eigener Aussage im Durchschnitt deutlich weniger als einen Minimallohn/Monat. Der Minimallohn in Rio Grande do Sul betrug im Jahr 2006 R$ 350 pro Monat (ca. € 129). Im Vergleich dazu werden in anderen Kooperativen durchaus Einkommen erzielt, die über dem durchschnittlichem Minimallohn liegen. So erhalten die Mitglieder der Müllsammler-Kooperative in Santo André nach Angaben des Jornal do Meio Ambiente online (2007) beispielsweise ca. 450 R$/Monat.

BEWERTUNG

Der derzeitige Betrieb muss hinsichtlich Durchsatz, Sortierleistung und Einnahmen als unbefriedigend bewertet werden. Dafür konnten im Projektverlauf die folgenden Ursachen benannt werden:

Die Kooperative kann bei direktem Verkauf der Wertstoffe an die Industrie die höchsten Preise erzielen. Allerdings akzeptieren die großen Industrien, die Altstoffe zu neuen Produkten verarbeiten, i.d.R. nur große Chargen, sortiert und konfektioniert (z.B. ohne Verunreinigungen, zu Ballen gepresst oder zerkleinert). Aufgrund der für den industriellen Maßstab geringen Mengen, der unregelmäßigen Lieferzeitpunkte und der nicht immer ausreichenden Qualität muss jedoch oftmals ein Zwischenhändler eingeschaltet werden, der kleinere Mengen zu größeren Gebinden bündelt, ggf. konfektioniert und weiter transportiert. Die Verkaufserlöse sind dann entsprechend geringer (vergl. Abbildung 4-5).

Die Kapazität der Sortieranlage ist trotz des mehrschichtigen Betriebs an zwei Sortierbändern zu gering, um den gesamten wertstoffhaltigen Siedlungsabfall zu sortieren. Bezogen auf den gesamten Abfalleintrag in das Entsorgungszentrum werden schätzungsweise lediglich 60 - 70% der Sortierung zugeführt. Oftmals müssen ganze Anlieferungen direkt zur Deponie umgelenkt werden, da der Lageplatz für den Rohmüll an der Sortieranlage bereits überfüllt ist.

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Abbildung 4-5: Handelskette für Recyclingstoffe

Weiterhin reduziert ein suboptimaler Betrieb die Durchsatzleistung der Sortieranlage. So ist die Beschickung der Förderbänder über Rutschen und manuelle Beladung als ungünstig zu bewerten, zumal auch noch gleichzeitig die Gebinde von Hand geöffnet werden müssen. Ferner führt die Sortierung des gesamten Abfallstroms führt dazu, dass viele Gebinde, die kaum oder gar keine Wertstoffe enthalten, auch geöffnet und durchsucht werden müssen.

Das geringe Einkommen bei wenigen Einflussmöglichkeiten des Einzelnen auf die Verkaufserlöse führt zu nachlassender Motivation. Gleichzeitig wurden die Arbeitsbedingungen gegenüber der Sortierung auf der Deponie zwar deutlich verbessert, sind aber immer noch unhygienisch, da die Arbeiter alle Gebinde von Hand auf das Fließband befördern und aufreißen müssen. Unter dem Hausmüll befinden sich zahlreiche Gebinde mit Hygiene- und Küchenabfällen. Diese Umstände führen dazu, dass der Krankenstand hoch ist und einzelne Arbeiter teilweise auf eigene Rechnung noch am Lagerplatz sortieren. Des Weiteren sind immer nach der Gehaltsauszahlung alle 15 Tage deutliche Einbrüche in der Anwesenheit zu verzeichnen; eine Langfristigkeit des Arbeitsverhältnisses scheint nicht ausreichend gegeben.

Zur Verbesserung der Durchsatz- und Sortierleistungen der Kooperative können zwei Varianten betrachtet werden:

Variante 1: Die Getrenntsammlung wird ausgeweitet, so dass hohe Abschöpfungsquoten erreicht werden und ausreichend wertstoffhaltige Abfälle für die Kooperative zur Verfügung stehen. Der Restmüll kann dann direkt einer biologischen Behandlung unterzogen werden. Da die recyclingfähigen Fraktionen nicht mit anderen Abfällen wie z.B. Küchenabfällen verschmutzt werden, kann eine deutliche Verbesserung der Qualität der Wertstoffe erwartet werden. Ebenso kann von einer höheren Sortierleistung ausgegangen werden, da nur noch wenig Stör- und Fremdstoffe mit sortiert werden müssen.

Variante 2: Der gemischte Hausmüll wird vor der Sortierung einer mechanischen Gebindeöffnung und Siebung unterzogen. Lediglich der wertstoffreiche Siebüberlauf gelangt in die Sortierung, während der organik-angereicherte Siebunterlauf biologisch behandelt wird. Dadurch entfällt die aufwändige Beschickung und manuelle Gebindeöffnung in der Sortierung. Bei Auswahl eines geeigneten Siebschnitts

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können große Teile der recyclingfähigen Fraktionen einer Sortierung zugeführt werden bei geringeren erforderlichen Durchsatzleistungen und geringeren Fremdstoffanteilen. Dies kann zu einer Verbesserung der Sortiergüte führen. Bei diesem Verfahrenskonzept kann der derzeitige Betrieb der Müllabfuhr mit annähernd täglicher Abfuhr gemischter Haushaltsabfälle – wie derzeit praktiziert - beibehalten werden. Eine getrennte Wertstoffsammlung im Holsystem ist dann nicht mehr unbedingt erforderlich, kann aber integriert werden.

Grundsätzlich können auch Mischformen der beiden oben genannten Varianten umgesetzt werden. So könnten ausgewählte Wertstoffe, wie beispielsweise Papier/Pappe, in Depotcontainern getrennt gesammelt und einer Verwertung zugeführt werden, während der Hausmüll nach einer mechanischen Aufbereitung einer Sortierung zugeführt werden kann. Auf solche Varianten wird in Kapitel 5.1.1 hingewiesen.

Die beiden Lösungsvarianten 1 und 2 werden im Folgenden anhand der vorliegenden Daten zur Abfallqualität sowie auf Grundlage von Erfahrungen aus anderen Projekten hinsichtlich Anforderungen und möglicher Leistung untersucht. Eine ausführliche Machbarkeitsstudie einschließlich detaillierter Kostenbetrachtungen der in Frage kommenden Alternativen konnte im Rahmen des Projekts nicht erfolgen. Daher werden im Folgenden mögliche Varianten lediglich qualitativ beschrieben und Bewertungsmaßstäbe genannt. Eine Auswahl muss anhand einer detaillierten Machbarkeitsstudie erfolgen. Für die mechanische Aufbereitung erfolgt in Kapitel 6.1.2 eine überschlägige Kostenermittlung. Für die Variante 1 fehlen ausreichende Basisdaten, so dass hier keine Kostenermittlung erfolgte.

VARIANTE 1: ERWEITERTE WERTSTOFFSAMMLUNG

In Novo Hamburgo besteht bereits eine getrennte Wertstoffsammlung, an der jedoch nur wenige Einwohner tatsächlich teilnehmen. Falls die getrennte Sammlung beibehalten werden soll, sind dringend Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz erforderlich. Die Effizienz kann anhand von zwei Parametern beurteilt werden:

Abschöpfungsquote; entspricht dem Anteil der Wertstoffe im Hausmüll insgesamt, der durch die getrennte Sammlung erfasst wird

Qualität der getrennt gesammelten Wertstoffe; entspricht dem Anteil an nicht-recyclingfähigen Fremdstoffen in der Wertstofffraktion.

Grundsätzlich sind auch Alternativen zur derzeit praktizierten Sammlung einer gemischten Wertstofffraktion im Holsystem (Abholung bei den Haushalten) zu betrachten, wie z.B.:

Holsystem für getrennt gesammelte Bioabfälle sowie für eine wertstoffangereicherte Restmüllfraktion

Bringsystem (Depotcontainer), ggf. für einzelne Wertstofffraktionen (Glas, Papier/Pappe)

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Mischsysteme, z.B. Depotcontainer für einzelne Wertstofffraktionen wie Glas oder Papier/Pappe; weiterhin Holsystem für getrennt gesammelte recyclingfähige Wertstoffe (Kunststoffe und Verbundverpackungen) sowie für Restabfälle.

Abbildung 4-6: Differenzierung der getrennten Wertstoffsammlung nach Hol-/Bringsystem und Einzel- oder Vielstoffgemischen

Bei einer getrennten Sammlung organischer Abfälle („Biotonne“) könnten die organischen Abfälle einer Kompostierung mit dem Ziel der Herstellung von Qualitätskomposten zugeführt werden, während der Restabfall als wertstoffangereicherter Hausmüll einer Sortierung unterzogen werden könnte. Gegen eine solche Variante sprechen allerdings die folgenden Gründe:

Erfahrungen aus Deutschland belegen, dass die erzielbaren Abschöpfungsquoten für Bioabfälle in städtischen Bereichen –besonders im Geschosswohnungsbau und in sozial schwachen Gebieten- vergleichsweise gering sind und der gesammelte Bioabfall häufig viele Fehlwürfe enthält. Da die Gemeinde Novo Hamburgo überwiegend städtische Strukturen aufweist, wäre auch hier mit einer geringen Abschöpfung und hohen Stör- und Schadstoffbelastungen zu rechnen.

In vielen Haushalten von Novo Hamburgo stehen kaum geeignete Lagerplätze für Abfälle zur Verfügung, die eine längere Lagerung von organischen Abfällen bei hohen Außentemperaturen im Sommer vertretbar erscheinen lassen. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Geruchs- und Hygieneprobleme bei der Lagerung von Biomüll erscheint es schwierig, eine hohe Beteiligung der Bevölkerung an der Bioabfallsammlung zu erreichen.

Eine ein- oder zweimal wöchentliche Abholung der Bioabfälle, wie zurzeit für die Wertstofffraktion praktiziert, ist unter den gegebenen klimatischen Bedingungen und der Bebauungsstruktur nicht zu empfehlen; der Biomüll müsste annähernd täglich abgeholt werden. Bei geringen Abschöpfungsquoten und häufigen Abholungszyklen entstehen hohe Kosten für die Sammellogistik, die voraussichtlich deutlich über den Kosten einer getrennten Wertstoffsammlung liegen. Im ökonomischen Vergleich wäre eine getrennte

Holsystem (Bereitstellung der

Wertstoffe durch die Haushalte zur Müllabfuhr)

Bringsystem (Lieferung der Wertstoffe durch die Haushalte zu

Depotcontainern)

Stoffgemisch(Erfassung mehrerer

Wertstoffarten gemeinsam)

Einzelstoffsammlung (Erfassung einzelner

Stoffgruppen, wie Papier/Pappe etc.)

Holsystem (Bereitstellung der

Wertstoffe durch die Haushalte zur Müllabfuhr)

Bringsystem (Lieferung der Wertstoffe durch die Haushalte zu

Depotcontainern)

Stoffgemisch(Erfassung mehrerer

Wertstoffarten gemeinsam)

Einzelstoffsammlung (Erfassung einzelner

Stoffgruppen, wie Papier/Pappe etc.)

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Bioabfallsammlung daher voraussichtlich einer getrennten Wertstoffsammlung unterlegen.

Vor diesem Hintergrund kann die Variante einer getrennt gesammelten Bioabfallfraktion als kurz- bis mittelfristig nicht realisierbar bewertet werden.

Die Sammlung im Bringsystem führt im Allgemeinen zu geringeren Abschöpfungsquoten, da die Bürger ihre Abfälle im Haushalt lagern und zum Container transportieren müssen. Dem gegenüber wirkt sich der Einsatz von Depotcontainern i.d.R. positiv auf die Qualität der Wertstofffraktionen sowie ggf. auf die spezifischen Sammlungskosten aus. Die getrennte Sammlung von einzelnen Wertstofffraktionen wie Glas oder Papier/Pappe hat sich in vielen Fällen bewährt und ist daher beispielsweise in Deutschland weit verbreitet. Auch in Brasilien bestehen Fallbeispiele, in denen eine getrennte Sammlung in Depotcontainern erfolgreich durchgeführt wird, wie beispielsweise in Belo Horizonte (Bundesstaat Minas Gerais). Dort werden ca. 540 – 900 Mg Wertstoffe pro Monat getrennt erfasst.

In Deutschland werden ca. 80 bis 100 kg recyclebare Abfälle (ohne Glas und Bioabfall) pro Einwohner und Jahr getrennt erfasst; dabei werden Abschöpfungsquoten von ca. 50 – 75% erreicht. Die getrennt gesammelten spezifischen Wertstoffmengen in den brasilianischen Gemeinden liegen dem gegenüber deutlich unter diesen Werten (Tabelle 4-13).

Dies kann mit folgenden Umständen begründet werden:

Bei vielen Programmen zur getrennten Wertstoffsammlung handelt es sich um junge Projekte, die sich noch im Pilotstatus befinden. Dem entsprechend sind die Anschlussgrade und die Beteiligung der Bevölkerung oftmals gering.

Die getrennte Wertstoffsammlung wird in vielen Fällen durch die systemslose Sammlung im Holsystem erschwert. I.d.R. wird die getrennte Sammlung alternierend zur Restmüllabfuhr ein- bis zweimal die Woche durchgeführt, während der Restmüll an allen übrigen Arbeitstagen abgeholt wird. Dadurch dass Mülltonnen und damit Lagerkapazitäten für Abfälle nur wenig verbreitet sind, gibt es immer wieder Bürger, die an den Tagen der Wertstoffabfuhr auch Restmüll rausstellen. Es kommt zu vielen Fehlwürfen.

In vielen Gemeinden leben informelle Müllsammler, die den zur Abfuhr bereitgestellten Abfall auf Wertstoffe durchsuchen. Dort, wo eine getrennte Wertstoffsammlung besteht, sammeln die informellen Müllsammler oftmals große Mengen der bereit gestellten Abfälle noch vor der eigentlichen Müllabfuhr ein (Jornal do Meio Ambiente online, 2007). Diese Mengen sind in den offiziellen Zahlen nicht enthalten.

Die Programme zur getrennten Wertstoffsammlung basieren i.d.R. auf freiwilliger Teilnahme. Da üblicherweise weder kostenbezogene Gebührenstrukturen noch sonstige rechtliche oder ökonomische Instrumente zur Lenkung der Abfallströme bestehen, bleibt die tatsächliche Beteiligung der Bevölkerung oftmals gering.

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Tabelle 4-13: Getrennt gesammelte Wertstoffmenge, Anschlussgrad an die getrennte Wertstoffsammlung und Kosten in verschiedenen brasilianischen Gemeinden (CEMPRE, 2006b; IBGE, 2007)

Art der Sammlung

getrennt gesammelte

Wertstoffe [Mg/a] 1)

Bevölkerung [EW] 2)

Anschluss-grad [%] 1)

spez. Wertstoff-

Aufkommen [kg/Ew*a]

Kosten [US$/Mg] 1) 3)

Brasília k.A. 10.800 2.400.000 10 45,0 146

São Sebastião Holsystem 76.000 100 k.A. 59

São Paulo Holsystem 26.400 11.000.000 30 8,0 83,3

S.J. dos Campos k.A. 4.368 611.000 75 9,5 170

Santos k.A. 2.160 418.000 100 5,2 880

São Bernado do Campo k.A. 1.248 804.000 k.A. k.A. k.A.

Santo André k.A. 3.744 673.000 100 5,6 185

Salvador k.A. 10.440 2.714.000 20 19,2 70

Rio de Janeiro Holsystem 30.960 6.137.000 k.A. k.A. 354

Riberão Preto k.A. 1.800 560.000 25 12,9 252

Recife Holsystem, wöchentlich 1.800 1.515.000 42 2,8 210

Porto Alegre Holsystem, wöchentlich 21.600 1.441.000 70 21,4 61

Londrina k.A. 496.000 100 k.A. k.A.

Itabira k.A. 1.260 108.000 100 11,7 229

Florianópolis k.A. 1.680 407.000 87 4,7 70

Curitiba k.A. 13.680 1.790.000 100 7,6 270

Campinas k.A. 5.400 1.060.000 75 6,8 270

Belo Horizonte Bringsystem 10.800 2.400.000 80 5,6 423

Mittel 77,5 7,8 198

1) CEMPRE, 2006b; Daten 2004/2006 k.A. = keine Angabe 2) IBGE, 2007 3) mit einem Umrechnungskurs von 2,15 R$ = 1 US$

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Auf Grundlage der obigen Aussagen zu Organisation und Leistung der getrennten Wertstoffsammlung können die folgenden Aspekte hervorgehoben werden, die bei einer Ausweitung der getrennten Sammlung zu berücksichtigen sind:

Ziel der getrennten Wertstoffsammlung muss es sein, hohe Abschöpfungsquoten bei geeigneter Qualität, entsprechend einer geringen Anzahl an Fehlwürfen und Fremdstoffen, zu erzielen. Nur bei hohen Abschöpfungs- und Recyclingquoten lässt sich eine Getrenntsammlung mit vertretbarem finanziellem Aufwand betreiben, da die Kosten für die Sammellogistik in erster Linie von Abfuhrfrequenz und Wegstrecke abhängig sind. So entstehen auch bei geringen getrennt gesammelten Wertstoffmengen feste Kosten für die Müllabfuhr; die spezifischen Kosten, bezogen auf ein Mg Wertstoffe, sind dann entsprechend hoch.

Um ähnliche Mengen einem Recycling zuzuführen, wie für die Variante 2 abgeschätzt (siehe weiter unten), müssten ca. 30 kg Wertstoffe/Einwohner und Jahr gesammelt werden. In dieser Abschätzung ist bereits ein nicht-recyclebarer Anteil in der getrennt gesammelten Wertstofffraktion von 20% enthalten (Störstoffe, Fehlwürfe und nicht vermarktbare Wertstoffe).

Eine intensive und zielführende Umwelterziehung ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Erzielung hoher Abschöpfungsquoten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Umwelterziehung bürgernah und intensiv gestaltet wird. Hausbesuche, Informationsveranstaltungen und praxisnahe Projekte zur Umwelterziehung in Schulen haben sich zur Motivation der Bevölkerung als erfolgreich erwiesen. Eine bloße Informationskampagne mit Postwurfsendungen und Plakaten reicht dagegen allein nicht aus, um eine hohe Beteiligung an der Getrenntsammlung zu bewirken. Unabhängig von der Entscheidung für ein System der getrennten Sammlung ist daher eine strategische Planung und nachhaltige Durchführung der Umwelterziehung erforderlich.

Die rechtliche Absicherung der Getrenntsammlung, z.B. in Form von Verordnungen, oder angepassten Gebührensystemen o.ä., hat sich in Europa bewährt, um hohe Abschöpfungsquoten sicher zu stellen (Vogel, 2005). Grundsätzlich können solche Reglungen auch auf kommunaler Ebene erfolgen; dies betrifft insbesondere die Gebührensysteme.

Die Benutzerfreundlichkeit und Funktionstüchtigkeit des Systems zur getrennten Wertstoffsammlung sind entscheidende Faktoren für die Bürgerbeteiligung und damit für die Güte und Menge abgeschöpfter Wertstoffe. Die Benutzerfreundlichkeit im Holsystem bemisst sich beispielsweise geeigneten Abholzyklen, geeigneten Sammelgefäßen/Lagerplätzen, Verhinderung der Vermischung mit Restabfällen etc. Im Bringsystem bestimmen vor allem die Distanz zum nächsten Wertstoffcontainer, die Sauberkeit der Containerplätze und geeignete Entleerungszyklen die Benutzerfreundlichkeit. Die Auswahl eines Wertstoffsammelsystems sollte in Abstimmung mit der lokalen Bevölkerung erfolgen.

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Die Auswahl eines Systems der getrennten Sammlung muss unter Abwägung aller jeweils system-typischen Vor- und Nachteile getroffen werden. Wesentliche Bewertungsgröße müssen dabei die erwartete Abschöpfungsquote und die Qualität der getrennt gesammelten Wertstofffraktionen sein.

VARIANTE 2: MECHANISCHE AUFBEREITUNG VOR DER SORTIERUNG

Zur mechanischen Aufbereitung vor der Sortierung werden die folgenden Aggregate vorgeschlagen:

ggf. Vorzerkleinerer zur Öffnung der Müllsäcke

Siebung zur Trennung einer mit Wertstoffen angereicherten Grobfraktion und einer mit Organik angereicherten Feinfraktion

ggf. Fe- bzw. Ne-Metallscheidung

Grundsätzlich könnten auch weitere Aggregate eingesetzt werden, um den Siebüberlauf automatisch in diverse Stoffgruppen aufzutrennen. Diese Aggregate erfordern jedoch hohe Investitionen sowie einen hohen Wartungs- und Unterhaltungsaufwand. Ferner stehen am Standort ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung, die nur wenige oder gar keine beruflichen Alternativen haben. Eine weitgehend automatisierte Sortierung erscheint daher im vorliegenden Fall nicht sinnvoll. Vielmehr soll die mechanische Aufbereitung hier lediglich dazu dienen, die Effizienz der nachfolgenden manuellen Sortierung soweit zu erhöhen, dass die Kooperativenmitglieder ein ausreichendes Einkommen erzielen können. Dazu eignen sich die vorgeschlagenen Aggregate, die überdies einfach und robust ausgeführt werden können und daher prinzipiell in der Lage sind, die geforderten Leistungen kosteneffizient zu erbringen.

Die Trennleistung einer Siebung kann anhand folgender Daten aus den Sieb-/Sortieranalysen (s. Kap. 4.3.1) abgeschätzt werden:

Sieblinien des Hausmülls,

Siebschnittverteilung einzelner Stofffraktionen

stoffliche Zusammensetzung einzelner Siebfraktionen

Die Sieblinie zeigt, dass ca. 32% des Hausmülls eine Korngröße von > 100 mm aufweisen (Abbildung 4-7). Dieser Anteil sinkt nach der Sortierung durch die Entnahme von Wert- und Störstoffen auf 12% ab. Dem entsprechend ist die Sieblinie des Sortierrests insgesamt gegenüber dem Hausmüll nach oben verschoben, d.h. der Abfall weist nach der Sortierung eine insgesamt kleinere Korngrößenstruktur auf. Daraus kann auch gefolgert werden, dass die entnommenen Wertstoffe überwiegend den gröberen Korngrößenspektrum > 40 bis > 100 mm zuzurechnen sind.

Dies kann auch anhand der Siebschnittverteilung der recyclingfähigen Fraktionen bestätigt werden (Abbildung 4-8). Demnach liegen 54 – 62% der Fraktionen Papier/Pappe, Kunststoffe und Verbundmaterialien in der Fraktion > 100 mm vor; in der Fraktion > 40 mm

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sind es sogar 88 – 94 %. Die oben genannten Fraktionen machen i.M. ca. 2/3 der aussortierten Wertstoffmassen bzw. der Erlöse aus.

Sieblinie des Hausmüll und des Sortierrests in Novo Hamburgo

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Siebschnitt [mm]

Ante

il S

iebd

urch

gang

[%]

Hausmüll Sortierrest

Abbildung 4-7: Sieblinie des Hausmülls und des Sortierrests in Novo Hamburgo im Vergleich

Bei den Metallen, die zwar i.M. nur gut 10% aussortierten Mengen repräsentieren, aber immerhin ca. 18% der Einnahmen ausmachen, ergibt sich ein stark unterschiedliches Bild bezüglich der Siebschnittverteilung für Eisen- und Nicht-Eisenmetalle (Abbildung 4-9): während ca. 60% der Eisenmetalle Korngrößen größer 100 mm aufweisen, sind fast 70% der Nicht-Eisenmetalle kleiner als 100 mm.

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Siebschnittverteilung im Hausmüll Novo Hamburgo, recyclingfähige Fraktionen

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Siebschnitt [mm]

Ant

eil S

iebd

urch

gang

[%]

Papier, Pappe

Summe Kunststoffe

Verbund

Abbildung 4-8: Siebschnittverteilung der Fraktionen Papier/Pappe, Kunststoffe sowie Verbund (Tetra-Pack) im Hausmüll, Novo Hamburgo

Siebschnittverteilung im Hausmüll Novo Hamburgo, recyclingfähige Fraktionen

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Siebschnitt [mm]

Ante

il S

iebd

urch

gang

[%]

Eisenmetalle

Nicht-Eisenmetalle

Abbildung 4-9: Siebschnittverteilung der Fraktionen Eisen- und Nicht-Eisenmetalle im Hausmüll, Novo Hamburgo

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Siebschnittverteilung im Hausmüll Novo Hamburgo, Organik

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Siebschnitt [mm]

Ante

il S

iebd

urch

gang

[%]

Organik

Abbildung 4-10: Siebschnittverteilung der Fraktion Organik im Hausmüll, Novo Hamburgo

Die im Hausmüll enthaltene Organik liegt erwartungsgemäß überwiegend in den Korngrößenfraktionen < 100 mm vor (Abbildung 4-10). Nur 8,7% der Organik weisen eine größere Korngröße auf.

Bei der Abschätzung der Stoffstromauftrennung durch die Siebung ist ggf. eine vorgeschaltete Zerkleinerung zu berücksichtigen. Je nach eingesetztem Aggregat und den Einstellungen am Aggregat kann die Vorzerkleinerung zu einer geringen oder auch starken Anhebung der Sieblinie führen (Abbildung 4-11).

Für die folgenden Schätzungen wird zunächst von keiner Vorzerkleinerung ausgegangen bzw. von einer Vorzerkleinerung mit geringer Zerkleinerungswirkung im groben Korngrößenspektrum. Beim vorgeschlagenen Konzept der mechanischen Aufbereitung dient die Vorzerkleinerung in erster Linie dem Öffnen der Abfallgebinde. Eine starke Zerkleinerung ist dem gegenüber nicht anzustreben, um die Sortierfähigkeit der Stoffgruppen zu erhalten.

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Abbildung 4-11: Korngrößenverteilung von Resthaus- und Geschäftsmüll beim Einsatz unterschiedlicher Zerkleinerungsaggregate (Fricke et al. 2002c)

Unter der Annahme einer nur geringen Vorzerkleinerung des Abfalls können für die Stoffstromauftrennung folgende Leistungen prognostiziert werden:

Aus der Siebschnittverteilung der einzelnen Stofffraktionen ist abzuleiten, dass bei einer Vorabsiebung mit einem Siebschnitt von 100 mm ca. 91% der Organik in die Feinfraktion überführt werden. Umgekehrt lägen bei einer solchen Siebung im Mittel 53% der Wertstoffe in der Grobfraktion vor.

Die stoffliche Zusammensetzung der Grobfraktion, die aus den Sieb-/Sortieranalysen ermittelt wurde, zeigt, dass die Fraktion > 100 mm dann zu ca. 66% aus recyclingfähigen Wertstoffen bestünde, der Anteil an Störstoffen beträgt dem entsprechend ca. 35% (Abbildung 4-12).

Wenn davon ausgegangen wird, dass ca. 32% des Hausmülls als Grobfraktion in einer Siebung mit 100 mm Maschenweite abgetrennt werden - entsprechend ca. 15.980 Mg/a bei einem jährlichen Haumüllaufkommen von 50.000 Mg -, können anhand stofflichen Zusammensetzung der Grobfraktion und der durchschnittlichen Einheitspreise für die einzelnen Sortierfraktionen die Einnahmen durch den Wertstoffverkauf grob abgeschätzt werden. Dabei ist zu erwarten, dass die in der Grobfraktion enthaltenen Wertstoffe aufgrund von Verschmutzungen und Anhaftungen nicht vollständig einem Recycling zugeführt werden können. Dieser Umstand wurde in der Hochrechnung möglicher Erlöse in Tabelle 4-14 durch Abschätzung eines recylebaren Anteils für die einzelnen Stofffraktionen berücksichtigt. Die dort genannten Einheitspreise für die einzelnen Wertstoffraktionen sind als grobe

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Anhaltswerte auf Basis der im Jahr 2006 in Novo Hamburgo erzielten Preise sowie des in Brasilien üblichen Preisniveaus gem. Tabelle 3-5 (Kapitel 3.8) zu verstehen.

Stoffliche Zusammensetzung der Fraktion > 100 mm, Hausmüll Novo Hamburgo

Eisenmetalle4,2%

Nicht-Eisenmetalle0,2%

Verbund4,0%

Gesamt-Organik5,4%

Stoff, Leder11,0%

Mineralien0,1%

Hygieneartikel11,8%

Glas1,5%

Schuhe5,1% Sonstiges

0,7%Papier, Pappe

19,6%

Hartplastik6,0%

Weichplastik, Folien30,0%

Problemstoffe0,2%

Gummi0,2%

Abbildung 4-12: Stoffliche Zusammensetzung der Fraktion > 100 mm, Hausmüll Novo Hamburgo

Der Hochrechnung ist zu entnehmen, dass bei Beschränkung der Sortierung auf eine Grobfraktion > 100 mm ca. 15.900 Mg Hausmüll pro Jahr sortiert werden müssten, aus denen nach vorsichtiger Abschätzung ca. 5.600 Mg Wertstoffe pro Jahr aussortiert werden könnten. Dies entspricht Einnahmen von ca. 1,07 Mio. R$ (395.000 €). Wenn ein Betriebskostenanteil von 20% sowie ein monatliche Kosten der Kooperativenleitung von ca. 4.000 R$/Monat berücksichtigt wird, ermöglichen diese Einnahmen ein monatliches Einkommen der Kooperativenmitglieder in Höhe von ca. 600 R$ (ca. 220 €). Gegenüber dem derzeitigen Einkommen von weniger als 350 R$/Monat bedeutet dies eine deutliche Steigerung.

Dabei wäre die erforderliche Durchsatzleistung der Sortieranlage gegenüber dem Status quo annähernd halbiert. Vor dem Hintergrund des reduzierten Durchsatzes bei einem höheren Wertstoffanteil im Sortiergut erscheint es realistisch, dass die spezifische Sortierleistung pro Arbeiter und Tag von derzeit ca. 30 – 100 kg Wertstoffe/Tag auf ca. 180 kg Wertstoffe/Tag erhöht werden kann.

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Tabelle 4-14: Hochrechnung möglicher Einnahmen aus dem Wertstoffverkauf bei Sortierung einer abgesiebten Grobfraktion > 100 mm in Novo Hamburgo

Fraktion

Anteil an Siebfraktion

[%] Summe

[Mg/a]Reycelbarer

Anteil [%]Reycelbarer Anteil [Mg/a]

Einheits-Preis

[R$/Mg] Einnahmen

[R$/a]

Papier, Pappe 19,6% 3.136 50% 1.568 100 156.822

Hartplastik 6,0% 951 80% 761 450 342.517

Weichplastik, Folien 30,0% 4.800 50% 2.400 180 431.986

Glas 1,5% 243 90% 219 40 8.753

Eisenmetalle 4,2% 675 90% 608 200 121.549

Nicht-Eisenmetalle 0,2% 31 90% 28 200 5.532

Gesamt-Organik 5,4% 868 - - - -

Verbund 4,0% 641 - - - -

Stoff, Leder 11,0% 1.755 - - - -

Gummi 0,2% 31 - - - -

Mineralien 0,1% 10 - - - -

Hygieneartikel 11,8% 1.884 - - - -

Problemstoffe 0,2% 28 - - - -

Schuhe 5,1% 821 - - - -

Sonstiges 0,7% 109 - - - -

Feinfraktion 0,0% 0 - - - -Summe 15.983 5.584 1.067.160

4.4.2 Biologische Behandlung

STATUS QUO

Die biologische Behandlung in Novo Hamburgo (Abbildung 4-13) wurde nach dem Vorbild des Biodegma-Verfahrens mit brasilianischer Technik erstellt. Sie basiert auf einer Kompostierung des Abfalls in aktiv belüfteten Zeilen. Die Mieten werden zur Minimierung der Geruchsemissionen, des Ungezieferbefalls und der Wasserverluste über die Abluft mit einer Plane abgedeckt. Aus Kostengründen wurde auf den Einsatz einer semi-permeablen Membran, wie sie sonst bei solchen Verfahren angewendet wird, verzichtet; stattdessen werden handelsübliche LKW-Planen aus Baumwollmaterial eingesetzt. Die Belüftung erfolgt temperaturgesteuert über im Boden eingelassene Belüftungsrohre, wobei die Temperaturen mittels Stech-Thermometer erfasst werden. Ein Umsetzen der Mieten ist nicht vorgesehen. Die Bewässerung erfolgt bei Bedarf mit Sickerwässern aus der Kompostierung mittels perforierter Bewässerungsschläuche, die auf dem Mietenkörper ausgelegt werden.

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Überschüssige Prozesswässer werden in der Sickerwasserreinigungsanlage der Deponie behandelt.

Abbildung 4-13: Blick auf die biologische Behandlung, Novo Hamburgo

Im Rahmen der Status-quo-Aufnahme wurden folgende Probleme beim Betrieb der Kompostierungsanlage festgestellt:

Es fehlen ein Betriebskonzept/Betriebshandbuch und Vorgaben für das Betriebspersonal. Das an der biologischen Anlage beschäftigte Personal hat keine ausreichende Schulung für den ordnungsgemäßen Betrieb erhalten. Als Folge entstehen Fehler in der Steuerung der Rotte und beim Betrieb – wie z.B. zu hohe oder zu niedrige Temperaturen, zu starke oder zu geringe Bewässerung- die den Behandlungserfolg gefährden.

Die bestehende Steuerungsautomatik der Belüftung über die Temperatur Rottematerial ist suboptimal. U.a. müssen die Soll-Temperaturwerte regelmäßig manuell nachgestellt werden.

Es kommt zu starken Austrocknungserscheinungen in den einzelnen Mieten, bedingt vor allem durch den mangelnden Wasserrückhalt der verwendeten Planen.

Bei der Bewässerung der Mieten über die Oberfläche mittels perforierten Schläuchen kommt es zu einer sehr unregelmäßigen Wasserverteilung in den Abfallschüttungen. Darüber hinaus erfolgt häufig eine zu starke oder zu geringe Bewässerung. Partielle Vernässungen und starke Austrocknung in anderen Bereichen sind die Folge, wodurch die biologischen Prozesse gehemmt werden können.

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Die verwendeten Planen widerstehen den Belastungen durch die Abluft und dem Kontakt mit Müll nicht und müssen häufig repariert bzw. ersetzt werden.

Die vorhandene Siebanlage hat eine zu geringe Durchsatzleistung, um den gesamten gerotteten Abfall zeitnah sieben zu können. Daher entstehen immer wieder große Ansammlungen von gerottetem Abfall im Bereich der Kompostierungsanlage auf dafür nicht geeigneten Flächen und ohne jede Kontrolle, wie sie für eine Nachrotte erforderlich wäre. Dort entstehendes Sickerwasser fließt oberflächlich in den angrenzenden Wald.

