Arbeitersport inder AIZ -...

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Arbeitersport in der "AIZ" Die "AIZ" berichtete regelmäßig über Sportereignisse. Selbstverständlich, daß dies vom Standpunkt der Arbeiter- klasse aus geschah. Turn- und Sportorganisationen, alle Einrichtungen der Körperkultur waren einbezogen in die Klassenkämpfe jener Zeit. Die herrschende Klasse, vor allem die rasch wieder- erstarkten Militaristen, tat alles, um in der Sportbewegung Einfluß und Reserven für die zielbewußt betriebene Remili- tarisierung zu gewinnen. In der Arbeitersportbewegung umfaßte der 1893 gegründete Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) im Jahre 1932 in über 7000 Vereinen nahezu 750000 Mitglieder. Der 1896 gegründete Arbeiter- Rad- und Kraftfahrer-Bund Solidarität hatte 350000 Mitglieder in 5500Ortsgruppen. Der Touristen- verein Naturfreunde zählte 90000 Mitglieder in 1000 Orts- gruppen, der Arbeiter-Athletenbund und der Arbeiter- Samariterbundje 50000 Mitglieder. Weitere Organisationen der Arbeitersportbewegung umfaßten zusammen über 50000 Mitglieder. Als mit dem Erstarken der klassenbewußten Kräfte des Arbeitersportes die Führungspositionen der SPD in Gefahr gerieten, wurden etwa vom Jahre 1928an in großem Umfang Mitglieder sowie Vereine und ganze Organisationsteile aus der Sportbewegung ausgeschlossen. 1929 entstand des- halb auf Initiative der KPD als zeitweilige Gemeinschaft von ausgeschlossenen und sympathisierenden Sportlern die Interessengemeinschaft zur Wiederherstellung der Einheit im Arbeitersport. Daraus ist 1930 die nach den Prinzipien des demokratischen Zentralismus aufgebaute Kampfge- meinschaft für Rote Sporteinheit hervorgegangen. Mit ihrer Leitung wurde Ernst Grube, Mitglied des Zentralkomitees der KPD und Reichstagsabgeordneter, betraut. Die Kampf- gemeinschaft vereinte über 250000 Arbeitersportier in etwa 3400 Vereinen. Sie verfügte über gute Verbindungen zu Mit- gliedern anderer Arbeitersportverbände und zu Arbeitern in bürgerlichen Vereinen und Verbänden. Die "AIZ" gab vor allem den revolutionären Sportlern ihre Unterstützung. Sie ging in ihrer Berichterstattung von den Interessen der deutschen Arbeiterklasse und den Geboten der internationalen Solidarität der Arbeiterbewegung aus. Der großen Mehrheit der Arbeitersportier fiel es schwer, die politischen Machenschaften der rechten Führer der SPD zu durchschauen. Die meisten von ihnen glaubten, es genüge, ein guter Sportler zu sein, das sei schon eine Stärkung der Arbeitersache und diene dem gesellschaftlichen Fortschritt. Die revolutionäre Sportbewegung orientierte sich auf die entwickeltsten Industriegebiete, vorwiegend auf Berlin, Hamburg, Mitteldeutschland und das Ruhrgebiet. Das widerspiegelte sich auch in der Berichterstattung der "AIZ". Manche ihrer Bildberichte mögen heute altmodisch wirken. Die billigen Apparate der Arbeiterfotografen konnten ge- rade bei Sportaufnahmen nur selten mit den teuren Geräten der Berufsfotografen konkurrieren. Was in,diesem Buch an Beispielen wiedergegeben ist, kann nur unvollkommen für die enge Verbindung der "AIZ" mit dem Arbeitersport zeugen. Ihre Berichte wurden seinerzeit stark beachtet; sie unterstützten die revolutionären Sportler in wertvoller Weise (Abb. 135, 136, 138). Im Kapitel "Die ,AIZ' und ihre Leser" sprachen wir schon von der Zusammenarbeit des "AIZ"-Verlages mit den 143 ,::

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Page 1: Arbeitersport inder AIZ - ciml.250x.comciml.250x.com/sections/german_section/kpd/aiz_arbeitersport.pdf · Das Heft war ein Pamphlet von starker Wirkung, ein Dokument von großer Bedeutung.

