Archiv fur Geschichte des Buchwesens: Vol. 62: 2008 (Archiv Fur Geschichte Des Buchwesens) german

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ARCHIV FÜR GESCHICHTE DES BUCHWESENS

»AGB«

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ARCHIV FÜR GESCHICHTEDES BUCHWESENS

Im Auftrag derHistorischen Kommission

des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V.

Herausgegeben von

MONIKA ESTERMANN UND URSULA RAUTENBERG

Band 62

K . G . Saur München 2008

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HERAUSGEBER

Ordentliche Mitglieder der Historischen Kommission: Prof. Dr. h.c. mult. Klaus G. Saur, Berlin, Vorsitzender; Prof. Dr. Reinhardt Witt-mann, Oberachau, Stellv. Vorsitzender; Prof. Dr. Stephan Füssel, Mainz; Prof. Dr. Georg Jäger, München; Prof. Dr. Siegfried Lokatis, Leipzig; Prof. Dr. Wulf D. von Lucius, Stuttgart; Prof. Dr. Ursula Rautenberg, Erlangen; Thedel von Walmoden, Göttingen.

Korrespondierende Mitglieder der Historischen Kommission: Prof. Dr. Hans Altenhein, Bickenbach; Dr. Werner Arnold, Wolfenbüttel; Dr. Jan-Pieter Barbian, Duisburg; Prof. Frédéric Barbier, Paris; Tho-mas Bez, Leipzig; Dr. Hans-Erich Bödeker, Göttingen; Prof. Dr. Bernhard Fabian, Münster; Dr. Bernhard Fischer, Weimar; Prof. Dr. Ernst Fischer, Mainz; Prof. Dr. John Flood, London; Prof. Dr. Chris-tine Haug, München; Dr. Stephanie Jacobs, Leipzig; Dr. Thomas Kei-derling, Leipzig; Dr. Michael Knoche, Weimar; Prof. Dr. Hans-Joachim Koppitz, Mainz; Dr. Mark Lehmstedt, Leipzig; Prof. Dr. Al-berto Martino, Wien; Prof. Dr. Ulrich Ott, Marbach/N.; Prof. Dr. Günther Pflug †, Frankfurt a.M.; Prof. Dr. h.c. mult. Paul Raabe, Wolfenbüttel; Prof. Dr. Helmut Rötzsch, Leipzig; Prof. Dr. Walter Rüegg, Veytaux-Chilion; Prof. Dr. Wolfgang Schmitz, Köln; Prof. Dr. Ute Schneider, Mainz; Herta Schwarz, Frankfurt a.M.; Dr. Volker Titel, Erlangen; Prof. Dr. Peter Vodosek, Stuttgart; Clara Waldrich, München; Prof. Dres. Bernhard Zeller, Marbach/N.

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Dateien sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Gedruckt auf säurefreiem Papier © 2008 by K. G. Saur Verlag, München

Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG Alle Rechte vorbehalten

Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig Satz: Anke Vogel, Ober-Olm

Druck & Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Printed in Germany

ISBN 978-3-598-24858-0 ISSN 0066-6327

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INHALT BEITRÄGE URSULA RAUTENBERG: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit in Deutschland, den Niederlanden und Venedig – Quantitative und qualitative Studien .......................................... 1 JOHANNA GUMMLICH-WAGNER: Das Titelblatt in Köln: Uni- und multivalente Titelholzschnitte aus der rheinischen Metropole des Inkunabeldrucks .......................................................................................... 106 Register Rautenberg/Gummlich-Wagner ........................................................................................................... 150 GISELA MÖNCKE: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Johann Lobmeyer – Balthasar Müller – Melchior Bopp .................................................................................... 153 Register ............................................................................................................................................................... 187 VOLKER R. REMMERT/ UTE SCHNEIDER: Wissenschaftliches Publizieren in der ökonomischen Krise der Weimarer Republik – Das Fallbeispiel Mathematik in den Verlagen B. G. Teubner, Julius Springer und Walter de Gruyter ........................................................................................................................................ 189 KARSTEN JEDLITSCHKA: Die »Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums« – Zensurfelder und Arbeitsweise am Beispiel des Münchner Lektors Ulrich Crämer ................. 213 REZENSIONEN MARION JANZIN/JOACHIM GÜNTNER: Das Buch vom Buch. 5000 Jahre Buchgeschichte. (Konrad Umlauf) ... 227 OLIVER DUNTZE: Ein Verleger sucht sein Publikum. Die Straßburger Offizin des Matthias Hupfuff (1497/98–1520). (Jonathan Green) ..................................................................................................................... 231 Bandregister ........................................................................................................................................................ 234 Anschriften der Herausgeber und Verfasser ....................................................................................................... 240

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URSULA RAUTENBERG

Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit in Deutschland, den Niederlanden und Venedig –

Quantitative und qualitative Studien

Inhalt

Vorbemerkung ......................................................... 3 Danksagung ............................................................. 3 1 Das frühe Buchtitelblatt als

Forschungsproblem ..................................... 4 1.1 Einhundertzehn Jahre Forschung zum

frühen Buchtitelblatt: Von Alfred W. Pollard bis zur Gegenwart ........................... 4

1.1.1 Ausgangslage .............................................. 4 1.1.2 Die Anfänge um und nach 1900:

Von Pollard zu Haebler und Johnson ........... 4 1.1.3 Der Leipziger Sammelband »Das Titelblatt

im Wandel der Zeit« (1929) ........................ 7 1.1.4 Die Titelblattforschung in der zweiten

Hälfte des 20. Jahrhunderts: länderspezifische Fokussierung und das Titelblatt volkssprachlicher Drucke ............ 9

1.1.5 Am Ende des 20. Jahrhunderts: Margaret M. Smith’s »The title-page« ...... 13

1.1.6 Erreichtes und Desiderate ......................... 16 1.2 Zwei Erlanger Forschungsprojekte zum

frühen Buchtitelblatt .................................. 17 1.2.1 Die Titelblattdefinition .............................. 17 1.2.2 Die quantitativ-statistische Erfassung:

Das Inkunabeltitelblatt in Deutschland, den Niederlanden und Venedig ................. 18

1.2.3 Die qualitative Tiefenanalyse: Sieben deutsche Druckorte bis Ende 1490 ............ 20

1.2.4 Die Fallstudien .......................................... 21 1.2.5 Die Titelblatt-Datenbank im Internet ........ 21 1.3 Überlegungen zu einer Theorie des

frühen Buchtitelblatts ................................ 22 2 Das Aufkommen und die Verbreitung des

Titelblatts in Deutschland, den Nieder- landen und Venedig: Quantitative Analyse und prädispositive Titelblätter .... 24

2.1 Quantitative Vergleichsanalyse ................. 24 2.2 Prädispositive Formen: Titelblätter

bis 1480 ..................................................... 26

2.2.1 Die frühesten Titelblätter in Deutschland: Mainz, Köln und Nürnberg ........................ 27

2.2.2 Die frühesten Titelblätter in den Niederlanden .............................................. 28

2.2.3 Die frühesten Titelblätter in Venedig und Italien .................................................. 30

2.2.4 Exkurs: Prädispositive Titelblätter und geregelte typographische Praxis am Beispiel der Offizin Peter Schöffer ........... 31

3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ – Systematik und quantitativer Vergleich .............................. 34

3.1 Die Zeichenmittel des Titelblatts ............... 34 3.2 Die makrotypographischen Zeichenmittel . 34 3.2.1 Leerseite, Leerblatt und Titelblatt ............. 34 3.2.2 Die Position der Titelseite ......................... 38 3.2.2.1 Die Titelseite auf der Rückseite des

ersten Blatts ............................................... 38 3.2.2.2 Der Endtitel................................................. 39 3.2.3 Die Titelseite und nachfolgende Seite ....... 40 3.2.4 Die Titelseite im Lagenverbund ................ 41 3.3 Die mesotypographischen Zeichenmittel:

Flächengliederung ...................................... 41 3.4 Die mikrotypographischen Zeichenmittel . 42 3.4.1 Rotdruck .................................................... 44 3.4.2 Schriftwahl, gestufte Typographie und

Figurensatz ................................................. 44 3.4.3 Die mikrotypographischen Zeichenmittel

und ihre Bedeutung für den Titelsatz ........ 46 3.5 Die xylographische Titelseite als

Sonderfall ................................................... 48 3.6 Die sprachlichen Zeichenmittel: Werk-

und Buchkennzeichnung ............................ 48 3.6.1 Die Angaben der Hauptgruppe .................. 48 3.6.2 Zum Verhältnis von Kolophon und

Angaben des Impressums auf dem Titelblatt ..................................................... 48

3.6.3 Produktionsrelevante Hinweise auf dem Titelblatt ..................................................... 49

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2 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden 53

4.1 Typographische Titelseite und illustrativer Schmuck auf dem Titel: quantitative Vergleichsanalyse bis 1500 ....................... 53

4.2 Gerard Leeu und das Titelblatt mit einem Titelholzschnitt .......................................... 56

4.2.1 Die Druckproduktion der Offizin Leeu in Gouda und Antwerpen und die Einführung des Titelblatts ............................................ 56

4.2.2 Bucheingang und illustriertes Titelblatt bei Gerard Leeu.......................................... 59

4.2.3 Titelblatt, Illustration, Buchtyp und Werk: die illustrierten Titelblätter der Offizin Leeu (1484–1493) ........................ 61

4.2.3.1 Andachts- und Erbauungstexte ................. 61 4.2.3.2 Unterhaltungsliteratur, Ratgeber und

zeithistorische Texte .................................. 65 4.2.3.3 Titelillustration und Titelgestaltung .......... 67 4.3 Das illustrierte Titelblatt bis 1490 in

Haarlem, Delft und Zwolle ....................... 68 4.3.1 Jacob Bellaert in Haarlem ......................... 68 4.3.2 Jacob Jacobszoon van der Meer und

Christiaen Snellaert in Delft ...................... 69 4.3.3 Peter van Os in Zwolle .............................. 71 5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den

Niederlanden ............................................. 73 5.1 Gerard Leeu in Antwerpen ........................ 73 5.2 Govaert van Ghemen und Gotfrid

van Os in Gouda ........................................ 76 5.3 Richard Paffraet in Deventer ..................... 78 5.4 Jacob Jacobszoon van der Meer und

Christiaen Snellaert in Delft ...................... 81 5.5 Peter van Os in Zwolle .............................. 81 5.6 Lehrbuch und illustriertes Titelblatt in den

Niederlanden ............................................. 81

5.5 Die Entstehung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden als typographisches Dispositiv ........................ 82

6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig ............................................... 84

6.1 Die Anfänge des illustrierten Titelblatts in Nürnberg bei Hans Folz ......................... 84

6.2 Die deutschen Titelblätter mit Titelholzschnitten bis 1490 im Überblick . 88

6.3 Heiligenlegenden im Einzeldruck um und nach 1500 ............................................ 88

6.4 Die venezianischen Titelblätter mit Titel-holzschnitten bis 1495 im Überblick ......... 90

7 Das Titelblatt mit einem Signet ................. 91 7.1 Signet und Firmierung ............................... 91 7.2 Deutschland ............................................... 92 7.3 Niederlande ................................................ 92 7.4 Venedig ...................................................... 93 7.5 Ausblick und Exkurs: Der Gebrauch des

Signets bei Aldus Manutius und Johannes Froben ........................................................ 94

8 Resümee ..................................................... 95 Anhang ................................................................... 98 1 Abbildungsverzeichnis .............................. 98 2 Zitierweise und Quellennachweise ............ 99 3 Abkürzungsverzeichnis .............................. 99 3.1 Bibliotheken und Archive .......................... 99 3.2 Abgekürzt zitierte Literatur ....................... 99 3.2.1 Zeitschriften ............................................... 99 3.2.2 Bibliographien und Nachschlagewerke ... 100 4 Verzeichnis der Forschungsliteratur ........ 101

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Vorbemerkung 3

Vorbemerkung

In diesem und den beiden folgenden Bänden des Archiv für Geschichte des Buchwesens erscheinen die Ergebnisse eines Forschungsprojekts1 zum frühen Buchtitelblatt, das von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft von Januar 2000 bis März 2002 geför-dert worden ist. Der allgemeine Teil umfasst neben einem Forschungsbericht und einführenden Überle-gungen zum frühen Buchtitelblatt eine quantitative und qualitative Vergleichsanalyse der Entstehung und Entwicklung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig (Ursula Rautenberg). Es folgen fünf Fallstudien zu den Druckorten Köln (Jo-hanna Christine Gummlich-Wagner), Augsburg (Oli-ver Duntze), Nürnberg (Randall Herz), Straßburg (Ursula Rautenberg) und Basel (Oliver Duntze/Gaby Kachelrieß). Der vorliegende Band 62 bietet den grundlegenden ersten Teil und eröffnet den zweiten Teil mit der Fallstudie Köln. In Band 63 folgen die Untersuchungen für die Druckorte Augsburg und Nürnberg, in Band 64 die für Straßburg und Basel.

Für den quantitativ-statistischen Zugang, der wesent-licher Teil des Projektdesigns ist, wurden die Grund-lagen in frühen Arbeitsschritten zu Beginn des Pro-jekts gelegt. Die umfassendste elektronische Quellen-bibliographie, der ISTC als vollständigster internationa-ler Inkunabelzensus, war im Jahr 2000 nur in zweiter Auflage als CD-ROM verfügbar. Die Online-Version mit ihren laufend vorgenommenen Aktualisierungen und neuen Titelmeldungen ist erst seit Anfang 2006 zugänglich und daher nicht in die quantitative Analyse eingegangen. Auch die seit August 2003 online ge-stellten Katalogeinträge der noch nicht gedruckten Bände der Berliner Arbeitstelle des GW konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Eine nachträgliche Um-stellung nach dem Ende der Projektlaufzeit auf den jeweils aktuellen Datenstand dieser beiden wichtigen Online-Datenbanken wäre zwar wünschenswert gewe-sen, erwies sich unter arbeitsökonomischen und me-thodischen Gesichtspunkten als nicht einlösbar.2

1 Zu den Erlanger Forschungsprojekten und zum Projektde-sign siehe ausführlich Kap. 1.2 dieser Studie. 2 Eine unaufwändige Neuberechnung der Prozentwerte erwies sich als nicht praktikabel, da die Abfrageparameter, z. B. für ›preferred attributions‹ und ›not broadside‹, zwischen CD und Online-Version verändert wurden. Die Ergebnisse sind also nicht direkt miteinander vergleichbar und mit einer einfachen Rechen-operation zu aktualisieren. Zudem sind die über den CD-ISTC ermittelten Zahlen vom Erlanger Projekt punktuell durch die Tilgung von Dubletten und nicht verzeichneten Inkunabeln berei-nigt und durch die Sichtung gedruckter Quellenbibliographien ergänzt worden. Eine Stichprobe (Abfrage am 18. September 2007) hat ergeben, dass für Deutschland im online-ISTC gegen-über der CD-Version 5,6 % mehr Inkunabeln verzeichnet sind, für die Niederlande 11 % und für Venedig 1,1 %. Da es sich hier um alle Inkunabeln handelt, unabhängig davon, ob sie ein Titelblatt

Während der Laufzeit des Projekts wurden die Fall-studien des zweiten Teils, die in Händen mehrerer Projektmitarbeiter lagen, abgeschlossen, ebenso wie die Arbeit am Datenmaterial. Der grundlegende erste Teil, der in meinen Händen lag, ist in großen Teilen erst nach dem Ende des offiziellen Förderungszeit-raums erarbeitet worden. Daher ist der Stand der Lite-ratur für den allgemeinen Teil und die Fallstudien uneinheitlich. Berücksichtigt wurde für den ersten Teil die bis 2005 erschienene Forschungsliteratur, für die Fallstudien die bis Mitte 2003. In einzelnen Fällen, aber nicht systematisch, wurden nachträgliche Ergän-zungen vorgenommen. Danksagung Mein Dank gilt an erster Stelle den vielen Mitarbei-tern in Bibliotheken, ohne deren sachkundige Unter-stützung und Hilfsbereitschaft diese Publikation nicht entstanden wäre. Dank schulde ich den Projektmitar-beitern und Autoren der Fallstudien, Johanna Christi-ne Gummlich-Wagner, Gaby Kachelrieß, Oliver Dunt-ze und Randall Herz, nicht zuletzt für ihre Geduld für das verzögerte Erscheinen ihrer Beiträge, das allein zu meinen Lasten geht. Besonders hervorheben möch-te ich Oliver Duntze, Berlin, der für viele fachliche Gespräche Geduld hatte, aber auch stets kompetente Hilfe im Dickicht der Zahlen geleistet hat. Celestina Filbrandt, Erlangen, hat sich der immensen Mühe unterzogen, Titelangaben, Zitate und Quellennach-weise in einer Schlussredaktion zu prüfen. Lotte Hellinga, London, hat das Projekt wohlwollend be-gleitet, Teile des Manuskripts gelesen und mit hilf-reichen Anmerkungen versehen. Auch ihr sei an die-ser Stelle sehr herzlich gedankt.

haben oder nicht, ist es fraglich, ob sich dieser bibliographische Zuwachs signifikant auf unsere Statistik auswirken würde. Insge-samt liegen die Erlanger Daten erheblich über der Validität einer Stichprobe, da Klärungsraten von 85–90 % erreicht werden konn-ten. Am ehesten zu bedauern bei der Nennung absoluter Zahlen im niedrigen Bereich ist, dass die Werte nicht auf den aktuellen Stand gebracht werden konnten. Anzumerken ist aber auch, dass bei der gegenwärtigen raschen Entwicklung der Online-Nachschlage-werke mit ihren Möglichkeiten für flächendeckende Statistiken bei umfassenderen und längerfristig angelegten Forschungsprojekten eine ständige Aktualisierung der quantitativen Analysen arbeits-technisch schwer möglich ist.

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4 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungs-problem

1.1 Einhundertzehn Jahre Forschung zum frühen Buchtitelblatt: Von Alfred W. Pollard bis zur Gegenwart

1.1.1 Ausgangslage Ein Forschungsbericht über die inzwischen einhun-dertzehnjährige wissenschaftliche Auseinanderset-zung mit dem Titelblatt liegt bisher nicht vor; selbst neuere Publikationen wie die monographische Studie von Margaret M. Smith (2000) verzichten auf eine ausführliche Darstellung des Forschungsstandes. Der folgende, in den Grundlinien chronologisch angeleg-te Literaturbericht behebt dieses Desiderat, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Lediglich For-schungsbeiträge, die sich insgesamt oder in wichtigen Teilen mit dem frühen Titelblatt auseinandersetzen, sind hier berücksichtigt. Nicht aufgenommen wurden Untersuchungen, die sich punktuell mit der Interpre-tation einzelner Titelblätter oder spezieller Druckorte ohne Anspruch auf allgemeine Geltung beschäftigen; die Ergebnisse sind an entsprechender Stelle in den allgemeinen Teil und in die Fallstudien eingearbeitet. Der zeitliche Rahmen umfasst die Inkunabelzeit und greift verschiedentlich in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts über. Neben der einschlägigen buchhis-torischen Literatur werden typographiegeschichtliche Studien sowie die kunsthistorisch orientierte Titel-blatt-Forschung einbezogen. Auf eine breite Referie-rung kunsthistorischer Ergebnisse, insbesondere zu technischen und stilistischen Entwicklungen, zu ein-zelnen Künstlern etc. musste verzichtet werden. Eben-falls nicht oder nur ausnahmsweise hat die Literatur zur Formulierung des Werk- bzw. Sachtitels hier Eingang gefunden. Einen guten Überblick über die literatur- und sprachwissenschaftlich orientierten Ar-beiten bietet ein neuerer Lexikonartikel.3 Da die frü-he Buchgeschichte zumindest ihrem Anspruch und Untersuchungsraum nach in gesamteuropäischem Zu-sammenhang steht, ist die fremdsprachige Literatur soweit wie möglich zur Kenntnis genommen worden. Der Schwerpunkt liegt auf der deutschen, englischen und niederländischen Forschung, die französische und italienische wurde so weit wie möglich einbezo-gen.

1.1.2 Die Anfänge um und nach 1900: Von Pollard zu Haebler und Johnson Den Grundstein für die Erforschung des frühen Titel-blatts hat der englische Inkunabelforscher Alfred W. 3 Vgl. die knappe Übersicht bei Rolle: Titel.

Pollard4 mit einem monographisch erschienenen Essay Last words on the history of the title-page with notes on some colophons and twenty-seven facsimiles of title-pages 1891 gelegt. In diese rund vierzig Textsei-ten umfassende Untersuchung sind zwei kürzere, auf Vorträgen basierende Artikel von 1888 und 1889 eingegangen: daher auch die (missverständliche) Titelformulierung Last words.5 Pollards Ausführun-gen erstrecken sich von der Inkunabelzeit bis ins 17. Jahrhundert. Er definiert nicht eigens, was er unter einem Titelblatt versteht; aus seinen Ausführungen lässt sich jedoch schließen, dass er buchidentifizie-rende Angaben zu Beginn des Buchs auf einem sepa-raten Blatt oder einer separaten Seite als Titelblatt bezeichnet, aber herstellungsrelevante Angaben nicht zwingend fordert.

Die Beobachtung, dass der mittelalterlichen Hand-schrift ein Titelblatt fehlt, erklärt Pollard einerseits aus der Sparsamkeit der Mönche oder der Schreiber bei der Verwendung von Pergament oder Papier, andererseits mit ihrer Indifferenz gegenüber biblio-graphisch relevanten Paratexten:

Even when books were written instead of printed it is surprising that the title-page should never have been invented; but the monks were presuma-bly economical, and refused to devote a whole leaf of good paper or parchment to information which could be given in three or four lines. […] When books were few and costly, there was the less need for description, and a label on the upper cover an-swered all purposes even in a large library. What-ever other interests our medieval forefathers may have possessed, for bibliography they cared noth-ing.6

Nach einer Diskussion früher Kolophone und der Rolle der Rubrikatoren für die Datierung eines Dru-ckes kommt Pollard auf das Titelblatt zurück: »It is hard to understand how the first printers, who had introduced so mighty a revolution in the art of multi-plying books, hesitated for so long over so simple and so sorely needed a reform as the introduction of the title-page.«7 Pollard setzt die Erfindung des Titel-blatts nicht vor 1470 an. Zwischen 1480 und 1490 »what may be called the ›label‹ title-page creeps into existence − the shortest possible title of the book printed at the top of a blank page.«8

Damit führt Pollard den Begriff ›Label-Titel‹ (›la-bel-title‹) in die Titelblattforschung ein. Die Titelsei-te, die den Namen des Druckerverlegers, den Ort und

4 1859−1944, Bibliothekar, 1919−1924 Direktor der Ab-teilung »Printed Books« der British Museum Library, London. 5 Vgl. Pollard: Last words, Vorwort. 6 Pollard, S. 4 u. 7. 7 Pollard, S. 14. 8 Pollard, S. 15.

