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___________________________________________________________________________ KAPITEL 6 SCHÜLEREXPERIMENTE ___________________________________________________________________________ 6.1 Zielsetzungen der Schülerexperimente Die Neurophysiologen HELD und HEIN führten 1963 ein Experiment durch, das unter der Bezeichnung „Körbchen- kätzchenexperiment“ in die Literatur eingegangen ist: Zwei Kätzchen aus dem gleichen Wurf verbrachten mehrere Stunden in einer Anlage (siehe Abbildung). Das eine Kätzchen wurde in einer Schaukel aufgehängt, die durch eine einfache Mechanik in allen Richtungen von dem fast völlig freien, aktiv explorierenden Geschwisterchen bewegt wurde. (Wenn sich die Kätzchen nicht in der Anlage befanden, wurden sie in Dunkelheit bei ihrer Mutter gehalten.) Nach einigen Wochen zeigten Tests, dass das aktive Kätzchen gelernt hatte, sich mit Hilfe seiner Gesichtsfelder ein gültiges Bild der äußeren Welt in Hinsicht auf ein Sich-Bewegen zu verschaffen. Es verhielt sich genauso wie ein normales Kätzchen. Dagegen hatte das Körbchenkätzchen nichts gelernt. Das zeigte sich z. B., wenn man beide Tiere auf ein schmales Brett setzte, das sie auf einer Seite durch einen harmlosen kleinen Sprung, auf der anderen Seite nur durch einen furchterregenden Sturz (allerdings ebenso ohne Verletzungsgefahr) verlassen konnten. Das aktive Kätzchen wählte für den Abgang immer die einfache Seite, während das passive Körbchenkätzchen in wahlloser Weise eine der beiden Seiten benutzte. ?

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KAPITEL 6

SCHÜLEREXPERIMENTE

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6.1 Zielsetzungen der Schülerexperimente

Die Neurophysiologen HELD und HEIN führten 1963 ein Experiment durch, das unter der Bezeichnung „Körbchen-kätzchenexperiment“ in die Literatur eingegangen ist: Zwei Kätzchen aus dem gleichen Wurf verbrachten mehrere Stunden in einer Anlage (siehe Abbildung). Das eine Kätzchen wurde in einer Schaukel aufgehängt, die durch eine einfache Mechanik in allen Richtungen von dem fast völlig freien, aktiv explorierenden Geschwisterchen bewegt wurde. (Wenn sich die Kätzchen nicht in der Anlage befanden, wurden sie in Dunkelheit bei ihrer Mutter gehalten.) Nach einigen Wochen zeigten Tests, dass das aktive Kätzchen gelernt hatte, sich mit Hilfe seiner Gesichtsfelder ein gültiges Bild der äußeren Welt in Hinsicht auf ein Sich-Bewegen zu verschaffen. Es verhielt sich genauso wie ein normales Kätzchen. Dagegen hatte das Körbchenkätzchen nichts gelernt. Das zeigte sich z. B., wenn man beide Tiere auf ein schmales Brett setzte, das sie auf einer Seite durch einen harmlosen kleinen Sprung, auf der anderen Seite nur durch einen furchterregenden Sturz (allerdings ebenso ohne Verletzungsgefahr) verlassen konnten. Das aktive Kätzchen wählte für den Abgang immer die einfache Seite, während das passive Körbchenkätzchen in wahlloser Weise eine der beiden Seiten benutzte.

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Schülerexperimente 6/2

Außerhalb des Unterrichts sind viele Schüler fortwährend am Experimentieren: Sie experimentieren mit offenem Feuer, sie entwerfen neue Papierschwalben, neue Techniken des Anbändelns und Provozierens. Diese Beispiele zeigen, dass es nicht ausreichen würde, die hierfür notwendigen Informationen ausschließlich vermittelt zu bekommen, sondern dass in der Selbsttätigkeit deutlich werden muss, welche Konsequenzen das eigene Handeln erzeugt. Insofern ist die allgemeine Forderung an den Chemieunterricht verständlich, dass er Experimentalunterricht sein müsse.

Schülerexperiment oder Lehrerdemonstrationsexperiment?

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In vielen Publikationen ist zu lesen, dass das Experimentieren - insbesondere das Experimentieren der Schüler - das einzige „Heilmittel“ für den Chemieunterricht sei. Es gilt die Theorie: Chemieunterricht, in dem Schüler selbst experimentieren, ist interessant und lehrreich und steht im Gegensatz zur unrühmlichen „Kreidechemie“.

Häufig wird die Meinung vertreten, dem Schülerversuch sei, wann immer möglich, der Vorzug zu geben. Begründet wird dies

� psychomotorisch:

Manuelle Fertigkeiten werden eingeübt. Eine Erziehung zu exaktem Arbeiten wird erreicht.

� pädagogisch: Soziale und kommunikative Bedeutung erlangt das Schülerexperiment durch die

Kooperation innerhalb der Gruppe.

� lernpsychologisch und affektiv:

Durch „learning by doing“ wird eine Motivationssteigerung angenommen. Dies führt zu positiven Einstellungen der Schüler zum Fach Chemie.

� kognitiv und erkenntnistheoretisch:

Durch praktischen Umgang mit Geräten und Chemikalien erweitern Schüler ihr theoretisches Wissen über die materielle Umwelt und gelangen zu einem vertieften Ver-ständnis der Inhalte und Methoden der Chemie.

