Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org...

25
Arbeitsmarkt¨ okonomie SS 2011 – Marktmacht org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft- liche Lohnbildung Zusammenfassung Bisher sind wir von einer Situation auf dem Arbeits- markt ausgegangen in der beide Seiten, also sowohl Arbeitsnachfrager(=Firmen) als auch Arbeitsanbieter(=Haushalte) keinen Einfluss auf den Lohn hatten. In neoklassischer Manier haben wir angenommen, dass alle Individuen zu klein sind (und damit keine Marktmacht haben), um den Lohn zu beeinflus- sen. Der gleichgewichte Lohn wurde schließlich durch einen Walrasianischen Auktionator gefunden und alle Wirtschaftssubjekte haben sich in ihrem Ver- halten an diesen Lohn angepasst. Offensichtlich ist dies eine obskure Vor- stellung dar¨ uber wie ein realtypischer (Arbeits-)markt funktioniert. In der Regel ist es doch offensichtlich so, dass eine der beiden Marktseiten (oder beide) den Lohn beeinflussen k¨ onnen. Auf Seiten der Arbeitsanbieter stellt die Gewerkschaft eine m¨ ogliche institutionelle Form dar wie Marktmacht aus- ge¨ ubt werden kann. Gewerkschaften, als Vertreter der Arbeitsanbieter sind in der Lage den Lohn zu verhandeln oder sogar unilateral zu setzten. Wie dies modelltheoretisch erfasst und analysiert wird und vor allem welche Kon- sequenzen dies f¨ ur den Arbeitsmarkt hat, wird Fokus der folgenden Kapitel sein. 1.1 Monopolgewerkschaft Die vorherrschende institutionelle Organisation der Lohnfindung ist die der gewerkschaftlichen Lohnbildung. Zwar waren im Jahr 2000 nur“ ca. 30% der abh¨ angig Besch¨ aftigten Mitglieder bei einer Gewerkschaft (Tendenz sin- kend), siehe CESIfo (2008). Eine Ausnahme bilden hier die skandinavischen Volkswirtschaftwirtschaften mit Organisationsgraden von bis zu 75%. Die gewerkschaftliche Organisation ist aber nur eine Seite der Medaille. Schaut 1 Preliminary version – 18. Mai 2011

Transcript of Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org...

Page 1: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

Arbeitsmarktokonomie SS 2011 – Marktmacht

Jorg Lingens

18. Mai 2011

1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-

liche Lohnbildung

Zusammenfassung Bisher sind wir von einer Situation auf dem Arbeits-markt ausgegangen in der beide Seiten, also sowohl Arbeitsnachfrager(=Firmen)als auch Arbeitsanbieter(=Haushalte) keinen Einfluss auf den Lohn hatten.In neoklassischer Manier haben wir angenommen, dass alle Individuen zuklein sind (und damit keine Marktmacht haben), um den Lohn zu beeinflus-sen. Der gleichgewichte Lohn wurde schließlich durch einen WalrasianischenAuktionator gefunden und alle Wirtschaftssubjekte haben sich in ihrem Ver-halten an diesen Lohn angepasst. Offensichtlich ist dies eine obskure Vor-stellung daruber wie ein realtypischer (Arbeits-)markt funktioniert. In derRegel ist es doch offensichtlich so, dass eine der beiden Marktseiten (oderbeide) den Lohn beeinflussen konnen. Auf Seiten der Arbeitsanbieter stelltdie Gewerkschaft eine mogliche institutionelle Form dar wie Marktmacht aus-geubt werden kann. Gewerkschaften, als Vertreter der Arbeitsanbieter sindin der Lage den Lohn zu verhandeln oder sogar unilateral zu setzten. Wiedies modelltheoretisch erfasst und analysiert wird und vor allem welche Kon-sequenzen dies fur den Arbeitsmarkt hat, wird Fokus der folgenden Kapitelsein.

1.1 Monopolgewerkschaft

Die vorherrschende institutionelle Organisation der Lohnfindung ist die dergewerkschaftlichen Lohnbildung. Zwar waren im Jahr 2000

”nur“ ca. 30%

der abhangig Beschaftigten Mitglieder bei einer Gewerkschaft (Tendenz sin-kend), siehe CESIfo (2008). Eine Ausnahme bilden hier die skandinavischenVolkswirtschaftwirtschaften mit Organisationsgraden von bis zu 75%. Diegewerkschaftliche Organisation ist aber nur eine Seite der Medaille. Schaut

1

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 2: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

man sich an fur welchen Teil der abhangig Beschaftigten ein gewerkschaft-lich verhandelter Lohn angewendet wird, so sind dies erheblich mehr. Weituber 80% der abhangig Beschaftigten werden mit einem Lohn vergutet, dersich indirekt oder direkt an dem von der Gewerkschaft verhandelten Lohnorientiert. Somit kann man doch sagen, dass gewerkschaftliche Lohnbildungein zentrales Element der realtypischen Arbeitsmarkte in Kontinentaleuropadarstellt. Welche Rolle spielen Gewerkschaften fur die Funktionsweise der Ar-beitsmarkte und welche Konsequenzen hat diese Art von Lohnfindung fur dieBeschaftigung und damit fur die Arbeitslosigkeit. Diesen Fragen wollen wiruns in den nachsten Abschnitten widmen. Um diese Fragen zu analysierenund zu beantworten ist es in einem ersten Schritt wichtig zu verstehen wie einModell aussehen konnte, das gewerkschaftliche Lohnbildung berucksichtigt.Es muss also geklart werden wie die Zielfunktion der Gewerkschaft aussieht,welche Variablen diese beeinflussen kann und welchen Restriktionen sich dieGewerkschaft in ihrem Handeln gegenubersieht (siehe Freeman und Medoff(1984) oder Booth (1995) fur ein Bild der Situation und des Handelns vonGewerkschaften).

Realtypische Gewerkschaften sind naturlich komplexe Organisationen miteinem ganzen Bundel von (teilweise unterschiedlichen) Zielen und mit ei-ner ganzen Reihe moglicher Variablen, um diese Ziele zu erreichen. Damitdie Analyse so einfach wie moglich gehalten wird und damit der Fokus klarauf dem direkten Arbeitsmarkteffekt der Gewerkschaft liegt, konzentrierenwir uns im folgenden auf eine sehr eindimensionale und simpel Strukturier-te Gewerkschaft. Alle Haushalte in der Okonomie sind Mitglied in einerGewerkschaft. Eine betrachtete Gewerkschaft i hat also eine exogene Mit-gliederzahl Mi und fur diese exogene Mitglieder setzt/verhandelt die Ge-werkschaft den Lohn. Weiterhin nehmen wir an, dass die Zielfunktion derGewerkschaft einfach das Aggregat (d.h. die Summe) der individuellen Nut-zenfunktion darstellt. Diese Annahmen helfen, dass die Frage bezuglich derMitgliedschaft in einer Gewerkschaft nicht beantwortet werden muss. An-sonsten musste das individuelle Kalkul der Haushalte zusatzlich bestimmtwerden wann und warum diese sich von einer Gewerkschaft vertreten las-sen (siehe z.B. Booth (1995)). Auch die Tatsache (und damit das Problem),dass Gewerkschaft hierarchisch organisiert sind, die Gewerkschaft somit he-terogen ist und die Gewerkschaftsfuhrung (potentiell) andere Ziele verfolgtals die Maximierung des Mitgliedernutzens (also eine public choice Sicht derGewerkschaft z.B. Booth (1984) ) blenden wir aus. Naturlich sind dies wich-tige Punkte zur vollstandigen Beschreibung gewerkschaftlichen Verhaltens.Doch egal wie ausgeklugelt die Beschreibung der Gewerkschaft als Organi-sation ist, der Kerneffekt (im einfachen als auch im komplexen Modell) istdie Beeinflussung des Lohnes. Um diesen Effekt klar herauszuarbeiten haben

