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    Beschftigung Globalisierung Standort ...

    Anmerkungen

    zum kapitalistischen Verhltnis zwischen

    Arbeit und Reichtum

    GEGENSTANDPUNKT

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    Sonderdruck aus GEGENSTANDPUNKT Politische Vierteljahreszeitschrift

    4-96, Seiten 103 - 142 und 1-97 Seiten 3 - 21GegenStandpunkt Verlag, Trkenstr. 57, 80799 MnchenTel. (089) 2721604, Fax (089) 2721605, Email: [email protected]: www.gegenstandpunkt.com

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    Beschftigung Globalisierung Standort ...Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen

    Arbeit und Reichtum

    Alle brauchen Arbeit viele finden keine. Man kann das und befindet sich dannin bester Gesellschaft fr ein soziales Problem halten und sich vorstellen, einBndnis fr Arbeit wre die passende Antwort, mit staatlichen Arbeitsbeschaf-fungsmanahmen und einer Senkung der Lohnnebenkosten, mit einer Streichung derVermgenssteuer und einer Umverteilung des knappen Guts Arbeit durch Arbeits-zeitverkrzung, oder wie auch immer. ber eine gewisse Absurditt mu man sich

    dabei allerdings schon hinwegsetzen: Wenn es nicht mehr soviel zu tun gibt, dasNtige von weniger Leuten in krzerer Zeit zu erledigen ist warum braucht dannberhaupt jeder Arbeit, und auch noch so viele vollgepackte Arbeitsstunden, umleben zu knnen? Da weniger Arbeit ersparte Mhe bedeutet: Warum gilt die Glei-chung nicht?

    Es liegt eben doch noch etwas anderes vor als eine soziale Problemlage; undjeder wei auch was: Da so viele Leute keine Arbeit finden, liegt an einem kono-mischen Problem. Arbeit unterbleibt, wenn sie nicht rentabel ist, d.h. wenn sie demUnternehmen, in dem und fr das sie stattfindet, nicht gengend einbringt; nichtgenug Ertrag nmlich, um in der Konkurrenz, der globalen, zu bestehen. Wenndas aber so ist; wenn Arbeit nur stattfindet, wenn und solange sie rentabel ist; dannfindet sie auch nur deswegen statt, weil sie einem Unternehmen Geldertrge ver-schafft: Rentabilitt ist der konomische Zweck, fr den sie stattfindet. Es soll gear-beitet werden; aus keinem anderen Grund, als weil Arbeit sich rentiert; mit keinemanderen Ziel als dem nie abschlieend zu erledigenden Auftrag, rentabel zu sein undGeld einzubringen; deswegen auch je mehr, um so besser am liebsten mchte mandie ganze Welt versorgen, den Chinesen U-Bahnen bauen und die lscheichtmermit Klimaanlagen ausstatten, um mit der geleisteten Arbeit die Kaufkraft derMenschheit zu monopolisieren. Arbeit, weil sie Geld bringt: dieser kategorische

    Imperativ beherrscht die herrschenden Verhltnisse so total, da alle Zeitgenossenihm folgen mssen, um leben zu knnen, und egal welche: Arbeit brauchen. Undaus keinem anderen Grund unterbleibt sie dann eben auch, wenn sie nmlich nichtgengend Geld bringt; was offenbar gerade mit den Rentabilittsfortschritten bei derAnwendung von Arbeit immer hufiger der Fall ist. Die konomische Zielsetzung,die in der sogenannten Marktwirtschaft total und exklusiv bestimmend ist, ist offen-kundig von der Art, da sie mit sich selbst in Widerspruch gert: Da ist die Mensch-heit dem Zwang unterworfen zu arbeiten, weil Arbeit Wert schafft und Unternehmenbereichert; und kaum kommt dieser Zirkus in Schwung, kollidiert er mit seinemeigenen Kriterium: dem Zwang, immer mehr Wert zu schaffen.

    Es mag ja sein, da sich alle Welt an diese Verrcktheit gewhnt hat und sie nor-mal findet immerhin, auch die kundigsten Experten und mchtigsten Verwalter

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    dieses Systems kommen leicht ins Schleudern, wenn sie Auskunft geben sollen,ob nun eigentlich zuwenig gearbeitet wird, wenn 4 Millionen Arbeitslose in derNation, 30 Millionen in der EU und zahllose Millionen auf dem Globus herumlun-gern, oder ob nicht doch noch zuviel gearbeitet wird, wenn die reine wirtschaftlicheVernunft die Schlieung der letzten Werften an der Nordsee und am Mittelmeer

    gebietet und solange die Zechen im Ruhrgebiet nur mit Milliardensubventionen wei-terarbeiten. Tatschlich scheint eben beides zugleich vorzuliegen: zuwenig, weil esbeim Arbeiten doch um immer mehr Geld geht und dafr nie genug geschehen kann;zuviel, weil es beim Arbeiten doch um immer mehr Geldvermehrung geht und vordieser Zwecksetzung viel Arbeit, die es gerade noch gebracht hat, versagt. Es hilft janichts, da es nun einmal so ist es ist, hflich gesprochen, ein wenig wider-sprchlich, dieses System der rentablen Arbeit.

    Keine Frage: Staat und Unternehmen knnen damit prchtig leben sie organisie-ren die Arbeit ja so und profitieren von ihrer Rentabilitt. Den systemeigenenWiderspruch, da erstens unbedingt gearbeitet werden mu und deswegen zweitens

    nur sehr bedingt, fr Geldertrge nmlich in der einen wie in der anderen Hinsicht,das machen sie zu einem Problem derer, die als ausbendes Personal erstens unbe-dingt Arbeit brauchen und zweitens ganz oft keine finden; und dann definieren siedie materiellen Probleme, die die Leute haben, als soziale Problemlage, die sie mitden bedrftigen Leuten haben.

    Man sollte diese praktisch wirksame bersetzungsleistung nicht auch noch theo-retisch billigend nachvollziehen und, vom Elend gerhrt, die Lge vom sozialenProblem fr die Sache nehmen und dann womglich noch darber jammern undnach Schuldigen dafr suchen, da diesem Problem durch all die eifrig diskutier-ten, probierten und wieder aufgegebenen Bndnisse fr Arbeit ohnehin nie beizu-kommen ist. Genausowenig empfiehlt es sich, das Kriterium der Rentabilitt alsInbegriff wirtschaftlicher Vernunft zu quittieren und mit den Bedenklichkeiten erstanzufangen, wenn die ffentliche Meinung sich entschliet, seine Schattenseitenzur Kenntnis zu nehmen. Die Absurditt des Systems, der Grund seiner Schdlich-keit fr die Masse seiner Insassen, liegt nicht darin, da Arbeit nichtstattfindet,wenn sie nichtrentabel ist, sondern da sie stattfindet, weil es um Rentabilitt geht.Seine soziale Gemeinheit beginnt nicht damit, da die Leute, die Arbeit brauchen,oft keine finden, sondern besteht schon darin, da sie Arbeit brauchen; da sie dannnoch nicht einmal sicher sein knnen, eine zu finden, folgt daraus von ganz allein.

    Die Bedingungen, denen die Marktwirtschaft die Arbeit unterwirft, enthalten diewesentlichen Bestimmungen dieses Produktionsverhltnisses. Sie sich klarzuma-chen, schafft garantiert keine Arbeitspltze. Deswegen hier ein paar Ermunterungendazu.

    I.

    In der Marktwirtschaft wird gearbeitet, nicht um die Menschheit mit derbentigten Vielfalt von Gebrauchsgtern, mit materiellem Reichtum zu versor-gen, sondern um Geld zu verdienen. In dieser konomischen Zielsetzung, Eigen-

    tum in Geldform zu erwerben, sind sich die Mitglieder der brgerlichen Gesell-schaft ber alle Standesgrenzen und Klassenschranken hinweg einig. Denn fr

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    alle gilt unterschiedslos, da die Befriedigung von Bedrfnissen nicht allein vomVorhandensein ntzlicher Dinge, sondern von einem ausschlieenden Verf-gungsrecht darber abhngt vom Eigentum. Als Eigentum nmlich: als demmateriellen Bedrfnis nach ihnen erst einmal entzogene Objekte einer privatenVerfgungsmacht, kommen die bentigten Arbeitsprodukte in die Welt.

    Deswegen entscheidet sich fr die Mitglieder dieser egalitren Gesellschaftdes Geldverdienens konomisch alles daran, ob sie schon Geld haben oder erstwelches verdienen mssen. Wer nmlich arbeiten mu, um ein Stck Eigentumzu erwerben, weil der materielle Reichtum der Gesellschaft schon anderengehrt, der braucht jemanden, der Geld hat und ihn fr seine Arbeit bezahlt.Und der ist folgerichtig damit konfrontiert, da seine Arbeit nur sehr bedingtsein Mittel ist, um an wohlverdientes eigenes Geld heranzukommen, das ihm einbichen Zugriff auf die Warenwelt gestattet. Um ihm diesen Dienst zu tun, musich seine Arbeit unbedingt als Mittel seines Geldgebers bewhren fr dessengleichlautenden Zweck. Wer fr Geld arbeitet, dient dem Eigentum also gleich

    doppelt: dem eigenen und einem fremden. Umgekehrt umgekehrt: Wer in derMarktwirtschaft gengend Geld hat, der ist in der Lage, ein Geldeinkommen infremden Hnden zu stiften und durch die gekauften Dienste sein Eigentum zuvergrern.

    Beide Seiten zhlt die Marktwirtschaft in ihrer unverwstlichen Gleichma-cherei zu ihren Erwerbsttigen. Dennoch ist sich jeder im Klaren ber dieunterschiedlichen Leistungen der Arbeit, die die einen geben und die andernnehmen. Sie schafft Eigentum, das dasjenige vermehrt, das es schon gibt; demArbeiter verschafft sie ein Geld, das ihn nie zum Eigentmer in dem Sinn wer-den lt. Wo fr Geld gearbeitet wird, da dient eben nicht das Geld der Arbeitals ntzliches Hilfsmittel, sondern die Arbeit dem Geld als dessen Quelle. Wasin der Marktwirtschaft aus der Arbeit wird, ist daher ausschlielich durch denGebrauch bestimmt, den das als Kapital agierende Eigentum von ihr macht.

    1.

    Ginge es im Wirtschaftsleben der Nationen darum, da die Menschen sich mitminimalem Aufwand optimal versorgen, dann wrde die Bedarfslage ermittelt undeine fr die Bereitstellung der notwendigen und wnschbaren Gter zweckmigeArbeitsteilung organisiert. Alle konomischen Probleme wren solche der Arbeits-

    organisation, der passenden Technik und des reibungslosen Gterverkehrs; intelli-gente Menschen, die in der herrschenden Marktwirtschaft die absurdesten und kom-pliziertesten Produktions- und Absatzstrategien planen und durchfhren ms-sen, htten nur noch die vergleichsweise geringfgige Frage zu beantworten, wie eingesellschaftlicher Reichtum menschenschonend herzustellen und allgemein verfg-bar zu machen ist. Kein Mensch wrde problematisieren, ob das berhaupt geht,weil der gesellschaftlich gesetzte Zweck die Antwort ist.1)

    1) Der Zweifel, den die Frage nach der Machbarkeit von planmiger Wirtschaft aus-

    drckt, bezieht sich nmlich nie im Ernst auf die dafr notwendigen Mittel, sondernnegiert das Vorhaben unter dem Vorwand, man knnte sich seine Durchfhrung nichtvorstellen wie auch, wenn es den gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem ein

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    In der Marktwirtschaft geht es anders zu und brigens fragt niemand, ob dasgeht, geschweige denn, da ein Zweifel an der geltenden gesellschaftlichen Zweck-setzung laut wrde, blo weil das, worum es allen geht, fr ganz viele Leute ber-haupt nicht in Erfllung geht. Da geht es darum, Geld zu verdienen, und zwar mg-lichst viel. In diesem Ziel verstehen sich alle Mitglieder der brgerlichen Gesell-

    schaft bestens; Einkommensschwache und Besserverdienende, Mittelstndlerund Gewerkschafter, Kapitalisten und Beamte sind sich einig und finden es dasNatrlichste von der Welt, da gearbeitet und gewirtschaftet, produziert undgedienstleistet wird, um an einen Lohn, einen Erls, ein Honorar, ein Gehalt kurzum: an Geld zu kommen.2) An was sie dann mit ihrem Geld kommen, das ist

    gescheiter Plan aufzustellen und durchzufhren ist, eine organisierte freie Beratung ohnekonomische Sachzwnge, gar nicht gibt, und wenn stillschweigend die Marktwirt-schaft mit ihren verdinglichten Zwecken und etablierten Verfahrensweisen, einschlielichder dazugehrigen menschlichen Charaktermasken, als die Szenerie unterstellt wird, in

    die die Planwirtschaft eingefhrt werden sollte. Man mu das Vorhaben einer freien, ver-nnftigen Organisation der Bedrfnisse und ihrer Befriedigung ja nicht teilen; man sollteaber wenigstens nicht so tun, als wre man schwer dafr, wenn die Kommunisten blonicht immer die praktikablen Rezepte und Modelle dafr schuldig blieben die sindwirklich der leichteste Teil, wenn eine aufgeweckte Arbeiterklasse erst einmal wei, wassie will.