Aufgrund der oben genannten Betriebsschwierigkeiten kommt es zu einem suboptimalen Rotteverlauf mit nur langsamer und vergleichsweise geringer Temperaturentwicklung, wie in Abbildung 4-14 und Abbildung 4-15 beispielhaft dargestellt. Temperaturen von über 55°C, wie sie für eine optimale Umsetzung erfahrungsgemäß empfohlen werden, werden erst in der letzten Rottewoche erreicht und auch nur einzelnen Mieten. Die für eine ausreichende Hygienisierung erforderlichen Temperaturen von 55° C über zwei Wochen bzw. 65° C über eine Woche (gemäß den Vorschriften der deutschen Bioabfallverordnung) werden i.d.R. nicht erreicht. Von einer seuchen- und phytohygienischen Unbedenklichkeit des produzierten Rottematerials kann daher nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus kann aus den Temperaturverläufen bereits geschlossen werden, dass kein ausreichender Rottegrad erzielt wird; das gerottete Material zeigt immer noch eine starke biologische Aktivität.

Temperaturverläufe in den Mieten, biol. Behandlung Novo Hamburgo

0

10

20

30

40

50

60

70

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Rottedauer [d]

Tem

pera

tur [

°C]

günstiger Wertebereich f. den biologischen Abbau

Abbildung 4-14: Temperaturverlauf in der biologischen Behandlung, Beispielmieten 1, Novo Hamburgo

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Temperaturverläufe in den Mieten, biol. Behandlung Novo Hamburgo

0

10

20

30

40

50

60

70

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Rottedauer [d]

Tem

pera

tur [

°C]

günstiger Wertebereich f. den biologischen Abbau

Abbildung 4-15: Temperaturverlauf in der biologischen Behandlung, Beispielmieten 2, Novo Hamburgo

UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE 1 – STOFFLICHE ZUSAMMENSETZUNG

Im Untersuchungszeitraum erfolgten mehrere Sieb-/Sortieranalysen des Inputs in die Kompostierung sowie des Outputs aus der Kompostierung. Ziel dieser Untersuchungen war es, den biologisch abbaubaren Anteil sowie die Stör- und Fremdstoffanteile zu bestimmen. Den Ergebnissen ist zu entnehmen, dass der biologisch abbaubare Anteil durch die Entnahme von Wertstoffe in der Sortierung gegenüber dem unsortieren Hausmüll von ca. 41% auf 55% gesteigert werden konnte (Abbildung 4-16 und Abbildung 4-17).

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Stoffliche Zusammensetzung des Inputs in die Kompostierung

Gesamt-Organik; 39,9

Verbund; 1,4

Textilien, Leder; 2,9

Gummi; 0,3

Mineralien; 3,0

Hygieneartikel; 8,0

Problemstoffe; 0,2

Papier, Pappe; 15,0

Hartplastik; 1,7

Weichplastik, Folien; 6,1

Glas; 1,2

Nicht-Eisenmetall; 0,3

Eisenmetalle; 0,7

Feinfraktion; 18,5

Schuhe; 0,3

Abbildung 4-16: Stoffliche Zusammensetzung des Inputs in die biologische Behandlung (Sortierrest), Novo Hamburgo

Dennoch befinden sich noch immer relevante Anteile potenziell recyclebarer Wertstoffe im Sortierrest der Sortieranlage. Es handelt sich dabei zumeist um Materialien, die aufgrund der hohen Verschmutzung nicht verkauft werden können (z.B. Plastiktüten) oder solche, die bei der Sortierung übersehen wurden.

So ist ein Großteil der Papierabfälle durch die meist hohe Verschmutzung und Durchnässung für ein Recycling ungeeignet und verbleibt daher im Sortierrest.

Die Wertstoffe Hart- und Weichplastik sinken jeweils auf unter 50% des Ausgangswertes. Diese Fraktionen bestehen zu großen Teilen aus PET-Flaschen, PP-Behälter und Plastiktüten, die in der Sortierung leicht auszusortieren sind. Es verbleiben jedoch auch nach der Sortierung noch ca. 10% Kunststoffe im Sortierrest, die wegen ihrer großen Menge bei gleichzeitig ineffizienter Sortierung und starker Verschmutzung nicht vollständig aussortiert werden konnten. Auf Grund der geringen Qualität (hohe Verschmutzung) ist Weichplastik schwer vermarktbar.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Input in die Kompostierung einen Störstoffanteil von ca. 18% aufweist. Die Störstoffe umfassen dabei Wertstoffe wie Glas und Kunststoffe sowie Textilien, Schuhe und Gummi. Grundsätzlich ist dieser Störstoffanteil als sehr hoch für eine Herstellung von Qualitätskomposten anzusehen. Mit den Störstoffen werden Schadstoffe in das Kompostsubstrat eingetragen, wie beispielsweise Schwermetalle. Weiterhin können diese Störstoffe durch die Siebung nach dem Kompostierungsprozess nicht vollständig entfernt werden; Reste verbleiben im Kompost und mindern die Qualität.

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Vergleich der stofflichen Zusammensetzung an versch. Probennahmestellen, Novo Hamburgo

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Input Sortieranlage Input Kompostierung Output Kompostierung

Ant

eil [

%]

Organik

Wertstoffe

Hygieneartikel

Feinfraktion

Mineralien

Sonstiges

Organik

Wertstoffe

Hygieneartikel

Feinfraktion

Mineralien

Sonstiges

Abbildung 4-17: Vergleich der stofflichen Zusammensetzung an verschiedenen Probenahmestellen, Roselândia, Novo Hamburgo

UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE 2 – QUALITÄT DES GESAMTMÜLLKOMPOST

Zur Bewertung der Qualität des Gesamtmüllkomposts wurden umfangreiche Analysen des hergestellten Komposts durchgeführt. Neben der Bestimmung der Haupt- und Spurennährstoffe erfolgten vor allem umfangreiche Schwermetallanalysen des Komposts.

Den Analysenergebnissen ist zu entnehmen, dass der Kompost alle für die Pflanzenernährung notwendigen Haupt- und Spurennährstoffe enthält (Tabelle 4-15). Nach allgemeinen Erfahrungen weisen Komposte neben den Nährstoffgehalten noch weitere Charakteristika auf, die bei Anwendung in der Landwirtschaft zur Bodenverbesserung beitragen. U.a. bewirkt eine Kompostdüngung eine Verbesserung der Wasserhaltekapazität und begünstigt die Bildung eines Humusspeichers bei. In der Region um Novo Hamburgo bestehen die Böden überwiegend aus Podsolen mit äolischen Sanden. Diese Böden weisen eine Tendenz zur Humusverlagerung in tiefere Schichte und Ausbildung eines gebleichten Elluvial-Horizontes auf, haben eine geringe Wasserhaltskapazität und geringe Corg-Gehalte. Sie sind damit eher wenig fruchtbar (PMNH, 2001). Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz von Komposten zur Bodenmelioration grundsätzlich sinnvoll.

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Tabelle 4-15: Trockensubstanz, organische Trockensubstanz sowie Haupt- und Spurennährstoff-Gehalte im Kompost, Novo Hamburgo

ungesiebt < 10 mm < 15 mm < 20 mm

TS-Gehalt 58,5 38,2 45,8 46,2

oTS-Gehalt 55,9 32 40,2 40,9

P2O5 ges. [% TS] 1,73 1,51 1,65 1,47

CaOges. [% TS] 4,19 5,04 4,76 4,55

K2Oges. [% TS] 1,38 1,07 1,22 1,22

MgOges. [% TS] 0,57 0,62 0,68 0,62

Fe [mg/kg TS] 1,76 2,48 2,14 2,1

Zn [mg/kg TS] 519 682 768 641

Mn [mg/kg TS] 272 336 298 285

Cu [mg/kg TS] 424 331 416 324

B [mg/kg TS] 60,5 66,4 57 66,7

Mo [mg/kg TS] 4,87 5,29 4,6 5,1

Tabelle 4-16 zeigt die Schwermetallgehalte in den Komposten aus Novo Hamburgo im Vergleich mit Werten aus Brasilien, Deutschland und Europa. Die Schwermetallgehalte im Kompost der untersuchten Anlage sind im Vergleich mit europäischen Gesamtmüllkomposten verhältnismäßig gering; dies betrifft vor allem die Parameter Zink, Blei, Nickel und Cadmium.

Bei den Kompostproben aus Novo Hamburgo fällt der hohe Chrom-Gehalt bei allen Kompostfraktionen auf. Chrom wird neben einem Einsatz in Legierungen und Pigmenten insbesondere bei der Gerbung von Leder verwendet. In Novo Hamburgo ist die Schuhproduktion der größte Industriezweig. Zwar werden auf der Anlage nach offiziellen Angaben keine Industrieabfälle angeliefert, jedoch finden sich im Hausmüllaufkommen Novo Hamburgo 1,8% Schuhe (900 Mg/a) und 5,2% Stoff und Leder (2.600 Mg/a) wieder. Dies ist darauf zurückzuführen, dass kleinere Mengen von Industrieabfällen bis 50 kg/d über die Hausmüllabfuhr entsorgt werden können. In Novo Hamburgo bestehen zahlreiche kleine Betriebe der Schuh- und Lederherstellung, deren Abfälle mutmaßlich zu einem großen Teil im Hausmüll zu finden sind.

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Tabelle 4-16: Schwermetallgehalte im Gesamtmüllkomposte in Novo Hamburgo und in anderen Komposten sowie Grenzwerte

Cadmium (Cd)

Nickel (Ni)

Blei (Pb)

Chrom (Cr)

Zink (Zn)

Kupfer (Cu)

Gesamtmüllkompost < 10 mm 2,2 35 189 215 717 349

Gesamtmüllkompost < 15 mm 2,2 59 171 239 909 490 Novo

Hamburgo 1)

Gesamtmüllkompost < 20 mm 2,2 42 108 253 759 386

andere Komposte Brasilien

Fertilurb, Rio de Janeiro 2)

Gesamtmüllkompost 81 129 175 516 188

unbelüftete Mieten 0,6 22 293 81 270 324 Vitória 3)

belüftete Mieten > 0,05 10 105 45 256 115

Manaus 4) 2,2 27 209 81 430 208

andere Komposte Europa

Deutschland 5) Bioabfall 0,5 14 49 23 183 45

Bioabfall 0,46 17 63 21 181 47 Europa 6)

Gesamtmüll 1,7 - 5 30 - 149 181 - 720 70 - 209 283 - 1.570 114 - 522

Grenzwerte

BioAbfV, Kat. 1 1,5 50 150 100 400 100 Grenzwerte Deutschland

BioAbfV, Kat. 2 1 35 100 70 300 70

Grenzwerte Brasilien SDA No 27 3 70 150 200 - -

1) eigene Daten 2) pers. Auskunft COMLURB, 2007 3) Baptista, 2001 4) Cravo et al. 1998 5) Kehres, 2002 6) Amelinger et al., 2003

Die Cadmium- und Nickel-Konzentrationen den Komposten aus Novo Hamburgo unterschreiten die brasilianischen Grenzwerte. Die mittleren Blei- und Chrom-Gehalte liegen dem gegenüber über den entsprechenden Grenzwerten nach brasilianischem Recht. Die

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brasilianische Normvorschrift erlaubt allerdings Toleranzen von bis zu 30% des Grenzwerts. Die mittleren Belastungen im Kompost liegen noch innerhalb dieser 30%igen Toleranzgrenzen. Die Konzentrationen der gemessenen Schwermetalle ließen nach brasilianischem Düngemittelrecht eine Anwendung als organischer Dünger zu. Allerdings wurden nicht alle Parameter untersucht, für die in der brasilianischen Norm ein Grenzwert festgelegt ist. Die Schwermetalluntersuchungen orientierten sich an den deutschen Vorgaben, da zum Zeitpunkt der Durchführung noch keine brasilianische Norm bestand.

Bei der Bewertung der Schwermetalldaten aus Brasilien sind folgende Einschränkungen zu beachten:

Schwermetallmessungen in heterogenen Substraten wie Komposten erfordern eine an das Untersuchungsmaterial angepasste Probenaufbereitung und Analyse. Durch unterschiedliche analytische Aufschlussmethoden und Messverfahren können die Schwermetallfunde einer Probe weit differieren. Während in Deutschland und Europa entsprechende Normen und Vorschriften bestehen, existieren in Brasilien derzeit noch keine normativen Vorgaben. Somit sind methodenbedingte Abweichungen, die die Vergleichbarkeit einschränken, nicht auszuschließen.

Um Komposte mit unterschiedlichen Rottegraden vergleichen zu können, werden in Deutschland die Schwermetallgehalte normiert auf 30% organische Substanz angegeben. Dieses Verfahren wird in Brasilien nicht angewandt bzw. nur selten gekennzeichnet und ist beim Datenvergleich zu berücksichtigen. So ergeben sich bei Schwermetallmessungen in frischen Komposten, die noch einen hohen Anteil organischer Substanz und damit an Bezugsmasse beinhalten, deutlich geringere Werte, als bei einem Fertigkompost aus dem gleichen Material.

UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE 3 – OPTIMIERUNG DES ROTTEPROZESSES

Im Rahmen des Forschungsprojekts erfolgten Untersuchungen zum optimierten Betrieb der Gesamtmüllkompostierung mit dem Ziel, die Abbauleistung und damit die Stabilisierung des Abfalls durch eine optimierte Rottesteuerung zu verbessern. Dazu wurden über einen Zeitraum von 1,5 Jahren insgesamt 4 Mieten manuell optimiert bewirtschaftet und im Rahmen der lokalen Möglichkeiten analytisch begleitet. Die Rottedauer betrug ca. 5 Wochen (Versuche C1 und C2) bis ca. 8 Wochen (Versuche M1 und M2).

Im Gegensatz zum üblichen Betrieb der Kompostierung wurden die Versuchsmieten regelmäßig (meistens wöchentlich) umgesetzt und dabei nach Bedarf mittels Schläuchen bewässert. Wie aus den Analysendaten zu entnehmen ist (Abbildung 4-18) konnte durch dieses Vorgehen der Trockensubstanz-Gehalt im Abfall während der gesamten Rottedauer weitgehend im günstigen Bereich von 45-65% gehalten werden.

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Trockensubstanz-Gehalte in den Versuchsmieten, Novo Hamburgo

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

0 10 20 30 40 50 60

Rottedauer [d]

TS-G

ehal

t [%

]

M1M2C1C2

günstiger Wertebereich f. den biologischen Abbau

Abbildung 4-18: Trockensubstanz-Gehalte im Verlauf der Kompostierung, Versuchsmieten, Novo Hamburgo

Die installierte Steuerung der Belüftung wurde für die Versuchsmieten abgeklemmt, da sich im herausgestellt hatte, dass diese nicht zweckdienlich ist. Stattdessen wurden die Ventilatoren händisch bzw. über Zeitschaltuhren so gesteuert, dass die Temperaturen in der Mieten immer zwischen 50-65°C lagen (Abbildung 4-19). Dabei konnten zwar einzelne Temperaturspitzen über 65 °C nicht vermieden werden, im Wesentlichen wurden die Temperaturen jedoch im Zielbereich gehalten. Die Temperaturspitzen sind vor allem auf Ausfälle der Belüftung aufgrund elektrischer Probleme zurückzuführen.

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Temperaturen in den Versuchsmieten, Novo Hamburgo

0

10

20

30

40

50

60

70

80

0 10 20 30 40 50 60

Rottedauer [d]

Tem

pera

ture

[°C

]

C1C2M1M2

günstiger Wertebereich f. den biologischen Abbau

Abbildung 4-19: Temperaturen im Verlauf der Kompostierung, Versuchsmieten, Novo Hamburgo

Anhand der Trockensubstanz-Gehalte und der Temperaturen Rottegut kann geschlossen werden, dass die Prozessbedingungen durch die intensive Begleitung und händische Steuerung - im Gegensatz zum vorherigen Betrieb - weitgehend in günstigen Bereich gehalten werden konnten.

Bei den günstigen Abbaubedingungen entsteht eine hohe Massenreduktion von ca. 29 – 46% der Frischmasse, entsprechend einer ca. 18 – 32%igen Reduktion der Trockenmasse. Erwartungsgemäß entstehen die niedrigeren Reduktionen bei ca. 5 - 6 Wochen Rottedauer, während bei längeren Rottezeiten von 7 – 8 Wochen eine höhere Reduktion erzielt wird. Im vorherigen Betrieb ohne Umsetzung und mit Bewässerung über die Oberfläche betrug die Reduktion der Frischmasse bei einer 5 bis 6-wöchigen Rotte nur ca. 14 – 15% (vergl. Kapitel 4.3.3).

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Massenreduktion bei den Versuchsmieten, Novo Hamburgo

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

40%

45%

50%

C1 C2 M1 M3

Mas

sen-

Red

uktio

n [%

]

Frisch-Substanz-Reduktion TS-Reduktion oTS-Reduktion

Rottedauer 5 - 6 Wochen Rottedauer 7 - 8 Wochen

Abbildung 4-20: Massenabbau in der Kompostierung - Vergleich Kompostierungsversuche Novo Hamburgo

In Deutschland übliche Parameter zur Charakterisierung der biologischen Stabilität einer Abfallprobe, wie Atmungsaktivität in 4 Tagen (AT4) oder DOC (im Eluat), konnten in Brasilien nicht analysiert werden. Dennoch lässt sich die Stabilität einer Probe auch anhand einfacher, vor Ort bestimmbarer Parameter einschätzen, wie z.B. anhand des Gehalts organischer Trockensubstanz oder des Rottegrads (Selbsterhitzungsversuch). In den Versuchsmieten konnte beispielsweise nach ca. 7 – 8 Wochen Rotte ein Rottegrad von IV erreicht werden (Tabelle 4-17); dies entspricht einer Selbsterwärmung auf weniger als 40 °C. Aus dem hohen Rottegrad bzw. der geringen Selbsterwärmung des Rotteguts lässt sich eine weitgehende Stabilisierung des Rotteguts ablesen. Aus der Reduktion der organischen Trockensubstanz im Verlauf der biologischen Behandlung lässt sich nach Gallenkemper et al. (1996; S.62) ein so genannter Abbaugrad berechnen, bei dem die Schwankungen im Organikgehalt bei verschiedenen Komposten nicht zum Ausdruck kommen. Dieser Abbaugrad beträgt bei den Versuchsmieten ca. 28 - 49 %, wobei die höheren Abbaugrade in den Versuchen mit der längeren Rottezeit von 8 Wochen erreicht wurden.

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Tabelle 4-17: Analysenparameter von Input und Output der Kompostierung, Novo Hamburgo

Aus den Versuchen können somit einige wesentliche Rahmendaten für die biologische Behandlung in Novo Hamburgo ermittelt werden (Tabelle 4-18):

Durch die intensive Bewirtschaftung der Mieten konnten erwartungsgemäß weitgehend günstige Rottebedingungen eingestellt werden. Dies kann beispielsweise am Temperaturverlauf und den Trockensubstanzgehalten abgelesen werden. Eine Überprüfung der Prozessführung ist dabei anhand einfacher, vor Ort zu bestimmender Parameter sinnvoll möglich.

Die günstigen Rottebedingungen führten zu einem hohen Abbau organischer Substanz und damit zu einer weitgehenden Stabilisierung des Abfalls. Falls das Rottegut als Kompost aufbereitet werden soll, kann ein Fertigkompost erzeugt werden. Bei Deponierung des stabilisierten Abfalls sind die Emissionen, die von der Deponie ausgehen, infolge der Stabilisierung des Abfalls gegenüber der Deponierung unvorbehandelter Abfälle deutlich reduziert; so wird weniger Deponiegas entstehen und es können geringere Belastungen im Sickerwasser erwartet werden.

Bei dem vorliegenden System von Zeilenmieten ohne semipermeable Abdeckung umfasste die Optimierung des Betriebs ein regelmäßiges Umsetzen mit gleichzeitiger bedarfsgerechter Bewässerung sowie die manuelle temperaturgesteuerte Bewässerung.

Die erforderliche Belüftungsleistung lag in den Versuchen bei ca. 13.000 m³/h, wobei bei starker Selbsterhitzung auch punktuell höhere Belüftungsleistungen von bis zu ca. 26.000 m³/h realisiert werden mussten. Die eingestellten Luftwechselraten betrugen im Mittel 2,6 m³/m³ Miete und h.

Bei den oben genannten Belüftungsraten ergibt sich für das untersuchte Material und den untersuchten Prozess ein spezifischer Wasserbedarf von ca. 0,35 m³/Mg bzw. ca. 61 l/Mg Material und Rottewoche, der mittels Bewässerung in den Prozess eingebracht werden muss.

Input Output

TS [%] 50 - 59 59 - 65

oTS [%] 66 - 74 51 - 66

oTSbio [%] 59 25 - 28

Rottegrad [-] - IV

Abbaugrad [%] 28 - 49

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Tabelle 4-18: Spezifischer Luft- und Wasserbedarf der Kompostierung

Rottedauer spez. Luftbedarf

mittlere Luftwechsel-

rate

Spez. Wasserbedarf

[d] [m³/Mg] [m³/m³*h] [l/Mg* Rottwoche]

C1 39 3.978 2,6 63,8

C2 37 3.397 2,3 63,4

M1 53 5.489 2,6 57,3

M2 46 5.144 2,8 59,9

Mittel 2,6 61,1

UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE 4 – ABSIEBUNG DES KOMPOSTS

Im Rahmen der Sieb-/Sortieranalysen sowie der Kampagnen zur Massenbilanzierung erfolgten ebenfalls Untersuchungen zur Absiebung des Komposts nach der biologischen Behandlung. Der Sieblinie des biologisch behandelten Materials (Abbildung 4-21) ist zu entnehmen, dass der Abfall erwartungsgemäß eine deutlich kleinere Korngrößenstruktur aufweist als vor der biologischen Behandlung (vergl. Abbildung 4-7). Ca. 46% des biologisch behandelten Abfalls weisen nach der biologischen Behandlung eine Korngröße kleiner 10 mm auf. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem untersuchten Material um Abfall handelt, der unter suboptimalen Rottbedingungen behandelt wurde und daher eine nur geringe Stabilisierung aufweist. Bei einer weitergehenden Stabilisierung können sich auch höhere Anteile der Feinfraktion ergeben.

Sieblinie des biologisch behandelten Abfalls

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Siebgröße [mm]

Sieb

durc

hgan

g [%

]

Abbildung 4-21: Sieblinie des biologisch behandelten Abfalls

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Die Absiebung des Komposts erfolgte im vorhandenen Trommelsieb der Kompostierungsanlage, das mit einem drei-geteilten Siebeinsatz mit den Korngrößen 10, 15 und 20 mm ausgestattet ist. Das Sieb wird mittels Radlader befüllt. Der Output aus der Gesamtmüllkompostierung wird vor der Siebung i.d.R. noch auf einer ungedichteten Brachfläche neben der Anlage gelagert. Damit soll theoretisch eine Nachreife im Sinne einer weiteren Stabilisierung sowie eine Trocknung des Abfalls bewirkt werden. In Regenperioden, wie sie in Novo Hamburgo vor allem im Winter häufig auftreten, kann dieses Ziel jedoch nicht erreicht werden. Dann wird oftmals auch sehr nasser Abfall gesiebt, mit dem Effekt, dass die Siebgüte schlechter wird und häufig Betriebsprobleme auftreten. Messungen haben gezeigt, dass das Absieben einer Miete bis zu 14 h dauert. Dies entspricht einer mittleren Durchsatzleistung von ca. 4 Mg/h. Infolge der geringen Durchsatzleistung des Siebes und häufiger technischer Schwierigkeiten kommt es immer wieder zur Ansammlung großer Mengen unabgesiebter stabilisierter Abfälle auf der Brachfläche.

Die Massenbilanz des Siebes zeigt, dass im laufenden Betrieb ca. 21% des Inputs als Kompost der Korngrößen < 10 mm, < 15 mm und < 20 mm abgetrennt werden (Abbildung 4-22).

Massenbilanz der Siebung nach der biologischen Behandlung

< 15 mm; 6,4%

< 10 mm; 1,6%

Siebüberlauf; 79,4%

< 20 mm; 12,6%

Abbildung 4-22: Massenbilanz der Siebung nach der biologischen Behandlung, Novo Hamburgo

ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG DER UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE

Der Betrieb der Kompostierung zeigte Mängel hinsichtlich Betriebsführung und Prozesssteuerung. Bei der Anlage handelt es sich um eine Pilotanlage, deren Durchsatz nicht ausreichend ist, um den gesamten Restmüll Novo Hamburgos zu behandeln. Aus den vorliegenden Untersuchungsergebnissen können Optimierungsempfehlungen für den Ausbau der Anlage auf die erforderliche Behandlungskapazität abgeleitet werden.

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So hat sich die bestehende Rottetechnik als nicht ausreichend funktionstüchtig erwiesen. Bei Ausweitung der Kompostierung ist die Rottetechnik zu ertüchtigen. Der Betrieb mit statischen Rottemieten ohne semipermeable Abdeckung bei insgesamt kurzen Rottezeiten hat sich in Roselândia nicht bewährt.

Daher sind in jedem Fall auch technische Alternativen zu betrachten, deren Funktionstüchtigkeit und Leistungsfähigkeit bereits im praktischen Betrieb belegt ist. Wesentliche Bewertungskriterien für solche Alternativen stellen der Platzbedarf, der Technisierungs- und Automatisierungsgrad, die erwarteten Emissionen sowie die Kosten dar.

Im vorliegenden Fall ist die zur Verfügung stehende Fläche auf dem Gelände in Roselândia stark begrenzt. Eine Anordnung der biologischen Behandlung auf dem Deponiekörper, z.B. in Form von Dreiecksmieten oder Kaminzugmieten ist zwar theoretisch möglich, setzt aber einen stabilen Deponiekörper mit geeigneter Infrastruktur zur Fassung der Emissionen und ganzjährig gesicherter Zufahrt voraus. Beides ist aber in Roselândia derzeit nicht sichergestellt. Mittelfristig steht lediglich das Gelände zwischen Einfahrt, Sortieranlage und Kompostierungsanlage bis zum Rand der Deponie zur Verfügung. Die dort verfügbaren Freiflächen umfassen schätzungsweise lediglich 16.500 m². Der Platzbedarf der biologischen Behandlungstechnik ist daher eines der entscheidenden Auswahlkriterien.

Geruchsemissionen spielen dem gegenüber am bestehenden Standort voraussichtlich eine nur untergeordnete Rolle. Der Standort Roselândia liegt außerhalb der urbanen Zone, in einer Entfernung von ca. 2 bis 3 km zur nächsten (formellen) Siedlung. Ferner ist der Standort fast vollständig von Wald umgeben. Daher ist nicht zu erwarten, dass kurzzeitige Geruchsemissionen, wie sie beispielsweise beim Umsetzen von Kompostmieten entstehen können, zur Belästigung von Anwohnern führen.

In Roselândia steht nur wenig qualifiziertes Personal zum Betrieb der biologischen Anlage zur Verfügung. Grundsätzlich sind daher solche Verfahren zu bevorzugen, die einen geringen Technisierungsaufwand bedingen bzw. einfach beherrschbare Technik umfassen.

Bei der Auswahl eines geeigneten Verfahrens sind über die oben genannten Aspekte hinaus vor allem die Kosten zu berücksichtigen. Eine überschlägige Ermittlung und Bewertung der spezifischen Invest- und Betriebskosten erfolgt in Kapitel 6.1.

Vor dem Hintergrund der oben genannten Bewertungskriterien wurden verschiedene Kompostierungstechniken hinsichtlich Ihrer Eignung für den Standort Roselândia untersucht (Tabelle 4-19). Dabei wurden lediglich solche Verfahren in die Betrachtung einbezogen, die in Deutschland und Europa bereits seit längerem erfolgreich angewendet werden. Ferner wurden nur solche Verfahren berücksichtigt, die hinsichtlich der erforderlichen Invest- und Betriebskosten sowie der möglichen Durchsatzleistungen sinnvoll anwendbar erschienen. Aus diesen Gründen wurden z.B. das Tafelmieten- oder Tunnel-Verfahren sowie Anaerob-Verfahren nicht weiter betrachtet.

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Tabelle 4-19: Übersicht über mögliche technische Varianten zur biologischen Behandlung in Novo Hamburgo

A - Dreieck B – Stat.Miete C – Stat.Box D - Kamin

Dreiecksmieten mit mobilen Umsetzern

Statische Mieten mit semi-permeabler

Folien-Abdeckung

Statische Mieten mit semi-permeabler

Folien-Abdeckung – BOXEN-Ausführung

Kaminzug-Verfahren

Empfohlene Aufbereitung Vorzerkleinerung (Siebung)

Vorzerkleinerung (Siebung)

Vorzerkleinerung (Siebung)

Vorzerkleinerung (Siebung)

Prozesssteuerung Belüftung keine (durch Umsetzen)

Intensivrotte saugbelüftet

Intensivrotte saugbelüftet passive Belüftung

Umsetzen Umsetzmaschine kein Umsetzen in Intensivrotte

kein Umsetzen in Intensivrotte kein Umsetzen

Abluftbehandlung keine Abdeckung mit Folien Abdeckung mit Folien Abdeckung mit Biofilter

Behandlungsdauer (Wochen) *) eingehaust (Intensivrotte) - 3 3 -

offen 8 4 - 8 4 - 8 39

gesamt 8 7 - 11 7 - 11 39

Platzbedarf (m²) *) eingehaust (Intensivrotte) - 3.074 2.049 -

offen 16.863 3.600 - 7.300 3.600 - 7.300 30.238

gesamt 16.863 6.674 - 10.374 5.649 - 9.349 30.238

Energiebedarf mittel mittel mittel gering

Geruchsemissionen hoch (beim Auf- und Umsetzen der Mieten)

mittel (beim Auf- und Umsetzen Nachrotte)

mittel (beim Auf- und Umsetzen Nachrotte) gering

Automatisierungsgrad gering gering mittel sehr gering

Anforderungen an Wartung gering gering mittel sehr gering

Flexibilität/Erweiterung möglich? ja, jederzeit ja, jederzeit ja, Bau neuer Boxen erf. ja, jederzeit

*) Rottezeiten festgelegt in Anlehnung an die Stabilisierungsleistung im optimierten Ist-Zustand sowie gem. Hersteller-Empfehlungen. Platzbedarf ermittelt für einen Jahresdurchsatz von ca. 34.000 Mg/a. Genaue Rottezeiten und tatsächlicher Platzbedarf müssen auf Grundlage des Behandlungsziel und ggf. großtechnischer Pilotversuche festgelegt werden.

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Unter den oben genannten Aspekten des Platzbedarfs, des geringen Technisierungsgrads und einer hohen Abbauleistung können die Verfahren „Dreiecksmieten mit mobilen Umsetzern“ und „Statische Mieten mit semi-permeabler Abdeckung“ als Boxen- oder Mietenausführung zur Anwendung empfohlen werden (siehe nachfolgender Kasten).

Mit der Installation einer optimierten und betriebsicheren Rottetechnik kann mit Sicherheit ein Teil der Qualitätsprobleme des hergestellten Komposts gelöst werden. Eine geeignete Temperatursteuerung kann beispielsweise eine Hygienisierung des Komposts sicher stellen. Ferner kann der Störstoffanteil durch geeignete Siebstufen vor und nach der Kompostierung minimiert werden. Bei der Siebung nach der biologischen Behandlung ist ein besonderes Augenmerk auf einen geringen Wassergehalt im Kompost zu legen, da die Siebung umso besser funktioniert, je trockener das Material ist.

Diese Maßnahmen zur Verbesserung des Betriebs werden allerdings voraussichtlich keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Schwermetallbelastungen im Abfall haben. Vor allem auf Grund der hohen Chrom-Konzentrationen im Kompost erscheint eine uneingeschränkte Verwendung in der Landwirtschaft und in anderen Einsatzbereichen derzeit als nicht empfehlenswert.

Falls die Produktion von Kompost beibehalten werden soll, sind in jedem Fall Maßnahmen zu ergreifen, um die Schwermetallgehalte zu senken. Dazu kommen folgende Maßnahmen in Frage:

gesonderte Sammlung von industriellen Abfällen aus der Leder- und Schuhproduktion auch von kleineren Abfallproduzenten.

gesonderte Sammlung von Schadstoffen/Sonderabfällen aus dem Hausmüll (Batterien, Farben etc.).

Abtrennung von Eisen- und Nicht-Eisenmetallen aus dem Hausmüll vor der biologischen Behandlung.

Die Qualität des produzierten Komposts ist in jedem Fall regelmäßig zu analytisch zu überprüfen. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Schwermetallbelastungen ist zu empfehlen, die Anwendung des Kompost auf wenig sensible Bereich zur begrenzen, so z.B. außerhalb der Lebensmittelproduktion, zur Rekultivierung etc.

Allen möglichen technischen Alternativen ist gemein, dass der ausreichenden Schulung des Betriebspersonals große Bedeutung für einen erfolgreichen Betrieb zukommt. Der Erfolg der biologischen Behandlung hängt in besonderem Maße von der Einstellung geeigneter Betriebsbedingungen ab. Dies erfordert gut geschultes und erfahrenes Personal. Geeignete Qualifizierungsmaßnahmen sind daher unerlässlich.Dies kann beispielsweise Fortbildungen, Training-on-the-job sowie die Bereitstellung geeigneter Unterlagen wie Betriebshandbücher und Betriebstagebücher umfassen.

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MBA-VERFAHREN FÜR DEN STANDORT ROSELÂNDIA

DREIECKSMIETENVERFAHREN

Als älteste und einfachste Form der Kompostierung kann das sogenannte Dreiecksmietenverfahren bezeichnet werden.

