ARCHITEKTUR - folkwang-uni.de · Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter,...

5
ARCHITEKTUR Ruhr Revue | 17 ARCHITEKTUR 16 | Ruhr Revue Eine Welt für sich Folkwang Universität Essen-Werden Sie gehören zum Leben im Essener Stadtteil Werden: Folkwang-Studenten aus aller Herren Länder. Wenn sie aber, oft bepackt mit Instrumentenkoffern, durch den alten Torbogen ihren Campus betreten, finden sie sich mitten im Ort und neben der alten Abteikirche in einer eigenen Welt wieder. Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter, Barock, Preußenzeit. Kloster und Gefängnis. Voller Klänge: Üben, Proben, Instrumente, Gesang. Als Besucher wird man leicht ein bisschen neidisch. Zugegeben: Durch den Torbogen kommt man derzeit nicht; er ist wegen Renovie- rung eingehüllt und gesperrt. Der Weg führt jetzt rechts die Straße „Klemens- born“ weiter, um ein supermodernes, dreieckiges Gebäude herum auf den kopf- steinbepflasterten Vorhof. Der verhüllte Torbogen wie das moderne Gebäude sym- bolisieren, wie der ohnehin sehr heteroge- ne Gebäudekomplex sich ständig verän dert hat und weiter verändert, durch Moderni- sierung, Reparaturen, durch An-, Neu- und Umbau, wegen veränderter Anforderun- gen, wegen Alterung oder wegen spekta- kulärer Schäden durch Brand und Sturm. Die bewegte Geschichte des heutigen Universitätscampus begann in der Zeit Karls des Großen: 799 wurde das Bene- diktiner-Kloster Werden gegründet, bald darauf entstanden die Gebäude der Abtei und der Abteikirche. Werden ist damit um einige Jahre älter als die Keimzelle der späteren Stadt Essen. Das Kloster Werden entwickelte sich zu einem bedeutenden Machtfaktor im politisch kleinteiligen deutschen Westen; viele Höfe, Dörfchen und spätere Städte zählten zum Werdener Klos terbesitz. Dieser weltlichen Seite des Klos ters ist es zuzuschreiben, dass vom mittelalterlichen Kloster kaum mehr als Grund mauern vorhanden sind. Auf denen ließen die Äbte von 1750 an eine prächtige Barock residenz errichten, um ihrer weltli- chen Macht Ausdruck zu verleihen. Diese Ge bäude dominieren das Ensemble bis heute. Mit der Macht aber war es schon bald zu Ende: Kaum hatten die Äbte der barocken Pracht mit dem Rokoko-Torbogen die verspielte Spitze aufgesetzt, sahen sie sich durch „Reichsdeputationshaupt- schluss“ und „Säkularisation“ vertrieben. Das Werdener Territorium zählte nun zum französisch kontrollierten Großher- zogtum Berg. Die neuen Herren, immer- hin, ließen die Gebäude nicht abreißen, Die Bibliothek ist das jüngste Gebäude auf dem Werdener Folkwang-Campus. Der Lesesaal (links) ist traumhaft. Außen kontrastiert der Bau mit den Hauptgebäuden aus der Barockzeit.

Transcript of ARCHITEKTUR - folkwang-uni.de · Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter,...

Page 1: ARCHITEKTUR - folkwang-uni.de · Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter, Barock, Preußenzeit. Kloster und Gefängnis. Voller Klänge: Üben, Proben, Instrumente,

ARCH I T EKTUR

Ruhr Revue | 17

ARCH I T EKTUR

16 | Ruhr Revue

Eine Welt für sichFolkwang Universität Essen-Werden

Sie gehören zum Leben im Essener Stadtteil Werden: Folkwang-Studenten aus aller Herren Länder. Wenn sie aber, oft bepackt

mit Instrumentenkoffern, durch den alten Torbogen ihren Campus betreten, finden sie sich mitten im Ort und neben der alten

Abteikirche in einer eigenen Welt wieder. Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter, Barock, Preußenzeit.