    Eine bittere Ironie der Geschichte sei an dieser Stelle noch erwhnt. Der groe weltge-schichtliche Anlauf zu einer sozialistischen Planwirtschaft, den seine Veranstalter selbstals Fehlversuch aus dem Verkehr gezogen haben, hat eben den Fehler in die Tat umge-setzt, die kapitalistische Einrichtung der Wirtschaft vom Stundenlohn bis zum Kredit alsdie konomische Realitt zu unterstellen und, statt den kapitalistischen Zweck darinaufzuspren, ein Modell zu entwickeln, wie damitarbeiterfreundlicher zu wirtschaften

    wre. Mit staatlicher Gewalt geht da natrlich vieles; damit geht ja sogar der richtigeKapitalismus... Als wren sie selber den Zweifel nie losgeworden, ob eine grundstzlichandersartige konomie berhaupt geht, haben die regierenden Ostblock-Sozialistenihrem Machwerk stolz den verrterischen Ehrentitel real ausgestellt und einen Sozialis-mus praktiziert, in dem alle Sachzwnge des Kapitalismus als konomische Hebel zurtrickreichen Bedienung des volkswirtschaftlichen Apparats gehandhabt wurden imVergleich mit dem kapitalistischen Original mit migen Erfolg, jedenfalls was den derStaatsmacht verfgbaren Reichtum betrifft.

    2) Eine fundamentale Kritik an der Kommerzialisierung aller Lebensbereiche kennt diebrgerliche Gesellschaft freilich auch. Die zielt entweder auf die Gesinnung der Leute, diesich in diesem System des Geldverdienens zu bewhren haben und weithin scheitern,reklamiert nmlich Bekenntnisse zu hheren Lebensmaximen als den wirklich verbindli-chen und als Ordnungsprinzipien auch durchaus anerkannten Forderungen des geld-bezogenen Materialismus. Die Ablehnung des Mammon will den Kommerz um einenmoralischen Gestus ergnzen, mit dem der einzelne sich bescheinigt, ihm nicht verfal-len zu sein die Wechselflle einer marktwirtschaftlichen Existenz geben ihm reichlichGelegenheit, die Stichhaltigkeit dieser ehrbaren Haltung zu beweisen. Typischerweiserichtet sich diese Kritik am Kapitalismus denn auch weniger an die Reichen, die sichDemonstrationen einer auf Edleres gerichteten Gesinnung leicht leisten knnen, als Stichwort Sozialneid an Leute, die ihre Nte zur Tugend des Verzichts verklren sol-len. In ihrer anderen Variante will die Rge fr die Alleinherrschaft des Geldes Sphrenbenennen, die dem bloen Kommerz entzogen werden sollten; um ihrer hherenAnsprche und Angebote willen. Jedes derartige Pldoyer enthlt also das Eingestndnis,

    da die Marktwirtschaft auch alle hheren Gter wie Gott oder Liebe, Musik oderGerechtigkeit, Dichtkunst oder Naturschnheit lngst zur kuflichen Ware gemacht bzw.den Anforderungen des Geldverdienens unterworfen hat. Wie auch nicht? Diese Gteran-

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    allein ihre Sache. Denn im Geld verfgen sie ber ein Stck reale Freiheit: ber die freilich begrenzte Mglichkeit aller Gensse; ber Mittel des Zugriffs auf eineunerschpfliche Warenwelt. Das ist die gute Seite, die jeder am Gelderwerb schtzt.

    Mit der Kehrseite machen die Erwerbsttigen, jedenfalls in ihrer bergroenMehrheit, freilich auch sehr rasch Bekanntschaft: Wenn die Geldsumme aufge-

    braucht ist, ist es auch mit dem freien Zugriff vorbei. Vorhanden sind die begehrtenund bentigten Gter nach wie vor; nur verfgbar sind sie nicht. Die im Geldgewhrte Mglichkeit der Befriedigung aller Bedrfnisse ist noch lange nicht diewirkliche auch nur eines einzigen.

    Dieser Unterschied hat seinen quantitativen Aspekt und ein Prinzip. Geltendmacht er sich in den Grenzen der verdienten Geldsumme, so da alle Probleme sichpraktisch in das eine auflsen: mehr zu verdienen. Was sich in dieser Haupt- undGeneralnotwendigkeit des Daseins in der Marktwirtschaft geltend macht, ist diepeinliche Eigenart dieser Wirtschaftsweise, da alles, was der Mensch so braucht anhergestellten Gtern, zwar hergestellt, aber nicht verfgbar ist: Das Eigentum schei-

    det die Produkte von denen, die sie bentigen. Dafrwerden die Produkte berhauptblo hergestellt: um Kaufleuten zu gehren, die sie nicht selber brauchen und ver-brauchen wollen, und um denjenigen, die darauf angewiesen sind, vorenthalten zusein. Denn nur so kommt es flchendeckend zu der konomischen Operation, nachder die Marktwirtschaft ihren Namen hat: Geld mu den Eigentmer wechseln,damit die Ware dahin kommt, wo einer sie braucht. Das hat sich keiner so ausge-dacht, als trickreiche Methode der Warenverteilung womglich. Es ist umgekehrt:Was produziert wird, ist Eigentum, also der ntzliche Gegenstand blo als Objekteiner ausschlieenden Verfgungsmacht; einer Verfgungsmacht, die an ihremObjekt gar nicht hngenbleiben will, sondern zur davon getrennten, abstraktenZugriffsmacht werden soll: zur puren Privatmacht, die im Geldihre quantitativbemessene Realitt hat. Deswegen kann das hergestellte Objekt gar nicht anders andie, die es brauchen, verteilt werden als auf dem Wege des Verkaufs, der denZweck der Produktion erst definitiv verwirklicht, obwohl das Produkt in seinermateriellen Gestalt lngst fertig ist. Auf diese materielle Gestalt kommt es ebennicht an, oder nur als Mittel zum Zweck; was in dieser Gestalt eigentlich produziertwird, ist das damit zu erlsende Geld: was die Sache fr ihren Besitzer wertist. Des-wegen ist mit der Gterproduktion die Sache nicht fertig, die Gesellschaft um einigeMittel des Produzierens und Konsumierens reicher geworden und zufrieden; sondern

    es ist die allgemeine Notwendigkeit etabliert, Geld zu verdienen, wie und womitauch immer, um sich die produzierten Dinge aneignen zu knnen: ohne Kauf keineBenutzung. Die produktive Arbeit selbst ist ganz getrennt und unabhngig von dem,was sie schafft, als eine Variante von Arbeit, als Erwerbsttigkeit eben definiert, die

    gebote aus den Bereichen der moralischen Notwendigkeit und des luxurisen Tiefsinnssind mit den Grundstzen der Erwerbsarbeit, von denen im folgenden die Rede ist, nichtbesser und nicht schlechter vereinbar, haben im dafr gezahlten Geld kein weniger ange-messenes Ma als jede andere Produktion oder Dienstleistung, an deren kommerziellem

    Zweck niemand Ansto nimmt. Und die Handelsvertreter des Hheren, die das beklagen,wissen das nicht nur: Ihr Antrag geht eindeutig dahin, wer in Sachen Sinn unterwegs ist,sollte wenigstens selber sorgenfrei leben knnen.

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    auch erst bers verdiente Geld Zugriff auf die produzierten Gter verschafft. Grund-stzlich und radikal trennt das Eigentum zwischen der Produktion von Reichtum undder Verfgung ber Gebrauchsgter, scheidetzwischen Arbeitund Nutzen wie auchzwischen Nutzen und Bedrfnis und setzt sich als die bestimmende Gre in allediese Gleichungen ein, die es zu Ungleichungen macht: Jede Arbeit ist auf Eigentum

    aus, weil jeglicher Nutzen im Eigentum liegt. Das gilt heute als die erste Selbstver-stndlichkeit der konomischen Vernunft.

    Mit der Zwangsgleichung von Nutzen und Eigentum legt sich eine eigentmlicheLogik ber die konomischen Aktivitten der darunter subsumierten Gesellschaft.Sie betrifft zum einen die Hierarchie der Bedrfnisse, die sich daraus ergibt, da derprivate Geldbesitz ber ihre Befriedigung entscheidet: Formell kommt nichts als dieprivate Vorliebe zum Zuge; zwar innerhalb der Grenzen des erworbenen Eigentums;doch wie sich einer das Seine einteilt, ist Privatsache.3) Materiell wird jeder Bedarfzur abhngigen Variablen der privaten Kaufkraft, und es gibt, solange diese Wirt-schaftsweise Bestand hat, stets von neuem in unterschiedlichen Grenordnungen

    das unvermittelte Nebeneinander von Armut und Reichtum zu bestaunen. Entspre-chendes gilt fr das, was man gesellschaftliche Arbeitsteilung nennt: Ganz ohneZweifel wird in der Marktwirtschaft gesellschaftlich produziert; die hergestelltenWaren sind nicht zur Selbstversorgung, sondern zum Verkauf und insofern fr denallgemeinen Bedarf bestimmt. Der notwendige Zusammenhang der verschiedenenProduktionszweige folgt aber nicht dem sachlichen Verhltnis, in dem sie als gesell-schaftliche Teilarbeiten zueinander stehen, sondern resultiert aus dem negativenVerhltnis von Privateigentmern zueinander, die einander jede planmige Koope-ration verweigern, sich als zahlende Kunden hingegen brauchen. Fr den ntigenKontext sorgt also die Privatmacht des Geldes; wenn die grndlich genug gewirkt

    hat, dann sieht das Ergebnis glatt wie ein sinnreiches Zusammenspiel der produkti-ven Marktteilnehmer aus.4) Aus der Zweckbestimmung jeder marktwirtschaftlichen

    3) In ihrem unverwstlichen Zynismus hat die Wirtschaftswissenschaft unter Verweis aufdiese Sorte Freiheit das Dogma aufgestellt, da grundstzlich ein jedes konomisch han-delnde Subjekt mit nichts anderem als der Optimierung seines Nutzens befat ist, und dar-aus mathematische Modelle des Marktgeschehens abgeleitet, die allesamt beweisen, wiegut ein jeder auf seine Kosten kommt, weil schlielich noch die kleinste Geldsumme eineNutzenprferenz transportiert. Schlimmer als diese zirkulren Gedankenkonstrukte istallerdings die Gewohnheit der Marktteilnehmer selber, die Kunst, sich einzuteilen, alsverwirklichte Freiheit anzusehen und sogar einen perversen Stolz zu entwickeln, wenn es

    mal wieder gelungen ist, mit Sparsamkeit und Schnppchen trotz wenig Geld ber dieRunden zu kommen. Planwirtschaft knnen sich solche Helden der privaten Freiheit dannnur als das Gegenteil, nmlich als Gngelei in der Armut vorstellen. Auf dieser Tu-schung basieren nicht blo theoretische Modelle, sondern ganz reale demokratischeMachtverhltnisse.

    4) Sogar elementar Notwendiges wird nicht von selbst produziert, wenn es an Zahlungsf-higkeit dafr mangelt; sogar zerstrt, wenn das dem Gelderwerb dient. Deswegen ergebensich fr die ffentliche Gewalt, die das marktwirtschaftliche System mit ihrer Eigentums-garantie in Kraft setzt, aus dessen Wirken haufenweise Notwendigkeiten fr kompensie-rendes Eingreifen. Da der ganze Laden berhaupt luft, obwohl auch die ffentlicheGewalt ihn keineswegs planend dirigiert, hat den frhen Apologeten dieses Systems

    einige Ver- und Bewunderung abgentigt und sie auf das sinnreiche Wirken einerinvisible hand hinter dem Rcken der auf Gelderwerb und sonst nichts programmier-ten Akteure schlieen lassen. Die weniger fromme Wahrheit ist die, da alles, was es in

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    Ttigkeit, dem Gelderwerb zu dienen, folgt schlielich drittens ein einigermaenabartiges Verhltnis zur Arbeit: Die rangiert in der marktwirtschaftlichen konomiegar nicht als die Mhe, die sie ist und bleibt, als Aufwand, den man sich nach Krf-ten erleichtert, sondern wird selber zum Zweck; denn sie schafft ja Eigentum in demMae, in dem sie stattfindet; ihr Nutzen bemit sich nicht an dem Produkt, das sie

    zustandebringt, sondern am verdienten Geld und insofern auf allen Einkommensstu-fen an ihrer Menge. Mit der Schaffung wirklichen, jedermann verfgbaren Reich-tums wre eine arbeitsteilig durchorganisierte Gesellschaft irgendwann, beim lngsterreichten Stand der Produktivkrfte sogar sehr rasch fertig; die Erwerbsarbeit hin-gegen hrt im Prinzip nie auf: Das Interesse, da sie stattfindet, ist unersttlich.5)

    Der Gesichtspunkt, um den die Leute, die das Produzieren zu erledigen haben,praktisch gar nicht herumkommen, da sie damit nmlich sich verschleien und ihreLebenszeit opfern, spielt in der Logik des Gelderwerbs keine Rolle ein erster Hin-weis, da diese Leute jedenfalls nicht die Nutznieer der Marktwirtschaft sind unddas Eigentum nicht ihnen zu Gefallen als Zweck der Arbeit eingerichtet worden ist.