Abbildung 4-23: Offene Mietenkompostierung, Radlader beim Mietenaufsetzen

Abbildung 4-24: Offene überdachte Mietenkompostierung, erste Bioabfallkompostanlage,

Witzenhausen (Baujahr 1985)

Das Rottegut wird je nach Anteil an Strukturbildnern zu Dreiecksmieten mit einer Höhe von ca. 1,00 bis 2,50m und einer Basisbreite von ca. 2,00 bis 5,00 m auf die Rottefläche aufgesetzt. Auch bei hohem Strukturgehalt sollten Mietenhöhen von 2,50 m nicht überschritten werden, um auflastbedingte Verdichtungen im Mietenkörper zu unterbinden. Die am Markt vorhandenen Mietenumsetzsysteme sind in der Regel auf eine Arbeitshöhe von maximal 2,50 m ausgelegt. Die Rottefläche ist mit einem Gefälle und einer glatten Oberfläche ausgeführt, um Sicker- und Niederschlagswässer abzuführen. Zur Unterbindung von Sickerwasserstauzonen an der Mietenbasis haben sich Dränschichten u.a. aus strukturreichen Abfallkomponenten bewährt. Die Mietenform der Dreiecksmiete hat ein relativ großes Oberflächen/Volumen-Verhältnis sowie geringe Diffusionswege von Zu- und Abluft zum Mietenrand. Bei ausreichend großem Luftporenvolumen ist daher eine Zwangsbelüftung nicht erforderlich. Der Sauerstoffeintrag wird durch Diffusion und mehrmaliges Umsetzen der Mieten mit Systemumsetzern gewährleistet. Die Belüftung erfolgt über das Umsetzen bzw. über die natürliche Belüftung. Beim Umsetzvorgang bewegen zwei Spurräumer vor dem Rahmen das Material von den Fahrspuren weg bis zur Maschinenmitte. Dort wird es von dem Rotor aufgenommen und nach hinten geworfen. Große

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Klumpen werden hierbei zerschlagen. Durch den Abwurf, hauptsächlich in der Mitte, entsteht eine neue, gut vermischte und belüftete Miete.

Das Rottegut kann beim Umsetzen gleichzeitig bewässert werden. Die Firma Backhus gibt an, dass zwischen den Mieten auf eine Fahrspur verzichtet werden kann. Die Dreiecksmietenumsetzer können bis zu 6000 m³/h umsetzen. Nach einer Rottezeit von sechs bis neun Wochen wird das Material, wie bei den anderen Verfahren auch, gesiebt (Bilitewski 2000, Santen et al. 2003).

Im Verlauf der intensiven Rottephase bilden sich Zonen unterschiedlicher Feuchtigkeit. Am oberen Mietenrand treten Kondensationen auf, während sich der Wassergehalt im Mietenkern zunehmend verringert. Gleichzeitig vernässt die Mietenbasis durch Stau- und Presswasser. Aus diesen unzureichenden Rottebedingungen resultieren Geruchsemissionen, eingeschränkte Abbauleistungen und verminderte Kompostqualitäten. Auf kleinen bis mittelgroßen Anlagen gilt das Mietenumsetzen - ohne zusätzliche Zwangsbelüftung - als wirkungsvolles Steuerungsinstrument, um den verschiedenen zuvor aufgeführten Rotteproblemen wirkungsvoll entgegenzutreten bzw. sie zu verhindern. Hierzu werden vornehmlich Radlader und Umsetzaggregate eingesetzt. Lockeres Aufsetzen, ausreichendes Homogenisieren und eine gezielte Bewässerung kann allerdings nur durch speziell für die Kompostierung entwickelte Systemumsetzer sichergestellt werden. Die Umsetzaggregate durchfräsen die Dreiecksmieten und werfen das Rottegut unmittelbar hinter der Fräswalze ab oder geben es auf Förderbänder, von denen es sowohl hinter als auch seitlich versetzt – Wandermietenprinzip - zu neuen Dreiecksmieten aufgesetzt wird. Umsetzhäufigkeit und -zeitpunkt sind im Wesentlichen abhängig vom Rottematerial und von der Mietengröße. In der Praxis wird in der Intensivrottephase ein- bis zweimal pro Woche umgesetzt. In der Nachrotte ist ein 2-wöchiger Umsetzrhythmus ausreichend.

Abbildung 4-25: Dreiecksmietenumsetzer (Fa. BACKHUS)

Zur Verbesserung der Rottesteuerung und Verminderung der Sickerwasseremissionen sowie in eingeschränkten Maß auch der Geruchsemissionen werden die Rottebereiche in der Regel überdacht oder mit geeigneten Folien abgedeckt. Im Vergleich zu zwangsbelüfteten Rottesystemen kann bei der unbelüfteten Mietenkompostierung der Wassergehalt zum Abschluss der Rotte nicht durch eine biologische Trocknung beliebig tief eingestellt werden, da speziell in der Nachrottephase nur niedrige Verdunstungsraten auftreten. Hier muss das Rottegut vor Niederschlägen geschützt werden, um die für die Konfektionierung und Lagerung angestrebten Wassergehalte von ca. 30 bis 35% zu erzielen.

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Dreiecksmietenverfahren weisen mit 1,5 m2 bis 2 m2/Mg Rottegut einen vergleichsweise hohen Flächenbedarf auf. Eine kostenintensive Einhausung der Rotteflächen kommt daher nicht in Frage.

Zur Verringerung der Geruchsemissionen wurden für Dreiecksmietenverfahren speziell zugeschnittene Belüftungssysteme entwickelt. Die aktive Zuführung von Sauerstoff soll – als primäre Emissionsminderungsmaßnahme - die Bildung anaerober Zonen im Mietenkörper unterbinden und den Abbauprozess fördern. Zum Einsatz kommt die Zwangsbelüftung in der stark sauerstoffzehrenden Vorrotte.

Über im Rotteboden eingelassene oder aufgesetzte Belüftungsrohre/Kanäle wird das Rottegut kontinuierlich oder in Intervallen druck- bzw. saugbelüftet. Die Belüftungsmenge liegt zwischen 0,5 bis 3 m³ Luft pro Mg Rottegut und Stunde und fällt gegenüber Intensivrotteverfahren vergleichsweise gering aus. Gegenüber unbelüfteten Systemen werden hohe Anforderungen an die Homogenität und die Durchströmbarkeit des Rottegutes gestellt.

Bei Saugverfahren wird Frischluft durch Belüftungsrohre über die Mietenoberfläche in den Mietenkörper gezogen und das Rottegut somit mit Sauerstoff versorgt. Die geruchsstoffbeladene Luft wird über die Belüftungskanäle, die gleichzeitig als Entwässerungskanäle fungieren, gefasst und einem Biofiltersystem zugeführt. Nachrottemieten sind ebenfalls als Biofilter nutzbar. Bei Druckverfahren wird Frischluft durch Belüftungsrohre in das Rottegut eingetragen. Die Luft tritt an Bohrungen aus den Rohren aus, die mit zunehmender Rohrlänge einen kürzeren Abstand aufweisen, um eine gleichmäßige Luftverteilung über die Mietenlänge zu gewährleisten. Nach Durchströmung des Mietenkörpers tritt die zugeführte Luft an der Mietenoberfläche aus. Zum Emissionsminderungskonzept bei Druckbelüftungsverfahren in nichtgeschlossenen Anlagen gehört in der Regel die Abdeckung der Mieten mit Folien unterschiedlicher Ausführung. Beim Einsatz von „dichten“ Folien wird die unter den Folien aufgestaute geruchsbeladene Abluft abgesaugt und der Abluftreinigung zugeführt. Deutlich geruchsmindernde Effekte sind auch durch Auflage semipermeabler Mietenabdeckmembrane zu erzielen (siehe nächster Abschnitt).

KiesbettTeichfolie

Restmüllmiete

AbsaurinnenAbsaugkanal

Skizze Versuchsaufbau Kessler & Luch

Abbildung 4-26: Skizze Saugbelüftungssystem für Dreieckmieten

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STATISCHE BELÜFTETE MIETEN

Die extensive Behandlung von Abfällen kann auch in statischen Mieten erfolgen, d.h. ohne regelmäßiges Umsetzen. Beim Biodegma-Verfahren werden statische, belüftete Mieten beispielsweise vor allem für die Intensivrottephase vorgesehen. Der Verzicht auf das Umsetzen soll zur Emissionsminimierung beitragen, da besonders beim Umsetzen in den ersten Rottewochen bedingt durch die Materialbewegung an der Luft hohe Geruchsemissionen freigesetzt werden. Um trotz des statischen Betriebs weitgehend optimale Bedingungen für den aeroben Abbau sicherzustellen, werden die Mieten aktiv belüftet (Druckbelüftung) und mit einer semi-permeablen Membran abgedeckt. Diese Membran ist eine Verbundtextilie aus einer mikroporösen Funktionsschicht, die zur Stabilitätserhöhung beidseitig mit hochfestem Kunststoffgewebe laminiert ist. Ihr Aufbau ähnelt der von Funktionstextilien wie Gore-tex. Sie soll einerseits Wasserdampf zurückhalten und so dazu beitragen, dass die Wassergehalte im Rottegut trotz aktiver Belüftung und ohne Bewässerung im günstigen Wertebereich bleiben. Ferner soll die Membran zu einer deutlichen Reduktion der Geruchsemissionen im Vergleich zu nicht abgedeckten Mieten führen.

Abbildung 4-27: Ansicht statischer Mieten mit semipermeabler Abedeckung in Boxen-Ausführung (Biodegma-Anlage)

Die statischen Mieten können entweder als so genannte mobile Mieten direkt auf eine befestigte Fläche aufgebaut werden, auf der die Belüftungsrohre ausgelegt werden und eine mobile Ventilatoren-/Steuereinheit aufgestellt wird. Bei größeren Durchsätzen ab ca. 40.000 Mg/a empfiehlt sich die Ausführung der Mieten als feste Boxen. Die Abdeckung der Mieten erfolgt bei der Boxenausführung mit einem Klappdach mit integrierter Abdeckplane, dessen Bedienung manuell oder elektrisch erfolgen kann. Die Rahmenkonstruktion für das Dach ist außerhalb der Rottebox angebracht, um Korrosion entgegenzuwirken.

Die statische Behandlung mit aktiver Belüftung wird in der Regel auf die ersten 2 – 4 Wochen der Rotte begrenzt. Nach der vorgesehenen Rottezeit in den abgedeckten und belüfteten Mieten erfolgt anschließend eine Nachrotte des Abfalls, i.d.R. in einfachen unbelüfteten Dreiecks- oder Trapezmieten auf einer befestigten Freifläche. Regelmäßiges Umsetzen innerhalb der Nachrotte, ca. alle ein bis zwei Wochen, fördert dabei den Stabilisierungsprozess.

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KAMINZUGVERFAHREN

Ein einfaches Verfahren zur Durchführung der Rotte ist das Kaminzugverfahren (Tafelmietenverfahren) nach SPILLMANN/COLLINS. Es wird zur mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung eingesetzt und ist als erprobtes Verfahren zu bewerten.

Abfälle werden zu Tafelmieten auf einer Belüftungs-/Dränschicht, bestehend aus Paletten oder vorzerkleinertem Sperrmüll, aufgesetzt (Abbildung 4-28). Horizontal verlaufende geschlitzte Rohre werden in der Mitte als Kamine an die Oberfläche der Miete hochgezogen. Durch die aeroben Umsetzungsprozesse kommt es im Inneren der Miete zur Erwärmung. Das dabei entstehende Temperaturgefälle zur Umgebungsluft bewirkt eine Luftbewegung in den Kaminen, sodass von außen Frischluft in die Miete gezogen wird. Damit soll eine selbstgängige Belüftung der Mieten sichergestellt werden. Die Mieten werden im Verlauf des Prozesses einmal umgesetzt, um das Rottegut zu homogenisieren. Auf die Mieten wird eine ca. 30 cm dicke Schicht aus gerottetem Material gelegt. Diese Schicht dient als Biofilter, der aus den Abfällen austretende Geruchsstoffe desodoriert. Darüber hinaus hat die Abdeckschicht eine Isolationswirkung, die im Winter eine Auskühlung und im Sommer eine zu starke Austrocknung des Rottegutes verhindert. Die biologische Behandlung nach dem Kaminzugverfahren wird im Freiland oder direkt auf dem Deponiekörper durchgeführt.

Abbildung 4-28: Schematische Darstellung des Kaminzugverfahrens

Abluft

Zuluft

perforiertes Belüftungsrohr

befestigte FlächeUntergrund

Rottekörper

Holzpaletten

Ablaufmulde

Abdeckschicht(d = 30 cm)

ca. 30 m

< 2,

5 m

Abluft

Zuluft

perforiertes Belüftungsrohr

befestigte FlächeUntergrund

Rottekörper

Holzpaletten

Ablaufmulde

Abdeckschicht(d = 30 cm)

ca. 30 m

< 2,

5 m

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4.4.3 Deponierung

STATUS QUO

Die Deponie Roselândia ist als Hangdeponie ausgeführt und umfasst eine Grundfläche von ca. 39.000 m². Sie ist nach Aussagen der Stadtverwaltung über einer geologischen Barriere aus den örtlich anstehenden Tonen errichtet, die einen Wasserdurchlässigkeitsbeiwert von ca. <10-9 m/s aufweisen.

Auf der Deponie wurden überwiegend Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle abgelagert. Mit Sondergenehmigung wurden auch geringe Mengen an Industrieabfällen der umliegenden Gewerbebetriebe aufgenommen.

Der Deponiekörper kann in drei Verfüllabschnitte unterteilt werden (vergl. Abbildung 4-2, Kapitel 4.3.2): bei dem im südlichen Bereich gelegenen Deponiekörper I handelt es sich um den ältesten Abschnitt, mit dessen Aufbau 1989 begonnen wurde. Der nördlich gelegene Deponieabschnitt II wurde ab ca. 1993, noch bevor der erste Deponiekörper vollständig verfüllt war, zur Ablagerung freigegeben. Die Deponie wurde nun folgendermaßen verfüllt: Während ein Deponiekörper abgedeckt wurde, wurde der Abfall auf den anderen Deponiekörper aufgebracht. Der durch die Hanglage etwas niedriger liegende jüngere Teil der Deponie weist eine Mächtigkeit von ca. 26 m auf. Der Deponiekörper I wurde bis auf eine Mächtigkeit von ca. 20 m aufgefüllt. Nach dem Jahre 2000 wurde aus betrieblichen Gründen wie Böschungs- und Platzproblemen damit begonnen, den vorher als Durchgangsstraße für den Ablagerungsbetrieb dienenden Mittelteil aufzufüllen (Deponiekörper III). Auf Grundlage von GPS-Vermessungen, die im Rahmen des Projekts durchgeführt wurden, kann das Volumen des gesamten Deponiekörpers zu ungefähr 750.000 m³ abgeschätzt werden.

Während des Betriebs der Deponie fuhren die Anlieferfahrzeuge direkt auf den Deponiekörper, um die Abfälle unmittelbar auf den Einbauflächen abzuladen. Die Verteilung der Abfälle erfolgte mittels Schubschildraupe. Die Kombination von hohen Abfallschichten und dem Einbau mittels Raupe bewirkte eine sehr geringe Verdichtung der abgelagerten Abfälle. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfolgte regelmäßig, d.h. nach dem Aufbringen der Abfälle in einer Mächtigkeit von ca. 2 – 6 m, eine Abdeckung des Schüttfelds mit einer Schicht aus dem örtlich anstehenden tonigen Bodenmaterial. Durch diese Maßnahme können die Belästigungen durch Gerüche sowie Insekten deutlich verringert werden; weiterhin ist das Volumen der eindringenden Niederschläge und damit die Sickerwasserbildung reduziert. Der Nachteil des Aufbringens einer gering durchlässigen Bodenschicht liegt darin, dass die Niederschläge dann nicht mehr in tiefere Bereiche des Deponiekörpers versickern, sondern auf der Bodenschicht gestaut werden können. Die Folge ist die Bildung von Schichtenwasser im Deponiekörper, so dass es zum einen zu den beobachteten unkontrollierten Sickerwasseraustritten im Böschungsbereich kommt. Zum anderen kann das Risiko des Versagens der Standfestigkeit des Abfallberges deutlich erhöht werden. Begünstigt wird das Versagen auch durch die sehr steilen Böschungen, die teilweise Böschungswinkel von deutlich über 45 ° aufweisen.

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Abbildung 4-29: Blick auf die Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Am östlichen Hang der Deponie ist es bereits zu einem Abrutschen des oberen Böschungsbereiches auf einer Länge von ca. 30 m gekommen. Die eingeschränkte Standsicherheit in diesem Bereich war u.a. auch ein Grund für das Einstellen des Ablagerungsbetriebes auf der Deponie.

Vor allem der Deponiekörper I weist an den Böschungen eine dichte natürliche Vegetation mit hohem Gras- und Baumbestand auf. Nur an wenigen Stellen sind Erosionsschäden bzw. Pflanzenschädigungen durch austretendes Deponiegas erkennbar. Die beiden übrigen Deponieabschnitte weisen nur partiell eine Vegetation auf, die Böschungen sind gekennzeichnet durch starke Erosionsschäden. Neben dem Bereich am östlichen Deponierand, in dem es bereits zu einem teilweisen Abrutschen des Abfallkörpers gekommen ist, weist auch die Bodenabdeckung in den übrigen Böschungsbereichen erhebliche Schäden durch Erosionsrinnen auf. Auch hier wirkt sich die zum Teil sehr steile Böschung nachteilig aus. Die Ablagerungsfläche außerhalb der Böschungsbereiche ist nur im Altbereich mit einer Bodenschicht abgedeckt, auf den übrigen Teilen beschränkt sich die die Abdeckung auf die Fahrstraßen sowie benachbarte Bereiche.

Die Entwässerung der Deponie erfolgt in den neueren Deponieabschnitten über auf der Aufstandsfläche liegende Dränrohre, die entweder in Schächte außerhalb des Deponiekörpers oder in die Ringdrainage entwässern. Zusätzlich sowie in den Altbereichen wurde am Fuß der Böschungen in Teilbereichen eine Ringdrainage angelegt, die ebenfalls in einen Schacht entwässert. Die gefassten Sickerwässer werden über Kunststoffleitungen in zwei mit Kunststoffdichtungsbahnen abgedichtete Teiche zur Behandlung geleitet, bevor sie in den Vorfluter gelangen. Genauere Angaben zu Sickerwassermengen, -qualitäten und der Sickerwasserreinigung finden sich im nachfolgenden Kapitel 4.4.4. Die immer noch unvollständige Entwässerung des Deponiekörpers wird durch stellenweise Sickerwasseraustritte an den Böschungen aufgezeigt.

Das Deponiegas wird über insgesamt 18 vertikale Gasdränagen gefasst, die beim Aufbau des Deponiekörpers mit nach oben gezogen wurden. Um die Festigkeit der perforierten Betonrohre zu erhöhen, wurden diese zum Teil mit Schotter verfüllt. An drei Gasschächten

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sind Fackeln angeschlossen, die jedoch nicht mehr funktionsfähig sind. Die Gasdräns sind nicht abgedeckt, so dass die Deponiegase unbehindert in die Atmosphäre entweichen können. Im Gegensatz zu vielen anderen Standorten in Brasilien wird auf der Deponie Roselândia das herausströmende Gas nicht an der Rohroberkante angezündet und abgefackelt. Die starke Schiefstellung der aus der Mülloberfläche herausragenden Gasdräns lässt erkennen, dass sie in weiten Teilen aufgrund von Verformungen/Versatz nicht mehr funktionsfähig sind.

Abbildung 4-30: Lage der Gasdräns, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE 1 – ERMITTLUNG DER DEPONIEGASEMISSIONEN

Im Jahr 2005 erfolgten orientierende Untersuchungen zu den Deponiegasemissionen in Form von Messungen der Volumenströme und Gasqualitäten an den vorhandenen, zugänglichen Gasdräns. Bei der Gasprobennahme ca. 1 m unterhalb der Rohroberkante kann eine Beeinflussung durch die Umgebungsluft nicht ausgeschlossen werden (Tabelle 4-20).

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Tabelle 4-20: CO2-, CH4- und O2-Konzentrationen in den Gasdräns, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo (in Vol.-%)

Lage Drän CO2 CH4 O2

Deponiekörper III Drän D 12,8% 15,0% 13,7% Deponiekörper III Drän A 14,0% 17,0% 13,2% Deponiekörper III Drän B 8,5% 11,5% 15,3% Deponiekörper II Drän E 2,2% 3,5% 18,8% Deponiekörper I Drän H 35,9% 40,0% 5,5%

Tabelle 4-21: CO2- und CH4-Volumenströme in den Gasdräns, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo (in m³/h)

Lage Drän CO2 CH4

Deponiekörper III Drän D 5 6 Deponiekörper III Drän A 6 7 Deponiekörper III Drän B 9 12 Deponiekörper II Drän E 2 2 Deponiekörper I Drän H 26 29

Die Ergebnisse der Gasmessungen zeigen einen sehr großen Wertebereich der Gasfreisetzungen an den einzelnen Dränagen auf. Dies kann auf folgende Ursachen zurückgeführt werden:

Die Ablagerung im Bereich des Deponiekörpers III ist überwiegend noch jung. Diese erst jüngst verfüllten Abschnitte haben noch keine stabile Methanproduktion erreicht.

Der Aufbau der Deponie erschwert die vertikale Entgasung. So wurden die Verfüllflächen regelmäßig mit bis zu einem halben Meter mächtigen, gering durchlässigen Ton-/Lehmschichten zwischen abgedeckt. Auch die teilweise vorhandene Endabdeckung besteht aus diesem gering durchlässigen Bodenmaterial.

Weiterhin ist davon auszugehen, dass fast alle Gasdräns infolge der starken Setzungen und Bewegungen des Deponiekörpers nur eingeschränkt funktionsfähig sind, so dass eine Gasabbleitung über die Gasdräns behindert wird.

Zusammenfassend kann das vorhandene Entgasungssystem im derzeitigen Zustand als nicht wirksam bewertet werden. Das entstehende Deponiegas entweicht zum größten Teil diffus über die Oberfläche oder unkontrolliert über so genannte Hot Spots, d.h. Fehlstellen in der Oberflächenabdichtung mit erhöhter Gasdurchlässigkeit. Im Rahmen des vorliegenden Projekts konnten jedoch keine belastbaren Messungen der Oberflächenemissionen durchgeführt werden, da keine geeigneten Gasmessboxen und die hierfür erforderlichen Messgeräte zur Verfügung standen.

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Die Deponiegasfreisetzung zum Zeitpunkt der Untersuchungen kann überschlägig anhand der an mehreren Terminen durchgeführten Volumenstrommessungen an den Gasdräns abgeschätzt werden. Werden die mittleren Volumenströme auf die insgesamt 18 Gasdräns hochgerechnet werden, ergibt sich ein geschätztes Deponiegasvolumen von ca. 10 Mio. m³/a, das über die vorhandenen Dräns freigesetzt wird. Zusätzlich zu diesen Deponiegasemissionen aus den Gasdräns entweichen noch erhebliche Gasvolumen diffus über die Oberfläche. Diese können auf Grundlage der vorhandenen Datenlage nicht beziffert werden.

Daher wurde zusätzlich eine Deponiegasprognose anhand in Deutschland üblicher Modelle nach Tabarasan/Rettenberger (1987) und der Ergänzung durch Weber (1980) erstellt (vergleiche Anhang 8.2.1).

Da keine genauen Angaben zum Aufbau des Deponiekörpers (Abfallmassen und Zeitpunkt der Ablagerung) vorliegen, wurde für die Prognose eine konstante jährlich abgelagerte Abfallmasse von 59.250 Mg für den Zeitraum 1989 – 2005 angesetzt. Auch liegen keine Angaben zum TOC im Frischabfall und zur Halbwertszeit vor. Diese wurden zu 200 kg/Mg bzw. 350 kg/Mg mit Halbwertszeiten von 5 a bzw. 15 a angenommen, um einen möglichen Wertebereich der Gasfreisetzung darzustellen.

Die Berechnung nach dem Ansatz von Tabarasan/Rettenberger ergibt ein potentielles Deponiegasvolumen in den nächsten 10 Jahren in Höhe von ca. 28 Mio. – 116 Mio. m³ (Tabelle 4-22).

Tabelle 4-22: Ergebnisse der Deponiegasprognose mit dem Ansatz nach Tabarasan/Rettenberger mit verschiedenen Eingangsparametern

Gasvolumen 2007 Gasvolumen 2017 Gasvolumen 2007 - 2017

Parameter [m³] [m³] [m³]

K = 0,14, TOC = 200 11.178.384 445.019 28.217.163

K = 0,05, TOC = 200 11.859.274 3.750.232 66.457.509

K = 0,14, TOC = 350 19.562.173 778.784 49.380.035

K = 0,05, TOC = 350 20.753.730 6.562.906 116.300.640

Die Berechnung nach dem Ansatz von Weber erfolgte mit den in der Tabelle 4-23 dargestellten Faktoren. Das Produkt der Faktoren beträgt 0,47, d.h. dass die tatsächliche Deponiegasproduktion nach der realitätsnäheren Schätzung nur ca. 47 % der Werte nach Tabarasan/Rettenberger beträgt.

In Abbildung 4-31 ist die zeitliche Entwicklung der jährlichen Gasproduktion nach dem Ansatz von Tabarasan/Rettenberger unter Berücksichtigung der Faktoren von Weber für den Zeitraum 2007 – 2017 für verschiedene TOC-Gehalte und Halbwertszeiten dargestellt.

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Tabelle 4-23: Verwendete Faktoren für die Deponiegasprognose nach Weber, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Faktor Wert Erläuterung

Anfangszeitfaktor 0,95 Kippkantenbetrieb

Abbaufaktor 0,7 Schätzwert

Optimierungsfaktor 0,7 Schätzwert

Abbildung 4-31: Prognose der jährlichen Deponiegasvolumen nach dem Ansatz von Weber (1980), Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Bei diesen Berechnungen ist immer zu beachten, dass die Güte der Prognose maßgeblich von der Qualität der eingehenden Daten abhängt. Ein Vergleich von berechneten Methanfreisetzungen zu gemessenen Werten zeigt, dass fast immer eine Überschätzung der Gasproduktion erfolgt. Selbst unter den Bedingungen in Mitteleuropa, wo eine im Verhältnis zu Brasilien deutlich bessere Datenlage vorliegen sollte, ergeben Überschätzungsfaktoren im Bereich von 2 – 4.

Für die Deponie Roselandia mussten eine Vielzahl von Annahmen bezüglich des Deponiebetriebes sowie der abgelagerten Abfälle getroffen werden, so dass die Ergebnisse der Prognose eher den möglichen Wertebereich der künftigen Gasfreisetzung darstellen. Zusammenfassend sind die sich aus den unterschiedlichen Berechnungsansätzen ergebenden Wertebereiche in Tabelle 4-24 aufgetragen.

0

2.000.000

4.000.000

6.000.000

8.000.000

10.000.000

12.000.000

2007 2009 2011 2013 2015 2017

Zeit

Dep

onie

gasv

olum

en [m

3 /a] TOC = 200, T1/2 = 5 a

TOC = 200, T1/2 = 15 aTOC = 350, T1/2 = 5 aTOC = 350, T1/2 = 15 a

200/5a 200/15a

350/5a

350/15a

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Tabelle 4-24: Übersicht der Ergebnisse der Deponiegasprognosen für die Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Deponiegasvolumen 2007 [Mio. m³/a]

Deponiegasvolumen in den nächsten 10

Jahren [Mio. m³]

flächenspezifische Emissionen in

2007 [l CH4/m²*d] 1)

Emissionen aus den Gasdräns 10 - 351 Gasprognose nach Tabarasan/Rettenberger 12 - 20 18 - 116 421 – 702

Gasprognose nach Weber 5 - 10 13 - 54 176 - 351 1) Berechnet unter Annahme eines CH4-Gehaltes im Deponiegas von 50 Vol.-% und einer Deponieoberfläche von ca. 39.000 m²

Die prognostizierten Deponiegasemissionen zeigen, dass erwartungsgemäß ein zum Teil noch erhebliches Gaspotential vorhanden ist.

Die ermittelten Wertebereiche für die Deponiegasemissionen decken sich ferner mit Angaben aus der Literatur, wo für aktive Deponien in den ersten 10 Jahren flächenspezifische Methanemissionen von 200 – 400 l CH4/m²*d angegeben werden. Selbst bei Altablagerungen ist i.d.R. noch mit spezifischen Methanemissionen von 90 – 110 l CH4/m²*d zu rechnen (Humer und Lechner, 1997; Kightley und Nedwell, 1994; Bajic und Zeiss, 2001).

Die Messungen der Gasvolumenströme zeigen, dass die Gasfreisetzungen aus den Gasdräns lokal stark variieren können. Neben den Unterschieden bezüglich des Alters der Abfälle, die sich vor allem beim Vergleich der Teilflächen ergeben, können aber auch kleinräumig erhebliche Differenzen vorliegen. Die Ursache hierfür ist in den vorhandenen Gasdräns zu sehen, bei denen nicht bekannt ist, inwieweit sie in tieferen Schichten noch funktionsfähig sind und aus welchen Schichten das an der Oberfläche gemessene Gas stammt.

In jedem Fall sind vor der Umsetzung weiterer Maßnahmen detaillierte Messungen zu den Gasquantitäten und –qualitäten, aber auch zu den TOC-Gehalten der Frischabfälle erforderlich, um die Prognosen den tatsächlichen Bedingungen anpassen zu können. Dennoch zeigen die durchgeführten Berechnungen mit Annahmen für Abfälle in Deutschland und die Messungen bereits, dass die Deponiegasemissionen in einem Wertebereich liegen, der für das Alter der abgelagerten Abfälle typisch ist. In den nächsten Jahren kann daher in Teilbereichen der Deponie noch Gas in erheblichen Volumenströmen gebildet werden. Ein Konzept zur Fassung und Behandlung des Deponiegases muss diesen Randbedingungen angepasst werden.

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ÜBERBLICK ÜBER DIE DURCHGEFÜHRTEN VERSUCHE ZUR METHANOXIDATION

Eine Möglichkeit der kostengünstigen Behandlung des entstehenden Deponiegases besteht im Einsatz einer Methanoxidationsschicht. Die Methanoxidation ist ein natürlich in Böden stattfindender biologischer Prozess, bei dem Methan unter aeroben Bedingungen zu CO2, Wasser und Biomasse umgesetzt wird. Durch Bereitstellung günstiger Lebensbedingungen für die methanverwertenden Mikroorganismen kann die Methanoxidation gefördert und in technischem Maßstab genutzt werden Europäische Untersuchungen haben gezeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, Methanemissionen, wie sie aus MBA-Deponien oder Deponien mit geringer Methanproduktionen frei gesetzt werden, fast vollständig zu abzubauen. Komposte und stabilisierte Restabfälle stellen dabei geeignete Filtersubstrate dar. Ein besonderer Vorteil der Methanoxidation ergibt sich am Standort Roselândia dadurch, dass dort eine Abfallbehandlungsanlage besteht, deren Produkte als Filtermaterial eingesetzt werden können.

Die die tatsächliche Methanoxidationsleistung wird in der Praxis von vielen Faktoren bestimmt, wie Witterung, Art des Substrat, Gashaushalt der Deponie etc.. Die Leistungsfähigkeit der Methanoxidation wurde daher für die gegebenen Umstände gesondert untersucht:

Laborversuche dienten dazu, die erzielbaren Methanoxidationsraten unter kontrollierten Versuchsbedingungen zu bestimmen. Die Versuche erfolgten unter typischen sub-tropischen Klimabedingungen; dabei wurde auch der Einfluss von Starkregenereignissen untersucht, wie sie im Projektgebiet typischerweise auftreten.

Mittels Versuchssäulen, die direkt vor Ort auf die Deponie Roselândia aufgesetzt und mit Kompostsubstraten aus der Gesamtmüllkompostierung befüllt wurde, wurde überprüft, ob sich die Methanoxidation auch unter den lokalen Bedingungen zur Reduktion der Methanemissionen eignet.

UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE 2 – LABORUNTERSUCHUNGEN ZUM POTENZIAL DER

METHANOXIDATION

Für die Laborversuche wurde eigens ein Versuchsstand konstruiert und zur Simulation humider Klimaten in einer temperierbaren Klimakammer (während Versuchsverlauf 27-28°C) installiert (Abbildung 4-32). Zur Simulation einer Einbindung der Versuchssäule in eine Methangasoxidationsschicht wurde der Säulenkörper zusätzlich von außen isoliert. Unterhalb der Methanoxidationsschicht wurde eine 25 cm mächtige Gasverteilungsschicht aus kalkarmem Schotter der Körnung 16/32 eingebaut, um ein gleichmäßiges Anströmen des Filtermaterials zu erreichen.

Als Substrat für die Methanoxidationsschicht kam ausgerotteter Restabfall aus einer MBA in Deutschland zum Einsatz. Die Kornfraktionen > 80 mm und < 8 mm des Substrats wurden nach einem Siebschnitt verworfen. Die physikalischen und chemischen Parameter der Methangasoxidationsschicht sind in Tabelle 4-25 aufgeführt.

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Abbildung 4-32: Halbtechnischer Versuchsstand zur Untersuchung der Methanoxidation unter humiden Klimaten (Durchmesser: 39 cm, Höhe: 200 cm)

Tabelle 4-25: Physikalische und chemische Parameter des Substrats der Methangasoxidationsschicht

Parameter Wert vor Versuchsphase Wert nach Versuchsphase

44,1% (79,24% der WK)1) Wassergehalt (WG) 44,5% (80% der WK)

50,7% (91,13% der WK)2)

Wasserkapazität (WK) 51.6%

Porenvolumen 60 Vol.%

Schüttdichte 0,43 kg/l

Glühverlust (oTS) 44,1% 51,2%

AT4 3,9 mg O2/g TS 2,3 mgO2/g TS

pH 7,1

Gesamter org. Kohlenstoffe TOCFS 16,5%

Kupfergehalt (Cu) 350 mg/kg

Ammoniumgehalt (NH4+) < 10 mg/l (< 180 pp TS)

1) Über Wägung der Säule und Bezug auf den Ausgangswassergehalt bestimmt 2) nach DIN 38409-H1 bestimmt

CH4

CO2

H2O

Messstellen-steuerung

Messgerät

H2O

Sickerwasser

Abgas

12345

Kompressor

35 °C

Temperaturmessung

Isol

i eru

n g

CH4CH4CH4

CO2CO2CO2

H2OH2O

Messstellen-steuerung

MessgerätMessgerät

H2OH2O

SickerwasserSickerwasser

Abgas

1234512345

KompressorKompressor

35 °C35 °C

Temperaturmessung

Isol

i eru

n g

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Die Gasversorgung erfolgte zunächst mit einem Gasgemisch aus technischem Methangas und technischem Kohlendioxid in einem Mischungsverhältnis von 50:50. Die Gasdurchflussmesser wurden auf ein Volumen eingestellt, das einer Methanemission von 320 l/m² d entspricht. Wie sich im Verlauf der Versuche herausstellte, wiesen die verwendeten Durchflussmesser eine nicht unerhebliche Missweisung auf. Eine volumetrische Nachbestimmung ergab einen um ca. 80% erhöhten Volumenstrom, der einer Methanemission von 584 l/m² d entsprach. Die Zudosierung von CO2 wurde nach Vorversuchen unterbrochen, da eine Beeinflussung der Methanversorgung vermutet wurde.