Kloster und Gefängnis. Voller Klänge: Üben, Proben, Instrumente, Gesang. Als Besucher wird man leicht ein bisschen neidisch.

Zugegeben: Durch den Torbogen kommtman derzeit nicht; er ist wegen Renovie-rung eingehüllt und gesperrt. Der Wegführt jetzt rechts die Straße „Klemens-born“ weiter, um ein supermodernes,dreieckiges Gebäude herum auf den kopf-steinbepflasterten Vorhof. Der verhüllteTorbogen wie das moderne Gebäude sym-bolisieren, wie der ohnehin sehr heteroge-ne Gebäudekomplex sich ständig verän derthat und weiter verändert, durch Moderni-sierung, Reparaturen, durch An-, Neu- undUmbau, wegen veränderter Anforderun-gen, wegen Alterung oder wegen spekta -kulärer Schäden durch Brand und Sturm.

Die bewegte Geschichte des heutigenUniversitätscampus begann in der ZeitKarls des Großen: 799 wurde das Bene-diktiner-Kloster Werden gegründet, balddarauf entstanden die Gebäude der Abteiund der Abteikirche. Werden ist damitum einige Jahre älter als die Keimzelle derspäteren Stadt Essen. Das Kloster Werdenentwickelte sich zu einem bedeutendenMachtfaktor im politisch kleinteiligendeutschen Westen; viele Höfe, Dörfchenund spätere Städte zählten zum WerdenerKlos terbesitz. Dieser weltlichen Seite desKlos ters ist es zuzuschreiben, dass vommittelalterlichen Kloster kaum mehr als

Grund mauern vorhanden sind. Auf denenließen die Äbte von 1750 an eine prächtigeBarock residenz errichten, um ihrer weltli-chen Macht Ausdruck zu verleihen. DieseGe bäude dominieren das Ensemble bisheute. Mit der Macht aber war es schonbald zu Ende: Kaum hatten die Äbte derbarocken Pracht mit dem Rokoko-Torbogendie verspielte Spitze aufgesetzt, sahen siesich durch „Reichsdeputationshaupt-schluss“ und „Säkularisation“ vertrieben.Das Werdener Territorium zählte nun

zum französisch kontrollierten Großher-zogtum Berg. Die neuen Herren, immer-hin, ließen die Gebäude nicht abreißen,

— Die Bibliothek ist das jüngste Gebäude auf dem Werdener Folkwang-Campus. Der Lesesaal (links)

ist traumhaft. Außen kontrastiert der Bau mit den Hauptgebäuden aus der Barockzeit.

Page 2: ARCHITEKTUR - folkwang-uni.de · Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter, Barock, Preußenzeit. Kloster und Gefängnis. Voller Klänge: Üben, Proben, Instrumente,

18 | Ruhr Revue

sondern machten das Kloster zum Gefäng-nis. Eine Idee, die den 1813 nachrücken-den Preußen so einleuchtete, dass sie dasGefängnis weiterbetrieben und Mitte des19. Jahrhunderts sogar um zwei mächtigeFlügelgebäude erweiterten. Gefängnisblieb der Komplex bis 1945; in den letztenJahren sind wohl noch militärische Stellenhinzugekommen. 1946 war dieses eherdüstere Kapitel endlich beendet, und inkräftigem Kontrast dazu zog die berühmteEssener Folkwangschule in die – allerdingsheruntergekommenen und kriegsbeschä-digten – Gebäude ein.

| Ziemlich viele FlügelAuch die Institution Folkwangschule hatsich seither mehrfach gewandelt, erweitertund gehäutet; als Folkwang Universität derKünste ist sie heute an mehreren Ortendes Ruhrgebiets präsent. In der WerdenerAbtei findet jetzt im Wesentlichen die Ins -trumentalausbildung statt; dazu werdenKomposition, Kirchenmusik, Gesang, Diri-gieren, Musikpädagogik, Musikwissen-schaft, Tanz, Choreographie, Schauspiel,Regie und „Physical Theatre“ (früher: Pan-tomime) gelehrt. Ein buntes, lebendigesVölkchen – und das macht den Blick hin-ter die Fassaden der Gebäude so besondersinteressant.