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1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem 5

das Jahr der Drucklegung nennt, kommt nach Pollard erst am Ende des 15. Jahrhunderts auf und hat sich allgemein um 1520 durchgesetzt. Vorbildfunktion für die ›moderne‹ Titelseite haben nach Pollard die ita-lienischen Verleger, ebenso wie für das hochwertig illustrierte Titelblatt.9 Pollards wesentlich deskriptiv angelegte Untersuchung bietet eine Fülle von Beo-bachtungen zum Titelsatz und zum Titelschmuck, allerdings beruht diese überwiegend auf englischen, französischen und italienischen Beispielen. Grundte-nor des Artikels ist Pollards Verwunderung darüber, dass eine so nützliche Erfindung wie das Titelblatt (»a simple but most useful innovation«10) erst so spät von den Druckerverlegern akzeptiert worden sei. Warum das so ist und welche Gründe es für die Ein-führung des Titelblatts als fester Bestandteil des gedruckten Buchs geben könnte, diese Fragen stellt Pollard nicht.

Eine längere Passage11 in Last words hat Pollard dem Kolophon als Mittel der Buchkennzeichnung gewidmet. 1906 erscheint seine Monographie An essay on colophons with specimens and translations. Pollard vertritt hier die These, dass die Schlussschrift in der Tradition des Schreiberkolophons weniger der Buchidentifikation diene als dem Stolz des Produzen-ten auf die geleistete Arbeit: »Colophons, in fact, are the sign and evidence of the printer’s pride in his work, and this is the main clue we have in seeking for them.«12

Aus diesem Grunde haben nach Pollard volks-sprachliche Drucke, die von den Zeitgenossen nicht hoch eingeschätzt worden seien, nur selten ein Ko-lophon, während lateinische wissenschaftliche Bü-cher im Vergleich dazu häufig eine Schlussschrift aufweisen. Auch in der Titelblattforschung nach Pol-lard werden regelmäßig Kolophon und Drucker- bzw. Verlegersignet behandelt, da es sich hier um die wichtigsten buchidentifizierenden Schlüssel neben dem Titelblatt handelt. Explizite Thesen über die Beziehung zwischen dem Titelblatt und der Schluss-schrift bietet jedoch keiner der Autoren; zu ungere-gelt ist die Verwendung des Kolophons im Inkuna-bel- und Frühdruck, um eine Korrelation − etwa nach dem Muster: ›Wenn ein Kolophon, dann kein Titel-blatt bzw. wenn ein Titelblatt, dann kein Kolophon‹ − herzustellen. So ist die Schlussschrift noch im 16. Jahrhundert häufig, als sich das Titelblatt mit herstel-lungsrelevanten Angaben bereits etabliert hat.

Zur Bedeutung der Schlussschrift für die Entste-hung und Entwicklung des Titelblatts schreibt Kon-rad Haebler:

9 Pollard, S. 15 bzw. S. 26. 10 Pollard, S. 15. 11 Pollard, S. 8–13. 12 Pollard: An essay, S. 7.

Es wäre nur eine folgerichtige Entwickelung ge-wesen, wenn sich aus der Schlußschrift der Wie-gendrucke ein Schlußtitel herausgebildet hätte. In der Tat weisen eine bescheidene Anzahl von Druck-werken der Inkunabelzeit einen solchen Schlußti-tel auf. An eine konsequente Entwicklung [!] wird man aber dabei doch wohl nicht denken dürfen.13

Abschließend fasst Severin Corsten 1995 die Diskus-sion zusammen: »Der Weg zum Titelblatt ging je-doch nicht von der Schlussschrift aus, sondern vom Incipit.«14

Pollards Arbeiten zum frühen Titelblatt und zum Kolophon haben die nachfolgenden Publikationen nachhaltig beeinflusst. So ist Last words 1971, der Essay on colophons 1968 nachgedruckt worden. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Pollard im Jahr 1908 Beobachtungen zum Titelblatt in Karo-lingischen Handschriften und italienischen Renais-sancehandschriften, denen er Einfluss auf gedruckte Titelblätter um 1500 zuschreibt, veröffentlicht: The title-pages in some Italian manuscripts.

Nur ein Jahrzehnt nach Pollard legt Theodore Low De Vinne15 A treatise on title-pages with numerous illustrations in facsimile and some observations on the early and recent printing vor, eine umfangreiche Monographie, die auf einem bibliophilen Privatdruck von 1901 (Title-pages as seen by a printer) für die Mitglieder des Grolier Club, New York, basiert und 1974 als Reprint erschienen ist. Es handelt sich um eine Geschichte des Titelsatzes und Titelschmucks von den Anfängen des Buchdrucks bis zum Ende des 19. Jahrhunderts aus der Sicht eines Typographen. Sie umfasst drei Teile. Der erste, historische Teil behandelt den Kolophon − De Vinne führt zahlreiche geometrische Formen für die Textverteilung an − und unterschiedliche Titelblatttypen, gegliedert nach dem verwendetem Titelschmuck bzw. den Hauptformen des typographischen Titels. Da De Vinne außer auf Pollard noch nicht auf einschlägige Literatur für das frühe Titelblatt zurückgreifen kann, geht er von ihm bekannten Drucken selbst aus. Mit diesem reich mit Beispielen und Illustrationen versehenen Werk hat De Vinne ein für die Geschichte der Titelblatttypo-graphie wichtiges Überblickswerk vorgelegt, in dem typographische Regeln und Gestaltungsmittel für den Titelsatz herausgearbeitet und ihre Verwendung in unterschiedlichen Epochen nachgezeichnet werden. Der zweite und dritte Teil der Studie sollen als prak-tische Anleitung für den Titelsatz dienen.

Das deutschsprachige Gegenstück zu De Vinne ist Reinhold Bammes’ Der Titelsatz, seine Entwicklung 13 Haebler: Inkunabelkunde, S. 120. − Zum Schlusstitel vgl. auch Smith: The end-title. 14 Corsten: Die Erfindung, S. 192 und Anm. 231 unter Ver-weis auf Haebler, Schottenloher, Kiessling, Geldner und Schmitt. 15 1828−1912, Typograph und Drucker in New York.

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6 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

und seine Grundsätze, zuerst 1911, 1918 in zweiter, vermehrter Auflage erschienen. Auch Bammes schreibt eine Geschichte der Titelblattgestaltung von den An-fängen bis zur Moderne, die in Regeln für den Titel-satz mündet. Seine Beobachtungen zum frühen Buch-titelblatt gehen nicht über das bereits Bekannte hin-aus. Dies gilt auch für den kurzen Aufsatz von Karl Schottenloher16 Über Titelsatz, Schrift und Satzspie-gel im alten und neuen Buch (1939).

Mit Konrad Haebler17 setzt die engere buchkund-liche Titelblattforschung nach Pollard wieder ein. Es ist Haeblers Verdienst, als erster in seinem Handbuch der Inkunabelkunde 192518 auf den Buchbeginn mit einer Leerseite oder einem Leerblatt aufmerksam ge-macht zu haben, eine Beobachtung, die in Pollards Last words fehlt, aber von großer Bedeutung ist. Haebler bemerkt, dass bereits 1464 die ersten Bei-spiele von Leerseiten zum Beginn des Buchblocks auftauchen, und »von 1470 an kommt die Gepflo-genheit allerorten in Übung, ohne jedoch konsequent durchgeführt zu werden«.19 Die Leerseite oder das Leerblatt haben nach Haebler die Funktion, den Text-beginn vor Verschmutzung zu schützen:

Sehr bald aber kamen die Drucker zu der Erkennt-nis, daß das erste Blatt eines Druckes besonderen Gefahren ausgesetzt war. Wenn die gebrochenen und zu einem Exemplar vereinigten Bogen des Druckwerks nicht alsbald mit einem festen Ein-bande versehen werden konnten − und das ist wahrscheinlich bei weitem häufiger der Fall gewe-sen, als man auf den ersten Blick anzunehmen ge-neigt ist − mussten die äußeren Blätter durch Be-schmutzung und Abnutzung erheblich beschädigt werden.20

Haebler formuliert vorsichtig und stellt noch keine explizite Verbindung zwischen dem Leerblatt und der Entstehung des Titelblatts her. Alfred Forbes Johnson tut diesen zweiten Schritt wenig später unter Berufung auf Haebler. Dieser wichtige Zusammen-hang von Leerblatt bzw. Leerseite und Titelblatt wird allerdings bis ins letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhun-derts nicht weiter verfolgt. Er wird z. B. auch von Ferdinand Geldner in seinem Handbuch Inkunabel-kunde 1978 nicht erwähnt. Immerhin resümiert Seve-rin Corsten 1995:

Schon früh hatte es sich eingebürgert, daß man zum Schutz der ersten Textseite das erste Blatt des

16 1878−1954, Bibliothekar, seit 1908 an der Bayerischen Staatsbibliothek München, ab 1929 Direktor der Katalogabteilung. 17 1857−1946, Bibliothekar, Druckforscher und Typenkund-ler; seit 1914 Direktor der Handschriftenabteilung der Königlichen Bibliothek Berlin. 18 Haebler: Inkunabelkunde, S. 115–132. 19 Haebler, S. 116. 20 Haebler, S. 116.

Bogens unbedruckt ließ. Es lag nahe, aus rein praktischen Gründen auf der Recto-Seite dieses Schutzblattes kurz und bündig den Inhalt des Bu-ches anzugeben. Dieser Brauch kam Mitte der achtziger Jahre in Straßburg auf.21

Erst Jan Willem Klein und Margaret M. Smith belegen und erhärten am Ende des 20. Jahrhunderts in sta-tistischen Untersuchungen die Bedeutung von Leer-blatt und Leerseite für die Entstehung des Titelblatts.

1927 veröffentlicht Moriz Sondheim22 einen Vor-trag Das Titelblatt in der Reihe Kleiner Druck der Gutenberg-Gesellschaft. Anlass war eine Ausstellung »Der schöne Buchtitel im Laufe der Jahrhunderte« im Frankfurter Kunstgewerbe-Museum. Neben der Aufzählung früher Titelblätter bietet die Abhandlung wenig Neues. Auffallend ist die These, aus dem Wett-bewerb der Drucker untereinander entstehe das ›schö-ne‹ (d. h. illustrierte) Titelblatt als Blickfang für den Käufer, wobei Sondheim die auf den frühen Buch-handel nur zum Teil zutreffende Vorstellung vom Vertrieb über den Platzhandel und die Auslage im Buchladen unterstellt:

Bei der Untersuchung dieser Vorläufer unseres Ti-telblattes [sc. Konrad Fyner, Esslingen 1773 und Bernhard Maler, Peter Löslein, Erhard Ratdolt, Venedig 1476] habe ich die Überzeugung gewon-nen, daß es ihren Druckern nicht darauf ankam den Titel des Buchs genau zu formulieren, sondern das Buch zu empfehlen, um seinen Vertrieb zu er-leichtern. Denn bei dem wachsenden Wettbewerb der schnell sich vermehrenden Druckereien wurde es immer schwieriger die Bücher an den Mann zu bringen. […] Das Titelblatt ist aus der Notwen-digkeit entstanden Reklame zu machen. In der Auslage des Buchführers sollte es das Buch emp-fehlen und die Käufer herbeilocken und fesseln.23

Sondheim ist der erste, der die These einer Entste-hung des Titelblatts aus den Marktbedingungen für das gedruckte Buch formuliert. Gustav Adolf Erich Bogeng wird dies 1929 in seine Überlegungen auf-nehmen und weiter ausführen. Auf Sondheim stützt sich Werner Kienitz wenig später in seiner Disserta-tion Formen literarischer Ankündigung im 15. und 16. Jahrhundert (1930), der werbende Elemente auf dem Titelblatt untersucht. Ähnlich wie Sondheim formuliert noch Horst Kunze in seiner Geschichte der Buchillustration in Deutschland 1975:

Mit dem Aufbau eines buchhändlerischen Ver- triebssystems erwies es sich jedoch als nützlich,

21 Corsten: Die Erfindung, S. 192. 22 1860−1944, Antiquar und Teilhaber (ab 1900 bis zur Enteignung 1934 durch die Nationalsozialisten) der Firma Joseph Baer & Co. in Frankfurt a. M. 23 Sondheim: Titelblatt, S. 7.

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1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem 7

die Inhalte der in den Druckerstuben oder auf Märkten feilgebotenen Bucherzeugnisse schon äu-ßerlich sichtbar zu machen: Die Werbung für das Buch hat an der Wiege des Titelblatts gestanden.24

Alfred Forbes Johnson nimmt im Vorwort zu seinem Katalog One hundred title-pages von 1928 die bisher erreichten Forschungsergebnisse auf, insbesondere beruft er sich auf Haebler:

The title-page owes its origin, according to one theory, to the fact that printers found it necessary to protect the first leaf of the text. Whereas a manuscript would be bound as soon as the callig-rapher had finished the text, most of the copies of a printed edition were delivered to a bookseller in sheets, and many might remain unbound for years. Hence arose the practice of beginning the book on the second leaf or on the back of the first leaf. The first page could then be used for the purpose of advertising the book, for the fully-developed title-page arose out of commercial need.25

Ein nur wenige Seiten umfassender Aufsatz von John-son,26 ebenfalls aus dem Jahr 1928, bietet einen knap-pen Überblick über das Titelblatt bis ins 18. Jahrhun-dert. Der Schwerpunkt liegt auf der Titelblattgestal-tung, wobei die inzwischen geläufigen Entstehungs-theorien − Schutz des Textbeginns und kommerzielle Strategien − aufgegriffen werden.27 Zum illustrierten Titelblatt des 16. Jahrhunderts liegen weiter ver-schiedene umfangreiche Abbildungsbände von John-son vor.28 1.1.3 Der Leipziger Sammelband »Das Titelblatt im Wandel der Zeit« (1929) Die erste umfassende deutschsprachige Publikation zum Titelblatt, Das Titelblatt im Wandel der Zeit, erscheint im dritten Jahrgang von Buch und Schrift. Jahrbuch des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum 1929 [1930] in Leipzig. Aus diesem Sam-melband hervorzuheben ist der Aufsatz von Gustav

24 Kunze: Geschichte der Buchillustration, 15. Jahrhundert, Bd. 1, S. 189. 25 Johnson, One hundred title-pages, S. Vf. 26 1884−1972, Bibliothekar, seit 1908 Mitarbeiter an der Abteilung »Printed Books« der British Museum Library, London. 27 Johnson: Title-pages, S. 288. 28 Neben der genannten Publikation: A catalogue of engraved and etched English title-pages; A catalogue of Italien engraved title-pages in the 16th century; German Renaissance title-borders. − Der Aufsatz von Mortimer, »Dimensions of the Renaissance title-page« (1981), beschreibt ausgewählte Titelblätter mit Renais-sance-Ornamentik; die einleitenden Passagen zur Entwicklung des Titelblatts berücksichtigen weder den damaligen Forschungsstand noch ist die Literatur zur Kenntnis genommen worden.

Adolf Erich Bogeng29 Über die Entstehung und die Fortbildungen des Titelblattes. Nach Pollards Last words und den knappen Bemerkungen Haeblers in seiner Inkunabelkunde – beide Publikationen sind grundlegend für die weitere Titelblattforschung – legt Bogeng auf nur zwanzig Seiten eine Fülle von Über-legungen vor, die bis heute Geltung beanspruchen können.30

Bogeng versteht sich, anders als Pollard und Haeb-ler, nicht als Inkunabel- und Druckforscher, der sich auf Typographie und Druckprozess konzentriert. Be-zeichnenderweise greift er an keiner Stelle explizit auf die vorhergehende Forschung zurück. Der Aufsatz des Privatgelehrten enthält zudem keine Anmerkungen. Bogeng schlägt den Weg des Bibliographen ein, der das Buch als Teil des frühmodernen Kommunikations-systems begreift. Seine Studie ist im Ansatz medien-geschichtlich ausgerichtet. Das Titelblatt sei von Be-deutung, weil es Metadaten des Buchs an heraus- gehobener Stelle vereine. Die ökonomischen und tech-nischen Voraussetzungen der mechanischen Buchpro-duktion, nicht zuletzt aber die Entstehung eines lite-rarischen Bewusstseins bei den Autoren führen nach Bogeng zum Entstehen des Titelblatts. Aus literaturso-ziologischer Sicht legt Bogeng fruchtbare Ansätze einer systematischen Reflexion über das Titelblatt vor, die leider in der weiteren Titelblattforschung gegen-über der druckanalytischen Sicht auf das Titelblatt ohne Nachfolge bleiben.31

Bogeng beginnt mit der Feststellung, dass Einrich-tung und Aussehen des Buchs zunächst dem mittelal-terlichen Vorbild folgen. Erst nach und nach hätten sich die spezifischen Eigenschaften des gedruckten Buchs entwickelt, wobei das Titelblatt gegen Ende dieses Prozesses der sichtbarste Bruch mit der mittel-alterlichen Buchtradition sei:

Allmählich nur begann es aus den Bedürfnissen ei-nes Massen- und Schnell-Vervielfältigungs-Ver-fahrens, zumal aus denen einer exakten Rational-technik der Typographie und denen einer öffentli-chen literarischen Produktion, die eigenen Eigen-schaften eines Buchdruckwerkes mit den Fortbil-dungen zur Verselbständigung des neuen Verviel-fältigungs-Verfahrens anzunehmen, deren Abschluß

29 1881−1960, Privatgelehrter und Bibliophile; Hauptwerk »Die großen Bibliophilen« 1922. 30 Eine Zusammenfassung mit kulturkritisch-pessimistischem Unterton, die nicht das Niveau des ursprünglichen Aufsatzes er-reicht, hat Bogeng 1940 in der Zeitschrift »Der Türmer« veröffent-licht. 31 So auch Rothe: Das Titelblatt als System, S. 27: »Im übri-gen wurde der systematische Ansatz gegenüber dem historischen bisher vernachlässigt. Eine gewisse Ausnahme bildet allerdings G. A. E. Bogeng (1929).«

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8 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

in manchen Beziehungen durch die Ausbildung des Titelblattes gekennzeichnet wird.32

Für Bogeng gipfelt die Entwicklung von der »kollek-tiv-statischen« Einzelhandschrift zum »neuzeitlich-individualistischen« Auflagendruck in der Original-edition. Das Titelblatt habe zwar die Aufgabe, jedes Exemplar einer Auflage mit dem anderen zu verbin-den − die Kennzeichnung des Buchs über seine auf dem Titel versammelten Metadaten ermöglicht das vom Exemplar unabhängige Zitierwesen −, sei aber darüber hinaus Ausdruck des Bedürfnisses nach dem »richtigen Text«. Dieser werde durch den Kastigator bzw. Korrektor, den Verleger und, nicht zuletzt, den Autor garantiert:

Die Bedeutung des modernen Titelblattes gründete sich von drei Richtungen her, welche am Anfange des 16. Jahrhunderts in einer neuartigen Begriffs-bildung, der der Originaledition, zusammentrafen. Die Autorität ihres Titels und mit ihr die ihres Ti-telblattes beruhte auf der vom Verfasser anerkann-ten und dem Verleger berechtigten Ausgabe, die dazu dem Verleger amtlich erlaubt und auch ge-schützt war. In diesen drei Beziehungen dokumen-tierte fortan das Titelblatt das Buchdruckwerk. […] Die im Begriff der Originaledition sich von überallher verdichtenden literarischen und mer-kantilen Interessen verliehen so im 16. Jahrhun-dert dem Titelblatt Inhaltswerte, die sich in der Behauptung eines ausschließlichen Rechtes auf den Originaltitel zusammenfaßten.33

Von diesem zentralen Punkt her seien die auf dem Titelblatt gespeicherten Informationen und die Be-deutung des Titelblatts für den Buchhandel im wei-testen Sinne zu verstehen. Dem Bewusstsein von der persönlichen Leistung des Urhebers, die sich in ei-nem ›originalen‹ Text manifestiere, stehe der Verle-ger gegenüber, der die Verbreitung dieser eigenstän-digen geistigen Leistung ohne Verfälschung in der Auflage gewährleistet. An diese wende sich die Pres-segesetzgebung, indem sie eine Nennung an expo-nierter Stelle im Druckwerk fordere. Von der Origi-nalausgabe verspreche man sich einen ökonomischen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Verlegern (und hieraus resultiere die Abwertung des Nachdrucks), der – nach Bogeng – fortan rechtlich geschützt wer-de. All dies werde sichtbar auf dem Titelblatt: mit der individuellen Werkbezeichnung in der Titelformulie-rung, dem Auftreten des Autors, Bearbeiters oder Herausgebers und nicht zuletzt der Untergruppe, die − im Gegensatz zum Kolophon − nicht den Drucker (oder Schreiber) nennt, sondern den Verleger: »Da-mit hatte sich auch das Buch von einer graphischen

32 Bogeng: Entstehung und Fortbildungen des Titelblatts, S. 74. 33 Bogeng, S. 79f. u. 83.

Reproduktion zu einer literarischen Repräsentation individualisiert, der Band, der ein Schriftwerk ver-körperte, vertrat dessen Urheber selbst beim Leser.«34

Alles Weitere, die Entstehung des Titelbogens mit umfangreichen Äußerungen aller beteiligten Urheber, die gegenüber dem Werksatz freiere und ornamentale Titelblattgestaltung, die Formulierung eines den Werkinhalt umfassenden knappen Werktitels, entste-he aus dieser neuen Positionierung des Buchs als Überlieferungsträger.