Die Sauerstoffversorgung der Oxidationsschicht erfolgte über Diffusion von Luftsauerstoff, der oberhalb des Filtermaterials eingeblasen wurde. Um eine ausreichende Verfügbarkeit des Sauerstoffs sicher zu stellen, wurde ein Luftstrom von ca. 70 – 110 l/h quer über die Säulenoberfläche geleitet.

Für die Simulation von Niederschlagsereignissen wurden die Klimabedingungen in Novo Hamburgo, Brasilien, herangezogen. Die durchschnittlichen monatlichen Niederschläge in dieser Region liegen bei 85 - 140 mm mit Tagehöchstwerten von 100 bis zu 140 mm/d. In der Versuchsphase wurde sowohl geringe Niederschläge als auch Starkregenereignisse simuliert und deren Einfluss auf die Methanoxidation untersucht. Die Beregnung erfolgte mittels Tröpfchenbewässerung im Deckel der Versuchssäule, die in ihrer Intensität regelbar war.

Über den gesamten Versuchszeitraum wurden die Gaskonzentrationen und –frachten am Auslass der Versuchssäule bestimmt und bezogen auf die Begasung des Substrates in eine CH4-Oxidationsrate umgerechnet. Diese wurden nach bereits erfolgter Adaption des Systems auf die Methangasbelastung bestimmt (Abbildung 4-33). Die Oxidationsrate lag stets auf hohem Niveau von > ~425 l/m² d (19 mol/m² d; 17 l/m² h) und erreichte Spitzenwerte von ~507 l/m² d (22,6 mol/m² d; 21 l/m² h). Alle ermittelten Oxidationsraten liegen über der ursprünglich vorgesehenen und aus der Literatur bekannten Methanfracht von 340 l/m² d, so dass davon auszugehen ist, dass zumindest unter den im Versuchsverlauf herrschenden Bedingungen eine sichere Oxidation anfallender Methangasfrachten dieser Größenordnung zu erwarten ist.

Gleichzeitig beeinflussten einzelne mäßige bis starke Niederschläge, die im Versuchszeitraum simuliert wurden, die Mtehanoxidationsraten nur in geringem Maße, das angesichts der ansonsten aufgetretenen Schwankungen vernachlässigt werden kann.

Zusätzlich erfolgte die Simulation eines Starkregenereignisses, das auf Grundlage der Angaben des Deutschen Wetterdientes für die Region Novo Hamburgo, Brasilien, zu 138 mm/m² d (verteilt über 22 Stunden) angenommen wurde. Die Methanoxidationsraten wurden im Verlauf dieses Niederschlagsereignisses ermittelt (Abbildung 4-34).

Deutlich ist ein erst allmähliches Absinken der Methanoxidationsrate bis zur vierten Messung (15:50 Uhr) zu erkennen. Bis zu diesem Zeitpunkt scheint demnach ein ausreichendes Luftporenvolumen und ein für die Mikroorganismen günstiger Wassergehalt im Substrat vorhanden zu sein. In den folgenden Messungen sinkt die Oxidationsrate der methanotrophen Mikroorganismen beträchtlich ab, steigt aber nach dem Ende Beregnung

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wieder an und erreicht wieder das alte Niveau. Bei der Betrachtung des zeitlichen Verlaufs der Methanoxidationsrate ist zu beachten, dass der Wiederanstiegs nach der ersten Beregnung eher zu flach angegeben ist. Über Nacht erfolgten keine Messungen, wodurch nicht genau abgeschätzt werden kann, wann das ursprüngliche Niveau der Methanoxidation wieder erreicht wurde. Bereits bei der ersten Messung nach dem Hauptniederschlagsereignis ein jedoch steiler Wideranstieg erkennbar. Nach einer mehrstündigen Unterbrechung des Niederschlags ist die Oxidationsrate bereits wieder auf das Ausgangsniveau gestiegen. Durch die erneute kurze intensive Beregnung ist ein erneutes Absinken der Oxidationsrate zu erkennen.

Methanoxidationsraten und Bildungsraten von Kohlendioxid, Versuchssäulen zur Methanoxidation

0,45

0,55

0,65

0,75

0,85

0,95

1,05

1,15

1,25

1,35

2.9 4.9 6.9 8.9 10.9 12.9 14.9 16.9 18.9 20.9 22.9Zeit [TT.M]

[mol

/m² h

]

CH4-Abbau

CO2-Bildung

Methanfracht für 340 [l/m² d]

Niederschlag: 8,4 mm Niederschlag: 4,2 mm 138,1 mm

Niederschlag: 12,6 mm

Abbildung 4-33: Methanoxidationsraten und Bildungsraten von Kohlendioxid in [mol/m² h], normiert auf 27°C, N = Niederschläge [mm/m²]

Methanoxidationsraten bei Starkregen, Versuchssäulen zur Methanoxidation

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1

12:50 15:50 18:50 21:50 00:50 03:50 06:50 09:50 12:50 15:50

Zeit [hh:mm]

[mol

/m² h

]

Abbau CH4

Methanfracht für 340 [l/m²d]

Start Beregnung Start Beregnung

Ende Beregnung

Ende Beregnung

Abbildung 4-34: Methanoxidationsraten [mol/m² h], normiert auf 27°, Starkregenereignis 22 Stunden

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Der Vergleich der Messprofile über die Höhe der Versuchssäule vor und nach dem simulierten Starkregen lässt eine Verschiebung des Horizonts der maximalen Oxidationsrate nach unten erkennen. Vermutlich ist dies auf die drückende bzw. hängende Wassersäule im Luftporenraum zurückzuführen (Abbildung 4-35).

Abbildung 4-35: Gaskonzentrationen über das Säulenprofil vor und nach achtstündigem Niederschlagsereignis hoher Intensität

Die im Rahmen der halbtechnischen Versuche ermittelten Methanoxidationsraten liegen durchweg im oberen Bereich der bereits aus der Literatur bekannten Oxidationsraten oder darüber. Unter Laborbedingungen konnten in Versuchen von Humer und Lechner (1997, 2001) etwa 10 – 13 l CH4 / m² h abgebaut werden. Auch Spitzenbelastungen von 25 l CH4 / m² h konnten nach mehrtägigen Adaptionszeiten vollständig umgesetzt werden. Ähnliche Ergebnisse wurden auch von anderen Autoren präsentiert (Tabelle 4-26).

Tabelle 4-26: Methanoxidationsraten unter Einsatz verschiedenen Filtermaterialien (Laborversuche)

Substrat Mittlere Methanoxidationsrate Autor

Bioabfall-Kompost (70 cm) 55,2 g CH4/m³d 4,5 l/m²h Stegmann et al. (1991)

Rindenkompost (85 cm) 360 – 1250 ml CH4/l d 12 – 41 l/m²h Mennerich (1986)

Biofilter für Deponiegas (70 cm) 10 – 50 g CH4/m²d 15 – 70 l/m²h Figeroa (1993)

Gesamtmüllkompost 200 - 350 l CH4/m³d 5 – 9 l/m²h Humer (1996)

Die Daten aus den Versuchen mit Niederschlägen unterschiedlicher Höhe und Intensität weisen auf einen geringen Einfluss kurzer oder schwacher Niederschläge. Starke Niederschläge hoher Intensität führen dem gegenüber zu einer signifikanten

Vor Beregnung

0

1

2

3

4

5

6

-5 0 5 10 15 20 25 30

Konzentration [Vol.-%]

Mes

sste

lle

CO-2

CH-4

O-2

Nach Beregnung

0

1

2

3

4

5

6

-5 0 5 10 15 20 25 30

Konzentration [Vol.-%]

Mes

sste

lle

CO-2

CH-4

O-2

Vor Beregnung

0

1

2

3

4

5

6

-5 0 5 10 15 20 25 30

Konzentration [Vol.-%]

Mes

sste

lle

CO-2

CH-4

O-2

Nach Beregnung

0

1

2

3

4

5

6

-5 0 5 10 15 20 25 30

Konzentration [Vol.-%]

Mes

sste

lle

CO-2

CH-4

O-2

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Beeinträchtigung der Methangasoxidationsleistung. Nach derartigen Niederschlägen konnte jedoch eine schnelle Regeneration der Methangasoxidation festgestellt werden und ein Wiederanstieg der Oxidationsrate auf Werte nahe denen, die vor dem Ereignis vorlagen. Für die Praxis bedeutet dies, dass starke Regenereignisse zu einer nur kurzen Störung der Methanoxidation führen und nicht zu erwarten ist, dass die Gesamtleistung des Methanoxidationsfilters im Jahresmittel dadurch beträchtlich gemindert wird.

Einschränkend ist anzumerken, dass systembedingt nur einige wenige klimatische Situationen hinreichend nachgebildet werden konnten. Insbesondere der wichtige Faktor Evaporation und damit evtl. einhergehende Austrocknungserscheinungen konnte in der Versuchsreihe nicht untersucht werden und bedarf daher eine weiteren Betrachtung.

UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE 3 – VERSUCHSÄULEN ZUR METHANOXIDATION AUF DER DEPONIE

ROSELÂNDIA

Die prinzipielle Eignung des in der Gesamtmüllkompostierung in Roselânida erzeugten Materials als Methanoxidationsschicht sowie die Funktionstüchtigkeit der Methanoxidation unter praktischen Bedingungen sollten anhand von einfachen Versuchen vor Ort überprüft werden. Hierzu wurden an drei verschiedenen Stellen auf der Deponie Versuchssäulen aufgestellt, die mit nachgereiftem Gesamtmüllkompost gefüllt waren (Abbildung 4-36). Die einzelnen Messstellen unterscheiden sich vor allem in Bezug auf die auftretenden Gasemissionen:

Säule B auf dem Gasdrän B wurde unmittelbar auf einen der vorhandenen Gasbrunnen aufgesetzt.

Die Versuchssäule H wurde in der Nähe des Gasdrän H auf die Deponieoberfläche aufgestellt, nachdem die mineralische Oberflächenabdeckung (20 – 50 cm) auf einer Grundfläche von ca. 1m² bis zum anstehenden Abfall entfernt worden war. Die Säule selbst war auf einem Pyramidenstumpf aus Metal aufgesetzt, so dass auf die Anordnung einer Schotterschicht als Gasraum verzichtet wurde. Am Gasdrän H wurden die höchsten Gasemissionen ermittelt.

Die Versuchssäule C wurde auf der Oberfläche in unmittelbarerer Nähe zum Gasdrän B errichtet; auch hier wurde die Oberflächenabdeckung entfernt. Darauf wurde eine dünne Schotterschicht aufgelegt und mit einer Kunststofffolie, die in der Mitte eine runde Öffnung entsprechend dem Säulendurchmesser aufweist, abgedeckt. Um eine Konzentrationsmessung der aus dem Deponiekörper ausströmenden Gase zu ermöglichen, wurde unterhalb der einzubauenden Filterschicht eine ca. 20 cm hohe Schotterschicht eingebracht.

Bei den beiden letztgenannten Säulen wurden die Hohlräume um die Aufstandflächen der Säulen wieder mit Bodenmaterial verfüllt, um ein Umströmen der Säulen und einen Lufteintrag von außen in die Säulen zu verhindern.

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Als Filtermaterial wurde in allen Säulen nachgereifter, gesiebter Output aus der Kompostierungsanlage mit der Körnung 9 – 25 mm eingesetzt. Alle Versuche erfolgten im brasilianischen Frühsommer bei mittleren Temperaturen von 24 °C, mittleren monatlichen Niederschlägen von ca. 100 mm und hoher Verdunstungsrate (Menegat et al., 1999).

Abbildung 4-36: Versuchssäule auf der Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Die an den Versuchssäulen durchgeführten Gasmessungen belegen, dass direkt auf der Abfalloberfläche nur sehr geringe Deponiegasemissionen mit Methankonzentrationen von 1,3 – 5,7 Vol.-% zu verzeichnen sind (Abbildung 4-38), während aus dem Gasdrän signifikante Methanemissionen mit Methankonzentrationen am Einlass zum Filter von bis zu 16,2 Vol.-% gemessen werden konnten (Abbildung 4-37; vergleiche auch Tabelle 4-20 in Kapitel 4.4.3).

Durch die in der Versuchssäule stattfindende Methanoxidation können die Methankonzentrationen in den oberen Schichten des Filters auf Werte von ca. 3 bis 4 Vol.% im Falle des stärker belasteten Filters B reduziert werden. Dies entspricht einer konzentrationsbezogenen Reduktion von 68 – 81%. Bei den beiden sehr schwach belasteten Methanoxidationsfiltern C und H liegen die Methankonzentrationen an der Filteroberkante -bedingt durch die geringe Belastung des Filters- mit Werten von 0 bis 0,8 Vol.-% deutlich geringer; rechnerisch ergeben sich damit konzentrationsbezogene Reduktionsleistungen von bis zu 100%.

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Abbildung 4-37: Methankonzentrationen über die Filterhöhe der Versuchssäule B, direkt auf dem Gasdrän montiert, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Abbildung 4-38: Methankonzentrationen über die Filterhöhe der Versuchssäule, C und H, direkt auf der Abfalloberfläche montiert, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Eine vollständige Bilanzierung der Volumenströme und Methanfrachten über die Versuchsäulen war geplant, um die Methanoxidationsraten abschätzen zu können. Dies konnte aber nicht durchgängig umgesetzt werden, da die Messgeräte gestohlen wurden. Die

Versuchssäulen C und H - auf der Deponieabdeckung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

0 1 2 3 4 5 6

CH4-Gehalt [Vol.-%]

Subs

trat

mäc

htig

keit

[cm

]

15.12.2005 (Säule H)

21.12.2005 (Säule H)

21.12.2005 (Säule C)

14.12.2005 (Säule C)

Versuchssäule B (auf dem Gasdrän)

0

10

20

30

40

50

60

70

80

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

CH4-Gehalt [Vol.-%]

Subs

trat

mäc

htig

keit

[cm

]

14.12.2005 22.12.2005

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Volumenströme, die an den Gasdräns vor Aufsetzen des Versuchsstands ermittelt wurden, können nicht herangezogen werden, da sich die Strömungsverhältnisse durch den Aufsatz der Methanoxidationssäule signifikant ändern und somit die Volumenströme deutlich von den vorher gemessenen abweichen.

Dennoch erlauben die vorliegenden Ergebnisse der Felduntersuchungen zur Methanoxidation eine qualitative Bewertung. Sie zeigen, dass die biologische Methanoxidation grundsätzlich mit dem ausgewählten Substrat und unter den klimatischen Bedingungen des Versuchszeitraumes funktioniert. Bei geringen Flächenbelastungen des Filters, wie sie mutmaßlich bei den Versuchsäulen C und H aufgetreten sind, ergibt sich erwartungsgemäß eine weitgehende Reduktion der Methankonzentrationen. Dem gegenüber führen höhere Flächenbelastungen, wie sie in der Versuchssäule B vorlagen, zur Rest-Methangaskonzentrationen am Auslass des Filters in Höhe von ca. 3 – 9 Vol.-%.

Mit den Versuchen in Roselândia kann damit belegt werden, dass die Methanoxidation mit dem abgesiebten Rottegut bei den gegebenen Sommerklima (hohe Temperaturen, mäßiger Niederschlag und hohe Verdunstungsrate) grundsätzlich funktionstüchtig ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Methanoxidation auch am Standort Roselândia ähnliche Methanoxidationsraten liefert, wie aus anderen Projekten und an anderen Standorten bekannt (vergleiche Tabelle 4-26) bzw. wie in der Vorversuchen im Technikumsmaßstab ermittelt (s. vorherigen Abschnitt). So erscheint ein Abbau von 10-20 l CH4/m²*h als realistisch.

ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG

Aus den vorliegenden Ergebnissen zur Deponiegasproduktion und Methanoxidation können die folgenden Schlussfolgerungen gezogen werden:

Von der Deponie sind erhebliche Deponiegasemissionen zu erwarten. Die Fassung und schadlose Verwertung kann mit den vorhandenen Gasdräns nicht sichergestellt werden, da die meisten aufgrund der starken Verformungen des Deponiekörpers nicht mehr funktionstüchtig sind. Keiner der Dräns verfügt über funktionierende Fackelaufsätze. Aufgrund des Gefährdungspotentials, das von dem unkontrolliert entweichenden Deponiegas ausgeht, ist eine technische Lösung zur Schadlosmachung des Deponiegases dringend angeraten.

Die Methanoxidation, bei der biologisch vorbehandelte und weitgehend stabilisierte Abfälle als Filtermaterial eingesetzt werden, hat sich in Novo Hamburgo als grundsätzlich funktionstüchtig gezeigt. Mit Methanoxidationsfiltern können die aus der Deponie entweichenden Methanemissionen zum Teil erheblich reduziert werden.

Im Vergleich der prognostizierten flächenspezifischen Methanemissionen und dem in Laborversuchen und in situ ermittelten Methangasoxidations-Potenzial ist festzustellen, dass das Oxidationspotenzial im Wertebereich der prognostizierten flächenspezifischen Methanemissionen liegt. Dies bedeutet, dass die entstehenden Methanemisssionen bei einem flächigen Austritt aus dem Deponiekörper

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voraussichtlich weitgehend oxidiert werden können. Bei sehr hohen Deponiegasemissionen überschreiten die emittierten Frachten das Methanoxidationspotenzial, so dass dann noch Restemissionen in die Atmosphäre gelangen.

Wenn die bestehende Altdeponie mit einem Flächenfilter zur Methanoxidation vollständig abgedeckt wird, werden ca. 26.700 Mg Filtermaterial benötigt. Dieser Bedarf ergibt sich für eine Methangasoxidationsschicht von ca. 1,2 m Mächtigkeit bei einem spezifischen Gewicht des Filtermaterials von ca. 570 kg/m³ und einer angenommenen Deponieoberfläche von 39.000 m2. Die eingesetzte Schüttdichte wurde für das abgesiebte Rottegut in Roselândia ermittelt. Da die jüngeren Teilbereiche der Deponie derzeit noch eine intensive Gasfreisetzung aufweisen, die die biologische Methanoxidationsleistung übersteigt, erscheint es sinnvoll, zunächst nur die Altbereiche mit geringerer Gasproduktion abzudecken. Diese umfassen schätzungsweise 60% der Fläche. Der Bedarf an Filtermaterial liegt dann bei ca. 16.000 Mg.

Ggf. kann es sinnvoll sein, die vorhandenen Gasdräns zu sanieren bzw. neue zu bohren, um eine intensive Gasfreisetzung über die Deponieoberfläche zu verhindern und eine höhere Fassungsrate zu erzielen. Das so gefasste Deponiegas kann dann über einen Methanoxidationsfilter geleitet werden.

Ausgehend von der prognostizierten Gasproduktion der Deponie sowie unter Berücksichtigung diffuser, nicht gefasster Emissionen und der Reduktionsleistung der Methanoxidationsfilter kann die derzeit reduzierbare Menge an Methan-Emissionen mit einer Bandbreite von ca. 37.000 – 76.000 Mg CO2-Äquivalenten/a abgeschätzt werden (s. Tabelle 4-27).

Die tatsächlich in der Praxis realisierbaren Emissionseinsparungen hängen von mehreren Faktoren ab, die sinnvoller Weise nur auf Grundlage genauerer Untersuchungen vor Ort abgeschätzt bzw. ermittelt werden können. Diese Faktoren betreffen beispielsweise die tatsächlich produzierten und fassbaren Deponiegasemissionen, den Aufbau des Methanoxidationsfilters sowie die Reduktionsleistung im Filter im jahreszeitlichen Verlauf.

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Tabelle 4-27: Abschätzung der möglichen Reduktion der Methanemissionen in CO2-Äquivalenten, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Art Wert Anmerkungen/Quelle

Fläche Deponie (m²) 39.000 gesamte Fläche

Global Warming Potential Methane 21

Spezifisches Gewicht Methan (kg/m³) 0,705

Min. Max.

Flächenspez. Methanemissionen der Deponie (l CH4/m²*d) 176 702 aus Deponiegasprognose nach Weber

(min.) und Rettenberger (max.)

Methanoxidations-Potenzial (l CH4/m²*d) 240 480 nach Fricke et al., 2007

Methanoxidations-Potenzial lokal (l CH4/m²*d) 470 507 gem. eigener Technikums-Untersuchungen

Oxidierte Methanemissionen (m³ CH4/a) 2.505.360 5.124.6001) (berechnet mit mittlerem Oxidationsp. = 360 l CH4/m²*d)

Vermiedene Emissionen in CO2-Äquivalenten (Mg CO2e/a) 37.092 75.8701)

1) max. Methanemissionen liegen über den maximalen Potenzialen. Es wurde mit einem mittleren Oxidationspotential von 360 l CH4/m²*d gerechnet. Bei Aufbringen der Methanoxidationsschicht erfolgen noch entsprechend hohe Restmethanemissionen.

4.4.4 Sickerwasserbehandlung

STATUS QUO

Mit der Errichtung des Schüttfeldes III der Deponie Roslândia wurden zeitgleich eine Sickerwasserreinigungsanlage sowie Dränrohre und ein Grabensystem zur Fassung des Oberflächenabflusses gebaut. Letzteres sollte nach Plänen der Stadtverwaltung zunächst nur die neuen Abschnitte umfassen und erst zu späterer Zeit um die alten Deponieabschnitte (I und II) ergänzt werden. Eine Schließung der lückenhaften Gräben ist bis heute jedoch nicht vorgenommen worden mit der Konsequenz, dass der sich bildende Oberflächenabfluss teilweise in das umliegende Waldgebiet abfließt.

Die westlich des Deponiekörpers gelegene Sickerwasserreinigungsanlage besteht aus zwei in Reihe geschalteten, belüfteten Behandlungsteichen und 4 parallelen Filterbecken, die, falls der Anlage zu große Schmutzfrachten zulaufen, zwischen die Teiche geschaltet werden können (Abbildung 4-39). Die Filterbecken sind allerdings seit längerem außer Betrieb.

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Abbildung 4-39: Schematische Darstellung der Sickerwasserreinigungsanlage der Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Planmäßig sollen der gesammelte Sickerwasser- und Oberflächenabfluss zunächst einem belüfteten Teich mit ca. 575 m² Oberfläche und 1.590 m³ Volumen zufließen. Nach einer Aufenthaltszeit von 30 Tagen wird das Sickerwasser einem zweiten Teich nahezu gleicher Größe zugeleitet, der im Regelfall wie zuvor belüftet wird. Von Juni bis September 2005 war die Teichanlage mehr oder weniger außer Betrieb, da die Abdichtungen der Teiche ausgebessert und die Belüftungseinrichtung repariert und umgebaut werden mussten. Mittlerweile sind die Behandlungsteiche in Betrieb und beide Belüfter wieder installiert, wobei die Belüftung nach eigenen Beobachtungen noch immer häufig außer Betrieb ist.

Abbildung 4-40: Erster Behandlungsteich mit Belüfter sowie zerstörter Folienbereich, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Vier parallele Filtrationsbecken komplettieren die Behandlungsanlage dahingehend, dass sie im Fall erhöhter Schmutzfrachten den beiden Sickerwasserteichen zwischengeschaltet werden. Die halbjährlich geforderten Analysen des Sickerwassers sollen darüber entscheiden, ob es einer weitergehenden Reinigung bedarf oder nicht. Ggf. wird das Sickerwasser aus dem ersten Teich manuell in das Mischbecken gepumpt und soll dort Aluminiumsulfat und/oder Kalk versetzt werden. Danach erfolgt die Aufteilung des Zulaufstroms auf die Filter (Betonbecken mit einfachem Schichtaufbaus von unten nach oben: Steine mit bis zu 5 cm Durchmesser, grobkörniger Kies, Sand, Pflastersteine). Der sich absetzende Schlamm sollte ursprünglich in geregelten Abständen abgezogen und der Deponie zugeführt werden. Da die Filterbecken aber mit Ausnahme der zuletzt infolge der Teichausbesserungen vorgenommenen Beschickung seit längerer Zeit nicht genutzt wurden, ist eine Schlammräumung noch nicht erforderlich gewesen. Gesammelt fließt das Sickerwasser schließlich dem letzten Behandlungsteich zu und von dort in den Vorfluter, einem kleinen Bach nahe der Sickerwasserreinigungsanlage.

Hier beschrieben ist der ursprünglich geplante Betrieb der Sickerwasserbehandlungsanlage. Es konnte beobachtet werden, dass weder die Teiche noch die Filterbecken gleichmäßig und kontinuierlich betrieben werden konnten. So waren zeitweise die Belüfter defekt und die Lieferung der Ersatzteile hat mehrere Wochen in Anspruch genommen. In der Folge fließt gelegentlich unzureichend oder unbehandeltes Sickerwasser (auch aufgrund des lückenhaften Grabensystems) unkontrolliert in die Umgebung ab.

SICKERWASSERMENGE

Zur Abschätzung der Sickerwassermengen können im Allgemeinen die folgenden Daten herangezogen werden:

Berechnung der Sickerwassermengen aus einer Wasserbilanz der Deponie, z.B. gemäß dem Ansatz nach Spillmann (1988)

Messungen des realen Sickerwasserabflusses

Beide Möglichkeiten liefern in Novo Hamburgo nur bedingt verwertbare Ergebnisse. Für eine Bilanzierung des Wasserhaushaltes nach Spillmann kann nicht in ausreichendem Umfang auf die dafür notwendigen Eingangsparameter zurückgegriffen werden, so dass die rechnerische Ermittlung des Sickerwasseranfalles die Realität nur unzureichend wiedergibt insbesondere, da auch die Fassung des (theoretisch anfallenden) Sickerwassers nur unzureichend ist. Solche Messungen erfolgten zwar exemplarisch, wurden jedoch aufgrund nur bedingt aussagekräftiger Ergebnisse verworfen.

Messungen der ULBRA (Tartari, 2003) ergeben im Zeitraum von Januar 2000 bis 2003 mittlere Sickerwassermengen von 0,9 mm/d bzw. 34,6 m³/d. In eigenen Messungen über einen Zeitraum von 2 Monaten (Juli und August 2005) wurden die jeweiligen Sickerwasserabflüsse zu 0,3 mm/d (Min.), 3,8 mm/d (Max.) und im Mittel zu 1,3 mm/d bestimmt. Obwohl beide Messungen nicht als repräsentativ gelten können, liefern sie doch

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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einen Anhaltswert bei der Bestimmung des derzeit anfallenden, erfassten Sickerwassers und zeigen die mögliche Bandbreite auf.

Abbildung 4-41: Täglicher Sickerwasserabfluss Ab der Monate Juli und August 2005, Deponie Roselândia, Novo Hamburgo

Der Sickerwasserreinigungsanlage in Novo Hamburgo fließt sowohl das infiltrierte Sickerwasser des Deponiekörpers als auch der oberflächig abfließende Niederschlag zu. Ein die gesamte Deponie umspannendes Grabensystem zur Fassung des Oberflächenabflusses liegt nicht vor, so dass ein nicht zu bestimmender Anteil des Oberflächenabflusses in das umliegende Waldgebiet entweicht. Weiterhin ist damit zu rechnen, dass die Dränageleitungen im Deponiekörper sowie die geologische Barriere Sickerwasser nicht vollständig zurückhalten können und Sickerwasser in den natürlich anstehenden Untergrund gelangt. In den 16 Jahren des Betriebs wurde die Deponie mit der Zeit um weitere Schüttfelder ergänzt, die ohne fachgerechte Basisabdichtung, ausreichende Sickerwasser- und Deponiegasfassung ausgebildet wurden.

Daher sind Maßnahmen zur Verbesserung der Sickerwasserdrainage erforderlich. Bei der verbesserten Erfassung des Wassers ist darauf zu achten, dass der Deponiekörper nicht eingestaut wird. Wenn solche Maßnahmen umgesetzt werden, muss bei einer Auslegung der Behandlungsanlage bedacht werden, dass die anfallende Sickerwassermenge über den gemessenen Werten liegen wird. Allerdings kann dem entgegen eingeplant werden, dass der reine Oberflächenabfluss nicht unbedingt einer Behandlung zugeführt werden müsste, sondern in einem gesonderten Becken gefasst und abgeleitet werden kann. Neben der Menge sind Kenntnisse über die Zusammensetzung des Wassers für eine Auslegung erforderlich.

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SICKERWASSERZUSAMMENSETZUNG

In Tabelle 4-28 sind die Analysenergebnisse des Sickerwassers aus Novo Hamburgo dargestellt. Zum Vergleich werden diesen Werten Ergebnisse einer weiteren Deponie in Canoas gegenübergestellt. Das vom städtischen Umweltamt Novo Hamburgo beauftragte Labor Greenlab ermittelte in den Monaten Januar 2003 und Mai 2005 BSB5/CSB-Verhältnisse von 0,32 und 0,29. Der Deponiekörper befindet sich somit vor dem Eintritt in die stabile Methanphase. Eigene in Auftrag gegebene Analysen vom August 2005, durchgeführt vom Labor ALAC, bestätigen die Annahme und bestimmen den Wert zu 0,23. Schwankungen bzgl. der BSB5- und CSB-Konzentrationen sind im Deponiesickerwasser durchaus üblich.

Aus der starken Schwankungsbreite bei der CSB-Konzentration innerhalb von drei Monaten kann entweder auf die unterschiedliche Qualität der Analytik oder auch auf den inhomogenen Zustand der Deponie geschlossen werden. Für die Sickerwasseranalysen aus Canoas ist festzustellen, dass die angegebenen Konzentrationen für gesamt N, Ammoniumstickstoff, Nitrat und Nitrit nicht zueinander passen, da es unwahrscheinlich ist, das die Differenz als organischer Stickstoff im Sickerwasser vorliegt.

Auf der sicheren Seite liegend sollte die Bemessung der Sickerwasserreinigung anhand der höheren Werte gemäß der untenstehenden Tabelle vorgenommen werden, wobei auch die Daten aus Canoas zu berücksichtigen sind. Für die Bemessung sollte dem entsprechend der Gesamt-N-Wert angesetzt werden. Weiterhin ist bei der Bemessung von der höheren CSB-Konzentration auszugehen, die aus den Betrachtungen des Deponiebetriebes heraus als wahrscheinlicher anzunehmen ist. Ein erhöhter Chromwert, der vermutlich auf die Ablagerung von Abfällen aus der lederverarbeitenden Industrie zurück zu führen ist, fällt etwas aus dem Rahmen, kann aber zunächst vernachlässigt werden.

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Tabelle 4-28: Sickerwasserzusammensetzung des Zulaufs in Novo Hamburgo und Canoas

Novo Hamburgo Canoas

Greenlab ALAC ALAC

Parameter Jan 03 Mai 05 Aug 05 Aug 05

pH - 10 9 8,6 8,6

Temperatur °C 29 30 15,3 22,3

AOX µg/l 275 290

CSB mg/l 2.588 1.438 3.135 3.153

BSB5 mg/l 834 422 710 843

BSB5/CSB - 0,32 0,29 0,23 0,26

ges. P mg/l 5,58 2,21 2,37

ges. N mg/l 205 999 812

NH4-N mg/l 187 162

NO2- mg/l 6 2

NO3- mg/l 30 13

Cu mg/l 0,04 0,08 0,11

Cr mg/l 0,65 1,65 0,26

Zn mg/l 0,29 0,75 0,47

BEMESSUNGSPARAMETER

Es werden als Bemessungsparameter die gemittelten Ergebnisse der drei während des Untersuchungszeitraums in Auftrag gegebenen Sickerwasseranalysen angesetzt (vgl. Tabelle 4-29).

Tabelle 4-29: Bemessungsparameter für die Sickerwasserreinigungsanlagen der Deponie Roselândia in Novo Hamburgo

Novo Hamburgo

Sickerwassermenge m³/d 35

QBemessung m³/d 52

Parameter Konzentration Co in mg/l

Fracht Bd in Kg/d

CSB 3.135 163

BSB5 710 36,8

ges. N 999 51,8

AOX 0,28 0,014

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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In Novo Hamburgo kann die zu reinigende Sickerwassermenge in Anlehnung an Tartari (2003) zu 35 m³/d angenommen werden. Ältere vorliegende Datensätze von Sickerwasseranalysen in Novo Hamburgo werden aufgrund der nur unvollständigen Analysenwerte nicht benutzt.

ANGEPASSTES VERFAHRENSKONZEPT ZUR SICKERWASSERREINIGUNG

Da die derzeitigen Reinigungsleistungen der Sickerwasserreinigung offensichtlich nicht ausreichend sind und die gesetzlich geforderten Einleitungsgrenzwerte regelmäßig überschritten werden, bedarf die Sickerwasserreinigung grundsätzlich einer Neukonzipierung.

Zur Bewältigung der gesetzlichen Reinigungsanforderungen für Deponiesickerwasser reicht es in der Regel nicht, ein Verfahren allein einzusetzen, weshalb geeignete Kombinationen aus einzelnen Verfahrensschritten erforderlich sind. In Tabelle 4-30 ist die Wirksamkeit der Einzelverfahren hinsichtlich ausgewählter Stoffgruppen dargestellt.

Tabelle 4-30: Reinigungsverfahren für Deponie-Sickerwasser und deren Wirksamkeiten für ausgewählte Soffgruppen

Reinigungsverfahren AFS BSB5 CSB ges. anorg N NH4-N

Schwer-metalle

AOX Salze

Biologische Reinigung + + *1 + + - - -

Adsorption - + *2 - - + -

Umkehrosmose + + + + + + + +

Chemische Oxidation - + - - - + -

Flockung/Fällung - + *2 - - + + -

Sedimentation/Flotation - - - - - - -

Filtration + - - - - - - -

Eindampfung + + *3 + - + + +

Verbrennung + + + + + + + +

*1 Verbleib von Rest-CSB

*2 für biol. abbaubare Stoffe weniger geeignet + geeignet

*3 für unter den Prozessbedingungen flüchtige Stoffe weniger geeignet - nicht geeignet

Kombinationen erfolgen im Allgemeinen dahingehend, dass den chemisch-physikalischen Reinigungsprozessen eine aerobe biologische Behandlungsstufe vorangestellt wird. In Abbildung 4-42 sind die drei wesentlichen zur Sickerwasserreinigung eingesetzten Verfahrenskombinationen dargestellt, wobei sich die schematische Darstellung auf die

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Behandlungsstufen des Sickerwassers beschränkt. Die Behandlung von anfallenden Reststoffen der Adsorption (Reaktivierung der AK) und Umkehrosmose (Eindampfung/Trocknung des Konzentrats) findet keine Berücksichtigung.