Wenn man demnächst wieder durchden Torbogen auf den gepflasterten Vor-hof tritt, dominiert die gelb gestricheneFassade des Barock-Blocks das Bild; dessenwest licher Flügel mit dem Eingang wirdauch als Hauptgebäude bezeichnet. MitSüd-, Nord- und Ostflügel bildet er einenrechteckigen Komplex, der von 1750 annach und nach entstanden ist. Dieser Rah-men umschließt einen grünen Innenhof;der einstige Kreuzgang ist an einigen Stel-

len noch zu erahnen. Zum Vorhof hinsind dem westlichen Hauptgebäude nochlinks und rechts Flügelbauten zugeordnet.Das sind insgesamt ziemlich viele Flügel,und so kann man sich als Anfänger ganzwunderbar in dieser Anlage verlaufen.Von außen wirkt der barocke Komplex

wie frisch renoviert, aber dieser Eindruckist ein wenig irreführend. Betritt man dasHauptgebäude, staunt man dann doch, wieabgetreten und schadhaft der Fliesenboden

der Flure ist, wie rissig der Putz an denWänden. Das hat, wohlgemerkt, durchausCharme, passt aber nicht recht zur noblenAußenfassade. Die allmähliche Renovie-rung des ganzen Blocks ist 2008 durcheinen verheerenden Brand im Ostflügelaus dem Takt gekommen, so dass jetztzwar der äußere Eindruck einheitlich ist,der Innenraum aber von ganz unterschied-licher Erhaltungsqualität.Das betrifft nicht nur die Flure, sondern

auch die Übungsräume, sagt KlarinettistinDesiree Brenner, die uns als eine von zweistudentischen Führerinnen durch die Abteibegleitet: Die Akustik der alten Räume sei

derart schlecht, dass einem irgendwiealles zu laut um die Ohren schwirre. Ganzanders in den bereits renovierten Übungs-räumen. In einem davon treffen wir aufBarbara Pfeffer und Miriam Wentz. Pfefferunterrichtet Gesang an der Folkwang-Uni-versität, und Wentz ist eine ihrer Schüle-rinnen. Die beiden sind mitten in einerÜbungsstunde; die Lehrerin begleitet ihreSchülerin am Flügel. Die ansteckend guteStimmung hat sicher mit dem Naturellder beiden Frauen zu tun – aber auch mitdem Raum: „Es ist ein Traum, hier zuunterrichten“, sagt Barbara Pfeffer, „mitdiesem Blick in den Hof!“

— Hinter den barocken Klostergebäuden erhebt sich der Turm der Werdener Abteikirche. Die ist nicht Teil der Folkwang-Uni, gehört aber als Nachbar dazu.

— Ein Flur im restaurierten Teil des Barockkomplexes – mit dem alten Eingangswappen als Kontrast — Aussparungen im Putz bieten an verschiedenen Stellen Blicke auf die Bauvergangenheit.

— Was für eine Aussicht: Barbara Pfeffer mit ihrer Schülerin Miriam Wentz im modernen Übungsraum

ARCH I T EKTUR

Page 3: ARCHITEKTUR - folkwang-uni.de · Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter, Barock, Preußenzeit. Kloster und Gefängnis. Voller Klänge: Üben, Proben, Instrumente,