    Die allgemeinverbindliche Gleichung von Nutzen und Eigentum geht folglich all-gemein und verbindlich nur in dem negativen Sinn auf, da jeder Nutzen vomerworbenen Eigentum abhngt. Damit sie positiv aufgeht, das erworbene Eigentumwirklichen Nutzen garantiert, mu die Quantitt des verfgbaren Privatvermgensschon eine ganz bestimmte Qualitt erreichen.

    2.

    Wo gearbeitet wird, um Geld zu verdienen; wo die produktiven Ttigkeiten, dieden Reichtum der Gesellschaft schaffen, mit ihren Produkten gar nichts weiter zu

    tun haben, weil es berall nur um das eine Produkt, nmlich den Gelderwerb geht;wo diese Zwecksetzung so zur Selbstverstndlichkeit verfestigt ist, da umgekehrtjede Ttigkeit, die Geld bringt, Arbeit heit bekanntlich gehen Minister, Knst-ler und Brsenmakler ebenso zur Arbeit wie diejenigen, die den Beruf des Arbei-ters ergriffen haben und niemand da prinzipielle Unterschiede kennen will; dakommt es auf einen einzigen Unterschied an und auf den um so mehr: ob einerbereits Geld hat oder nicht.

    der Marktwirtschaft an materiellem gesellschaftlichem Zusammenhang gibt, die ber-haupt nicht geplante Wirkung des allseitigen Bemhens um das Geld der andern ist undja auch dementsprechend aussieht: Es krzt sich einfach alles heraus, was frs Geldver-dienen nichts taugt.

    5) Die brgerliche Wirtschaftswissenschaft stellt in ihren modellhaften Ableitungen desMarktgeschehens die Sache auf den Kopf und postuliert eine prinzipielle Unersttlichkeitder menschlichen Triebe, denen die kapitalistische Produktion durch sinnreiche Beschrn-kung das optimale, maximale und denkbar ausgewogene Ma an Befriedigung verschaf-fen wrde. Den Menschen wird ein naturgegebener maloser Materialismus zugeschrie-ben, zu dem sie bei aller historisch erworbenen Interessenvielfalt gar nicht fhig sind, umdie konomie des Eigentums, die den Ausschlu von allen bentigten Gtern zum Aus-

    gangspunkt des Erwerbslebens machtund den so erzeugten Mangel mit der Arbeit, die sieorganisiert, nie beseitigt, als einen einzigen Kampf gegen die Knappheit zu rechtferti-gen.

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    Wer in einer Welt, in der alle Gebrauchsgter jemandes Eigentum sind, keinEigentum hat, der kann noch nicht einmal von sich aus ans Werk gehen und sichwelches verschaffen; denn dazu fehlen ihm auch die sind ja Eigentum die nti-gen Mittel. Um an der Gleichung von Nutzen und Eigentum nicht zugrundezugehen,braucht er einen Eigentmer, der ber Produktionsmittel verfgt und ihn dafr be-

    zahlt, da er sich daran ntzlich macht ntzlich fr den Eigentmer, versteht sich;denn weshalb sollte der sonst Geld zahlen? Auch fr den geht es ja darum, Geld zuerwerben, nicht zu verschenken. Dieses Interesse hat der auf Erwerbsarbeit angewie-sene Mensch, dem es an Eigentum fehlt, mit zu bedienen, damit er sich Geld verdie-nen kann. Mit seiner Arbeit mu er seinem Geld- und Arbeit-,Geber zustzlich zudem, was der schon hat, Eigentum schaffen, um selber aus dessen Vermgen etwasabzubekommen. Die rein private Zwecksetzung des Arbeiters: sich Geld zu ver-schaffen, ndert sich dadurch gar nicht; es zeigt sich nur, was es heit, ein eigenesGeld zu verdienen, ohne schon genug zu haben. Dann wird die Arbeit nmlich zurdoppelten Geldquelle: fr den, der sie leistet, unter der Bedingung, da sie die besser

    ausgestattete Seite, die Geld hat, reicher macht. Die beiden Leistungen der Arbeitsind also nicht ganz quivalent: Fr Leute, die ohne Eigentum in der Marktwirtschaftmittun wollen, ist Arbeiten zwar das einzige Erwerbsmittel, ber das sie verfgen; esist aber genaugenommen gar nicht ihrMittel, sondern wird dazu nur, soweit undsolange ein Betriebseigentmer es fr sich, als sein Erwerbsmittel zu nutzen ver-steht. Sie produzieren Eigentum, und zwar entgegen dem Wortsinn fremdes.

    Umgekehrt umgekehrt. Wer ber gengend Eigentum verfgt, der kann daraussein Erwerbsmittel machen, indem er es in ein Unternehmen steckt und Leuten, dieein Einkommen brauchen, eines gewhrt dafr, da sie dort arbeiten und Verkuf-liches herstellen; Wert, der mit dem Recht des Eigentmers ihm gehrt und, ver-

    kauft, sein Geldvermgen vergrert. Durch diesen Gebrauch ihres Eigentums ver-dienen die Eigentmer Geld, ohne es selber schaffen zu mssen: Sie lassen Eigen-tum produzieren, und zwar ihr eigenes.

    So geht fr unternehmungsfreudige Eigentmer die Gleichung von Eigentum undNutzen auf: Das Eigentum bewhrt sich, richtig eingesetzt, als hinreichendes Mittel,sich durch fremde Arbeit zu vergrern, also als Produktionsverhltnis; es fungiertals Kapital.

    Die Leute, die die Arbeit leisten, haben gleichfalls, was sie wollten und brauchen,nmlich ein eigenes Geld in der Hand. Nur handelt es sich bei ihrem Eigentum man-

    gels Gre um eine wenig haltbare Angelegenheit. Kaum verdient, mu es schonwieder ausgegeben werden, um die notwendigen Lebensmittel zu beschaffen flietalso im wesentlichen an kapitalistische Unternehmer zurck, die damit den Wertihrer Ware in Geld realisieren. Denn nichts von dem, was sie selber hergestellthaben, steht den Arbeitern zu Gebote; sogar ihre eigenen Produkte mssen sie sicherst gegen Geld aneignen, also von ihrem Lohn kaufen, wenn sie sie benutzen wol-len. So bleibt das Eigentum fr sie Ausschlu von dem Reichtum, den sie selbst pro-duzieren; negative Bedingung ihres Nutzens, der sie sich beugen mssen, um lebenzu knnen; eine fremde Verfgungsgewaltber ihre Arbeit, die sie mit ihrer Arbeitbestndig reproduzieren und vergrern.

    Es ist nicht unwichtig zu bemerken ein und dieselbe marktwirtschaftlicheGleichsetzung von Geld und Bedrfnisbefriedigung, Nutzen und Eigentum, die fr

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    zwei verschiedene Seiten in so entgegengesetztem Sinn aufgeht. Wenn fr Geld oder gar nicht! gearbeitet wird, dann geht es eben nicht um die Versorgung allermit wirklichem, sondern um den abstrakten Reichtum. Dann disponieren nicht dieArbeiter ber die Ertrge ihrer Arbeit, sondern die im Geld existierende privateMacht des Eigentums kommandiert Arbeit und Arbeiter. Dann verfgen nicht die

    Leute ohne Geldvermgen ber einen bequemen Verteilungsmechanismus, wenn sieals Ertrag ihrer Arbeit einen Lohn nach Hause tragen bzw. ein Entgelt berwiesenkriegen, sondern es wird schon gar nichts anderes produziert als Eigentum: einReichtum unter der verbindlichen Vorgabe, da er denen, die ihn schaffen, erst garnicht gehrt. Worin sonst knnten denn auch die konomischen Leistungen vonGeld und Eigentum bestehen? Da die Produktionsmittel ausschlieender privaterVerfgung unterliegen, trgt zu deren Produktivkraft nichts weiter bei, als zwischendem materiellen produktiven Gebrauch dieser Mittel, der Arbeit und denen, die sieleisten, auf der einen Seite und der Verfgungsmacht ber den Produktionsprozemitsamt seinen Erzeugnissen auf der anderen Seite zu scheiden, also zu verhindern,

    da Produktionsmittel wie Produkte denen, die die einen benutzen und die anderenbentigen, auch verfgbar sind. Da verdientes Geld den Zugriff auf ein StckchenWarenwelt gestattet, ist ein schtzenswerter Vorteil nur unter der Voraussetzung,da von all den produzierten Gtern erst einmal gar nichts zu gebrauchen ist, ebenweil es als fremdes Eigentum in die Welt gekommen ist. Da sich mit Arbeit Geldverdienen lt das zudem immer gleich wieder weg ist: Wozu knnte ein solchesGeschft berhaupt gut sein, wenn nicht dazu, da die Arbeiter grundstzlich nichtkriegen, was sie herstellen; stattdessen die andern, die das Geld zahlen? AbsurdeVorkehrungen wren das alles und groteske Umstndlichkeiten ginge es darum,Gebrauchswerte zu produzieren und geschickt an die Leute zu verteilen. Dann wird

    das aber auch nicht der tiefere Hintersinn von Geld, Eigentum und Erwerbsarbeitsein. Deren Sinn wird schon in dem liegen, was sie wirklich leisten: Nutzen undEigentum gleichzusetzen, so da notwendigerweise die zwei gegenstzlichen kom-plementren Lsungen herauskommen.6)

    6) Gewi, es gibt auch noch andere Auflsungen. Die Marktwirtschaft kennt allerlei Selb-stndige, vom Bauern- bis zum rztestand, die sich mit dem fr ihren Beruf ntigenEigentum undeigener Erwerbsarbeit durchschlagen; in unterschiedlichen Zusammenset-zungen reprsentieren sie den Gegensatz zwischen Arbeit und Eigentum in der eigenenPerson, relativieren ihn also nicht bermig. Auerdem gibt es den Staat, der mit enteig-neten Geldern die Rolle des Arbeitgebers spielt, ohne durch seine Arbeitnehmer Eigentumschaffen zu lassen; in all seiner Hoheit ber die Klassen seiner Gesellschaft respektiertalso auch er die Alleinherrschaft des Geldes ber die Arbeit, die er einrichtet, indem erseine professionellen Dienstkrfte bezahlt; und dabei kalkuliert er das Entgelt um sogenauer nach den Kriterien der privatwirtschaftlichen Lohnzahlung, je niederer die ent-goltene Ttigkeit. Man sollte berhaupt aus den diversen funktionellen Unterabteilungender marktwirtschaftlichen Erwerbsgesellschaft kein Rtsel machen wo doch schon diemageblichen staatlichen Instanzen gar kein Problem damit haben, beim Eintreiben vonSteuern wie bei der Einrichtung von Sozialkassen mit auf ihre Art eindeutigen konomi-schen Klasseneinteilungen auf ihre Brger loszugehen. Im brigen dies als methodi-

    scher Tip sind die Prinzipien der politischen konomie des Kapitalismus sowieso keineSchubladen, deren Wahrheitsgehalt durch ihre Brauchbarkeit frs Einsortieren derMenschheit zu beweisen wre und durch Zweifelsflle fraglich wrde.