Abbildung 4-42: Verfahrenskombinationen zur Sickerwasserreinigung

Im Rahmen des vorliegenden Projekts wurden die oben genannten Verfahrenskombinationen auf Ihre Realisierbarkeit für die Deponie Roselândia untersucht. Dazu erfolgte eine überschlägige Bemessung und Ermittlung der Kosten. In der vergleichenden Gegenüberstellung wurden folgende Aspekte berücksichtigt:

Ökologische Vertretbarkeit (Energie- und Betriebsmittelverbrauch, Reststoffanfall)

Praktikabilität (Personalbedarf, Anlagenflexibilität)

Kosten

Die chemische Oxidation weist nach Tabelle 4-31 mit 34,2 kWh/m³ Sickerwasser den im Vergleich zur Aktivkohleadsorption und Umkehrosmose weitaus größten spezifischen Energiebedarf auf. Es besteht zwar die Möglichkeit, die aufzuwendende Energie in Abhängigkeit vom eingesetzten Oxidationsverfahren bei zu eliminierenden CSB-Frachten von 1,14 kg CSBelim/m³ auf 12,5 kWh/m³ zu reduzieren, allerdings bleibt die chemische Oxidation vor der Umkehrosmose das energieintensivste Verfahren. Zur Sickerwasserreinigung ist die chemische Oxidation in Brasilien aufgrund des hohen Energie- und Sauerstoffverbrauchs und dadurch bedingt hoher Betriebskosten bisher nicht zum Einsatz gekommen.

In Deutschland hat die chemische Oxidation aufgrund des reststofffreien Betriebs und der damit entfallenden Reststoffproblematik in Europa große Verbreitung gefunden. Bei der Umkehrosmose fällt Konzentrat als Reststoff an, das einer weiteren, aufwendigen und kostspieligen Nachbehandlung bedarf (Eindampfung und Trocknung). Bei Adsorptionsverfahren mit Aktivkornkohle sind weitergehende Behandlungsschritte hinsichtlich der beladenen Aktivkornkohle erforderlich (thermische Reaktivierung). In Brasilien stellt sich das Problem der aufwendigen Reststoffbehandlung aufgrund der örtlichen Rahmen- und Randbedingungen nicht. Das Umkehrosmosekonzentrat wird nicht in einer Nachbehandlungsanlage weiter aufkonzentriert, eingedampft und getrocknet, sondern auf die Deponie zurückgeführt, wo es oberflächig verdunstet. Eine weitergehende

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Konzentratbehandlung wird somit hinfällig. Die Aktivkohleadsorption erfolgt nach Martins (2005) durch den Einsatz pulverförmiger Aktivkohle. Sie wird in Rührreaktoren dem Zulauf beigemischt, mit dem Ablauf ausgetragen und in einem Absetzbecken wieder entfernt. Es ist wie zuvor bei der Umkehrosmose möglich, den anfallenden Reststoff, in diesem Fall die abgetrennte Wasser-Aktivkohle-Suspension, auf die Deponie zu bringen.

Tabelle 4-31: Spezifischer Energie- und Betriebsmittelverbrauch der verschiedenen Verfahrensstufen in kWh/m³ bzw. kg/m³ Sickerwasser

Reinigungsverfahren Einheit Novo Hamburgo Anmerkungen

Biologische Vorreinigung

Energieverbrauch kWh/m³ 7,7 nach Hövelmann, 1993

Essigsäureverbrauch kg/m³ 4,1 nach dem Bemessungsansatz von Chang, 1993

ÜS-Produktion kg/m³ 1,17 nach dem Bemessungsansatz von Chang, 1993

AK-Adsorption

Energieverbrauch kWh/m³ 1 nach Theilen, 1995

AK-Verbrauch kg/m³ 3,8

Umkehrosmose (2-stufig)

Energieverbrauch kWh/m³ 9,5 nach Theilen, 1995

H2SO4 (96%ig)-Verbrauch kg/m³ 1 nach Theilen, 1995

Ultrasil-Verbrauch kg/m³ 0,02 nach Theilen, 1995

Zitronensäure-Verbrauch kg/m³ 0,025 nach Theilen, 1995

Chemische Oxidation

Energieverbrauch kWh/m³ 34,2 Energiebedarf O3-Erzeugung von 15 kWh/kg O3 (Hövelmann, 1993)

Sauerstoffverbrauch kg/m³ 30 nach Hövelmann, 1993

Im vorliegenden Anwendungsfall muss den mit den einzelnen Verfahren zusammen hängenden, laufenden Betriebskosten eine wichtige Rolle bei der Auswahl einer geeigneten Sickerwasserreinigung zugesprochen werden.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Belange der Deponiesickerwasserreinigung in Brasilien mit wenigen Ausnahmen praktisch nicht gelöst sind, so auch auf den im Rahmen dieses Vorhabens untersuchten Deponien. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Zum einen existieren beispielsweise im Bundesstaat Rio Grande do Sul so strenge Grenzwerte für das Ableiten von Deponiesickerwasser, dass lediglich eine Kombination modernster weltweit verfügbarer Technik in der Lage wäre, diese überhaupt zu erreichen. Zum anderen fehlt an den meisten Deponien die staatliche Überwachung oder falls eine Überwachung statt findet, erfolgen keine Sanktionen im Hinblick auf die überhöhten Emissionen.

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Teil B - Pilotprojekt Novo Hamburgo – Ergebnisse und Diskussion

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Umweltschutz spielt in der gesellschaftlichen Diskussion in Brasilien eine zunehmende Rolle, wobei in vielen Sektoren, wie auch beim Deponiesickerwasser die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel noch gering sind.

Auf Grundlage dieser Randbedingungen kann für die Realisierung von Deponiesickerwasserreinigungsanlagen an den meisten Standorten in Brasilien ein modularer Ausbau empfohlen werden. Zunächst ist in jedem Fall eine weitgehende Fassung und Ableitung der entstehenden Sickerwässer sicher zu stellen. Für das vorliegende Fallbeispiel kann dies eine Ertüchtigung und den Ausbau des bestehenden Ringgrabensystem beinhalten sowie das Aufbringen geeigneter Abdeckschichten, die den Eintritt von Regenwasser minimieren. Eine erste Reinigungsstufe kann in einfachen Teichanlagen gesehen werden, wobei deren Errichtung durchaus auch auf dem späteren Deponiegelände liegen kann, sodass die Herrichtungskosten praktisch minimiert werden. Einhergehen muss diese Maßnahmen mit den entsprechenden organisatorischen und betrieblichen Maßnahmen, die sicherstellen, dass eine ordnungsgemäße Personalschulung stattfindet, ein ordnungsgemäßer Betrieb der Teichanlage gewährleistet und zumindest eine betriebsinterne Qualitätskontrolle statt findet (solche Maßnahmen wurden z. B. am Standort Novo Hamburgo durch entsprechende Schulungen initiiert).

Zu späteren Zeitpunkt können derartige Einfachanlagen dann mit entsprechenden zusätzlichen technischen Stufen ergänzt und/oder bei vornehmendem Deponieausbau ersetzt werden.

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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5 KONZEPT ZUR ANWENDUNG DER MBA IN BRASILIEN

5.1 VERFAHRENSKONZEPT

5.1.1 Vorgeschlagenes Behandlungskonzept für Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle in Novo Hamburgo

Auf Grundlage der Untersuchungen in Novo Hamburgo sowie der allgemeinen Informationen zur Abfallwirtschaft in Brasilien kann ein einfaches, flexibel anwendbares Konzept für die stoffstromspezifische Abfallbehandlung entwickelt werden (Abbildung 5-1).

Abbildung 5-1: Vorgeschlagenes Behandlungskonzept für Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle in Novo Hamburgo

Die Behandlung des Hausmülls und hausmüllähnlicher Abfälle umfasst nach diesem Konzept die folgenden Verfahrensschritte:

Die mechanische Aufbereitung dient der Öffnung der Abfallgebinde (Säcke) sowie der Auftrennung des Hausmülls in eine Feinfraktion und eine Grobfraktion. Bei einem Siebschnitt von ca. 80 – 100 mm kann ein Großteil der im Hausmüll enthaltenen Wertstoffe in die Grobfraktion überführt werden, die anschließend der händischen Sortierung unterzogen wird. Dadurch kann die Sortierleistung in der Sortieranlage bei geringeren Durchsätzen erhöht werden. Gleichzeitig gelangt mit der Feinfraktion ein Organik-angereicherter Stoffstrom in die Sortierung, der ca. 80 – 91% der im

Wertstoffe

Getrennte Wertstoff-sammlung

Restmüllabfuhr

Mechanische AufbereitungGebindeöffnung

Siebung ggf.

Fe-Abscheidung

Manuelle SortierungWertstoffsammler-

Kooperative

Biologische Behandlung

Angepasste Deponie(MBA-Deponie)

Siebunterlauf (Organik-angereicherte Feinfraktion)

Siebüberlauf (Wertstoff-angereicherte Grobfraktion)

Wertstoffe

Sortierreste

Mechanische AufbereitungSiebung

ggf. Kompost

Deponiebau-materialien

(Methan-oxidations-

schicht)

ggf. energetische

Verwertung heizwertreicher

Fraktionen

Angepasste Sickerwasserreinigung

Wertstoffe

Getrennte Wertstoff-sammlung

Restmüllabfuhr

Mechanische AufbereitungGebindeöffnung

Siebung ggf.

Fe-Abscheidung

Manuelle SortierungWertstoffsammler-

Kooperative

Biologische Behandlung

Angepasste Deponie(MBA-Deponie)

Siebunterlauf (Organik-angereicherte Feinfraktion)

Siebüberlauf (Wertstoff-angereicherte Grobfraktion)

Wertstoffe

Sortierreste

Mechanische AufbereitungSiebung

ggf. Kompost

Deponiebau-materialien

(Methan-oxidations-

schicht)

ggf. energetische

Verwertung heizwertreicher

Fraktionen

Angepasste Sickerwasserreinigung

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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Hausmüll enthaltenen Organik enthält. Die mechanische Aufbereitung dient somit der Trennung des Abfallstroms in eine wertstoffangereicherte Fraktion und eine organik-angereicherte Fraktion und ermöglicht eine stoffstromspezifische weitergehende Behandlung.

In der Sortierung erfolgt eine manuelle Auftrennung des Wertstoffgemisches aus der Grobfraktion in die einzelnen Stoffe. Die Sortierung wird dabei durch die vorherige Öffnung der Abfallgebinde und die Abtrennung der wertstoffarmen Feinfraktion wesentlich erleichtert. Neben der wertstoffangereicherten Grobfraktion aus der mechanischen Aufbereitung können in der Sortieranlage auch getrennt gesammelte Wertstoffe nachsortiert und für den Verkauf konfektioniert werden. In Novo Hamburgo beispielsweise erscheint eine getrennte Sammlung von Papier/Pappe durchaus sinnvoll, da für diese Materialien hohe Preise gezahlt werden und ein ausreichendes Potenzial im Abfall vorhanden ist. Durch die Vermischung von Papier/Pappe mit dem übrigen Hausmüll werden die Papiere und Kartonagen oftmals so verschmutzt, dass eine Verwertung kaum noch möglich ist. Eine getrennte Sammlung kann daher zu einer insgesamt höheren Recyclingquote führen.

Der Sortierrest besteht überwiegend aus nicht biologisch abbaubaren Materialien und kann daher direkt einer Deponierung zugeführt werden.

Grundsätzlich ist auch eine Verwertung des Sortierrests als so genannter Sekundärbrennstoff (Refuse Derived Fuel – RDF) denkbar. Es ist zu erwarten, dass der Sortierrest im Wesentlichen aus heizwertreichen Materialien wie Plastikfolien, Textilien etc. besteht und damit grundsätzlich energetisch verwertet werden kann, beispielsweise in der Zementproduktion oder Heizkraftwerken. Nach Informationsstand der Gutachter bestehen aber hierfür derzeit in Brasilien nicht die erforderlichen Voraussetzungen, wie gesetzliche und normative Vorgaben oder eine ausreichende Nachfrage nach alternativen Brennstoffen. Des Weiteren müssten vor einer Berücksichtigung dieses Verwertungswegs detaillierte Untersuchungen zur Qualität der Sortierreste hinsichtlich Heizwert sowie Stör- und Schadstoffanteilen erfolgen. Auf dieser Basis müsste eine Markterhebung erfolgen sowie ggf. eine zusätzliche Aufbereitung entworfen werden. Grundsätzlich ist die energetische Verwertung heizwertreicher Abfälle gegenüber der Deponierung als vorteilhaft anzusehen, da dabei das energetische Potenzial der Abfälle ausgenutzt wird.

Die biologische Behandlung dient dazu, den biologisch abbaubaren Anteil im Hausmüll zu stabilisieren und somit eine emissionsarme Deponierung zu ermöglichen. Die Abtrennung einer Feinfraktion als Kompost kann nur dann empfohlen werden, wenn die Qualität hinsichtlich der Stör- und Schadstoffgehalte ausreichend ist und geeignete Anwendungsbereiche definiert werden. Die Untersuchungen in Novo Hamburgo sowie die Erfahrung aus anderen Projekten haben gezeigt, dass Gesamtmüllkomposte in Brasilien zwar in der Regel deutliche geringere Schwermetallbelastungen aufweisen als Gesamtmüllkomposte aus Europa. Dennoch liegen die Schwermetallkonzentrationen deutlich über beispielsweise den

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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deutschen Grenzwerten und im Grenzbereich der nach brasilianischem Recht noch zulässigen Werte. In wie weit die Schwermetallkonzentrationen durch eine verbesserte mechanische Aufbereitung oder eine gesonderte Abfuhr industrieller Abfälle aus Kleinbetrieben gesenkt werden können, muss im Betrieb überprüft werden. In jedem Fall kann eine entsprechend aufbereitete Feinfraktion im Deponiebau, hier insbesondere zur Herstellung von Methangasoxidations-Filtern verwendet werden.

Zur Deponie nach dem vorgeschlagenen Konzept gelangen lediglich die Sortierreste aus der Sortieranlage sowie die biologisch stabilisierte Feinfraktion des Hausmülls. Die Deponierung wird dem entsprechend auf inerte oder weitgehend biologisch inaktive Materialien beschränkt. Bei einer solchen MBA-Deponie entstehen nach den Erfahrungen aus Deutschland nur noch geringe Biogasmengen und gering belastete Sickerwässer. Des Weiteren kann infolge der kleineren Korngrößen und der homogeneren Korngrößenverteilung bei der Deponierung von so genannten MBA-Abfällen i.d.R. eine höhere Einbaudichte erreicht werden als bei der Deponierung unvorbehandelter Abfälle. Da durch die biologische Behandlung ferner eine Massenreduktion erzielt wird, muss insgesamt weniger Material deponiert werden, so dass weniger Deponievolumen beansprucht wird. In der Summe können bei einer Beschränkung der Deponierung auf biologisch stabilisierte bzw. interte Abfälle deutliche Umwelt- und Kostenvorteile erzielt werden (siehe nachfolgendes Kapitel).

Die Sickerwasserreinigung ist erforderlich, um die ökologischen Auswirkungen der Deponierung von Reststoffen jedweder Art in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Da das Gesamtkonzept lediglich die Deponierung von biologisch stabilisiertem Material sowie von Sortierresten vorsieht, ist davon auszugehen, dass ein eher schwach kontaminiertes Sickerwasser entstehen wird. Die Quantität der anfallenden Sickerwässer ist neben den Niederschlägen (die in Brasilien zeitlich sowie örtlich in hohem Maße schwanken) von der Herrichtung und Abdeckung der Deponie abhängig, daher bedarf es einer konkreten Berücksichtigung der örtlichen Rahmen- und Randbedingungen im Einzelfall. Auch wenn grundsätzlich immer eine technische Anlage zur Aufarbeitung der anfallenden Deponiesickerwässer von Nöten sein wird, empfiehlt sich für die konkrete Planung eine stufenweise Realisierung, um so den begrenzten ökonomischen Ressourcen Rechnung zu tragen und damit verbunden die erforderliche Akzeptanz zu generieren.

Neue Deponien werden in aller Regel außerhalb der Wohnbebauung errichtet, sodass hinreichend Fläche zur Verfügung steht, es bieten sich daher als erste Behandlungsstufe in aller Regel einfache Teichanlagen an, die wie dargestellt im Zuge des weiteren Ausbaus der Deponie um zusätzliche technische Einrichtungen erweitert werden können.

Durch das vorgeschlagene Konzept zur stoffstromspezifischen Abfallbehandlung sind die folgenden Vorteile zu erwarten:

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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Das Konzept kann flexibel in die jeweiligen Rahmenbedingungen und Behandlungsziele eingepasst werden. So kann das vorgeschlagene Behandlungskonzept sowohl für einen Restmüllstrom bei einer gleichzeitigen Getrenntsammlung von Wertstoffen umgesetzt werden als auch ohne Getrenntsammlung für den gesamten Hausmüllstrom angewendet werden. Eine Änderung der Durchsatzleistung der Verfahrenseinheiten Siebung – Sortierung – biologische Behandlung – ist i.d.R. unproblematisch, da es sich bei allen Anlagenteilen um modulare Verfahrenseinheiten handelt, die fast beliebig erweitert werden können. Je nach örtlichen Gegebenheiten können unterschiedlichste Verfahren zur Sortierung und biologischen Behandlung in das Konzept integriert werden. So kann die biologische Behandlung beispielsweise sowohl in extensiven, platzintensiven Verfahren als auch in intensiven, gesteuerten Verfahren erfolgen.

Das Konzept erfüllt die Anforderungen an eine ökologisch nachhaltige Abfallwirtschaft, da es auf eine Minimierung des Gefährdungspotenzials des Abfalls sowie auf eine Maximierung der stofflichen Verwertung ausgelegt ist. So trägt das Behandlungskonzept zu einer Schonung der natürlichen Ressourcen bei und verlagert keine Umweltbelastungen aus der Deponierung unvorbehandelter Abfälle auf künftige Generationen.

Durch die Umsetzung des vorgeschlagenen Konzepts sind positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu erwarten. So können in der Sortierung ehemals informelle Müllsammler und andere gering Qualifizierte eine formelle Beschäftigung finden. Durch die Optimierung der Sortierung mittels vorgeschalteter mechanischer Aufbereitung kann die Sortierleistung soweit erhöht werden, dass ausreichende Einkommen durch den Wertstoffverkauf erzielt werden können. Darüber hinaus entstehen Arbeitsplätze beim Betrieb der mechanischen Aufbereitung und der biologischen Behandlung. Die Investitionen in die Anlagentechnik haben ebenfalls eine positive Auswirkung auf die lokale und regionale Wirtschaft. Das Konzept erfüllt somit auch die Anforderungen an eine soziale Nachhaltigkeit.

Das vorgeschlagene Konzept kann als wirtschaftlich gelten, da sich mit dem Konzept die Anforderungen an eine moderne Abfallwirtschaft auch mit einfachen, kosteneffiziente Verfahren erfüllen lassen. Ferner stehen den Kosten für Bau und Betrieb der Anlagen Einsparungen vor allem bei der Deponierung sowie Einnahmepotenziale, z.B. durch den Verkauf von Wertstoffen, Kompost oder CO2-Zertifikaten, gegenüber (vergleiche Kapitel 6.1). Das Konzept kann daher als wirtschaftlich nachhaltig bewertet werden.

Bei den biologischen Verfahren, die zur Anwendung vorgeschlagen werden (vergl. Kapitel 4.4.2) handelt es sich um vergleichsweise einfache Verfahren, die in Europa bereits seit langem erfolgreich angewendet werden. Im Rahmen des vorliegenden Pilotprojekts konnte ferner gezeigt werden, dass solche einfachen Verfahren bei fachgerechtem Betrieb auch in Brasilien anwendbar sind. Gleichzeitig liegen erste standortspezifische Erfahrungen zur Steuerung und Leistung der Rotte vor. Das

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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technische Risiko, das zwangsläufig mit der Einführung einer neuen Technologie verbunden ist, ist daher als gering zu beurteilen.

Die Deponierung vorbehandelter bzw. biologisch nicht abbaubarer Abfälle ist gegenüber herkömmlichen Reaktordeponien vorteilhaft (s. nachfolgendes Kapitel). Das Emissionspotenzial wird ebenso verringert wie der Platzbedarf. In der Summe können z.T. erhebliche Einsparungen realisiert werden, die dem Gesamt-Konzept positiv anzurechnen sind.

5.1.2 Deponierung von biologisch vorbehandelten Abfällen - MBA-Deponie

Auch wenn das tatsächliche Deponieverhalten biologisch vorbehandelter Abfällen in der Praxis stark vom eingesetzten Verfahren und der Stabilisierungsleistung abhängt, können doch einige generelle Aussagen zu den Deponierungseigenschaften von MBA-Abfällen getroffen werden. Die Deponierung von MBA-Abfällen verbessert die Deponie hinsichtlich verschiedener Aspekte, die nachfolgend erläutert werden.

REDUKTION DES ERFORDERLICHEN DEPONIEVOLUMENS

Durch die mechanisch-biologische Vorbehandlung wird die Abfallmasse, die deponiert werden muss, deutlich reduziert. Wenn in einer mechanischen Vorbehandlung Wertstoffe ausgeschleust werden und weiterhin eine weitgehende biologische Stabilisierung angestrebt wird, kann der Massenverlust bis zu 70% der Originalmasse betragen. Gleichzeitig kann der zur Deponierung verbleibende Abfall infolge der geringeren Korngrößen und geringeren Wassergehalte in der Regel mit höheren Dichten in die Deponie eingebaut werden (Abbildung 5-2). Bei hochdichtem Einbau bei Trockenwetter entsteht eine weitgehend feste Oberfläche, die nicht zwangsläufig mit einer arbeitstäglichen Zwischenabdeckung aus Erde versehen werden muss. Diese Aspekte zusammen führen dazu, dass wesentlich weniger Deponievolumen beansprucht wird. Dies drückt sich auch in den spezifischen Kosten der Deponierung aus, da die Laufzeit einer bestehenden Deponie erheblich verlängert wird.

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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Einbaudichten bei versch. Einbauarten und Abfällen

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

1,6

unvorbeh. Abfall,Einbau mit Raupe

unvorbeh. Abfall,Einbau mit Kompaktor(Dünnschichteinbau);

gering verdichtet

MBA- Abfall, Einbau mitKompaktor

(Dünnschichteinbau),hochverdichtet

MBA-Abfall,Phitsanlulok (Thailand),Einbau mit Kompaktor(Dünnschichteinbau),

hochverdichtet 1)

MBA-Abfall, SaoSebastiao (Basilien),

Einbau mit Kompaktor(Dünnschichteinbau),hochverdichtet, max.

Wert 1)

Einb

audi

chte

[Mg/

m³]

1) Hüttner et al., 2005

Abbildung 5-2: Erzielbare Einbaudichten bei versch. Einbauverfahren und Abfallarten, Erfahrungen aus Deutschland, Thailand und Brasilien (eigene Daten; Hüttner et al., 2005)

MINIMIERUNG DER DEPONIEGASEMISSIONEN

Durch die biologische Vorbehandlung ist der Abfall weitgehend stabilisiert, d.h. er ist auf der Deponie nur noch wenigen biologischen Abbauprozessen unterworfen, bei denen Deponiegas entsteht. Bei einer weitgehenden biologischen Stabilisierung sinkt das Gasbildungspotenzial des Abfalls auf bis zu ca.3 Nl/kg TS; die spezifischen CH4-Emissionen der Deponie betragen dann nur noch ca. 3 Nl/m² Oberfläche *h (Tabelle 5-1). Eine aktive Gasfassung ist bei diesen geringen Gasemissionen aus technischer Sicht nicht erforderlich. Vielmehr können Methanemissionen in dieser Größenordnung mit Hilfe von Filterschichten wie in Kapitel 4.4.3 beschrieben, biologisch oxidiert und damit unschädlich gemacht werden. Der Verzicht auf eine aktive Entgasung der Deponie einschl. Abfackelung oder energetischer Nutzung des Deponiegases führt ebenfalls zu einer Reduktion der Deponierungskosten.

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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Tabelle 5-1: Methanemissionen aus versch. Deponien

Flächenbezogene Methanfracht Methan-Quelle

[l CH4/m² d] Literaturquelle

Aktive Deponie in den ersten 10 Jahren (h = 20 m) ca. 340 (Humer und Lechner,

1997)

Restabfall nach getrennter Sammlung der Bioabfälle (ersten 10-15 a, h = 20 m) ca. 120 -160 (Humer und Lechner,

1997)

Stillgelegte Flächen (nach 10-15 Jahren) ca. 90 - 110 (Humer und Lechner, 1997)

Ungeordnete Abfalldeponien ca. 400 (Kightley und Nedwell, 1994)

Untere Wertebereich auf Deponien gemessener Methanemissionen ca. 300 (Bajic und Zeiss, 2001)

Abfälle aus MBA (h= 20 m) < 25 (Humer und Lechner, 1997)

Abfälle aus MBA max. 72 (Fricke et al., 2002a)

VERBESSERUNG DER SICKERWASSERQUALITÄT

Ein relevanter Anteil der Sickerwasserbelastungen entsteht infolge biologischer Abbauprozesse. Da in der biologischen Behandlung Abbauprozesse kontrolliert vorweggenommen werden, die ansonsten auf der Deponie unkontrolliert und über lange Zeiträume stattfinden, führt sie auch zu einer Reduktion der Belastungen im Sickerwasser der Deponie. Ferner hat bereits in der biologischen Behandlung eine Auswaschung löslicher Bestandteile aus dem Abfall stattgefunden. In der Summe weist das Sickerwasser aus MBA-Deponien um bis zu 90% geringere organische Belastungen – gemessen als TOC oder CSB - auf, als Sickerwasser aus herkömmlichen Reaktordeponien (Tabelle 5-2).

Tabelle 5-2: Sickerwasser-Belastungen bei der Deponierung von verschiedenen Abfällen (Quelle: Kebekus et al., 2000)

Parameter Einheit Unvorbehandelter Abfall MBA-Abfall Schlacke aus der

Müllverbrennung

CSB (Sickerwasser) mg/l 6.000 - 60.000

(nach dem ersten Jahr: ca. 500 - 4.500)

300 - 500 100 - 3.500

TOC (Sickerwasser) mg/l 2.000 - 30.000

(nach dem ersten Jahr: 200 - 2.000)

100 - 2.500 10 - 200

Nges (Sickerwasser) mg/l 1.000 - 1.350 35 - 514

Weiterhin fallen i.d.R. geringere Mengen an Sickerwasser an, da weniger Wasser durch biologische Umsetzungsprozesse gebildet wird und die Infiltration von Regenwasser infolge der höheren Einbaudichte geringer ist. Die Sickerwasserreinigung kann entsprechend den

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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geringen Volumenströmen und geringeren Belastungen ggf. einfacher und kleiner dimensioniert werden. Auch hierdurch können Kosteneinsparungen erzielt werden.

REDUKTION DER SPEZIFISCHEN KOSTEN FÜR DIE DEPONIERUNG

Infolge des geringeren Bedarfs an Deponievolumen sowie der geringeren Aufwendungen für die Fassung und Behandlung der flüssigen und gasförmigen Emissionen sind die Kosten für MBA-Deponien i.d.R. deutlich reduziert gegenüber den Kosten für konventionelle Reaktordeponien. Für das Pilotprojekt der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit – GTZ GmbH in Phitsanulok, Thailand, wurden auf Basis der im Projekt erzielten Qualitäten des biologisch vorbehandelten Abfalls und den örtlichen Gegebenheiten Kosteneinsparungen von bis zu 50%, bezogen auf den spezifischen Deponierungspreis pro Mg Abfall, prognostiziert (Abbildung 5-3). Ein Großteil der Kosteneinsparungen ergibt sich dort aufgrund der verlängerten Deponielaufzeit. In diesem Projekt könnten die Kosten für die MBA weitgehend durch Einsparungen bei der Deponierung kompensiert werden.

Deponie-Kosten für Reaktor-Deponien (unvorbehandelte Abfälle) und für MBA-Deponien, Beispeilrechnung für das Pilotptojekt Phitsanulok, Thailand (Quelle: Hüttner et al., 2005)

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

unvorbeh.Abfälle MBA-Deponie

Kos

ten

[€/M

g]

Invest Deponie Betriebskosten Deponie Nachsorgekosten Deponie

Reduktion der Kosten um ca. 53%

Abbildung 5-3: Deponierungs-Kosten für Reaktor-Deponien (unvorbehandelte Abfälle) und für MBA-Deponien, Beispielrechnung für das Pilotprojekt Phitsanulok, Thailand (Quelle: Hüttner et al., 2005)

MASSENBILANZ

Bei Umsetzung des vorgeschlagenen Abfallbehandlungskonzepts ergibt sich die in Abbildung 5-4 darstellte Massenbilanz. Dabei handelt es sich um eine Prognose auf Basis der in Kapitel 4.4 diskutierten Untersuchungsergebnisse am Standort Roselândia.

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

-136-

Abbildung 5-4: Massenfluss für das vorgeschlagene Abfallbehandlungskonzept in Novo Hamburgo

Gemäß dieser Prognose werden nach der mechanischen Aufbereitung, im Wesentlichen bestehend aus einer Siebtrommel sowie ggf. einem zusätzlichen Aggregat zur Öffnung der Abfallsäcke, ca. 32% des Abfalls als wertstoffangereicherte Fraktion der manuellen Sortierung zugeführt. Daraus können nach konservativer Einschätzung ca. 5.600 Mg/a, entsprechend ca. 11% des gesamten Abfallaufkommens, als marktfähige Wertstoffe aussortiert werden. Der Sortierrest kann direkt deponiert werden oder – bei entsprechenden Voraussetzungen - als Sekundärbrennstoff einer energetischen Verwertung zugeführt werden (s. Kapitel 5.1)

Die organik-angereicherte Feinfraktion aus der mechanischen Aufbereitung umfasst ca. 68% des Abfallaufkommens. Sie gelangt in die biologische Behandlung. Durch den Abbau von Biomasse und den Wasserverlust infolge der Trocknung des Materials entstehen Rotteverluste, die bei einer günstigen Steuerung der Rotte ca. 27% des gesamten Abfallaufkommens ausmachen. Bei einer längeren Rottedauer können sich auch noch höhere Massenverluste ergeben. Falls Feinfraktionen des stabilisierten Abfalls beispielsweise im Deponiebau (Methanoxidationsfilter) oder bei ausreichender Qualität als Kompostsubstrate verwertet werden sollen, kann der biologischen Behandlung eine Siebung nachgeschaltet werden. Die dabei abzutrennende Feinfraktion bemisst sich nach dem Einsatzzweck des Materials bzw. nach der dem entsprechend auszuwählenden Lochung des

Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle

50.000 Mg/a – 100%

Sortierzentrum

Input: 15.980 – (32%)

Kompostierung

Input: 34.020 Mg/a – (68%)

Siebanlage

Input: 20.412 Mg/a – (41%)

Deponie

26.726 – 30.808 Mg/a (53 - 62%)

Feinfraktionen

4.082 Mg/a – (8%)

Mechanische Aufbereitung

Input: 50.000 Mg/a – (100%)

10.3

96 M

g/a

(21%

)

16.330 – 20.412 Mg/a (33 - 41%)

Wertstoffe 5.584 Mg/a (11%)

Rotteverluste 13.608 Mg/a

(27%)

Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle

50.000 Mg/a – 100%

Sortierzentrum

Input: 15.980 – (32%)

Kompostierung

Input: 34.020 Mg/a – (68%)

Siebanlage

Input: 20.412 Mg/a – (41%)

Deponie

26.726 – 30.808 Mg/a (53 - 62%)

Feinfraktionen

4.082 Mg/a – (8%)

Mechanische Aufbereitung

Input: 50.000 Mg/a – (100%)

10.3

96 M

g/a

(21%

)

16.330 – 20.412 Mg/a (33 - 41%)

Wertstoffe 5.584 Mg/a (11%)

Rotteverluste 13.608 Mg/a

(27%)

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Teil C - Konzept zur Anwendung der MBA in Brasilien

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Siebs. Wenn ähnliche Siebschnitte verwendet werden, wie derzeit in Roselânida (10 – 20 mm), können ca. 8% des Abfallaufkommens als verwertbare Feinfraktion abgetrennt werden.

Der verbleibende stabilisierte Abfall entspricht – je nach Art und Umfang der Zweiten Siebstufe - ca. 33 – 41% des gesamten Abfallaufkommens. Er ist weitgehend inertisiert und kann zusammen mit den Sortierresten emissionsarm deponiert werden.

In der Summe kann bei dem vorgeschlagenen Konzept die deponierte Menge des Hausmülls und hausmüllähnlicher Abfälle auf ca. 53 – 62% des gesamten Abfallaufkommens reduziert werden. Dabei werden ca. 11 – 19% des Hausmülls einer Verwertung zugeführt. Die restlichen Massenverluste entstehen infolge des biologischen Abbaus und der Trocknung des Abfalls in der Rotte.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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6 BETRACHTUNGEN ZUR REALISIERUNG EINES MBA-KONZEPTS

6.1 KOSTENBETRACHTUNGEN

6.1.1 Allgemeine Hinweise zu den Kostenbetrachtungen

Im Rahmen des vorliegenden Projekts wurden die Kosten für die verschiedenen Varianten der mechanischen und biologischen Behandlung sowie der Methangasoxidation ermittelt.

Diese Kalkulationen basieren auf lokalen Kostenansätzen für Bau und Personal, Erfahrungswerten aus anderen Projekten sowie teilweise Vorkalkulationen der Verfahrensanbieter. Diesen Kostenkalkulationen liegen keine detaillierten Bemessungen der einzelnen Verfahrensteile zu Grunde. Sie wurden vielmehr großzügig und auf der sicheren Seite liegend geschätzt und sind daher als grobe Anhaltswerte zu verstehen, die lediglich dazu dienen, die Größenordnung der mit den einzelnen Verfahrensalternativen verbundenen Kosten aufzuzeigen. Der Umsetzung einzelner oder der Gesamtheit der vorgeschlagenen Maßnahmen muss in jedem Fall eine solide Kostenermittlung vorausgehen. Dabei lassen sich eventuell gegenüber den hier angegebenen Kosten beispielsweise durch lokale Fertigung von Maschinentechnik noch deutliche Kosteneinsparungen zu erzielen.

Alle Kosten wurden zur Vereinfachung in Euro angegeben, da zu Grunde liegenden Erfahrungswerte der Kosten von MBA-Verfahren überwiegend aus dem europäischen Raum stammen. Dabei wurde – sofern anwendbar- ein Wechselkurs von 2,72 R$ = 1 € berücksichtigt.