Fachdidaktische Forschungen waren ab 1980 um einen Nachweis der angenommenen Wirkungen von Schülerexperimenten bemüht. Welche Untersuchungen liefern Aussagen hinsichtlich der genannten Aspekte? Der erste Aspekt, der sich auf psychomotorische Lernziele bezieht, ist schwerlich zu widerlegen und spricht für den Vorzug des Schülerexperiments. Leider wird es tatsächlich oftmals als zweitrangig angesehen, dass die Chemie eines der wenigen Unterrichtsfächer ist, in denen auch manuell-technisches Geschick vermittelt wird und erst durch regelmäßiges Experimentieren erworben werden kann. Versuche können die Schüler letztlich zu Ausdauer, Zielstrebigkeit und diszipliniertem Arbeiten erziehen. Gleichzeitig muss betont werden, dass die Selbsttätigkeit der Schüler nicht nur auf eine praktische, sondern auch auf eine geistige Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsstoff zielt. Wenn also vom Lehrer nicht die Vermitt-lung einer neuen Arbeitstechnik (z. B. Titration) beabsichtigt wird, sollte pure Geschäftigkeit möglichst vermieden werden und die Bedeutung auf kognitiver Ebene für die Schüler erkenn-bar sein. Hiermit verbunden ist die Forderung, dass auch das Schülerexperiment didaktisch richtig ausgewählt und gemäß der Kriterien aus Kapitel 3 richtig platziert sein muss.

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Schülerexperimente 6/3

In vielen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass Schülerversuche bei Schülern durchaus beliebt sind und eine positive Schülereinstellung zum Fach begünstigen. Ihre unmittelbare Motivationswirkung darf aber nicht überschätzt werden. Es kann nicht erwartet werden, dass Schülerversuche an und für sich motivieren und für alle Jugendliche in gleicher Hinsicht wirken. Wichtig ist mal wieder das methodische und thematische Arrangement, die Aufgabenform, das Problem, die Fragestellung, … Ein Demonstrationsversuch wird die Einstellung stärker positiv verändern, als es ein Schülerexperiment vermag, wenn der Demonstrationsversuch die Neugier wecken, einen Widerspruch erzeugen oder Spekulationen ermöglichen würde und wenn ein entsprechendes Schülerexperiment dies nicht leistete. Zur Effektivität von Schülerübungen auf kognitiver Ebene liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Zum einen ist eine im Vergleich zu anderen Unterrichtsformen deutliche Leistungs-steigerung festgestellt worden; anderen Quellen zufolge sollen Schüler durch experimentelle Eigenaktivitäten jedoch nicht mehr und nicht weniger lernen als durch andere Unterrichts-formen wie etwa durch ein sorgfältig vorbereitetes, durchgeführtes und ausgewertetes Demonstrationsexperiment. Damit stellt sich die Frage: In welchen Situationen ist welche Form des Experimentierens vorzuziehen: wann Schüler-experiment, wann Lehrerdemonstration? Sollen Schüler- und Lehrerexperimente im Verhältnis 3 : 1 oder 1 : 1 realisiert werden? Anstelle einer eindeutigen Antwort: Gewarnt wird vor generalisierenden Schlüssen, weil sie die komplexe unterrichtliche Feldsituation außer acht lassen. Es scheint dringender zu prüfen, ob überhaupt in der täglichen Unterrichtspraxis Schüler die Möglichkeit erhalten, selbstständig zu experimentieren. Schülerexperimenten kommt nämlich ein geringer Stellenwert zu, wenn man die Unterrichts-zeit heranzieht, die durchschnittlich für Schülerexperimente genutzt wird. Vor diesem Hintergrund stellt sich auf keinen Fall die Frage, Schülerexperimente zugunsten von Demonstrationen zu verringern. Vielmehr muss die Forderung erhoben werden, Schüler-experimenten erst einmal einen gleichen Rang wie Demonstrationsversuchen einzuräumen.

Als Gründe, warum Lehrer auf Schülerversuche verzichten, werden von diesen genannt: - hohe Klassenfrequenzen; - Fachraum- und Gerätemangel; - Umfangreiches Stoffpensum, Schülerversuche sind arbeitsintensiv; - Schülerversuche sind gefährlich; - Schülerversuche reproduzieren nur vage und ungenau fachwissenschaftliche Erkenntnis; - In der Lehrerausbildung wurde keine Veranstaltung zur Methodik von Schülerübungen

besucht. Solche Vorbehalte gegenüber Schülerversuchen sollten nicht zur Beruhigung eines schlechten Berufsgewissens führen!

Leistungsbeurteilung Schülerversuche können auch zur Leistungsbeurteilung herangezogen werden. Voraussetzung ist, dass die Schüler im Unterricht regelmäßig selbst Experimente durchführen konnten und somit ausreichend Gelegenheit zum Erlernen der experimentellen Techniken gegeben war. Häufiger findet man Experimente in Klausuren eingebunden. Diese beinhalten meist die Deutung kleiner Handversuche oder die Anwendung analytischer Verfahren. Die „Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Chemie“ unterstützen den Einsatz des Experiments ausdrücklich.

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Schülerexperimente 6/4

Auftrag zu Beispiel 1:

� Bearbeiten Sie zunächst nur skizzenhaft und rein fachlich die Grundkursaufgabe zum schriftlichen Abitur.

� Welche Chemikalien und Geräte würden Sie den Schülern zur Verfügung stellen?

Beispiel 1: Schriftliches Abitur (Grundkursniveau) 1

Beschreibung auf der Verpackung:

Hirschhorn Salz (Ammoniumhydrogencarbonat E 503) ist ein Backtriebmittel, das seine volle Aktivität bei Backtemperaturen von über 60 °C entfaltet. Es dient damit der Lockerung und Verfeinerung von Dauer-backwaren wie Leb- und Honigkuchen, Printen, Makronen, Hart- und Weichkeks sowie Biskuits.