Arbeitersportin der "AIZ"

Die "AIZ" berichtete regelmäßig über Sportereignisse.Selbstverständlich, daß dies vom Standpunkt der Arbeiter-klasse aus geschah.Turn- und Sportorganisationen, alle Einrichtungen derKörperkultur waren einbezogen in die Klassenkämpfe jenerZeit. Die herrschende Klasse, vor allem die rasch wieder-erstarkten Militaristen, tat alles, um in der SportbewegungEinfluß und Reserven für die zielbewußt betriebene Remili-tarisierung zu gewinnen.In der Arbeitersportbewegung umfaßte der 1893 gegründeteArbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) im Jahre 1932 inüber 7000 Vereinen nahezu 750000 Mitglieder. Der 1896gegründete Arbeiter- Rad- und Kraftfahrer-Bund Solidaritäthatte 350000 Mitglieder in 5500Ortsgruppen. Der Touristen-verein Naturfreunde zählte 90000 Mitglieder in 1000 Orts-gruppen, der Arbeiter-Athletenbund und der Arbeiter-Samariterbundje 50000 Mitglieder. Weitere Organisationender Arbeitersportbewegung umfaßten zusammen über 50000Mitglieder.Als mit dem Erstarken der klassenbewußten Kräfte desArbeitersportes die Führungspositionen der SPD in Gefahrgerieten, wurden etwa vom Jahre 1928an in großem UmfangMitglieder sowie Vereine und ganze Organisationsteile ausder Sportbewegung ausgeschlossen. 1929 entstand des-halb auf Initiative der KPD als zeitweilige Gemeinschaftvon ausgeschlossenen und sympathisierenden Sportlern dieInteressengemeinschaft zur Wiederherstellung der Einheitim Arbeitersport. Daraus ist 1930 die nach den Prinzipiendes demokratischen Zentralismus aufgebaute Kampfge-meinschaft für Rote Sporteinheit hervorgegangen. Mit ihrerLeitung wurde Ernst Grube, Mitglied des Zentralkomiteesder KPD und Reichstagsabgeordneter, betraut. Die Kampf-gemeinschaft vereinte über 250000 Arbeitersportier in etwa3400 Vereinen. Sie verfügte über gute Verbindungen zu Mit-gliedern anderer Arbeitersportverbände und zu Arbeiternin bürgerlichen Vereinen und Verbänden.Die "AIZ" gab vor allem den revolutionären Sportlern ihreUnterstützung. Sie ging in ihrer Berichterstattung von denInteressen der deutschen Arbeiterklasse und den Gebotender internationalen Solidarität der Arbeiterbewegung aus.Der großen Mehrheit der Arbeitersportier fiel es schwer, diepolitischen Machenschaften der rechten Führer der SPD zudurchschauen. Die meisten von ihnen glaubten, es genüge,ein guter Sportler zu sein, das sei schon eine Stärkung derArbeitersache und diene dem gesellschaftlichen Fortschritt.Die revolutionäre Sportbewegung orientierte sich auf dieentwickeltsten Industriegebiete, vorwiegend auf Berlin,Hamburg, Mitteldeutschland und das Ruhrgebiet. Daswiderspiegelte sich auch in der Berichterstattung der "AIZ".Manche ihrer Bildberichte mögen heute altmodisch wirken.Die billigen Apparate der Arbeiterfotografen konnten ge-rade bei Sportaufnahmen nur selten mit den teuren Gerätender Berufsfotografen konkurrieren. Was in,diesem Buch anBeispielen wiedergegeben ist, kann nur unvollkommen fürdie enge Verbindung der "AIZ" mit dem Arbeitersportzeugen. Ihre Berichte wurden seinerzeit stark beachtet; sieunterstützten die revolutionären Sportler in wertvollerWeise (Abb. 135, 136, 138).Im Kapitel "Die ,AIZ' und ihre Leser" sprachen wir schonvon der Zusammenarbeit des "AIZ"-Verlages mit den