2

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 3: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

wir uns eben fur das einfache Modell entschieden. Neben den vereinfachen-den Annahmen bezuglich der Modellierung der Organisation

”Gewerkschaft“,

treffen wir auch bezuglich der Reichweite der Lohnverhandlung und der Artund Weise wie diese stattfinden vereinfachende Annahmen. Die Gewerkschaftsetzt nicht den Lohn fur die gesamte Okonomie, sondern sie ist organisiert ineinem Sektor oder sogar nur in einer Firma i. Damit betrachtet sie aber dasmakrookonomische Umfeld als gegeben. Zusatzlich nehmen wir an, dass dieGewerkschaft als Monopolanbieter fur den Faktor Arbeit (in ihrem Sektor i)auftritt. Damit kann die Gewerkschaft aber (ebenso wie eine Monopolist imGutermarkt) unilateral den Lohn setzten. Wir betrachten also (in einem er-sten Schritt) keine Lohnverhandlung im klassischen Sinne, sondern eine ArtDegeneration einer Verhandlung in welcher die Gewerkschaft die kompletteVerhandlunsgmacht auf ihrer Seite hat. Naturlich ist es aber nicht so, dassdie Firma als Nachfrager nach Arbeit auf diese Lohnforderung nicht reagierenkann. Trotz der Lohnsetzungsmacht der Gewerkschaft ist diese nach wie vorfrei in der Entscheidung wie viele Mitarbeiter diese Beschaftigten mochte.Die Firma hat also das

”Right-to-Manage“, was in letzter Konsequenz be-

deutet, dass, genau wie im neoklassischen Arbeitsmarktmodell, nur Punkteauf der Arbeitsnachfragekurve erreicht werden. Die Firma hat jedoch kei-ne Moglichkeit (z.B. weil dies legal verhindert werden kann), den von derGewerkschaft gesetzten Lohn zu unterbieten oder das Angebotsmonopol derGewerkschaft durch Substitution zu brechen.

Wir haben oben erwahnt, dass die Gewerkschaft den aggregierten Nutzenihrer Mitglieder maximiert, d.h. utilitaristisch agiert, siehe Oswald (1987) .Um die Zielfunktion der Gewerkschaft (deren

”Nutzenfunktion“) formalisie-

ren zu konnen, mussen wir in einem ersten Schritt etwas uber die individuelleNutzenfunktion sagen. Im folgenden wollen wir annehmen, dass der indivi-duelle Nutzen eine lineare Funktion des (realen) Einkommens ist.1 Nehmenwir weiterhin an, dass jeder Haushalt (und damit jedes Mitglied der Gewerk-schaft) exogen eine Einheit Arbeit anbietet, dann ist der individuelle Nutzeneines beschaftigten Gewerkschaftsmitglieds wi

P, wobei dies den (realen) Lohn

bezeichnet, den die Gewerkschaft setzt. Moglicherweise ist aber, bei dem vonder Gewerkschaft gesetzten Lohn, die Beschaftigung in der Firma Li kleinerals die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder Mi. Ein Teil der Gewerkschafts-mitglieder ist also arbeitslos und erhalt ein (reales) AlternativeinkommenAIP

. Dieses Alternativeinkommen kann z.B. aus der Unterstutzung aus derArbeitslosenversicherung oder dem Sozialsystem herruhren, kann aber auchaus anderen Quellen (Schwarzarbeit...) herruhren. Wichtig an dieser Stelle

1Dies kann man aus einem klassischen Nutzenmaximierungskalkul folgern, zumindestwenn die Nutzenfunktion linear homogen ist, siehe dazu z.B. Gravelle und Rees (2004) .

3

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 4: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

ist, dass das Alternativeinkommen fur die Gewerkschaft, aber auch fur dieAnalyse als exogen betrachtet wird. Wir werden spater sehen, dass eine En-dogenisierung nicht nur die Realitatsnahe der Modellierung erhoht, sondernauch wichtige Konsequenzen fur die Arbeitsmarktwirkung der Gewerkschafthat. Damit lautet aber die Zielfunktion der (utilitaristischen) Gewerkschaft:

UUnion(Li, wi) = LiwiP

+ (Mi − Li)AI

P. (1.1)

Durch die vereinfachende Annahme bezuglich der Nutzenfunktion der Haus-halte ist das Ziel der Gewerkschaft die Einkommenssumme ihrer Mitglie-der zu maximieren. Zwei Punkte sind bei dieser spezifischen Nutzenfunktionwichtig. Erstens nehmen wir dadurch implizit an, dass die Gewerkschaft sichauch um ihre arbeitslos gewordenen Mitglieder Sorgen macht. Diese Annah-me ist nicht zwingend, denn es konnte auch der Fall sein, dass die Gewerk-schaft einfach

”nur“ die beschaftigten Mitglieder vertritt und alle anderen

nicht berucksichtigt werden, siehe z.B. LITERATUR. Zweitens maximiertdie Gewerkschaft durch die angegebene Spezifikation nicht nur die Summeder individuellen Nutzen, sondern indirekt auch den erwarteten Nutzen einesGewerkschaftsmitgliedes (zumindest solange die Zahl der Gewerkschaftsmit-glieder als exogen betrachtet wird).

Die Gewerkschaft, die (wie bereits oben erwahnt) den Lohn als Monopo-list setzten kann wird dies so tun, dass die Zielfunktion (1.1) maximiert wird.Nun sieht sich die Gewerkschaft bei ihrer optimalen Wahl einer Restriktionbzw. Nebenbedingung gegenuber. Die Unternehmung hat die Moglichkeitgegeben den gesetzten Lohn der Gewerkschaft die Beschaftigung anpassen.Die Unternehmung wird nun so reagieren, dass diese bei steigendem Lohndie nachgefragte Beschaftigung senken wird. Im Kapitel zur neoklassischenArbeitsnachfrage ?? haben wir gezeigt, dass eine den gewinnmaximieren-de Firma gerade so die Beschaftigung anpassen wird, dass Grenzkosten demGrenzertrag entspricht. Bei einem sinkendem Grenzertrag bedeutet dies aberkonkret, dass eine hoherer Lohn(=Grenzkosten) zu geringerer Beschaftigungfuhren wird. Lautet die Produktionsfunktion der Unternehmung i (im ein-fachsten Fall)

Yi = Lγi , (1.2)

so ergibt sich aus dem Gewinnmaximierungskalul der Unternehmung

wi = PγLγ−1i (1.3)

was fur 0 < γ < 1 eine negativ geneigte Arbeitsnachfrage ergibt. Darauskann man schließlich die Arbeitsnachfrageelastizitat ermitteln. Diese zeigt

4

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 5: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

wie sich die Arbeitsnachfrage bei einer Lohnvariation verandert

ηLiwi =dLiLidwiwi

=dLidwi

wiLi

=1

γ − 1< −1. (1.4)

Wir werden spater sehen, dass diese Große eine entscheidende Rolle im Kalkulder Gewerkschaft spielt. Bei der von uns angenommen Produktionsfunktionist die Elastizitat der Arbeitsnachfrage vom Betrag großer als eins. Dies be-deutet, dass eine Lohnsteigerung um 1% die Beschaftigung um mehr als 1%zuruckgehen lasst. Auch dies ist wichtig fur das Kalkul der Gewerkschaft.

Die Gewerkschaft ist sich also der Tatsache bewusst, dass sie sich bei derMaximierung der Zielfunktion einem Trade-off gegenubersieht. Das Problemder Gewerkschaft lautet also

maxwi

LiwiP

+ (Mi − Li)AI

P(1.5)

s.t.

