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macht Schule Monopolmärkte und internationaler Wettbewerb Prof. Dr. Gerd-Jan Krol, Dirk Loerwald, Dirk Menebröcker, Andreas Zoerner (Institut für Ökonomische Bildung, Münster) Projektträger Prawis: IHK Nord Westfalen veröffentlicht im November 2005

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macht Schule

Monopolmärkte und internationaler

Wettbewerb

Prof. Dr. Gerd-Jan Krol, Dirk Loerwald, Dirk Menebröcker, Andreas Zoerner(Institut für Ökonomische Bildung, Münster)

Projektträger Prawis: IHK Nord Westfalen

veröffentlicht im November 2005

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Monopolmärkte und internationaler Wettbewerb

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Inhalt

1. Einordnung des Praxiskontaktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2. Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

3. Fachliche Hinweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

4. Unterrichtliche Realisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

4.1 Anregung für die Vorbereitung des Praxiskontaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

4.2 Praxispartner und methodische Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

4.3 Kurzcharakterisierung der Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

5. Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

5.1 Hilfreiche Internetadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

5.2 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

6. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

M 1 Der Markt für Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

M 2 Natürliche Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

M 3 Natürliche Monopole und Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

M 4 Willkommen im Wilden Westen – Wie Netzbetreiber neue Strommarkt-Anbieter gängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

M 5 Unter Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

M 6 EU-Richter liberalisieren Strommarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Institut für Ökonomische Bildung der Universität Münster

Prof. Dr. Gerd-Jan Krol

Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Institut für Ökonomische Bildung

Schlossplatz 4

48149 Münster

[email protected]

Institut für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kaminski

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Institut für Ökonomische Bildung

Immenweg 53

26125 Oldenburg

[email protected]

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Das Projekt PRAWIS

Damit Praxiskontakte im Wirtschaftsunterricht ihr volles Potenzial entfalten können, ist eine systematische Verknüpfung von Theorie und Praxis notwendig. Im Rahmen des von der IHK Nordwestfalen organisierten Projektes „Praxiskontakte Wirtschaft – Wirtschaft in die Schule!“, kurz PRAWIS (2000–2004), wurde in den Instituten für Ökonomische Bildung der Universitäten Oldenburg und Münster eine entsprechende Konzepti-on zur systematischen Einbindung von Praxisbegegnungen im Ökonomieunterricht ent-wickelt. Umfangreiche Informationen zu den konzeptionellen Grundlagen von PRAWIS, zum Projektverlauf sowie den in den Projektschulen gesammelten Erfahrungen finden Sie im Band „KaminsKi, H./ Krol, G.-J. u. a. 2005: Praxiskontakte – Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft. Braunschweig: Westermann Verlag“.

Im Verlauf des PRAWIS-Projektes sind auf der Basis zentraler Problemstellungen umfang-reiche Handreichungen zur Planung und Durchführung von Praxiskontakten im Unterricht der Sekundarstufe II entstanden, welche im o. g. Zeitraum von Gymnasien in Nordrhein-Westfalen erprobt wurden. Eine Auswahl dieser Handreichungen in aktualisierter Form wird im Rahmen des Projektes „Handelsblatt macht Schule“ kostenlos zur Verfügung gestellt.

Struktur des Praxiskontaktes „Monopolmärkte und

internationaler Wettbewerb“

Zentrale Problemstellungen

Wettbewerb auf dem Strommarkt? – Monopolmärkte und internationaler Wettbewerb am Beispiel der europäischen Elektrizitätswirtschaft

Inhaltsaspekte n Der Liberalisierungsprozess des europäischen Strommarktes

n Modelle der Marktöffnung in Europa

n Ausmaß der Marktöffnung in Europa

n Internationaler Stromhandel

n Chancen und Risiken der Internationalisierung

Aktivitätsformen n Erkundung

n Expertengespräch

n Pro und Contra Diskussion

Praxiskontaktpartner n Stadtwerke

n Unternehmen

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Anregungen für weitere Problemstellungen

Deregulierung/Leistungserstellung durch Markt oder Staat

am Beispiel des Energiemarktes

Inhaltsaspekte:

n Besonderheiten des Energiemarktes vor der Neuordnung (Preisaufsicht u.a.)

n Deregulierung und neuer Rechtsrahmen

n Auswirkungen der Deregulierung auf die Stadtwerke/gesamtwirtschaftliche Folgen

Arbeits- und Beschäftigungsformen im Wandel/Einfluss rechtlicher

Rahmenbedingungen auf unternehmerisches Handeln

Inhaltsaspekte:

n Energiesektor als Beispiel für Veränderungen in deregulierten Branchen

n Veränderungen betrieblicher Organisation aufgrund eines veränderten Rechtsrahmens

n Neue Informations- und Kommunikationstechnologien führen zu Diversifikation (z.B. Telekommunikation)

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1. Einordnung des Praxiskontaktes

Die im Rahmen dieser Handreichung fokussierte zentrale Problemstellung ‚Monopolmärkte und internationaler Wettbewerb’ ist im Inhaltsbereich „Internationale Wirtschaftsbeziehungen“ ver-ortet. Darüber hinaus soll deutlich werden, dass mit Hilfe eines Praxispartners (im Beispiel: Die Stadtwerke) ganz unterschiedliche Fragestellungen erarbeitet werden können. Die Problematik (natürlicher) Monopole und die Schwierigkeiten, sie dem nationalen und internationalen Wett-bewerb auszusetzen, lässt sich im Verlauf der gymnasialen Oberstufe auf zunehmend höherem Niveau in verschiedenen Inhaltsbereichen verankern (siehe Übersicht).