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Arbeitersportverbänden. Es hat viele Verbindungen dieserArt gegeben. Innerhalb der sozialdemokratisch geführtenArbeitersportbewegung entwickelte sich aus der politischenGegnerschaft zu den revisionistischen und reformistischenKonzeptionen in Ideologie und Politik im Arbeitersport dieRevolutionäre Opposition im Arbeitersport. Ihre Anhängerversuchten, eine sozialistische, revolutionäre Politik undIdeologie im Arbeitersport durchzusetzen. Die "AIZ"unterstützte diesen Kurs, indem sie von Veranstaltungen derOpposition berichtete und deren Sportler populär machte. InSchrift und Bild wurde der Klassencharakter des WeimarerStaates und seiner Sportpolitik entlarvt und als Alternativesehr ausführlich über den Sport im ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat - der Sowjetunion - berichtet. Die "Arbeiter-lllustrierte Zeitung" half den roten Sportlern, die Grund-fragen der Arbeiterbewegung auch in die Arbeitersport-vereine zu tragen, sie dort zur Diskussion zu stellen.Der Abgeordnete der KPD im preußischen Landtag PaulZobeI - ein sehr verdienstvoller Funktionär der Arbeiter-sportbewegung - gab in Nummer 43 des Jahrgangs 1929der"AIZ" eine Übersicht über Umfang, Methodik und Ziel-setzung der kapitalistischen Werksportvereine. Es hieß dort:"Das Ziel ist überall das gleiche ... , die Arbeiter und Ange-stellten zu korrumpieren, sie fernzuhalten von den Klassen-organisationen des Proletariats und sie auch außer halb derArbeitszeit in ihrem Tun und Treiben unter Kontrolle zuhaben, ihr Klassenbewußtsein zu trüben, sich auf diese Arteine Streikbrechergarde zuzulegen und im Werksportvereinauch die Grundlage für den Betriebsfaschismus zu schaffen ...Gefügigmachen und Unterwerfen der Arbeiter unter dieWillkür des Unternehmers, Bereitschaft zu noch verstärkterAusbeutung. So ist der Kampf gegen den Werksport derUnternehmer nicht nur eine Angelegenheit, die etwa nurden ArbeitersportIer angeht ... " Die vom Staat, den Unter-nehmerverbänden und der Reichswehr gleichermaßen ge-förderte bürgerliche Sportbewegung trat in der Öffentlich-keit stärker in Erscheinung als die Arbeitersportbewegung.Die "AIZ" hat den bürgerlichen Sport und seine Auswüchseöfter aufs Kom genommen. Egon Erwin Kisch schrieb überden "Fußball in Amerika", daß der Sport dort mehr alsanderswo zum Gladiatorentum, zum reinen Professionalis-mus ausgeartet sei. Sogar an den Universitäten biete manden Spielern ungeheuerliche materielle Vorteile. Eine wahr-scheinlich von Hermann Leupold stammende Betrachtungin Nummer 1 des Jahrgangs 1930 mündete in die Feststel-lung: "DaS Streben nach Leistungssteigerung ist eine wert-volle Triebkraft auf sportlichem Gebiet, wenn es eben nichtzu einer Entartung ... führt. Das Wesen des bürgerlichenSportes macht aber eine Vermeidung solcher Auswüchseunmöglich, trägt vielmehr zu ihrer Förderung bei."Besondere Sorgfalt verwendete die "AIZ" auf die Wort- undBildberichte über die sowjetische Sportbewegung sowie überdie Bestleistungen sowjetischer Sportler in immer mehrSportarten. Die Freundschaftsspiele mit sowjetischen Fuß-ballmannschaften zum Beispiel hatten eine Publikums-wirkung, die weit über das sportliche Gebiet hinausging.Noch immer war ja die antisowjetische Hetze bemüht,Elendsbilder von hungernden, ausgemergelten, apathischenMenschen als typisch für die Bevölkerung des Sowjetlandeszu zeichnen. Auf dem Gebiet des Films, des Theaters, der