Li = Li(wi) (1.6)

Damit die Nebenbedingung der Arbeitsnachfrage adaquat berucksichtigt wird,muss diese in die Zielfunktion eingesetzt werden. Damit lautet die zu maxi-mierende Zielfunktion aber

UUnion(Li(wi), wi) = Li(wi)wiP

+ (Mi − Li)AI

P(1.7)

und die zugehorige Bedingung erster Ordnung

dLidwi

wiP

+ Li1

P+dLidwi

(−1)AI

P= 0 (1.8)

⇔ dLidwi

(wi − AI) + Li = 0 (1.9)

⇔ (wi − AI) = −LidwidLi

(1.10)

⇔ wi − AIwi

= − Liwi

dwidLi︸ ︷︷ ︸1

ηLiwi

(1.11)

⇔ (wi)Union =

1

1 + 1ηLiwi

AI. (1.12)

5

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 6: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

Gleichung (1.12) zeigt nun den von der Gewerkschaft optimal gesetzten Lohn.Dieser hangt vom Alternativeinkommen AI und von der Arbeitsnachfrage-elastizitat ηLiwi ab. Je hoher das Alternativeinkommen, d.h. je hoher z.B.das Arbeitslosengeld, desto hoher ist der von der Gewerkschaft geforderteLohn. Die

”Kosten“ des Nichtbeschaftigtseins in Firma i sind in diesem Fall

niedrig was dazu fuhrt, dass die Gewerkschaft ein starkeres Interesse an ho-hen Lohnen als an hoher Beschaftigung hat. Der Effekt der Elastizitat derArbeitsnachfrage ist etwas komplexer, aber okonomisch ebenso klar. WennηLiwi groß ist dann wird die Gewerkschaft einen vergleichsweise hohen Lohnfordern. Dies liegt einfach daran, dass die Gewerkschaft sich bei der Optimie-rung bewusst macht, dass eine marginale Lohnerhohung zu einer niedrigerenBeschaftigung fuhrt. Die Elastizitat der Arbeitsnachfrage zeigt der Gewerk-schaft aber wie stark dieser negative Effekt ist. Wenn ηLiwi groß ist (vomBetrag klein ist!), dann fuhrt eine Lohnerhohung zu einem relativ geringenBeschaftigungsruckgang. In diesem Fall sind also die Opportunitatskosten derLohnerhohung gering und deshalb wird diese hoch ausfallen. Was die Analyseweiterhin zeigt ist, dass fur Arbeitsnachfragen deren Elastizitat vom Betragkleiner als eins sind keine sinnvollen Ergebnissen erzeugt werden. Dies liegtdaran, dass in einer solchen Situation eine Lohnerhohung nur einen unter-proportionalen Beschaftigungsruckgang implizieren wurde. Eine optimieren-de Gewerkschaft wurde in solch einem Fall den Lohn immer weiter erhohen.Wir wollen solche Situationen aus der Analyse ausschließen.

Diese beiden Effekt konnen grafisch verdeutlicht werden, wenn man dieIndifferenzkurve (Isozielfunktion) der Gewerkschaft und die Arbeitsnachfra-ge der Unternehmung in ein wi

P− Li-Diagramm abtragt.2 Grafik zeigt diese

Situation. Die Gewerkschaft wird nun einen solchen Lohn (und damit impli-zit eine solche Beschaftigung) wahlen, dass die Indifferenzkurve gerade dieArbeitsnachfrage tangiert. Dies ist das hochste Niveau der Zielfunktion, dasgegeben die Arbeitsnachfrage erreicht werden kann.

Die Grafik zeigt die beiden algebraisch ermittelten Effekte nochmals ganzdeutlich. Steigt AI, dann verandert sich das Indifferenzkurvenfeld und zwarso, dass fur jeden Punkt wi

P− Li die Steigung der Indifferenzkurve (vom Be-

trag) großer wird.3 Damit ist das ursprungliche Gleichgewicht nicht mehroptimal und der neue Tangentialpunkt liegt bei einem hoheren Lohn. EineVeranderung der Elastizitat der Arbeitsnachfrage kann man als eine Drehung

2Aus Vereinfachungsgrunden und zur besseren Darstellung haben wir uns (im Gegen-satz zu dem algebraischen Beispiel) auf eine lineare Arbeitsnachfragefunktion beschrankt.

3Aus (1.1) folgt die Indifferenzkurve als wiP = UUnion

Li+ Mi

LiAI −AI.

6

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 7: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

6

-Li

wiP

wiP

= 11+ 1

ηLiwi

AIP

wiP

= AI

LUnioni Li

Abbildung 1: Arbeitsmarktgleichgewicht mit einer Monopolgewerkschaft

der Arbeitsnachfrage interpretieren. Steigt diese Elastizitat, so wird die (in-verse) Arbeitsnachfrage, die in der Grafik abgebildet ist, steiler. Damit istaber der Tangentialpunkt bei einem hoheren Lohn erreicht. In Analogie zurmikrookonomischen Haushaltstheorie konnte die Arbeitsnachfrage als Bud-getgerade interpretiert werden. Wenn diese steiler wird sinkt also der

”Preis“

des Lohn in Einheiten Beschaftigung. Es ist rational (fur die Gewerkschaft)einen hoheren Lohn zu setzten.

In der obigen Argumentation haben wir uns sehr stark auf die Lohneffekteder Gewerkschaft konzentriert und haben dabei die Beschaftigungseffekt ausden Augen verloren. Naturlich sinkt die Beschaftigung, wenn der Lohn steigt.Die wichtige Frage ist jedoch wie groß die Beschaftigung ohne gewerkschaft-liche Lohnbildung ware und wie groß damit der Effekt der Gewerkschaft aufdie Arbeitslosigkeit ist.

In einer Referenzsituation in der es keine Gewerkschaft gabe, konnte derLohn in der Firma i nicht kleiner als das Alternativeinkommen sein. Dies liegteinfach daran, dass in diesem kein Mitarbeiter bereit ware fur die Firma zuarbeiten. Umgekehrt wurden Lohne, die großer waren als AI dazu fuhren,dass die Konkurrenz der Arbeitsanbieter um solche Beschaftigung den Lohnsinken lassen wurde. In einem Gleichgewicht ohne Gewerkschaft (unserer Re-ferenzsituation) wurde der Lohn AI entsprechen. Wenn wir weiterhin anneh-men, dass AI indirekt den Opportunitatskosten der Arbeit entspricht, dannherrscht in dieser Situation Vollbeschaftigung in dem Sinn, dass es keine un-freiwillige Arbeitslosigkeit gibt. Die Existenz der Gewerkschaft fuhrt also zueiner Erhohung des Lohnes uber die Opportunitatskosten. Damit entsteht

7

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 8: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Es gibt Gewerkschaftsmitglieder, die arbeitlossind obwohl sie zum herrschenden Lohn arbeiten wurden. Aber nur dadurch,dass die Gewerkschaft verhindern kann dass diese Individuen in Konkurrenzzu den Beschaftigten treten konnen ist sie in der Lage den Lohn uberhaupterst zu erhohen. Die Rationierung des Faktors Arbeit durch die Gewerkschaftfuhrt entsprechend zu Arbeitslosigkeit.