Praxispartner Stadtwerke

PrivateHaushalte

➜ Neue Wahlmög-lichkeiten und Verbraucherre-aktionen

➜ Vor- und Nach-teile der Libera-lisierung für den Konsumenten

➜ Markenbildung (z.B. Yello)

Unternehmen

➜ Verbändever-einbarungen zur Regulierung: der deutsche Sonderweg

➜ Umstruktu-rierung der Organisations-form: Von einer Behörde zum Dienstleistungs-unternehmen

➜ Marketingstra-tegien internati-onaler Stroman-bieter

Staat

➜ Einfluss der EU auf die nationale Wirt-schaftspolitik

➜ Nationale Umsetzung der EU-Richtlinie

➜ Stromimporte innerhalb der EU

➜ Gewährleistung des freien Marktzutritts

Internationale Wirtschafts-beziehungen

➜ Der Liberalisie-rungsprozess des europä-ischen Strom-marktes

➜ Modelle der Marktöffnung in Europa

➜ Ausmaß der Marktöffnung in Europa

➜ internationaler Stromhandel

➜ Chancen und Risiken der Internationali-sierung

Grundlegende Aspekte

➜ Definition natürlicher Monopole

➜ Konsequenzen der Marktzutrittsschranken

➜ Staatliche Regulierung

➜ Wettbewerb um den Markt und

➜ Wettbewerb im Markt (Deregulierung)

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Aus der Sicht der Privaten Haushalte stehen der durch den Deregulierungsprozess auf dem Strommarkt entstandene Wettbewerb und die damit verbundenen Preissenkungen im Mittel-punkt. Zentrale Inhaltsaspekte sind Preisbildung auf dem Markt, Wettbewerbsfunktionen, Erklä-rungsansätze für Konsumentenverhalten und Einfluss auf Verbraucher durch Marketing- und Verkaufstrategien. Da sich die Stadtwerke im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes von einer Quasi-Behörde hin zu einem Dienstleistungsunternehmen entwickelt haben, können mittels dieses Praxispartners zentrale Aspekte aus dem Inhaltsbereich Unternehmen erarbeitet werden: Unternehmensführung/Management, Organisation, Unternehmenskultur, Marketingstra-tegien, Wandel der Arbeitsorganisation und Einfluss rechtlicher Rahmenbedingungen auf unter-nehmerisches Handeln. Im Zusammenhang mit dem Staat ist vor allem dessen Aufgabe als Rah-mensetzer der Wirtschaftsordnung, sowie die Rolle von Regeln und Institutionen zur Steuerung des Verhaltens der Wirtschaftssubjekte interessant. Zentrale inhaltliche Aspekte sind Fragen der Leistungserstellung durch Markt oder Staat, die Besonderheiten des Energiemarktes, der durch die Deregulierung entstandene neue Rechtsrahmen und die Auswirkungen auf die Stadtwerke sowie die Gewährung des freien Marktzutritts und die damit verbunden Probleme (z.B. unfaire Durchleitungsentgelte der Leitungsnetzbesitzer). Im Rahmen dieser Handreichung soll die Deregulierung des Strommarktes vor allem vor dem Hintergrund internationaler Wirtschafts-beziehungen thematisiert werden.

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2. Lernziele

Die Schülerinnen und Schüler sollen ...

1. die Problematik natürlicher Monopole kennen und verstehen lernen,

2. die Möglichkeiten und Grenzen begreifen, natürliche Monopole dem Wettbewerb auszusetzen,

3. die Richtlinienkompetenz der EU und ihre Auswirkungen auf nationale Wirtschaftspolitik verstehen,

4. Chancen und Risiken der internationalen Wirtschaftspolitik erfassen und auf das Thema der Monopolmärkte anwenden,

5. die Deregulierung des Strommarktes als eine inhaltsübergreifende Thematik erarbeiten.

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3. Fachliche Hinweise

Die Produktion und Verteilung des Gutes Strom ist an die Existenz eines nur mit hohen Kosten zu errichtenden leitungsgebundenen Infrastrukturnetzes gebunden. Die hohen Investitions-kosten eines solchen Leitungsnetzes müssen auf die Strommenge umgelegt werden: Je größer die Absatzmenge, desto geringer die Stückkosten (Gesetz der Massenproduktion). Wenn nun ein einzelnes Unternehmen kostengünstiger produzieren kann, als mehrere im Wettbewerb zueinander stehende Unternehmen, dann spricht man von einem natürlichen Monopol. Der Markteintritt für andere Anbieter ist wegen der prohibitiv hohen Kosten des Marktzugangs (Errichtung eines Leitungsnetzes) erschwert bzw. nicht möglich. Hinzu kommt die hohe Spezi-fität der Investition ins Leitungsnetz. Da die dafür aufgewendeten Investitionen unwiderruflich verloren sind, wenn der Eintritt auf dem Strommarkt scheitert, stellen diese dann versunkene Kosten dar. Auf dem Strommarkt liegen also unüberwindlich hohe Markteintrittsbarrieren vor, sodass auch ein sonst möglicher potenzieller Wettbewerb nicht zum Zuge kommen kann. Auch kann Substitutionskonkurrenz angesichts der zentralen Bedeutung von Strom für Produktion und Konsum bestenfalls im geringen Umfang und auch nur auf längere Sicht zum Tragen kom-men. Die Situation lässt sich also dadurch kennzeichnen, dass einerseits das im Versorgungs-gebiet ansässige natürliche Monopol kostengünstiger produzieren kann und andererseits die Gefahr einer Ausnutzung von Marktmacht in Form von überhöhten Preisen und fehlendem Kostendruck besteht.

Zur Begrenzung der Marktmacht eines Monopols gibt es im Wesentlichen zwei unterschiedliche Möglichkeiten: Die staatliche Regulierung wie sie zunächst bis Mitte der 90er Jahre praktiziert wurde oder die Etablierung von Wettbewerb.

Die staatliche Regulierung des Strommarktes wurde 1935 im Gesetz zur Förderung der Ener-giewirtschaft für Deutschland beschlossen. Staatliche Regulierung steht allerdings vor dem Problem der Informationsasymmetrie, d.h. der Kontrolleur hat nicht die für eine umfassende Kontrolle notwendigen Informationen bspw. über Kostenstrukturen, wenn er denn überhaupt wirksam kontrollieren will. Eine Möglichkeit zur Kontrolle von Monopolmacht ist die diszipli-nierende Wirkung von Wettbewerb. Bei natürlichen Monopolen können zwei Wege beschritten werden: Zum einen Schaffung von Wettbewerb um den Markt. Das Recht zur Marktversorgung mit Strom wird auf dem Weg der Ausschreibung für einen bestimmten Zeitraum an den jeweils kostengünstigsten Anbieter vergeben. Zum anderen Schaffung von Wettbewerb im Markt. Dazu sind die bisher prohibitiv hohen Marktzutrittsschranken zu senken, bspw. durch Schaffung des Zugangs zum Leitungsnetz als wesentliche Einrichtung für den Zugang zum Markt nach der „essential-facilities-doctrine“. Die bisherigen Gebietsmonopole müssen ihr Leitungsnetz Wett-bewerbern zu fairen Bedingungen zugänglich machen.