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    Weltfremd sind daher alle Vorstellungen von der Art, die Subsumtion der Arbeitunter das Eigentum knne man dahingestellt sein lassen, weil daran ohnehin nichtszu ndern oder jede nderung sogar kontraproduktiv sei, die so arg gegenstzlichenFolgen der Herrschaft des Geldes aber wren getrennt davon zu therapieren; ambesten durch den Staat, der doch dem gleichmigen Wohl aller verpflichtet sei und

    mit seiner Gewalt bermige gesellschaftliche Gegenstze auszubgeln htte.Weltfremd ist das nicht in dem Sinn, da der brgerlichen Welt solche Auffassun-gen fremd wren das Gegenteil ist der Fall: Genau so mchte die Marktwirtschaftverstanden sein, als Volkswirtschaft mit einer raffinierten und auerdem freiheitli-chen Verteilungsstrategie, von der deren schbige Wirkungen leicht wegzudenkenwren; und als Instanz, die diese Wirkungen tatschlich ungeschehen macht, emp-fiehlt sich der soziale Staat. Es ist blo nicht wahr; und wenn das Vertrauen auf dieZweieinigkeit von Marktwirtschaft & Demokratie darauf insistiert, es sollte dochzumindest so sein, dann istes eingestandenermaen nicht so.

    In der wirklichen Welt setzt die brgerliche Staatsgewalt noch allemal, bevor sie

    sich irgendwelchen Folgeproblemen widmet, die systematische Unterwerfung derArbeit unter den Gelderwerb und die Macht des Eigentums in Kraft, indem sie dasEigentum gesetzlich schtzt und mit dem Recht ausstattet, fr sich arbeiten zu las-sen. Und das Kapital tut, was es kann: Es bemchtigt sich der Arbeit, nmlich ihrerProduktivkraft, als seinerQuelle (II.), benutzt sie zur Steigerung seines berschus-ses im Verhltnis zu den Mitteln, die es eben dafr aufwendet, also fr seine Profit-rate (III.), macht sie haftbar fr die Bedienung und Aufrechterhaltung eines Kredit-systems, das von seinen Voraussetzungen in der Profitproduktion, die es einerseitsfrdert, andererseits berhaupt nichts wissen will (IV.), verwendet sie als Waffe inder internationalen Konkurrenz, was die Staatsmacht als interessiertes Subjekt mit

    eigenen Erfolgsansprchen an die Arbeit auf den Plan ruft (V.), und macht sie, auchdies mit staatlicher Untersttzung, aktuell zum Lckenber seiner selbsterzeugtenKrisenlage (VI.).

    II.

    Die Produktivkraft der Arbeit gehrt dem Eigentmer der Produktionsmittel,der sie bezahlt und verrichten lt. Durch dessen Ansprche ist sie daher auchdefiniert. Sie geht nicht in dem banalen Umstand auf, da Leute arbeitsteilig

    mit geeignetem Gert leicht weit mehr ntzliche Dinge herstellen, als sie frsich und fr die Erleichterung ihrer Arbeit verbrauchen. Ihrer marktwirtschaft-lichen Bestimmung nach besteht sie darin, da unter dem Kommando des Kapi-tals, mit dessen Mitteln, also auch nach dessen Vorgaben und Kalkulationenmehr in Geld gemessenes Unternehmenseigentum geschaffen wird, als an Lohnfr die Arbeit weggezahlt werden mu.

    Demgem zhlt als Arbeitsaufwand nicht die aufgewendete Arbeit, also Zeitund Mhe eines Menschen, sondern die frs Arbeiten-Lassen aufgewandteLohnsumme. Der Arbeitsertrag bemit sich nicht an den befriedigten Bedrfnis-sen, sondern am Erls aus dem Verkauf der produzierten Ware im Verhltnis

    zum Lohnaufwand. Als Arbeitsleistung gilt nicht das Verhltnis zwischen ver-ausgabter Arbeitskraft und Produkt, sondern der geschaffene Warenwert pro

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    ausgegebener Lohnsumme. Die Arbeitsproduktivitt ist somit keine technischeGre, sondern berechnet sich nach dem Geschftserfolg.

    So eignet sich das Kapital die Produktivkraft der Arbeit als Quelle seiner Ver-mehrung an.

    1.Wenn Arbeiter mit ihrem Lohn regelmig schnell am Ende sind, so liegt das kei-

    neswegs daran, da ihre Arbeit mehr nicht hergegeben htte, als was sie unbedingtbrauchen und gewohnheitsmig verbrauchen. Die vollen Lden, fr die dieMarktwirtschaft berhmt ist, bezeugen anschaulich das Gegenteil; insbesondere die-jenigen, deren Angebote kaum je in den Umkreis dessen geraten, was dielohnabhngige Menschheit sich leistet; und das alles ist blo ein Bruchteil des ber-flusses an ntzlichen Gtern, die die arbeitenden Mitglieder der Gesellschaft zustan-debringen. Das ist auch kein Wunder. Denn wenn Menschen Verstand und Krper-kraft arbeitsteilig zweckmig einsetzen, dann bringen sie nicht blo ihre Lebens-und Produktionsmittel zustande, sondern auch noch einigen technischen Fortschritt;und wenn sie auf dem mittlerweile erreichten Niveau der Technik ans Werk gehen,dann wird die Herstellung auch von komplizierten Bedarfsartikeln zur Sache vonArbeitsminuten. So gesehen wre es fr Arbeiter heute kein Problem, sich und alle,die frs Arbeiten gerade ausfallen, mit Gebrauchsgtern jedweder Art ohne groeMhe flott zu bereichern wenn es denn darum ginge.

    Wenn die Sache so zielsicher und so grndlich anders ausgeht, so liegt das an deneigentmlichen gesellschaftlichen Ansprchen und geltenden Rechten, denen die frLohn verrichtete Arbeit gehorcht. In der Marktwirtschaft ist es nmlich so, da der

    Ertrag der geleisteten Arbeit diejenigen, die sie leisten, berhaupt nichts angeht: Erist vollstndig und ohne weitere Umstnde fremdes Eigentum; den Arbeitern gehrtnichts davon. Es mag zwar sein, da der Lohn aus dem Verkaufserls der hergestell-ten Ware bezahlt wird; woraus auch sonst. Aber das ist ein Geschft zwischen demLohnarbeiter, der kein Eigentum an seinen Produkten hat, und dem Eigentmer, demder gesamte Erls gehrt.

    Das ist deswegen so, weil Lohnarbeiter, wenn sie berhaupt an die Arbeit gehen,schon nicht mehr fr sich ttig sind. Sie knnten ja gar nicht ttig werden, wennnicht ein Arbeitgeber sie in seinen Betrieb lassen wrde; was sie dort tun, ist alleinSache des Unternehmers und geht voll auf dessen Rechnung eben dafr zahlt er ja

    Lohn. Praktisch bleibt es natrlich dabei, da die Arbeiter ihre Arbeitskraft undLebenszeit in den Produktionsproze einbringen Dinge, die von ihnen gar nichtabtrennbar sind wie ein Stck Eigentum, ber das der Besitzer frei disponieren kann;was im kapitalistischen Betrieb geschieht, ist allemal ihre Ttigkeit, auch wenn diesenoch so sehr unter dem Kommando des Unternehmers steht. Dennoch wird selbstdarauf die Kategorie des Eigentums angewandt; und in dieser eigentumsmigenHinsicht ist die Arbeit, fr die sie bezahlt werden, eben damit gar nicht mehr dieIhre. Sie geben ihre Ttigkeit, die physisch natrlich ihre ist und bleibt, wie ein ver-uertes Eigentum aus der Hand. Das ist deswegen wichtig, weil damit ber dasEigentum entschieden ist, dessen Entstehung die Arbeit bewirkt: Weil die Arbeit

    schon gar nicht mehr denen gehrt, die Verstand, Kraft und Zeit aufwenden, umntzliche Dinge herzubringen, deswegen ist der Wert der fabrizierten Dinge, das in

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    Geld quantifizierte Eigentum daran, auch nicht denen zuzurechnen, die den materiel-len Aufwand geleistet haben, sondern denen, die darber als Element ihres Produkti-onsprozesses verfgen.7)

    Produktiv ist und bleibt die Arbeit also, weil Menschen an geeigneten Gertschaf-ten zweckmig kooperieren. Das ist auch im Kapitalismus nicht anders. Nur ist die

    Produktivkraft der Arbeit da einer Aufwands- und Ertragsrechnung des kapitalisti-schen Eigentums subsumiert. Und diese Rechnung ist das, was konomisch gilt.

    2.

    Wenn kapitalistische Unternehmen ihr Eigentum vermehren, dann nutzen sie dieProduktivkraft der Arbeit aus. Allerdings eben so, da sie nur das als produktiveLeistung registrieren, was fr ihr Eigentum wirksam wird. Und diese Leistung rech-nen sie sich zu: dem eingesetzten Kapital nicht so sehr ideologisch, da lt sogarmancher management-geschulte Unternehmensfhrer gerne die Schaffenskraft sei-ner Mitarbeiter hochleben, vielmehr ganz praktisch: Was die Produktivkraft derArbeithergibt, das realisiertsich in der Bilanz des Kapitals.

    In dieser Bilanz findet sich unter der Rubrik ,Aufwand nichts von der Leistungwieder, die die an die Arbeit gestellten Leute bringen mssen. Aufwand im mageb-lichen marktwirtschaftlichen Sinn ist ausschlielich derjenige des Unternehmens:der Aufwand an Geld, den es sich leisten mu, damit produziert wird. Dabei handeltes sich um zwei groe Ausgabeposten.

    Der eine betrifft die Arbeitspltze: die Ausstattung des Betriebs mit Maschine-rie, auerdem die Beschaffung von Rohstoffen, Energie und was sonst noch allesgebraucht wird, damit das Produkt herzustellen und zu verkaufen ist. Was da ange-

    schafft wird, geht seiner materiellen Beschaffenheit nach im Produktionsprozedrauf, wird aufgezehrt, verschlissen, umgewandelt, so oder so produktiv konsumiert.Ausgerechnet die Eigenschaft jedoch, mit der die Produktionsmittel in der Unter-nehmensrechnung zu Buche schlagen, ihr im Anschaffungspreis bezifferter Wert,geht berhaupt nicht zugrunde, sondern scheint im durchkalkulierten Preis der her-gestellten Ware wieder auf. Den Preis mu der Unternehmer zwar erst erlsen,damit er das ausgelegte Geld wieder in Hnden hat; von seinem Eigentum gibt er frden Produktionsproze und in dessen Verlauf aber gar nichts aus der Hand.

    7) Worauf es bei dieser wahrhaft eigentmlichen Verdoppelung der Arbeit in die produktiveTtigkeit der bezahlten Leute und den dem Unternehmen gehrenden Proze der Wertent-stehung ankommt, das ist den Betroffenen praktisch brigens berhaupt kein Geheimnis:Jeder Arbeiter kennt seine Arbeit als Job, mit dem ihn letztlich nichts weiter verbindetals die Entscheidung des Betriebs, ihm eben diesen Arbeitsplatz zuzuweisen und den soauszustatten, wie es dem Unternehmen in seine Aufwands-Ertrags-Rechnung pat; derzukunftsweisende Management-Einfall, Arbeiter an der Gestaltung ihres Arbeitsplat-zes zu beteiligen, kehrt dieses Verhltnis nicht um, sondern reagiert berechnend aufdessen nicht mizuverstehende Einseitigkeit. Jahrelange Eingewhnung schtzt auchnicht davor, sich im Zuge einer flligen Unternehmens-Modernisierung vom Gewohn-ten verabschieden zu mssen. Da es um abstrakte Arbeit fr fremdes Eigentum geht,macht sich in der kapitalistisch durchgestylten Arbeitswelt hchst konkret bemerkbar

    auch wenn mancher nicht wahrhaben will, was er am eigenen Leib erfhrt, und zh aufseinem Recht besteht, seine Funktion als Anhngsel des Kapitals fr eine ihm zustehendeHeimat zu halten.

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    Mit seinen anderen Betriebsunkosten, den Lhnen, stiftet er auf eigene RechnungEigentum in fremden Hnden; und wenn er in der entsprechenden Stimmung ist, hlter das allen Ernstes fr eine bedeutende Grozgigkeit seinerseits, die ihm viel zuwenig gedankt wird. Immerhin bekommt er damit die Arbeitskraft seiner Beleg-schaft in die Hand, so da er ber deren produktiven Einsatz frei entscheiden kann.