Den ermittelten Kosten wurden mögliche Einnahmen durch den Verkauf von Wertstoffen, Kompost und durch CO2-Credits gegenüber gestellt. Auch diesen Berechnungen liegen eine Vielzahl von Annahmen zu Grunde, die vor einer Realisierung überprüft und validiert werden müssen.

Im Folgenden sind die ermittelten Kostenschätzungen als Übersicht dargestellt. Detailliertere Kostenaufstellungen einschließlich der verwendeten Ansätze für Zinsen etc. finden sich im Anhang.

6.1.2 Invest- und Betriebskosten der mechanischen Aufbereitung

Für die Umsetzung der mechanischen Aufbereitung sind folgende Investitionen erforderlich:

Überdachter und befestigter Flachbunker

Radlader oder Krananlage

Ggf. Zerkleinerungsaggregat

Siebanlage mit einer Durchsatzleistung von ca. 30 Mg/h

Förderband von der Siebanlage zu den Fließbändern der Sortierung; ggf. mit Bypassmöglichkeit (falls Siebanlage außer Betrieb)

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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Die kalkulierten Kosten für die mechanische Aufbereitung sind in der Übersicht in Tabelle 6-1 dargestellt.

Tabelle 6-1: Übersicht über die Invest- und Betriebskosten einer mechanischen Aufbereitung, Novo Hamburgo

Mechanische Aufbereitung

Bauteile u. Infrastruktur 155.000

Maschinen u. E-Technik 337.500 Investkosten

Summe 492.500

Löhne und Gehälter 52.500

Wartung und Unterhalt (RWU) 22.575

Ver- und Entsorgungskosten 25.000

Jährliche variable Kosten (€/a)

Summe 100.075

Spezifischer Kapitaldienst (€/Mg) 1,19

Spezifische variable Kosten (€/Mg) 2,00

Summe spezifische Betriebskosten (€/Mg) 3,19

Summe inkl. 30% Zuschlag zur Berücksichtigung von Kostenrisiken und Unvorhergesehenem (€/Mg) 4,15

6.1.3 Invest- und Betriebskosten der biologischen Behandlung

Für einfache Verfahren der biologischen Behandlung von Abfällen können nach Vergleichsdaten aus anderen Projekten und groben Kostenschätzungen einzelner Anbieter spezifische Kosten von ca. 5 – 15 €/Mg Input veranschlagt werden (Hüttner et al., 2003, S. 54 ff.; Müller, 2006; Wiechmann, 2006). Darin ist i.d.R. keine oder nur eine einfache Aufbereitung der Abfälle enthalten. Abbildung 6-1 zeigt exemplarisch Kostenstrukturen einfacher biologischer Behandlungsanlagen in Brasilien, Thailand und Syrien.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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Spezifische Kosten für die biologische Abfallbehandlung in versch. Pilotprojekten der GTZ (2003)

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

Sao Sebastiao, Brasilien(Kaminzugverfahren FABER-

AMBRA)

Phitsanulok, Thailand (Kaminzugverfahren FABER-

AMBRA)

Al-Salamieh, Syrien (Laminat-Verfahren, Gore)

spez

ifisc

he K

oste

n [€

/Mg

Inpu

t]

Aufschlag zur Berücksichtigung von Kostenrisikien

Investitionskosten

Variable Betriebskosten

Wartung und Reparatur

Löhne und Gehälter

7,1 €

2,2 €

1,7 €

3,8 €

3,3 €

1,6 €

0,8 €

5,0 €

1,1 €

2,8 €

1,1 €

6,8 €

2,1 €

3,5 €

Abbildung 6-1: Kosten der biologischen Abfallbehandlung in versch. Pilotprojekten (Quelle: Hüttner et al., 2003)

Im Allgemeinen können die Kosten der biologischen Abfallbehandlung in einzelnen Vorhaben sehr große Schwankungsbreiten aufweisen. Dies ist zum einen durch die unterschiedlichen Verfahren zu erklären, die zum Einsatz kommen können. Des Weiteren bestehen ausgeprägte Unterschiede hinsichtlich der Kostenstrukturen in einzelnen Ländern und Regionen. So weichen Lohn-, Energie- und Baukosten sowie Zoll- und Steuerbestimmungen in den Zielländern oftmals stark voneinander ab. Auch länderspezifische Behandlungsstandards und Grenzwerte haben einen wesentlichen Einfluss auf die Kosten der Abfallbehandlung. Vor diesem Hintergrund sollte für das vorliegende Projekt eine gesonderte Kostenschätzung – soweit möglich unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten - erfolgen.

Bei allen Kostenermittlungen der biologischen Abfallbehandlung wurde eine Behandlungskapazität von ca. 34.000 Mg/a zu Grunde gelegt. Diese Menge ergibt sich, wenn eine erweiterte Wertstoffsammlung bzw. –abtrennung, wie in Kapitel 4.4.1 beschrieben, vorausgesetzt wird.

Tabelle 6-2 zeigt eine Übersicht über die kalkulierten Kosten der einzelnen Varianten.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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Tabelle 6-2: Übersicht über die Invest- und Betriebskosten der biologischen Behandlung für versch. technische Varianten, Novo Hamburgo

A - Dreieck B - BioMiete C - BioBox D - Kamin

Dreiecksmieten

mit mobilen Umsetzern

Statische Mieten mit

semi-permeabler

Folien-Abdeckung

Statische Mieten mit semi-

permeabler Folien-

Abdeckung – BOXEN-

Ausführung Kaminzug-Verfahren

Bauteile u. Infrastruktur 505.879 335.000 2.805.000 20.000

Maschinen u. E-Technik - 410.000 160.000 381.000

Mobiles Gerät 327.000 381.000 381.000 -

Investkosten (€)

Summe 832.879 1.126.000 3.346.000 401.000

Löhne und Gehälter 105.000 105.000 105.000 123.000

Wartung und Unterhalt (RWU) 40.288 67.725 89.775 38.400

Ver- und Entsorgungskosten 35.000 37.510 51.150 170.500

Jährliche variable Kosten (€/a)

Summe 180.288 210.235 245.925 331.900

Spezifischer Kapitaldienst (€/Mg) 3,24 4,76 10,08 2,32

Spezifische variable Kosten (€/Mg) 5,29 6,17 7,21 9,73

Summe spezifische Betriebskosten (€/Mg) 8,53 10,93 17,29 12,06

Summe inkl. 30% Zuschlag zur Berücksichtigung von Kostenrisiken und Unvorhergesehenem

11,09 14,21 22,48 15,67

Gemäß obiger Kostenschätzung stellt sich die biologische Behandlung in Dreiecksmieten mit mobilem Umsetzaggregat als kostengünstigste Variante dar, während die Behandlung in

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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statischen Mieten mit fest installiertem Folien-Dach erwartungsgemäß die teuerste Variante ist.

Das Kaminzugverfahren erfordert aufgrund des extensiven Prozesses zwar nur sehr geringe Investitionskosten. Die Erfahrungen aus Pilotprojekten der GTZ zeigen aber, dass die variablen Betriebskosten i.d.R. sehr hoch sind. Diese hohen Betriebskosten entstehen vor allem durch die Verbrauchs-Materialien zum Aufbau der Mieten (Belüftungsschicht am Boden, Dränagerohre zur Belüftung, Biofilter zur Abdeckung der Mieten), die Brasilien und vielen Schwellen- und Entwicklungsländern nur schwer und zu hohen Kosten verfügbar sind.

6.1.4 Invest- und Betriebskosten der biologischen Methangasoxidation

Für die Erstellung einer Abdeckschicht aus Rottgut zur biologischen Methangasoxidation fallen die folgenden Kosten an:

Kosten für die Siebung des Siebung des Materials (Betriebskosten plus ggf. anteilig Investkosten)

Kosten für die Aufbringung der Abdeckschicht, einschl. der Kosten für erforderliche Materialien wie Dränschicht

Kosten für den Unterhalt der Methanoxidationsschicht

Die Kosten für die Aufbringung und den Unterhalt der Abdeckschicht fallen jedoch in jedem Fall an, unabhängig davon, ob die Abdeckung der Deponie mit einer Filterschicht oder mit einer konventionellen Abdeckung erfolgt. Ferner stehen den Kosten für die Herstellung des Filtermaterials die Kosten eines anderen Abdeckmaterials bei Aufbringen einer konventionellen Abdeckung entgegen. In so fern kann davon ausgegangen werden, dass bei der Erstellung einer Methangasoxidations-Filterschicht im Gegensatz zu einer konventionellen Abdeckung keine spezifischen Mehrkosten in relevanter Höhe anfallen.

6.1.5 Kosten der angepassten Sickerwasserbehandlung

Für die Kostenschätzung für eine angepasste Sickerwasserbehandlung wurde ein tägliches Sickerwasseraufkommen von 50 m³/d zu Grunde gelegt. Dabei wurde zunächst nur die erste Ausbaustufe – eine Teichanlage - berücksichtigt. Die Kosten für weitere Reinigungsstufen sind gesondert zu kalkulieren.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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Tabelle 6-3: Detallierte Kostenaufstellung der Deponiesickerwasserreinigung, Novo Hamburgo (1. Ausbaustufe Teichanlage)

alle Preise in € Summe

Bauteile und Infrastruktur 155.000,00

Maschinen- und E-Technik 50.000,00Investkosten

Summe 205.000,00

Bauteile und Infrastruktur 13.513,61

Maschinen- und E-Technik 6.793,40Jährlicher Kapitaldienst (€/a)

Summe 20.307,00

Löhne und Gehälter 22.500,00

Wartung und Unterhalt (RWU) 5.325,00

Ver- und Entsorgungskosten 5.000,00

Jährliche Betriebskosten (€/a)

Summe 32.825,00

Spezifischer Kapitaldienst [€/Mg Abfallaufkommen] 0,41

Spezifische variable Kosten [€/Mg Abfallaufkommen] 0,66

Summe [€/Mg Abfallaufkommen] 1,06

Summe inkl 30% Zuschlag zur Berücksichtigung von Kostenrisiken und Unvorhergesehenem [€/Mg Abfallaufkommen] 1,38

6.1.6 Mögliche Einnahmen und Einsparungen

ÜBERSICHT

Bei der Umsetzung des Abfallwirtschaftszentrums in Roselândia stellte die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Abfallbehandlung einen wesentlichen Entscheidungsfaktor dar. Mit der Sortieranlage und der Kompostierung wurde das Ziel verfolgt, mit den abgetrennten Wertstoffen bzw. dem produzierten Kompost Einnahmen in einer Höhe zu erzielen, die zu einem relevanten Teil die Betriebskosten decken könnte. Die vorliegenden Untersuchungen haben gezeigt, dass dieses Ziel mit dem derzeitigen Betrieb nicht sinnvoll erreichbar ist. Dafür können die folgenden Gründe genannt werden:

In der Sortieranlage werden bedingt durch den suboptimalen Betrieb und die im Vergleich zum gesamten Abfallpotenzial geringen Durchsätze nur vergleichsweise

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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geringe Wertstoffmengen abgetrennt. Dadurch liegen die Einnahmen zu niedrig, um einen dauerhaften und planmäßigen Betrieb aufrecht zu erhalten.

Der Kompost kann derzeit infolge der oben beschriebenen Qualitätsmängel nicht verkauft werden. Da keine Einnahmen erzielt werden, wird der Betrieb nicht aufmerksam geführt; es kam bereits zu Betriebsstillständen.

In dem vorgeschlagenen optimierten Abfallwirtschafts- und Behandlungskonzept können Maßnahmen berücksichtigt werden, die zu einer verbesserten Einnahmesituation beitragen. Dies umfasst die folgenden Einnahmen und Einsparungen:

Die Einnahmen aus dem Wertstoffverkauf können durch die in Kapitel 4.4.1 Maßnahmen erhöht werden; z.B. durch Vorschalten einer mechanischen Aufbereitung oder durch eine verstärkte getrennte Wertstoffsammlung.

Bei Ausweitung der biologischen Behandlung auf den gesamten Abfallstrom nach der Sortierung können infolge der Stabilisierung des Abfalls die Aufwendungen für eine neu zu errichtende Deponie deutlich geringer ausfallen. So kann eine aufwändige Gasfassung und –behandlung in der Regel entfallen. Da in Novo Hamburgo auf jeden Fall kurz- bis mittelfristig ohnehin eine neue Deponie errichtet werden muss, können diese Einsparungen in vollem Umfang realisiert werden.

Weitere Einsparungen entstehen durch den geringeren Bedarf an Deponievolumen, da ca. 38 – 47% des Abfallaufkommens nicht mehr deponiert werden müssen.

Durch eine vorgeschaltete biologische Abfallbehandlung werden klimarelevante Methanemissionen bei der späteren Deponierung vermieden. Für diese vermiedenen Treibhausgasemissionen kann der Betreiber der Anlage Emissionszertifikate (hier Certified Emission Reduction – CER) erhalten, die im Rahmen des internationalen Zertifikatehandels veräußert werden können. Für Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern kommt dabei der so genannte Clean Development Mechanism (CDM) zu Einsatz. Entsprechende Vorhaben, die eine Verminderung von Triebhausgasemissionen über die lokalen gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen hinaus beinhalten, können als so genannte CDM-Projekte vom Executive Board des UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Changes) anerkannt werden; eine vergleichbare Methodologie hat das UNFCCC unter der Nummer AM0025 anerkannt.

Der Einsatz von Sekundärbrennstoffen aus Hausmüll führt ebenfalls zu einer Minderung der CO2-Emissionen, die im Rahmen von CDM-Projekten angerechnet werden können. Dieses Verfahren ist ebenfalls in der Methodologie AM0025 festgelegt.

Weiterhin erscheint es prinzipiell möglich, auch für die Methan-Reduktion in Methanoxidationsfiltern CO2-Zertifikate zu erhalten. Voraussetzung dafür ist allerdings die Entwicklung einer entsprechenden Methodologie, die derzeit noch nicht existiert.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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Nicht berücksichtigt wurden mögliche Einsparungen, die sich bei der Müllabfuhr ergeben können, wenn der Betrieb der Sortierung wie vorgeschlagen geändert wird. Durch den Verzicht auf die wöchentliche Wertstoffsammlung im Holsystem können sich die spezifischen Kosten der Müllabfuhr reduzieren.

EINNAHMEN DURCH DEN WERTSTOFFVERKAUF

Mögliche Einnahmen durch den Wertstoffverkauf, die bei einer höheren Sortierleistung erzielt werden können, wurden bereits in Kapitel 4.4.1 zu 1,1 Mio. R$ ermittelt. Diese Einnahmen genügen voraussichtlich, um ein ausreichendes Einkommen der Müllsammler sicher zu stellen und gleichzeitig zumindest einen Anteil der Betriebskosten und der Kooperativenleitung zu decken. Da Einnahmen aus dem Wertstoffverkauf also vollständig für den Betrieb der Sortierung verwendet werden, werden sie in der Gegenüberstellung der Kosten und Einnahmen des vorgeschlagenen Behandlungskonzepts ebenso wenig wie die entsprechenden Investitions- und Betriebskosten der Anlage berücksichtigt.

Es können jedoch die Einsparungen gutgeschrieben werden, die dadurch entstehen, dass die aussortierten und recycelten Abfälle nicht weiter behandelt bzw. deponiert werden müssen. Dieser Einsparungseffekt wird anhand der Gesamtkosten für die Abfallwirtschaft deutlich (s. Kapitel 6.1.7)

EINNAHMEN DURCH DEN VERKAUF VON KOMPOST

Die Marktpreise für Kompost aus Gesamtmüll werden in Südbrasilien je nach Korngröße mit ca. 8 – 16 R$/m³ (3 – 6 €/m³) angegeben. Dies entspricht den Preisen, die die Kooperative in Roselândia für ihren Kompost veranschlagt hat. Bei hoher Qualität des Komposts können u.U. auch höhere Preise von ca. 30 – 130 R$/m³ (11 – 48 €/m³) erzielt werden (Engel, 2006).

Falls mit der Gesamtmüllkompostierung ein Kompost mit ausreichender Qualität für die Vermarktung hergestellt werden kann, könnten bei einem Verkauf von ca. 4.000 Mg/a, entsprechend ca. 8.000 m³/a, Einnahmen in Höhe von 64.000 – 128.000 R$/a (23.700 – 47.400 €/a) erzielt werden.

EINNAHMEN DURCH CO2-ZERTIFIKATE

Wie weiter oben beschrieben, können durch das vorgeschlagene Konzept zur stoffstromspezifischen Abfallbehandlung relevante Emissionsminderungen bezüglich treibhauswirksamer Gase erreicht werden. Diese Emissionsminderungen können zum Teil bereits heute in Form von CO2-Zertifikaten anerkannt werden, zum anderen Teil erscheint eine Anerkennung möglich, auch wenn derzeit noch keine adäquaten, anerkannten Methodologien bestehen.

Die anerkannte Methodologie AM0025 kann für folgende abfallwirtschaftliche Maßnahmen allein oder in Kombination angewandt werden (Fricke et al., 2007):

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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Biologische Behandlung unter aeroben Randbedingungen,

Vergasung der Abfälle, um synthetisches Gas herzustellen und zu nutzen,

Anaerobe Vergärung der Abfälle mit Fassung des Biogases und dessen Verbrennung/Nutzung,

Mechanische Aufbereitung mit dem Ziel der Herstellung von Ersatzbrennstoffen (Refuse Derived Fuel) und deren Nutzung.

In der Methodologie sind detaillierte Vorgaben enthalten, wie die Emissionsreduktionen zu berechnen sind. Fricke et al. (2007) haben auf Basis genereller Leistungsdaten der oben genannten Verfahren und verschiedener Handelspreise für die Zertifikate mögliche Einnahmen aus den CO2-Zertifikaten ermittelt (Tabelle 6-4).

Tabelle 6-4 : Mögliche Einnahmen aus CO2-Zertifikaten, Wertebereiche (Fricke et al., 2007)

CO2-Reduktion

CO2-Reduktion reduziert um

prozessbedingte Eigenverbräuche und

Emissionen

Erlöse Erlöse

[Mg CO2/Mg Frischabfall]

[Mg CO2/Mg Frischabfall]

Marktpreis Emissionszertifikate

(CER)

Marktpreis Emissionszertifikate

(CER)

Abfallwirtschaftliche Maßnahme

8 €/tCO2e 14 €/tCO2e

1 MBA (Aerob) + Deponierung 1,2 – 1,4 0,98 – 1,122) 7,84 – 8,96 12,60 – 15,68

2.MBA (Vergärung) + Deponierung, zusätzlich mit Energienutzung (Biogas)

0,1 – 0,14 0,09 – 0,133) 0,72 – 1,04 1,26 – 1,82

3. Einsatz als Sekundärbrennstoff (RDF) 0,16 – 0,36 0,14 – 0,323) 1,12 – 2,56 1,96 – 5,04

4. Methanoxidationsschicht 0,2 – 0,61) 0,18 – 0,543) 1,28 – 4,32 2,52 – 7,56

Summe 1,66 - 2,50 1,39 – 2,11 10,98 – 16,88 18,34 – 30,10

1) Methanoxidation gerechnet für 3 Jahre; 2) 20% Abschlag; 3) 10% Abschlag

Für das vorliegende Projekt und das vorgeschlagene Behandlungskonzept können die obigen Angaben wie folgt spezifiziert werden:

Die Berechnung der Emissionsreduktionen durch die aerobe Vorbehandlung des Abfalls vor der Deponierung geht von einem weitgehenden Abbau der organischen Substanz aus. Die dort in Ansatz gebrachte Reduktion des Gasbildungspotenzials beträgt ca. 85%. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt deuten darauf hin, dass bei den kürzeren Rottezeiten von 6 – 8 Wochen ein geringerer Abbau der organischen Substanz und damit eine geringere Reduktion des Gasbildungspotenzials erreicht werden. In einer überschlägigen Abschätzung auf der sicheren Seite liegend kann die Reduktion des Gasbildungspotenzials mit dem Abbaugrad der organischen Substanz gleich gesetzt werden. Dieser Abbaugrad lag in den Versuchen in Roselândia bei

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

-147-

maximal 49% (vergl. Kapitel 4.4.2). Im Folgenden wird daher dieser Wert für die Reduktion des Gaspotenzials verwendet.

Eine zusätzliche Reduktion von Treibhausgas-Emissionen durch eine Biogasnutzung wird nur dann realisiert, wenn eine Vergärung als biologische Stufe angeordnet wird. Im Rahmen des vorliegenden Projekts scheidet diese Option allerdings aus Kostengründen und infolge der mangelnden Infrastruktur vor Ort aus. Diese Reduktionen werden daher im vorliegenden Kontext nicht zum Ansatz gebracht.

Ebenso wird die mögliche Reduktion von Treibhausgas-Emissionen durch die energetische Verwertung von Sekundärbrennstoffen im vorliegenden Zusammenhang nicht berücksichtigt, auch wenn sie prinzipiell möglich erscheint.

Bezüglich der Methanoxidation werden die in Kapitel 4.4.3 ermittelten Reduktionspotenziale berücksichtigt.

Da keine genauen Analysendaten des Abfalls hinsichtlich des Gasbildungspotenzials vorliegen, werden im Folgenden Standardwerte herangezogen. Demnach beträgt das Gasbildungspotenzial im unbehandelten Abfall ca. 200 m³/Mg (Rettenberger, 1996). Bei einer Reduktion des Gasbildungspotenzials in der biologischen Behandlung um 49% ergibt sich also ein vermiedenes Gaspotenzial von 98 m³/Mg. Unter Berücksichtigung des Faktors zur Umrechnung der vermiedenen Methanemissionen in CO2-Äquivalente und des spezifischen Gewichts von Methan ergibt sich als ein Vermeidungspotenzial von ca. 778 kg CO2-Äquivalenten/Mg Abfall. Die Emissionen durch die Anlage selbst müssen von diesem Potenzial abgezogen werden; sie werden hier vereinfachend mit einem pauschalen Abschlag von 20% in Ansatz gebracht. Die erzielbare Netto-Reduktion kann dann zu mit 622 kg CO2-Äquivalenten/Mg Abfall angegeben werden. Diese Zahl bezieht sich auf den Input in die biologische Behandlung.

Die erzielbare Emissionsreduktion durch die Methangasoxidation wurde bereits in Kapitel 4.4.3 berechnet und dort mit ca. 37.000 – 78.000 Mg CO2-Äquivalenten/a angeben. Voraussetzungen dafür ist allerdings eine vollständige Abdeckung des Deponiekörpers. In einer MBA mit ausreichender Kapazität, um den gesamten Siebunterlauf zu behandeln, könnten ca. 4.000 Mg/a Substrat für die Methanoxidation produziert werden; entsprechend ca. 8.000 m³. Bei einer empfohlenen Höhe der Methanoxidationsschricht von 1,20 m ließen sich mit dieser Masse als ca. 6.700 m³ Deponiefläche pro Jahr abdecken. Wenn gleiche Methanoxidationsraten zu Grunde gelegt werden wie in Kapitel 4.4.3, ergibt sich damit eine vermiedene Emissionen von 6.372 – 12.634 Mg CO2-Äquivalenten/a. Bezogen auf den Input in die biologische Behandlung (34.020 Mg/a) ergibt sich eine spezifische Reduktion der Treibhausgasemissionen von 0,19 – 0,38 Mg CO2-Äquivalenten/Mg. Auch bei der Methangasoxidation sind projekteigene Emissionen zu berücksichtigen; diese werden im vorliegenden Beispiel mit pauschal 10% in Ansatz gebracht; dann ergibt sich eine spezifische Nettominderung der Treibhausgasemissionen von 0,17 – 0,34 Mg CO2-Äquivalenten/Mg.

In der Summe beider Maßnahmen – biologische Behandlung und Methangasoxidation – ließen sich also Netto-Reduktionen der Treibhausemissionen von 0,79 – 0,96 Mg CO2-

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

-148-

Äquivalente/Mg Abfallinput erzielen. Mit den oben genannten erwarteten Marktpreisen für die Emissions-Zertifikate von 8 – 14 €/Mg könnten damit also Einnahmen von 6,34 – 13,44 €/Mg Abfallinput in die biologische Behandlung erzielt werden (Tabelle 6-5).

Tabelle 6-5: Mögliche Einnahmen aus CO2-Zertifikaten, Wertebereiche bezogen auf den Input in die biologische Behandlung (34.020 Mg/a) für das vorgeschlagene Behandlungskonzept Novo Hamburgo

CO2-Reduktion

CO2-Reduktion reduziert um

prozessbedingte Eigenverbräuche und Emissionen

Erlöse Erlöse

[Mg CO2/Mg Frischabfall]

[Mg CO2/Mg Frischabfall]

[€/Mg Frischabfall]

[€/Mg Frischabfall]

Abfallwirtschaftliche Maßnahme

Marktpreis

CER 8 €/tCO2e

Marktpreis CER

14 €/tCO2e 1 Aerob + Deponierung 0,78 0,62 4,96 8,68 2. Methanoxidationsschicht 0,19 – 0,38 0,17 – 0,34 1,36 – 2,72 2,38 – 4,76 Summe 0,97 - 1,06 0,79 – 0,96 6,34 – 7,68 11,06 – 13,44

Diese Abschätzung spiegelt allerdings in erster Linie das Potenzial möglicher Einnahmen wider. So liegt für die Berücksichtigung der Methangasoxidation im Rahmen eines CDM-Projekts derzeit keine anerkannte Methodologie vor. Des Weiteren liegen den Berechnungen aufgrund fehlender Daten eine Vielzahl von Annahmen und Standardwerten zu Grunde. Eine genauere Rechnung, einschl. der detaillierten Ermittlung der Eingangsdaten, kann auch deutlich geringere Werte liefern. Ebenso ist die Höhe der Marktpreise für die Emissions-Zertifikate in Zukunft unsicher. Faktoren wie die Entwicklung der CO2-Vermeidungskosten, die Höhe der zugeteilten Emissionsrechte sowie die zusätzlich in den Markt gebrachten Zertifikate aus internationalen Projekten (CDM und JI) haben einen großen Einfluss auf die Marktpreise.

Deren Entwicklung kann zum derzeitigen Zeitpunkt nur unzureichend abgeschätzt werden. Darüber hinaus sind die Einnahmen mit den Transaktionskosten für die Anerkennung eines CDM-Projekts gegen zu rechnen. Je nach Umfang des Projekts, Art der Methodologie und Datenlage können diese Transaktionskosten mit ca. 20.000 – 80.000 € veranschlagt werden. Ferner entstehen zusätzliche, laufende Kosten bedingt durch den Aufwand für Monitoring und Validierung. Diese Kosten können mit dem vorliegenden Planungsstand derzeit nicht solide ermittelt werden und werden daher nicht zahlenmäßig berücksichtigt.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

-149-

EINSPARUNGEN DURCH DIE REDUKTION DER DEPONIERTEN ABFÄLLE

Derzeit müssen in Novo Hamburgo jährlich ca. 837.559 € für die Deponierung der ca. 43.500 Mg Restabfall aufgewendet werden, die nach der Sortierung und biologischen Behandlung verbleiben. Bei Umsetzung des optimierten Behandlungskonzepts müssen dem gegenüber nur noch 53 – 62% des gesamten Abfallaufkommens deponiert werden. Dies entspricht bei den derzeitigen Deponierungskosten einem jährlichen Aufwand von 514.494 – 593.076 €. Die Einsparungen, die sich aus der Reduktion der deponierten Restabfallmengen ergeben, belaufen sich also auf 244.523 – 323.104 €/a, wenn die aktuellen hohen Preise für den Langstreckentransport und die Deponierung vorausgesetzt werden.

Wenn hingegen Deponierungskosten von ca. 6,70 €/Mg, wie in Brasilien im Mittel üblich, zu Grund gelegt werden, müssten derzeit für die Deponierung 43.510 Mg Hausmüll/a ca. 291.517 €/a aufwendetet werden; bei Umsetzung des vorgeschlagenen Konzepts könnten diese Deponierungskosten auf ca. 179.64 – 206.413 €/a reduziert werden. In diesem Szenario ergäbe sich als eine Einsparung von 85.523 – 323.104 €/a. Diese Einsparungen sind den zusätzlichen Kosten gegenüber zu stellen, die durch die Umsetzung des vorgeschlagenen Behandlungskonzepts entstehen.

Weitere Einsparungen, die sich durch geringere Anforderungen an die Fassung und Behandlung der Deponieemissionen (Deponiegas und Sickerwasser) sowie die höhere Einbaudichte ergeben können, müssen auf Grundlage einer soliden Planung im Einzelfall berechnet werden und können daher hier nicht zahlenmäßig angegeben werden. Grundsätzlich ist aber vorstellbar, dass Deponiebetreiber für die Annahme von biologisch stabilisierten Abfällen gegenüber unvorbehandelten Abfällen geringere Gebühren verlangen.

6.1.7 Zusammenfassung der Kosten und Einsparungen

Die mit der Umsetzung des vorgeschlagenen optimierten Behandlungskonzepts verbundenen Kosten sind in einer abschließenden Bewertung der Finanzierbarkeit eines solchen Verfahrens den möglichen Einsparungen und Einnahmen gegenüber zu stellen.

Für den vorliegenden Kontext ist es sinnvoll, dabei zwischen zwei Szenarien hinsichtlich der Deponierung der Abfälle zu differenzieren. Im Folgenden werden zunächst Kosten und Einnahmen im Ist-Zustand und im Planungszustand unter Berücksichtigung der derzeitigen, hohen Deponierungskosten inkl. Langstreckentransport verglichen. In einem zweiten Schritt erfolgt dieser Vergleich unter Berücksichtung in Brasilien üblicher Deponierungskosten. Alle weiteren Kostenansätze bleiben in beiden Szenarien jeweils gleich. Für den Kompost wurden im derzeitigen Betrieb keine Verkaufserlöse angesetzt, da diese i.d.R. nicht erzielt werden.

Tabelle 6-6 zeigt die Kosten-Einnahmen-Übersicht im derzeitigen Betrieb des Abfallbehandlungszentrums Roselândia einschl. der hohen Deponierungskosten; in Tabelle 6-7 erfolgt die Kalkulation der Kosten und Einnahmen im Planungsfall, ebenfalls bei hohen Deponierungskosten.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

-150-

Tabelle 6-6: Kosten der Abfallbehandlung in Novo Hamburgo - Status quo (inkl. Langstreckentransport)

spezifische

Kosten (€/Mg)

behandelte Menge (Mg/a)

jährliche Kosten

(€/a) Einnahmen

(€/Mg) jährliche

Einnahmen (€/a)

Kosten netto (€/a)

Mechanische Aufbereitung - - - - - -

Sortierung - - - - - Biologische Behandlung 10,39 10.000 103.900 - - 103.900 Methanoxidation - - - - - - Deponie 19,25 43.510 837.568 - - 837.568 Summe 941.468 941.468 spezifische Kosten (€/Mg) 18,83 18,83

Tabelle 6-7: Kosten der Abfallbehandlung in Novo Hamburgo nach dem optimierten Konzept, bei Beibehaltung des Langstreckentransports

spezifische

Kosten (€/Mg)

behandelte Menge (Mg/a)

jährliche Kosten

(€/a) Einnahmen

(€/Mg) jährliche

Einnahmen (€/a)

Kosten netto (€/a)

Mechanische Aufbereitung 4,15 50.000 207.500 - - 207.500

Sortierung - - - - - Biologische Behandlung 1) 13,66 34.020 464.713 4,96 2) 168.739 295.974

Methanoxidation - - - 1,36 46.267 -46.267 Deponie 19,25 26.726 514.476 - - 514.476 Summe 1.186.689 168.739 971.682

spezifische Kosten (€/Mg) 23,73 19,43 1) bei den spezifischen Kosten wurde der Mittelwert der drei günstigsten Alternativen eingesetzt

2) nur CDM; Einnahmen aus dem Verkauf von Kompost wurden nicht berücksichtigt

Aus den beiden oben stehenden Tabellen ist ersichtlich, dass sich die spezifischen Behandlungskosten bei Ausnutzung aller möglichen Einnahmen im Zuge der Umsetzung des optimierten Behandlungskonzepts nur marginal erhöhen. Wenn berücksichtigt wird, dass der Erhalt von CO2-Zertifikaten derzeit noch nicht möglich ist und diese Einnahmen dem entsprechend nicht in Ansatz gebracht werden, erhöhen sich die spezifischen Behandlungskosten auf 20,36 €/Mg und liegen damit lediglich 1,53 €/Mg höher als im derzeitigen Status quo. Das neue Behandlungskonzept kann daher unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in Novo Hamburgo als wirtschaftlich gelten.

Wenn hingegen eine in Brasilien durchschnittlicher Deponiepreises zu Grunde gelegt wird, ergeben sich erwartungsgemäß höhere Mehrkosten (Tabelle 6-8 und Tabelle 6-8). Unter Berücksichtigung aller möglichen Einnahmen im optimierten Behandlungskonzept errechnen sich die spezifischen Mehrkosten zu 4,82 €/Mg Hausmüllaufkommen. Dies entspricht einer Erhöhung der Behandlungskosten um 61%.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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Tabelle 6-8: Kosten der Abfallbehandlung in Novo Hamburgo bei durchschnittlichen Deponiekosten – Status quo

spezifische

Kosten (€/Mg)

behandelte Menge (Mg/a)

jährliche Kosten

(€/a) Einnahmen

(€/Mg) jährliche

Einnahmen (€/a)

Kosten netto (€/a)

Mechanische Aufbereitung - - - - - -

Sortierung - - - - - Biologische Behandlung 10,39 10.000 103.900 - - 103.900 Methanoxidation - - - - - - Deponie 6,70 43.510 291.517 - - 291.517 Summe 395.417 395.417 spezifische Kosten (€/Mg) 7,91 7,91

Tabelle 6-9: Betriebskosten der Abfallbehandlung in Novo Hamburgo nach dem optimierten Konzept, bei durchschnittlichen Deponiepreisen

spezifische

Kosten (€/Mg)

behandelte Menge (Mg/a)

jährliche Kosten

(€/a) Einnahmen

(€/Mg) jährliche

Einnahmen (€/a)

Kosten netto (€/a)

Mechanische Aufbereitung 4,15 50.000 207.500 - - 207.500

Sortierung - - - - - Biologische Behandlung 1) 13,66 34.020 464.713 4,962) 168.739 295.974

Methanoxidation - - - 1,36 46.267 -46.267 Deponie 6,70 26.726 179.064 - - 179.064 Summe 851.277 168.739 636.271 spezifische Kosten (€/Mg) 17,03 12,73

1) bei den spezifischen Kosten wurde der Mittelwert der drei günstigsten Alternativen eingesetzt

2) nur CDM; Einnahmen aus dem Verkauf von Kompost wurden nicht berücksichtigt

Wenn die Einnahmen aus dem Erhalt von CO2-Zertifikaten durch die Methanoxidation vernachlässigt wird, steigen die spezifischen Mehrkosten auf 5,74 €/Mg, dies entspricht einer Erhöhung der Kosten um 73%.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Umsetzung des vorgeschlagenen integrierten Behandlungskonzepts im Regelfall mit Mehrkosten gegenüber einer Deponierung des Hausmülls ohne weitere Behandlung verbunden sein wird. Wenn die gesamte Abfallwirtschaft betrachtet wird, können allerdings ggf. noch weitere Einsparungen erzielt werden, die hier nicht berücksichtigt werden konnten, die aber gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit des Gesamtvorhabens weiter verbessern können:

So lassen sich unter Umständen durch den Verzicht auf eine aufwändige Getrenntsammlung von Wertstoffen im Holsystem weitere Kostenreduktionen bei der Müllabfuhr erzielen.