Umgang mit Monopolen

Staatliche Regulierung Schaffung von Wettbewerb

Wettbewerbum den Markt

Wettbewerbim Markt

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Die Liberalisierungsprozesse, die in den letzten Jahren in den Mitgliedsstaaten der EU initi-iert wurden, haben zu einem Wettbewerb im Strommarkt geführt. Die staatliche Regulierung der Elektrizitätswirtschaft wurde in den einzelnen Staaten sukzessive aufgehoben, damit der marktwirtschaftliche Wettbewerb zu Kosten- und Preisvorteilen führen kann. So kam es z.B. in Deutschland zu Preissenkungen von bis zu 30 % (Yello-Strom).

Rechtliche Grundlage für die Liberalisierung ist die 1997 in Kraft getretene EU-Richtlinie über „gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsmarkt“, deren wesentlichster Inhalt die Forde-rung einer stufenweise gestaffelten Marktöffnung (Zulassung von Kunden zum Wettbewerb) ist. Die Stromrichtlinie ist – wie andere EU-Richtlinien auch – nicht unmittelbar geltendes Recht, sondern bedarf der Umsetzung in innerstaatliche Rechtsvorschriften. Die verschiedenen euro-päischen Staaten haben diese Richtlinie sowohl in unterschiedlichem Ausmaß als auch in unterschiedlicher Ausprägung realisiert. Bis zum Jahresende 2003 hat die EU für den Grad der Marktöffnung eine Mindestquote von ca. 1/3 des Strommarktes festgelegt.

Zeitpunkt Mindestquote*

Februar 1999 26 %

Februar 2000 30 %

Februar 2003 35 % * Anteil der Stromnachfrage, die für Wettbewerb geöffnet sein muss (Stand 16.05.2000) Quelle: DG Bank (Hrsg.): Der europäische Strommarkt. Frankfurt a.M. 2000. S. 22.

Die Konsequenz dieser Vorgabe war, dass nicht alle Einzelstaaten die Regulierung in gleichem Maße vollziehen. Besonders für Länder wie Deutschland und Großbritannien, die ihren Strom-markt bereits zu 100 Prozent geöffnet haben, ergibt sich durch den national unterschiedlichen Grad der Marktöffnung auf dem europäischen Binnenmarkt ein Problem: Ausländische Anbieter können – z. B. in Deutschland – wesentlich leichter Fuß fassen als umgekehrt. Frankreich, Spa-nien oder Italien hatten im Jahr 2000 erst eine Marktöffnung, die zwischen 26 und 45 Prozent lag. Die sich daraus ergebenen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile sollten durch die so genannte Reziprozitätsklausel eingedämmt werden. Diese ermöglicht einem Mitgliedstaat A, Stromimporte aus einem Mitgliedstaat B an einen Kunden zu verweigern, wenn es umgekehrt einem entsprechenden Kunden aus B nicht freisteht, einen Versorger aus A frei zu wählen. Es haben bereits mehrere Mitgliedsstaaten – darunter auch Deutschland – von diesem Recht Gebrauch gemacht. Allerdings sind große Energieversorger (Verbundunternehmen) von dieser Regelung ausgeschlossen und die Verfolgung von Stromflüssen über Drittländer ist nur schwer nachzuvollziehen. Aus diesem Grund hängt die Funktionsfähigkeit des europäischen Strombin-nenmarktes wesentlich von der Harmonisierung der Rahmenbedingungen ab, so dass Wettbe-werbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher Geschwindigkeiten der Marktöffnung beseitigt werden können.

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Im Wesentlichen kann man zwei Modelle der Marktöffnung unterscheiden:

Alleinabnehmermodell

Ein örtlicher Netzbetreiber bündelt den Stromerwerb auf seine Rechnung und verteilt ihn nach einem wettbewerblich organisierten Bietverfahren an seine Abnehmer weiter. Dieses Modell hat sich in den Staaten der EU kaum durchgesetzt.

Netzzugang

a) Geregelter Netzzugang

Stromproduzent und lokaler Versorger schließen mit dem Inhaber des Verteilungsnetzes einen bilateralen Vertrag. Die Konditionen dieses Vertrages können zwar ausgehandelt werden, jedoch muss der Netzzugang grundsätzlich diskriminierungsfrei gewährleistet werden. Eine Behörde reguliert die Konditionen des Netzzugangs. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten organisieren die Liberalisierung des Strommarktes nach diesem Modell

b) Verhandelter Netzzugang

Der Unterschied zum geregelten Netzzugang ist, dass die Konditionen unter den Hauptakteuren auf dem Strommarkt, den Produzenten, den Händlern, den Besitzern des Leitungsnetzes und den lokalen Versorgern ausgehandelt werden. Dieses Modell wurde zu Beginn der Strommarktli-beralisierung in Deutschland hauptsächlich durch Verbändevereinbarungen (Strom I und Strom II) realisiert, die anstelle einer Regulierungsbehörde eingreifen sollten. Das Bundeskartellamt agierte lediglich ex post. Diese Vereinbarungen waren jedoch nicht in der Lage, die Rahmen-bedingungen für einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurden die Kompetenzen der bisherigen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Mitte des Jahres 2005 auf den Strommarkt ausgeweitet (siehe Material M 5).

Die Verteilung des Stroms auf dem Großhandelsmarkt kann durch Poolmodelle oder vertikale Integration gewährleistet sein, die sich darin unterscheiden, dass der Poolbetreiber die Rolle einer Vermittlungsinstanz zwischen Stromerzeuger und Stromnachfrager darstellt.

Konsequenzen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Marktöffnung des europäischen Strom-binnenmarktes ergeben sich hauptsächlich hinsichtlich der Durchleitungsentgelte und der unterschiedlichen Strompreise:

n Ein Problem jeglicher Vereinbarungen zur Durchleitung von Strom durch fremde Netze ist die Festlegung der Durchleitungsentgelte. Dies gilt insbesondere für internationale Strombörsen, da jeder ausländische Anbieter einen Netzzugang für mehrere nationale Netze benötigt, wie es z.B. bei der internationalen Strombörse APX in den Niederlanden der Fall ist.

n Bei den Strompreisen existieren europaweit große Unterschiede und eine vollständige Angleichung ist auch bei einer umfassenden Öffnung aller nationalen Märkte nicht zu erwarten. Zwischen Frankreich und Deutschland z.B. gibt es Preisdifferenzen von weit über einem Drittel. Allein daran wird das Ausmaß der Preiseffekte deutlich, die bei einer vollständigen Liberalisierung des europäischen Strommarktes erwartet werden können.