    Die Lohnzahlung selbst fungiert dabei als Kommandomittel. Gezahlt wird das Ent-gelt fr verfgbare Arbeitskrfte nmlich sinnigerweise als Preis der Arbeit, frgeleistete Arbeitsstunden oder, noch enger am Zweck der Zahlung orientiert, nachMagabe erfllter, verfehlter oder bererfllter Zeitvorgaben fr bestimmte Verrich-tungen oder die Erledigung ganzer Produktionsschritte. Diese Art der Lohnzahlungbegrndet den mit viel Genu breitgetretenen ideologischen Schein, die Arbeiterbekmen gerecht und ganz genau den Anteil ausbezahlt, den ihre Arbeit zum Pro-dukt bzw. zu dessen Wert fr die kapitalistische Kalkulation ohnehin beides das-selbe beisteuert; ihr Wertwrde also vergtet. Wre das die Wahrheit, so stnde esschlecht um die kapitalistischen Bilanzen: Was bliebe fr den Eigentmer noch

    brig, wenn die Arbeit mit dem Eigentum bezahlt wrde, das sie schafft?! Und wennes nicht das ganze neugeschaffene Eigentum sein soll: Wie liee sich die Leistungder Arbeit als Anteil von der Tatsache, da die Produktionsmittel dem Unterneh-mer gehren, als anderem Anteil abgrenzen?! Auf eine schlssige Rechnung die-ser Art hat kein Kapitalist je gewartet; er htte seinen Betrieb sonst nie in Ganggebracht.8) Der Kunstgriff, den Lohn nach der Menge der abgelieferten Arbeit alsogrundstzlich nach der Zeit, angereichert mit Gesichtspunkten der Leistungsdichte zu bemessen und zu zahlen, leistet tatschlich das Gegenteil einer sauberen Auftei-lung von Mhe und Ertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Mit ihm wird

    8) Tatschlich ist der Preis der Arbeit, wie brigens jeder wei und in allen Tarifauseinan-dersetzungen wie mit jeder Forderung nach konjunkturgemer Lohnsenkung klarge-macht kriegt, Verhandlungssache, also eine Machtfrage; auch die von Gewerkschafterngern aufgetischten Rechnungen, wonach die Arbeit mal wieder produktivergeworden unddeswegen entsprechend hherzu vergten wre, ist nur soviel wert wie der tatschlicheDruck auf die Arbeitgeber, den die Arbeitnehmer zustandebringen und der nie sehrgewaltig ausfllt, wenn solche Rechnungen ihn legitimieren sollen.

    Die brgerliche Wirtschaftswissenschaft hat zwar auch noch nie abgeleitet, welchenPreis die Arbeit wert wre. Die Ideologie, mit dem Lohn wrde genau das bezahlt, wasdie Arbeit im Unterschied zu dem andern Produktionsfaktor, dem Kapital zum Pro-duktwert beigetragen htte, vertritt sie aber umso unbefangener und beruft sich dafr mitder diese Wissenschaft kennzeichnenden entwaffnenden Dialektik aufs Ergebnis: Daran,was die Lohnarbeiter vom Gesamterls des Unternehmens abbekommen und was dieUnternehmer fr sich behalten, sieht man doch, was die einen und die andern jeweils dazubeigetragen haben Beweis: sonst htten sie es ja gar nicht gekriegt...

    Bemerkenswert an dieser Theorie der Faktorkosten, nmlich in Gestalt von Lohnund Gewinn, ist brigens die so selbstverstndliche Interpretation von Arbeit undKapital als Produktionsfaktoren. Von der Privatmacht des Geldes ber die Arbeit willdiese ganze Wissenschaft vom ersten bis zum letzten Wort nichts wissen; das kapitalisti-sche Unternehmen kennt sie ausschlielich als neutrale Instanz zwischen Arbeit undKapital, als Veranstalter von Produktion, der die beiden Faktoren sinnreich kombiniert,wirken lt und gerecht auszahlt. Aber genau so drckt sogar diese gestanzte Ideologienoch die kapitalistische Tatsache aus, da die Arbeit dem Unternehmen als ein ihm geh-

    riger Faktor inkorporiert, als Verfgungsmasse fr produktive Zwecke subsumiert ist.So sehr diese Sicht der Dinge vom kapitalistischen Eigentum und seiner Herrschaftabstrahiert, so selbstverstndlich reproduziert sie theoretisch dessen Standpunkt, wonach

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    die Lohnzahlung zur stndigen Ntigung des angestellten Menschen, den Anspr-chen zu gengen, die vllig einseitig und ganz nach unternehmerischem Kalkl derBetrieb an ihn stellt. Indem das Kapital mit seiner Lohnzahlung den Preis der Arbeitentrichtet, zwingt es den Leuten nmlich das Interesse auf, sich Stunde um Stundeund durch die verlangte Leistung diesen Preis zu verdienen. Es schaltet damit das

    Hindernis fr die Aneignung der Arbeit aus, das in der Tatsache liegt, da es sichallemal noch um die Ttigkeit fremder Subjekte handelt, die es sich aneignen will,und sorgt dafr, da seine Arbeiter sich ganz von selbst seinen Leistungsanforderun-gen in Sachen Zeitdauer und Intensitt der Arbeit unterwerfen; auch Flexibilitt,Nachtarbeit und Conti-Schicht lassen sich auf diese Weise problemlos einfordernoder auch die Hinnahme besonders gesundheitsschdlicher Arbeitsumstnde. Aufdiese durch und durch humane, nmlich erpresserisch auf den Willen seiner Dienst-krfte gemnzte Art und Weise bemchtigt sich das kapitalistische Unternehmen,bis in die letzte Arbeitsstunde hinein und bis zum letzten betriebsntzlichen Einsatz,der Produktivkraft der Arbeit.

    Das zustandegebrachte Produkt geht unter der Rubrik ,Ertrag in die Bilanz desUnternehmens ein: als pure Wertsumme. Diese Abstraktion ist nicht unpraktisch was sie wre, wenn es um den geleisteten Beitrag zur gesamtgesellschaftlichenarbeitsteiligen Bedarfsdeckung ginge , sondern fat das einzige, was an der gelei-steten Arbeit zhlt, schlssig und abschlieend zusammen und erlaubt den Vergleichmit der Rubrik ,Aufwand, auf den alles ankommt. An dem Vergleich entscheidetsich, ob das Unternehmen Geld gemacht hat was nicht blo ein umgangssprach-licher Ausdruck fr geschftlichen Erfolg ist, sondern die Sache genau bezeichnet:Das Produkt, um das es geht, ist der in Geld bezifferte berschu des Ertrags berden Aufwand. Niemand mu die Produkte eines Unternehmens kennen, um ber das

    Unternehmen Bescheid zu wissen; alles konomisch Wesentliche steckt in so auf-schureichen Produktionsziffern wie ,Umsatz und ,Gewinn.

    Die Produktivkraft der Arbeit hat damit einen genau definierten Inhalt; und der istzugleich das Kriterium dafr, ob sie berhauptproduktiv war oder ungeachtet derGter, die sie verfertigt hat, unproduktiv geblieben ist. Die kapitalistische Rechnungignoriert nicht blo den realen Arbeitsaufwand; sie stellt sich auch hchst kritisch zudem dinglichen Resultat und lt es nur gelten, wenn und soweit sie von der einenZahl fr ,Aufwand zu der andern fr ,Ertrag einen Zuwachs nachzhlen kann. DieArbeit bewhrt ihre Produktivkraft entweder als Quelle von Gewinn, oder sie ist

    berhaupt nichts wert.Dabei ist es gar nicht so, da die Arbeit mit all ihrer Produktivitt das kompro-

    mi- und bedingungslos verlangte Ergebnis berhaupt gewhrleisten knnte. Sievermag nicht mehr hinzustellen als ein Produkt, das, wre es so geplant, per Saldoviel Ntzliches zur Versorgung des Gemeinwesens beisteuern knnte. Ob das Pro-dukt auch einen Wert hat, der das Unternehmen bereichert, ist eine vllig andere

    die Arbeit, sobald sie im Betrieb verrichtet wird, diesem gehrt.

    Auf die wirkliche, nmlich praktisch wirksame kapitalistische Rechnung, die Arbeitund Kapital als Produktionskostenfaktoren einander gegenberstellt und als austauschbareGren behandelt, geht das nchste Kapitel ein.

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    Frage, die sich auerhalb der Arbeitswelt entscheidet: am Markt, wo es nicht umntzliche Produktion, sondern um Gelderwerb geht. Die Verwandlung der geschaf-fenen Ware in Geld ist von der Arbeit gar nicht zu leisten und geht sie auch garnichts an, weil die Ware ja schon Eigentum des Unternehmens ist und dessen Reali-sierung in Geld ansteht. Um so hrter wirkt die Entscheidung des Marktes auf die

    Arbeit zurck: Das kapitalistische Unternehmen tut alles, um die Produktion, berdie es gebietet, zum garantiert wirksamen Mittel seines Geschftserfolgs zu machen.Mit der Aneignung der Produktivkraft der Arbeit durchs Eigentum fngt die Kar-riere der Arbeit von der Quelle allen kapitalistischen Reichtums zu dessen Mittel erstan.

    III.

    Mit den Produkten der Arbeit, die sie verrichten lassen, mssen die kapitali-stischen Unternehmer am Markt bestehen, also den Konkurrenzkampf gegen

    ihresgleichen um die Zahlungsfhigkeit der Gesellschaft gewinnen. Darberregelt sich die Versorgung der Konsumgesellschaft; umgekehrt entscheidetsich am marktwirtschaftlichen Erfolg, welche Produktion gesellschaftlich ber-haupt notwendig war.

    Zum Mittel ihrer Konkurrenz richten sich die Unternehmer die Quelle ihresReichtums her, indem sie die Produktivitt der Arbeit steigern, um ber dieLohnstckkosten ihren Produktionspreis senken, andere Anbieter unterbietenund deren Gewinne fr sich einkassieren zu knnen. Mastab des technischenFortschritts, den sie darber in die Arbeitswelt einfhren, ist der rechnerischeVergleich zwischen Arbeit und Kapital als austauschbaren Kostenfakto-

    ren: Der Kapitaleinsatz mu Arbeitskosten sparen; deren kostspielige Minde-rung sichert den Konkurrenzerfolg. Im Zeichen dieser irrationalen Rechnung,die Nicht-Arbeit als Gewinnquelle verbucht, treibt das Kapital die Produktivittder Arbeit, die es benutzt, in die Hhe, macht seine wirkliche Reichtumsquellealso ergiebiger; es mindertsie zugleich, behandelt sie nmlich als Posten, andem es zu sparen gilt, minimiert so das Ma, in dem Arbeit gesellschaftlich not-wendig ist und Eigentum schafft; und es belastetsie erheblich, indem es siedurch steigende Investitionen ersetzt: Ausgerechnet durch weniger Arbeit sollsich mehr Kapital rentieren.

    Diese Widersprche seiner eigenen Wirtschaftsweise macht das Kapital zumProblem der lohnabhngigen Leute. Die partizipieren entweder als Arbeitsloseohne Einkommen am Fortschritt der Arbeitsproduktivitt, oder sie schaffen alsAnhngsel teurer Arbeitspltze gewaltige berschsse, schlagen noch grereMassen Kapital um und bleiben dabei mit der Summe ihrer Lohnstckkosten imRahmen der fr ihre Reproduktion notwendigen Arbeit befangen.

    1.

    Fr alles, was sie mit der Arbeit und ihren Arbeitnehmern anstellen, berufen sichkapitalistische Arbeitgeber auf die Konkurrenz und deren Zwnge. Eine prinzipielle

    Heuchelei ist dabei im Spiel: Wie jeder, der sich in einen Wettkampf begibt, so tei-len auch die Unternehmer das Anliegen, um das es in ihrem Wettbewerb geht

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    schlielich konkurrieren sie nicht um den ersten Preis bei der Entlastung und Berei-cherung ihrer Mitarbeiter, geschweige denn um das beste Programm fr die plan-mige Befriedigung aller Bedrfnisse. Wenn sie im Interesse ihrer Konkurrenzf-higkeit ihre Belegschaften drangsalieren, dann wird ihnen jedenfalls nichts aufge-zwungen, was ihnen eigentlich gegen den Strich geht oder ihrem ureigenen kono-

    mischen Interesse fremd wre. Wenn sie umgekehrt ihrem eigenen Interesse wieeinem Sachzwang unterworfen sind, dem sie bei Strafe des Untergangs gengenmssen, dann beweist das nur, da kein abweichender Gesichtspunkt ihre konomi-schen Zwecke relativiert: Mit der Anrufung unausweichlicher Zwnge der Konkur-renz berufen sie sich auf nichts als die Allgemein- und Alleingltigkeit ihres Inter-esses in der Marktwirtschaft.

    Vielleicht noch bemerkenswerter als ihre verrterische Heuchelei ist aber dieWahrheit, die die Aktivisten der Konkurrenz mit ihrer Generalentschuldigung einge-stehen: Sobald sie tun, wozu ihr Eigentum sie befhigt, nmlich arbeiten lassen undihr Vermgen vermehren, tun sie das gegeneinander. Wo sie ber die Produktivkraft

    der Arbeit gebieten, da addieren sich deren Ergebnisse nicht zu einem schnen Hau-fen Reichtum; da kommt vielmehr der Geschftserfolg des einen dem anderer Kapi-talisten in die Quere. Die negative, exklusive Macht des Eigentums richtet sich nichtblo gegen diejenigen, die keines haben und deswegen ihre Krfte gegen ein kleinesEntgelt zur Verfgung stellen mssen. Als die private Macht, seine eigene Vergr-erung zu betreiben, richtet sich das Eigentum, kapitalistisch bettigt, ausschlieendaufdie Bedingung seines Wachstums, die alle Warenproduzenten gleichermaenbrauchen.