Seine dichten Thesen hat Bogeng nur ausnahms-weise an Beispielen belegt. Es bleibt die Aufgabe, die seit Bogeng in der Titelblattforschung erzielten Ergebnisse mit seinen Überlegungen abzugleichen. Kritisch ist zu fragen, ob Bogeng nicht eine an mo-dernen Vorstellungen geschulte Auffassung des ma-teriellen und geistigen Urhebers zu bruchlos auf die frühe Neuzeit überträgt. In der neueren Titelblattfor-schung schließt noch am ehesten Eleanor F. Shevlin − allerdings ohne auf Bogengs Aufsatz Bezug zu nehmen − an diese Überlegungen an. In dem 1999 erschienenen Aufsatz, ›To Reconcile Book and Title, and Make ’em Kin to One Another‹. The Evaluation of the Title’s Contractual Functions, untersucht sie am Beispiel englischer Titelformulierungen des 16. bis 18. Jahrhunderts deren kommerzielle und rechtli-che Bedeutung.35

Neben Bogengs Aufsatz enthält der Leipziger Sammelband eine umfassende und reich illustrierte Abhandlung von Gerhard Kiessling: Die Anfänge des Titelblattes in der Blütezeit des deutschen Holz-schnitts (1470−1530). Kiessling widmet sich dem Randornament, wobei er eine starke Kontinuität von der illustrierten ersten Seite der mittelalterlichen Handschrift zur Holzschnittbordüre im gedruckten Buch konstatiert; dies gilt nach Kiessling auch für den Initialschmuck. Der Zusammenhang zwischen der Gestaltung der ersten Textseite und dem Titel-blatt wird hier erstmals ins Zentrum gestellt. Die ersten Holzschnittbordüren erscheinen in Augsburg, als Günter Zainer in 1472 Holzschnittranken des Meisters des Ulmer Boccaccio für die Bucheinleitung verwendet.36 Kiessling nimmt leider keine Unter-scheidung zwischen der Bordüre als Schmuck der Textseite und auf der Titelseite vor, so dass seine Ausführungen im Hinblick auf das Titelblatt wenig ergiebig sind. Nach Kiessling entwickelt sich in der Folge aus der Umrahmung des Textblocks mit vier einzelnen Leisten der geschlossene Titelrahmen, der durch Hans Baldung Grien zum Architekturrahmen

34 Bogeng, S. 81. 35 Leider wird die französische und deutschsprachige Literatur ausgeblendet; Shevlin verweist zwar in einer Fußnote auf die um-fangreichen Monographien von Hoeck und Rothe, »but neither has yet been translated into English«; Shevlin: To Reconcile, S. 70. 36 Kiessling: Die Anfänge, S. 12.

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1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem 9

fortentwickelt wird. Diese Verschmelzung von Schrift- und Bildfeld könne auch erreicht werden, indem die sprachlichen Elemente in den Titelholzschnitt integ-riert werden. Im Einleitungsholzschnitt, der aller-dings an den Beginn des Textes gebunden bleibt, wenn diesem ein Register vorgeschaltet ist, sieht Kiessling ebenso wie in der ornamentalen Bordüre und im Titelholzschnitt künstlerische Mittel, die die Entstehung der Titelseite begünstigen.37 Denn das Problem der frühen Drucker sei es gewesen, die (noch) sehr sparsamen Informationen zur Buchkenn-zeichnung auf der weißen Fläche anzuordnen. Als ästhetisch gelungene Lösung verweist Kiessling auf den Holzschnitttitel, worunter er die in einen Holz-block geschnittene Titelformulierung versteht. Dieser ist nicht selten von bedeutenden Künstlern entworfen worden, so z. B. von Albrecht Dürer, und dem Typen-satz durch seine individuelle Gestaltung der Schrift überlegen, vor allem aber durch die im Typenguss schwer oder gar nicht zu erzielenden großen Schrift-grade und die Verbindung der Buchstaben unterein-ander. Der Titelsatz mit gegossenen Typen dagegen werde bis um 1530 häufig als geschlossener Titelsatz in geometrischen Formen ausgeführt.38

An Kiesslings Untersuchung schließt sich thema-tisch und chronologisch eine Abhandlung von Erich von Rath Zur Entwicklung de Kupferstichtitels an. Mit dem Versiegen der im Holzschnitt ausgeführten Titel-rahmung gehe die Portalarchitektur, stilistisch beein-flusst von italienischer Renaissance-Ornamentik, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts an den Kupfer-stichtitel über. Ebenfalls im Jahrbuch Buch und Schrift hatte Karl Schottenloher im Jahr zuvor die Sonderform des Holzschnitttitels behandelt. In einem kurzen Auf-satz wird Der Holzschnitt-Titel im Buch der Früh-druckzeit, an Beispielen vollständiger xylographischer Titelseiten mit Illustrationen behandelt.

Die Fülle der nach Johnson und dem Leipziger Sammelband publizierten Untersuchungen zum illust-rierten Titelblatt, in denen zumeist das kunsthistori-sche Interesse dominiert, kann hier nicht berücksich-tigt werden. Eine kurze Übersicht zum illustrierten Titelblatt in Deutschland gibt Horst Kunze 1993.39 Erwähnt sei hier lediglich ein wenige Seiten umfas-sender Aufsatz von Hans Heinrich Bockwitz Warum

37 Zur Diskussion um den Einleitungsholzschnitt in seiner Bedeutung für das Titelblatt s. die Fallstudie Augsburg im folgen-den Band. 38 Bereits De Vinne: The practise, behandelt den Figurensatz ausführlich bei der Schlussschrift. 39 Kunze: Geschichte der Buchillustration, 16. und 17. Jahr-hundert, Bd. 1, S. 142–156; »Den müßigen Streit, wer das Titelblatt ›erfunden‹ […], überlassen wir buchhistorischen Quizfreunden und steuern sogleich die Titeleientwicklung im 16. und 17. Jahrhundert an, nachdem wir uns seiner Herausbildung im 15. Jahrhundert er-innert haben. Die Werbefunktion unter betriebswirtschaftlichen Ge-sichtspunkten ist uns bereits geläufig […]« (S. 142).

hat die Inkunabel kein Titelblatt? im Archiv für Kunst-gewerbe und Gebrauchsgrafik von 1941, der aller-dings keine neuen Erkenntnisse enthält. Seine Aus-gangsfrage nach der Entstehung des Titelblatts be-antwortet Bockwitz:

[…] es war eben schwierig, ohne Vorbild zu arbei-ten und selbst etwas ganz Neues zu erfinden; denn die typographische Gestaltung eines Titelblattes war damals, wie noch heute, keine leichte Aufga-be. Dennoch schwebte den Frühdruckern deutlich vor, daß ein Buch sozusagen einer Visitenkarte bedürfe, um den Blick des Interessenten auf sich zu ziehen, war doch der tiefere Grund, aus wel-chem heraus das Titelblatt schließlich zustande kam, der einer Werbung für das Buch.40

1.1.4 Die Titelblattforschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: länderspezifische Fokussierung und das Titelblatt volks-sprachlicher Drucke Handbücher spiegeln in der Regel den aktuellen For-schungsstand auf einem bestimmten Arbeitsgebiet wider. Ferdinand Geldners Inkunabelkunde aus dem Jahr 1978 enthält ein Kapitel Titel und Titelblätter, das diesen Anspruch allerdings nicht erfüllt.41 Geldners reicher Erfahrungsschatz äußert sich in langwierigen Aufzählungen, so z. B. von Titelblättern auf Bibelaus-gaben oder zu Titelblättern einzelner Druckregionen. Insgesamt bietet Geldner wenig mehr als eine positi-vistische Faktensammlung. Leider scheint es auch Geldner zu sein, der die irreführende Bezeichnung »Schmutztitel«42 für den Label-Titel einführt.

1969 erscheint die zweibändige Untersuchung von Francesco Barberi43 Il frontespizio nel libro italiano del Quattocento e del Cinquecento, die das italieni-sche Buchtitelblatt im 15. und 16. Jahrhundert um-fassend abhandelt. Damit wird erstmals eine länder-spezifische Entwicklungsgeschichte des frühen Buch-titelblatts vorgelegt. Der erste Band enthält Kapitel zum Handschriften-Titelblatt, zum Inkunabel-Titel-blatt und zum Titelblatt im Buch des 16. Jahrhunderts in Italien. Er wird ergänzt durch einen Tafelband mit 135 ganzseitigen Abbildungen. Barberi bietet anhand einer Fülle von einzelnen Beobachtungen einen pro-funden Überblick über die Formen und die Entwick-lung des italienischen Titelblatts. Einen Schwerpunkt setzt Barberi auf den Titelschmuck und die Titel-illustration. Das besondere Verdienst dieses leider 40 Bockwitz: Warum hat die Inkunabel, S. 300 u. 304. 41 Geldner: Inkunabelkunde, S. 107–112. 42 Geldner, S. 108. 43 1905–1988, Bibliothekar, u. a. 1944–1952 Direktor der Biblioteca Angelica di Roma; Dozent für Bibliothekswissenschaft an der Università di Roma.

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international zu wenig beachteten Standardwerks liegt jedoch für die Titelblattforschung vor allem in der systematischen Analyse der Beziehung von Buch-eröffnung und Titelblatt, des typographischen Titel-blatts, der Formulierung seiner Bestandteile und ihrer Gestaltung sowie des illustrierten Titelblatts. Barberi geht nicht über eine beschreibende Bestandsaufnah-me des Materials hinaus und verzichtet auf Funkti-onsbestimmungen früher italienischer Titelblätter für die Buchidentifizierung und den Buchhandel, zudem nimmt er keine drucker- oder druckortbezogene In-terpretationen vor. Eine buchökonomische oder pro-duzenten- und produktionsorientierte Perspektive fehlt gänzlich. Dennoch stellt Barberi wertvolles Ver-gleichsmaterial zur Verfügung. – Hingewiesen sei noch auf einen weiteren Aufsatz des Verfassers zur Titeleinfassung im 16. Jahrhundert: Derivazioni di frontespizi (1969).

Im Rahmen eines Ausstellungskataloges der Nati-onalbibliothek Rom erscheint 1989 ein Aufsatz von Paolo Veneziani Il frontespizio come etichetta del prodotto zum italienischen Titelblatt bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, der die Funktion von Drucker- und Verlegermarken betont. Im Anschluss an Barberi hat Lorenzo Baldacchini 2004 eine knappe, mono-graphisch erschienene Übersicht Aspettando il fron-tespizio. Pagine bianche, occhietti e colophon nel libro antico publiziert. Baldacchini behandelt in ein-zelnen Kapiteln u. a. das Verhältnis von Titel und Incipit, Leerblatt bzw. Leerseite, das illustrierte Ti-telblatt und die Schlussschrift auf der Grundlage einer statistischen Auswertung des ISTC, ergänzt neuere Sekundärliteratur. Der Schwerpunkt der Ab-handlung liegt auf Italien.

Rudolf Hirsch hat sich in zwei jeweils nur wenige Seiten umfassenden Artikeln (beide erschienen 1978) zum Inkunabeltitelblatt geäußert. In Title pages in French incunables, 1486−1500 nennt Hirsch die Zahl von 1500 Titelblättern für die Inkunabelzeit, die neben dem Autor und/oder dem Titel Drucker, Ver-leger oder Buchhändler auf dem Titelblatt nennen, manchmal auch Erscheinungsdatum und -ort. Rund 70 % davon wurden in Paris, Lyon, Poitiers und Rouen gedruckt. Die statistische Analyse beruht auf der Durchsicht der einschlägigen Inkunabelbiblio-graphien. Hirsch gibt darüber hinaus Übersichten über die größten Titelblattproduzenten in Frankreich (angeführt mit großem Abstand vom Pariser Verleger Jean Petit) sowie Werkausgaben mit Titelblättern in fünf oder mehr Ausgaben. Da bis heute keine weitere statistische Analyse zum französischen Inkunabelti-telblatt vorliegt, muss auf Hirschs Zahlenangeben − trotz wenig zuverlässiger Methodik − zurückgegrif-fen werden.

Der nur wenig später entstandene Vortrag The ear-liest development of title pages. 1470–1479 (1977)

für den Philobiblon-Club, Philadelphia, wiederholt diese Zahlen, spezifiziert aber den Anteil von Titel-blättern für die Inkunabelzeit auf 5−6 % der Gesamt-produktion. Hirsch geht von einer Definition des Titelblatts aus, die herstellungsrelevante Metadaten als notwendig erachtet (»true title page«).44 Die er-schienene Literatur zum Inkunabeltitelblatt berück-sichtigt er nicht. Hirsch hat das Verdienst, als erster auf die frühen Titelblätter des Nürnberger Autors und Druckers Hans Folz hinzuweisen: »Quite unexpec-tedly the first person who made full use of title pages was a barber-physician, poet and printer, a native of Worms named Hans Folz«.45

Ein knapper, aber informativer Überblick zur Entwicklung des französischen Inkunabeltitelblatts findet sich im ersten Band der Histoire de l’edition française 1982.46 Alfred Labarre gliedert den zeitli-chen Verlauf in die Stufen Leerblatt oder Leerseite, Label-Titel (»libellé«) und dessen Erweiterung mit einem Holzschnitt oder einer Druckermarke sowie dem Impressum. Im Gegensatz zu Hirsch und dessen Beschränkung auf vollständige Titelblätter verweist Labarre darauf, dass die frühesten französischen Titelblätter um 1484/85 in kleinen Provinzdruckerei-en (u. a. Chambéry, Vienne, Bréhan-Loudéac, Ren-nes) erschienen sind. Es handelt sich um die schlich-ten typographischen Titelblätter mit einer knappen Werkkennzeichnung. Die erste Druckermarke auf dem Titelblatt stammt von 1483 (Paris, Guy Marchant), 1488/89 findet man die erste Herkunftsangabe (Paris, Jean Dupré). Im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhun-derts werden Impressumsangaben häufiger, die Ge-wohnheit, diese an den Fuß der Seite zu setzen, etab-liert sich um die Mitte des Jahrzehnts.

Seit den 1970er Jahren sind mehrere Beiträge zum frühen Buchtitelblatt volkssprachlicher Drucke der Unterhaltungs- und Erbauungsliteratur erschienen. Den Beginn macht Anneliese Schmitt, langjährige Mitarbeiterin an der Berliner Arbeitsstelle des Ge-samtkatalogs der Wiegendrucke, mit einem 1974 ab-geschlossenen, aber erst 1983 erschienenen Aufsatz Zur Entwicklung von Titelblatt und Titel in der Inku-nabelzeit. Hinter der weiten Titelformulierung steht eine Untersuchung der in Augsburg gedruckten − von Schmitt als ›Volksbücher‹ bezeichneten − Prosaro-mane und populärer Gebrauchsliteratur. Nach Schmitt beginnt mit Johann Schönsperger d. Ä. »eine neue Etappe im Gebrauch des Titelblattes für volkstümli-che Literatur«.47 Trotz detaillierter Beschreibungen der Titelblattproduktion von Johann Bämler, Anton Sorg und Schönsperger ist diese an einem schmalen

44 Hirsch: The earliest development, S. XVII/5. 45 Hirsch, S. XVII/7. 46 Alfred Labarre: Les incunables: la présentation du livre. In: Histoire, S. 228–255. 47 Schmitt: Zur Entwicklung von Titelblatt, S. 28.

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Corpus gewonnene Verallgemeinerung nicht haltbar. Dem steht die späte Einführung des Titelblatts in Augsburg generell bei einer niedrigeren Titelblattzahl in Druckorten wie z. B. Köln, Straßburg und Nürn-berg gegenüber. Zudem hat Augsburg den Sonderfall einer Bucheröffnung durch den Einleitungsholzschnitt aufzuweisen, der die Einführung des typographischen Titelblatts verzögert.48

Hans-Joachim Koppitz behandelt in einer Mono-graphie Studien zur Tradierung der weltlichen mit-telhochdeutschen Epik im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert von 1980 auch das Titelblatt der deut-schen Frühdrucke, beschränkt sich aber auf die For-mulierungen des Werktitels auf dem Titelblatt oder im Incipit und die darin vorkommenden Epitheta:

Wenn nur von dem Nutzen der Lektüre die Rede ist, dann ist das Buch mit einer gewissen Wahr-scheinlichkeit zu Beginn der 70er Jahre erschie-nen; wenn außerdem gesagt wird, das Buch sei sehr schön, hübsch und (oder) lieblich zu lesen, dann stammt es offenbar aus der zweiten Hälfte der 70er Jahre; und wenn daneben noch oder hauptsächlich Kurzweil bei der Lektüre verspro-chen wird, dann ist es kaum vor den 80er Jahren gedruckt worden.49

Von diesen − allerdings textsortenspezifischen und damit nur eingeschränkt verallgemeinerbaren Beo-bachtungen − schließt Koppitz auf die Ausbildung des Titelblatts durch die wachsende Konkurrenz auf dem Büchermarkt, die die Anpreisung nötig mache.50

Ähnlich argumentiert Yves G. Vermeulen in zwei Aufsätzen zum niederländischen volkssprachlichen Titelblatt. Das erste Titelblatt ist − nach seinem 1982/83 erschienenen Aufsatz zur Textpräsentation niederländischer Unterhaltungs- und Erbauungslitera-tur − um 1483 bei Jacob Bellaert erschienen. Bereits 1487 werde das Titelblatt mit einem Schlagworttitel Allgemeingut. Um 1500 preisen lange Titelformulie-rungen das Werk und den Druck an.51 Die werbenden Titelblätter untersucht Vermeulen genauer 1984: Reclame op de vroegste Nederlandstalige titelpagi-na’s. In der 1986 erschienenen Dissertation des Au-tors ›Tot profijt en genoegen‹. Motiveeringen voor de produktie van Nederlandstalige gedrukte teksten 1477−1540 werden diese Vorstudien vertieft. Ver-meulen analysiert die gesamte niederländische volks-sprachliche Druckproduktion nach Erstdrucken (242 Erstdrucke bis Ende 1500; 666 Erstdrucke bis Ende 1540) auf paratextuelle Elemente (»presentatiekenn-merken«: u. a. Titelblatt, Prolog, Incipittitel, Epilog und Kolophon). Sein Zugang ist überwiegend statis-

48 Siehe Fallstudie Augsburg im folgenden Band. 49 Koppitz: Studien zur Tradierung, S. 195. 50 Koppitz, S. 192. 51 Vermeulen: Een schoon historie, S. 255.

tisch. 525 Ausgaben haben danach ein Titelblatt, 304 einen Prolog und 556 eine Schlussschrift.52 Eine statistische Analyse über die Verwendung von Titel-blättern im zeitlichen Verlauf erfolgt nicht, ebenso wenig eine detaillierte inhaltliche Analyse. Das Hauptaugenmerk der Studie liegt auf anpreisenden, d. h. für Buch und Text werbenden Bemerkungen in den genannten Paratexten. Während in handschriftli-chen Fassungen leserlenkende Elemente kaum vor-kommen, nehmen diese in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, besonders in religiösen Texten zu, die nicht mehr zum Vorlesen, sondern zum Selbststudi-um dienen:

In de vijftiende eeuw, met name in de tweede helft ervan, worden dan steeds meer tractaten, bedoeld om zelf te lezen, voorzien van (voornamelijk reli-gieuze) aanprijzingen. Teksten die niet meer voor-gedragen worden, moeten op een andere manier appelleren aan het publiek dan voorheen. Daarom krijgen de teksten steeds meer een soort van titel of opschrift en verschijnen er steeds meer aanprij-zingen. De producenten van het gedrukte boek brengen deze ontwikkeling in een stroomversnel-ling en vestigen voorgoed zowel titel als aanprij-zing als vast onderdeel bij de presentatie van het gedrukte boek.53

Vermeulens Publikation hat das Verdienst, bereits zu einem frühen Zeitpunkt systematisch und mit statisti-schen Methoden den Zusammenhang von werbenden und leserlenkenden Bemerkungen zu untersuchen und auf den Warencharakter des Buchs zu beziehen. Zudem sieht er einen Zusammenhang zwischen an-preisenden Formulierungen und Buchtypen. Er stellt die These auf, dass der mittelalterliche Buchkäufer bereits anhand des Titelblatts und des Prologs fest-stellen konnte, welche Art von Buch er vor sich hat-te: »Dat was althans de bedoeling van de producent bij het uitbrengen van zijn teksten en dat was war de consument verwachtte bij het kopen en lezen.«54 Dies belegt er durch ausführliche Analysen der häufig vorkommenden Wörter in ihrem Verwendungskon-text und im Rückgriff auf rhetorische Traditionen der Artes-Literatur, so z. B. »gheneochlijc«, »trooste-lijc«, »nieu«, »cort« und »waerachtich«.

Peter M. H. Cuijpers untersucht in seiner umfang-reichen Monographie Teksten als koopwaar: vroege drukkers verkennen de markt. Een kwantitatieve ana-lyse van de productie van de Nederlandstalige boeken (tot circa 1550) en de ›lezershulp‹ in de seculiere prozateksten (1998) u. a. ebenfalls Präsentationsfor-men und werbende Elemente in der niederländischen volkssprachlichen Druckproduktion. Ein kurzes Kapi- 52 Vermeulen: Tot profijt, S. 35. 53 Vermeulen, S. 65. 54 Vermeulen, S. 194.

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12 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

tel zum Titelblatt resümiert die Ergebnisse anhand einer Stichprobe von knapp sechzig Ausgaben (Aben-teuerromane und didaktische Literatur). Danach haben nach 1485 alle Ausgaben dieser Textsorten ein Titel-blatt mit einem Titelholzschnitt.55 Beiläufig nennt Cuijpers zwei Gründe für die Entstehung des Titel-blatts. Während es sich bei den mittelalterlichen Hand-schriften oft um Sammelhandschriften handele, die nicht insgesamt auf einem Titel angekündigt werden könnten, bevorzuge der Buchdruck die Vereinzelung von Texten, für die sich ein eigenes Titelblatt lohne. Zudem müssten gedruckte Bücher nach ihrer Herstel-lung verkauft werden, wobei ein werbendes Titelblatt helfen könne.56 Zusammenfassend kommt Cuijpers, Vermeulen relativierend, zu dem Ergebnis, dass die frühen Druckerverleger, die er meist als Kleinunter-nehmer sieht, recht wenig getan hätten, um neue, la- teinunkundige Leserschichten an sich zu binden. Aus-nahmen seien das Titelblatt und die Einführung des Oktavformats nach 1490 für religiöse Literatur.57

Das Titelblatt im niederländischen Inkunabeldruck untersucht Jan Willem Klein 1999. Nach einer Statis-tik, die auf der Auswertung von Campbells Annales beruht, haben zwischen 1470 und 1485 fast 60 % aller niederländischen Inkunabeln ein Leerblatt, wäh-rend 38 % mit dem Text auf der ersten Seite begin-nen; nur etwa 3 % der Drucke zeigen ein Titelblatt. Um 1483 geht der Gebrauch der leeren Seite rapide zurück und das Titelblatt setzt sich nach 1481 auf Kosten der Leerseite schnell durch.58 Als Begrün-dung für die Entstehung beruft sich Klein auf die spätestens seit Haebler 1925 in Umlauf gebrachte Theorie der Schutzfunktion.