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Eine anfängliche Kritik am Modell des verhandelten Netzzugangs in Deutschland war, dass die Öffnung des Strommarktes zunächst ohne eine staatliche Regulierungsbehörde organisiert wurde. Dadurch kam es zu diskriminierenden Durchleitungsentgelten und den alteingesessenen Netzbetreibern wurde Monopolmissbrauch unterstellt.

Für mehr Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt soll ein neues Energiewirtschaftsgesetz sorgen, welches am 16.06.2005 im Bundestag verabschiedetet wurde. Eine wesentliche Neue-rung ist, dass die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post in Zukunft als „Bundes-netzagentur“ auch auf dem Strom- und Gasmarkt einen fairen Netzzugang etablieren und somit den Wettbewerb in Gang bringen soll.

Der in der Stromproduktion, dem Stromhandel und der (lokalen) Stromversorgung entstandene Wettbewerb geht mit der Regulierungsbedürftigkeit des Natürlichen Monopols im Netzbereich einher. Aus diesem Grund muss zwischen Erzeugung und Verkauf von Strom auf der einen und dem Leitungsnetz auf der anderen Seite differenziert werden.

Die Internationalisierung schlägt sich im Wesentlichen im Bereich des Stromhandels nieder. Es gibt bereits international operierende Unternehmen, die dieses Marktsegment in Deutschland bedienen wie z.B. Schweizer Firma Watt. Diese Intensivierung des Wettbewerbs im internationa-len Stromhandel wird sich vor allem auf die lokalen Versorger als Stromabnehmer auswirken. So haben z.B. die Stadtwerke dadurch eine größere Auswahl ihrer Stromzulieferer. Sie können von gesunkenen Preisen profitieren und müssen diese – zumindest zum Teil – an ihre Kunden weitergeben, da auch sie in internationaler Konkurrenz um die Stromkunden stehen.

Stromproduktion Stromgroßhandel

Stromtransport- und Verteilung (monopolistischer Netzbereich)

lokale Stromversorgung(z.B. Stadtwerke)

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4. Unterrichtliche Realisierung

4.1 Anregung für die Vorbereitung des Praxiskontaktes

Die Beschaffenheit natürlicher Monopole und die Herausforderungen der Etablierung eines fairen Wettbewerbs auf dem Strommarkt stellen insbesondere unter Einbezug der internationa-len wirtschaftlichen Verflechtung eine recht komplexe Thematik dar. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Lernenden in der Vorbereitungsphase eines Praxiskontaktes ein Grundlagen-wissen zur Definition natürlicher Monopole, zu den Konsequenzen von Markteintrittsschranken zu staatlicher Regulierung und zur Funktion von Wettbewerb erarbeitet haben. Dieses Grundla-genwissen dient den Lernenden in einem Praxiskontakt zu Monopolmärkten und internationa-lem Wettbewerb zum einen zur Orientierung und zum anderen zur Fokussierung auf die zentra-le Problemstellung.

4.2 Praxispartner und methodische Ausgestaltung

Als mögliche Praxiskontaktpartner kommen vor allem die Stadtwerke und Verbundunterneh-men wie die Energiehandelsgesellschaft West in Betracht. Die Stadtwerke selbst können insbe-sondere für Fragen der tariflichen Umstrukturierung seit der Liberalisierung und des Abwan-derungsverhaltens ihrer Kunden zur Verfügung stehen. Gerade die Unterscheidung zwischen Großkunden und privaten Kleinabnehmern ist in diesem Zusammenhang interessant. Das Verbundunternehmen Energiehandelsgesellschaft West organisiert den Stromeinkauf für neun Stadtwerke gebündelt (z.B. Ahlen, Hamm, Münster), da der Stromeinkauf mit steigender Menge effektiver gestaltet werden kann. Möglichkeiten und Grenzen des internationalen Stromhandels können mit einem solchen Praxispartner erarbeitet werden.

Als methodische Aktionsformen bietet sich eine Erkundung oder ein Expertengespräch an. Während bei einer Erkundung die verschiedenen Funktionen und Aufgaben des Stromanbieters deutlich werden können, liegt der Schwerpunkt in einem Expertengespräch sinnvollerweise auf der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Deregulierung auf die spezifische Situation des Stromanbieters, unter besonderer Berücksichtigung der staatlichen Rahmenbedingungen (Stichwort: Regulierungsbehörde). Aus internationaler Perspektive wäre es interessant, zu erfah-ren, welche Konsequenzen die europaweite Liberalisierung des Strommarktes mit sich gebracht hat.

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4.3 Kurzcharakterisierung der Materialien

Materialübersicht

M 1 Der Markt für Strom

M 2 Natürliche Monopole

M 3 Natürliche Monopole und Marktversagen

M 4 Willkommen im wilden Westen – Wie Netzbetreiber neue Strommarkt-Anbieter gängeln

M 5 Unter Strom

M 6 EU-Richter liberalisieren Strommarkt

Der Text M 1 leitet in die Thematik ein. Die Entwicklung des Strommarktes wird von der staatli-chen Regulierung hin zur Liberalisierung kurz dargestellt. Die Bedeutung natürlicher Monopole wird ebenso angesprochen wie die Elektrizitätsrichtlinie der EU.

Das in M 1 bereits erwähnte Phänomen eines natürlichen Monopols wird in M 2 und M 3 aus-führlicher dargestellt. Für das Verständnis der historischen Entwicklung des Strommarktes und für eine Erklärung seiner lange Jahre anhaltenden staatlichen Regulierung enthält M 2 grund-legende Informationen. Warum wurde der Wettbewerb auf dem Strommarkt durch staatliche Regelungen ausgeblendet? Warum gab es keine potentiellen Konkurrenten, die sich auf diesem Markt – angelockt durch die Monopolgewinne – als Anbieter etablieren wollten?

Der Text M 3 macht deutlich, welche Vorteile aber auch welche Probleme mit der Etablierung von Wettbewerb in monopolisierten Märkten verbunden sind. Zentral ist in diesem Zusammen-hang die Tatsache, dass ein natürliches Monopol mit einem hohen Aufwand an so genannten versunkenen Kosten verbunden ist, denn dadurch entstehen hohe Markteintrittsbarrieren.