Wenn ein Gewerkschaftsmitglieder weiß, dass es potentiell arbeitslos seinwird, dann stellt sich die Frage warum es uberhaupt Mitglied ist. Die Ant-wort ist, dass der erwartete Nutzen durch die Gewerkschaft steigen wird.Damit ist es individuell sinnvoll, sich von der Gewerkschaft vertreten zulassen. Selbst wenn das Individuum ex-post arbeitslos sein sollte so stellt essich nicht schlechter als in der Situation ohne gewerkschaftliche Lohnbildung,hat aber ex-ante die Chance auf einen besser bezahlte Beschaftigung. Selbstwenn das Individuum riskoavers ware, so wurde sich an dieser grundsatzlichenUberlegung nichts andern, siehe z.B. Goerke und Holler (1999).

Bisher haben wir die Situation in der einzelnen Firma bzw. Industriebetrachtet und analysiert welche Effekte die gewerkschaftliche Lohnbildungin diesem Fall hat. Dabei haben wir in der Argumentation unterstellt, dassdie Situation in der einzelnen Firma letztlich die Situation in der gesamtenOkonomie perfekt widerspiegelt. Diese Annahme ist in der Okonomie nichtungewohnlich und auch relativ unproblematisch solange 1.) alle Firmen undGewerkschaften homogen sind und 2.) alle Großen die auf der individuellenEbene als konstant bzw. exogen angenommen wurden sind auch auf der ge-samtwirtschaftlichen Ebene exogen. Der erste Punkt ist sicher in der Realitatso nicht erfullt, den es gibt reichlich Heterogenitat zwischen Firmen und Ge-werkschaften. Aber selbst wenn man an der Homogenitatsannahme festhalt(was wir im folgende tun wollen), so scheint doch die zweite Annahme alsextrem problematisch.

In der obigen Argumentation haben wir angenommen, dass das Alter-nativeinkommen AI nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch aufgesamtwirtschaftlicher Ebene exogen ist. Dies scheint aber in der Realitatnicht der Fall zu sein. Was ist das Alternativeinkommen eines arbeitslos ge-wordenen Gewerkschaftsmitglieds? Zum einen kann es arbeitslos bleiben undz.B. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. Zum anderen be-steht aber doch auch die Moglichkeit, dass es wieder in einer anderen Firmaoder einem anderen Sektor Arbeit findet. Der Lohn in dieser anderen Fir-ma/diesem anderen Sektor der Okonomie ist aber, ebenso wie die die Wahr-scheinlichkeit eine Arbeit zu finden endogen. Damit scheint die Annahme desexogenen AI aber zu einer inkorrekten Beschreibung der Situation zu fuhren.Die einzelnen Gewerkschaften haben aber dann implizit einen Einfluss aufdas Alternativeinkommen in der Okonomie. Dies muss bei der Aggregation

8

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 9: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

beachtet werden!Nehmen wir, wie oben schon erwahnt an, dass das Alternativeinkommen

ein gewichtetes Mittel der beiden Zustande arbeitslos zu sein bzw. eine Ar-beit in einem anderen Teil der Okonomie zu finden ist. Weiterhin seien dieGewichte mit denen die beiden Zustande eintreten die Arbeitslosenquote ubzw. (1− u). Damit ergibt sich das Alternativeinkommen zu:

AI = uB + (1− u)w, (1.13)

wobei B eine staatliche Unterstutzungsleistung (oder den Wert der Freizeit)und w den durchschnittlichen Lohn in der Okonomie außerhalb der Firma ibezeichnet. Die Arbeitslosenquote U ist naturlich definiert als L−L

L, wobei L

die Beschaftigung in der gesamten Okonomie und L den Arbeitskraftebestanddarstellt.4

Wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass die einzelne Gewerkschaft dasAlternativeinkommen als Datum betrachtet, dann andert sich am grundsatzlichenOptimierungsproblem naturlich nichts. Der Lohn ist weiterhin gegeben durchGleichung (1.12) mit dem einzigen Unterschied, dass wir das Alternativein-kommen eingesetzt haben. Damit ist der Lohn also:

(wi) =1

1 + 1ηLiwi

(uB + (1− u)w). (1.14)

Diese Gleichung zeigt aber nun den entscheidenden Unterschied im Fall desendogenen Alternativeinkommens. Wenn wir Aussagen uber das aggregierteVerhalten der Okonomie machen wollen (selbst wenn wir homogene Haushal-te und Firmen unterstellen) so mussen wir einen Ruckkopplungseffekt zwi-schen der individuellen und der aggregierten Ebene beachten. Diese Ruckkopplungwird durch die Endogenitat des Alternativeinkommens induziert. Der indi-viduelle Lohn ist eine Funktion des aggregierten Lohnes. Bei homogenenGewerkschaften und Firmen, entspricht aber auch der aggregierte Lohn demindividuellen. Eine individuelle Lohnerhohung fuhrt also dann dazu, dass deraggregierte Lohn steigt. Dies hat dann aber wieder einen Ruckkopplungseffektauf den individuellen Lohn zur Folge.

Betrachten wir nun ein symmetrisches, aggregiertes Gleichgewicht, danngilt wi = w und Li = L, d.h. die individuellen Großen entsprechend den

4Man beachte, dass gemaß der Annahme, dass alle Arbeiter Mitglied in einer Gewerk-schaft sind M = L sein muss, die aggregierte Mitgliederzahl also dem Arbeitskraftebestandentspricht.

9

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 10: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

aggregierten, dann folgt aus (1.14) folgender Lohn.

w =1

1 + 1ηLw

(uB + (1− u)w) (1.15)

⇔ w =u

u+ 1ηLw

B. (1.16)

Auf den ersten Blick scheint es als ob qualitativ das Endergebnis im Falldes endogenen und des exogenen Alternativeinkommens letztlich identischsind. In beiden Fallen ist der von der Gewerkschaft gesetzte Lohn irgendeinAufschlag auf einen exogenen Wert. Der entscheidende Unterschied zwischenbeiden Modellierungen ist, dass fur den Fall des endogenen Alternativein-kommens, der Aufschlag auf das Arbeitslosengeld B endogen ist und von derBeschaftigung abhangt. Je großer die (endogene) Arbeitslosenrate u = L−L

L

ist, d.h. je niedriger die Beschaftigung L, umso kleiner ist der von der Ge-werkschaft gesetzte Lohn.5

Die Berucksichtigung des endogenen Alternativeinkommens tragt also derwichtigen Tatsache/Beobachtung Rechnung, dass die Hohe des gefordertenLohnes eine Funktion der Beschaftigungssituation ist. In Phasen steigenderArbeitsnachfrage wird damit der Lohn steigen und umgekehrt. Dies war beider ersten Modellierung nicht der Fall. Die aggregierte Situation auf demArbeitsmarkt kann also folgendermaßen dargestellt werden.

In einer Situation ohne gewerkschaftliche Lohnsetzung wurde der Lohn demexogenen Arbeitslosengeld B entsprechen. Die Beschaftigung in solch einerSituation ware L. Somit fuhrt die Gewerkschaft zu Arbeitslosigkeit in Hohevon LUnion − L. Im Fall des endogenen Alternativeinkommens haben alsoVerschiebungen der Arbeitsnachfragekurve sowohl Beschaftigungs- als auchLohneffekte.

In der Modellierung der gewerkschaftlichen Lohnsetzung haben wir gese-hen, dass dem Arbeitlosengeld B eine entscheidende Rolle in der Bestimmungder Hohe des Lohnes und damit auch der Hohe der Beschaftigung zukommt.Um also die Effekte gewerkschaftlicher Lohnbildung besser zu verstehen, ist esnotwendig die institutionelle Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes bzw. derArbeitslosenersatzleistung naher zu analysieren. Dabei ist die Frage, welcheAuswirkungen die unterschiedlichen Formen auf das Arbeitsmarktergebnisshaben. Schaut man sich realtypische Arbeitslosenversicherungssysteme an, sokann man ganz grob zwei verschiedene institutionelle Typen unterscheiden:

5Dies sieht man leicht, wenn man dwdu = − u

(u+ 1ηLw

)2+ 1

u+ 1ηLw

analysiert. Dieser Ausdruck

ist negativ, d.h. der Lohn sinkt mit steigender Arbeitslosenrate.