Diese These führt Klein in einem 2002 erschienen Aufsatz The Leeu(w) van Gouda: new facts, new possibilities weiter aus. Gegenüber dem Handschrif-tenhandel mit der Produktion auf Bestellung und der direkten Aushändigung an den Auftraggeber bzw. dem antiquarischen Buchhandel mit gebrauchten, dann bereits gebundenen Büchern, hätten gedruckte Exemplare in ungebundenem Zustand den Transport vor sich. Die Drucker planen nach Klein die Leersei-te zum Schutz für den Transport. Allerdings lässt sich einwenden, dass das ›Schmutzblatt‹ nur dann Sinn macht, wenn die Exemplare bereits als fertige Buch-blocks verpackt werden. Klein setzt dagegen, dass die Falzung der Bogen und das Zusammentragen in der richtigen Reihenfolge bereits in der Offizin des Druckers erfolgt sei. Weiter geht er auf die Praxis des Büchertransports in Fässern ein. Da nur einmal gefal-tete und lose zusammengelegte Bogen oder Lagen diese Transportart − der Inhalt wurde beim Rollen

55 Vgl. Cuijpers: Teksten als koopwaar, S. 214. 56 Cuijpers, S. 214. 57 Cuijpers, S. 246. 58 Klein: Boekgeschiedenis, S. 101, 103.

der Fässer durchgeschüttelt − nicht ohne Schäden und unbeabsichtige Knicke überstanden hätte, seien die Exemplare als Buchblocks in einzelne Päckchen gepackt und diese Päckchen dicht an dicht in das Bücherfass gestapelt worden.59 Da nun die Incipit-Formulierung nicht mehr auf den ersten Blick außen zu sehen gewesen sein, werde der Label-Titel auf die Leerseite gedruckt. Es ist hier nicht der Ort, Vermu-tungen über die frühneuzeitliche Verpackungspraxis anzustellen. Wenn aber Kleins These über die Grün-de für die Entstehung des Titelblatts zutrifft, hätte dies ein zeitliches Auseinanderfallen der eigentlich buchbinderischen Arbeit zur Folge. Das Falzen der Bogen in der endgültigen Form und das Zusammen-tragen zum Buchblock hätte dann eine mit diesen Arbeiten vertraute Person bereits noch in der Dru-ckerwerkstatt ausführen müssen, der vom Käufer beauftragte Buchbinder, sei nur noch für die Ein-banddecke und das Einhängen zuständig gewesen sei. Kleins Vermutungen kommen nicht über den Status einer Hypothese hinaus. Völlig außen vor bleibt die Frage, wie dies mit der Praxis des Buchbinderhand-werks und den strengen mittelalterlichen Zunftvorga-ben in Einklang zu bringen ist.

Bereits Severin Corsten hatte 1965 in einem Auf-satz über Ulrich Zells deutschsprachige Drucke auf dessen Titelblätter der Passiendrucke in Köln hinge-wiesen, die Holzschnitte mit einer weiblichen Heili-genfigur zeigen. Der Holzstock ist für unterschiedli-che Legendendrucke verwendbar, da das passende Attribut der Heiligen jeweils in die ausgesägte untere Ecke des Grundstocks eingesetzt werden kann.60 1996 hat Ursula Rautenberg in Überlieferung und Druck. Heiligenlegenden aus Kölner Offizinen die Titelblätter aller Kölner Passiendrucke vom Ende des 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dem charakteristischen Heiligenbild untersucht. Nicht nur die Rationalisierung des Illustrationsverfahrens in der beschriebenen Weise ist bei vier Kölner Druckern zu beobachten, sondern ein gezielter Einsatz des standardisierten Titelblatts und der Titelillustration zur Kennzeichnung einer Textsorte bzw. von Werk-gruppen; diese Drucke lassen sich über Hinweise in den Texten selbst wie auch über Provenienzanalysen als Literatur für Köln-Pilger verorten. Zudem besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Titelholz-schnitt und dem sog. kleinen Andachtsbild.61

Ursula Rautenberg untersucht 1999 in einer auf Methoden der analytischen Druckforschung basie-renden Studie Das Werk als Ware die Druckproduk-tion des Nürnberger Autors und Kleindruckers Hans Folz; bereits Hirsch hatte 1977 passim Folz als frü-hen Titelblattdrucker erwähnt. Folz ist der erste Dru- 59 Klein: The Leeu(w) van Gouda, S. 187. 60 Corsten: Ulrich Zell, S. 199–202. 61 Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 62–76.

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1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem 13

ckerverleger, der regelmäßig ein Titelblatt mit einem Holzschnitt und in nicht wenigen Fällen mit einer Firmierung versieht. Die Druckproduktion dieses Nebenerwerbsdruckers lässt sich anhand der verwen-deten Typen in zwei Perioden einteilen. Zwölf Dru-cke aus der ersten Produktionsphase von 1479−1483 besitzen nicht nur ein Titelblatt, sondern verfügen ne-ben der Titelformulierung über einen Titelholzschnitt. Auffallend ist die Stellung der vollständig ausgebil-deten Titelseite in neun Fällen auf der Rückseite des ersten Blatts, wobei die erste Seite leer bleibt (Abb. 32). In der zweiten Phase der Druckproduktion von 1483−1488 rückt die Buchkennzeichnung bei 22 Dru-cken auf die erste Seite vor, während der Eingangsauf-bau variiert: entweder zeigt das Titelblatt einen Schlagworttitel mit Holzschnitt (Abb. 33) oder ledig-lich einen Label-Titel, während der Holzschnitt als Texteinleitungsholzschnitt auf der Rückseite des ersten Blatts positioniert ist. Diese Frontstellung einer Titel-seite geht mit einer Rationalisierung der Lagenplanung in einen Umfang von vier, sechs oder acht Blatt einher.

Hans Folz hat fast ausschließlich seine eigenen Werke in einer Nebenerwerbsoffizin gedruckt und diese im lokalen und engeren regionalen Umkreis vertrieben; als Autor, Drucker und Verleger hat er die Bedeutung des Titelblatts für die Buchkennzeichnung und als Blickfang für seine Broschüren erkannt. Er gehört zu den ersten Druckern, die einen Titelholz-schnitt auf das Titelblatt bringen, wobei die Stöcke in zwei Serien eigens für den Titel geschaffen worden sind. Mit seinen illustrierten Titelblättern haben die Folz-Broschüren eine Titelgestaltung entwickelt, die noch bis in das 16. Jahrhundert hinein typisch für Kleindrucke geringen Umfangs bleiben wird. Fast alle Folz-Drucke sind nur unikal oder in nur sehr wenigen Exemplaren (zum größten Teil in der Baye-rischen Staatsbibliothek München oder der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel) erhalten. Dies mag ein Grund dafür sein, dass die Bedeutung der Folz-Titelblätter in der Titelblattforschung – bis auf die genannte Untersuchung – kaum gewürdigt worden ist, allerdings liegt die detaillierte Beschreibung der Folz-Drucke bereits seit 1981 im GW vor.62 Doch auch die neue monographische Studie zum frühen Titelblatt von Margaret M. Smith berücksichtigt Folz in ihrer Diskussion früher und ›vollständiger‹ Titel-blätter nicht.63 Zudem müssen Smiths Ausführungen auch im Hinblick auf die frühesten illustrierten Titel-blätter revidiert werden, die sie der Presse des Ger-hard Leeu in Antwerpen 1484 zuschreibt.64 Sowohl

62 Erschienen in der ersten Lieferung des neunten Bandes. 63 Smith: The title-page, passim S. 46; sie spricht lediglich von vier Drucken mit dem Titelblatt auf der Rückseite des ersten Blatts. 64 Smith, S. 79f. bzw. S. 83: »The only printer who placed woodcuts on his title-pages with any regularity during the 1480s seems to have been Gerard Leeu […]«.

hinsichtlich der Anzahl seiner Titelblätter, den auf ihnen vorkommenden bucherschließenden Metatexten und des Titelschmucks ist die Folz-Produktion bemer-kenswert; sie ist auch exemplarisch in der Art, wie Folz mit dem Eingangsaufbau der Broschüre experi-mentiert, und das ohne Vorbild. Die Fallstudie zum Druckort Nürnberg arbeitet die Rolle der volkstümli-chen Nürnberger Kleindrucker − neben Folz vor al-lem Peter Wagner und Marx Ayrer − für die Titel-blattentstehung heraus.65

Zum englischen Titelblatt insgesamt findet sich ein kurzer chronologischer Abriss bei Roland B. McKerrow.66 Er nennt drei Entwicklungsstufen für das frühe Buchtitelblatt: Bezeichnung des Inhalts mit oder ohne Verfassernamen, Übernahme der Funktion des Kolophons und schließlich: »It becomes more definitely an advertisement of the book designed to attract purchasers. Laudatory phrases are added. […] It seems clear that title-pages were actually posted up as advertisements […]«.67

Martha W. Driver behandelt in ihrem Aufsatz Ideas of order. Wynkyn de Worde and the title-page (1997) Titelblätter des Caxton-Nachfolgers. Im Ge-gensatz zu den titelblattlosen Caxton-Drucken expe-rimentierte Wynkyn de Worde mit der Bucheinlei-tung, u. a. mit dem Autor-Portrait. Der größere Teil des Aufsatzes beschäftigt sich mit dem Bucheinband bzw. den Werkstätten, in denen die Drucke gebunden worden sind. Driver vertritt die These, dass Wynkyn zwar ein attraktives Titelblatt für die Kundenwer-bung geschaffen habe, die Buchkennzeichnung am Anfang und am Ende jedoch eine Hilfe für den Buchbinder gewesen sei:

There is also de Worde’s own tendency to label the text to consider, with title pages, images, and printer’s marks at beginning and end, thus setting off each book as a discrete item. In addition to at-tracting customers with an attractive title page, he is apparently labelling text for the bindery, the sheets to be bound as marked, which shows at the very least his awareness of the proper preparation of books for the binding stage.68

1.1.5 Am Ende des 20. Jahrhunderts: Margaret M. Smith’s »The title-page« Seit Pollards Monographie (1891) und seit dem Leip-ziger Sammelband Das Titelblatt im Wandel der Zeit (1929) sind keine umfangreicheren Untersuchungen zum frühen Titelblatt mit thematisch umfassendem

65 Vgl. Fallstudie Nürnberg im folgenden Band. 66 McKerrow: An introduction, S. 88–95. 67 McKerrow, S. 90. 68 Driver: Wynkyn de Worde, S. 114.

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14 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Anspruch erschienen. Im Jahr 2000 legt Margaret M. Smith69 die Studie The title-page. Its early develop-ment 1460−1510 vor. Smith hatte sich bereits wenige Jahre zuvor mit dem Endtitel oder Schlusstitel, einem separaten Blatt mit einer Formulierung des Sachtitels am Ende des Buchs, auseinandergesetzt. Diese sehr selten erhaltenen Schlusstitel (nach einer Hochre-chung etwa 0,5 % der überlieferten Inkunabelproduk-tion) sieht Smith als eine der Formen, mit denen die Drucker auf dem Weg zur Titelseite experimentier-ten, diskutiert aber auch den Zusammenhang zwi-schen dem so genannten integrierten Buchumschlag und der Entwicklung des Titelblatts.70

In ihrer Monographie verbindet Smith einen chro-nologisch-beschreibenden Zugang mit statistischen Untersuchungen. Ihren Anspruch formuliert sie wie folgt: »A plausible explanation for the initiation and then the growth of the use of title-pages can be pieced together from the writings of various scholars, although no one has set it out as a theory to be tho-roughly discussed, let alone proved conclusively.«71 Bogengs wegweisende Bemerkungen werden von ihr nicht berücksichtigt.

Die einzelnen Entwicklungsstufen des Titelblatts, die zugleich den argumentativen Fortgang der Studie bestimmen, fasst Smith wie folgt zusammen:

Broadly speaking, during the incunable period, the title-page went through several stages of develop-ment: beginning with the adoption of manuscript practise, then to a blank, to a label-title on the blank (the birth of the title-page in the printed book), and finally to the full title-page, by means of the gradual inclusion of more information, and the introduction of decoration. By the end of the incunable period, it was more common to find some sort of title-page in a book than not.72

Mit der Zunahme der Metadaten und des Titel-schmucks auf der Titelseite »[…] its function grew from mere identification to promotion. In other words, its advertising potential became clear.«73

Bereits Pollard hatte diese Abfolge − mit inzwi-schen stark revidierten zeitlichen Ansetzungen − in groben Zügen etabliert,74 allerdings ohne auf das Leerblatt oder die Leerseite als Etappe auf dem Weg zum Titelblatt hinzuweisen. Deren entscheidende Rolle für die Entstehung des Titelblatts blieb nach Haeblers frühem Hinweis verschüttet. Von Klein75 1999 in einer statistischen Auswertung für das nie- 69 Lecturer, Department of Typography & Graphic Communi-cation, University of Reading. 70 Smith: The end-title, S. 95, S. 104–110. 71 Smith: The title-page, S. 16. 72 Smith, S. 15f. 73 Smith, S. 22. 74 Vgl. dazu auch Tabor: [Rezension], S. 321. 75 Klein: Boekgeschiedenis.

derländische Inkunabeltitelblatt am Rande aufge-nommen, diskutiert Smith diese These nun ausführ-lich im dritten Kapitel. Smith untersucht den Buch-eingang anhand der ersten Seite nach einem Sample von ca. 4.200 Inkunabeln (Band 3−7 des GW). Fol-gende Gruppen werden gebildet: 1. der für Hand-schriften übliche Bucheingang mit Incipit und Text, 2. der mit erster leerer Seite oder Leerblatt, 3. der mit irgendeiner Art von Titel auf der ersten Seite und 4. der mit anderen Textsorten ohne Incipit (z. B. Vorre-den, Register etc.). 6,6 % beginnen mit dem Text, 23,3 % mit Incipit und Text, 22,1 % mit einem Leer-blatt und 7,3 % mit einer Leerseite. 29,5 % des Sam-ples gehören zur zweiten Gruppe mit dem Leerblatt zu Beginn. Im zeitlichen Verlauf zeigt sich, dass in der frühen Periode die erstgenannte Eröffnungsmög-lichkeit die häufigste ist, die Zahl der Ausgaben mit Leerseite bzw. Leerblatt 1470/74 diese aber bereits übersteigt. Sie erreichen den Höchststand 1480/84; ihr rascher Rückgang in der Folge korreliert mit dem verstärkten Aufkommen der Titelseite. Smith inter-pretiert das Verhältnis zwischen Leerseite und Label-Titel (die weitaus überwiegende Form des Titels) nicht als einen Ersetzungs- oder Verdrängungsvor-gang, sondern als ein Vorrücken von Informationen auf die weiße Seite.76 Abschließend betont sie noch einmal die Bedeutung von Leerseite und Leerblatt und diskutiert die temporäre Schutzfunktion der Leer-seite und des Leerblatts für den folgenden Text,77 wobei ihr diese für das Leerblatt, das (sofern ver-schmutzt) beim Binden weggeschnitten werden kann, plausibler erscheint als für die Leerseite. Nach statis-tischen Ermittlungen anhand einer Stichprobe aus dem GW kommt sie zum Ergebnis, dass das Leerblatt dreimal häufiger vorkommt als die Leerseite. Die Schutzfunktion der Leerseite scheint ihr eine mögli-che Erklärung zu sein, ohne dass sie sich jedoch darauf festlegt:

The importance of the blank lies not at all in its appearance, but in its location in the book, and in the possible reasons behind its use, to protect a valuable product of the new process. If so, it was a practical, physical solution to one of the first out-comes of printing, the fact of multiple copies. […] Boring as the blank may be in aesthetic terms, it has a secure if not entirely unproblematic place in the history of the title-page, and thereby also in the general changes in early book design brought about by the transition from manuscript to print […].78

76 Smith: The title-page, S. 48–56. 77 Smith, S. 52–58, allerdings ohne Berücksichtigung von Haeblers Ausführungen. 78 Smith, S. 58.

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1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem 15

Die folgenden Kapitel untersuchen das Layout des Label-Titels,79 den Zusammenhang von Titelformu-lierung und Incipit, die Erweiterung durch den Titel-holzschnitt und die Informationszunahme auf dem Titelblatt. Merkmale des Label-Titels seien die Be-schränkung auf eine im oberen Drittel der Seite posi-tionierte (oft kurze) Inhaltsbezeichnung, häufig ohne Autornennung. Es fehlen produktionsrelevante Hin-weise und der Titelschmuck. Der Titelholzschnitt, eine Erweiterung des Label-Titels, wird nach 1490 häufig, bleibt aber wesentlich auf Deutschland und die Niederlande beschränkt, während in Frankreich Drucker- und Verlegerzeichen auf dem Titelblatt eingesetzt werden.

Ungefähr gleichzeitig mit dem Aufkommen der il-lustrierten Titelseite verzeichnet das Titelblatt nach Smith einen Informationszuwachs. Ab 1490 werden Nennungen des Druckers bzw. Verlegers (auch in Form der Drucker- oder Verlegermarke) häufiger, aber auch Titelzusätze, etwa zum Wert und zur Be-deutung des Buchs. Für eine gewisse Vorreiterrolle Frankreichs beruft Smith sich auf die Beobachtungen Hirschs. Die Angabe des Druckdatums scheint dem-gegenüber seltener zu sein: zwischen 1495 und 1500 sind über 40 % der Inkunabeln (basierend auf dem oben beschriebenen Korpus von Ausgaben) noch ohne diese.80

In den beiden letzten Kapiteln setzt sich Smith mit dem Holzschnitttitel und der Titelbordüre auseinan-der. Wie Kiessling (1930) diskutiert auch Smith den Titelschmuck unter dem Aspekt der ästhetisch befrie-digenden Füllung des weißen Raums der Titelseite. Der Holzschnitttitel bzw. die xylographische Titelsei-te scheinen in Deutschland und den Niederlanden häufiger zu sein als in Spanien oder Frankreich; in Straßburg, Augsburg, Nürnberg und Speyer sind sie schwerpunktmäßig vertreten.81 Ingesamt aber bleiben die xylographischen Titelseiten ein Experiment, da sie zwar ästhetische Vorteile aufweisen, aber das unter Umständen nur einmal verwendbare Material zu teuer sei. Für den Zierrahmen sieht Smith klarer als Kiess-ling das Problem, dass einzelne Leisten als relativ kleine und vielseitig verwendbare Formen nicht spe-ziell für das Titelblatt hergestellt sein müssen und traditionell für die ersten Buchseiten typisch sind. Die ersten vierseitigen Zierrahmen auf einem Titelblatt erscheinen nach Smith in den 1490er Jahren bei Man-fredus de Bonellis in Venedig und bei Johann Amer-bach in Basel; in Venedig finden sich auch die ersten Beispiele für einen Titelrahmen aus einem Druck-stock.

79 Smith, S. 59, allerdings, auch hier, ohne Verweis auf die Einführung der Bezeichnung durch Pollard. 80 Smith, S. 97. 81 Smith, S. 112.

Die Studie von Margaret M. Smith bestätigt in den Grundzügen Entwicklungsstadien, die bereits früh in der Titelblattforschung, insbesondere von Pollard und Haebler, erkannt worden sind, präzisiert diese jedoch durch statistische Analysen und eine Fülle von Einzelbeobachtungen; ihr gelingt so die Darstel-lung einer zeitlichen Abfolge der Entwicklungssta-dien, die fast allen vorhergehenden Untersuchungen aufgrund der mangelnden Materialfülle fehlt. Zudem diskutiert Smith die verschiedenen Entstehungstheo-rien erstmals kritisch, insbesondere die Schutzblatt-theorie, allerdings ohne hier zu grundlegend neuen Ergebnissen zu kommen. Leider ist eine starke Kon-zentration auf englischsprachige Forschungsergeb-nisse zu beobachten; fremdsprachige Literatur wird selten berücksichtigt.