Die konkreten Probleme, die sich durch diese hohen Markteintrittsbarrieren für neue Strom-anbieter ergeben, werden im Text M 4 mittels Einzelbeispielen veranschaulicht.

Seit Mitte 2005 existiert in Deutschland eine Regulierungsbehörde für die Strom- und Gaswirt-schaft. Mit der Einführung dieser Behörde verbindet sich nicht ein Verlangen nach Bürokrati-sierung, sondern das Setzen von Rahmenbedingungen, die einen fairen Wettbewerb unter den Anbietern gewährleisten. Das Material M 6 skizziert die Zielsetzungen der neuen Regulierungs-behörde.

Der Text M 7 setzt sich mit der Etablierung von Wettbewerb auf dem europäischen Strommarkt auseinander. Vor allem die wenigen zwischen den verschiedenen Ländern existierenden Lei-tungsnetze müssen allen Konkurrenten zu fairen Wettbewerbsbedingungen zugänglich gemacht werden, so der Tenor eines aktuellen Urteils des Europäischen Gerichtshofs.

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5. Informationsquellen

5.1 Hilfreiche Internetadressen

n http://www.strom.de/ Hinter dieser Domain verbirgt sich der Verband der deutschen Elektrizitätswirtschaft (VDEW). Man bekommt ein breit gefächertes Angebot an Informationen, von den Initiativen des Verbandes über Netznutzungspreise bis hin zu einem Energielexikon.

n http://www.vea.de/ Es handelt sich um die URL des deutschen Bundesverbandes der Energieabnehmer e.V. Der Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V. (VEA) ist der größte Zusammenschluss von Energiekunden aus mittelständischen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in Deutschland.

Ausgewählte Internetadressen von Stadtwerken:

n Münster: http://www.stadtwerke-muenster.de/flash.html

n München: http://www.swm.de

n Leipzig: http://www.stadtwerke-leipzig.de

Ausgewählte Internetadressen von Stromanbietern:

n Eon: http://www.eon-energie.com/

n RWE: http://www.rwe.com/

n EnBW: http://www.enbw.com

5.2 Weiterführende Literatur

DG Bank (Hrsg.): Der europäische Strommarkt. Verantwortlich: Dr. Michael Heise. Frankfurt a.M. 2000. Erhältlich unter: http://www.wifo.at/Stefan.Schleicher/down/energy/EuroStrommarkt.pdf

Eisenmenger, S. L.: Der Netzzugang als Blockademittel in der Stromwirtschaft. In: Ordo. Bd. 53. Stuttgart 2002. S. 241-258.

Krol, G.-J./ Schmid, A.: Volkswirtschaftslehre problemorientiert. 21. grundlegend überarbeitete Auflage. Tübingen 2002. S. 163-175.

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6. Materialien

M 1 Der Markt für Strom

M 2 Natürliche Monopole

M 3 Natürliche Monopole und Marktversagen

M 4 Willkommen im wilden Westen – Wie Netzbetreiber neue Strommarkt-Anbieter gängeln

M 5 Unter Strom

M 6 EU-Richter liberalisieren Strommarkt

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Der Markt für Strom

Der Strommarkt ist einer der klassischen regulierten Märkte, da bei der Übertragung oder der Verteilung von Strom über die entsprechenden Netze ein natürliches Monopol besteht: Es wäre nicht wirtschaftlich, verschiedene Stromnetze nebeneinander zu betreiben und so beispielswei-se zu dem einzelnen Kunden mehrere Anschlüsse zu legen, zumindest beim derzeitigen Stand der Übertragungstechnik. Der Besitzer eines lokalen oder regionalen Netzes muss also nicht fürchten, dass bei einem eventuellen Anstieg seiner Preise neue Wettbewerber auf den Plan trä-ten und ein paralleles Netz aufbauen würden („natürliches Monopol“).

Anders als bei der Verteilung gibt es bei der Erzeugung von Strom Wettbewerb, da mehrere Kraftwerke nebeneinander betrieben werden können. Sie mögen über den Preis oder die Qua-lität der Versorgung miteinander konkurrieren. Die Erzeuger von Strom haben jedoch keinen direkten Zugang zu den Kunden: Dafür müssen sie ihr Produkt über die Netze leiten. Und der Netzbetreiber kann, unterliegt er keiner Regulierung, Monopolpreise für die Durchleitung verlangen, die letztlich der Verbraucher zu tragen hätte. Der Netzbetreiber muss aber die Ver-sorgung in der Fläche garantieren, denn Elektrizität wird als ein Gut angesehen, das in den fortgeschrittenen Industriegesellschaften ein notwendiger Bestandteil des allgemeinen Lebens ist. Daher sollen auch entlegenere Orte mit Strom versorgt werden, und die Versorgung mit Elektrizität soll unterbrechungsfrei sein und eine Mindestqualität haben. Dies ist offensichtlich politischer Konsens in Europa.

Staatliche Einflussnahme

Schon in der Frühzeit der Elektrizitätsversorgung war die Verteilung von Strom wegen der not-wendigen Wegerechte an die Genehmigung durch die lokalen Behörden geknüpft. Dies führte in einigen Ländern (z.B. Großbritannien) zu einem System zeitlich befristeter lokaler Lizenzen für die Elektrizitätserzeugung und -verteilung, in anderen zu einer Elektrizitätserzeugung und -verteilung durch die lokalen Behörden selbst, wie etwa in Deutschland. Spätestens nach dem Ende des zweiten Weltkrieges waren die Netze auch im nationalen Rahmen so weit entwickelt, dass sich viele europäische Länder zu einer Elektrizitätserzeugung und -verteilung im natio-nalen Maßstab und in zentralstaatlichem Besitz entschlossen, nicht jedoch Deutschland, wo die föderalen Strukturen gegen eine solche Lösung sprachen. Alle diese staatlichen oder lokalen Unternehmen unterlagen immer einer gewissen Art von Regulierung. Da es sich aber um Unter-nehmen der öffentlichen Hand handelte, blieben größere Konflikte in der Regel aus. [...]

Seit den achtziger Jahren kamen die so organisierten Märkte zunehmend in die Kritik, die auf verschiedenen Ebenen ansetzte. Den nationalen oder lokalen Monopolen wurden zunehmend Inflexibilität und überhöhte Preise vorgeworfen. Der grenzüberschreitende Handel mit Strom in der EU blieb eher eine Randerscheinung, und es entwickelte sich – wegen des Staatsbesitzes – auch kein Markt für Unternehmen in dem Sektor; beide Aspekte erschwerten die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Strom. [....]