10

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 11: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

6

- L

wP

uu+ 1

ηLw

B

LUnion

B

L

Abbildung 2: Arbeitsmarktgleichgewicht mit enodgenem Alternativeinkom-men

1. Die Leistungen, die im Rahmen der Arbeitslosenversicherung gewahrtwerden sind ein fixer Betrag. Insbesondere ist dieser Betrag unabhangigdavon, wie hoch das Einkommen (bzw. der Lohn) vor der Arbeitslosig-keit war. Diese institutionelle Form der Arbeitslosenversicherung wirdBeverdige-System genannt. Sie ist vor allem vorherrschend in an-gelsachsischen Volkswirtschaften wie Irland, UK oder Australien, aberauch z.B. in Polen, siehe CESifo Dice (2008). Dieser Ausgestaltungrechtfertigt also die Annahme, dass das Arbeitslosengeld irgendein fi-xer und damit exogener Betrag ist.

2. Eine andere Alternative wie die Arbeitslosenversicherung ausgestaltetewerden kann ist das Bismarck-System. In diesem findet im Gegen-satz zum Beveridge-System eine direkte Orientierung am Einkommenvor der Arbeitslosigkeit statt. Die Arbeitslosenleistung entspricht ei-nem Teil des letzten Einkommens (bzw. des Lohnes). Vorherrschendist diese institutionelle Ausgestaltung v.a. in Kontinentaleuropa, alsoz.B. in Deutschland, Frankreich, Spanien, aber auch in den skandina-vischen Volkswirtschaften. Der Teil des Einkommens der ersetzt wirdschwankt dabei von ca. 90% in Danemark bis zu 40% in Italien.

Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden institutionellen Arrangementsliegt darin begrundet, dass im Bismarck-System die Hohe der Arbeitslosen-ersatzleistung keine exogene Große ist, sondern endogen ist. Dies liegt ebendarin begrundet, dass sich die Hohe der Leistung am Lohn orientiert und

11

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 12: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

dieser ist aber eben endogen. Die Bismarck Struktur der Arbeitslosenversi-cherung erlaubt es also der Gewerkschaft implizit Einfluss auf die Hohe derUnterstutzungsleistung zu nehmen. Setzt diese einen hohen Lohn, so steigtauch (indirekt) die Leistung an die Arbeitslosen. Ist die Okonomie durch eineArbeitslosenversicherung charakterisiert, die nach dem Bismarck-System or-ganisiert ist, so ist die obige Modellierung nicht hilfreich, um zu verstehen wiediese Okonomie funktioniert. Bei Berucksichtigung des Bismarck-Systems istdas Arbeitslosengeld eine Funktion des Einkommens und kann geschriebenwerden als

B = βw, (1.17)

so verandert sich die Gleichung (1.16) (die Lohnsetzungsrelation) zu

w =u

u+ 1ηLw

βw. (1.18)

Im Bismarck-System mussen wir also (ahnlich wie bei der Berucksichtigungdes endogenen Alternativeinkommens) einen Ruckkopplungseffekt beachten.der durch die Endogenitat vonB entsteht. Dies hat weitreichende Konsequen-zen fur die

”Lohnsetzungskurve“ der Gewerkschaften. Zeigt diese bei einem

exogenen Arbeitslosengeld Kombinationen von Beschaftigung und von derGewerkschaft gesetzten Lohn, so degeneriert diese Relation zu einer Funkti-on die nur noch von der Beschaftigung L abhangt. Dies kann man feststellen,wenn Gleichung (1.18) umgeformt wird zu

1 =u

u+ 1ηLw

β (1.19)

⇔ u+1

ηLw= βu (1.20)

⇔ u = − 1

ηLw

1

1− β(1.21)

⇔ L− LL

= − 1

ηLw

1

1− β(1.22)

⇔ L = L+ L1

ηLw

1

1− β. (1.23)

Die Beschaftigung in der Okonomie wird also einzig und allein durch dieLohnsetzungsrelation, sprich durch die Gewerkschaft realisiert. Die Arbeits-nachfrage der Firmen dient nur dazu die Hohe des Lohnes zu determinieren,wie folgendes Arbeitsmarktgleichgewicht zeigt

12

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 13: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

6

- L

wP

L = L+ L 1ηLw

11−β

Abbildung 3: Arbeitsmarkgleichgewicht bei gewerkschaftlicher Lohnbildung- Das Bismarck System

1.2 Effiziente Kontrakte

Wir haben in den letzten Abschnitten uber verschiedene Formen und Aus-wirkungen der gewerkschaftlichen Lohnbildung diskutiert. Unabhangig vomspezifizierten Modelltyp war bei dieser Diskussion immer ein Argument vor-stehend. Die Lohnbildung der Gewerkschaft fuhrt dazu, dass der gewerk-schaftliche Lohn ein irgendwie geartetes Alternativeinkommen (bzw. Arbeits-losengeld) ubersteigt und damit zu Arbeitslosigkeit fuhrt, zumindest wennargumentiert wird, dass bei vollstandigem Wettbewerb auf Seiten der Ar-beitsanbieter der Lohn bis auf dieses Alternativeinkommen konkurriert wird.Damit ware also dann die Beschaftigung bei vollstandigem Wettbewerb ge-rade so hoch, dass das Grenzprodukt der Arbeit diesem Alternativeinkom-men entspricht. Das Vorhandensein der Arbeitslosigkeit, die durch die ge-werkschaftliche Rationierung entsteht fuhrt naturlich zu einer Ineffizienz, daRessourcen

”ohne Not“ verschwendet werden. Individuen waren bereit zum

herrschenden Lohn zu arbeiten, d.h. die Opportunitatskosten der Arbeit sindkleiner als der Grenzertrag der Arbeit. Dies ist eben letztlich die Quelle die-ser Ineffizienz. Aus diesen Uberlegungen kann aber gefolgert werden, dassArbeitskontrakte zwischen Gewerkschaft und Unternehmung, die nur denLohn spezifizieren und die Beschaftigungsentscheidung unilateral der Unter-nehmung uberlassen (der right-to-manage Fall) ineffizient sind. Die Tatsache,dass dies so ist ist in der Okonomie seit Leontieff (1946) bekannt und das

13

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 14: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

Argument lasst sich relativ leicht grafisch veranschaulichen.

6

- L

wP

AIP

A

B

Abbildung 4: Ineffizienz gewerkschaftlicher Lohnkontrakte

Grafik 4 zeigt die Situation in einem Arbeitsmarkt in dem eine Gewerkschaftmonopolistisch den Lohn setzt und die Unternehmung die Beschaftigungwahlt. In dieser Situation wird ein Gleichgewicht wie in Punkt A reali-siert. Die Gewerkschaft maximiert also die Nutzenfunktion UUnion = Lw

P+

(M−L)AIP

durch die Wahl des Lohnes unter der Beachtung der Nebenbedin-gung, dass nur Punkte auf der gegebenen Arbeitsnachfrage realisiert werdenkonnen. Damit ist das Optimum aber eben dort, wo die Arbeitsnachfrage dieIndifferenzkurve tangiert. Die Indifferenzkurve zeigt also das Nutzenniveau,das in dieser Situation realisiert wird.