Aufgabenstellung:

1. Entwickeln Sie einen Plan zur Durchführung eines Modellexperiments für die Wirkung von Hirschhornsalz beim Backen. Entwerfen Sie eine Skizze für eine geeignete Experimentieranordnung.

Planen Sie den Nachweis zweier Reaktionsprodukte.

Führen Sie die entsprechenden Experimente durch und werten Sie Ihre Beobachtungen aus.

2. Überprüfen Sie die wässrige Lösung von Hirschhornsalz mit einem geeigneten Indikator. Begründen Sie Ihre Beobachtungen. 3. Neben Hirschhornsalz enthalten einige andere Backtriebmittel auch feste Säuren, z. B.

Citronensäure. Beim Lösen dieses Gemisches in Wasser ist eine Gasentwicklung zu beobachten, die zum Auftreiben des Teigs führt.

Erläutern Sie diesen Sachverhalt unter Einbeziehung von Reaktionsgleichungen (verkürzte Ionenschreibweise).

Begründen Sie die besondere Eignung dieses Stoffgemisches als Backtriebmittel.

Beispiel 2: Mündliches Abitur 2

Gegeben ist ein Stoff mit der Summenformel C3H6O. Nach Aufstellung verschiedener möglicher Strukturformeln soll dem Stoff durch eigene Versuche eine mögliche Strukturformel zugeordnet werden bzw. sollen andere der theoretisch möglichen Formeln ausgeschieden werden. Falls einige Versuche aus technischen oder zeitlichen Gründen ausscheiden, so ist wenigstens der einzuschlagende Weg zu erläutern.

1 aus: Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Chemie, in der Fassung vom 05.02.2004, S. 44-47 2 Aus: H. ZANDER, Chemische Experimente in Klassenarbeiten und Klausuren – Aulis Verlag (1994), S. 142

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Schülerexperimente 6/5

6.2 Organisation und Auswertung

Bereitstellung der Materialien Wie können den Schülern die Versuchsmaterialien bereitgestellt werden? Folgende Organisationsmodelle bieten sich an: 1. Einteilung nach Versuchsvorschrift: Für jede Schülergruppe wird vor jedem Schülerexperiment neu eine Kiste mit einem

vollständigen Satz der notwendigen Geräten und Chemikalien vom Lehrer zusammen-gestellt (analog zu den Kistenversuchen im Schulversuchspraktikum).

Diese Vorgehensweise ist mit relativ viel Aufwand für den Lehrer verbunden, der Ablauf während der Unterrichtsstunde aber reibungsloser. Ein entscheidender Nachteil ergibt sich bei einer selbstständigen Versuchsplanung, da Schülerentscheidungen von der Geräte-auswahl beeinflusst bleiben.

2. Einteilung nach Geräten (zentral aufbewahrte Geräte):

In jeder Kiste befindet sich die benötigte Anzahl einer einzigen Gerätesorte oder einer Chemikalie, z. B. zehn Reagenzglasständer in einer Kiste, zehn Flaschen mit 1 M Salz-säure in einer anderen Kiste. Die Kisten werden zentral (z. B. auf dem Lehrertisch) bereit-gestellt, so dass sich die Schüler selbständig das notwendige Material für den Versuch abholen. Effektiver als auf dem Lehrertisch gestaltet sich eine ständige Aufbewahrung der Kisten in einem Materialschrank im Übungsraum selbst. Der Lehrer hat dann nur im Anschluss an die Versuche die Aufgabe, die Schränke auf Vollständigkeit und Sauberkeit zu prüfen. Diese Variante erfordert entsprechende Räumlichkeiten.

3. Einteilung nach einer festgelegten Grundausstattung:

In jeder Kiste oder in dem Unterschrank eines jeden Schülerarbeitstisches befindet sich jeweils eine festgelegte, stets gleichbleibende Grundausstattung an Geräten. Nur Chemikalien dürfen in den Schülerarbeitstischen nicht aufbewahrt werden. Diese Variante birgt das Risiko einer unüberschaubaren Kontrolle der Geräte nach dem Versuch in sich und erfordert eine zeitintensive Instandhaltung.

Zur Reinigung der Geräte müssen den Schülern Reagenzglasbürsten und Spülmittel, aber auch Unterrichtszeit zur Verfügung gestellt werden.

Gruppenarbeit? Es ist im Chemieunterricht üblich, die Schüler in Zweier- bis Vierergruppen (je nach den Anforderungen an die praktische Arbeit und die Protokollierung) experimentieren zu lassen. Das Arbeiten in Gruppen hat einmal aufgrund des Material-, Chemikalien- und Platzbedarfs pragmatische Gründe. Andererseits sprechen die allgemein für Gruppenarbeit gültigen Argumente - wie die Förderung kommunikativer Fähigkeiten und sozialer Kompetenzen - für diese Organisationsform: Sowohl beim Aufbau als auch bei der Durchführung und Auswertung der Experimente können sich die Mitglieder einer Arbeitsgruppe gegenseitig unterstützen. Dabei lernen sie, in einem Team zu arbeiten, Rücksicht zu nehmen und Erfolg sowie Misserfolg gemeinsam zu erleben.