Smiths Buch ist in der Kritik weitgehend positiv aufgenommen worden. So schreibt Stephen Tabor 2002 in The Library:

Margaret Smith, in her excellent study, is equally curious about the thought processes of the long-departed, though her discussion avoids the teleo-logical slant of many of her predecessors. It should come as no surprise, and is no discredit to Smith, that she has not been able to uncover much new evidence about the motives that nudged the title-page towards its modern presentation.82

Ähnlich äußert sich Eleanor F. Shevlin 2002 in der Zeitschrift Papers of the Bibliographical Society of America:

The Title-Page resists treating familiar ground as terra firma. Notions that the title-page marked an ›advance‹ over manuscripts or that manuscripts lacked title-pages to save on costly parchment are among the commonplaces that Smith dissects and rejects. Frequently the evidence and reasoning are persuasive, but in some cases (particularly less familiar ones), the objection seems to hinge more on semantics than any significant disagreement.83

Kritik wird weiter an den von Smith gewählten Cor-pora von Titelblättern und den Auswertungsmetho-den geübt. Smith beschränke sich auf die erste Seite bzw. das erste Blatt:

Smith’s narrow focus on the treatment on the first recto […] also generates some statistics that need care in handling. A printer’s decision on whether to provide a preliminary blank is separate from, though related to, the decision on how to present the book’s title in rhetorical and typographic terms. Both of these matters are worthy of study,

82 Tabor: [Rezension], S. 321. 83 Shevlin: [Rezension], S. 567.

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but to keep the picture clear one needs to be able to trace them as separate phenomena.84

Auf den Nachteil des relativ willkürlich gewählten Samples und die fehlenden Parameter für die dru-cker-, druckort- und länderspezifische Auswertung weist Johanna Christine Gummlich-Wagner 2001 in der Zeitschrift Aus dem Antiquariat hin:

Die didaktisch aufbereitete Form der Materie mit grundsätzlichen Ausführungen zum Aufbau von Handschriften und Inkunabeln erleichtern einer-seits den Einstieg ins Thema, andererseits beant-wortet Smiths Studie durch die Konzentration auf die Bestände der British Library und die Form des länderübergreifenden Überblicks tiefgreifendere Fragestellungen zu Entwicklung und Motivation der Titelseite noch nicht.85

Nicolas Barker paraphrasiert 2003 in einem in der Zeitschrift The Book Collector anonym erschienenen Artikel The title-page die wichtigsten Ergebnisse, durchmischt mit eigenen Kommentaren. Als wichtiges Desiderat bezeichnet er für die Titelblatt-Forschung allgemein, dass eine Untersuchung des Zusammen-hangs von Titelblatt und Kolophon bzw. der Formulie-rung von Titel und Schlussschrift noch ausstehe.86 1.1.6 Erreichtes und Desiderate Der Überblick über einhundertzehn Jahre internatio-naler Forschung zum Inkunabel- und Frühdrucktitel-blatt zeigt in Grundzügen folgende Forschungsergeb-nisse: – Die Entwicklung des frühen Titelblatts verläuft

von der Leerseite bzw. dem Leerblatt (ab der Mit-te der 1460er Jahre), über den einfachen typogra-phischen Titel (den so genannten Label-Titel, ab ca. 1480), das Titelblatt mit Titelholzschnitt (nach Vorläufern um 1480, verstärkt ab der Mitte der 1480er Jahre), bis hin zur Informationszunahme durch herstellerische Angaben (auch durch ein Drucker- oder Verlegerzeichen) im letzten Jahr-zehnt des 15. Jahrhunderts und zur Etablierung des Titelblatts bis ca. 1520. Während für die Nie-derlande und Deutschland sich eine Vorreiterrolle bei der Einführung des mit einem Holzschnitt il-lustrierten Titelblatts abzeichnet, nehmen Paris und Oberitalien die führende Position für den ha-bituellen Gebrauch der Firmierung ein. Der Buch-

84 Tabor: [Rezension], S. 322. 85 So die Rezension von Johanna Gummlich-Wagner: The title-page, S. A 620. 86 [Barker, Nicolas:] The title-page, S. 458.

druck auf den britischen Inseln nimmt insgesamt eine Sonderstellung ein.

– Die Holzschnittbordüre erscheint ebenfalls um 1490, wobei der Zusammenhang mit dem Buch-schmuck des Textbeginns durch Schmuckinitiale und Zierrahmen sowohl in der Handschrift wie im Inkunabeldruck hergestellt wird. Als nicht dauer-hafte Sonderformen haben sich der Holzschnittti-tel und das Holzschnitttitelblatt erwiesen, ebenso wie der Schlusstitel.

– Eine Beziehung zwischen der Entstehung des Titelblatts und dem Kolophon wird verneint, hin-gegen die Rolle des Incipits für die Formulierung des Buchtitels und die Titelblattgestaltung betont.

– Abgesehen von diesen buchtechnischen, auf em-pirischem Weg zu erhebenden Fakten, wird die Frage nach den Gründen für Entstehung des Titel-blatts nicht befriedigend beantwortet. Die Schutz-blatttheorie ist aufgrund der mangelnden Kennt-nisse darüber, wie die ausgedruckten Bogen in der Werkstatt gelagert wurden, kritisch zu diskutieren.

– Dass das Titelblatt als Träger von Metainformati-onen unter den Bedingungen des Marktes für den Auflagendruck erscheint, zudem das Titelblatt als Werbeträger dienen kann, ist allgemein geläufig.

Trotz der erzielten Ergebnisse, die nicht zuletzt auf einer Fülle von Detailstudien beruhen, sind Desidera-te kritisch anzumerken. Eine die fachlichen Diszipli-nen übergreifende Diskussion wird nicht erkennbar. Hinzu kommt die seit einiger Zeit verstärkt zu be-obachtende ›babylonische‹ Sprachverwirrung. Leider ist die Inkunabelforschung nicht mehr bereit, auch fremdsprachige Literatur zu überschauen.87 Dies ist besonders sichtbar am Beispiel des frühen Theorie-ansatzes von Bogeng, eines Außenseiters und bibli-ophilen Privatgelehrten, der in der fremdsprachigen Forschung nicht zur Kenntnis genommen wird, aber auch deutschsprachige Publikationen kaum beein-flusst hat. Das Niveau seiner dichten und weit rei-chenden Überlegungen zur Titelblattentstehung im buchhändlerischen und literatursoziologischen Zu-sammenhang wird selten erreicht.

Zudem mangelt es nicht wenigen Publikationen an einer expliziten Titelblatt-Definition. Hier zeigen sich die methodischen Beschränkungen eines überwiegend historisch-beschreibenden Vorgehens, das die buch-wissenschaftliche Forschung insgesamt kennzeichnet. Dieses Versäumnis einer mangelnden Verständigung über den Gegenstand ist von Arnold Rothe generell für die Titelblattforschung angemahnt worden: »Im

87 Vgl. den Klappentext zum Buch von Smith: »This is the first book dealing with the early development of the title-page since A.W. Pollard’s ›Last Words‹ on the subject, published in 1891.«

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übrigen wurde der systematische Aspekt gegenüber dem historischen bisher vernachlässigt.«88 1.2 Zwei Erlanger Forschungsprojekte zum frühen Buchtitelblatt Eleanor Shevlin hatte ihre Rezension mit den Worten geschlossen: »Rather than offering any ›last words‹, The Title-Page [sc. von Margaret Smith] instead announces that the conversation has just begun.«89 Die Diskussion setzt ein Forschungsprojekt fort, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft von Januar 2000 bis April 2002 unter dem Arbeitstitel Die Ent-stehung und Entwicklung des Titelblatts in der Inku-nabel- und Frühdruckzeit am Fach Buchwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg gefördert hat. Im Rahmen eines Anschlussprojekts, ebenfalls von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt, wurde von März 2003 bis Mai 2004 die Internet-Publikation einer Datenbank zum Titelblatt der Inku-nabel- und Frühdruckzeit Das frühe deutsche Buchti-telblatt. Mainz, Bamberg, Straßburg, Köln, Basel, Augsburg und Nürnberg erarbeitet, die das Quellen-material online kostenfrei allen interessierten Nutzern zur Verfügung stellt. 1.2.1 Die Titelblattdefinition Im Folgenden wird zwischen der Bezeichnung ›Titel-blatt‹ bzw. ›Titelseite‹ nicht immer systematisch un-terschieden. Im Allgemeinen wird ›Titelblatt‹ unspe-zifisch verwendet, wenn es um den übergeordneten Begriff geht. ›Titelseite‹ bezeichnet dagegen präzise die einzelne Seite der Titelei.

Die Erlanger Forschungsprojekte legen ihrer Defi-nition des Titelblatts folgende Kriterien zugrunde. Bei einem Titelblatt handelt es sich um: – eine separate Seite oder ein separates Blatt, wobei

der Beginn des im Buch enthaltenen Werks auf

88 Rothe: Das Titelblatt als System, S. 27. − Rothe selbst geht von einer sprachlichen, typographischen und ikonischen Ebene aus, von der jede über eine Ausdrucks- und Inhaltsseite verfüge, wobei es bestimmte Regeln für die Verknüpfung dieser Zeichen auf dem Titelbatt gebe (S. 28). Ebenso wie das grundsätzliche Zugeständnis, dass auch die typographischen (gemeint sind die sprachlichen) Anteile des Titelblatts nicht »ästhetisch indifferent« (S. 28) seien, ist der zeichentheoretische Theorieansatz, den Rothe implizit zugrunde legt, viel versprechend. Dieser wird jedoch nicht weiter ausgeführt, lediglich die unterschiedlichen Disziplinen − Philologie, Buchwissenschaft und Kunstgeschichte − den drei Ebenen schematisch zugeordnet werden. Rothes Monographie Der literarische Titel von 1986 führt diesen theoretischen Ansatz nicht weiter. 89 Shevlin: Rezension, S. 568.

einer von der Titelseite getrennten Seite einsetzt (Separierung)

– eine Seite am Buchbeginn,90 d. h. die erste Seite des Buchblocks oder die erste bedruckte Seite nach Leerseite(n) bzw. Leerblatt, in der Regel auf einer Recto-Seite, aber auch als Verso-Seite bei vorheriger Leerseite (Positionierung)

– eine teilweise oder insgesamt typographisch be-druckte Seite (Druckverfahren)

– eine Seite, die werk- bzw. autorkennzeichnende Angaben zum Inhalt des Buchs enthält; herstel-lungsrelevante Angaben können, müssen aber nicht vorhanden sein (Metatexte)

Dieser Katalog führt die notwendigen Merkmale auf, die eine Titelseite erfüllen muss. Die Definition be-zieht den Buchkörper (Positionierung, Separierung), sprachliche Metatexte sowie Typographie und Text-organisation (Separierung, Druckverfahren) ein. Sie ist einerseits eng genug angelegt, um das Untersu-chungscorpus klar zu konturieren, andererseits hin-reichend offen für alle vorkommenden Varianten. So können z. B. Bilder oder Titelschmuck auf der Titel-seite hinzukommen, diese Beigaben sind aber nicht konstitutiv für das Titelblatt allgemein, sondern nur für das illustrierte Titelblatt. Dies gilt auch für cha-rakteristische Merkmale der Titelblatttypographie wie Auszeichnungen, Figurensatz, Schriftmischung oder Variation der Schriftgröße. Zwar bilden sich Konven-tionen des Titelsatzes beim frühen Buchtitelblatt in Anlehnung an vorhandene Gestaltungsmuster des Werkbeginns oder des Kolophons heraus, diese sind aber nicht zwingend vorhanden. Die titelblatttypische Flächensyntax, die für das ›moderne‹ Titelblatt maß-geblich ist,91 wurde als notwendiges Kriterium aus- 90 Die seltenen Schlusstitel sind in dieser Definition nicht enthalten und nicht in die quantitativen Erhebungen eingegangen. 91 Das typographische Regelwerk zur modernen Titelblattge- staltung kann in den einschlägigen Handbüchern zur Buchgestal-tung abgerufen werden (z. B. Willberg/Forssman: Lesetypogra-phie, S. 313–337). Es beschreibt die konventionell geregelten Möglichkeiten zur Anordnung und Gestaltung der sprachlichen und zur Einbindung der bildlichen Bestandteile auf dem Titelblatt sowie deren Stellung innerhalb der Titelei. Die wichtigste Unter-scheidung ist zunächst die in eine Hauptgruppe und in eine Ne-bengruppe. Die erste Gruppe (Hauptgruppe) bezeichnet den geisti-gen Urheber und das Werk bzw. die enthaltenen Werke (Werktitel oder Sachtitel); ihr Informationsgehalt weist damit über die Über-lieferungseinheit (das Exemplar als Teil einer Auflage) hinaus auf ein Werk, das in unterschiedlichen Ausgaben zirkulieren kann. Aufgabe der zweiten Gruppe ist hingegen, die konkret vorliegende Ausgabe zu identifizieren. Dies geschieht mindestens über die Nennung des Verlags; das Erscheinungsjahr und der Erschei-nungsort können hinzutreten. Die Hauptgruppe steht stets oben, die Nebengruppe (auch: Untergruppe), unten auf der Titelseite. Beide Gruppen sind durch einen leeren Raum voneinander ge-trennt, aber auch durch das Verlagssignet oder – heute nur noch selten, so z. B. bei bibliophilen Buchprojekten oder illustrierten Büchern – ein Titelbild. Diese makrotypographische Anordnung

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geschlossen. Da die Inkunabeltitelseite nur selten sprachliche Metatexte des Impressums enthält, wird die Trennung in eine Haupt- und Untergruppe mit der fest etablierten Ober- und Unterordnung auf der Seite nicht zur typographischen Aufgabe. Zudem zeigt sich auch in der Geschichte der Titelblattgestaltung, dass die Untergruppe anders als die Hauptgruppe weniger fest etabliert ist, da impressumsrelevante Merkmale auf der Rückseite des Titelblatts oder am Buch-schluss erscheinen können. Ebenso lässt sich das Merkmal ›Weißraum‹ nicht als notwendiges Kriteri-um aufnehmen, da bereits die illustrierten Titelseiten dieses außer Kraft setzen.

Methodisch lässt sich eine Unterscheidung zwi-schen den oben genannten notwendigen Merkmalen treffen, die stets erfüllt sein müssen, und den nicht obligatorischen Zeichenmittel. Letztere können durch-aus ›titelblatttypisch‹ sein, aber sie bilden kein ein-schließendes Kriterium, sondern sind entscheidend für die historisch realisierten Varianten. Diese Unter-scheidung von notwendigen oder obligatorischen und zusätzlichen, alternativen Kriterien ist bisher in der Titelblattforschung nicht in dieser Konsequenz getrof-fen worden.92 Für die vorliegende Untersuchung hat sie das Projektdesign, die Auswertung und die metho-dischen Vorüberlegungen bestimmt. Die Systematik der Zeichenmittel des Titelblatts93 bildet sich in den Feldern der Erfassungsmaske ab und bestimmt so über die qualitative Tiefenanalyse die Auswertung und Interpretation. 1.2.2 Die quantitativ-statistische Erfassung: Das Inkunabeltitelblatt in Deutschland, den Niederlanden und Venedig Wie der Forschungsbericht zeigt, basiert die Literatur zum frühen Titelblatt in aller Regel auf wenig reprä-sentativen Corpora von Titelblättern. Ausnahmen bilden die Auswertungen von Rudolf Hirsch und Jan Willem Klein auf der Grundlage von Quellenbiblio-graphien zum französischen und niederländischen Titelblatt sowie die quantitativ-statistischen Untersu-chungen von Margaret M. Smith über ein Sample von 4.200 Beschreibungen des GW (Band 3−7). Für

gehört zu den Grundregeln des Titelsatzes und spiegelt den unter-schiedlichen Status – oben der geistige Urheber, unten der mate-rielle – der auf dem Titelblatt gespeicherten Informationen wider. 92 Vgl. Smith: The title-page, S. 14f.: »For my purposes, a title-page will be defined as a seperate page containing the title of the book, and not containing any of the text. Furthermore, a title-page usually occurs at or very near the beginning of the physical book and it relates to the whole book. Apart from the title itself, it ›may or may not‹ [im Original kursiviert] contain further informa-tion about the book (e.g. a contents list) its author and its produc-tion, as well as decoration.« 93 Vgl. dazu Kap. 3 dieser Studie.

weiter gehende, inhaltsorientierte Fragestellungen zieht sie ein (nicht näher spezifiziertes) Corpus von Inkunabeln heran, das sich im Besitz der British Museum Library befindet. Bereits Gummlich-Wag-ner hat zu bedenken gegeben, dass Smith mit diesem Verfahren zwar die Darstellung einiger länderüber-greifender Grundzüge gelinge, allerdings die unter-schiedliche drucker-, druckortspezifische und regio-nale Entwicklungen sich nicht zuverlässig darstellen ließen. Zudem handelt es sich bei den Inkunabeln der British Museum Library um einen über Jahrhunderte und nicht zuletzt durch Einverleibung von privaten Sammlungen eher zufällig gewachsenen Bestand, mit allen sich daraus ergebenden Überlieferungszufällen, die nicht ohne Auswirkungen auf die Ergebnisse im Einzelnen bleiben.94

Demgegenüber hat das Erlanger Projekt eine Kom-bination quantitativ-statistischer Analysen mit quali-tativen Tiefenuntersuchungen gewählt, die jeweils auf klar definierten Untersuchungsräumen und Zeit-abschnitten basieren. Zu Beginn stand auch hier − wie bei Smith − eine Schätzung, wie viele Inkuna-beln ein Titelblatt95 besitzen. Für die statistische Er-mittlung der Gesamtzahl aller Inkunabeltitelblätter wurden jedoch die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Bände 1 bis 10 (A − Heinricus) des GW ausgewertet. Die Gefahr alphabetischer Zufälle, wie z. B. beim Buchstaben B mit vielen Einträgen für »Biblia« o. ä., konnte durch diese breite Quellenanalyse verringert werden. Die Auswertung der bibliographischen Be-schreibungen des GW nach Titelblättern ergab, dass von den insgesamt 12.411 verzeichneten Inkunabeln rund 4.842 Drucke (39 % der Gesamtmenge) ein Titelblatt haben, davon 1.078 (ca. 9 %) im Zeitraum bis Ende 1490. Hochgerechnet auf eine geschätzte Gesamtzahl von 27.000 Inkunabelausgaben96 ergibt dies eine zu erwartende Menge von etwa 11.000 Inkunabeln mit Titelblatt, davon 2.500 Drucke vor 1490. Es schien weder möglich noch sinnvoll, diese ›Titelblattflut‹, die anhand der damals vorliegenden Sekundärliteratur in keiner Weise zu erwarten war, einer breiten, autoptischen Tiefenanalyse zu sichten.

Als fruchtbar hatte sich bereits früh in einzelnen Stichproben die Kombination von autoptischer Ein-zelanalyse, Sichtung der vorhandenen Quellenbiblio-graphien und statistischer Methodik abgezeichnet.

94 Hier sei nur das Beispiel der wichtigen Folz-Drucke er-wähnt, von dessen Produktion sich allerdings nur zwei Exemplare in der BL befinden. 95 Zur genauen Titelblatt-Definition, die den Corpora zugrun-de gelegt wurde, vgl. S. 17. 96 Nach Dachs/Schmidt: Inkunabelausgaben. − Der ISTC auf CD-ROM enthält 26.550, der ISTC online 27.936 [Stand: 18. September 2007]. Die bibliographischen Angaben in GW und ISTC stimmen in einigen Fällen nicht überein, da die fortschrei-tende bibliographische Arbeit seit Erscheinen der ersten GW-Bände zu Umdatierungen, neuen Ausgaben etc. geführt hat.

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Das Erlanger Projekt hat sich daher entschieden, nach inhaltlich und formal vorgegebenen Richtlinien bestimmte Corpora für eine Tiefenanalyse auszuwäh-len, die bis zum Ende des Jahres 1490 weitgehend nach Autopsie erfolgen sollte. Da nach 1490 die Zahl der Titelblätter stark ansteigt, ist selbst für ausge-wählte Corpora eine Behandlung der gesamten Inku-nabelzeit nicht möglich. Für die Tiefenanalyse wur-den die deutschen Oberzentren des Buchdrucks – Straßburg, Köln, Basel, Augsburg, Nürnberg – aus-gewählt, zu denen Mainz (einschließlich Eltville) und Bamberg als die ersten Druckorte überhaupt hinzu-genommen wurden. Die zuerst genannten Städte sind die bedeutendsten und produktivsten deutschen Druck-orte, hinter denen Mainz und vor allem Bamberg ungeachtet ihrer frühen Drucktätigkeit an Bedeutung zurücktreten.

Umfassendere Corpora wurden für die quantitativ-statistische Vergleichsanalyse bestimmt. Es handelt sich um alle ermittelten Titelblätter der Inkunabelzeit (bis zum 31. Dezember 1500) für den deutschen Sprach-raum (einschließlich der oben genannten Druckorte, die für die qualitative Tiefenanalyse gewählt worden wa-ren), die Niederlande97 und den Druckort Venedig. Als Basis dieser Auswertung wurden die im ISTC98 ver-zeichneten Drucke gewählt. Zur Ermittlung, ob eine Inkunabel über ein Titelblatt verfügt, wurden das Bild-material des ISTC, die gedruckten Bände des GW99 und Hains Repertorium sowie weitere Spezialbiblio-graphien und Bibliothekskataloge herangezogen, u. a. BMC, BSB-Ink und Campbells Annales. Insgesamt handelt es sich 13.767 Datensätze,100 wobei die Pro-zentzahl der eindeutig geklärten Fälle bei 89,5 % liegt.101

Nach den Kurztitelaufnahmen des ISTC, der um-fangreichsten und zudem elektronisch mit den ent-

97 Das Corpus niederländischer Inkunabeln nach ISTC; zur Abgrenzung vgl. Le cinquième centenaire, S. XIII−XIV. 98 Vgl. dazu die Vorbemerkung S. 3. 99 Es wurden die Bände 1–10 und die ersten beiden Lieferun-gen des 11. Bandes (bis: Historia, Wigalois) ausgewertet. 100 Für das deutsche Sprachgebiet wurden 8.409 bibliographi-sche Einheiten ausgewertet, für Venedig 3.413, für die Niederlande 1.946, einschließlich der Einblattdrucke. Diese Basis ergab sich aus der Abfrage des ISTC nach dem Kriterium ›place of publication‹ (für Venedig) bzw. ›printing area‹ (für Deutschland und die Nie-derlande). Die vereinzelt im ISTC verzeichneten Postinkunabeln wurden für unsere Auswertung nicht berücksichtigt. In einigen Fällen mussten zudem Doppelaufnahmen oder Fehler im ISTC auf der Basis der gedruckten Bibliographien korrigiert werden, so dass sich vom ISTC leicht abweichende Zahlen ergeben. 101 Deutschland 93,0 %, Venedig 85,8 %, Niederlande 81,2 %. Bezüglich der bibliographischen Lage ist anzumerken, dass nur GW, BMC und Campbells Annales (nur für die Niederlande) die für das Projekt notwendigen Daten in vollem Umfang liefern. Hains »Repertorium« ließ sich nur begrenzt im Hinblick auf unsere Fragestellung auswerten; die ›kleineren‹ Inkunabelkataloge und Quellenbibliographien konnten in der Regel nur zur Überprü-fung von Einzelfällen herangezogen werden.

sprechenden Recherchemöglichkeiten vorliegenden Gesamtbibliographie der Inkunabeldrucke, kann nur anhand von beigegebenen Abbildungen (ca. 15 % der Datensätze in der zweiten Auflage) sicher entschie-den werden, ob Ausgaben mit Titelblättern versehen sind. Die Ergänzung über die oben genannten Hilfs-mittel ist äußerst zeit- und arbeitsaufwändig, so dass eine Gesamtermittlung für alle Inkunabeltitelblätter auch für die vergleichsweise an der Oberfläche ver-bleibende statistische Analyse ausscheiden musste. Diese Auswahl der Regionen und Druckorte ist fol-gendermaßen begründet. Mit dem deutschen Sprach-raum und den Niederlanden102 wurden die kultur-räumlich eng verbundenen und frühen bedeutenden Druckregionen und Handelszentren berücksichtigt. Venedig trat als wirtschaftlich führende und mit inno-vativen Verlegern besetzte Handelsmetropole hinzu, die mit ihren Fernhandelsbeziehungen weit in den eu-ropäischen Raum ausstrahlt. Die Inkunabelprodukti-on Frankreichs, besonders der Städte Paris und Lyon, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten der Inku-nabelzeit zu führenden Buchzentren entwickeln, konnte nicht als eigenes Untersuchungscorpus bear-beitet werden. Die wichtige Rolle Frankreichs für die Gestaltung des Titelblatts, insbesondere die Verwen-dung von Drucker- und Verlegermarken oder die vollständige Firmierung, deutet sich aus der Spezial-literatur nur schemenhaft an.