Neben der (konvexen) Indifferenzkurve ist auch eine (konkave) Isogewinn-kurve der Firma eingetragen. Diese zeigt Lohn und Beschaftigungskombinationen,die den identischen Gewinn garantieren. Da die Arbeitsnachfrage Kombina-tionen von Lohn und Beschaftigung zeigt, die den maximalen Gewinn zeigt,schneidet die Arbeitsnachfragekurve die Isogewinnkurve in deren Maximum.Weiterhin ist wichtig, dass Punkte unterhalb einer gegebenen Isogewinnkurvedurch einen hoheren Gewinn gekennzeichnet sind. Die Idee ist einfach: Punk-te unterhalb der Isogewinnkurve zeichnen sich dadurch aus, dass die gleicheBeschaftigung potentiell zu einem niedrigeren Lohn realisiert werden kann.Dies fuhrt aber eben zu hoheren Gewinnen.

14

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 15: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

Das Ineffizienzargument ist nun leicht zu sehen. Der realisierte Punkt A istTeil einer

”Linse“ zwischen Punkt A und B die von der Indifferenzkurve und

der Isogewinnkurve gebildet werden. Dies bedeutet aber, dass alle Punkte in-nerhalb der Linse Punkt A pareto dominieren. Konnten sich beide Parteien(Gewerkschaft und Firma) irgendwie darauf einigen die Arbeitsnachfrage-funktion zu verlassen und einen Punkt innerhalb der Linse zu realisieren,so wurde der Nutzen der Gewerkschaft und der Gewinn der Firma steigen.Das Problem ist, dass, gegeben der institutionelle Rahmen der diskutiertenLohnsetzung, diese Ineffizienz systemimanent ist. Die Gewerkschaft ist nurin der Lage den Lohn uber das Alternativeinkommen AI zu heben indem Ar-beit rationiert wird. Sie kann also nur (strategisch) ein großeres Stuck vomKuchen erhalten, indem sie den Kuchen erst verkleinert. Ein allokativ effi-zienter Mechanismus hingegen ware, wenn in einem ersten Schritt Gewerk-schaft und Firma sich auf die Maximierung des Kuchens einigen konntenund erst in einem zweiten Schritt (ohne Beeinflussung der allokativen Effizi-enz) uber die Aufteilung des Kuchens verhandeln wurden. Das institutionelleArrangement, das vorgeschlagen wird um dies zu gewahrleisten ist der

”effi-

ziente Kontrakt“. Die Idee dahinter ist, dass das System des right-to-manageuberwunden wird und die Gewerkschaft der Firma einen Kontrakt anbietetder sowohl den Lohn als auch die Beschaftigung spezifiziert. Man gibt al-so der Gewerkschaft das Recht simultan Lohn und Beschaftigung zu setzenbzw. zu verhandeln. Damit Ausbeutung verhindert wird bzw. damit die Fir-ma auch bereit ist diesen Kontrakt zu akzeptieren (diese muss schließlich aufeinen Teil ihrer Rechte verzichten), muss der Firma ein fixer Gewinn (z.B.der aus der Ausgangssituation) garantiert werden. Die Gewerkschaft bietetalso einen Lohn-Beschaftigungs Kontrakt gegeben der fixe Gewinn aus derursprunglichen right-to-manage Situation.

Welches Arbeitsmarktgleichgewicht wird dieser Kontrakt haben und istdieser auch wirklich effizient? Diese Frage kann mit Hilfe des folgenden Mo-dells beantwortet werden. Die Produktionsfunktion der Firma sei, wie gehabt

Y = Lγ (1.24)

und die Nutzenfunktion der Gewerkschaft sei

UUnion = Lw

P+ (M − L)

AI

P. (1.25)

Die Gewerkschaft wahlt nun Lohn und Beschaftigung, die diese Nutzenfunk-tion maximieren (dies ist der Kontrakt den sie anbieten wird) gegeben dassder Gewinn der Unternehmung einen fixen Wert (eben den in der Ausgangs-situation) Π nicht unterschreitet. Das Problem der Gewerkschaft lautet also

15

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 16: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

formal

UUnion = Lw

P+ (M − L)

AI

P

s.t.

Π = PLγ − wL.

Zur Losung dieses Maximierungsproblems unter einer Nebenbedingung mussenwir die zugehorige Lagrange Funktion aufstellen und entsprechend diese ma-ximieren.

L = Lw

P+ (M − L)

AI

P+ λ[Π− PLγ + wL]. (1.26)

Die zugehorigen Bedingungen erster Ordnug fur Lohn und Beschaftigung, dieein Maximum garantieren lauten entsprechend:

∂L∂w

= L1

P+ λL

!= 0 (1.27)

∂L∂L

=w

P− AI

P− λPγLγ−1 + λw

!= 0 (1.28)

∂L∂λ

= Π− PLγ − wL != 0. (1.29)

Aus den Gleichungen (1.27) folgt, dass fur alle L 6= 0 der Schattenpreisλ = − 1

P. Setzt man dies in Gleichung (1.28) ein so erhalt man die Bedingung,

die die von der Gewerkschaft (!) optimale Beschaftigung erfullen muss:

w

P− AI

P+ γLγ−1 − w

P= 0 (1.30)

⇔ γLγ−1 =AI

P. (1.31)

Die Gewerkschaft wird also soviel Beschaftigung anbieten, dass gerade derGrenzertrag der Arbeit dem (realen) Alternativeinkommen (also den Op-portunitatskosten der Arbeit entspricht). Die Gewerkschaft wahlt also Voll-beschaftigung. Dies entspricht eben der Vorstellung den Kuchen zu maximie-ren, d.h. moglichst auf dem effizienten Niveau zu produzieren. Dies ist abereben nur bei dem Vollbeschaftigungsniveau (was sich ohne Marktmacht ein-stellen wurde) moglich. Gleichung (1.31) zeigt damit die Kontraktkurve derOkonomie. Punkte auf dieser Kurve sind pareto effizient, d.h. es kann keinIndividuum besser gestellt werden ohne dass nicht gleichzeitig ein anderes

16

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 17: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

schlechter gestellt werden wurde. Die Kontraktkurve schneidet die Arbeits-nachfragekurve beim Vollbeschaftigungsniveau. Dies bedeutet aber, dass nurdas Gleichgewicht, dass sich im friktionslosen neoklassiscshen Arbeitsmarkteinstellen wurde pareto-effizient ist. Effizienz bei gewerkschaftlicher Lohnbil-dung bedeutet, dass die Arbeitsnachfragekurve verlassen werden muss.

Wie hoch ist der Lohn der sich einstellen wird? Dieser kann ermittelt

werden indem das Beschaftigungsniveau aus (1.31), also L =(AIγP

)1/(γ−1)

in

die Nebenbedingung (1.29) einsetzt. Daraus folgt dann:

Π− PLγ + wL = 0 (1.32)

⇔ w = PLγ−1 − Π

L(1.33)

⇔ w =AI

γ− Π(

AIγP

)1/(γ−1). (1.34)

Der gesetzte (verhandelte) Lohn hangt in dieser Situation eben vom Alter-nativeinkommen und vom zugesicherten Gewinnniveau ab. Vergleicht mandiesen Lohn mit dem in einer right-to-manage gesetzten Situation, so falltauf, dass die Gewerkschaft zu Lohnzugestandnissen bereit ist. Im right-to-manage Fall ware der Lohn wrtm = AI

γ(siehe oben). Der im Fall effizienter

Kontrakte angebotene Lohn ist sicher niedriger, wobei der Abschlag naturlicheinerseits von der Hohe des ursprunglichen (zugesicherten) Gewinnns und aufder anderen Seite von der Hohe des Alternativeinkommens abhangt.