    Diese Bedingung ist das in der Gesellschaft vorhandene Geld: der Reichtum inseiner gesellschaftlich gltigen abstrakten und privaten Form. Der lt sich in derPrivatsphre des eigenen Unternehmens nmlich nicht produzieren; der lt sich nurmit Hilfe der dort hergestellten Ware am Markt erwerben. Erst mit dem geglck-ten Verkauf entscheidet sich, ob berhaupt und inwieweit die ganze Warenproduk-tion von Nutzen war, nmlich bers verdiente Geld eigentumswirksam wird. Unddabei stehen sich die Kapitalisten wechselseitig im Weg. Denn alle wollen und brau-chen fr diesen letzten, alles entscheidenden Schritt im Gang ihrer Geschfte das-selbe: eben die Zahlungsfhigkeit der Gesellschaft.

    Das luft nicht blo da auf wechselseitigen Ausschlu hinaus, wo mehrere Unter-nehmen die gleiche Ware anbieten. Wo fr Geld produziert wird, wo umgekehrt das

    Geld in quantitativ beschrnktem Umfang die Mglichkeit aller Gter und Genssedarstellt, da ist alles kommensurabel, das Unterschiedlichste wird zur Alternative,und jeder Warenproduzent macht mit seinem Angebot allen anderen gesellschaftli-che Kaufkraft streitig. Sicher, die Konkurrenz belebt auch das Geschft; der Wachs-tumserfolg des einen Unternehmens gibt anderen auch etwas zu verdienen; in allge-meinen Wachstumsphasen kann sogar insgesamt mehr Erwerbsttigkeitzustandekommen und mehr Zahlungsfhigkeit entstehen. Die Veranstaltung mitNamen ,Markt wird aber auch dann den ausschlieenden Charakter privatenGeldverdienens nicht los, im Gegenteil: Fr ihrUnternehmenswachstum erheben diekonkurrierenden Warenproduzenten immer grere Ansprche auf das Geld der

    Gesellschaft, vllig unabhngig davon, was sie an Einkommen stiften und andereverdienen lassen. Auch wenn in der statistischen Endabrechnung das eine oder

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    andere Prozent Wirtschaftswachstum herauskommt, sind die freien Unternehmerkein Ergnzungsverhltnis zueinander eingegangen, sondern haben gegeneinanderum die Ausweitung ihres Absatzes gekmpft; ihr Gegensatz kommt nicht erst dannin die Welt, wenn Konjunkturbeobachter einen allgemeinen Geschftsrckgang kon-statieren mssen. Mit diesem antagonistischen Interesse am gleichen Stoff, der

    gesellschaftlichen Zahlungsfhigkeit, treten die kapitalistischen Unternehmer unter-einander und mit dem Rest der Menschheit, die ihre Produkte braucht, in einengesellschaftlichen Zusammenhang.

    Es ist dies die einzige und auch schon die ganze praktisch wirksame gesellschaft-liche Beziehung zwischen den verschiedenen Produktionsabteilungen sowie zwi-schen Produktion und Konsum, die das Regime des Eigentums zult und erzwingt.Was produziert wird und was nicht, welche Bedrfnisse bedient, welche unbeachtetgelassen, welche berhaupt erst erfunden werden, das entscheidet sich am Geld, dasdie Kunden hergeben und die konkurrierenden Unternehmen beanspruchen; es gibtin der Marktwirtschaft kein anderes Kriterium dafr, was in der und fr die Gesell-

    schaft notwendig ist. Das bedeutet auch entgegen allen Ideologien ber Konsu-mentenmacht und -souvernitt , da mit der Herrschaft des Geldes nicht diegesellschaftliche Produktion den Bedrfnissen untergeordnet ist, geschweige denneiner auch nur ansatz- und versuchsweise vernnftig ermittelten Reihenfolge derBedrfnisse nach ihrer Dringlichkeit. Vielmehr ist die gesellschaftliche Bedarfslage,nach der privaten Verfgung ber Geld sortiert, als Kaufkraft dem Verkaufsinteressekonkurrierender Eigentmer subsumiert und nach dem Kriterium des zu erzielendenGeschftserfolgs zurechtdefiniert.9) Der Markt ist die Erwerbssphre kapitalisti-scher Warenproduzenten; deren Konkurrenz entscheidet, mit welchen Gebrauchs-werten die Gesellschaft ber die Runden kommen mu und sich austoben darf.

    Umgekehrt entscheidet sie darber, was die Warenproduktion der verschiedenenUnternehmen fr den Zweck des Gelderwerbs taugt und folglich berhaupt wert ist.Mierfolg beim Verkaufen macht die gelaufene kapitalistische Aneignung der Pro-duktivkraft der Arbeit rckwirkend zwar nicht ungeschehen die erzeugtenGebrauchswerte sind da und knnten das Ihre beitragen zum Reichtum derGesellschaft , aber vollstndig nutzlos: zum Verlustgeschft, das Reichtum in sei-ner gesellschaftlich gltigen Form, kapitalistisch angewandtes Eigentum nmlich,vernichtet. Es ist dieser Aberwitz, der in der Berufung auf die Risiken des Marktesund die Zwnge der Konkurrenz als fraglose Selbstverstndlichkeit anerkannt und

    9) Wenn die Sachverstndigen der Marktwirtschaft den Konjunkturverlauf beobachten, dannregistrieren sie die Folgen dieser schlichten Wahrheit: Es sind nicht erratische Schwan-kungen des Publikumsgeschmacks, geschweige denn vernnftige Entscheidungen bergesellschaftliche Prioritten, was zu wechselnden Konditionen des allgemeinenWarenverkaufens und Geldverdienens fhrt, sondern eingestandenermaen die unbere-chenbaren Auswirkungen der Konkurrenz um immer mehr Absatz. Da diese Konkur-renzanstrengungen mit groer Zuverlssigkeit nach Phasen der Expansion zu allgemeinbemerklichen Rckschlgen fhren und umgekehrt, hat bei den weisen Mnnern der Wis-senschaft kein Interesse am Begriff dieses Irrsinns geweckt; stattdessen beschftigt sichein ganzer Forschungszweig mit der Entwicklung mathematischer Modelle des Unbere-

    chenbaren, die sich allein dem Standpunkt verdanken, die Wissenschaft wre der kapitali-stischen Gesellschaft eine quantifizierende Prognose ber deren eigenes freies Wirtschaf-ten schuldig.

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    Beschftigung Globalisierung Standort ...

    gebilligt sein will. Wer als Unternehmer daran scheitert, disqualifiziert sich als Ver-sager, mu sich Mimanagement und Schlimmeres vorwerfen lassen, gert sogarleicht in den Verdacht wirtschaftskrimineller Verfehlungen was nun zwar zu denbehaupteten schicksalhaft wirkenden Sachzwngen des Marktes schlecht pat, umso besser hingegen zu dem parteiischen Glauben an eine Pflicht und ein unbedingtes

    Recht kapitalistischer Unternehmen, Erfolg zu haben. Umgekehrt adelt Erfolg denErfolgreichen zum Knner; nach derselben Logik. Immerhin ist den Freunden derMarktwirtschaft in ihrer Parteilichkeit fr geschftlichen Erfolg also auch derGedanke gelufig, da die Konkurrenz, die den kapitalistischen Eigentmern dasGesetz des Handelns aufzwingt, zugleich ein gewisses Ma an Freiheit einschliet:Macht ber Geschftsmittel, die sich mehr oder weniger zweckmig einsetzen lt.

    Was kapitalistische Unternehmer fr ihren Erfolg beim Gelderwerb am Marktwirklich tun knnen, das tun sie dort, wo sie Herr des Geschehens sind: Die Waren-produktion mssen sie so einrichten, da sie mit deren Resultaten den Konkurrenz-kampf bestehen knnen. Dieser Konkurrenzkampf gibt die Mastbe vor, denen die

    im Betrieb zustandegebrachte Arbeitsproduktivitt gengen mu mit der bloenAneignung der Produktivkraft der Arbeit durchs Eigentum ist es noch lange nichtgetan.

    2.

    a) Wenn kapitalistische Unternehmer ihr Produkt zu Geld machen wollen, treffensie, als Ergebnis der bereits gelaufenen Konkurrenz, auf den Marktpreis, zu dem dieWare generell angeboten wird. Damit steht der Kostpreis auf dem Prfstand, den siefr die Herstellung einer Wareneinheit kalkulieren. Denn aus der Differenz zwi-

    schen dem Stckpreis, den sie als Aufwand berechnen, und dem Verkaufserls, mul-tipliziert mit der effektiv verkauften Stckzahl, ergibt sich der Gewinn, um den esschlielich geht. Da der steigt, wenn der Kostpreis unter dem Durchschnitt, undschwindet, wenn er darber liegt, versteht sich.

    Mit einer ordentlichen Gewinnspanne pro Stck ist das Unternehmensziel abernoch nicht erreicht: Es geht darum, mglichst viel zu verkaufen; das bringt zur Ratedes Gewinns ja erst die Masse. Dieses grundstzlich schrankenlose Bedrfnis nachAbsatz stt, insgesamt gesehen, an die Grenzen der Geldsumme, die die Kund-schaft hat und sich auerdem fr ihre verschiedenartigen Bedrfnisse einteilenmu ; doch diese Grenze geht den Warenproduzenten, der soviel Produkt wie mg-

    lich zu Geld machen will, direkt gar nichts an. Unmittelbar stehen ihm die anderenVerkufer im Weg, die ihrerseits Kaufkraft mit Beschlag belegen, ihm also sorechnet jeder geschftstchtige Unternehmer mglichen Absatz und damit verbun-denen Gewinn streitig machen. Um dieses Hindernis wegzurumen, fremde Markt-anteile zu erobern, gibt es Werbung, Bestechung und sonstige Formen der Markt-pflege schon eingerechnet letztlich nur die eine Methode, die Konkurrenten zuunterbieten.10) Da das im Widerspruch zum Zweck der Gewinnsteigerung steht,

    10) Die marktwirtschaftliche Lebenserfahrung, nach der die Preise hauptschlich steigen, und

    zwar so allgemein, da die einzelnen Erhhungen sich zu einer Teuerungsrate addieren,wird hoffentlich niemand fr einen Einwand halten. Da die kapitalistischen Produzentenfr ihre Waren in der Gesamttendenz immer mehr verlangen und auch gezahlt bekommen,

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    liegt auf der Hand. Die Rechnung kann nur aufgehen, wenn es gelingt, die Produk-tion im eigenen Betrieb zu verbilligen. Folglich richten sich alle Anstrengungen deskapitalistischen Warenproduzenten darauf, den Produktionspreis fr die zu verkau-fende Ware zu senken.

    Ist das gelungen und der Kampfpreis gegen die Konkurrenz am Markt eingefhrt,

    dann wird fr alle, die noch mithalten und ihre Marktanteile behalten wollen, dasneue abgesenkte Preisniveau zur verbindlichen Bezugsgre. Ein neuer Marktpreisist entstanden, zu dem jeder Produzent seinen Kostpreis ins Verhltnis setzen mu.Dessen Senkung wird zur berlebensbedingung des Unternehmens. Die Gewinn-spanne ist im Endeffekt dann freilich gar nicht weiter gestiegen; und ob insgesamtdurch Mehrverkauf die Masse des Gewinns zugenommen hat, ist sehr die Frage.Zwischen den Konkurrenten hat sich aber wieder einmal neu entschieden, wer wie-viel verkauft; und um diese Entscheidung zu den eigenen Gunsten geht es jedemBeteiligten. Die Bemhungen, den Kostpreis zu senken, hren also nie auf; jederErfolg ist der Auftakt zur nchsten Offensive.

    b) Hierbei geraten stets alle Posten der kapitalistischen Aufwandsrechnung unterDruck. Erpresserische Preisvorgaben fr Zulieferer z.B. gehren (nicht erst seitSeor Lopez) zum alltglichen Geschftsgebaren grerer Konzerne die Lieferan-ten mssen dann zusehen, wie sie ihrerseits bei gesenkten Abnahmepreisen ihreGewinnspanne retten, was schon wieder auf innerbetriebliche Kostensenkung hin-ausluft. Besondere Beachtung und Behandlung erfhrt freilich immer und berallder eine groe Kostenfaktor, der Preis der Arbeit; und das aus gutem Grund. Er bie-tet nmlich zwei wesentliche Angriffsflchen.