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Strom-Richtlinie der EU

Unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung des Binnenmarktes hat die EU-Kommission im Jahre 1996 eine Richtlinie mit dem Ziel erlassen, den grenzüberschreitenden Handel mit Strom zu erleichtern und den Binnenmarkt zu vertiefen (vgl. Tabelle 1). Es wurde ein Zeitplan aufgestellt, nach dem den Abnehmern sukzessive – angefangen bei den größten – das Recht zugesprochen wurde, ihre Lieferanten frei zu wählen. Die Richtlinie der EG wurde mit dem Gesetz zur Neu-regelung des Energiewirtschaftsrechts (1997) in Deutschland umgesetzt. [...]

Quelle: Krakowski, Michael: Der Markt für Strom. HWWA Forum. In: Wirtschaftsdienst 2002/5. S. 296-300.

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Natürliche Monopole

Von einem natürlichen Monopol spricht man, wenn eine einzelne Unternehmung eine Ware oder eine Dienstleistung dem gesamten Markt zu niedrigeren Kosten bereitstellen kann als zwei oder mehrere Unternehmungen. Ein natürliches Monopol entsteht, wenn zunehmende Skalen-erträge für den gesamten relevanten Mengenbereich anfallen.

In diesem Falle kann eine einzelne Unternehmung jede beliebige Produktmenge zu den nied-rigsten Kosten herstellen. Anders betrachtet würde man für jede beliebige Produktmenge durch eine größere Zahl von Herstellern zu höheren Durchschnittskosten und weniger Output je Unternehmung kommen.

Ein Beispiel für ein natürliches Monopol liefert die Verteilung von Wasser. Um den Bürgern einer Stadt Wasser zur Verfügung zu stellen, muss eine Unternehmung ein Leitungsnetz durch die Stadt anlegen. Bei zwei oder mehr Anbietern und Konkurrenten müsste jeder die Fixkosten für ein eigenes Leitungsnetz aufbringen. Sonach sind die durchschnittlichen Gesamtkosten von Trinkwasser dann am niedrigsten, wenn eine einzelne Unternehmung den gesamten Markt bedient. [...]

Wenn eine Unternehmung ein natürliches Monopol hat, ist sie nicht sehr besorgt darüber, ob und wann Neulinge im Markt ihre Monopolmacht gefährden könnten. Normalerweise hat eine Unternehmung schon Probleme damit, die Monopolmacht zu erhalten, wenn sie nicht gerade durch das Eigentum an Schlüsselrohstoffen oder durch staatliche Protektion abgesichert ist. Der Monopolgewinn lockt nämlich neue Anbieter in den Markt, und diese neuen Anbieter bewirken schrittweise mehr Wettbewerb. Im Gegensatz zur üblichen Marktlage bei einem Monopol ist der Eintritt für Newcomer bei einem natürlichen Monopol reizlos. Die Eintrittskandidaten wissen ja, dass sie unmöglich dieselben niedrigen Kosten erreichen können, deren sich der Monopolist erfreut. Nach dem Markteintritt hätte jeder ein kleineres Stück vom Markt und höhere Durch-schnittskosten.

Quelle: Mankiw, G. N.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Stuttgart 2004. S. 340-342.

Kosten

Produktmenge

Durchschnittskosten

Wenn die Kurve der durchschnittlichen Gesamtkosten einer Unternehmung (bis zur Marktsättigungsgrenze, A.d.V.) ständig fällt, liegt bei der Unternehmung ein natürliches Monopol vor. Bei einer Aufteilung der Produktion auf mehrere Hersteller käme es zu höheren Durchschnittskosten und kleinerer Produktmenge. Eine einzelne Unternehmung kann somit jede Gütermenge zu den geringsten Kosten erzeugen.

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Natürliche Monopole und Marktversagen

[...] Das „natürliche Monopol“ hat zentrale Argumente für deren staatliche Reglementierung geliefert, beispielsweise in der Energieversorgung oder Nachrichtenübermittlung bis zur jüngst vorgenommenen Deregulierung. Staatliche Regulierungen des Marktzutritts sollten verhindern, dass ineffiziente Kostenduplizierungen durch Marktzutritt weiterer Unternehmen hervorgeru-fen werden. Rentabilitäts- und Preisregulierungen, beispielsweise in Form einer Genehmigungs-pflicht bei den Strompreisen der (ehemaligen) Gebietsmonopole, sollten die Marktmacht der Monopole einschränken und Monopolpreise zu Lasten der Nachfrager verhindern. Hinzu kamen i.d.R. Kontrahierungszwang (d.h. die Pflicht zum Vertragsabschluss) und die Festlegung von Konditionen aus Gründen der Aufrechterhaltung sozial erwünschter Infrastrukturziele (vgl. Knieps 2001, S. 22).

Preisregulierungen öffentlicher Unternehmen wären hingegen weniger problematisch und kaum erforderlich, wenn ein potentieller Wettbewerb bei freien Marktzutritten möglich wäre. Eine Ausbeutung der Nachfrager könnte durch potentiellen Wettbewerb neuer Anbieter ver-mieden werden, die bei hohen Preisen und Gewinnen in den Markt einträten. Je stärker und je wahrscheinlicher potentieller Wettbewerb durch Marktzutritte, um so eher müsste ein öffent-liches Monopolunternehmen die Preise so setzen, dass gerade die gesamten Kosten durch die Markterlöse gedeckt werden. Bei offenen Marktzugängen würden höhere Produktionsgewinne und höhere Preise monetäre Anreize für Marktzutritte neuer Anbieter liefern. Diese potentiellen Konkurrenten müssten bei einer strategischen Preispolitik des Monopolunternehmens berück-sichtigt werden.

Die Begrenzung der Marktmacht eines Monopols durch potentielle Konkurrenz hängt von der jeweiligen Bedeutung von Marktzutrittsschranken ab. [...].

Von strategischer Bedeutung als Markteintrittsbarrieren für potentielle Konkurrenten sind nach den [...] Ansätzen der Theorie „bestreitbarer Märkte“ besonders spezifische Aufwendungen, die als versunkene Kosten (bzw. irreversible Kosten) bezeichnet werden. Einmal eingesetzt, können sie nicht mehr rückgängig gemacht werden. Ihr Wiederverkaufswert ist, gemessen am Anschaffungswert, auch ohne Abnutzung gering. Beispielhaft kann auf das Schienennetz, die Strom-, Gas- und Wasserleitungen verwiesen werden.