Ferner können bei den Investitions-, Betriebs- und Nachsorgekosten der Deponie durch die Einführung einer Sortierung und biologischen Vorbehandlung Einsparungen

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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erzielt werden. So sinken die Anforderungen an die Fassung und Behandlung der Deponieemissionen bei Umsetzung einer biologischen Behandlung, die Lebensdauer der Deponie ist verlängert und erforderliche Nachsorge nach Schließung der Deponie ist kostengünstiger. Diese Faktoren können – je nach örtlichen Gegebenheiten- zu einer Reduktion der Deponierungskosten um bis 53% gegenüber konventionellen Reaktordeponien führen (vergleiche Kapitel 5.1.2).

Gleichzeitig sind mit der Umsetzung des Vorhabens unbestreitbare weitere Vorteile verbunden, die hier nicht monetär bewertet wurden. So trägt das Konzept insgesamt zu einer ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit bei und ermöglicht gleichzeitig eine hohe Flexibilität des Abfallwirtschaftssystems. Vor diesem Hintergrund sind die Mehrkosten als vertretbar anzusehen.

6.2 LESSONS LEARNED – ERFAHRUNGEN AUS DER DURCHFÜHRUNG DES PROJEKTS

Das Wirtschafts- und Sozialleben ist in anderen Ländern grundsätzlich anders geprägt, als dies in Deutschland oder Europa der Fall ist - dies gilt selbstverständlich auch für Brasilien. Daher ist es fast schon eine Binsenweisheit, dass geschäftliche Aktivitäten im Ausland ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz und solide Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten voraussetzen. Im Folgenden werden einige der landesspezifischen Erfahrungen, die die Autoren des vorliegenden Berichts im Projektverlauf gesammelt haben, in Form von Empfehlungen zusammengefasst und kommentiert.

Die Umsetzung von Projekten im kommunalen Zuständigkeitsbereich ist oftmals stark politisch geprägt. Wie bereits in Kapitel 2.3 beschrieben, genießt der Bürgermeister im brasilianischen Verwaltungssystem eine machtvolle Position; seine Stimme ist für viele Beschlüsse entscheidend. Dies bedingt auch, dass bei einem Wechsel des Bürgermeisters nach Kommunalwahlen viele Entscheidungen des vorherigen Amtsträgers in Frage gestellt werden können. Gleichzeitig erfolgt fast immer ein Austausch von Fach- und Führungspersonal. Dadurch kann ein Projekt ernsthaft in seinem Bestand gefährdet werden. Daher muss – gerade bei der Umsetzung kapitalintensiver und langfristiger Projekte – besonderer Wert auf eine rechtliche Absicherung des Vorhabens gelegt werden, die zu einer Unabhängigkeit von der Lokalpolitik führt.

Bei neuen Projekten fordern die zuständigen Genehmigungsbehörden (Landbehörden) oftmals die Einhaltung hoher Standards, die auch über den regionalen Stand der Technik und die übergeordneten gesetzlichen Reglungen hinaus gehen. Dahinter steht die Philosophie, dort eine hohe Umweltentlastung zu fordern, wo sie einfach umzusetzen ist; während bestehende Anlagen mit geringem Umweltstandard oftmals geduldet werden (müssen). Gerade bei neuen und wenig angewandten Technologien besteht eine große Unsicherheit auch bei den Behörden hinsichtlich der Bewertung dieser Technologie. In Praxis bedeutet dies, dass bei der Umsetzung eines Vorhabens mit neuer Technik bereits frühzeitig das Gespräch mit den zuständigen Behörden zu suchen ist mit dem Ziel, eine sachgerechte Bewertung zu ermöglichen.

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Teil C – Betrachtungen zur Realisierung eines MBA-Konzepts

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Die Abfallwirtschaft ist in Brasilien noch ein vergleichsweise junges Thema. Dies betrifft im besonderen Maße alle Maßnahmen einer integrierten Abfallwirtschaft und die biologische Behandlung, die bisher nur im Pilotmaßstab umgesetzt wurden. Dabei handelt es sich oftmals um Vorhaben, die auf Initiative Einzelner umgesetzt wurden. Systematische Planung, Prozesskontrolle und Betriebsführung standen dabei nicht immer im Vordergrund. Diese Aspekte sind jedoch für eine erfolgreiche Umsetzung solcher Maßnahmen entscheidend. Im vorliegenden Kontext ist daher besonderes Augenmerk auf eine ingenieurtechnische Gesamt- und Einzelplanung zu achten sowie auf eine korrekte und sachdienliche Dokumentation und Kontrolle aller Betriebsdaten im Sinne einer geordneten Betriebsführung.

Ein wesentlicher Grund für die betrieblichen Schwierigkeiten, die in Novo Hamburgo aufgetreten sind, lag in der nicht ausreichenden Qualifikation des beteiligten Personals. Dies betrifft sowohl das technische und administrative Personal bei der Stadtverwaltung und der COMUR als auch das Betriebspersonal auf den Anlagen. Eine geordnete Abfallwirtschaft ist in Brasilien ein noch junges Thema, so dass es auf fachlicher Ebene kaum einschlägig qualifiziertes Personal gibt. Auch das Betriebspersonal verfügt in der Regel über keine spezielle Ausbildung. Andererseits stellen aber gerade die angepassten, extensiven Abfallbehandlungstechnologien besondere Anforderungen an eine geordnete Betriebsführung. Dies verdeutlicht, dass bei der MBA ein intensiver Wissenstransfer sowie umfangreiche und wiederholte Schulungen für den Erfolg unerlässlich sind.

Die Infrastruktur vor Ort zur Durchführung von Projekten im Bereich der Abfallwirtschaft ist oftmals noch im Aufbau. So fehlen geeignete Laboreinrichtungen ebenso wie Messgeräte. Dies ist ebenfalls der Tatsache geschuldet, dass die Beschäftigung mit der Abfallwirtschaft auf ingenieur-technischer und wissenschaftlicher Ebene noch relativ neu ist. Es bestehen zwar in vielen Metropolen Umweltlabore, die auch die Analyse von Abfallstoffen anbieten. Nach Erfahrungen der Autoren liegen jedoch i.d.R. keine ausreichenden Erfahrungen im Umgang mit einem so heterogenen Probenmaterial wie Abfällen vor, so dass die Messergebnisse häufig als nicht zuverlässig beurteilt werden müssen. Sofern möglich, empfiehlt es sich, eigene Meß- und Laborausstattung mit zu bringen bzw. das beauftragte Labor ausreichend in die Probenaufbereitung und –analyse einzuweisen.

Der persönlichen Sicherheit und dem Diebstahlschutz muss in Brasilien größeres Augenmerk gewidmet werden als dies aus Deutschland und Europa bekannt ist. Gerade Deponien und Abfallbehandlungsanlagen liegen oftmals weit außerhalb formeller Siedlungen. Vielfach befinden sich informelle Siedlungen in unmittelbarer Nähe der Deponie. Bei den bestehenden großen Einkommensunterschieden und dem geringen Zugang der ärmsten Schichten zu formeller Beschäftigung und Wohlstand ergibt sich daraus ein erhöhtes Kriminalitätspotenzial. Daher ist dem Rat der lokalen Bevölkerung über persönliche Schutzmaßnahmen unbedingt Folge zu leisten. Ferner muss auch für eine ausreichende Absicherung von Anlagen und Geräte gesorgt werden.

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Zusammenfassung und Fazit

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7 ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT

7.1 HINTERGRUND

Die mechanisch-biologische Abfallbehandlung (MBA) bietet vielfältige Möglichkeiten, Abfälle stoffstromspezifisch zu behandeln. Dies zeigen die mannigfaltigen Verfahrenskonzepte der MBA, die in Deutschland und Europa realisiert wurden. Mit der Umsetzung einer MBA können sowohl die Anforderungen an eine weitgehende Rückgewinnung von recyclebaren Wertstoffen als auch an eine emissionsarme Deponierung gleichzeitig erfüllt werden. Als kosteneffizientes Verfahren kann die MBA flexibel an die jeweiligen Rahmenbedingungen angepasst werden.

Vor dem Hintergrund dieser Verfahrensmerkmale kann die MBA grundsätzlich als gut geeignet für den Einsatz in Schwellen- und Entwicklungsländern bezeichnet werden. Die Rahmenbedingungen für die Abfallwirtschaft unterscheiden sich in diesen Ländern oftmals grundlegend von denen in Deutschland und Europa, so dass angepasste Verfahren benötigt werden, die auch unter den spezifischen lokalen Voraussetzungen erfolgreich angewendet werden können. So können bereits Abfallzusammensetzung und –arten, gesetzliche Vorgaben sowie die verfügbaren finanziellen Mittel für die Abfallbewirtschaftung in solchen Ländern stark von den Gegebenheiten in Deutschland und Europa abweichen.

Brasilien hat in den letzten Jahren umfangreich in die Verbesserung der Abfallwirtschaft investiert. So haben viele Gemeinden den Anschlußgrad an die Müllabfuhr erhöht, eine getrennte Abfuhr von Wertstoffen eingeführt und den Standard der Deponierung deutlich erhöht. Dennoch finden Verfahren zur Behandlung der Abfälle, wie beispielsweise die Kompostierung oder Müllverbrennung, noch nur wenig Anwendung.

Mit einer solchen Vorbehandlung oder Verwertung können die Umweltbelastungen und das Gefährdungspotenzial aus der Deponierung unvorbehandelter Siedlungsabfälle minimiert werden. Die Umsetzung von Vorbehandlungsverfahren ist daher als ein wesentlicher Baustein eines vorsorgenden Umweltschutzes und der Daseinfürsorge anzusehen. Den zusätzlichen Kosten, die durch die Behandlung anfallen, stehen im Regelfall erhebliche Einsparungen durch eine einfachere und nachsorgeärmere Deponierung der behandelten Reststoffe sowie ggf. Einnahmen aus dem Verkauf von Wertstoffen gegenüber. Grundsätzlich kann daher erwartet werden, dass eine Abfallbehandlung kosteneffizient realisierbar ist, d.h. dass im Verhältnis zu den unbestreitbaren ökologischen Vorteilen nur geringe Mehrkosten anfallen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die positive Wirkung der Abfallbehandlung auf die klimarelevanten Emissionen aus der Abfallwirtschaft montetär berücksichtigt werden kann. So führt die Abfallbehandlung beispielsweise dazu, dass bei der Deponierung weniger treibhauswirksames Methan gebildet und freigesetzt wird. Für diese Vermeidung von Treibhausgasemissionen durch die Abfallvorbehandlung können im Rahmen der internationalen Klimaschutzabkommen, hier: des Clean Development Mechanisms (CDM) so genannte Emissionszertifikate generiert werden, die verkauft werden können. Durch die Nutzung der CDM kann die Kosteneffizienz einer Abfallbehandlung somit verbessert werden.

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Zusammenfassung und Fazit

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Anhand des Fallbeispiels Novo Hamburgo im Bundesstaat Rio Grande do Sul wurde im vorliegenden Leitfaden untersucht, wie die in Deutschland und vielen europäischen Ländern etablierte MBA-Technologie in Brasilien angewendet werden kann, welche Leistung sie erzielt und wie sie in eine integrierte Abfallwirtschaft eingepasst werden kann. Diese Arbeit ist das Ergebnis mehrjähriger Forschungsarbeit zur MBA und angrenzender Bereiche in Brasilien. Einen Schwerpunkt dieser Forschungstätigkeit bildete das Pilotprojekt zur MBA in Novo Hamburgo, das die TU Braunschweig und GKE Consult GmbH mit Förderung des BMBF von im Zeitraum von 2002 bis 2007 durchführten. Im Zentrum des Projekts stand die Frage, wie sich die MBA unter brasilianischen Bedingungen in ein integriertes Abfallwirtschaftskonzept einpassen lässt. Gesamtziel war es, ein geschlossenes, optimiertes und an die lokalen Rahmenbedingungen angepasstes Konzept zur mechanisch-biologischen Abfallbehandlung zu entwickeln, das die angrenzenden Bereiche der Wertstoffsortierung, Deponierung sowie Prozess- und Sickerwasserreinigung berücksichtigt.

In Novo Hamburgo bestanden bereits vor Projektbeginn eine Sortieranlage sowie eine Gesamtmüllkompostierung im Pilotmaßstab. Die Kapazität beider Anlagen reicht derzeit noch nicht aus, um den gesamten Abfallstrom aus der Haus- und Geschäftsmüllabfuhr zu verarbeiten. So müssen derzeit noch schätzungsweise 84 – 91% des Haus- und Geschäftsmülls deponiert werden. Die Stadtverwaltung strebt einen Ausbau beider Anlagenteile auf die erforderlichen Kapazitäten an. Die Autoren des vorliegenden Leitfadens haben Leistung, Kosten und Probleme beider Anlagen im Verlauf des oben genannten Forschungsvorhabens umfassend untersucht und formulieren auf dieser Basis Vorschläge für ein optimiertes Verfahren der Abfallsortierung und –kompostierung.

Ziel war es dabei nicht, diese Vorschläge im Sinne einer Vorplanung auszuarbeiten; es sollten vielmehr allgemeingültige Aussagen zu Möglichkeiten und Leistungsfähigkeit der Abfallbehandlung im Rahmen einer integrierten Abfallwirtschaft formuliert werden, die auch auf andere Standorte übertragen werden können.

7.2 RECYCLING UND SORTIERUNG

Mit der getrennten Sammlung von Verpackungsmaterialien und anderen Wertstoffen werden in Novo Hamburgo offensichtlich nur geringe Mengen an Wertstoffen abgeschöpft bei einem hohen Anteil von Fehlwürfen in der getrennt gesammelten Fraktion. Der Haus- und Geschäftsmüll aus der täglichen Müllabfuhr wird daher zusammen mit den Wertstoffen aus der wöchentlichen Getrenntsammlung weiter verarbeitet.

Dabei reicht jedoch die Kapazität der Sortieranlage nicht aus, um den gesamten Abfallstrom zeitnah sortieren zu können. Gleichzeitig ist die Effizienz der manuellen Sortierung am Fließband vergleichsweise gering, da alle Abfallgebinde von Hand geöffnet werden und der gesamte Abfallstrom durchsucht werden müssen. Somit können nur geringe Mengen an Wertstoffen, entsprechend 2-6% des Hausmüllaufkommens (1.000 – 3.000 Mg/a), abgetrennt und verkauft werden. Die Sortieranlage wird durch eine Wertstoffsammlerkooperative betrieben; die Einnahmen aus dem Wertstoffverlauf stellen

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Zusammenfassung und Fazit

-157-

daher das Einkommen der Kooperativenmitglieder dar. Infolge der geringen aussortierten Wertstoffmengen sind die Gehälter der Kooperativenmitglieder auch im brasilianischen Vergleich eher gering.

Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen des vorliegenden Projekts Maßnahmen zur Verbesserung der Wertstoffabschöpfung und der wirtschaftlichen Situation der Wertstoffsammlerkooperative untersucht. Dazu kamen zwei unterschiedliche Szenarien in Betracht: Zum einen können Maßnahmen zur Verbesserung der Getrenntsammlung eingeführt werden mit dem Ziel, die abgeschöpften Mengen zu erhöhen und die Qualität der Wertstofffraktion hinsichtlich Fehlwürfen zu verbessern. Zum anderen kann der Sortieranlage eine einfache mechanische Aufbereitung vorgeschaltet werden mit dem Ziel, die Abfallgebinde (Säcke) zu öffnen sowie eine wertstoffangereicherte Grobfraktion abzutrennen und der Sortierung zuzuführen. Grundsätzlich ist auch eine Kombination beider Maßnahmen denkbar, bei der Teilfraktionen getrennt gesammelt und manuell nachsortiert werden, während zusätzlich aus dem Rest-/Hausmüll eine wertstoffangereicherte Fraktion abgesiebt und ebenfalls manuell nachsortiert wird.

Zur Verbesserung der Getrenntsammlung konnten im Rahmen des vorliegenden Berichts lediglich generelle Hinweise und Anmerkungen dargestellt werden, da die Müllabfuhr nicht Gegenstand der Untersuchung war. Grundsätzlich kann dabei festgehalten werden, dass die so genannte „alternierende“ Wertstoffsammlung, die einmal wöchentlich statt der täglichen Hausmüllabfuhr durchgeführt wird, unter den lokalen Gegebenheiten schwierig durchzuführen ist: bei der systemlosen Sammlung fehlen Lagerkapazitäten für Abfälle, so dass die Bewohner häufig auch an den Tagen der Wertstoffabfuhr Hausmüll zu Abholung bereit stellen. Weiterhin kann es vorkommen, dass die bereit gestellten Wertstoffe noch vor der eigentlichen Müllanfuhr von informellen Müllsammlern eingesammelt werden. In der Summe ergibt sich in vielen brasilianischen Gemeinden häufig eine geringe Sammeleffizienz, d.h. eine geringe Abschöpfungsquote bei gleichzeitig vielen Fehlwürfen von nicht recyclingfähigen Abfällen. Ferner erscheint unter den brasilianischen Gegebenheiten eine getrennte Sammlung von Bioabfällen mittelfristig nicht realisierbar, da eine längere Lagerung bei den lokalen Klimaverhältnissen nicht zumutbar ist, aber gleichzeitig eine tägliche Abfuhr nur bei sehr hohen Abschöpfungsquoten wirtschaftlich sein kann, die zunächst nicht erwartet werden können. Aus den vorliegenden Erfahrungen in Deutschland, Europa und Brasilien kann ferner geschlossen werden, dass unabhängig vom gewählten System der getrennten Sammlung drei Aspekte wesentlich für den Erfolg der Getrenntsammlung – d.h. hohe Mengen bei hoher Sortenreinheit - sind: zum einen eine hohe Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz des Systems durch die Bevölkerung, zum anderen eine intensive Öffentlichkeitsarbeit sowie drittens eine rechtliche Absicherung der Getrenntsammlung beispielsweise in Form von Verordnungen oder angepassten Gebührensystemen.

Bezüglich der mechanischen Aufbereitung konnte gezeigt werden, dass mittels einfacher Aggregate eine weitgehende Auftrennung des Hausmülls in die Fraktionen „Wertstoffangereichert“ und „Organikangereichert“ vorgenommen werden kann. Vorgeschlagen wird der Einsatz eines Aggregats zur Öffnung der Abfallgebinde, das keine

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Zusammenfassung und Fazit

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oder eine nur geringe Zerkleinerungswirkung aufweist (Sackaufreißer), und sowie eines nachgeschalteten Trommelsiebs mit einem Siebschnitt von ca. 100 mm. Entsprechend den Auswertungen umfangreicher Sieb- und Sortieranalysen, die im Projektverlauf erfolgten, könnten mit einer solchen Aufbereitung 53% der im Hausmüll enthaltenen Wertstoffe in die Grobfraktion > 100 mm überführt werden, während umgekehrt 91% der Organik in der Feinfraktion < 100 mm verblieben. Diese beiden Fraktionen könnten anschließend jeweils getrennt voneinander weiterbehandelt werden – die wertstoffangereicherter Fraktion würde der Sortierung zugeführt, während die Feinfraktion direkt biologisch behandelt werden kann. Die wertstoffangereicherte Grobfraktion umfasst ca. 15.900 Mg/a, entsprechend ca. 32% des gesamten Hausmüllaufkommens. Die erforderliche Durchsatzleistung der Sortierung könnte also durch eine vorgeschaltete mechanische Aufbereitung um ca. 68% reduziert werden. Damit erscheint auch gleichzeitig eine höhere Sortierleistung in kg aussortierte Wertstoffe pro Arbeiter und Tag realistisch, da nicht mehr der gesamte Abfallstrom durchsucht werden muss.

Die Masse an Wertstoffen, die aus der Grobfraktion aussortiert und vermarktet werden kann, kann auf Grundlage der vorliegenden Analysen zur stofflichen Zusammensetzung des Hausmülls konservativ zu ca. 5.600 Mg/a abgeschätzt werden. Dies entspricht einer Steigerung der Wertstoffabschöpfung gegenüber dem derzeitigen Status quo um den Faktor 1,9 bis 5,6. In dieser Abschätzung ist bereits berücksichtigt, dass die einzelnen Wertstofffraktionen aufgrund von Verschmutzungen und anderen Qualitätsmängeln nicht vollständig verwertet werden können.

Wenn durchschnittliche Wertstoffpreise für die einzelnen aussortierten Fraktionen zu Grunde gelegt werden, lässt sich der erzielbare Verkaufserlös zu ca. 1,07 Mio. R$/a (395.000 €/a) ermitteln. Damit kann beispielsweise nach Abzug der Betriebskosten (hier mit 20% der Einnahmen angenommen) sowie der Kosten für die Kooperativenleitung (hier zu 4.000 R$/Monat geschätzt) den 130 Kooperativenmitgliedern ein Gehalt von ca. 600 R$ (220 €) ausbezahlt werden.

Bei Einsatz einer solchen mechanischen Aufbereitung könnte auf eine getrennte Wertstoffsammlung im Holysystem, wie sie derzeit praktiziert wird, verzichtet werden. Eine getrennte Erfassung von Wertstoffen lässt sich aber dennoch leicht in das vorgeschlagene Konzept integrieren. Sinnvoll könnte beispielsweise die getrennte Erfassung einzelner Teilfraktionen wie Papier/Pappe in Depotcontainern sein. Für Papier/Pappe werden bei guter Qualität hohe Preise erzielt; bei Vermischung mit Hausmüll ist die Qualität jedoch oftmals zu schlecht, um eine stoffliche Verwertung zuzulassen. Da der Papier/Pappe-Anteil im Hausmüll relativ hoch ist, kann hier eine gesonderte Getrenntsammlung sinnvoll sein.

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Zusammenfassung und Fazit

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7.3 BIOLOGISCHE BEHANDLUNG

Wesentlich für den Erfolg der biologischen Behandlung ist eine geeignete Prozessführung und –steuerung, die sicherstellt, dass die Anforderungen der am Abbau beteiligten Mikroorganismen weitgehend erfüllt werden. Dies bedeutet, dass im Betrieb eine ausreichende Sauerstoffzufuhr, ein ausreichender Wassergehalt sowie geeignete Temperaturen sicher gestellt werden müssen. Der derzeitige Betrieb der Gesamtmüllkompostierung erfüllt diese Anforderungen nicht. Der Sortierrest wird über 5-6 Wochen statisch, d.h. ohne Umsetzen, in Mieten behandelt, die mit Baumwollplanen abgedeckt sind und die über im Boden eingelassene perforierte Rohre belüftet werden. Die Belüftungsintensität sollte dabei automatisch temperaturgesteuert geregelt werden; es zeigte sich jedoch, dass die Steuerung nicht funktionstüchtig ist. Weiterhin führte der Einsatz von Baumwollplanen bei belüfteten, statischen Mieten zu einer Austrocknung des Mietenkörpers, dem teilweise durch eine Bewässerung auf der Mietenoberfläche begegnet wurde. In der Summe waren die Abbaubedingungen jedoch suboptimal und das Rottegut wies auch am Ende der Behandlung noch immer eine hohe biologische Aktivität auf; eine Hygienisierung des Rotteguts konnte nicht sichergestellt werden. Der Absatz des produzierten Komposts war daher schwierig; zwischenzeitlich wurde die Kompostierung sogar ganz eingestellt, da der Kompost nicht verkauft werden konnte.

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen wurden insgesamt 4 Mieten intensiv manuell bewirtschaftet, wodurch weitgehend günstige Rottebedingungen hinsichtlich Wassergehalt, Belüftung und Temperatur sicher gestellt werden konnten. Die Ergebnisse dieser Mieten zeigen, dass der Sortierrest aus Novo Hamburgo bei günstigen Abbaubedingungen innerhalb von 5 bis 8 Wochen eine weitgehende Stabilisierung erfahren hat. So konnte ein Massenabbau von 18,2 – 32,6% der Trockensubstanz erzielt werden; der gerottete Abfall wies dann einen Rottegrad von IV auf, was einer nur noch minimalen Selbsterhitzung infolge biologischen Abbaus entspricht. Ferner kann anhand der Temperaturprofile dieser Mieten nachgewiesen werden, dass eine Hygienisierung stattgefunden hat und sich somit keine keimfähigen Pflanzenteile oder pathogenen Keime mehr im Kompost befinden. Im vorliegenden Rottesystem waren das regelmäßige Umsetzen, eine homogene Bewässerung des Rotteguts beim Umsetzen sowie die Steuerung der Belüftungsintensität anhand der Temperaturen wesentlich für den Behandlungserfolg.

Neben dem vorhandenen Rottesystem wurden alternative Verfahren der biologischen Behandlung betrachtet, die bereits seit längerem in Deutschland und Europa angewendet werden und die grundsätzlich auch in Brasilien finanzierbar erscheinen. Für das Fallbeispiel Novo Hamburgo spielt der Platzbedarf als Entscheidungskriterium eine große Rolle, da am Standort Roselândia nur noch begrenzte Freiflächen zur Verfügung stehen. Mögliche Geruchsemissionen gingen dem gegenüber nur in geringem Maße in die Bewertung der einzelnen Verfahren ein, da der Standort Roselândia in großer Distanz zu Wohnbebauung liegt. Für den vorliegenden Fall kann auf Grundlage aller technischen Kriterien die biologische Behandlung in Dreiecksmieten mit mobilen Umsetzern oder in statischen Mieten mit semi-permeabler Abdeckung empfohlen werden.

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Unabhängig vom eingesetzten Rotteverfahren sowie von der Stabilisierungsleistung zeigten die Analysen des produzierten Komposts, dass die Schwermetallgehalte zwar deutlich geringer sind, als dies von Gesamtmüllkompost aus Deutschland und Europa bekannt ist. Dennoch liegen diese Werte deutlich über den entsprechenden deutschen Grenzwerten und im Randbereich der nach brasilianischem Recht noch zulässigen Werte. Eine uneingeschränkte Anwendung des Komposts beispielsweise in der Landwirtschaft kann daher nicht empfohlen werden. Ggf. können die Schwermetallgehalte durch zusätzliche Maßnahmen verbessert werden. So fallen beispielsweise sehr hohe Chrom-Belastungen im Kompost auf, die durch industrielle Abfälle kleiner lederverarbeitender Betriebe in den Abfall eingetragen worden sein könnten. Kleine Industrieabfallmengen von bis zu ca. 50 kg/d werden in Brasilien üblicherweise über die Hausmüllabfuhr entsorgt. Eine gesonderte Sammlung dieser Abfälle könnte u.U. zu reduzierten Schwermetallbelastungen im Hausmüll führen. Ferner können weitere Maßnahmen wie eine gesonderte Sammlung von Schadstoffen/Sonderabfällen (Batterien, Farben etc.) oder die Abtrennung von Eisen- und Nicht-Eisenmetallen aus dem Hausmüll vor der biologischen Behandlung zu einer weiteren Absenkung der Schwermetallgehalte führen. Der Erfolg dieser Maßnahmen muss im praktischen Betrieb überprüft werden. Falls der gerottete Abfall als Kompost verwertet werden soll, müssen in jedem Fall regelmäßige Qualitätskontrollen stattfinden und ferner die zulässigen Anwendungsbereiche sinnvoll an die Qualität angepasst werden.

Grundsätzlich kann zur biologischen Abfallbehandlung angemerkt werden, dass die Betriebsführung einen entscheidenden Einfluss auf den Behandlungserfolg nimmt und daher eine umfassenden Qualifizierung und Ausbildung des beteiligten Personals wesentlich ist.

7.4 DEPONIERUNG

Die Deponie am Standort Roselândia musste auf behördliche Anweisung geschlossen werden, da es Zweifel an der Standsicherheit gab. Derzeit werden alle Abfälle auf eine ca. 80 km entfernt liegende, privat betriebene Deponie verbracht.

Die Untersuchungen zum Status quo der Deponie zeigen, dass von der Deponie signifikante Emissionen – Sickerwasser und Deponigas- ausgehen, die mit der vorhandenen Infrastruktur nur unvollständig gefasst und behandelt werden können. Auf Grundlage von Gasmessungen und Standard-Modellen erfolgte eine Deponiegasprognose. Demnach sind auch in Zukunft noch hohe Deponiegasemissionen zu erwarten, die in einer Größenordnung liegen, wie sie auch aus Europa von so genannten Reaktordeponien bekannt ist. In der Summe ist zu erwarten, dass in den nächsten 10 Jahren bis zu 116 Mio. m³ Deponiegas entstehen; die flächenspezifischen Methanemissionen können zu 176 – 702 l CH4/m²*d abgeschätzt werden. Der große Wertebereich der prognostizierten Emissionen ist dabei durch die unzureichende Datenlage bedingt. So gehen in die Prognose eine Vielzahl von Parametern ein, die im vorliegenden Fall geschätzt werden mussten. Um den möglichen Korridor der Gasemissionen abzuschätzen, wurden dabei verschiedene Szenarien betrachtet. Anhand der Gasmessungen in den vorhandenen Gasdräns kann die aktuelle Gasproduktion zu mindestens 10 Mio. m³/a abgeschätzt werden.

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Zusammenfassung und Fazit

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Eine Minimierung der Gasemissionen ist in jedem Fall dringend angeraten, da die freigesetzten Emissionen ein relevantes Sicherheitsrisiko darstellen und zum anthropogenen Treibhauseffekt beitragen.

Im Rahmen von Laboruntersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Methangasoxidation prinzipiell auch unter den gegebenen klimatischen Bedingungen eine geeignete Alternative ist, um die Methanemissionen aus der Deponie auf einfachem Wege und kosteneffizient zu reduzieren. Um eine biologische Oxidation des Methans aus der Deponie zu erreichen, kann die Deponie mit einer ca. 1,20 m dicken Schicht eines geeigneten Substrats abgedeckt werden, das optimale Besiedlungsbedingungen für die methanabbauenden Mikroorganismen bietet. Die Praktikabilität dieses Verfahrens wurde in Deutschland und Europa bereits im Rahmen von Forschungsarbeiten nachgewiesen. Die im Rahmen des vorliegenden Vorhabens durchgeführten Laboruntersuchungen zeigen, dass auch bei den vorliegenden regenreichen Klimabedingungen eine ausreichende Methanoxidationsleistung erreicht werden kann, sofern ein geeignetes Substrat gewählt wird. Weitgehend stabilisierte Teilfraktionen biologisch behandelten Restmülls stellen ein solches geeignetes Substrat dar. Starkregen-Ergeignisse, wie sie im subtropischen Klima Südbrasiliens häufig auftreten, mindern dabei die Oxidationsleistung nur kurzfristig; nach Ende des Regens regeneriert sich die Methanoxidation rasch, so dass über längere Zeiträume betrachtet keine signifikanten Einschränkungen der Leistung der Methanoxidation zu erwarten sind. Die mittlere Methanoxidationsleistung liegt mit ca. 425 l CH4/m³*h im Wertebereich der erwarteten flächenspezifischen Methanemissionen der Deponie in Roselândia. Es kann also erwartet werden, dass die freigesetzten Methanemissionen weitgehend abgebaut werden können. Der in Roslândia produzierte Gesamtmüllkompost eignet sich dabei prinzipiell als Substrat für die Methanoxidation, sofern eine ausreichende Stabilisierung sicher gestellt werden kann. Dies wurde anhand von Versuchssäulen gezeigt, die mit Gesamtmüllkompost gefüllt und direkt auf die Deponie Roselândia bzw. die dort vorhandenen Gasdräns aufgesetzt wurden. Auch bei diesen Untersuchungen trug der Methanoxidationsfilter zu einer weitgehenden Reduktion des emittierten Methans bei: die Restkonzentrationen in der Abluft aus dem Filter lagen – je nach Belastung des Filters - bei 0 bis 4 Vol.% CH4.

Ausgehend von diesen Oxidationsleistungen und den prognostizierten Gasemissionen kann ein Vermeidungspotenzial treibhauswirksamer Gasemissionen berechnet werden, das für den vorliegenden Fall bei vollständiger Abdeckung der Deponie zu ca. 37.000 – 76.000 Mg CO2-Äquivalenten abgeschätzt werden kann.

In der Summe ist festzustellen, dass die Methanoxidation auch unter den gegeben spezifischen Bedingungen einen hohen Beitrag zur Verbesserung der Klimabilanz und der Umweltverträglichkeit allgemein der Abfallwirtschaft leisten kann und daher zur Anwendung in Brasilien empfohlen werden kann.

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Zusammenfassung und Fazit

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7.5 SICKERWASSERBEHANDLUNG

Trotz der bestehenden Fassung und –behandlung der Sickerwässer aus der Deponie Roselândia kann mit den bestehenden Einrichtungen nicht vermieden werden, dass unbehandelte oder nur unzureichend behandelte Sickerwässer in die Umwelt gelangen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass keine vollständige und funktionstüchtige Infrastruktur zur Fassung der Sickerwässer besteht, wodurch immer wieder Teilströme im Boden versickern oder oberflächlich ablaufen. Zum anderen konnte die bestehende Teichkläranlage aufgrund technischer Probleme nicht durchgängig plangemäß betrieben werden.