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Schülerexperimente 6/6

Es sprechen auch Gründe dafür, Schüler ab und zu alleine experimentieren zu lassen: � Die Benotung einer experimentellen Tätigkeit kann so am einfachsten und am gerechtesten

durchgeführt werden. � Individuelle Interessen können berücksichtigt werden. � Es ist auf diese Weise möglich, Schüler, die sich beim praktischen Arbeiten in Gruppen

nicht beteiligen, zu aktivieren und eine fest gefahrene Rollenverteilung zu vermeiden: Bei Gruppenexperimenten führt nämlich oft der manuell geschicktere Schüler die Experimente aus, der fleißige und saubere Schreiber dagegen protokolliert, der „Theoretiker“ interpretiert und der „Zuschauer“ ist froh über die Aktivitäten der anderen.

Dem kann außer durch Einzelexperimente auch entweder durch eine gezielte Änderung der Gruppenzusammensetzung oder durch ein klar strukturiertes Variieren in der Rollen-zuteilung, nach der jeder Schüler seinen bestimmten, aber bei mehreren Gruppen-experimenten andersartigen Auftrag ausführt, begegnet werden.

Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft Rollenkarten, die in der Gruppe vergeben werden (die Abbildung muss durch die Rolle des Experimentators erweitert werden):

Experimentator: … führt die Versuche entsprechend der Versuchsanleitung durch. … beachtet die Sicherheitshinweise bei der Versuchsdurchführung

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Schülerexperimente 6/7

arbeitsteilig? Die einfachste Form der Schülerversuche besteht darin, alle Gruppen jeweils dasselbe Experiment durchführen zu lassen. Dabei ist der Vorbereitungsaufwand für den Lehrer gegenüber anderen methodischen Varianten geringer (Erstellung der Arbeitsvorschriften, Ausgabe des benötigten Materials). Man wird diese Organisationsform besonders dann wählen, wenn bisher in einer Klasse selten Schülerexperimente durchgeführt worden sind. Für den Lehrenden ist es dann einfacher, den Überblick zu bewahren. Außerdem können sich die Gruppen gegenseitig unterstützen. Auch inhaltliche Erwägungen können dazu führen, arbeitsgleiche Gruppen zu bilden, etwa wenn allen Schülern die gleichen Erfahrungen beim Einüben von Arbeitstechniken zukommen sollen. So kann ein Messwert – etwa der Siedepunkt einer Flüssigkeit – von allen Arbeitsgruppen ermittelt und die Ergebnisse verglichen werden, um mögliche Fehler bei der experimentellen Bestimmung zu erarbeiten. Worin liegen die Chancen des arbeitsteiligen Gruppenunterrichts beim Experimentieren, bei dem die Schülergruppen unterschiedliche Arbeitsaufträge erhalten?

� Zu einem Stoffgebiet können mehrere unterschiedliche Experimente in kurzer Zeit durch-geführt werden, so dass sich eine größere Breite der stofflichen Präsentation ergibt. Etwa zur Erarbeitung einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit und zur Systematisierung bietet es sich an, von jeder Gruppe ein Experiment durchführen zu lassen, das sich von den anderen nur wenig unterscheidet. Dies kann gerade im Hinblick auf eine induktive Vorgehensweise als wichtiger Gesichtspunkt erachtet werden (wahrscheinlich lässt sich sogar im Nachhinein rekonstruieren, welche Gruppe schluderig gearbeitet hat).

� Verschiedene Gruppenaufträge bieten die Möglichkeit einer Binnendifferenzierung: Schwächeren Arbeitsgruppen werden weniger aufwendige Versuche zugeteilt, denen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gewachsen sind.

� In einer Präsentationsphase kann jede Gruppe ihr eigenes Experiment vorstellen. Dadurch finden die Ergebnisse aller Gruppen Beachtung. Entsprechend muss bei differenzierten Schülerexperimenten eine größere Zeitspanne für die Ergebnissicherung eingeplant werden: Die unterschiedlichen Beobachtungen und Erkenntnisse aufgrund unterschiedlicher Arbeitsaufträge sind nämlich für alle Mitschüler bereitzustellen.

Beispiele:

1. Quantitative Auswertungen Durch Änderung der Reaktionsbedingungen oder Konzentrationen der Reaktionspartner

können allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufgestellt werden. Aus Gründen der Arbeits-ökonomie führt jede Gruppe das Experiment unter anderen Bedingungen durch. So kann z. B. die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von Temperatur, Konzentration bzw. Oberflächenbeschaffenheit eines Ausgangsstoffs analysiert werden.

2. Erstellung einer halbquantitativen Rangordnung als Vorstufe der Quantifizierung

Um die Reaktivitätsreihe der Metalle (bzw. die Reihenfolge in deren Sauerstoffaffinität) zu erstellen, können arbeitsteilig die folgenden Versuche durchgeführt werden:

- Kupfer(II)-oxid mit Eisen - Eisen(III)-oxid mit Kohlenstoff - Kohlenstoffdioxid mit Magnesium. In der Auswertung werden die Ergebnisse systematisiert, indem die Metalle in eine

Reihenfolge in ihrem „Wettstreit um Sauerstoff“ gebracht werden. Solche Vergleiche sind wichtige Zwischenschritte zur Einführung quantitativer Begriffe.

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Schülerexperimente 6/8

Präsentation der Ergebnisse

Drei Lehrer werten eine Gruppenarbeit auf unterschiedliche Weise aus:

Lehrer 1: Er arbeitet nach der

Gruppenarbeit die Inhalte im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch auf und bringt begleitend die Ergebnisse der Gruppen-arbeit in sein Tafelbild (in Form einer Tabelle) ein.

Lehrer 2: Jede Gruppe hält die Ergebnisse auf einer Folie fest und stellt diese anschließend im

Plenum vor. Der Lehrer moderiert die gegenseitigen Ergänzungen und Verbesserungen.