ARCH I T EKTUR

20 | Ruhr Revue

| Die Welt ist KlangEs gibt heutzutage Kirchen, die tun denganzen Tag so, als sänge irgendwo im Ver-borgenen ein Chor gregorianische Choräle.Kommt natürlich vom Band, und mankann das an der Grenze zum Kitsch sehen.Im Barockbau der Werdener Folkwang-Universität ist der Klang echt. Die Übungs-zimmer sind keineswegs komplett schall-

isoliert; im Sommer stehen ohnedies über-all die Fenster offen. So kommt es, dass dieGebäude stets von Tönen belebt werden.Von irgendwoher weht immer der Klangeines Instrumentes, einer Stimme odereines Ensembles her. Manchmal mischensich die Klänge, und wenn man um eineEcke biegt, klingt diese Mischung andersals noch vor wenigen Sekunden.

Bei unserem Gang durch den Nord-flügel setzen sich in diesem Klangkosmosdann tiefe Töne deutlich durch. Sie schei-nen das ganze Haus ins Schwingen zubringen, auf sehr angenehme Weise. Cello?Nein, zu tief. Muss ein Kontrabass sein,mit dem Bogen gestrichen. Die Quelle derKlänge findet sich im Treppenhaus: Dortsitzt die Finnin Heidi Rahkonen mit ihremInstrument, zwischen den aufgereihtenBass-Koffern ihrer Kommilitonen und übt.Doch, einen Übungsraum hätte sie schon,sagt sie. Aber sie spielt halt lieber im Trep-penhaus; da muss sie auch das Instrumentnicht so viel herumschleppen. Dass HeidiRahkonen so gelegentlich den ganzen Flurbeschallt und beschallen darf, scheint denCharme dieses lebendig klingenden Gebäu-des irgendwie auf den Punkt zu bringen.Steht man wieder auf dem gepflaster-

ten Vorhof mit Blick aufs Barockgebäude,so fällt linkerhand ein heller Gebäudeteilmit viereckigem Turm auf, der in Formund Farbe nicht recht zum Rest passenwill. Das ist einer von zwei Flügel-Anbau-ten, welche die preußischen Gefängnisbe-treiber einst links und rechts an die bereitsbestehenden barocken Anbauten „klebten“.Der rechte, nördliche „Preußenflügel“wurde 1969 abgerissen. Dem linken solltees 1988 ebenso gehen. Zwar hatte er seit1949 die wichtige Aula der Folkwang-Schule beherbergt, aber nun hatte man jaim Süden des Geländes die „Neue Aula“gebaut, da schien die alte den Entschei-dern überflüssig. Das sahen allerdingsStu denten und Lehrer ganz anders. Tanz-Professor Stephan Brinkmann war zu derZeit Student. Er erinnert sich, wie sichTanz-Ikone Pina Bausch empörte: „Als obman eine alte Omi umbringt!“

| Rettung der Preußen-OmiStudenten haben den Preußenflügel da -mals „instandbesetzt“, und Unterstützungkam nicht nur von den Lehrenden, son-dern auch von der Werdener Bevölkerung.Im letzten Moment begriffen dann dieVerantwortlichen, dass Gebäude und Aulanoch gebraucht werden konnten, dassder Preußenkasten auch zur Geschichtedes Ganzen gehörte. Der Ab bruch wurdeabgesagt. Es dauerte aber noch über zehn

— Beste Bedingungen für die Tanzausbildung – dazu gehört musikalische Live-Begleitung vom Korrepetitor.

— Nicht zertanzt: Chucks und ähnliches Schuhwerk

müssen vorm Betreten des modernen Übungsraums

ausgezogen werden; drin sind nur Ballerinas erlaubt.