Um Bemessungsdaten für die Sickerwasserreinigung zu ermitteln, erfolgen Analysen und Abflussmessungen des Sickerwassers in Roselândia; ergänzend wurden Vergleichsdaten anderer Deponien herangezogen. Zur Bemessung kann ein Sickerwasserabfluss von 35 bis 50 m³/d zur Grunde gelegt werden, mit einer Fracht von ca. 163 kg CSB/d, ca. 37 kg BSB5/d und ca. 52 kg Nges/d. Diese erheblichen Belastungen bedürfen einer geeigneten Reinigung. Nach Stand des Wissens sind Kombinationen mehrerer Verfahren erforderlich, um eine weitgehende Abreinigung zu erreichen, wie sie auch die gültigen Richtlinien im Bundesstaat Rio Grande do Sul fordern. Als erste Stufe wird dabei in der Regel eine biologische Behandlung vorgesehen; die zweite Stufe kann beispielsweise aus einer Aktivkohleadsorption, einer Umkehrosmose oder einer chemischen Oxidation bestehen. Dabei erscheint vor dem Hintergrund des geringen Energieverbrauchs und der einfach zu beschaffenen Hilfsmittel vor allem die Aktivkohleadsorption eine unter den vorliegenden Rahmenbedingungen als realisierbare Lösung.

Bevor jedoch eine weitergehende Sickerwasserreinigung installiert wird, sind zunächst dringend Maßnahmen zur Verbesserung der Sickerwasserfassung vonnöten, wie beispielsweise die Sanierung und der Ausbau der bestehenden Ringgräben. In einem zweiten Schritt müssen die bestehenden Teiche so ertüchtigt werden, dass sie stabil betrieben werden können. Erst als dritte Ausbaustufe ist die Anordnung eines zweiten Verfahrensschritts vorzusehen.

7.6 INTEGRIERTES KONZEPT ZUR ABFALLWIRTSCHAFT MIT MBA

Auf Grundlage der oben zusammengefassten Untersuchungsergebnisse wurde ein einfaches und flexibel anwendbares Konzept zur integrierten Abfallbewirtschaftung einschließlich einer MBA entworfen, das auch an anderen Standorten angewendet werden kann.

In einem ersten Schritt erfolgt dabei eine mechanische Aufbereitung des gesamten Hausmülls oder – sofern eine getrennte Sammlung beibehalten werden soll - des Restmülls. Mittels Sackaufreißer und Trommelsieb wird der Abfall in eine wertstoffangereicherte Grobfraktion und eine organikangereicherte Feinfraktion aufgetrennt. Dabei kann die Trennleistung durch den eingesetzten Siebschnitt an die vorliegende Abfallzusammensetzung angepasst werden. In Deutschland kommen zumeist Siebschnitte

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Zusammenfassung und Fazit

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zwischen 80 und 140 mm zum Einsatz. Für das Fallbeispiel Novo Hamburgo können beispielsweise mit einem Siebschnitt von 100 mm 53% der Wertstoffe in die Grobfraktion überführt werden und 91% der Organik in die Feinfraktion. Durch geringere Siebschnitte kann der Anteil der Wertstoffe in der Grobfraktion erhöht werden, wobei allerdings gleichzeitig die Qualität der Grobfraktion abnimmt.

Die Grobfraktion wird in der Sortieranlage manuell auf recyclingfähige Wertstoffe sortiert. Durch die vorgeschaltete mechanische Aufbereitung kann die erforderliche Durchsatzleistung reduziert werden bei gleichzeitig wenig nicht recyclingfähigen Materialien im Sortiergut. Somit ist eine höhere Sortiereffizienz zu erwarten, die sich auch in höheren Einnahmen aus dem Wertstoffverkauf widerspiegeln wird. Gleichzeitig können in der Sortieranlage auch getrennt gesammelte Fraktionen nachsortiert und für den Verkauf konfektioniert werden. Der Sortierrest besteht überwiegend aus biologisch nicht abbaubaren Stoffen und kann daher direkt deponiert werden. Ggf. kann dieser auch zu so genannten Sekundärbrennstoffen aufbereitet werden und als Ersatzbrennstoff in industriellen Prozessen wie der Zementherstellung eingesetzt werden.

Die Feinfraktion wird einer biologischen Behandlung unterzogen. Vor dem Hintergrund der begrenzten Finanzmittel, die für die Abfallwirtschaft zur Verfügung stehen, und der begrenzten technischen und personellen Ausstattung können hier vor allem einfache Verfahren der aeroben Behandlung empfohlen werden, wie beispielsweise eine Rotte in Dreiecksmieten oder eine Intensivrotte in statischen Mieten, die mit einer semi-permeablen Membran abgedeckt werden. In jedem Fall sind dabei Maßnahmen zur Minimierung und Fassung eventueller Geruchs- und Sickerwasseremissionen zu treffen; so sollten die Rotteflächen weitgehend überdacht werden, die Mieten abgedeckt werden und das entstehende Prozesswasser aufgefangen und wieder über den Mieten verregnet werden. Des Weiteren ist ein großes Augenmerk auf einen geordneten und fachgerechten Betrieb zu legen, was auch eine intensive Prozesskontrolle und –dokumentation beinhaltet. Hierzu muss das Personal entsprechend geschult werden.

Bei Sicherstellung eines solchen ordnungsgemäßen Betriebs kann bei einer Rottedauer von – je nach eingesetztem Rotteverfahren - 7 bis 11 Wochen ein weitgehende Stabilisierung des Rotteguts erreicht werden, die sich u.a. in einem Massenverlust von ca. 40%, bezogen auf den Input die die biologische Behandlungsstufe, äußert.

Das Rottegut kann deponiert werden, wobei aufgrund der Stabilisierung des Materials nur noch geringe Gasfreisetzungen und geringere Sickerwasseremissionen zu erwarten sind. Gleichzeitig kann das Material infolge der kleineren Kornstruktur hochdicht eingebaut werden. In der Summe wird die nachfolgende Deponierung einfacher und kostengünstiger.

Aus dem Rottegut können auch geeignete Kornfraktionen abgetrennt und als Methanoxidationsfilter für die Deponie verwendet werden. Mit einem solchen Filter, der flächig als Abdeckung auf die Deponie aufgebracht werden kann, kann voraussichtlich ein Großteil der entweichenden Methanemissionen abgebaut werden.

Eine Herstellung von Gesamtmüllkompost und dessen uneingeschränkte Verwertung beispielsweise in der Landwirtschaft können hingegen nicht empfohlen werden, da zum Teil

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Zusammenfassung und Fazit

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hohe Schwermetallbelastungen nachgewiesen werden konnten. Ggf. können diese Schwermetallbelastungen durch ergänzende Maßnahmen reduziert werden, wie beispielsweise eine getrennte Müllabfuhr kleiner Industriebetriebe, die ihre Abfälle zurzeit noch mit der Hausmüllabfuhr entsorgen, oder die Abtrennung von Fe- und Ne-Metallen in der mechanischen Aufbereitung. Dieser Umstand muss im praktischen Betrieb überprüft werden.

Falls Feinfraktionen als Methanoxidationsfilter oder als Gesamtmüllkompost angetrennt werden, müssen nach dem vorgeschlagenen Konzept nur noch 53% des gesamten Hausmülls deponiert werden; ohne Abtrennung von Feinfraktionen aus dem Rottegut erhöht sich dieser Wert auf 62%. Diese Werte wurden für das Fallbeispiel Novo Hamburgo ermittelt; für andere Standorte können sich infolge einer abweichenden Müllzusammensetzung auch geringfügig andere Werte ergeben.

7.7 KOSTEN, EINSPARUNGEN UND EINNAHMEN

Das vorgeschlagene Verfahren der Abfallwirtschaft ist zwangsläufig gegenüber dem Status quo mit Mehrkosten verbunden. Diese Mehrkosten können im vorgeschlagenen Konzept allerdings durch den Einsatz angepasster, kosteneffizienter Verfahren begrenzt werden. Weiterhin stehen den Mehrkosten auch Einsparungen gegenüber. So muss gegenüber dem Status quo nur noch rund die Hälfte des Abfalls deponiert werden, wobei die Einrichtungen zur Fassung und Behandlung der Emissionen gleichzeitig deutlich kleiner dimensioniert werden können, da von dem stabilisierten Deponat nur noch sehr geringe Emissionen ausgehen. Des Weiteren eröffnet der internationale Klimahandel Möglichkeiten, klimawirksame Projekte zu fördern. Solche Vorhaben können in Ländern ohne eigene Reduktionsverpflichtung wie Brasilien als so genannte Clean Development Mechanism (CDM)-Projekte anerkannt werden; für die Reduktion treibhauswirksamer Gase werden dann Emissionszertifikate vergeben, die gehandelt werden können. So bewirkt die MBA eine Reduktion der Methanemissionen der Deponie, ebenso kann die Reduktionsleistung der Methanoxidationsfilter berücksichtigt werden. Für die MBA bestehen bereits anerkannte Methoden und Referenzprojekte, während eine solche für die Methanoxidation erst noch entwickelt werden muss.

In der Summe können die Mehrkosten, die mit dem vorliegenden Konzept verbunden sind, wie folgt beziffert werden:

Wenn die derzeit fälligen hohen Kosten für den Langstreckentransport des Abfalls und der Deponierung auf einer privaten Deponie zu Grunde gelegt werden, ergeben sich unter Berücksichtigung möglicher Einnahmen und Einsparungen Mehrkosten von ca. 1,53 €/Mg, bezogen auf das gesamte Hausmüllaufkommen.

Wenn durchschnittliche brasilianische Deponierungskosten von ca. 6,70 €/Mg angenommen werden, erhöhen sich die spezifischen Mehrkosten auf 5,74 €/Mg, ebenfalls bezogen auf das gesamte Hausmüllaufkommen.

Diese Zahlen wurden für das Fallbeispiel Novo Hamburgo ermittelt. Dabei ist zu beachten, dass alle Kostenschätzungen auf der sicheren Seite liegend erfolgten und teilweise

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Zusammenfassung und Fazit

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europäische Preise zu Grunde gelegt werden mussten. Ferner wurden einzelne Einspareffekte nicht berücksichtigt: so konnten Kosteneinsparungen bei der Müllabfuhr durch den Verzicht auf eine getrennte Sammlung im Holsystem mangels Daten nicht berücksichtigt werden. Auch wurde bei der Sortierung davon ausgegangen, dass die höheren Einnahmen aus dem Wertstoffverkauf ausschließlich dem Sortierpersonal zu Gute kommt und diese Mittel nicht auch zur Deckung eines Teils der Kosten der mechanischen Aufbereitung verwendet werden. Ferner wurden die Einsparungen, die sich infolge der geringeren Gasfreisetzung und der ggf. geringen Sickerwassermengen und –belastungen bei der Deponierung ergeben, nicht monetär bewertet, da hierzu die erforderliche Datengrundlage fehlte. Diese Bewertung muss im Einzelfall vorgenommen werden. In der Summe können sich bei einer Realisierung des vorgeschlagenen Konzepts daher auch geringere Mehrkosten als die hier angegeben ergeben.

In jedem Fall ist hervorzuheben, dass das vorgeschlagene Konzept mit unbestreitbaren Vorteilen einhergeht, die hier nicht monetär bewertet wurden. So kann mit dem MBA-Konzept insgesamt eine ökologisch vertretbare Entsorgung der Abfälle sicher gestellt werden wobei gleichzeitig das Potenzial recyclingfähiger Stoffe weitgehend aus dem Hausmüll abgeschöpft wird. Weiterhin trägt das Konzept zur Verbesserung der Lebensumstände der Müllsammler bei, sofern diese mit einbezogen werden. Der Bau und Betrieb solcher Anlagen bedingen ferner eine Wertschöpfung in der jeweiligen Region, die der regionalen wirtschaftlichen Entwicklung zu Gute kommt. Vor Hintergrund dieser gewichtigen Vorteile des vorgeschlagenen Konzepts können die damit verbundenen Mehrkosten als vertretbar angesehen werden.

7.8 FAZIT

Das vorgeschlagene Konzept zur integrierten Abfallwirtschaft unter Einbeziehung der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung erfüllt die Ansprüche an eine nachhaltige Abfall- und Ressourcenwirtschaft bei gleichzeitiger hoher Kosteneffizienz.

Dies umfasst folgende Aspekte:

Durch die vorgeschaltete mechanische Aufbereitung und Sortierung können recyclingfähige Wertstoffe weitgehend aus dem Hausmüll abgetrennt und wieder dem Stoffkreislauf zugeführt werden.

Eine weitere Wertschöpfung aus dem Abfall kann ggf. durch die Produktion von Sekundärbrennstoffen, Substraten für die Methanoxidation oder – bei ausreichender Qualität - von Komposten erreicht werden.

Die biologische Behandlung führt zu einer hohen Massenreduktion und trägt somit zur Entlastung der Deponie bei.

Der biologisch behandelte Abfall ist weitgehend intertisiert, so dass bei einer Ablagerung auf Deponien nur noch sehr geringe Restemissionen zu erwarten sind.

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Zusammenfassung und Fazit

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Damit werden die Folgen der Abfallentsorgung nicht – wie dies sonst bei Reaktordeponien der Fall ist - auf künftige Generationen übertragen.

Das Konzept trägt in hohem Maße zur regionalen Wertschöpfung bei und erlaubt es, auch soziale Belange, wie die Frage nach der Integration der informellen Müllsammler, zu berücksichtigen.

Das Konzept kann flexibel an die jeweiligen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen angepasst werden. So kann eine getrennte Wertstoffsammlung integriert werden, ebenso wie der Verzicht auf eine solche vertretbar ist. Ferner können je nach lokalen Gegebenheiten unterschiedlichste Technologien der biologischen Behandlung eingesetzt werden; dies schließt beispielsweise auch die Installation einer Vergärung ein, mit der aus dem Abfall der Energieträger Biogas gewonnen werden kann.

Das Konzept lässt sich dezentral und modular realisieren, so dass es flexibel an geänderte Rahmenbedingungen angepasst werden kann.

Das vorgeschlagene MBA-Konzept lässt sich sehr kosteneffizient umsetzen, da einfache, personalintensive Verfahren angewendet werden können, die aber dennoch üblichen ökologischen Standards gerecht werden.

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Anhang

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8 ANHANG

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Anhang

-175-

8.2 DATENANHANG

8.2.1 Deponiegasprognosen

Die Deponiegasmengen können auf Grundlage mathematischer Modelle rechnerisch abgeschätzt werden. Dazu sind Eingangsdaten erforderlich, wie z.B. die bisher erfassten Deponiegasmengen und die Qualitäten und Abbaueigenschaften des abgelagerten Abfalls, die im günstigen Fall auf Grundlage von Messungen und Analysen ermittelt werden. Zwei vielfach verwendete Modelle zur Deponiegasprognose sind der Ansatz nach Tabarasan/Rettenberger sowie der Ansatz von Weber.

Der Ansatz nach Tabarasan/Rettenberger (Gl. 6.1) geht dabei – je nach eingesetzter Abbaukonstante - von einem weitgehenden Abbau des organischen Kohlenstoffs aus und liefert dem entsprechend eher eine Aussage zum Gaspotenzial unter optimalen Abbaubedingungen. In der Regel liefert dieser Ansatz zu hohe Gasvolumina im Vergleich zu den tatsächlich in der Praxis entnehmbaren Volumen.

Gt = 1,868 * Corg * (0,014 * T +0,28) * ( 1- 10-k*t)

mit:

Gt = bis zum Zeitpunkt t pro Mg Abfall produziertes Gasvolumen in [m3/Mg]

1,868 bei vollständiger anaeroben Umsetzung von 1 kg Kohlenstoff (TOC) werden unter Normbedingungen 1,868 m3 Gas gebildet

Corg = Gehalt an organischem Kohlenstoff im Abfall in [kg/Mg]

in Deutschland: 170 – 350 kg/Mg bei frischen Abfällen

150 – 200 kg/Mg bei Altablagerungen

T = Temperatur in der Deponie (≥ 30 °C) in [°C]

k = Abbaukonstante [1/a]

k = ln2/T1/2

T1/2 = Halbwertszeit [a]

leicht abbaubar: T1/2 = 1 Jahr

gut abbaubar: T1/2 = 5 Jahre

schwer abbaubar: T1/2 = 15 Jahre

t= Zeit zwischen dem rechnerischen Beginn, d.h. 1 Jahr nach der Ablagerung, und dem betrachteten Jahr der Gasproduktion in [a]

Der Ansatz von Weber (Gl. 6.2) berücksichtigt dem gegenüber eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren, die die ungünstigen Abbaubedingungen im Deponiekörper widerspiegeln. Dieser Berechnungsansatz liefert somit eher praxisgerechte Ergebnisse.

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Anhang

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Qa,t = 1,868 * M * TC * fa0 * fa * f0 * fs * k * e-k*t

mit:

Qa,t = tatsächlich fassbare gesamte Gasproduktion zum Zeitpunkt t in [m3/a]

M = jährlich angelieferte Abfassmasse in [kg]

TC = Kohlenstoffgehalt des Abfalls in [kg/Mg]

fa0 = Anfangszeitfaktor zur Berücksichtigung der Gasverluste im ersten halben Jahr nach der Ablagerung durch aerobe Umsetzung (0,95 für Kippkantenbetrieb, 0,8 für Dünnschichteinbau) [-]

fa = Abbaufaktor, kennzeichnet das Verhältnis von unter optimalen Bedingungen vergasbarem zum gesamten Kohlenstoffgehalt (ca. 30 % des TC sind für biochemische Umsetzungsprozesse nicht zugänglich), fa ≈ 0,7 [-]

f0 = Optimierungsfaktor; Verhältnis von unter praktischen Deponiebedingungen umgesetztem Kohlenstoff zu unter optimalen Laborbedingungen vergasbarem Kohlenstoff (anaerober Abbau in der Deponie nicht optimal wegen örtlich begrenzter trockener Nester, Hemmung durch bestimmte Stoffe, Unterversorgung mit Nährsalzen und Spurenelementen), f0 ≈ 0,7 [-]

Anmerkung: Das Produkt fa * f0 ist i.d.R. ≤ 0,5, d.h. unter Deponiebedingungen wird nicht mehr als 50% des theoretisch errechneten Gaspotenzials erzeugt

fs = systembedingter Fassungsgrad; Verhältnis der unter Deponiebedingungen in Abhängigkeit von Entgasungssystem und Abdichtung gefassten zur tatsächlich produzierten Gasmenge (100% Erfassungsrate sind in der Praxis unrealistisch, bei sehr guten Erfassungssystemen mit Oberflächenabdichtung des Deponiekörpers sollten max. 60 – 70% angesetzt werden).

Allen Deponiegasprognosen gemein ist, dass sie auf einer Vielzahl von Schätzwerten und Standardparametern basieren, die die Realität nur teilweise widerspiegeln können. Weitere Faktoren, wie die Tatsache, dass auch der Sickerwasseraustrag zu einem C-Abbau führt und damit das Deponiegaspotenzial verringert und der Abbau oftmals infolge suboptimaler Randbedingungen oft nur eingeschränkt abläuft, führen dazu, dass Deponiegasprognosen nur mit großen Abschlägen auf die Praxis zu übertragen sind.

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Anhang

-177-

8.2.2 Kostenberechnungen

GRUNDLAGEN

Für die Ermittlung der jährlichen Kapitalkosten wurden die folgenden Daten zu Grunde gelegt:

Zinssatz: 6%

Abschreibungszeiten:

Bauteil: 20 Jahre

Maschinen/Elektro-Technik: 10 Jahre

Mobiles Gerät: 6 Jahre

Jährliche Unterhaltungskosten (RWU – Reparatur, Wartung und Unterhalt)

Umfasst alle Wartungs- und Reparaturarbeiten, Kosten für Ersatz- und Verschleißteile sowie Versicherung und Steuern

Bauteil: 1,5%/a

Maschinen/Elektro-Technik: 6,0%/a

Mobiles Gerät: 10,0%

Die Berechnung erfolgte anhand der Annuitätenformel:

A = Annuitätenfaktor

K = Kreditvolumen

i = Zinssatz

n = Abschreibungszeit in Jahren

1)1()1(−+

+⋅=

n

n

iiikA

1)1()1(−+

+⋅=

n

n

iiikA

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Anhang

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KOSTEN DER MECHANISCHEN AUFBEREITUNG

Tabelle 8-1: Detaillierte Kostenaufstellung der mechanischen Aufbereitung, Novo Hamburgo

Input [Mg/a] 50.000

alle Preise in € Art Anzahl Einheitspreis Summe

Flachbunker (Boden) (m²) 2.500 30 75.000,00

Dach (m²) 80.000,00

Kran 1 70.000,00 70.000,00

Zerkleinerer 1 80.000,00 80.000,00

Sieb 1 180.000,00 180.000,00

Fließband [m] 15 500,00 7.500,00

Summe 492.500,00

Bauteile und Infrastruktur 13.513,61

Maschinen und E-Technik 45.855,44

Summe 59.369,04

Betriebspersonal 3 15.000,00 45.000,00

Techn. Personal 0,25 30.000,00 7.500,00

Bauteile (1,5%) 2.325,00

Maschinen und E-Technik (6,0%) 20.250,00

Ver- und Entsorgungskosten Strom, Treibstoffe, etc.; psch. 25.000,00

Summe 100.075,00

spezifischer Kapitaldienst 1,19

Spezifische variable Kosten 2,00

Summe spezifische Betriebskosten 3,19

Jährliche variable Kosten (€/a)

Investkosten

Löhne und Gehälter

Maschinen und E-Technik

Bauteile und Infrastruktur

RWU

Jährlicher Kapitaldienst (€/a)

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Anhang

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KOSTEN DER BIOLOGISCHEN BEHANDLUNG

Tabelle 8-2: Detaillierte Kostenaufstellung der biologischen Behandlung in Dreieckmieten mit mobilem Umsetzaggregat

Input [Mg/a] 34.100

alle Preise in € Art Anzahl Einheitspreis Summe

Bauteile und Infrastruktur Befestige Fläche + Entw. (m²) 16.863 30 505.879,12

Radlader (Stck.) 1 127.000,00 127.000,00

Umsetzmaschine (Stck.) 1 200.000,00 200.000,00

Summe 832.879,12

Bauteile und Infrastruktur 44.104,85

Mobiles Gerät 66.499,58

Summe 110.604,43

Betriebspersonal 6 15.000,00 90.000,00

Techn. Personal 0,5 30.000,00 15.000,00

Bauteile (1,5%) 7.588,19

Mobiles Gerät (10%) 32.700,00

Ver- und Entsorgungskosten Strom, Treibstoffe, etc.; psch. 35.000,00

Summe 180.288,19

spezifischer Kapitaldienst 3,24

Spezifische variable Kosten 5,29

Summe spezifische Betriebskosten 8,53

jährliche variable Kosten (€/a)

Investkosten

Löhne und Gehälter

Mobiles Gerät

Jährlicher Kapitaldienst (€/a)

RWU

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Anhang

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Tabelle 8-3: Detaillierte Kostenaufstellung der biologischen Behandlung in statischen Mieten mit semi-permeabler Abdeckung

Input [Mg/a] 34.100

alle Preise in € Art Anzahl Einheitspreis Summe

Befestige Fläche + Entw. (m²) 10.500 30 315.000,00

Prozesswasserspeicher 1 20.000,00

Lüftungssystem (Stck.) 16 10.000,00 160.000,00

Abdeckplanen [m²] 10.000 25,00 250.000,00

Mobiles Gerät Radlader (Stck.) 3 127.000,00 381.000,00

Summe 1.126.000,00

Bauteile und Infrastruktur 29.206,83

Maschinen und E-Technik 55.705,86

Mobiles Gerät 77.481,16

Summe 162.393,85

Betriebspersonal (per anno) 6 15.000,00 90.000,00

Techn. Personal (per anno) 0,5 30.000,00 15.000,00

Bauteile (1,5%) 5.025,00

Maschinen und E-Technik (6,0%) 24.600,00

Mobiles Gerät (10%) 38.100,00

Ver- und Entsorgungskosten Strom, Treibstoffe, etc.; psch. 37.510,00

Summe 210.235,00

spezifischer Kapitaldienst 4,76

Spezifische variable Kosten 6,17

Summe spezifische Betriebskosten 10,93

Jährliche variable Kosten (€/a)

Investkosten

Löhne und Gehälter

Maschinen und E-Technik

Bauteile und Infrastruktur

Jährlicher Kapitaldienst (€/a)

RWU

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Anhang

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Tabelle 8-4: Detaillierte Kostenaufstellung der biologischen Behandlung in statischen Mieten in Boxenausführung mit semi-permeabler Membran

Input [Mg/a] 34.100

alle Preise in € Art Anzahl Einheitspreis Summe

Befestige Fläche + Entw. (m²) 9.500 30 285.000,00

Prozesswasserspeicher (psch) 1 20.000,00

Boxenkonstruktion (psch.) 2.500.000,00

Maschinen und E-Technik Lüftungssystem (Stck.) 16 10.000,00 160.000,00

Mobiles Gerät Radlader (Stck.) 3 127.000,00 381.000,00

Summe 3.346.000,00

Bauteile und Infrastruktur 244.552,68

Maschinen und E-Technik 21.738,87

Mobiles Gerät 77.481,16

Summe 343.772,72

Betriebspersonal 6 15.000,00 90.000,00

Techn. Personal 0,5 30.000,00 15.000,00

Bauteile (1,5%) 42.075,00

Maschinen und E-Technik (6,0%) 9.600,00

Mobiles Gerät (10%) 38.100,00

Ver- und Entsorgungskosten Strom, Treibstoffe, etc.; psch. 51.150,00

Summe 245.925,00

spezifischer Kapitaldienst 10,08

Spezifische variable Kosten 7,21

Summe spezifische Betriebskosten 17,29

Jährliche variable Kosten (€/a)

Investkosten

Löhne und Gehälter

Bauteile und Infrastruktur

Jährlicher Kapitaldienst (€/a)

RWU

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Anhang

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Tabelle 8-5: Detaillierte Kostenaufstellung der biologischen Behandlung in statischen Mieten mit passiver Belüftung (Kaminzug-Verfahren)

Input [Mg/a] 34.100

alle Preise in € Art Anzahl Einheitspreis Summe

Bauteile und Infrastruktur Prozesswasserspeicher (psch) 1 20.000,00

Mobiles Gerät Radlader (Stck.) 3 127.000,00 381.000,00

Summe 401.000,00

Bauteile und Infrastruktur 1.743,69

Mobiles Gerät 77.481,16

Summe 79.224,85

Betriebspersonal 7 15.000,00 105.000,00

Techn. Personal 0,6 30.000,00 18.000,00

Bauteile (1,5%) 300,00

Mobiles Gerät (10%) 38.100,00

Ver- und Entsorgungskosten Strom, Treibstoffe, etc.; psch. 170.500,00

Summe 331.900,00

spezifischer Kapitaldienst 2,32

Spezifische variable Kosten 9,73

Summe spezifische Betriebskosten 12,06

Jährliche Betriebskosten (€/a)

Investkosten

Löhne und Gehälter

Jährlicher Kapitaldienst (€/a)

RWU

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Anhang

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KOSTEN DER ANGEPASSTEN SICKERWASSERAUFBEREITUNG

Tabelle 8-6: Detaillierte Kostenaufstellung der angepassten Sickerwasserreinigung in einer Teichanlage

Input Abfall [Mg/a] 50.000Input Sickerwasser [m³/d] 50

alle Preise in € Art Anzahl Einheitspreis Summe

Teiche à 500 m³ 3 35000 105.000,00

Speicher und Gerinne psch. 50.000,00

Maschinen- und E-Technik Messtechnik psch. 50.000,00

Summe 205.000,00

Bauteile und Infrastruktur 13.513,61

Maschinen- und E-Technik 6.793,40

Summe 20.307,00

Betriebspersonal 1 15.000,00 15.000,00

Techn. Personal 0,25 30.000,00 7.500,00

Bauteile (1,5%) 2.325,00

Maschinen- und E-Technik (6%) 3.000,00

Ver- und Entsorgungskosten Strom, Treibstoffe, etc.; psch. 5.000,00

Summe 32.825,00

0,41

0,66

1,06

spezifischer Kapitaldienst [€/Mg Abfallaufkommen]

Spezifische variable Kosten [€/Mg Abfallaufkommen]

Summe spezifische Betriebskosten [€/Mg Abfallaufkommen]

Jährliche Betriebskosten (€/a)

Investkosten

Löhne und Gehälter

Jährlicher Kapitaldienst (€/a)

RWU

Bauteile und Infrastruktur

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Anhang

-184-

8.3 KONTAKTE

TECHNISCHE UNIVERSITÄT BRAUNSCHWEIG

Leichtweiß-Institut, Abt. Abfall- und Ressourcenwirtschaft

Prof. Dr.-Ing. Klaus Fricke, Heike Santen

Beethovenstr. 51a

38106 Braunschweig

Germany

Tel.: +49 (0)531/391-3969

Fax: +49 (0)531/391-4584

E-Mail: [email protected]

Institut für Siedlungswasserwirtschaft

Prof. Dr.-Ing. Norbert Dichtl

Pockelsstr. 2a

38102 Braunschweig

Germany

Tel.: +49 (0)531/391-7935

Fax: +49 (0)531/391-7947

E-Mail: [email protected]

GKE CONSULT

Dr.-Ing.Olaf Schulz

Roonstraße 11

38103 Braunschweig

Germany

Tel.: +49 (0) 531 /288 91-0

Fax: +49 (0) 531 /288 91-11

E-Mail: [email protected]

www.gke-consult.de

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Anhang

-185-

ULBRA – UNIVERSIDADE LUTERANA DO BRASIL, CANOAS

Engenharia Ambiental

Prof. Dr.-Ing. Erwin Tochtrop

Campus Canoas

Av. Farroupilha, 8001

Prédio 11, sala 24

Bairro São José

Canoas/RS; Cep 92425-900

Fone: (51) 3477.4000; Anschlüsse (Ramais): 9220 und 9505

E-mail: [email protected]

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Anhang

-186-

8.4 KARTE VON BRASILIEN

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Anhang

-187-

8.5 GLOSSAR, ABKÜRZUNGEN, FORMELZEICHEN

Begriff/Abkürzung/Formelzeichen Einheit Erläuterung

a Jahr

AHK Industrie- und Handelskammer

AK Aktivkohle

Aterro sanitário Deponie nach westlichem Standard

Aterro controlado gesicherte Müllkippe

Ato administrativo precário widerruflicher Verwaltungsakt

Banco Central do Brasil Brasilianische Zentralbank

BIP Bruttoinlandsprodukt

BioAbfV Deutsche Bioabfallverordnung

BMBF Deutsches Bundesministerium für Bildung und Forschung

BNDES Banco Nacional de Desenvolvimento - Bras. Nationale Entwicklungsbank

BOT Build-Operate-Transfer

BSB5 mg/l Bio-chemischer Sauerstoffbedarf in 5 Tagen

CADE Conselho Administrativo de Defesa Econômica - Bras. Kartellamt

CDM Clean Development Mechanism

CEMPRE Compromisso Empresarial de Reciclagem - Bras. Unternehmerverband für Recycling

CF Constitução federal - Bundesverfassung

CH4 ppm; Vol.% Methan

COMUR Companhia Municipal de Urbanismo - Stadtwerke Novo Hamburgo

CONAMA Conselho Nacional de Meio Ambiente - nationaler Umweltrat

Concessão Konzession

Contrato administrativo Verwaltungsvertrag

CPMF Contribuição Provisória sobre Movimentos Financeiros - Abgabe auf Bewegungen im Zahlungsverkehr

CO2 ppm; Vol.% Kohlendioxid

CSB mg/l Chemischer Sauerstoffbedarf

d Tag

EW Einwohner

FE Eisenmetalle

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Anhang

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Begriff/Abkürzung/Formelzeichen Einheit Erläuterung

F&E Forschung und Entwicklung

FEE Fundação Economía e Estadística – Amt für Wirtschaft und Statistik des Bundesstaats Rio Grando do Sul

FEPAM Fundação Estadual de Proteção Ambiental Henrique Luis Roessler – bundesstaatliche Behörde für Umweltschutz (Rio Grando do Sul)

GUS Gemeinschaft unabhängiger Staaten – Staaten der eh. Sowjetunion

h m; cm Höhe

h Stunde

IBAMA Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renováveis – brasilianisches Institut für Umwelt und erneuerbare Ressourcen

ICMS Imposto sobre Circulação de Mercadorias e Serviços – Umsatzsteuer auf Waren und Dienstleistungen

IBGE Instituto Brasiliero de Geografía e Estadística - brasilianisches Statistik-Institut

Instruções normativas Normverordnungen

IOF Imposto sobre Operações Financeiras – Finanzgeschäftssteuer

IPI Imposto sobre Produtos Industrializados – Industrieproduktesteuer

IPTU Imposto Predial e Territorial Urbano – Immobiliensteuer

IRPJ Imposto de Renda da Pessoa Jurídica – Einkommenssteuer für juristische Personen

IWF Internationaler Währungsfond

JI Joint Implementation

KMU Klein- und Mittelständische Unternehmen

Lei orgânica kommunale Verfassung

Lixão Wilde Müllkippe

Ltda. Sociedade Limitada – GmbH

MBA Mechanisch-biologische Abfallbehandlung

Mercosul Lateinamerikanische Zollunion

Ministrério Público Innenministerium

MST Movimento Sem Terra – Landlosenbewegung

MP Medidas provisórias – provisorische Maßnahmen

N Stickstoff

NE Nicht-Eisenmetalle

Nl l Norm-Liter (normiert auf 0°C, 1013 bar, 0% rF)

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Anhang

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Begriff/Abkürzung/Formelzeichen Einheit Erläuterung

O2 Vol.% Sauerstoff

ÖPNV Öffentlicher Personen-Nahverkehr

ÖPP Öffentlich-private Partnerschaften

oTS % TS organischer Trockensubstanzgehalt

oTSbio %TS biologisch abbaubare organische Trockensubstanz

P Phosphor

Permissão Genehmigung

PPP Public-Private Partnership

PP Polypropylen

PET Polyethylen

Prefeitura Stadtverwaltung

Q m³/d Volumenstrom

RDF Refuse Derived Fuel - Sekundär- bzw. Ersatzbrennstoffe (SBS bzw. EBS)

RWU Reparatur, Wartung, Unterhalt

SA Sociedade Anônima - Aktiengesellschaft (AG)

SEMA Secretaria Estadual de Meio Ambiente - bundesstaatliches Umweltministerium

SEMAM Secretaria Municipal de Meio Ambiente - Städtisches Umweltamt

SISNAMA Sistema Nacional do Meio Ambiente - Nationales Umweltsystem

SP Bundesstaat São Paulo

TEC Tarifa Externa Commun - gemeinsamer Außenzolltarif

TOC %; g/kg Total Organic Carbon

TS % Trockensubstanz-Gehalt

UASB Upstream Anaerobic Sludge Blanket

UNO United Nations Organization - Vereinte Nationen

UVP Umweltverträglichkeitsprüfung