Die zeitliche Beschränkung auf die Inkunabelperi-ode ist für die Entwicklungsgeschichte des Titelblatts ebenso sachfern wie für andere Phänomene der frü-hen Buchgeschichte. Da aber die Quellenbibliogra-phien an dieser Grenze ausgerichtet sind, sind Über-schreitungen nur in Einzelfragen möglich gewesen.

Um die selbst für die ausgewählten Corpora noch erhebliche Datenmenge zu strukturieren und auszu-werten, war ein Rückgriff auf statistische Methoden notwendig. Als Ziel ist nicht lediglich eine Stichpro-benanalyse, sondern eine Vollerfassung angestrebt worden. Gegenüber der Arbeit mit Stichproben oder zufällig zusammengestellten Corpora, die weniger zeitaufwändig ist, hat die Vollerhebung innerhalb des vorgegebenen Rahmens den Vorteil, dass die Ergeb-nisse allgemeine Gültigkeit beanspruchen können. Zudem können an die erfassten Daten computerge-stützt unterschiedliche Fragestellungen herangetragen werden. Die statistische Analyse der Daten ermög-licht eine quantitativ orientierte Analyse, z. B. lässt sich die Titelblattproduktion einzelner Drucker über Listen und Tabellen während bestimmter Zeiträume 102 Der ISTC verzeichnet bei einer Abfrage ›printing area‹ für die Niederlande die Drucke ab 1473 (Alost: Johannes de Westfalia und Thierry Martens). Der Bestand der Niederländischen Prototy-pographie ist im ISTC zwar mit 200 Drucken enthalten, doch werden die bei der Gesamtabfrage ›printing area‹ nicht ausgege-ben. Diese fehlen zwar in der Auswertung, sind aber für die Frage nach Titelblättern nicht relevant.

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ermitteln. Von Vorteil ist auch, dass als Referenzgrö-ße das ›Negativmaterial‹ (die Drucke ohne Titelblatt) zur Verfügung steht.

Da es sich in der Regel um einfache Analyseverfah-ren deskriptiver Statistik handelt (Analyse uni- und bivarianter Häufigkeitsverteilungen), wurde die Stan-dardsoftware Excel eingesetzt. Die Vorgehensweise der statistischen Auswertung gliedert sich in mehrere Arbeitsschritte: Zunächst wurden für die auszuwerten-den Städte Tabellen mit ausgewählten Informationen über die Druckproduktion der Inkunabelzeit erstellt. Basis dieser Listen ist der ISTC. Ausgehend von die-sen Listen fand zunächst eine bibliographische Über-prüfung statt, ob die betreffenden Ausgaben überhaupt ein Titelblatt haben und ob dieses mit einem Holz-schnitt bzw. einem xylographischen Titel (Holzschnitt-titel) versehen ist. Soweit es anhand der herangezoge-nen Bibliographien möglich war, wurden weitere An-gaben zur Typologie der Titelblätter aufgenommen, die für die autoptische Feinanalyse entwickelt wurde.

Die Ergebnisse der quantitativ-statistischen Ana-lyse bilden zwar das Grundgerüst des ersten Teils, diese wurden jedoch stellenweise ergänzt durch Ein-zelanalysen, so z. B. zum Titelblatt bei Peter Schöffer (Kap. 2.2.4), zum illustrierten Inkunabeltitelblatt in den Niederlanden, insbesondere bei Gerard Leeu (Kap. 4, 5) und zum Gebrauch des Signets bei Aldus Manutius und Johannes Froben (Kap. 7.5). Zudem wurden in den gesamten Argumentationsgang immer wieder Einzelnanalysen von Bucheingängen einbe-zogen. Die Massenanalyse nach quantitativen Para-metern steht daher nicht allein für sich allein: an Schlüsselstellen der Untersuchung ist die Skizze zum farbigen Bild ausgeführt. 1.2.3 Die qualitative Tiefenanalyse: Sieben deutsche Druckorte bis Ende 1490 Die statistische Analyse der Daten ermöglicht eine quantitativ orientierte Analyse (z. B. Häufigkeit von Titelblättern zu bestimmten Zeitpunkten an bestimm-ten Orten), die auch das ›Negativmaterial‹ (die Dru-cke ohne Titelblatt) beachtet. Zudem lassen sich regionale Unterschiede bei der Einführung und Ver-wendung des Titelblatts, seine Ausstattung und sein Verhältnis zu nachfolgenden Buchteilen ermitteln. Für die Tiefenanalyse wurde eine Datenbank aufge-baut, in der die bibliographischen Beschreibungen und das Bildmaterial computergestützt erfasst und verwaltet werden konnten. Für das gewählte Daten-banksystem (HiDA3) bzw. die dafür vorhandene Sy- stematik (Marburger Inventarisations-, Dokumenta- tions- und Administrationssystematik; MIDAS) muss-te im ersten Schritt ein konsistentes, aber flexibel zu handhabendes Datenmodell entwickelt werden, das die Erfassung von Druckausgaben in Kombination

mit den im Einzelfall autopsierten Drucken ermög-licht.103 Weiter sind einige für die Inkunabelerfas-sung notwendige Datenfelder (z. B. GW- und ISTC-Nummern als indexierbare bibliographische Verweise) neu eingerichtet worden. In der vorliegenden Fassung des Datenmodells wurden die Fähigkeiten der HiDA-Datenbank zur Verwaltung hierarchisch angelegter Dokumente genutzt, indem die (abstrakte) Ausgabe auf der höchsten Hierarchieebene erfasst wird, und die einzelnen Seiten mit Abbildungsmaterial (an dieser Stelle mit Verweis auf das autopsierte und abgebilde-te Einzelexemplar) auf einer zweiten, hierarchisch untergeordneten Ebene. Diese Hierarchisierung er-möglichte eine sukzessiv verfeinerte Beschreibung der Drucke: zunächst eine knapp gehaltene Erfassung der Druckausgabe, dann – verbunden mit der Einbindung des Bildmaterials – die Beschreibung der einzelnen Seiten und schließlich fakultativ die Beschreibung der einzelnen Seiten und ihrer Bestandteile.

Weder die bildlichen noch die sprachlichen Bestand-teile des Titelblatts können unabhängig vom Textbe-ginn und dessen Positionierung im Aufbau des Buchs, sowie von Textende und Buchschluss behandelt wer-den. Insbesondere ist der Zusammenhang von der Titelformulierung auf dem Titelblatt und dem Textbe-ginn (Incipit-Formulierung) oder das Verhältnis von Einleitungs- und Titelholzschnitt nur so zu beurteilen. Diese Fragestellungen haben für das Design der Erfas-sungsmaske eine wichtige Rolle gespielt. Für eine ver-feinerte Analyse wurde eine formalisierte und erweite-rungsfähige Typologie der frühen Titelblätter erarbei-tet. Diese berücksichtigt für die einzelne Titelseite Angaben zum Informationsgehalt (Sachtitel, Autor, Impressum, Holzschnitt, Druckermarke u. ä.) und zum Layout (einfache oder gestufte Typographie, Rotdruck, Verwendung mehrerer Schrifttypen, von Initialen und Lombarden). Über die Beschreibung der Titelseite hin-aus werden die Stellung im Lagenverbund (am Anfang der ersten Lage mit dem Werkbeginn, einer vorge-schalteten Lage, als Karton etc.) sowie das Verhältnis der Titelseite zu den nachfolgenden Seiten berücksich-tigt. Unterschieden wird zwischen der mit Text be-druckten Rückseite (Textbeginn, Register- oder Regis-terbeginn, kleinere abgeschlossene Beigaben wie Autor-, Verleger- oder Herausgebervorwort) und der Rückseite mit einer Abbildung (ganzseitiger Holz-schnitt, sog. Texteinleitungsholzschnitt, z. T. mit typo-graphischer Bildüber- und -unterschrift). Diese Kate-gorisierung wird auch angewandt auf Folgeseiten, wenn die Rückseite der Titelseite leer ist.

Alle verzeichneten Ausgaben mit Titelblättern der genannten deutschen Druckorte bis zum Ende des Jahres 1490 wurden ermittelt, beschrieben und größ-tenteils mit Bildmaterial (Titelblätter und Schlüsselsei-ten, z. B. auf das Titelblatt folgende Register, Textein- 103 Vgl. Gummlich-Wagner: Das Erlanger Forschungsprojekt.

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gänge und Schlussschriften) versehen. Für die Au-topsie wurde auf die Bestände von fünf Bibliotheken zurückgegriffen: SB Bamberg, UB Erlangen, UStB Köln und BSB München, daneben (in Einzelfällen) auf die Inkunabelbestände des GNM Nürnberg und der HAB Wolfenbüttel. Von den für das Projekt relevan-ten Inkunabeln mit Titelblatt sind (mit regionalen Unterschieden) ca. 70−75 % in diesen Sammlungen vorhanden. Die verbleibenden Drucke verteilen sich unregelmäßig auf kleinere deutsche Bibliotheken oder Bibliotheken im Ausland. Die Titelblattdrucke, die nicht auf autoptischem Wege beschrieben werden konnten, wurden über eine genaue Analyse der ein-schlägigen Bibliographien dem Corpus hinzugefügt. 1.2.4 Die Fallstudien Ergänzend zur quantitativ-statistischen Vergleichs-analyse für Deutschland, Venedig und die Niederlan-de sowie der statistischen Tiefenanalyse der sieben deutschen Druckorte sind die Fallstudien zu den fünf genannten Oberzentren des deutschen Sprachraums zu sehen. Die Fallstudien gliedern sich jeweils in einen statistischen Überblick bis Ende 1500, der in allen Fällen gleich strukturiert ist. Dieser berücksich-tigt die Gestaltung des Bucheingangs, die Entwick-lung des Titelblatts im zeitlichen Verlauf, das Titel-blatt in der Produktion einzelner Drucker und die Titelblatt-Typologien. In der Übersicht sind druck-ortspezifische Tendenzen gut erkennbar, die dann zu einer weiter gehenden inhaltlichen Analyse ausge-baut worden sind. So stellt jede der Fallstudien in einem interpretierenden Teil die charakteristischen Grundzüge für den jeweiligen Druckort heraus, wo-bei das Produktionsprofil dieser Druckzentren insge-samt berücksichtigt worden ist. Sie greifen dabei nicht selten über die durch die Quellenbibliographien gesetzte Inkunabelgrenze hinaus. Für Köln mit sei-nem ausgeprägten lateinischen und wissenschaftlich-theologischen Profil wird die Bedeutung der Lehr-szene auf dem illustrierten Titelblatt des Buchs für den Schul- und Universitätsunterricht herausgearbei-tet, die in den Niederlanden ihren Ursprung hat und auch in fast allen anderen Druckorten aufscheint. Die Studie zu Augsburg legt den Schwerpunkt auf den Einleitungsholzschnitt und die Gestaltung des Ein-gangs von Liturgica, beides Augsburger Sonderent-wicklungen der Bucheröffnung. Am Beispiel von Nürnberg hingegen lässt sich die Entwicklung der Titelseite, ihre sprachliche, bildliche und typographi-sche Gestaltung auf Drucken populärer Unterhal-tungs- und Gebrauchsliteratur zeigen. Für Straßburg mit seinem Schwerpunkt auf der Produktion wissen-schaftlicher Literatur wird das in der Forschung dis-kutierte Verhältnis zwischen Produktionsvermerken am Buchschluss und auf dem Titelblatt untersucht.

Am weitesten ins 16. Jahrhundert hinein greift die Studie zum Basler Titelblatt, die die Erasmus-Drucke des bedeutenden Verlegers Johannes Froben behan-delt. Damit wird nicht nur das aufwändig in Renais-sance-Ornamentik gestaltete Titelblatt einbezogen, sondern die selbstbewusste Position des humanistisch gebildeten Wissenschaftsverlegers als Partner des Autors deutlich, die sich in der Verlegermarke und einer ausformulierten Untergruppe äußert. Eigene Fallstudien zu den frühen Druckorten Bamberg und Mainz wurden nicht erarbeitet. Die die Druckorte betreffenden Daten sind in die allgemeine Statistik eingeflossen. 1.2.5 Die Titelblatt-Datenbank im Internet Die Druckbeschreibungen und das zugehörige Bildma-terial waren zwar die Ausgangsbasis für die Druck-publikation, aber von Beginn an nicht nur als Arbeits-instrument des Forschungsprojekts gedacht. Geplant war vielmehr, diese für die Forschung allgemein zu-gänglich zu machen. Dies ist in Form einer Internet-Publikation Das frühe deutsche Buchtitelblatt. Mainz, Bamberg, Straßburg, Köln, Basel, Augsburg und Nürnberg. Bibliographische Daten und Abbildungen geschehen.104 Die Datenbank enthält 1.039 Datensätze mit bibliographischen Beschreibungen und knapp 3.200 Abbildungen (Titelblätter und Schlüsselseiten). Die bibliographischen Metadaten sind überwiegend autoptisch erarbeitet. Insgesamt wurden für das Projekt 589 Inkunabeln autopsiert, daneben 125 Erasmusdru-cke Johann Frobens. Der Ausrichtung des Vorgänger-projekts entsprechend enthält das Corpus Ausgaben mit Titelblättern aus den Druckorten Mainz, Bamberg, Straßburg, Köln, Augsburg, Nürnberg und Basel. Bis zum Ende des Jahres 1490 sind Drucke mit Titelblät-tern aus den genannten Druckorten nahezu vollständig erfasst worden (818 Datensätze), 96 weitere ausge-wählte Datensätze bis Ende 1500 sowie 125 Datensät-ze zu den Erasmus-Drucken des Basler Verlegers Johannes Froben 1513 bis 1527.

Für die Umsetzung der lokal unter HiDA aufge-bauten Datenbank in das Internet erwiesen sich die für dieses System angebotenen proprietären Lösungsan-sätze als unflexibel und mit hohen Entwicklungszei-ten verbunden. Aus diesen Gründen wurde der gesam-te Datenbestand vom HiDA-eigenen Exportformat in einen XML-codierten Text konvertiert.105 Der Einsatz von XML als universeller Auszeichnungssprache ermöglichte die Integration der Titelblattdatenbank in die von der HAB Wolfenbüttel und der UStB Köln 104 Im Juli 2004 online gestellt unter http://inkunabeln.ub.uni-koeln.de/titelblatt/. 105 Die Konvertierung erfolgte mit Hilfe des Tools H2X der Firma Stegmann Systemberatung (http://www.rs-system.de/german/ produkte/h2x/main.htm).

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aufgebaute ›Verteilte digitale Inkunabelbibliothek‹.106 Zur Verwaltung der XML-Daten und zur Aufberei-tung für das Internet wird das in der ›Verteilten digita-len Inkunabelbibliothek‹ verwendete nichtrelationale Datenbanksystem KLEIO eingesetzt.107 1.3 Überlegungen zu einer Theorie des frühen Buchtitelblatts Die Forschung zum frühen Buchtitelblatt hat bisher kaum Überlegungen zu einer Theorie des frühen Buch-titelblatts angestellt. In der älteren Titelblattforschung bildet lediglich der Aufsatz von Bogeng aus dem Jahr 1923 eine Ausnahme: sein Verdienst ist es, das Titel-blatt als Teil neuer kommunikativer Aufgaben des ›gedruckten‹ Buchs insgesamt zu sehen. Erst die jüngere Forschung, angeregt durch literarsoziologi-sche und mediengeschichtliche Fragestellungen, ver-folgt diesen Ansatz – wie auch diese Studie – weiter.

Zudem gehen nahezu alle Untersuchungen von der Vorstellung des modernen Titelblatts aus; vor diesem Hintergrund erscheint das frühe Buchtitelblatt impli-zit als ›unvollständig‹ oder ›unausgereift‹. Betrachtet man die vielfältigen Erscheinungsformen ›histori-scher‹ Titelblätter aber nicht als defizitäre Form eines prototypischen Konstrukts, erkennt man, dass diese präzise den Ort des gedruckten Buchs als Überliefe-rungsträger im Kommunikationssystem eines mit dem Buchdruck entstehenden frühmodernen Buch-handels widerspiegeln. Die frühen Titelblätter als ›Medien‹ leisten nicht mehr als das, was ihre Produ-zenten ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt an Informationen mitgeben, und das ist das, was Buch-drucker und Verleger als hinreichend für die Kenn-zeichnung des Buchs und nützlich für den Vertrieb der Ware einschätzen. Es sind also zwei methodische Schritte aufeinander zu beziehen: der erste ist auf das materielle Produkt ›Buch‹ gerichtet, beschreibt For-men von Titelblättern anhand ihrer Zeichenmittel und gewichtet diese quantitativ-statistisch, und ein zwei-ter, der von diesen Ergebnissen ausgehend die Funk-tionen und Leistungen von dispositiven Titelblatt-formen in den geographischen und zeitlichen Kontext des zeitgenössischen Buchhandels stellt.

Die folgenden knappen Überlegungen zum frühen Buchtitelblatt gehen vom Begriff des typographischen Dispositivs aus. Der Begriff Dispositiv allgemein (frz.: ›dispositif‹: ›Gliederung, Vorrichtung‹) wird als Teil eines umfassenden Theoriegebäudes von Michel Fou-cault erstmals 1976 in La volonté du savoir eher bei-läufig in die Diskurstheorie eingeführt. In Dispositiven

106 URL: http://inkunabeln.ub.uni-koeln.de/ 107 Für die technische Unterstützung und die Integration der Titelblattdatenbank in die Oberfläche der VdIB sei Prof. Dr. Man-fred Thaller, Köln, an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.

werden diskursive wie nicht-diskursive Elemente (Institutionen) zu einem Netz verknüpft. Dispositive schaffen Voraussetzungen für kulturelle Formierun-gen.108 Nach Gilles Deleuze sind Dispositive »[…] weder Subjekte noch Objekte, sondern Ordnungen, die es für das Sichtbare und für das Aussagbare zu definie-ren gilt − mit ihren Abweichungen, ihren Transforma-tionen und ihren Mutationen.«109 Ausgehend von der Genese in der Diskurstheorie der 1970er Jahre wird der Begriff ›Dispositiv‹ inzwischen in unterschiedli-chen Zusammenhängen und Wissensbereichen verwen-det, wobei die ursprüngliche gesellschaftliche Veror-tung in den Hintergrund tritt. Ganz allgemein struktu-riert ein Dispositiv »Raum und Zeit, Wahrnehmungen und Rezeptionskontexte« und dient »als Beschrei-bungsmodell für das Zusammenspiel von Zeichenebe-nen«.110 Die Medienwissenschaft nutzt ›Mediendispo-sitive‹ als Erklärungskonzept für die Funktionen und Leistungen der audiovisuellen apparativen Medien wie Kino, Fernsehen und Radio.111

Auf das Zeichensystem ›Buch‹ als Überlieferungs-träger gestalteter Texte übertragen, lässt sich das Dispositiv als scripturales oder typographisches Dis-positiv verstehen. Für den Akt der Lektüre spricht Roger Chartier 1990 von »scripturalen und formellen Dispositiven«, die mitverantwortlich sind für den »Aufbau des historisch oder gesellschaftlich variab-len Sinns«112 im Lektüreprozess. Susanne Wehde führt in ihrer Studie Typographische Kultur Chartiers Ausführungen weiter, indem sie ›typographische Dispositive‹ beschreibt. Typographische Dispositive sind »makrotypographische Kompositionsschemata, die als syntagmatische gestalthafte ›Superzeichen‹ jeweils Textsorten konnotieren«.113 Sie stellen sicher, dass bestimmte Textsorten, z. B. Lyrik oder Drama, im Schriftbild unmittelbar über die typographische Form identifiziert werden. Das Dispositiv ist als formale Strukturvorgabe Teil der Bedeutungskon-struktion, ohne dass die sprachlichen Zeichen gelesen werden müssen. Zu den wichtigen Formationsregeln typographischer Dispositive, die diesen Prozess be-einflussen, gehört die Anordnung von Textelementen auf der Fläche. Wehde spricht von »flächensyntakti-sche[n] typographische[n] Codes«, die auf der »Basis kulturellen Wissens« entschlüsselt werden.114 Zu den gut eingeführten Dispositiven zählt sie neben dem Dramen- oder Lyriksatz das Titelblatt. Als Metazei-chen verwaltet und ordnet es buch- und textkenn- 108 Vgl. Gerhard/Link/Parr: Diskurs und Diskurstheorie, S. 115− 117, und Neumeyer: Dispositiv, S. 117f. 109 Deleuze: Was ist ein Dispositiv, S. 154. 110 Lommel: Dispositiv, S. 66. 111 Hickethier: Einführung in die Medienwissenschaft, S. 186–201. 112 Chartier: Lesewelten, S. 50. 113 Wehde: Typographische Kultur, S. 119. 114 Wehde, S. 170, S. 168.

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zeichnende Metatexte an exponierter Stelle im Buch-aufbau. Das Metazeichen Titelblatt selbst, seine im-pliziten Ordnungsstrukturen und seine Zeichenmittel, seien diese (natürlich-)sprachlicher oder nichtsprach-licher Art, können zum Gegenstand zeichentheoreti-scher Analyse gemacht werden.