Lehrer 3: Die Gruppen werden in neuen Gruppen (Expertengruppen) gemischt und berichten

sich gegenseitig. Für welche Variante würden Sie sich entscheiden?

Die Präsentationsform ist auch mit den Schülergruppen bei den Demonstrations-

veranstaltungen im Block des Schulversuchspraktikums zu bedenken und vorzubereiten!

Mögliche Tätigkeiten der Schüler:

Informationsplakat erstellen

Vortrag mit Overheadfolie

Experiment vorführen

Zeitungsartikel schreiben

Internetseite erstellen

Lernkartei / Ordner / Portfolio anlegen

Text in ein Ablaufschema übersetzen

vorbereitete Tabelle an der Tafel ausfüllen

Handlungsprodukt erstellen

Kugellager Metagruppen

Rollenspiel

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Schülerexperimente 6/9

Kugellager

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Metagruppen / Expertenkongress

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Schülerexperimente 6/11

kleines Beispiel für Metagruppen:

Auf den Spuren von Alfred Werner

ALFRED WERNER (1866-1919) 1913 Nobelpreis für Chemie

Versuch 1

Stelle eine Kupfersulfatlösung her, indem du einen Spatel des Salzes in ca. 15 mL dest. Wasser auflöst. Verteile die Lösung auf drei Reagenzgläser (eines als Reserve). A Gib in eines der Reagenzgläser einige Tropfen der bereit gestellten Natronlauge. B Gib in das andere Reagenzglas auf einmal drei Pipetten voll Ammoniaklösung.

Verschließe die Ammoniakflasche und das Reagenzglas sofort (Geruch!) Anschließend werden auch zu dieser Lösung einige Tropfen Natronlauge gegeben. Beobachtungen:

Aufgaben:

� Erkläre anhand einer Reaktionsgleichung die Beobachtung in Versuchsteil A. � Stelle den anderen Gruppenteilnehmern den von dir durchgeführten Versuch

(Versuchsteile A und B) samt Beobachtungen vor. � Welche Gemeinsamkeiten bestehen bei den Beobachtungen der drei Versuche, die

insgesamt in der Gruppe durchgeführt wurden? � Macht in der Gruppe einen Vorschlag, wie die Beobachtungen im letzten Schritt des

Versuchsteils B aller drei Versuche zu deuten sind.

Sicherheitshinweise:

Kupfersulfat:

Staub nicht einatmen!

Natronlauge:

gesundheits-schädlich

umwelt-gefährlich

ätzend

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Schülerexperimente 6/12

Die Schülerübungen des Beispiels werden in Dreiergruppen durchgeführt. Dabei soll jeder Schüler innerhalb einer Gruppe genau einen der folgenden drei Versuche selbstständig durchführen: Versuch 1 (1. Gruppenmitglied): abgebildeter Arbeitsauftrag (s. o.) Versuch 2 (2. Gruppenmitglied): analoger Arbeitsauftrag; Nickelsulfatlösung statt Kupfersulfatlösung, Natriumcarbonatlösung statt Natronlauge. Versuch 3 (3. Gruppenmitglied): analoger Arbeitsauftrag; verd. Silbernitratlösung statt Kupfersulfatlösung,

Natriumchloridlösung statt Natronlauge. Im Anschluss werden die Beobachtungen in der Meta- bzw. Expertengruppe mit denjenigen Schülern verglichen, die denselben Versuch durchgeführt haben. Erst danach werden die Ergebnisse mit den anderen beiden Mitgliedern der Stammgruppe ausgetauscht und systematisiert.

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Schülerexperimente 6/13

6.3 Hinweise zur Arbeitssicherheit

Es sei nochmals erwähnt, dass an allgemein bildenden Schulen keine Schülerexperimente mit sehr giftigen, krebserzeugenden oder explosionsgefährlichen Stoffen durchgeführt werden dürfen, sofern sie nicht in ausreichend verdünnter Form oder als Verunreinigungen bzw. Beimengungen in Gemischen vorhanden sind. Zu den Umgangsbeschränkungen für Schüler ist besonders hervorzuheben: 3

���� Mit folgenden Stoffen sind keine Schülerexperimente gestattet: Reines Brom, gelber/weißer Phosphor, Alkalicyanid, Schwarzpulver, Kaliumchlorat-

Mischungen mit brennbaren Stoffen, Bleiacetat, Bleinitrat, Blei(II)-oxid. Allerdings darf beispielsweise Bromwasser (max. 5 %ig) nach einer Ersatzstoffprüfung im Schüler-experiment eingesetzt werden.4

���� Mit folgenden Stoffen sind keine Schülerexperimente erlaubt, sofern sie nicht in geringen Mengen bei Experimenten entstehen und entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen werden:

Acrylnitil, Benzol, 1,2-Dibromethan und Diethylsulfat. Eine kleine Brennprobe von Polyacrylnitil im Abzug ist beispielsweise gestattet, auch wenn sich dabei Acrylnitil bildet.

���� Mit folgenden Stoffen dürfen keine Experimente von Schülern bis 16 Jahre durchgeführt

werden: Acetaldehyd, Diethylether, Methylformiat, niedrig-siedender Petrolether. Im „Anhang 1 zur GUV Regel“ (GUV-SR 2004) ist in der vorletzten Spalte der Gefahren-stoffliste gekennzeichnet, ob und in welcher Verdünnung und in welcher Schulstufe der Stoff im Schülerexperiment eingesetzt werden kann. Beispielauszug (verkleinert):

Stoffbezeichnung

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K M RF RE

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

. . .