Volkskunst und der Literatur gelang es schon nicht mehr, diegrandiose Entwicklung zu leugnen. Ein gleiches galt für dasVolksbildungs- und Gesundheitswesen. Nun machte derStaat der Arbeiter und Bauern auch auf sportlichem Gebietimmer öfter von sich reden. Rußlandreisende berichtetenvon imponierenden Sportparaden und Tausenden von kräf-tigen, lebensfrohen Frauen und Männern im Sportdreß, diesie gesehen hatten. Da war es schwer, die alten Greuelmär-chen an den Mann zu bringen, und die "AIZ" tat das Ihre,um den Lügenschleier immer mehr zu zerreißen und densowjetischen Sport in Bild und Wort weit über die deutschenGrenzen hinaus bekannt zu machen. Wie ein roter Fadenzieht sich durch die Sportseiten der Gedanke der inter-nationalen Solidarität, der engen Verbundenheit mit demLande Lenins und seinen Menschen.Beider Propagierung desVolkssports bediente sichdie "AIZ"origineller Methoden. Nicht umsonst war Hermann Leu-pold viele Jahre in der Führung des Berliner Arbeitersportstätig gewesen. Die meisten der nichtgezeichneten Beiträgezu Sportfragen stammten von ihm.Die "AIZ" war bemüht, bei ihren Lesern Interesse am Sportzu wecken und sie zur sportlichen Betätigung anzuregen.Da wurde ein "AIZ"-Waldlauf für Kinder organisiert, undsehr bald gab es im Zusammenwirken mit den Sportorgani-sationen populäre Sportbetätigung der verschiedensten Artfür die Leser. Eine Reportage in Fortsetzungen zeigte, wie"Familie Krause" zuerst für einen Ausflug ins Grüne unddann mehr und mehr für die sportliche Betätigung im Ar-beitersportverein Fichte gewonnen wurde (Abb. 140). DieFrauen erhielten Anleitung für gymnastische Übungen undAusgleichssport im eintönigen Berufsleben. Die "AIZ"-Redaktion traf mit Schwimmvereinen in einer Reihe vonStädten Vereinbarungen, die ihren Lesern kostenlose Aus-bildung im Schwimmen sicherte (Abb. 137). Als der faschi-stische Terror immer mehr an Brutalität zunahm, brachte sieAnleitungen für die Erlernung des Kampfsports Jiu-Jitsu undermunterte ihre Leser, sich der Arbeiterschützenbewegunganzuschließen (Abb. 142).Vom 1. bis 13. Februar 1930 führte die Interessengemein-schaft zur Wiederherstellung der Einheit im ArbeitersportWintersportfeste in Oberwiesenthal und Berlin durch. In-und ausländische ArbeitersportIer, die sich zur RotenSport-Internationale bekannten, nahmen an diesen Ver-anstaltungen teil, die. trotz behördlicher Behinderung undgroßer Schwierigkeiten erfolgreich verliefen und der revo-lutionären Sportbewegung neue Freunde gewannen(Abb. 139).

Nach dem Verbot der' "AIZ" und dem Neubeginn in Praghat es eine ganze Weile gedauert, ehe die "Arbeiter-Illu-

. strierte" wieder regelmäßig Sportberichte bringen konnte.Die erste größere Reportage berichtete über das interna-tionale Sporttreffen in Gablonz im Februar 1935. Es littunter der Ungunst der Witterung, hat aber trotzdem seineWirkung gehabt (Abb. 143).Der Sport wurde in der erwähnten Zeit meist im Rahmen an-derer Berichte behandelt, zum Beispiel wenn von der Ju-gend in der Sowjetunion die Rede war oder von der RotenArmee. Auch über Sportgruppen österreichisoher Emigran-ten in der UdSSR ist in der "AIZ" berichtet worden. Alex

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Wedding (Grete Weiskopt) brachte auf der von ihr geleite-ten Kinderseite von 1935 an praktische Sporthinweise fürihre Leser, zum Beispiel unter der Überschrift "UnserSchwimmunterricht". Nummer 30 des gleichen Jahrgangsberichtete auf dem Titelbild von einem großen Sportler-aufmarsch in Moskau.Im November 1935 nahm die "AIZ" zum erstenmal zu denXI. Olympischen Spielen Stellung, die vom 1. bis 16. August1936in Berlin und Kiel stattfinden sollten. In Fotomontagenvon John Heartfield wurde gezeigt, welche Art von "Sport"die Nazimachthaber betrieben, um ihre Gegner mundtot zumachen und den Krieg vorzubereiten (Abb. 144). Der sa-tirisch überhöhten Darstellung des Künstlers folgte in Num-mer 50 desselben Jahres eine politische Abrechnung mit denbraunen Demagogen, die die olympische Idee der Völker-freundschaft und des Friedens zur Stärkung ihres außen-politischen Prestiges mißbrauchten. Drei gut aufgemachteSeiten behandelten das Thema Olympiade im Zeichen dervon den Nazis betriebenen Rassenhetze und Judenverfolgung.Angelehnt an die erschienenen Braunbücher sowie an dasDokumentarbuch "Der gelbe Fleck" mit einem Vorwortvon Lion Feuchtwanger, widerlegte die "AIZ" die Versiche-rung der Hitlerregierung - sie werde die Rechte der "Nicht-arier" bei den Olympischen Spielen respektieren -, indem sieauf die Praxis der Judenverfolgung und die beabsichtigte'Ausrottung der jüdischen Bevölkerung anhand von Tat-sachen und Dokumenten hinwies. Eine ganze Chronik dersystematisch betriebenen Ausschaltung der jüdischen Mit-bürger aus dem Sport wurde vorgelegt, ihre unmenschlicheBehandlung deutlich gemacht (Abb. 145). Die "AIZ"