Page 4: ARCHITEKTUR - folkwang-uni.de · Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter, Barock, Preußenzeit. Kloster und Gefängnis. Voller Klänge: Üben, Proben, Instrumente,

ARCH I T EKTUR

22 | Ruhr Revue

Jahre, bis der Preußenflügel komplett res -tauriert war und die „Alte Aula“ wiederzur Verfügung stand – nach dem Tod derberühmten Tänzerin unter dem Namen„Pina-Bausch-Theater“.Von außen hat man den Preußenflügel

kaum verschönert. Sein etwas schmutzig-grauer Anstrich täuscht nicht darüber hin-weg, dass es, vom trutzigen Turm abgese-hen, historisch um ein schlichtes Gefäng -nisgebäude geht. Der Innenraum dagegen

wird durch hellweiße Wände und moder-ne Einbauten charakterisiert, mit einigenhistorischen Versatzstücken wie metalle-nen Säulenkapitellen und Buntglasfenstern.Ganz schwarz wiederum ist die eigentlicheAula im ersten Stock. Nur an der Apsis istschwach zu erkennen, dass dies einmaldie Gefängniskapelle war. Jetzt dient derRaum als klassische „Black Box“ für Pro-ben und Aufführungen des (Tanz-) Thea-ters, mit 99 Zuschauerplätzen.

In der Hand der Tänzer befindet sichauch der unmittelbar angrenzende Barock-Anbau. Auch er ist im Innern hervorragendrestauriert, mit einem großen Übungsraumin jeder der drei Etagen. Wir sehen dort,wie Prof. Etsuko Akiya eine ihrer Klassenunterrichtet – begleitet vom Korrepetitoram Klavier. Über solche Arbeitsumgebungund -bedingungen gerät auch ProfessorBrinkmann ins Schwärmen. Und er ver-gisst nicht zu erwähnen, mit welch großenNamen – wie Loos, Förster, Bausch – die-ses Gebäude verbunden ist. Das trägt nichtzum Geringsten zu der besonderen Atmo-sphäre bei.

| Ort der Ruhe: die BibliothekWo bis 1969 der zweite Preußenflügel stand, findet sich heute dasmodernste Gebäude der Folkwang-Universität. Es ist bei manchenWerdenern ob seiner modernen Gestalt umstritten, wohl auch,weil es unmittelbar und sichtbar an den Ortskern grenzt. Mankann den Kritikern nur empfehlen, die Bibliothek mal zu besuchenund sich den über mehrere Stockwerke gehenden Hauptlesesaalanzuschauen. So modern er ist, erinnert er doch mit seinen Kirsch-holzwänden und den schicken Arbeitsplätzen an prächtige undaltehrwürdige Universitätsbibliotheken, wie man sie gemeinhinnur aus Filmen kennt.Mit Bibliotheksleiterin Viola Springer treffen wir schon wieder

jemanden, der von seinem Arbeitsplatz begeistert ist. Sie weiß,dass der Bau umstritten ist, wegen der Nachbarschaft zu den altenGebäuden. Architekt Max Dudler habe sich entschieden, gar keineAngleichung zu versuchen, sondern etwas Modernes bewusst da -gegen zu setzen. Das Verblüffende an dem Haus ist die Glasfassa-de, die von ferne wie Marmor wirkt, weil Folien mit Fotografien

— Der Preußenflügel mit seinem Turm ist mehr

trutzig als schön, aber mit inneren Werten gesegnet.

— Im Innern des Preußenflügels dominiert Modernität, mit Akzenten aus der Vergangenheit – wie dem Buntglasfenster und dem Säulenkapitell (oben).

— Wo früher Preußens Gefangene beten durften oder mussten,

proben heute Folkwang-Studenten verschiedener Fachrichtungen.

— Das „Pina-Bausch-Theater“ ist eine Black Box. Die Apsis im Hintergrund

erinnert noch an die Geschichte des Raumes als Gefängniskapelle.