. . .

. . .

Dimethylether

F+ 12 (2)-9-16-33 9 1 D,Y 1900 4 *

N,N-Dimethylformamid T 61-20/21-36 53-34 10-12 1 2 H 30 4 -

Dimethylglyoxim (Diacetyldioxim)

Xn 20/21/22 36/37 10 2 Xn: w ≥ 25 % +

Dimethylketon s. Aceton

2,6-Dimethylphenol (Xylenol)

T 24/25-34-51/53

(1/2)-26-36/

10-12 2 H Xn: 3%≤w<25% o

Dimethylsulfat (Schwefelsäuredimethylsulfat)

T+ 45-25-26 -34-43

53-45 12-16 2 N 2 3 H,S AIII 0,2* 4 -

3 lt. GUV-SR 2003, „GUV Regel - Umgang mit Gefahrstoffen im Unterricht“ (Tabellen 3 / 4) 4 Zu außerunterrichtlichen Schülerversuchen ist zu bemerken: Jegliches Hantieren mit Schwarzpulver oder

explosiven Stoffen ist ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz, kommt zur Anzeige und wird vom Staatsanwalt untersucht.

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Schülerexperimente 6/14

Im zitierten Anhang findet man die notwenigen Informationen zu den verwendeten Abkürzungen; hier nur auszugsweise und stichwortartig zu unserem Beispiel: zu Spalte 9 D Laborgase in Druckgasflaschen oder Druckgasdosen aufbewahren, Y An gut gelüftetem Ort aufbewahren, N In der Schule nicht aufbewahren.

zu Spalten 10-12: Krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Gefahrstoffe werden jeweils in drei Kategorien eingestuft (Kategorie 1 ist die höchste Stufe).

Fortpflanzungsgefährdende Gefahrstoffe werden darüber hinaus eingeteilt in RF: Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit (Fruchtbarkeit) RE: frucht- bzw. entwicklungsschädigende Wirkung

zu Spalte 13: H Gefahr der Hautresorption (bei Stoffen, welche die äußere Haut leicht zu durchdringen vermögen). Das H weist nicht auf eine Hautreizungsgefahr hin.

zu Spalte 15: In der linken Hälfte der Spalte sind die Luftgrenzwerte aufgeführt (MAK-Werte bzw. bei einer Markierung mit * der TRK-Wert)

Hinweise zum TRK-Wert: Für krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe kann keine arbeitsmedizi-

nisch begründete Schwellenkonzentration angegeben werden, bei deren Unterschreitung unter Beachtung der Rahmenbedingungen eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Beschäftigten ausgeschlossen werden kann. Für diese Stoffe werden Technische Richt-konzentrationen (TRK-Werte) aufgestellt. Die TRK ist die Konzentration eines Stoffe in der Luft am Arbeitsplatz, die nach dem Stand der Technik erreicht werden kann.

In der rechte Hälfte der Spalte werden der MAK- bzw. TRK-Wert, die als Schichtmittel-wert konzipiert sind, durch Kurzzeitwerte ergänzt, um den in der Praxis auftretenden Expositionsspitzen gerecht zu werden. Im Beispiel N,N-Dimethylformamid beträgt in einem 15-Minuten-Zeitraum die erlaubte Kurzwerthöhe 4 . 30 mg/m³ = 120 mg/m3 (Überschreitungsfaktor 4).

zu Spalte 17: Die Symbole geben Auskunft über den Einsatz in Schülerexperimenten: + Schülerexperimente sind mit diesen Stoffen erlaubt. o Schülerexperimente sind mit diesen Stoffen nicht untersagt, jedoch ist die

Ersatzstoffprüfung von besonderer Bedeutung. * Mit diesen Stoffen sind Schülerexperimente nur in der gymnasialen Oberstufe

gestattet. -w Experimente mit diesen Stoffen sind für Schülerinnen nicht erlaubt. - Schülerexperimente sind mit diesen Stoffen nicht erlaubt.

Bei der Durchführung von Schülerversuchen muss der Lehrer sorgfältig und gewissenhaft auf die Einhaltung von Verhaltensregeln oder möglichen Unfallgefahren achten. Damit sollen Sie keineswegs davon abgehalten werden, Schüler experimentieren zu lassen. Jeder Chemielehrer muss jedoch Fehlverhalten bei den Schülern einkalkulieren. Es ist wichtig, den Schülerversuch in der Klasse sorgfältig vorzubereiten, damit die Schüler entsprechende Sicherheitseinstellungen verinnerlichen. Mögliche Gefahrenquellen sind immer in Bezug auf die jeweilige Klassensituation zu prüfen: Dabei müssen Disziplinniveau in der Lerngruppe, Entwicklungsstand der Schüler, Vorwissen, Vertrautheit mit Arbeitstechniken, Stoffkenntnisse bedacht werden. Bewusst überzogene Schilderungen zur Gefährlichkeit verunsichern eher, als sie den Tätigkeitsdrang aktivieren, zumal Schüler durch die öffentliche Umweltdiskussion wohl genügend aktiviert sind und ohnehin jüngere Schüler ängstliche Reaktionen bei Schülerversuchen zeigen. Unbekannte Arbeitsweisen sollten zunächst an einfachen Fragestellungen geübt werden. Gerade jüngere Schüler haben Schwierigkeiten, komplexe Apparaturen zu bedienen (z. B. Destillation, pneumatisches Auffangen von Gasen, Bedienen von Dreiwegehähnen). Dann sollte der Chemielehrer die notwendigen Handgriffe vormachen oder sie mittels einer Schemazeichnung auf Folie oder an der Tafel erläutern.