Beim Ubergang von right-to-manage zu effizienten Kontrakten springt al-so die Okonomie von der Arbeitsnachfragekurve auf die Kontraktkurve. Zubeachten ist bei diesem

”Sprung“, dass naturlich nur Punkte auf der Kon-

traktkurve innerhalb der Linse in Frage kommen. Ware dies nicht der Fall, sowurde sich entweder Gewerkschaft oder die Firma in der Ausgangssituationbesser stellen und entsprechend die Einfuhrung effizienter Kontrakte ableh-nen.

Wir haben gesehen, dass die Moglichkeit der Gewerkschaft den Lohnzu setzten (bzw. zu verhandeln) essentiell fur die Existenz einer effizien-ten Arbeitsmarktsituation ist. Das Problem ist nur, dass wir in der Rea-litat (siehe z.B. Oswald und Turnbull (1985) fur das Vereinigte Konigreich)faktisch immer beobachten, dass Unternehmen auf ihr Recht unilateral dieBeschaftigung zu setzten kaum verzichten. Folgt also aus dieser Beobach-tung, dass Kontrakte in der Realitat ineffizient sind. Wenn dies der Fall

17

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 18: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

6

- L

wP

A

B

AIP

~

Abbildung 5: Von ineffizienten zu effizienten Kontrakten

ware, dann gabe es Raum fur pareto-Verbesserungen, der aber nicht genutztwurde. Die sprichwortlichen 100 $ Noten wurden also auf der Straße liegenbleiben. Dies ist aber schwer zu glauben. Was sind also die Grunde dafur,dass Verhandlungen uber den Lohn scheinbar doch effizient sind? Letzlichkann man dafur zwei Erklarungen anbringen. Entweder ist es so, dass dierealtypischen Verhandlungen in irgendeiner Art und Weise Verhandlungenuber die Beschaftigung implizit berucksichtigen (durch z.B. Gewinnbeteili-gung, siehe Michaelis (1997) oder durch Manning Rules siehe Layard et. al.(2000)) oder die Voraussetzungen des analysierten Modells treffen nicht zu.

Wichtige Voraussetzungen bzw. Annahmen des Modells mit effizientenKontrakten ist naturlich, dass a.) keinerlei Informationsasymetrien und Trans-aktionskosten existieren und b.) die Gewerkschaft utilitaristisch ist und sichauch um ihre potentiell arbeitslosen Mitglieder sorgt. Die erste Annahmekann sicherlich in verworfen werden, d.h. Marktunvollkommenheiten im wei-testen Sinn machen

”effiziente“ Kontrakte unattraktiv. Die zweite Annahme

ist naturlich deutlich schwieriger zu uberprufen. Wir haben gesehen, dassfur die Implementierung effizienter Kontrakte, die Gewerkschaft einen Lohn-abschlag hinnehmen wird. Dominieren in der Gewerkschaft aber die Insi-der, so ist dies naturlich schwer vorstellbar. Tatsachlich ist es so, dass beiBerucksichtigung dieser Insidermacht, effiziente Kontrakte tatsachlich auf derArbeitsnachfragekurve liegen, siehe Oswald (1993) .

18

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 19: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

2 ...auf Seiten der Arbeitgeber

2.1 Nachfragemacht im Arbeitsmarkt: Das Monopson

Marktmacht auf Seiten der Arbeitnehmer z.B. durch die Lohnsetzungsmacht(bzw. Verhandlunsgmacht) von Gewerkschaften ist naturlich nur ein Aus-druck von Marktimperfektionen, die die Allokationsaufgabe des Marktes storenund entsprechend zu Arbeitslosigkeit fuhren. Die andere Seite der Medailleist, dass Firmen

”Monopolmacht“ besitzen, weil diese die einzigen Nachfra-

ger nach Arbeit im relevanten Markt sind. Unternehmungen konnen ent-sprechend Monopsonisten in einem Markt sein. Grunde fur die Existenz vonMonopsonmacht konnen vielfaltig sein. Informationsfriktionen und Transak-tionskosten fuhren konnen dazu fuhren, dass Unternehmen Lohnsetzungs-spielraume haben, weil die Mitarbeiter eben nicht einfach das Unternehmenverlassen, weil der Lohn sinkt. In diesem Fall mussten sich die Arbeiter umneue Stellen kummern oder womoglich umziehen. Da dies eben mit Kostenverbunden ist wird dies nicht (zumindest instantan) passieren. Auch firmen-spezifisches Wissen und Humankapital konnen die Marktmacht der Unter-nehmen starken, da diese wiederum den Lohn setzten konnen ohne befurchtenzu mussen, dass alle Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Naturlich ist esin realtypischen Arbeitsmarkten nicht so, dass es wirklich nur eine Unterneh-mung gibt, die Arbeit nachfragt. Fur unser Gedankenexperiment ist es abereinfacher, wenn wir von diesem extremen Zustand ausgehen. Welche Effek-te hat Monopsonmacht nun fur den Arbeitsmarkt? Zur Beantwortung dieserFrage mussen wir uberlegen welcher Veranderten Situation sich die Firma ge-genubersieht im Vergleich zum neoklassischen Modell. Nach wie vor nehmenwir an, dass die Firma die Beschaftigungsmenge so wahlt, dass der Gewinnmaximiert wird. Allgemein erfordert diese Bedingung, dass der Grenzertragder Arbeit den Grenzkosten entspricht. Im Unterschied jedoch zu den An-nahmen in den vorherigen Modellen sind die Grenzkosten des Monopsonisteneben nicht gleich der Lohn w. Dies liegt einfach daran, dass die Firma dereinzige Nachfrager nach Arbeit ist und entsprechend bedenken muss, dass ei-ne Erhohung der Beschaftigung gemaß der Arbeitsangebotsfunktion zu einerLohnerhohung fuhrt. Die Grenzkosten des Monopsonisten sind entsprechendhoher als der Lohn. Diese Uberlegung gibt aber schon einen Hinweis auf dieArbeitsmarkteffekte des Monopsons. Die Grenzkosten steigen ceteris paribus,d.h. der Monopsonist wird mit Beschaftigungsrationierung reagieren, um dieRelation fur ein Gewinnmaximum, Grenzkosten=Grenzertrag wieder herzu-stellen. Marktmacht auf Seiten der Arbeitgeber fuhrt zu Arbeitslosigkeit.

Die Produktionsfunktion eines Monopsonisten sei:

Y = Lγ. (2.1)

19

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 20: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

Die (inverse) Arbeitsangebotsfunktion kann durch den Zusammenhang w =

w(L) mit ∂w(L)∂L

> 0 beschrieben werden. Damit ist der Gewinn des Monop-sonisten gegeben durch:

Π = PLγ − w(L)L. (2.2)

Die Unternehmung wahlt die Beschaftigung6 so, dass der Gewinn maximalist. Damit ergibt sich folgende Bedingung erster Ordnung fur die optimaleBeschaftigung (Ableitung der Gewinnfunktion nach L und nullsetzen).