Mit der Übertragung des Dispositivbegriffs auf Buch und Schrift durch Chartier und Wehde ist eine begriffliche Zuspitzung verbunden. Chartier betont wie Foucault eine die Wahrnehmung strukturierende Macht des Dispositivs, die im Lektüreprozess sinn-konstitutiv ist, während Wehde den Blick konkret auf die Beschreibung konventionell etablierter typographi-scher Strukturen legt, deren einzelne Elemente zum Dispositiv zusammengefügt werden. Aus der Sicht normierender Institutionen ist sogar die Festschreibung weniger dispositiver Muster von Titelblättern in ISO- bzw. DIN-Normen möglich.115 Die Durchsetzungs-kraft derartig starrer Normierungsversuche bleiben in der Realität allerdings vielfach und zu Recht auf der Strecke: hier reicht ein Blick in eine beliebige Aus-wahl von Büchern unterschiedlicher Verlage.

Verlängert man die Überlegungen zum typogra-phischen Dispositiv Titelblatt in die historische Per-spektive, zeigen Epochen der Titelblattgeschichte variierende und unterschiedlich stark standardisierte dispositive Titelblattformen, die jeweils zur Verfü-gung stehen. Allen gemeinsam ist ein Minimalkata-log der notwendigen Zeichenmittel, die ein Titelblatt ausmachen; diese definieren das Titelblatt als Dispo-sitiv. Der Dispositivbegriff impliziert darüber hinaus eine gewisse Reichweite der eingeführten Varianten, denn nur ihre habituelle typographische Praxis garan-tiert, dass das Dispositiv die Wahrnehmung leitet und ordnet. Dies hat nicht unwesentliche Auswirkungen auf die Erforschung des Titelblatts. Denn über die Interpretation einzelner Beispiele historisch realisier-ter Titelblätter lassen sich nur punktuelle Ergebnisse erzielen. Allgemeingültige Aussagen setzten eine Analyse vieler Titelblätter voraus, die strukturierten Corpora angehören und auch auf vor dem Hinter-grund des Negativmaterials getroffen werden sollten. Denn eine Aussage darüber, ob eine dispositive Form in einer bestimmten Region oder für einem Zeitraum ›typisch‹ ist, lässt sich erst dann treffen, wenn bekannt ist, welchen Anteil sie unter den Varianten des Buch-eingangs insgesamt einnimmt. Die Interpretation ein-zelner herausragender, ›beispielhafter‹ (›erster‹, ›be-sonderer‹, ›berühmter‹ oder ›abweichender‹ etc.) Titelblätter oder zufällig zusammengestellter Corpora birgt die Gefahr der Überinterpretation, ohne dass ein zuverlässiges Gesamtbild entsteht. Eine Analyse des frühen Buchtitelblatts setzt daher ein methodisches

115 Festgeschrieben als ISO 1086: »Title leaves of books« (1991); diese ersetzt die alte DIN 1429: »Titelblätter und Einband-beschriftungen von Büchern« (1975).

Vorgehen voraus, das es erlaubt, unterschiedliche Gestaltungen von Titelblättern entweder als mehr-heitlich geübte, etablierte typographische Praxis zu klassifizieren oder sie als Rand- und Übergangsphä-nomene in ihrer Bedeutung zurückzustufen. Gerade die Mengenanalyse strukturierter Corpora über den zeitlichen Verlauf verdeutlicht auch den prozesshaf-ten Charakter der Entstehung dispositiver Formen.

Der bibliometrische Zugang über eine Massenana-lyse umfassender und methodisch reflektiert zusam-mengestellter Samples ist freilich erst mit digital greifbaren Quellenbibliographien und mit Hilfe elek- tronisch gestützter statistischer Auswertungen zeit- und arbeitsökonomisch vertretbar anzugehen, dies auch um den Preis, dass sich die Datenbasis durch die ständige Möglichkeit zur Aktualisierung im Fluss befindet. Zwar kann man auf einer Wanderdüne stehen und gehen, aber man kann sich über den ge-nauen Standort nicht immer gewiss sein. Dies ist ein Nachteil, wenn man nur den exakten Stellen nach dem Komma geneigt ist zu vertrauen. Im interpreta-torischen Gesamtkontext, der, auch jenseits von sol-cher Genauigkeit, signifikant belegte Ergebnisse und Entwicklungen in den größeren Rahmen stellt, ist eine solche Unschärfe nach Meinung der Autoren dieser Studie zu verschmerzen.

Das Erlanger Forschungsprojekt hat die quantita-tiv-statistische Massenanalyse und die qualitative Tiefenanalyse als erste methodische Schritte gewählt. In der Bibliometrie ist dieses Verfahren gängig, inso-fern betritt das Projekt hier kein Neuland. Auch hat die Titelblattforschung bereits vereinzelt diesen Weg beschritten. Neu am Erlanger Projekt ist die breite Basis der Analyse über strukturierte Corpora und das im Projektdesign festgelegte, in die Tiefe gehende und feine analytische Instrumentarium, das einzelne Zeichenmittel wie auch das Verhältnis von Titelseite und Bucheingang erfasst. Die Ergebnisse dieser quan-titativen und qualitativen Mengenanalysen sprechen für sich, können aber ohne einen übergeordneten in-terpretatorischen Rahmen nicht bestehen. Diesen bietet einmal das Konzept des Titelblatts als typographisches Dispositiv. Dies schließt den konventionell-hermeneu-tischen Zugriff auf Geschichte des Buchhandels als Interpretationsrahmen nicht aus. Denn die Kenntnis der buchhändlerischen Organisationsformen ist nötig, um die Funktion nicht ›des‹ Titelblatts, aber seiner dispositiven historischen Formen auf dem frühneuzeit-lichen Buchmarkt zu würdigen.

Ziel der Erlanger Studien war es nie, eine chrono-logisch fortschreitende, schlüssige ›Geschichte‹ des frühen Buchtitelblatts zu schreiben. Schon die Ein-schränkung auf die im Titel genannten geographi-schen Gebiete verbietet dies. Im Vordergrund steht vielmehr eine Bestandsaufnahme dispositiver For-men des frühen Buchtitelblatts, ihrer Zeichenmittel, ihrer geographischen und zeitlichen Gleichzeitigkeit

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24 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

und Ungleichzeitigkeit. Eine monographisch runde Darstellung konnte so nicht entstehen, vorgelegt werden größere und kleinere Bausteine und Mauer-stücke, die hoffentlich eine Vorstellung vom Ge-samtgebäude vermitteln. Gegenüber dem ›Geschichte erzählenden‹ Verfahren kann diese eher sperrige Darbietung der Projektfunde auf der Habenseite für sich verbuchen, dass die einzelnen Bausteine hand-werklich solide erstellt und nicht nach luftigen Kon-struktionsplänen zu größeren Gebäuden zusammen-gefügt wurden. So sprechen die Fallstudien für sich, wie auch der erste, zum Überblick ausgreifende Teil. 2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Nieder-landen und Venedig: Quantitative Analyse und prädispositive Titelblätter

Die beiden folgenden Hauptkapitel (2 und 3) stellen die wichtigsten Ergebnisse der quantitativen Erhebun-gen in den drei Vergleichsräumen für die Inkunabel-zeit zusammen. Kapitel 2 zeichnet die Entstehung und Entwicklung der Druckproduktion mit Titelblättern im zeitlichen Verlauf nach der in Kapitel 1.2.1 aufgestell-ten Titelblattdefinition nach. Eine Detailanalyse der so ermittelten frühesten Titelblätter bis zum Jahr 1480 zeigt deren weitgehend prädispositiven Status. Der Exkurs zur Offizin Schöffer zeigt am Beispiel die Praxis der Titelblattverwendung. Kapitel 3 beginnt mit einer Systematik der Zeichenmittel des Titelblatts. Ebenfalls mit den Mitteln der quantitativen Vergleichs-analyse werden das Verhältnis von Leerseiten und Titelblatt, die Position des Titelblatts im Buchaufbau (die makrotypographischen Zeichenmittel), die Flä-chengliederung (die mesotypographischen Zeichen-mittel) und Titelsatz (die mikro-typographischen Zei-chenmittel) des Inkunabeltitelblatts analysiert. Die sprachlichen Zeichenmittel der Werk- und Buchkenn-zeichnung beschließen das Kapitel. 2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig 2.1 Quantitative Vergleichsanalyse Der folgende Überblick beruht auf der quantitativen Vergleichsanalyse.116 Die beiden ersten Diagramme 116 Basis der Auswertungen waren aus dem ISTC (CD-ROM) erzeugte Listen aller ›echten‹ Inkunabeln (Option ›pre-1501‹). Für die Abfrage im ISTC wurde als Option ›preferred attributions search‹ gewählt, um so doppelte Einträge aufgrund von alternati-ven Drucker- bzw. Druckort-Zuweisungen zu vermeiden. Für Deutschland und die Niederlande wurde jeweils die entsprechende ›printing area‹ gewählt, für Venedig nur der Druckort abgefragt. Durch die in den Fallstudien vorgenommenen Detailuntersuchun-gen konnten die Listen noch durch einige nicht im ISTC verzeich-nete Drucke ergänzt werden. Insgesamt ergaben sich damit folgen-

(Abb. 1 u. 2) zeigen das Aufkommen und die quanti-tative Verbreitung von Drucken mit Titelblättern in Deutschland, den Niederlanden und Venedig von deren erstem Erscheinen vor 1476 bis zum Ende der Inkunabelzeit nach Jahresschritten und in Bezug auf die Anzahl der Drucke bzw. den Anteil an der Ge-samtproduktion.

Bis Ende 1480 erscheinen danach 15 Drucke mit Titelblättern in Deutschland, darunter die ersten über-haupt, in Venedig vier und in den Niederlanden zwei. Erst im Jahr 1483 lässt sich ein deutlicher Anstieg der Titelblattproduktion in Deutschland − wenn auch bei nach wie vor geringen absoluten Zahlen − beo-bachten, der sich in den folgenden anderthalb Jahr-zehnten kontinuierlich fortsetzt. Für das Jahr 1500 sind 381 Ausgaben mit Titelblättern nachweisbar. Für den Druckort Venedig ist eine gegenüber Deutsch-land zeitlich verzögerte Entwicklung zu beobachten. Die ersten Titelblätter erscheinen 1487, im Jahr 1490 sind es bereits 39 und 1500 142. Gegenüber dem deutschen Sprachraum setzt der kontinuierliche An-stieg von Titelblättern auch in den Niederlanden etwas verzögert ein, jedoch früher als in Venedig. Der sprunghafte Anstieg vollzieht sich um 1486 mit einer Verdoppelung der absoluten Zahlen von 14 im Jahr 1485 auf 28 Titelblätter 1486. Anders als in den bei-den Vergleichsräumen verläuft die Entwicklung in den Niederlanden allerdings nach absoluten Zahlen nicht in einem kontinuierlichen Anstieg, sondern mit Rück-schlägen. So erreicht die Titelblattproduktion mit 72 Drucken 1496 ihren Höchststand und fällt dann deut-lich ab: 1499 erscheinen nur 42 Drucke, 1500 nur 39 Drucke mit Titelblättern.

de absolute Werte für die Datengrundlage: Deutschland 8.830 Drucke, Niederlande 1.946 Drucke (drei der 1 949 im ISTC ver-zeichneten Inkunabeln wurden als Postinkunabeln ausgeschieden), Venedig 3.413 Drucke (fünf Postinkunabeln bei 3.418 im ISTC verzeichneten ›echten‹ Inkunabeln). Für diese Drucke konnten in Bezug auf die Frage, ob ein Druck über ein Titelblatt verfügt, mit bibliographischen Mitteln folgende Klärungsraten erreicht werden: 92,9 % (Deutschland), 81,2 % (Niederlande), 85,5 % (Venedig). Für die Frage nach dem Titelblatt unerheblich und daher in allen folgenden Statistiken nicht einberechnet sind die Einblattdrucke (1.187 in Deutschland, 89 in den Niederlanden, 24 in Venedig).

Ein methodisches Problem entstand aus den zahlreichen er-schlossenen Datierungen in der Inkunabelzeit. Sie wurden jeweils im erschlossenen Jahr angesetzt, bei von-bis-Datierungen wurde als ›Notlösung‹ die Mitte des angegebenen Zeitraums angesetzt. Eine Datierung wie z. B. [1487–1493] erscheint in der Statistik also im Jahr 1490. Leichte Verzerrungen in der Statistik sind daher im Einzelfall nicht auszuschließen, ihnen wurde durch die in der Regel vorgenommene Gruppierung in Jahrfünfte entgegen gewirkt.

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2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig 25

Abb. 1: Titelblätter in Deutschland, Venedig und den Niederlanden bis 1500 im Vergleich (Anzahl der Drucke)

Abb. 2: Titelblätter in Deutschland, Venedig und den Niederlanden bis 1500 im Vergleich (Anteil an der Gesamtproduktion)

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Deutschland Niederlande Venedig

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26 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Wie aber die Auswertung der letzten Inkunabeljahre für die niederländische Entwicklung zeigt, kann der Vergleich nach absoluten Zahlen irreführen. Hier ist der Vergleich nach dem Anteil an der Jahresproduk-tion heranzuziehen. Die niederländischen Drucker überholen im Jahr 1488 erstmals die deutschen Dru-cker, wobei ein niederländischer Titelblattanteil von 72,2 % einem geringeren deutschen von 66,7 % ge-genüber steht. Zwar übersteigen in den Folgejahren die deutschen Prozentanteile meist die niederländi-schen, dennoch ist dies nicht durchgängig der Fall, wie die Jahre 1491, 1497 und 1500 zeigen. Im Jahr 1500 haben 92,9 % der niederländischen Drucke ein Titelblatt, Deutschland liegt mit 89,6 % leicht darun-ter. Die Stagnation bzw. der Rückfall niederländi-scher Titelblattdrucke nach den absoluten Zahlen lässt sich also mit einem allgemeinen Produktions-rückgang erklären.

Auch für die venezianischen Drucker sind die Wer-te nach den Anteilen an der Jahresproduktion auf-schlussreicher als die nach den absoluten Titelblattzah-len. Der Anstieg verläuft um mindestens fünf Jahre verzögert gegenüber den Vergleichsräumen, pendelt sich ab 1492 auf relativ hohem Niveau zwischen 70 und 90 % ein, übersteigt aber bis zum Ende der Inku-nabelzeit nicht die 90-Prozent-Marke; diese erreicht Deutschland erstmals 1494, die Niederlande 1496. Ob-wohl die absoluten Zahlen für den Druckort Venedig einen kontinuierlichen Anstieg der Titelblätter signali-sieren, zeigt das Jahr 1500 nach den Anteilen an der Jahresproduktion eine leicht rückläufige Tendenz mit nur 75,5 %. Offenbar hat sich der regelmäßige Ge-brauch des Titelblatts in Venedig in der typographi-schen Praxis nicht so weitgehend durchsetzen können, wie in den beiden Vergleichsräumen nördlich der Alpen.

Folgendes Ergebnis lässt sich aufgrund der Daten-erhebungen für die drei genannten Erhebungsräume und -zeiten insgesamt festhalten: in den ersten drei Jahrzehnten nach der Erfindung des Druckens mit beweglichen und vielfachen Lettern sind Titelblätter überall Zufallsprodukte. Dies bestätigt auch die Ein-zelanalyse dieser Titelblätter im folgenden Kapitel, die eine ungeregelte Vielfalt prädispositiver Formen aufscheinen lässt. Erst in den fünf Jahren zwischen 1481 und 1485 ist ein signifikanter Anstieg in Deutschland und den Niederlanden bis auf 42,6 bzw. 34,1 % (Anteil an der Gesamtproduktion) zu be- obachten. Der Gebrauch eines Titelblatts wird zur regelmäßig geübten, nicht mehr ungewöhnlichen typographischen Praxis. Ab 1486 (59,1 % Anteil an der Jahresproduktion) werden dann in Deutschland mehr Drucke mit Titelblättern ausgestattet als ohne. Nahezu zeitgleich ist diese Tendenz auch für die Niederlande zu beobachten, wo ein Jahr später, 1487, die Zahl der Ausgaben mit Titelblatt die derjenigen ohne übersteigt (59,3 %). Für Venedig gilt dies mit

der bereits beschriebenen Verzögerung und Redukti-on etwas abgeschwächt; erst das Jahr 1492 bringt die Wende mit 70,4 %. Das letzte Inkunabeljahrzehnt zeigt allgemein das Titelblatt als Ausstattungsmerk-mal des gedruckten Buchs, das sich auf breiter Basis durchgesetzt hat: Titelblattlose Ausgaben sind nun die Ausnahme.117 2.2 Prädispositive Formen: Titelblätter bis 1480 Wie die Gesamtstatistik für Deutschland, die Nieder-lande und Venedig (Abb. 1 u. 2) zeigt, ist die Zahl der Titelblätter bis 1480 mit 0,9 % (Deutschland), 0,8 % (Niederlande) bzw. 0,7 % (Venedig)118 äußerst gering. Das folgende Kapitel bespricht alle bekannten Titelblätter unseres geographischen Erhebungsrau-mes (Deutschland, Niederlande und Venedig), die nach der Projektdefinition zu den Titelblättern ge-rechnet wurden, bis einschließlich 1480. Auch die von Haebler, Geldner, Hirsch und Barberi angeführ-ten frühesten Beispiele werden berücksichtigt.119

Die Klassifizierung als ›prädispositives‹ Titelblatt meint hier, dass es sich um Vorläufer-Phänomene für eine noch nicht eingeführte Praxis handelt und wei-ter, dass sich keine geregelten Gestaltungskonventio-nen für diese isoliert erscheinenden Frühformen beobachten lassen. Die frühesten Titelblätter stiften keine Kontinuität. Auf die beiden ersten Titelblätter überhaupt, die Mainzer Türkenbullen von 1463, folgt bis 1479 kein weiteres. In Venedig hält die Überliefe-rungslücke nach den Titelblättern auf den Regiomon-tanus-Kalendern acht Jahre an, in den Niederlanden findet auch der sonst so innovative Druckerverleger Gerard Leeu nach einem singulär bleibenden Titel-blatt von 1477 erst nach 1484 zu einer geregelten Titelblattpraxis.

117 Zu anderen Ergebnissen kommt Smith: The title-page, S. 59, aufgrund des von ihr analysierten Samples: »[…] one quar-ter of editions in the final few years of the fifteenth century still had no title-page of any kind.« Es ist anzunehmen, dass sich diese Abweichungen durch die unterschiedliche Corpuswahl und den Verhältnissen in den von uns nicht analysierten Druckregionen ergeben. Bei einer nicht nach Druckregionen differenzierten Sample-Analyse sollten im Idealfall alle Druckregionen repräsen-tiert sein. Wie der hier durchgeführte Vergleich zwischen Deutsch-land, den Niederlanden und Venedig können Smiths Werte als Indiz dafür gelten, dass gerade die deutschen und niederländischen Drucker ihre Drucke häufiger mit Titelblättern versahen als bei-spielsweise die italienischen Drucker. 118 Werte jeweils bezogen auf die Gesamtzahl der geklärten Fälle bis einschließlich 1480. 119 Vgl. Pollard: Last words, S. 14f.; Haebler: Inkunabelkunde, S. 122f.; Geldner: Inkunabelkunde, S. 107; Hirsch: The earliest development; Barberi: Il frontespicio; die Beispiele hier über einzelne Kapitel verstreut. − Smith: The title-page, S. 38−46, behandelt ausführlich drei sehr bekannte frühe Titelblätter; die kurzen Hinweise auf S. 46 beziehen sich auf in der älteren Litera-tur bereits genannten Beispiele.