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Schülerexperimente 6/15

„… wir sind schon mit dem Arbeitsblatt fertig, gucken Sie mal!“

6.4 Das Arbeitsblatt

Beurteilen Sie:

� In welchen Fällen (und andererseits in welchen Fällen nicht) und in welcher Ausprägung bzw. Deutlichkeit sind auf einem Arbeitsblatt zu vermerken:

� Hinweise zur Sicherheit (z. B. R- und S-Sätze), � eine Liste der benötigten Geräte und Chemikalien, � eine Zeichnung des Versuchsaufbaus, � Mengenangaben? � Lohnt es sich, zu jedem Schülerversuch ein Protokoll anfertigen zu lassen? � Welchen (Un-)Sinn haben Arbeitsblätter?

Kriterien für ein gutes Arbeitsblatt: ���� ästhetisch ansprechende Gestaltung, aber nicht (z. B. mit Hervorhebungen) überladen, ���� deutliche und herausfordernde Überschrift, ���� knapper, aber eindeutig und verständlich formulierter Arbeitsauftrag, ���� Informationsmüll vermeiden, ���� Operatoren mit Signalwörtern an den Anfang setzen (z. B. beschreibe, zeichne, ergänze), ���� altersgemäße Sprache, ���� gute Gliederung, aber nicht zu viele Punkte, ���� optische Strukturierung: verschiedene Teile in Blöcke anordnen (z. B. Informationen –

Versuchsdurchführung – Auswertung). Der Arbeitsauftrag sollte enthalten: ���� Problemstellung / Zielangabe, ���� Verfahren (z. B. Experiment), ���� Auswertung, ���� Erwartungen an die Ergebnisdarstellung und ggf. weitere methodische Anweisungen (z. B. Sozialform, Handlungsprodukte, Präsentation, …), ���� Förderung der Selbsttätigkeit der Schüler (s. u.)

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Schülerexperimente 6/16

Die Auswertung nach dem Prinzip der minimalen, zielführenden Hilfe Die bloße Kopie einer experimentellen Vorschrift wollen wir noch nicht als „Arbeits“-blatt bezeichnen. Vielmehr wollen wir davon ausgehen, dass auf einem Arbeitsblatt der Weg vorstrukturiert wird, wie sich die Schüler mit dem gestellten Thema auseinandersetzen sollen. Auf diese Weise dienen Arbeitsblätter dazu, ein erstes Problembewusstsein zu schaffen, die Schüler zu einer individuellen oder partnerschaftlichen Aufarbeitung des neuen Lernstoffs zu bringen und so zu einer „gelenkten“ Selbsttätigkeit zu bringen. Als Strukturierungshilfe, die einen experimentellen Befund mit der Theorie verbinden, dienen auf dem Arbeitsblatt etwa - eine Aufgabenstellung, - eine Tabelle, - ein Diagramm, - eine zu ergänzende Reaktionsgleichung oder - eine Abbildung. Diese Hilfen sollen das Elementare z. B. als grundlegende Einsicht, als formuliertes Gesetz, als gültige Regel, als prinzipielle Erkenntnis freilegen. Die Orientierungshilfen sind allerdings wohldosiert einzusetzen. Auch deren Inhalt und Schwierigkeitsgrad bestimmen von vornherein, ob sich die Schüler angesprochen fühlen oder ob sie gleich resignieren. An dieser Stelle hat der Lehrer in der Unterrichtsvorbereitung die wichtigsten Entscheidungen zu treffen: Sind die Hilfen zu stark und kleinschrittig, so dass der Schüler nicht wirklich problemlösend tätig ist, sondern eher gegängelt wird? Oder sind die Hilfen zu schwach, so dass der Schüler ratlos vor seinem Arbeitsblatt sitzt und Frustrationen kaum zu vermeiden sind? Auch eine Überschrift kann im Übrigen den Arbeitsauftrag prägnant unterstreichen, andererseits aber auch die eigentliche Erkenntnis vorwegnehmen.

Beispiele zur „Neutralisation“:

Drei Varianten für ein Arbeitsblatt zum Thema „Neutralisation“ sind abgebildet. Überlegen Sie jeweils:

� Ist das Arbeitsblatt akzeptabel hinsichtlich der beschriebenen und diskutierten Aspekte?

� Sind insbesondere die Orientierungshilfen angemessen? � Unter welcher Zielsetzung der Unterrichtsstunde und mit welchem Vorwissen

der Schüler könnte das Experiment samt Arbeitsauftrag eingesetzt werden?

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Schülerexperimente 6/17

Variante 1

Salzsäure als „Gegenspieler“ der Natronlauge Gebt vorsichtig in ein Reagenzglas etwas Natronlauge mit Bromthymolblau. Fügt anschließend Salzsäure hinzu. Bestimmt zum Schluss den pH-Wert der Lösung mit dem pH-Papier.

+

+

Natronlauge Bromthymolblau Salzsäure Was beobachtet ihr? _________________________________________________________________________

_________________________________________________________________________

_________________________________________________________________________. Schreibt die Reaktionsgleichung auf:

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Schülerexperimente 6/18

Variante 2

Versuchsanleitung

Füllt in ein Reagenzglas - eine gehäufte Spatelspitze Magnesiumhydroxid (= Hauptinhaltsstoff des Maaloxan), - Wasser bis zu einer Füllhöhe von etwa einem Viertel des Reagenzglases, - einige Tropfen Bromthymolblaulösung. Gebt anschließend tropfenweise Salzsäure ( =̂ Magensäure) hinzu. Schüttelt kurz nach jeder Zugabe. Welche Beobachtungen macht ihr in Abhängigkeit von der zugegebenen Tropfenzahl?