    Da sind zum einen die an die Arbeitskrfte ausgezahlten Lhne nach ihrer absolu-

    ten Hhe. Es gibt zwar Tarifvertrge, die den Wettstreit der Arbeitgeber ums nied-rigste Entgelt an einen allgemeinverbindlichen Rahmen binden. Doch schon diedarin blicherweise kodifizierte Vielfalt von Lohngruppen bietet die Handhabedafr, durch geschickte Eingruppierung der Belegschaft das unternehmenseigeneLohnniveau zu senken. Die Zustimmung der Arbeitnehmervertretungen, die dafrmeistens ntig ist, ist im Prinzip immer und je nach Konjunkturlage leicht zu haben;sie lt sich ntigenfalls wie gerade die vorbildliche deutsche Tariflandschaftheute zeigt auch fr die Umgehung oder eingestandene Nicht-Achtung tariflicherVorschriften erreichen. Das senkt den Lohnkostenanteil am Kostpreis der Ware, dieLohnstckkosten, wirkt also wie eine Steigerung der Arbeitsproduktivitt und ist esja auch: Das Ergebnis hat einen geringeren Aufwand fr Arbeit gekostet.

    Der technische Aspekt der Arbeitsproduktivitt: der materielle Wirkungsgradder eingesetzten Arbeitsmenge, ist der andere und bei weitem ergiebigere Ansatz-punkt im Kampf des Kapitals gegen seine Lohnkosten. Denn mit jedem Fortschritthier sinkt der Lohnanteil am Herstellungspreis der Ware, die Lohnstckkost, erst

    hat seinen Grund in der unproduktiven Aufblhung der gesellschaftlichen Zahlungsfhig-keit durch staatliche Geldschpfung auf dem (Um-)Weg der Verschuldung und wirddaher auch von niemandem mit einer Vergrerung des Werts der angebotenen Dinge

    verwechselt, sondern als Wertverlust der gesetzlichen Zahlungsmittel durchschaut.Solange Inflation zum marktwirtschaftlichen Alltag gehrt, mag sich der Preiskampf derUnternehmer also weithin als Konkurrenz um den geringeren Preisanstieg abspielen.

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    recht als wre die Belegschaft billiger geworden. Und tatschlich ist sie das auch,nach der Kalkulation nmlich, die das Unternehmen hier anstellt und in die Tatumsetzt: Die Effektivierung der Arbeit rechnet es sich sofort um in dieberflssigkeit bislang bezahlter Arbeitskrfte, also in eine Senkung der betriebli-chen Lohnkosten, beurteilt die Produktionsmittel nach dem Ergebnis dieser Rech-

    nung und richtet sich bei seinen Investitionen danach.Die konomische Logik dieser Kalkulation ist bemerkenswert. Vom technischen

    Fortschritt im materiellen Sinn, den ausgeklgelten Methoden zur Steigerung derProduktivkraft der Arbeit, den Meisterleistungen der Ingenieurskunst bei der Auto-matisierung der Produktion usw., geht sie aus, unterstellt deren produktionstechni-sche Zweckmigkeit, um davon zu abstrahieren und sich ausschlielich mit zweiZahlen zu befassen: Sie beziffert die Investitionskosten, die die Effektivierung derArbeit durch neue Produktionsmittel bereitet, und zwar ber die mutmaliche Funk-tionsdauer der anzuschaffenden Gertschaften umgerechnet auf die einzelne Ware,damit dieser Aufwand vergleichbar wird mit der anderen Ziffer: den Lohnkosten, die

    die Investition erspart, indem sie Arbeitskrfte entbehrlich macht, ausgedrckt alsabgesenkte Lohnstckkosten. Ist die zweite Ziffer grer als die erste, dann gebietetdie konomische Vernunft eine Effektivierung der Arbeit: Es wird wie es deswe-gen heit rationalisiert. Das Augenmerk gilt also gar nicht der gesteigerten Pro-duktivkraft der Arbeit als solcher, sondern der Ersparnis von Lohnkosten; die ist derDienst, den das Kapital vom technischen Fortschritt haben will; so definiert es ber-haupt, was Verbesserung der Produktionsmittel ist.

    Der kapitalistische Unternehmer zieht damit eine sehr eigene Konsequenz aus sei-nem Eigentmerstandpunkt, wonach die Arbeit, die er bezahlt, vollstndig und

    erschpfend durch den Preis definiert ist, den er dafr zahlt. Er rechnet mit ihr alsKostenfaktor, der sich nicht blo mit allen brigen Kosten des Betriebs zusammen-zhlen und mit einzelnen Posten wunderbar vergleichen lt, sondern der gegenbestimmte andere Aufwandsposten, die fr Investitionen nmlich, mathematischaufzurechnen und, wenn die Mathematik es so will, auch ohne weiteres praktischauszutauschen ist. Sicher, was hinter dem Rechenposten fr Investitionskosten proStck usw. steckt, mindestens da damit produktivittssteigernde Technik einge-kauft wird, das mu er schon wissen; insoweit wird ihm also auch klar sein, da diemenschliche Ttigkeit, die Produkte schafft und dadurch Eigentum erzeugt, nichtschon deswegen dasselbe ist wie die benutzte Maschinerie, weil er beides bezahlt.

    Das vorausgesetzt, unterscheidet er aber weder zwischen der Arbeit und ihrem Preisnoch zwischen der Technik und seinem Eigentum daran. Er zhlt nichts weiter alsdie einzusparenden Lohnkosten nach und hat im Vergleich mit dem Aufwand anInvestitionskosten zwar nicht mehr den sachlichen Grund vor Augen, warum undinwiefern Maschinen und Automaten den menschlichen Arbeitsaufwand reduzieren,dafr aber seinen mageblichen konomischen Grund, solche Gertschaften ver-wenden zu lassen. Er rechnet allen Ernstes so, als profitierte sein Geschft gar nichtvon der Arbeit, die er anwendet, sondern von der, die er einspart; so als wre dieProduktionsttigkeit, die er noch bezahlen mu, gar nicht sein Erfolgsmittel, sonderneine pure Belastung seiner Bilanz: ein noch unbereinigter Restposten, ein noch nicht

    wegrationalisierter Restbestand an Lohnstckkosten, die im Vergleich zu den gewal-tigen Auslagen fr produktivittssteigernde Maschinerie zu hoch ausfallen.

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    Die Verrcktheit dieser Rechnung kann das Kapital sich leisten, weil sein Inter-esse darin unbertrefflich auf den Punkt gebracht ist. Es braucht sich ja wirklichnicht dafr zu interessieren, aus welcher Quelle es selber und seine Vermehrungstammt. Fr seine Vermehrungs- und Konkurrenzbedrfnisse langt es vollstndig,wenn es die Gesichtspunkte in die Tat umsetzt, unter denen seine Produktionskosten

    sinken. Denn genau so, mit seinem bornierten Kampf gegen den Kostenfaktor Lohn,bringt es zwar nie wirklich das Kunststck fertig, aus nichtgezahlten Lhnen undeingesparterArbeit mehr Gewinn zu machen. Die Arbeit jedoch, die es anwendet,macht es sich auf genau diese Weise zum Mittel seines Konkurrenzkampfes zurecht.Was freilich nicht ganz dasselbe ist wie ein ungebrochen steigender Gewinn. DieSache hat nmlich einen gewissen Haken.

    c) Smtliche arbeitssparenden Investitionen sparen deswegen Lohn, weil sie dieangewandte Arbeit produktiver machen: Immer weniger Arbeit steckt im einzelnenProdukt; pro Lohnzahlung steigt die verkufliche Warenmenge. Das steigert denGewinn pro Stck, solange das Unternehmen den zuvor bestehenden Marktpreis

    kassiert. Doch davon bleibt nicht mehr viel brig, wenn der Preisvorteil benutztwird, um die Konkurrenz zu unterbieten; und eine hhere Gewinnspanne stellt sichgar nicht erst ein, wenn das Unternehmen mit seiner Produktionskostensenkungeinem sinkenden Marktpreis hinterherluft, den andere durch dieselben Manahmenherbeigefhrt haben. Mit dem bezahlten Arbeitsaufwand reduzieren die Kapitalisteneben auch den Verkaufspreis der Ware und damit die Gewinnsteigerung, um die esihnen doch geht. So recht auf seine Kosten kommt nur, wem es gelingt, Konkurren-ten aus dem Markt zu werfen und deren Absatz zu bernehmen; der macht wirklichmehr Gewinn auf Kosten des Verlierers. Denn insgesamt und fr alle wchst dieMglichkeit des Gewinnemachens nicht, wenn durch Lohneinsparung der Stck-preis sinkt: Der Erfolg des einen beschrnkt die Erfolgsmglichkeit anderer. Dieautonomen Anstrengungen aller Anbieter, sich in immer grerem Ma zu berei-chern, steigern in ihrer Storichtung gegeneinander nicht die Macht ihres produktivangelegten Eigentums insgesamt, berschsse hervorzubringen. So lt ausgerech-net der ausschlieende Charakter ihres Gewinnstrebens die Unternehmer ihreZusammengehrigkeit spren, die in der Identitt ihrer Erwerbsquelle liegt: Alsselbstndige, unternehmungsfreudige Privateigentmer schlieen sie einander vondem Gewinn aus, der sich durch den Einsatz von Kapital jeweils berhauptmachenlt; als Konkurrenten verfgen sie in ihrem Unternehmen ber Teile des gewinn-

    trchtig eingesetzten kapitalistischen Reichtums. So existiertdie Abstraktion: dasKapital - als Erwerbsquelle, an der alle kapitalistischen Unternehmer teilhaben undderen eigentmliche Paradoxien sie in ihrer Konkurrenz praktizieren: Hier eben die:Mit der Steigerung der Produktivkraft der Arbeit sinkt der Erls pro Ware, derenrealisierbarer Wert.

    Dieses Paradox ist die notwendige Folge des Kampfes, den die kapitalistischenArbeitgeber um ihrer Konkurrenzfhigkeit willen gegen die Lohnkosten fhren.Keine Frage, ihre Ausbeute aus der bezahlten Arbeit steigt: Wenn bei geringerenLohnstckkosten die Differenz zwischen Stckkosten und Marktpreis, also derGewinn pro Ware auch nur annhernd gleichbleibt, dann schafft eben ein kleinerer

    Lohnaufwand ihnen den gleichen, eine gegebene Lohnsumme einen greren ber-schu. Nur haben sie eben damit auch einiges von der Arbeit eingespart, die ihnen

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    so schne berschsse beschert pro Ware, was sich an deren verringertem Ver-kaufswert zeigt, wie auch insgesamt, bezogen auf das absetzbare Gesamtprodukt,mit dem alle Konkurrenten zusammen weniger Geld erlsen als zuvor. Wenn sieihren Reichtum so tatkrftig aus der Lohnersparnis herleiten, dann knnen Kapitali-sten eben auch nicht beides zugleich haben: mehrErtrag aus der Arbeit und mehr

    oder auch nur gleichviel Arbeit, die Ertrag bringt.Damit nicht an dieser Stelle noch Miverstndnisse auftreten: Den Unternehmern,die seit Menschengedenken rationalisieren wie die Teufel, wird hier keine falscheStrategie vorgeworfen sie tun schon das Ihre. Sie tun es so konsequent, da geradeder Fortschritt, den sie zustandebringen, schon wieder und ziemlich grell dasgespannte Verhltnis zwischen der Produktivkraft der Arbeit, derer sie sich bedie-nen, und dem Erwerbszweck, fr den sie sie einsetzen, beleuchtet. ProduktivereArbeit heit ein fr allemal und eben auch im Kapitalismus, da frs einzelne Pro-dukt und fr die Erhaltung der Gesellschaft insgesamt gilt dasselbe wenigerArbeit notwendig ist; daran ndert auch das kapitalistische Eigentum nichts, das nur

    auf die bezahlte Arbeit starrt und nichts als sinkende Lohnkosten will. Dieser Effekt,der unter Gebrauchswertgesichtspunkten, also in der Planwirtschaft uneingeschrnktgut und richtig und gerade so gewollt wre, kollidiertjedoch mit dem marktwirt-schaftlichen Interesse des Kapitals, mglichst viel zu verkaufen, also dauernd immermehr Zeug herstellen zu lassen und vom Markt per Bezahlung bescheinigt zu krie-gen, da die vorhandene Kaufkraft darauf gerade noch gewartet hat; denn diesesInteresse fordert gebieterisch, immer mehr Arbeiteinzuspannen. Freilich: eigentums-wirksam; also bedarfsgerecht fr die Konkurrenz um Gewinn. Und weil Kapitalistenhier in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber allesamt zielstrebig die Lohnkosten als dieam leichtesten und am effektivsten komprimierbare Gre entdecken, beschrnken

    sie mit ihrem antagonistischen Gewinnstreben eben die notwendige Arbeit, von dersie gar nicht genug unter ihr Kommando kriegen knnen.11)