Versunkene Kosten sind für das natürliche Monopol nicht mehr entscheidungsrelevant, wohl aber für potentielle Wettbewerber, die vor der Entscheidung stehen, Mittel als irreversible Kosten beispielsweise in die Errichtung eines weiteren Stromnetzes oder auf anderen Märkten einzusetzen. Das eingesessene Unternehmen hat deshalb niedrigere entscheidungsrelevante Kosten als potentielle Wettbewerber und damit einen Verhaltensspielraum, dessen Ausnutzung – beispielsweise in Form von höheren Preisen – nicht zwangsläufig zum Markteintritt neuer Anbieter führt.

Quelle: Krol, G.-J./ Schmid, A.: Volkswirtschaftslehre problemorientiert. 21. grundlegend überarbeitete Auflage. Tübingen 2002. S. 166-167.

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Willkommen im Wilden Westen –

Wie Netzbetreiber neue Strommarkt-Anbieter gängeln

Sieben Jahre nach seiner Liberalisierung ähnelt der Strommarkt für viele neue Anbieter noch immer dem Wilden Westen: Es gilt das Recht des Stärkeren, es fehlen verbindliche Regeln, und es gibt keine Autorität, die Regeln setzen und Verstöße sanktionieren kann. Das sollen das neue Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und die Bundesnetzagentur (BNA) endlich ändern.

Die Hoffnungen der Herausforderer sind groß. Im Tagesgeschäft treffen sie auf die vielfältigsten Hindernisse. Mal ist es Bürokratismus, mal sind es Schikanen der etablierten Netzbetreiber – ein Streifzug durch die Stromrepublik.

Berlin: In Gelb prangt das Problem vieler Strommarkt-Newcomer an der Wand hinter Sven Rückmanns Schreibtisch: die Deutschlandkarte mit dem Flickenteppich der 900 deutschen Stromnetze. „Ohne langjähriges Know-how und ausgereifte Werkzeuge“ würde sich seine Firma in diesem Wirrwarr „schnell im Blindflug“ bewegen, sagt der Geschäftsführer der „stattwerk GmbH“. Gegründet 2003, ist die Firma ein Dienstleister für Stromhändler. Sie übernimmt die Abrechnung für ihre Kunden, entwirft etwa maßgeschneiderte Software. Dafür benötigt sie Daten. E-Mail? Internet? Haben sich in der Strombranche im Jahr 2005 noch längst nicht überall durchgesetzt. Vieles kommt von den Netzbetreibern kartonweise per Post, und jeder macht es anders. „Absicht zu unterstellen wäre eine Mutmaßung“, sagt Rückmann.

Hamburg: Die Lichtblick AG ist der größte Ökostromanbieter der Republik – und einer der wenigen Neuanbieter für Privatkunden, der das Aussieben nach 1998 überlebt hat. Auch Licht-blick hofft auf weniger Bürokratie. Beispiel Verträge: Weil Lichtblick bundesweit liefert, muss die Firma mit jedem der 900 Netzbetreiber, in dessen Terrain sie einen Kunden hat, einen „Händler-rahmenvertrag“ abschließen. Das sind derzeit etwa 760. Die sind nicht standardisiert: „Manche haben acht, andere 100 Seiten“, sagt Gero Lücking von Lichtblick, „obwohl doch stets der glei-che Sachverhalt geregelt wird.“ Das neue EnWG räumt der BNA das Recht ein, Standardverträge zu entwerfen, an die sich alle halten müssen – für Lichtblick eine enorme Erleichterung.

Frankfurt: Auch die Ensys AG suchte sich 1998 eine Nische: Gewerbliche Kunden, die für mehre-re Standorte Strom benötigen. Mit Ensys bekommen sie eine einzige Rechnung statt Dutzender oder Hunderter. Kunden sind etwa die Drogeriekette „dm“ oder die Aachen-Münchener Versi-cherung. Vorstand Jürgen Putz erzählt eine andere Wild-West-Geschichte. Thema Messung: Die Etablierten einigten sich für die Fernablesung des Stromverbrauchs auf ein vorsintflutliches System, das auf analogen Telefonleitungen beruht. Eigentlich müssten sie ihre Kunden flächen-deckend umrüsten. Oft geschieht das aber erst, wenn der Kunde den Anbieter wechseln möch-te. So was erlebt Putz regelmäßig: „Das ist Diskriminierung.“ Bei Großkunden kommen schnell sechsstellige Beträge für die neue Messtechnik zusammen. Der Anbieterwechsel lohnt sich dann oft nicht mehr, weil Preisvorteile aufgefressen werden. Ändern wird sich das nicht: Die Liberali-sierung des Messwesens wurde verschoben.

Duisburg: Solches Schwarze-Peter-Spiel kennt auch Thomas Spinnen von PCC Energie. Die Nische der Duisburger Tochter des Rohstoffhändlers PCC sind die so genannten leistungsgemes-senen Kunden mit einem Verbrauch von über 100 000 Kilowatt-Stunden pro Jahr. PCC beliefert etwa McDonald s-Filialen oder „Plus“-Märkte. Auch PCC erlebt ständig schildbürgerhafte Possen. Da verlangten Netzbetreiber wie Eon Bayern auf offiziellen Preislisten Messkosten von 1 000 Euro im Jahr, berechneten ihren Stromkunden aber nur einen Bruchteil davon – solange die

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nicht den Anbieter wechseln, sagt Spinnen. Täten sie es doch, müsse der neue Lieferant den vollen Preis zahlen. „Da haben sie null Chancen, in den Markt zu kommen“, sagt Spinnen. Wurzel des Übels: Zähler und Messung gelten nach wie vor als „natürliches Monopol“ der Netzbetrei-ber. „Würde die Zählerhoheit aufgebrochen, hätte das sofort enorme Kostenreduzierungen zur Folge“, erwartet PCC-Chef Spinnen. Aber das ist im EnWG nicht vorgesehen.