Auswertung

1. Gebt die chemische Formel der folgenden Teilchen (samt Ladung) an:

Teilchenname chemische Formel

Wasser H2O Hydroniumion

Hydroxidion

Chloridion

Magnesiumion

2. Ordnet den Teilchendarstellungen im folgenden Modell die chemischen Formeln aus 1. zu:

Maaloxan-Lösung Säure-Lösung

3. Zeichnet in das leere Kästchen die Modelldarstellung des Reaktionsprodukts ein. Berücksichtigt dabei eure Versuchsergebnisse.

Wie wirkt Maaloxan?

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Schülerexperimente 6/19

Variante 3

Wie können wir Kochsalz herstellen? Leitfrage: Welche der folgenden zur Verfügung gestellten Lösungen würdet ihr wählen, um aus ihnen Kochsalz zu gewinnen?

Schwefelsäure - Salzsäure - Salpetersäure - Natronlauge - Ammoniaklösung

� Ergänzt als Hilfestellung zuerst die folgende Übersicht. Gegebenenfalls müsst ihr in eurem Heft oder Buch nachschlagen:

Lösung enthält die folgenden positiv geladenen Ionen

enthält die folgenden negativ geladenen Ionen

Schwefelsäure

Hydronium-Ionen H3O+

Hydrogensulfat-Ionen HSO4−

Sulfat-Ionen

Salzsäure

Salpetersäure

Natronlauge

Ammoniaklösung

Kochsalzlösung

� Plant jetzt ein Experiment zur Herstellung von festem, möglichst reinem Kochsalz.

Zur Kontrolle wird Bromthymolblau bereitgestellt. Welche Geräte und Chemikalien benötigt ihr außerdem?

Notiert die Versuchsdurchführung. Sprecht anschließend eure Planung mit dem Lehrer ab. Führt schließlich das Experiment durch. Vorsicht: Einige Lösungen sind ätzend!

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Schülerexperimente 6/20

Zur weiteren Beurteilung folgen jetzt einige Arbeitsblätter aus den

Demonstrationsstunden oder den Generalproben.

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Schülerexperimente 6/21

Arbeitsblatt zum Schülerversuch: RITZHÄRTE VON MINERALIEN

Untersuchte Mineralien 1. Gips � Platzierung: _______

2. Calcit � Platzierung: _______

3. Talk � Platzierung: _______

4. Fluorit � Platzierung: _______

5. Beryll � Platzierung: _______

Durchführung: Versuche, mit jeweils einer Gesteinsprobe die anderen zu ritzen. Jeder Stein soll einmal gegen jeden anderen angetreten sein,

so dass das Kästchenschema unten am Ende komplett ausgefüllt ist.

wird geritzt von

Beryll Talk Calcit Fluorit Gips

Beryll

Talk

Calcit

Fluorit

Gips

Ergebnis: Das Gestein, das alle anderen ritzt, ist das härteste. Das,

welches von allen anderen geritzt wird, ist das weichste. Schreibe das Ergebnis in Form einer Platzierung (Rang 1 bis 5)

oben hinter die eingesetzten Gesteinsproben.

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Schülerexperimente 6/22

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Schülerexperimente 6/23

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Schülerexperimente 6/24

Aminosäuren als Puffersysteme

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Schülerexperimente 6/25

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Schülerexperimente 6/26

Modellversuch zur Bildung und Vermeidung von Karies

Vrgl. NiU –Chemie 8 (1997) Nr. 40, S. 29

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6.5 Experimentelle Problemlöseprozesse („Egg Races“)

„Egg Races“ sind problemlösende Aktivitäten, die mit bestimmten erlebnissteigernden Attributen verknüpft sein sollten:

• eine lebensnahe Aufgabenstellung • Einbezug kreativen Denkens und Handelns während der Bearbeitung • Selbstständiges Lösen der gestellten Probleme • Kooperation in der Gruppe

Bei den Egg Races handelt es sich um Situationen, die für den Schüler neu sind und die eine aktive Auseinandersetzung erfordern. Sie weisen im kleinen Maßstab deduktiven Charakter auf. Die Schüler werden vor anregende Probleme gestellt, bei deren Bewältigung sie möglichst in selbstständiger Arbeit eigene Ideen und Vorschläge entwickeln und auch Schwierigkeiten meistern müssen. Wegen der relativ offenen Aufgabenstellung und einem notwendigen Repertoire an chemischen Arbeitstechniken sollten Egg Races nur von Schülern durchgeführt werden, die bereits Erfahrungen mit experimentellem Arbeiten gesammelt haben. Die Rolle des Lehrers in einem experimentellen, problemlösenden Gruppenauftrag:

- Kontrolle zur Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen - möglichst wenige Eingriffe in den Problemlöseprozess - Ermutigung zum Beschreiten ungewohnter Wege und Ermutigung bei experimentellen

Fehlschlägen - gleichmäßige Einteilung leistungsschwacher und –starker Schüler auf alle Gruppen - Kontrolle zur Bewertung von Lösungsideen auf sachlicher Ebene - Gewährleisten, dass jeder Schüler seine Lösungsideen einbringen kann - evtl. Eingrenzung der Anzahl an Lösungsvorschlägen durch bestimmte

Materialausgaben oder durch Hinweise auf Schulbuchtexte

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Schülerexperimente 6/28