brachte Namen und Fotos von jüdischen Leistungssportlern,die in Deutschland nicht mehr starten durften. Sie drucktein diesem Heft folgende Tatsachenschilderung : "Am 15.Sep-tember 1935 fand in Breslau in Anwesenheit einer fünfzig-tausend Mann starken Zuschauermenge ein Fußballkampfzwischen einer polnischen und einer deutschen Mannschaftstatt. Den Juden Breslaus war es verboten worden, demSpiel beizuwohnen. Nach Schluß des Fußballkampfes be-gannen die das Stadion verlassenden Nazis jüdische Passan-ten anzugreifen und töteten dabei den jungen Juden EdmundBaumgartner, den Sohn eines Breslauer Juden, der währenddes Krieges für Deutschland gefallen ist. Die ,BreslauerNachrichten' hatten über die Ermordung Baumgartners be-richtet, er hätte sich auf den Sportplatz ,eingeschlichen' undwäre deshalb ,angegriffen' worden. Aber selbst dieser vor-sichtige, die Tatsache beschönigende Bericht sollte nicht be-kannt werden. Die Gestapo beschlagnahmte die fraglicheAusgabe der ,Breslauer Nachrichten' und hoffte, auf dieseWeise den Mord an Baumgartner... verheimlichen zukönnen."Es wurde vom Wintertreffen der Arbeitersportier in Jo-achimsthal (CSR) berichtet (Abb. 149). In der Ausgabe vom19. März 1936 - einer Sondernummer unter dem Titel"Juden im IH. Reich" - nahm die "AIZ" erneut in satirischerWeise zu den 01ympiavorbereitungen in Berlin Stellung.Nummer 27vom 1.Juli 1936war ganz den Olympischen Spie-len gewidmet. Dieses Heft war als "Führer durch das Landder Olympiade" aufgemacht. Das in erhöhter Auflage ge-druckte Sonderheft wurde von Antifaschisten systematisch anaktive Sportler, vor allem an Teilnehmer und Gäste der