Quelle: Handelsblatt Nr. 113 vom 15.06.05 Seite 2/ Autor: Christoph Nesshöver

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Unter Strom

Die deutsche Strom- und Gaswirtschaft steht vor einer Zeitenwende. Nach fast zweijährigem Ringen um Grundphilosophie und Einzelparagrafen wird im Vermittlungsausschuss von Bun-destag und Bundesrat heute das neue Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) beschlossen und kann spätestens zum 1. August 2005 in Kraft treten. Damit fällt der Startschuss für eine neue Form der Wettbewerbskontrolle, die Strom- und Gaskunden mehr Freiheit bei der Wahl ihrer Lieferanten sichern und für sinkende Preise sorgen soll.

Im Zentrum des politischen Ringens zwischen Bund und Ländern, Regierung und Opposition standen zuletzt komplizierte Details – Regulierungsmethoden, Netzzugangsmodelle, Kalkulati-onsgrundsätze. Nun muss sich erweisen, ob das Regelwerk in der Praxis hält, was es verspricht. Und das bedeutet für die Strom- und Gaskunden, ob privat oder in der Industrie: Gibt es eine Entlastung bei den Energiekosten?

Eon-Chef Wulf Bernotat warnt im Gespräch mit dem Handelsblatt bereits vor übertriebenen Erwartungen. Es sei fraglich, ob neue Anbieter auf den Plan gerufen und die Preise sinken würden.

Auf die tendenziell steigenden Weltmarktpreise für Kohle und Gas kann der Gesetzgeber in der Tat auch mit strengsten Vorschriften keinen Einfluss nehmen. Wohl aber kann er dazu beitragen, dass Marktmacht der Versorger im Inland nicht zum Hindernis für Effizienz und Wettbewerb beim Transport und Vertrieb der Energie wird.

Das neue Gesetz nutzt dazu im Wesentlichen zwei Schlüsselinstrumente: Zum einen werden die Entgelte, die Betreiber der Leitungsnetze für die Energiedurchleitung erheben, einer neuen Aufsicht durch eine Bundesnetzagentur unterworfen, die bisherige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Immerhin machen die Netzentgelte bei Strom rund ein Drittel am Endpreis aus. Dass es dort Effizienzreserven gibt, darauf deutet ein im internationalen Vergleich hohes Niveau der deutschen Netzpreise hin.

Zum anderen müssen die so genannten integrierten Versorger in Zukunft eine strenge organi-satorische Trennung ihrer Geschäftsbereiche für das Netz und den Vertrieb einhalten. So soll verhindert werden, dass ein Netzbetreiber Energielieferungen des eigenen Konzerns bei der Durchleitung bevorzugt und fremde Strom- und Gasanbieter am Zugang zu Netz und Kunden im eigenen Versorgungsgebiet hindert. Der Gedanke dabei: Je besser die Kunden unter konkur-rierenden Anbietern wählen können, desto größer wird für diese der Effizienzdruck. Im Idealfall könnte das dazu führen, dass der Energiepreis nicht nur durch sinkende Netzentgelte gedrückt wird, sondern zudem ein stärkerer Wettbewerb der Energieanbieter um die günstigsten Bezugs-quellen für das eigentliche Produkt, Gas oder Strom, entsteht. […].

Quelle: Handelsblatt Nr. 113 vom 15.06.05, Seite 2/ Autoren: D. Creutzburg/ HJ. Flauger

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EU-Richter liberalisieren Strommarkt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkt den Wettbewerb im Energiemarkt deutlich. Die in Luxemburg residierenden Richter verurteilen in einer neuen Entscheidung die in den EU-Staa-ten immer wieder anzutreffende Vorzugsbehandlung von alten Staatsunternehmen als grund-sätzlich rechtswidrige Diskriminierung der Konkurrenten. „Das ist ein Urteil Pro-Liberalisierung und Pro-Netzzugang für neue Marktteilnehmer“, kommentiert Energieexpertin Stefanie Neve-ling das wichtige Urteil. Die Rechtsanwältin der Kanzlei Becker, Büttner und Held sieht auch Auswirkungen auf den Gassektor.

Mit dem Urteil treiben die EU-Richter die 1997 begonnene Liberalisierung des Strommarktes weiter voran. Konkret verhandelten sie über den Fall des ehemals einzigen niederländischen Stromversorgers SEP. Für den ehemaligen Alleinversorger war die Freigabe der Märkte beson-ders herausfordernd, weil das Unternehmen viele langfristige Altverträge unter anderem mit Deutschen Stromversorgern unterhielt. Der Staat sorgte aber auch nach Aufbrechen der Märkte dafür, dass das Unternehmen auf den knappen Leitungsnetzen ins Ausland vorrangig vor den neu entstandenen Konkurrenten bedient wurde. Die niederländische Regierung begründete die Vorzugsbehandlung mit dem Auftrag zur Daseinsvorsorge, den der alte Strommonopolist auch nach der Liberalisierung zu erfüllen habe. Damit das Unternehmen insbesondere seine vielen noch bestandskräftigen Verträge aus der Zeit der Marktabschottung erfüllen könne, habe es mehr von den knappen Ressourcen erhalten. Mit dieser Maßnahme sahen sich die neuen Markt-teilnehmer aber vom Markt abgeschnitten. Der Zugang zu den knappen Kapazitäten in den grenzüberschreitenden Netzen ist einer der wesentlichen Voraussetzungen für den Erfolg der Liberalisierung am Strommarkt. Daher klagten sie gegen den essentiellen Wettbewerbsvorteil ihres Hauptkonkurrenten.

Jetzt bekamen sie Recht. Der EuGH urteilte, dass eine ungerechtfertigte Behandlung des alten Strommonopolisten vorliege. Nach den EU-Liberalisierungsrichtlinien von 1997 für den Strom-sektor müssten staatliche Privilegien einzeln von der EU-Kommission abgesegnet werden. Dane-ben könne sich das Unternehmen auch nicht auf rechtliche Verpflichtungen aus den Altverträ-gen berufen, um sich vor der neuen Konkurrenz zu schützen.

Für Neveling ist es ein Urteil mit genereller Bedeutung – und mit Ausstrahlung auf Deutschland. „Es muss eine gleichrangige Verteilung der Kapazitäten gewährleistet werden“, so die Expertin. Auch in Deutschland gebe es in der grenzüberschreitenden Stromlieferung und „gerade im Gasbereich ganz erhebliche Engpässe an Kapazitäten“. Die Vorreiter am deutschen Markt hät-ten sich auch hier zu Lande den Markt über Töchter und verbundene Unternehmen langfristig reserviert.

Quelle: Handelsblatt Nr. 113 vom 15.06.05, Seite 29.

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