    11) Was an Arbeit notwendig ist, um die Leute zu erhalten, die die Arbeit tun und dafr einenLohn kriegen mssen, kann fr Kmpfer gegen den Kostenfaktor Lohn gar nicht geringf-gig genug sein. Das schliet ein, da die Arbeiter mit ihrem Lohn auch auf das fr ihreErhaltung Notwendige beschrnkt bleiben: Sinkende Lohnstckkosten bieten die Gewhr,da die Arbeit, die zur Produktion des Gegenwerts ihres Lebensunterhalts ntig ist, mitsteigender Arbeitsproduktivitt gegen Null geht. Das ist die Kehrseite der Gewinnsteige-rung pro Lohneinheit, von der schon die Rede war; und von ein paar Konsequenzen frdie Lohnarbeiter wird in Punkt 3. dieses Kapitels noch die Rede sein. Eine andere Konse-quenz deutet sich hier aber auch schon an: Die zur Erhaltung der Arbeiter ,notwendigeArbeit ist nicht ganz ohne Bezug zur marktwirtschaftlich ,notwendigen Arbeit in demandern Sinn: da der Verkauf eines Produkts die Arbeit, die auf seine Herstellung verwen-det worden ist, als gesellschaftlich notwendig erweist; dadurch nmlich, da der Erlsden Gewinn realisiert, ohne den die Arbeit eben umsonst, also gesellschaftlich berflssigwar. Kein Zweifel, der Kapitalismus trennt beide Bedeutungen von ,notwendig so grnd-lich, wie es nur geht: Was zum Unterhalt der Arbeiter ntig ist, soll mit den Notwendig-keiten des gesellschaftlichen Lebens, die die Kapitalisten mit ihren Waren bedienen wol-len, denkbar wenig zu tun haben. Aber da die Kapitalisten flott immer mehr verkaufen,whrend sie gleichzeitig die Masse ihrer Gesellschaft auf einen mit den Lohnstckkosten

    sinkenden Bruchteil des gesellschaftlichen Reichtums, nmlich des verfgbaren Geldesbeschrnken, das ist nicht blo fr die Produzenten von Massenware ein Problem, son-dern steht zum Bemhen der Unternehmer insgesamt um immer mehr Verkauf in einem

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    So setzen sie einen unheilbaren Widerspruch in ihre verkehrte Welt, in der derReichtum nicht in den produzierten Gtern besteht, sondern im geldwerten Eigen-tum daran, und in der folglich die Schaffung von Reichtum nicht im materiellenNutzen der geleisteten Arbeit ihr Ma hat, sondern in deren purer Menge abzglichdes Arbeitsquantums, das fr die Produktion des Gegenwerts der gezahlten Lhne

    ntig ist: Fr die Vergrerung dieser alles entscheidenden Differenz gibt es keinwirksameres Mittel als ausgerechnet die Minderung der Arbeitsmenge, die zur Her-stellung einer Ware im besonderen und von verkuflicher Ware berhaupt im allge-meinen bentigt wird. Oder umgekehrt: Die Verminderung des materiellen Arbeits-aufwands fr die Warenproduktion wird von allen kapitalistischen Arbeitgebern alsdas probate Mittel zur Vermehrung ihres Eigentums eingesetzt, welches selber dochgar keine besonderen Produkte zum Inhalt hat, sondern in der Aneignung von Arbeitberhaupt besteht. In ihrem Drang, die Lohnkosten zu senken, um ihr Eigentum flot-ter zu vergrern, machen die Helden der Marktwirtschaft die Arbeit in ein und der-selben Operation ertragreicher und sparen sie ein; indem sie bezahlte Arbeit wegra-

    tionalisieren, stacheln sie die Quelle ihres Reichtums zu grerer Ergiebigkeitanund reduzieren sie zugleich.

    d) Es ist fr die Arbeitgeber ein Glck, da sie anders rechnen. Sie bringen es inihrer Kalkulation mit den gewinnsteigernden Wirkungen einer Lohnstckkostensen-kung ohne jede Schwierigkeit fertig, Gewinn pro Lohnkostzu veranschlagen, ohneauch nur von der Ahnung gestreift zu werden, da der Gewinn dann vielleicht auchaus der Lohnarbeitresultiert irgendwie... Stattdessen sind sie so frei, ihre ber-schsse zu jedem beliebigen Posten ihrer Aufwandsrechnung in Beziehung zu set-zen; das ist ja berhaupt der Ausgangspunkt ihrer Kalkulation mit der

    gewinnsteigernden Ersetzung von Lohnkosten durch Kapitalinvestitionen sowieMotiv und Gesichtspunkt ihres nie erlahmenden Rationalisierungseifers. Den End-punkt markiert die unternehmerische Gewinnrechnung, die den erwirtschaftetenberschu an den Gesamtauslagen des Unternehmens mit und daraus das bindendeErfolgskriterium verfertigt: Im Verhltnis zu den Kosten des gesamten Betriebs muder Gewinn eine konkurrenzfhige prozentuale Hhe erreichen; sonst hat dieganze Veranstaltung sich nicht bewhrt, und der Konkurrenzkampf um Profit ist ver-lorengegangen.

    Was diese Aufwands- und Ertrags-Rechnung auf der Kostenseite alles zusam-menzhlt, enthlt zwei in der Sache reichlich inkommensurable Posten: Zu denKosten fr weniger Arbeit, die mit ihrer technisch weiterentwickelten Produktivkraftmehr Gewinn hergegeben hat festgehalten in den abgesenkten Lohnstckkosten ,addiert sie den dafr gettigten Investitionsaufwand, an dem sich die gestiegene

    gewissen Widerspruch.Dieser Widerspruch beginnt damit, da die Reduzierung der zur Reproduktion des

    Arbeitslohns ,notwendigen Arbeit fr die Kapitalisten ein Kampfmittel in der Preiskon-kurrenz ist und deswegen mit der Reduzierung der im Marktpreis zu realisierenden ,not-

    wendigen Arbeit einhergeht; woran sich zeigt, da frs Kapital Mobilisierung und Ein-sparung seiner eigenen Quelle identisch ist. Da das nicht gutgehen kann, liegt offenzutage: Den Lohnabhngigen bekommt dieser Widerspruch berhaupt nicht.

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    Ausbeute aus der effektivierten Arbeit krftig relativiert. In der Summe, die alsGesamtnenner des Betriebserfolgs zur Ermittlung der Profitrate des Unterneh-mens12) fhrt, prsentiert diese Rechnung das einigermaen paradoxe Ergebnis,zu dem die unermdliche Anstrengung, teure Lohnkosten durch billigeres Kapi-tal zu ersetzen, folgerichtig gefhrt hat: Immer mehr Auslagen sind ntig, um

    immer wenigerArbeit immer ergiebigerzu machen resp. an der immer ergiebigerenArbeit zu sparen. Statt hemmungslos mehr berschu abzuwerfen, fhren dieertragssteigernden Investitionen dazu, da die Konkurrenz um Gewinn immer kost-spieligerwird, so da die Gre, auf die doch alles ankommen soll: die Unterneh-mensrendite, durch dieaufwendigen Methoden zu ihrer Steigerung beschrnktwird.13)

    Kapitalistische Arbeitgeber ziehen aus diesem Paradox die einzig systemgemeFolgerung. Voller Selbstlob fr die Grozgigkeit, mit der sie ihren Leuten nur dasBeste zukommen lassen, und mit einem unberhrbaren Unterton von Beschwerdeber deren Undankbarkeit geben sie bekannt, da konkurrenzfhige Arbeitspltze

    12) Mit Profitrate ist hier nicht die notwendige Beziehung zwischen Wertgren das Ver-hltnis zwischen Mehrwert und gesamtem angewandtem Kapital gemeint, die Marx imBegriff der Profitrate bestimmt, sondern blo das Ergebnis der unternehmerischen Bruch-strich-Rechnung, die den ausgewiesenen Unternehmensgewinn am Aufwand mit oftwird auch lieber der Umsatz als Bezugsgre hergenommen, um mit der winzigen Pro-zentzahl, die dann herauskommt, ber zu hohe Lhne Beschwerde zu fhren. Allerdingssind die berschuverhltnisse, die die kapitalistischen Produzenten in ihrer Konkurrenzgegeneinander hinkriegen, genausowenig beliebig wie die Marktpreise, zu denen sie, einjeder nur fr sich, verkaufen: In ihrem Durchschnitt und dessen Bewegung macht sich derKapitalismus-eigene Widerspruch zwischen der Produktivkraft der Arbeit und dem Auf-

    wand fr deren Steigerung als Regulativ bemerkbar.13) Mit dem Realen Sozialismus ist es zwar vorbei; aber wer sich posthum fr dessen Fehler

    interessiert, in dem sich wesentliche Verrcktheiten der Marktwirtschaft widerspiegeln,dem wird an dieser Stelle ein einschlgiges Dogma der realsozialistischen Planungswis-senschaft einfallen. Der Widerspruch, von dem hier die Rede ist, liegt demnach in derNatur der Sache, nicht des Kapitalismus; weil nmlich die technische Effektivierung derArbeit allemal einen Aufwand bedeute, welcher stets aus den Ertrgen der geleistetenArbeit zu bestreiten sei, folglich einen Abzug von deren Ertrag darstelle und somit ineinem Widerspruch zum beabsichtigten Effekt stehe, was den Planern und Leitern viel zutfteln gab... Tatschlich haben die Realen Sozialisten sich mit ihrem Kernsatz vomwidersprchlichen Charakter der wissenschaftlich-technischen Revolution, die es zubemeistern gelte, zu einer Absurditt bekannt, die im Kapitalismus ganz ohne Theorieund Dogma Praxis ist: Dort, unter dem Regime des Eigentums, gert das denkbar schlichteVerhltnis von Zweck und Mittel, von technischem Aufwand und Gre des Ertrags, zumWiderspruch. Die technische Seite der Angelegenheit fr sich genommen, also wirklichplanwirtschaftlich gesehen, ist es vllig unsinnig, die Herstellung von Werkzeugen,Maschinen oder Automaten als Abzug vom und Gegensatz zum damit erreichten Ergebnisder Arbeitserleichterung aufzufassen es sei denn, man macht den Unsinn und konstruiertmit groem Aufwand unzweckmige Arbeitsmittel. Im Kapitalismus sindInvestitionsko-sten eine Schranke des berschusses und mssen sich durch dessen Erhhung rechtferti-gen. Tritt dieser Effekt nicht in ausreichendem Mae ein, dann geraten schon wieder alleBestandteile des Kostpreises in die unternehmerische Kritik und der probate Auswegsteht auch schon fest: Die Einsparung von Arbeitskosten hat immer noch nicht gelangt. So

    treibt der Gegensatz, den die kapitalistische Kalkulation mit dem technischen Fort-schritt aufmacht, sich selbst voran. Und darin wollten die Realen Sozialisten den Kapi-talismus ein- und berholen.

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    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhltnis zwischen Arbeit & Reichtum

    immer teurerwerden.14) Und machen so gleich klar, wen sie fr ihren Widerspruchhaftbar machen: Die Arbeit wird unter die Bedingung gestellt, nur noch dann ihrenLohn wert zu sein, wenn sie mit ihren Lohnstckkosten den gesamten Unterneh-mensaufwand rentabel macht. Fr Unternehmer eine vllig logische Sache: Denganzen Aufwand haben sie nur betrieben, um Arbeitskosten zu sparen; also mu

    sich an den verbliebenen Arbeitskosten auch erweisen, da dieser Aufwand sichgelohnt hat: Durch einen in einer hbschen Prozentzahl zusammengerechnetenberschu ber den Gesamtvorschu einschlielich des Investitionsaufwands mudie noch bentigte Arbeit ihre Bezahlung rechtfertigen. In einer griffigen Formelzusammengefat: Arbeit mu rentabel sein sonst findet sie nicht statt.

    So machen kapitalistische Arbeitgeber die selbstgeschaffenen Drangsale ihresKapitalwachstums zu Bedingungen der Lohnarbeit. Entsprechend sieht dieser Pro-duktions- und Kostenfaktor aus.

    3.

    Eins steht von vornherein fest: Von dem technischen Fortschritt, den das Kapitalin die Arbeitswelt einfhrt, kommt denen, die fr Lohn die Arbeit tun, nichts zugute.Wie auch. Schlielich ist Kostenentlastung der Zweck und das Kriterium