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Olympischen Spiele, verteilt. Es enthielt die Aufforderung,hinter die schön aufgemachten Fassaden des Nazireicheszu sehen. Es wurden Hinweise auf Städte, Betriebe und Se-henswürdigkeiten gegeben, wurde von Menschen berichtet,die im Sinne der olympischen Idee für "Friede, Einigkeit undgegenseitiges Verständnis zwischen den verschiedenen Grup-pen wie zwischen den Völkern" eintraten. Bewiesen wurde,daß man gerade sie in Deutschland jagte, einsperrte, ver-nichtete. Wo und wie das geschah, auch darüber gab der"Olympiaführer" Auskunft, denn er enthielt eine Übersichts-karte über alle Gefängnisse, Zuchthäuser, Konzentrations-lager und andere Folterstätten. Wie in einem Reiseführerbeschrieb die "AIZ" Route um Route durch Deutschlandund zeigte auch, wo die Waffen für den Krieg geschmiedetwurden. Das Heft war ein Pamphlet von starker Wirkung,ein Dokument von großer Bedeutung.In Deutschland selbst verteilten Kommunisten, Sozialdemo-kraten und fortschrittlich eingestellte Sportler unter denBesuchern der Olympischen Spiele illegale Flugblätter, dieden volksfeindlichen Charakter der Hitlerdiktatur nach-wiesen und zum Kampf gegen das faschistische System auf-riefen. Einige dieser Kampfschriften lassen erkennen, daßderen Verfasser Material aus der "AIZ" benutzt, Bilder undZeichnungen auf einfache Weise kopiert haben.Die "AIZ" brachte eine Reportage über den SchweizerArbeiter- Turn- und Sportverband, der sich für die Einheitim Arbeitersport einsetzte. Der reich bebilderte Reportwurde auch zu einer Auseinandersetzung mit dem bürger-lichen Sport und zu einem Hinweis auf den Mißbrauch derolympischen Idee benutzt (Abb. 148).In Nummer 29 des gleichen Jahrgangs rief die "AIZ" zueiner Volkssport-Olympiade auf. Sie sollte vom 19. bis 26.Juli 1936 in Barcelona stattfinden. Zu dieser offenbar in Eilevorbereiteten Veranstaltung waren Arbeitersportdelega-tionen aus 17Nationen gemeldet. Es ging darum, den Olym-pischen Spielen in Hitlerdeutschland den internationalenArbeitersport gegenüberzustellen. Das geht auch aus zweiSportseiten hervor, die die "AIZ" in Nummer 30 brachte:"Wo der freie Sport noch eine Stätte hat" lautete die Schlag-zeile dieser Sportseiten, in denen auf die Volksolympiadein Barcelona hingewiesen wurde. Während dieses Heft aufdem Wege zu den Lesern war, spitzten sich in Spanien dieEreignisse in gefährlicher Weise zu. Am 18. Juli 1936begannder zunächst von General Sanjurjo geleitete faschistischeMilitäraufstand gegen die demokratische Republik. Na-türlich gehörten die bereits in Spanien eingetroffenen Ar-beitersportler zu den ersten, die-dem bedrängten Land zuHilfe eilten. In Nummer 33 der "AIZ" wurde mitgeteilt, daßdie für Barcelona geplanten Volksspiele nach Prag verlegtworden seien und dort vom 1. bis 9. August 1936 statt-finden würden.Nummer 29 des Jahrgangs 1937erschien als Sondernummer"Sport und Erholung". Im Leitartikel wurde der Bogen ge-schlagen vom Sport im alten Griechenland über den mittel-alterlichen Wehrsport, die Bürgerwehren der Städte bis zuDr. Basedow, der in Dessau das erste Philanthropinum(Menschen bildungsanstalt) gründete, vom Turnvater Jahnbis zur Turnbewegung des Bürgertums in der Revolutionvon 1848. "Tausende von Turnern standen neben den Ar-beitern und Burschenschaftern auf den Barrikaden, und als

die Reaktion gesiegt hatte, wurden zwanzig Turnerführer indie preußischen Zuchthäuser geworfen, Tausende wandertennach Amerika aus, wo sie 1850 den ,Sozialistischen Turner-bund', den ersten Arbeiter-Tumverband der Welt, gründe-ten." Der Aufsatz mündete in die Ankündigung der IH. In-ternationalen Arbeiterolympiade vom 25. Juli bis 1. August1937 in Antwerpen, zu der auch 55 Spitzensportler der So-wjetunion ihre Teilnahme zugesagt hatten. Das Heft enthieltaußerdem eine zweiseitige Reportage Maximilian Scheers"Verjüngtes Frankreich". Nummer 8 des Jahrgangs 1938informierte über die Weltmeisterschaften im Eishockey, dieam 2. Februar in Prag begonnen hatten (Abb. 146). Biszuletzt berichtete die inzwischen zur "Volks-Illustrierten"gewandelte "AIZ" von den Paraden und Leistungsverglei-chen der sowjetischen Sportler. Sie kündeten von der Kraftdes Sowjetvolkes und wollten dazu beitragen, ..die vomKrieg bedrohten Völker zu ermutigen, im Bunde mit demSowjetland rechtzeitig dem Aggressor das gefährliche Hand-werk zu legen, ehe er die ganze Welt in Brand setzte.Was heute noch an den Sportseiten der "AIZ" bzw. der"Volks-Illustrierten" besticht, ist die Tatsache, daß dortnicht der Sieger dominiert, sondern entsprechend der olym-pischen Idee die Teilnahme am Sport, das Mitmachen, daskollektive Erlebnis. Es waren vor allem die Arbeiterfoto-grafen, die in enger Zusammenarbeit mit der Redaktiondiese Sportberichte gestaltet haben.Wir sind dem zeitlichen Ablauf unseres Berichts etwas vor-ausgeeilt und wollen uns nun wieder den Ereignissen imJahre 1930 zuwenden.