Page 5: ARCHITEKTUR - folkwang-uni.de · Alte und moderne Architektur, voller Geschichte: Mittelalter, Barock, Preußenzeit. Kloster und Gefängnis. Voller Klänge: Üben, Proben, Instrumente,

ARCH I T EKTURARCH I T EKTUR

24 | Ruhr Revue

aus einem Marmorsteinbruch auf dieScheiben aufgetragen sind. Die Scheibensind somit transluzent: Tageslicht dringtein, aber gedämpft, und man kann nichthinausschauen. Das trägt zum Erhalt derBuch- und Schriftenbestände wie zur

konzentrierten Arbeit bei. Im Gegensatzzu allen anderen Gebäuden ist die Biblio-thek auch ein Ort der Ruhe.Unser Rundgang ist damit noch nicht

beendet. Im Süden des Abteigeländes fin-den sich drei weitere Gebäudekomplexe.

Das „Tanzhaus Züllig“ ist ein moderner,in das dort stark ansteigende Gelände ge -schmiegter Bau mit weiteren Übungsräu-men der Abteilung Tanz. Wir treffen dortauf Klaus Figge, der gerade seine Anfänger-klasse das Fechten lehrt – mit Schaum-

stoffstangen und mit „richtigen“ Degen,Bühnendegen, versteht sich, aber die se -hen furchterregend genug aus. Klaus Figgesorgt dafür, dass die späteren Schauspielerund Opernsänger mit diesen Waffen nichtbloß irgendwie herumfuchteln.

| Offen für BesucherNebenan liegt die frühere „Meierei“ desKlosters; dort ist nach dem Umbau 1988die Mensa untergebracht, auch Kunst-Studenten müssen essen, dazu weitereÜbungsräume. In der Meierei ist auch dasFach „Physical Theatre“ zu Hause, eineWeiterentwicklung dessen, was früher alsPantomime bekannt war. Ein langgestreck-tes Gebäude schließlich, das lange Zeitvon einer Tuchfabrik genutzt worden war,

beherbergt jetzt den Kammermusiksaal,das Institut für Computermusik und elek-tronische Medien und die Neue Aula. Vonaußen wirkt das Gebäude, wie Architek -turkritiker Manfred Sack 1988 schrieb, et -was „vierschrötig“ und plump. Beim In nen - raum aber lieferte der bekannte Archi tektGottfried Böhm ein Meisterstück ab.Dabei setzte er sich, wie unsere studen-

tische Führerin Desiree Brenner sagt, übereinige Vorgaben zur Integration alter Mau-ern hinweg, so dass die Neue Aula mehrPlatz biete als ohne diese Freiheit. Im Übri-gen ist Musikerin Brenner voll des Lobes,was die Akustik, die technische Ausstat-tung und den Sitzkomfort in den Zuschau-erreihen angeht. Der Standard sei „wie ineinem mittleren Stadttheater“ – einem gut

ausgestatteten Stadttheater, wohlgemerkt.Eine sehr einfache und besonders vonWerdenern viel genutzte Möglichkeit, dieAbteigebäude zu erleben, ist der Besuchvon Konzerten und Aufführungen in Aula,Pina-Bausch-Theater, Kammermusiksaal.Die Universität bietet da ein reichhaltigesProgramm: www.folkwang-uni.de. Mankann aber auch Führungen mit DesireeBrenner oder ihrer Kommilitonin buchen:www.folkwang-agentur.de. Wie gesagt:Nicht ausgeschlossen, dass man dabei nei-disch ins Träumen kommt: Man müsste!Musik machen können. Tanzen können.Schauspielern können. Nochmal Studentsein können ... wobei: In der Bibliotheklesen und „studieren“, das muss keinTraum bleiben, das geht tatsächlich. l -na

— Die „Neue Aula“ bietet Technik, wie sie einem mittleren Stadttheater

gut zu Gesicht stünde. Das wissen auch Besucher zu schätzen.

— Klaus Figge (links) zeigt seinen Studenten im „Tanzhaus Zöllig“, wie man auf der Bühne fachgerecht die Klingen zum Kampf kreuzt.

— Tiefe Töne im Treppenhaus erzeugt Heidi

Rahkonen. Desiree Brenner (hier im noch unrestau-

rierten Flur) führt Interessierte über den Campus.