∂Π

∂L= γPLγ−1 − (

∂w(L)

∂LL+ w(L)) = 0. (2.3)

Man kann diese Bedingung erster Ordnung umformen, indem man aus demzweiten Summanden den Lohn w(L9 ausklammert und etwas umstellt underhalt dann:

w(L) = γPLγ−1(∂w(L)

∂L

L

w(L)+ 1)−1. (2.4)

Diese Gleichung zeigt das optimale Verhalten des Monopsonisten. Wennwir die Arbeitsangebostfunktion kennen wurden, dann konnten wir die op-timale Beschaftigungsmenge und damit auch den optimalen Lohn bestim-men, den der Monopsonist setzen wurde. Nehmen wir fur den Moment an,dass die Arbeitsangebotselastizitat ∂w(L)

∂LL

w(L)konstant ware. In diesem Fall

konnte Gleichung (2.4) auch als eine Art ’Nachfragefunktion’ interpretiertwerden.7 Der Lohn, den der Monopsonist bereit ist zu zahlen ist dann ein’Abschlag’ auf den Grenzertrag der Arbeit. Die Monopson Nachfrage ist al-so im Vergleich zur Polypol Arbeitsnachfrage nach unten verschoben. Damitist aber auch die Beschaftigung im Monopson ceteris paribus geringer. Wasist die okonomische Intuition fur diesen Punkt? Wenn das Unternehmen dieBeschaftigung erhohen mochte so wird es beachten, dass der Grenzertrag ab-nehmen wird zusatzlich zu diesem Effekt (der auch in allen anderen Modellenauftaucht und Grund der negativ geneigten Nachfragekurve ist). Zusatzlichbeachtet der Monopsonist, dass durch die zusatzliche Nachfrage am Arbeits-markt auch der Lohn steigen wurde. Durch den zusatzlichen negativen Effektwird der Monopsonist weniger Arbeit nachfrage und einstellen. Damit verur-sacht der Monopsonist aber Arbeitslosigkeit.

6Wir konnten im Prinzip auch annehmen, dass der Monopsonist den Lohn gewinnma-ximal wahlt. Dies ist kein Unterschied im Ergebnis zu obiger Vorgehensweise, denn Lohnund Beschaftigung hangen eben durch die Arbeitsangebotsfunktion zusammen. Es zeigtsich jedoch, dass die Maximierung uber die Wahl der Beschaftigung technisch wenigeraufwendig ist.

7Naturlich hat der Monoposonist keine Nachfragefunktion sondern wahlt nur einenPunkt auf der Arbeitsangebotsfunktion. Die okonomische Interpretation ist aber durchdiese ’Fiktion’ einfacher.

20

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 21: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

6

- L

wP

Arbeitsangebot w(L)

Grenzertrag

Grenzertrag Monopson�

A

B

Abbildung 6: Arbeitsmarktgleichgewicht im Monopson

21

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 22: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

Grafik (??) visualisiert nochmals diese Zusammenhange. Das Gleichge-wicht wird sich in B konstituieren. Der (phys.) Grenzertrag der Arbeit ist indiesem Punkt hoher als der Lohn. Unter ’normalen’ Umstanden kame es ebenzu einer Ausweitung der Beschaftigung. Der Monopsonist beachtet aber dendurch die Beschaftigungsausweitung entstehenden Lohneffekt (der fur alleBeschaftigten bezahlt wird!). Dieser Kosteneffekt wurde aber den Grenzer-trag (ausgehend von B) uberkompensieren. Aus diesem strategischem Grundwird der Monopsonist die Beschaftigung rationieren (ahnlich wie ein Monpo-list).

Wenn man verhindern wollte, dass der Monopsonist die Beschaftigungrationiert, dann musste man diesem die Moglichkeit des strategischen Ver-haltens im Bezug auf den Lohn nehmen. Man musste also dafur sorgen,dass der Lohn exogen ist. Dies kann aber z.B. dadurch geschehen, dass einMindestlohn w gezahlt werden. Normalerweise wurde dies im einfachen neo-klassischen Arbeitsmarkt zu Wohlfahrtsverlusten fuhren. Die Beschaftigungsinkt, es gibt unfreiwillige Arbeitslosigkeit und die Renten sinken. Im mo-nopsonistischen Arbeitsmarkt ist die Wirkung eine andere und dies ist aucheiner der wichtigen Grunde warum man uber das Monopson Modell nach-denken sollte. Welchen Effekt hat der Mindestlohn? Unterhalb dieses Lohneswird es kein Arbeitsangebot geben. Die Arbeitsangebotsfunktion hat damiteinen Knick. Damit andert sich aber auch des Arbeitsnachfrageverhalten desMonopsonisten. Bezeichnen wir mit L das Arbeitsangebot an der Stelle w(dies ist die ’Knickstelle’ des Arbeitsangebotes). Fur alle L < L die derMonopsonist setzen wird muss die Standardbedingung w = γPLγ−1 gelten.Fur diese Bereich ist also die ’normale’ Arbeitsnachfragekurve relevant. Erstwenn die Beschaftigung diesen Schwellenwert uberschreiten wurde, wurde dieMonpsonist die Beschaftigung wieder strategisch einsetzen. Wenn nun derMindestlohn so gesetzt wird, dass LMonopson < L < LPolypol ist, dann fuhrtdie Einfuhrung des Mindestlohnes zu einer Erhohung der Beschaftigung.

Grafik 7 zeigt nochmals genau diesen Punkt. Durch die unterschiedlichenKalkule kommt es in der ’Arbeitsnachfragefunktion’ im Fall des Mindest-lohnes zu einer Sprungstelle. Ubersteigt der Mindestlohn also den Monop-sonlohn, so steigt die Beschaftigung solange der Mindestlohn nicht großerals der ’gleichgewichtige’ Lohn ist. Die Beziehung zwischen Mindestlohn undBeschaftigung ist also andere als trivial. Da die Beziehung hochgradig nicht-linear (und eben nicht monoton fallend ist), so ist auch die Analyse schwierig.

22

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 23: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

6

- L

wP

Arbeitsangebot w(L)

Grenzertrag Monopson�

wP

Grenzertrag

Abbildung 7: Wirkung eines Mindestlohnes im Monopson

23

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 24: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

6

-w

LMonopson

LPolypol

Abbildung 8: Mindestlohn und Beschaftigung

24

Preliminary version – 18. Mai 2011

Page 25: Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht · Arbeitsmarkt okonomie SS 2011 { Marktmacht J org Lingens 18. Mai 2011 1 ...auf Seiten der Arbeitnehmer: Gewerkschaft-liche Lohnbildung

Schaut man sich 8, so wird auch deutlich wo genau das Problem in derDebatte liegt. Letztlich ist unklar bei welchem Beschaftigungsniveau wir unsim Moment befinden. Damit ist aber auch unklar wie eine Erhohung des Min-destlohnes wirken wird. Je nachdem ist dieser eben beschaftigungsfreundlichoder -feindlich. Letztlich bleibt es also eine empirische Frage ob der Mindest-lohn die Beschaftigung erhoht oder nicht. Trotz der vielfaltigen Probleme dieszu schatzen (es fehlt wie immer in Politikszenarien die kontrafaktische Situa-tion) gibt es doch ein paar aktuelle Studien zu dieser Frage. Der Klassiker derdieser Frage nachgeht ist sicherlich die Studie von Card und Kruger (1994).Diese analysiert ein sogenanntes naturliches Experiment: der Mindestlohnin New Jersey steigt wahrend dieser in Pennsylvania konstant bleibt. Ef-fekt dieser Maßnahme: die Beschaftigung in New Jersey steigt. Auch Konigund Moller (2008) finden leicht positive Beschaftigungseffekte. Jedoch blei-ben diese Studien naturlich nicht unangefochten. Das Hauptproblem ist ebenimmer, dass wir kein kontrolliertes Experiment durchfuhren konnen und im-mer auch Daten aus zweiter Hand angewiesen sind. Diese konnen aber ebenauch immer zu fehlerhaften Schlußfolgerungen fuhren. Schaut man sich nunMeta-Evidenz zu dieser Frage an (wie z.B. Neumark und Wascher (2007)), sozeigt sich dass die uberwaltigende Zahl der Studien dem Mindestlohn einennegativen Beschaftigungseffekt attestieren. Aber selbst mit diesen Analysenkonnen wir letztlich doch nur Vermutungen anstelle wie der Mindestlohnwirkt.

25

Preliminary version – 18. Mai 2011