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2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig 27

2.2.1 Die frühesten Titelblätter in Deutschland: Mainz, Köln und Nürnberg Die ersten Titelblätter erscheinen in Mainz auf den beiden Türkenbullen, Druckwerken im Umfang von kleineren Broschüren.120 Die lateinische und deutsche Ausgabe der Bulla cruciata contra Turcos (nach dem 22. Oktober 1463)121 von Fust und Schöffer in Mainz markieren den Beginn der Drucktätigkeit der Offizin im Auftrag weltlicher und geistlicher Obrigkeiten. Der Aufruf Pius’ II. zum Kampf gegen die Türken umfasst in der lateinischen Ausgabe sechs Blätter, die Titel-blattrückseite und die letzte Seite sind leer. Die deut-sche Ausgabe hat acht Blätter, ebenfalls mit leerer Titelblattrückseite und leerer letzter Seite.122 Die fünf erhaltenen lateinischen Exemplare sind entweder mit typographischer, xylographischer oder handschriftli-cher Titelformulierung versehen, die (drei) deutschen alle mit typographischem Text. Velke vermutet, dass man mit dem Titelblatt der lateinischen Ausgabe noch experimentierte und erst für die deutsche endgültig zum Typendruck übergegangen sei: »Offenbar sind erst Versuche angestellt worden, bis man zum Typen-druck endgültig überging, der dann auch für die deut-sche Ausgabe verwendet wurde.«123

Die Bulle ist in beiden Ausgaben in der Durandus-Type ohne weitere Auszeichnung im Fließtext abge-setzt worden, für die Titelformulierung hingegen wurde die auffällige Psaltertype gewählt: Vier (deut-sche Ausgabe) bzw. zwei (lateinische Ausgabe) Zei-len über die gesamte Kolumnenbreite setzen am oberen Satzspiegelrand ein. In den Mainzer Bullen lautet die Titelformulierung in der lateinischen Fas-sung: »Bulla cruciata sanctissimi domini nostri Pape contra turchos.« und in der deutschen Fassung: »Dis ist die bul zu dutsch die vnser allerheiligster vatter der babst Pius heruß gesant hait widder die snoden vngleubigen turcken.«124

Diese frühesten Titelseiten sind in den Gebrauchs-kontext der amtlichen Ausschreibungen einzuordnen, die öffentlich bekannt gemacht wurden. Dazu sollen noch weitere Beispiele herangezogen werden. Die Kreuzzugsbulle Calixtus III., gedruckt in Mainz 1456 mit den Typen der 36-zeiligen Bibel, hat eine ähnli-che Einleitung wie die Mainzer Türkenbullen, aller-

120 Vgl. auch Velke: Bücheranzeigen, S. 227: »Sie [sc. die latei-nische Bulle] ist der erste Druck mit einem besonderen Titelblat-te.« 121 Früher sind nur die ersten erhaltenen gedruckten Kund-gebungen, ebenfalls bei Fust und Schöffer, aus dem Jahr 1462; vgl. Schottenloher: Frühdruck im Dienste der öffentlichen Verwaltung, S. 139. 122 ISTC ip00655750 (H 261) und ip00655800 (H 263). 123 Velke: Bücheranzeigen, S. 227 u. Tafel IX. – Die lateini-sche Bulle ist in der Bücheranzeige Schöffers aus dem Jahr 1470 aufgelistet. 124 Zitiert nach Velke, ebd.

dings nicht separat auf einer Titelseite, sondern un-mittelbar vor dem Textbeginn: »Dis ist die bulla vnd der ablas zu dutsche die vns vnßer aller heilgister vatet [!] vnd herre babst calistus gesant vnd geben hat widder die bosen vnd virfluchten tyrannen die tur-cken Anno Mcccc lvj et cetra.«125 Ein Aufruf zum Kampf gegen die Türken, 1474 in Augsburg bei Johann Bämler gedruckt, ist wie die Mainzer lateini-sche Türkenbulle mit Titelvarianten überliefert.126 Neben Exemplaren mit einer leeren ersten Seite sind Drucke mit aufgeklebtem roten Titel in gleich lau-tenden Formulierungen, aber unterschiedlichem Satz überliefert. Sollten diese Exemplare zeitnah zum Druck mit dem Titelaufkleber versehen worden sein, handelt es sich um das erste in Augsburg hergestellte Titelblatt. Die ausführliche Formulierung der Aus-schreibung richtet sich unmittelbar an den Leser oder Hörer mit der Aufforderung, den Beschluss Fried-richs III. und der Reichsstände vom Reichstag im Juni 1474 zu beachten: »Vermerckt den gemeinen Anschlag So vnser allergenedigister herr der Rö-misch keyser […] Zuo Augspurg. wider die. Türken geordnet vnd geseczt hat […]«.127 Besonders die ausführlichen deutschen Formulierungen in Satzform aller hier genannten Kreuzzugsaufrufe erinnern an die Einleitungsfloskeln mündlicher Ausrufe und öffentlicher Verlesungen von handschriftlichen und gedruckten Verlautbarungen. Es liegt also nahe, dass die Drucker, der appellativen Funktion entsprechend, diesen Aufmerksamkeit heischenden Rufen der öf-fentlichen Kundgebung eine auch typographisch hervorgehobene Position auf dem Titelblatt einräu-men. Bereits Lehmann-Haupt hat in seiner Schöffer-Monographie hervorgehoben, dass dieser als erster ein »richtiges Titelblatt […] nicht für eines seiner normalen Buchprojekte, sondern für eine seiner ›poli-tischen‹ Flugschriften« verwende, verzichtet jedoch auf eine weitere Erklärung.128 Die Überlieferung ähnlicher Aufrufe zeigt jedoch, dass diese beiden ersten bekannten Titelblätter im Kontext der kom-munikativen Funktion derartiger Bekanntmachungen im öffentlichen Raum zu sehen129 sind: Unter den Bedingungen des Buchdrucks und einer zunehmend geschärften gestalterischen Wahrnehmungsweise des Überlieferungsmediums Druck entstehen die ersten Titelblätter. Auch die plakative Typographie, die den

125 ISTC ic00060100; GW 5916. 126 ISTC ia00758000, GW 2029; vgl. dazu die Fallstudie Augsburg im nächsten Band. 127 Zitiert nach GW 2029, Variante 1. 128 Lehmann-Haupt: Peter Schöffer, S. 45; Smith: The title-page, S. 38−40, beschränkt sich auf die Referierung älterer For-schung. 129 Vgl. dazu Giel: Politische Öffentlichkeit, Kap. II; vgl. auch Schottenloher: Frühdruck im Dienste der öffentlichen Verwaltung. – Ich danke Prof. Dr. Nikolas Jaspert, Ruhr-Universität Bochum, für diesen Hinweis.

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28 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

akustischen Ruf in einen ›visuellen‹ übersetzt, spricht für diese These.

Mit den Titelblättern der Mainzer Türkenbullen ist die Gestaltung der beiden chronologisch nächsten Titelseiten nicht vergleichbar. Sie erscheinen 1470 in Köln bei Arnold ter Hoernen auf zwei leicht unter-schiedlichen Ausgaben des Sermo in festo praesenta-tionis beatissmae Mariae virginis. Wie bei den beiden Türkenbullen-Ausgaben handelt es sich bei dieser Predigt hier um einen zeitgenössischen, kurzen Text (12 Blatt), der mit einer eigenen Titelseite versehen wird (vgl. Abb. 3 u. 4 der Fallstudie Köln). Während Fust und Schöffer den Titel mit einer Auszeichnungs-schrift hervorheben, verwendet Arnold ter Hoernen eine nicht vom Werksatz unterschiedene Typographie für die umfangreiche Titelformulierung, so dass der Eindruck eines Absatzes entsteht, der durch die Sepa-rierung auf der Titelseite vom Werktext getrennt wird. Nur wenig später, um 1473, folgt der Kölner Drucker Johann Schilling mit einer Ausgabe der Flores ex libris de civitate dei Augustini des Franciscus de May-ronis dem Beispiel Arnold ter Hoernens in der Titel-gestaltung. Als Neuerung ist zu vermerken, dass alle drei Kölner Ausgaben sich nicht mit der Nennung des Autors und des Werktitels begnügen, sondern auf der Vorder- oder Rückseite des Titelblatts herstellungsre-levante Angaben hinzufügen.130

Aus dem Jahr 1473 stammt auch das frühe Titel-blatt der Exhortatio de celebratione missae des Esslin-ger Druckers Conrad Fyner.131 Der Traktat wird Hen-ricus de Hassia (um 1360−1427) zugeschrieben. Der Druck hat einen Umfang von zehn Blättern; die aus-führliche, mehrzeilige Titelformulierung, im Layout den Kölner Beispielen ähnlich, gibt den Inhalt wieder. Der Straßburger Nachdruck durch Heinrich Knob-lochtzer von 1482132 übernimmt das Titelblatt nicht.

Am Ende unseres Erhebungszeitraumes stehen neun Kleindrucke des Hans Folz in den Jahren 1479/80 in Nürnberg, die als Übergangsphänomen eingestuft werden können. Sie tragen noch deutliche Zeichen des Experimentierens mit der Titelseite, z. B. mit der Titelseite auf der Rückseite des ersten Blatts und mit dem Titelholzschnitt oberhalb der Titelformulierung, markieren aber dennoch den Beginn der seit Mitte der 1490er Jahre erfolgreichen dispositiven Form des illustrierten Titelblatts für populäre Kleindrucke. Wie die nähere Betrachtung aller frühen Folz-Titelblätter zeigt, handelt es sich um ein durchdachtes und seriell eingesetztes Gestaltungsschema (vgl. Abb. 32 u. 33); auch aus diesem Grund lassen sie sich nicht um-standslos den prädispositiven Beispielen zurechnen.

130 Zu den frühen Kölner Beispielen s. Fallstudie Köln in diesem Band, Kap. 2.2.2. 131 ISTC ie00138000, GW 9511. Vgl. auch Pollard: Last words, S. 14. 132 ISTC ie00139000, GW 9512.

2.2.2 Die frühesten Titelblätter in den Niederlanden Bei Gerard Leeu in Gouda erscheint am 6. August 1477 die erste Titelseite auf einer Ausgabe des weit verbreiteten Erbauungstextes Cordiale quattuor no-vissimorum in niederländischer Sprache.133

Die umfangreiche beschreibende Titelformulie-rung »Jn desen boec sijn bescreuen die vier uterste ofte die leste dinghen die ons anstaende ende toeco-mende sijn […]« stammt wohl vom niederländischen Bearbeiter der Druckfassung; sie kommt in keiner der lateinischen und volkssprachlichen Ausgaben vor, auch nicht in dem Kölner Druck, der Leeus Ausgabe zugrunde liegt.134 Das Layout der Titelseite ist dem der beiden Kölner auf der Marienpredigt des Arnold ter Hoernen vergleichbar. Die beiden Nachdrucke Leeus von 1479 und 1482 verzichten ganz auf diese Einleitung und damit auch auf das Titelblatt, ebenso wie die folgenden Drucke von Matthias van der Goes 1483 und Jacob Bellaert 1484. Der Text setzt in die-sen Ausgaben mit »Memorare nouissima tua et in eternum non peccabis« ein, die aus der lateinischen Fassung übernommen wurde. Mit der ersten illu- strierten Ausgabe in den Niederlanden 1486, Jacob van der Meer zugeschrieben, bekommen die nieder-ländischen Ausgaben generell ein Titelblatt, nun mit dem festen Werktitel Die vier utersten, dem ein Ti-telholzschnitt beigegeben wird.135

Nicht nur in der Druckproduktion Leeus, der Ti-telblätter erst nach dem Jahr 1484 regelmäßig druckt, bleibt dieses frühe Titelblatt eine Einzelerscheinung. Dies gilt für die gesamte niederländische Produktion, in der erst ab 1482 kontinuierlich Titelblätter auf-kommen. Lediglich eine Ausgabe des Doctrinale von Alexander de Villa Dei bei Richard Paffraet, deren Datierung umstritten ist, könnte noch vor 1480 er-schienen sein.136

133 Die vier uterste. Anhang: Bedudenisse der missen. Gouda: Gerard Leeu, 6. August 1477 (ISTC ic00902000, GW 7519). 134 ISTC ic00909280, GW 7515, ohne Titelblatt; vgl. auch GW Bd. VII, S. 54. 135 Vgl. ISTC ic00902500, ic00903000, ic00903100, ic00903200, ic00904000, ic00904100, ic00905200, ic00904300, ic00905400, ic00906000, GW 7520–7529. 136 Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars I). Deventer: Richard Pafraet. Datierung zwischen 1477 und 1479 nach ISTC ia00440680; davon abweichend GW 1138: um 1484.

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2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig 29

Abb. 3: Die erste niederländische Titelseite: Die vier utersten. Gouda: Gerard Leeu, 6. August 1477

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30 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

2.2.3 Die frühesten Titelblätter in Venedig und Italien Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die im Projekt erhobenen Daten für Venedig und auf die Sekundärliteratur zum italienischen Titelblatt, so dass sich, ungeachtet des Projektdesigns, wenigsten in Umrissen die Entwicklung in Gesamtitalien nach-zeichnen lässt.

Während das Titelblatt Leeus bisher in der For-schungsliteratur nicht als erstes niederländisches erkannt wurde, gehören die drei venezianischen Aus-gaben des Calendarium des Johannes Regiomontanus zu den ›berühmten‹ und viel zitierten Beispielen früher Titelblätter.137 1476 erscheinen die lateini-sche138 und die italienische139 Ausgabe mit 32 bzw. 30 Blättern Umfang, 1478 die deutsche140 mit 30 Blättern. Das Layout ist in allen drei Ausgaben gleich: Der typographische Text, ein Gedicht in ab-gesetzten Verszeilen, wird von einem aus fünf ein-zelnen Stücken zusammengesetzten Rahmen umge-ben. Diese Leisten werden als die frühesten und besten im Renaissance-Stil bezeichnet, zudem sind es die ersten auf einem Titelblatt. Autor und Sachtitel sind in den fortlaufenden Text des Gedichtes inte- griert, Druckort und Jahr darunter freigestellt. Die Namen der beiden Druckerverleger Erhard Ratdolt und Peter Löslein − Letzterer fehlt auf dem Titelblatt der deutschen Ausgabe − und des Vorzeichners der Leisten, Bernhard Maler, werden dagegen deutlich hervorgehoben: in rotem Typendruck sind sie mittig in den unteren Rahmen integriert. Diese frühe Titel-seite ist eine auf hohem Niveau durchgestaltete, den Schriftraum kompakt füllende Bucheröffnung. Die auf der Rückseite des ersten Blatts gedruckte Titel-seite der Ars Moriendi, 1478 in Verona bei Giovanni und Alberto Alvise, scheint dem Layout der Venezi-anischen Kalender nachempfunden zu sein.

Die dekorativen Titelseiten des Calendarium wer-den in der Regel als die ersten in Venedig gedruckten angesehen. Wesentlich früher ist jedoch eine Titelseite auf der Ausgabe des (Pseudo-)Augustinus De virtute Psalmorum vom 6. März 1471, die dem aus Padua stammenden Drucker Clemens Patavinus und dem Druckort Venedig zugeschrieben wird. Da sich nur ein Exemplar dieser Ausgabe in der Nationalbibliothek in Paris erhalten hat, ist dieses Titelblatt der Aufmerk-samkeit bisher entgangen. Bei der Titelformulierung

137 Vgl. zuletzt Smith: The title-page, S. 43f. 138 Regiomontanus, Johannes: Calendarium. Venedig: Bern-hard Maler (Pictor), Erhard Ratdolt und Peter Löslein, 1476 (ISTC ir00093000). 139 Regiomontanus, Johannes: Calendario. Venedig: Bernhard Maler (Pictor), Erhard Ratdolt und Peter Löslein, 1476 (ISTC ir00103000). 140 Regiomontanus, Johannes: Kalender. [Venedig]: Bernhard Maler (Pictor) und Erhard Ratdolt, 1478 (ISTC ir00100500).

»Dicta beatissimi Augustini de septem virtutibus psalmorum poenitentialium feliciter incipiunt« handelt es sich um ein Incipit, das hier, getrennt vom Werkbe-ginn, allein auf einer Seite steht. Der Titelsatz, nach dem Vorbild von Monumentalinschriften in einer großen Capitalis auf Mittelachse gesetzt, ist inspiriert von Humanisten-Handschriften.141 Vermutlich wegen des kleinen Oktav-Formats der Ausgabe, das in un-günstigem Verhältnis zur Schriftgröße steht, bleibt das Incipit allein auf der ersten Seite. Es lässt sich also nicht erkennen, ob die Separierung des Incipits auf der ersten Seite bewusst geplant ist oder dem Platzmangel geschuldet. Das typographische Schema wiederholt sich bei den Zwischenüberschriften und dem Impres-sum am Ende. Diese frühen Venezianischen Beispiele zeigen, wie unterschiedlich prädispositive Titelblätter ausfallen können, die zwar die Formalkriterien an ein Titelblatt erfüllen, aber besonderen Produktionsum-ständen ihr Erscheinen verdanken und weit entfernt davon sind, vorbildlich für eine kontinuierliche typo-graphische Praxis zu werden.

Geldner nennt als weiteres frühes italienisches Ti-telblatt die Oratio gratulatoria des Antonius Turche-tus, das in einer »höchst eigenartigen Form« Verfas-ser, Titel, Drucker und Druckdatum nennt.142 Der Paduaner Druck von 1472 enthält diese Elemente in zwei Zeilen in stark abgekürzter Form. Diese Infor-mationen sind wohl nicht für den Leser gedacht, sondern eher als Merkhilfe für den Buchvertrieb. Der Turiner Druck Decreta Sabaudie ducalia von 1477143 hat eine mehrzeilige ausführliche Titelformulierung mit Druckjahr, gesetzt in einem Absatz. Diese frühe Titelseite erscheint nach einem leeren Blatt auf der Vorderseite des zweiten Blatts. Der Text beginnt auf der Rückseite. Aus dem Jahr 1477 stammt der Druck eines Psalmenkommentars, erschienen in Mailand bei Leonardo Pachel und Ulrich Scinzenzeler; Werktitel, Autor und Zueignung sind in einer Rubrik auf dem Titelblatt zusammengefasst.144 Um einen einfachen typographischen Titel handelt es sich auch bei den beiden Ausgaben des Martyrium Sebastiani in Trevi-so bei Bernardinus Celerius vom 12. Mai und 14. Juli 1480; die Ausgabe vom Mai hat eine Widmung auf dem Titelblatt.145 Diese Liste früher italienischer Titelblätter modifiziert das Gesamtbild, das sich aus der flächendeckenden Datenerhebung für Venedig ergibt, nur unwesentlich.

141 Vgl. Baurmeister: Clément de Padoue, S. 23; ISTC ia01348300. 142 Geldner: Inkunabelkunde, S. 107; ISTC it00500000. 143 Vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 64 u. Abb.; (ISTC is00001000, BMC VII 1054). 144 Vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 57 u. Abb.; ISTC ip00181200. 145 Vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 58; ISTC is00628000, ISTC is00629000.

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2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig 31

2.2.4 Exkurs: Prädispositive Titelblätter und geregelte typographische Praxis am Beispiel der Offizin Peter Schöffer d. Ä. Am Beispiel der Offizin Peter Schöffer d. Ä. in Mainz soll das Verhältnis von präsdispositiven Titelblättern und dem Übergang zur habituellen Titelblattpraxis im Einzelnen untersucht werden. Peter Schöffer wurde ausgewählt, weil in seiner Offizin mit den Türkenbul-len-Ausgaben die ersten deutschen Titelblätter er-scheinen und sich die Entwicklung der Titelblattver-wendung über einen langen Zeitraum in einem öko-nomisch erfolgreichen Unternehmen darstellen lässt.

Nach dem Tode von Johannes Fust 1467 führt Peter Schöffer, Gutenbergs ehemaliger Geselle, das Fust-Schöffer’sche Gemeinschaftsunternehmen in Mainz allein weiter, das sich zum europaweit erfolgreich agierenden Buchhandelsunternehmen entwickelt. Bis zum Ende der Inkunabelzeit erscheinen insgesamt 224 Druckwerke bei Fust und Schöffer bzw. bei Peter Schöffer.146 Die Praxis der Titelblattverwendung die-ses Verlags, dessen Profil mit dem Schwerpunkt auf Liturgica, Theologie und Recht eher konservativ ist, soll kurz gesichtet werden. Der ISTC verzeichnet 103 Einblattdrucke − ein Schwerpunkt, der sich u. a. aus dem Geschäft mit im Auftrag hergestellten amtlichen und kirchlichen Drucksachen erklärt − und 121 Bü-cher. Davon haben 21 Drucke ein Titelblatt.147 Der deutlich überwiegende Teil (70 Drucke) beginnt auf der Vorderseite des ersten Blatts unmittelbar mit dem (Werk-)Text und 20 Drucke beginnen mit einem vorgeschalteten Leerblatt oder einer Leerseite. Im zeitlichen Verlauf (Abb. 4) stellt sich dies folgen-dermaßen dar:

Die beiden ersten Titelblätter der Offizin auf den Türkenbullen, vermutlich noch Ende des Jahres 1463 gedruckt, markieren den Beginn des Inkunabeltitel-blatts generell. Für fast zwanzig Jahre verlassen nach dieser Innovation allerdings nur noch titelblattlose Drucke die Offizin. Zwischen 1481 und 1485 nimmt, wie die Vergleichsanalyse belegt, die Zahl der Titel-blätter nach zögerlichem Beginn insgesamt sprung-haft zu. In dieser Zeitspanne setzt bei Schöffer die Titelblattproduktion wieder ein, wobei er nur unwe-sentlich mehr Ausgaben mit Titelblatt als ohne Titel-blatt verlegt. Im letzten Inkunabeljahrzehnt fällt die Zahl der Drucke mit Titelblatt sogar unter das Niveau der Ausgaben ohne Titelblatt zurück. Allerdings ist diese Beobachtung zu relativeren, da Schöffer in diesen zehn Jahren nur wenige Bücher produziert (eines mit und vier ohne Titelblatt). 146 Anzahl der im ISTC verzeichneten sicher Schöffer zuge-wiesenen Drucke inklusive der von Fust und Schöffer gemeinsam verlegten Werke, aber ohne die im ISTC vereinzelt aufgenomme-nen Postinkunabeln. 147 In zehn Fällen konnte nicht geklärt werden, ob diese ein Titelblatt haben oder nicht: Acht Drucke sind nur fragmentarisch überliefert.

Sieht man die Ausgaben Schöffers mit einem Ti-telblatt genauer an, zeichnen sich folgende Grundli-nien ab. Die lateinische Türkenbulle ist mit drei Ti-telblattvarianten überliefert.148 Erst nach der Mitte der 1480er Jahre und zwanzigjähriger Pause werden Drucke auch bei Schöffer mit Titelblättern ausgestat-tet, gegenüber der allgemeinen Titelblattpraxis ein verspäteter Einsatz. Die Liturgica bleiben weiterhin generell ohne Titelblatt. Für die Ausgaben mit Titel-blatt, lateinische wie deutsche, ist keine klare Linie der Titelblattverwendung erkennbar. Es finden sich unter den Büchern mit Titelblatt zwar überwiegend Texte für den Universitäts- und Schulunterricht, aber auch Handbücher für den Seelsorger, Flugschriften zu politischen Tagesereignissen und amtliche Ver-lautbarungen. Fast alle Titelblätter zeigen das gleiche Gestaltungsschema. Die Titelformulierung wird in einer Auszeichnungsschrift in großem Schriftgrad nahe am oberen Satzspiegelrand im Blocksatz ange-ordnet; es dominiert der einzeilige Schlagworttitel im Mittelachsensatz. Hervorhebungen durch Initialen oder gestufte Typographie kommen so gut wie nicht vor; Angaben des Impressums sind äußerst seltene Ausnahmen. Abbildung 5 zeigt ein für Schöffer typi-sches typographisches Titelblatt.

Aus dieser unauffälligen Alltagspraxis ragen nur einige wenige Titelblätter hervor, darunter wiederum eines der bekanntesten Titelblätter der Inkunabelzeit, das des Herbarius latinus von 1484. Die erhaltenen Exemplare dieser Ausgabe sind, wenn sie ein Titel-blatt haben, in unterschiedlichen Varianten überlie-fert. Der GW weist drei nach: mit schwarzer oder roter Farbe gedruckt oder mit schwarzem typographi-schem Text und rotem Signet.149 Mit diesem Titel-blatt setzt Schöffer einen weiteren Meilenstein: der Herbarius latinus ist das erste Buch mit einem Signet auf der Titelseite. Freilich bleibt auch dieser Vorstoß Schöffers in seiner Gesamtproduktion singulär. Eine weitere, allerdings weit weniger spektakuläre Aus-nahme unter den Schöffer’schen Titelblättern, ist eine Landgerichtsordnung, gedruckt nach dem 25. Februar 1498.150 Oberhalb der dreizeiligen Titelformulierung zeigt ein Holzschnitt das Wappen des Auftraggebers Johannes Graf zu Nassau-Dillenburg. Das illustrierte Titelblatt ist eine seltene Ausnahme bei Schöffer, und auch hier hat das Wappen keine schmückende Funk-tion, sondern beglaubigt den im Auftrag des Grafen hergestellten Gesetzestext.151

Die Praxis der Titelblattverwendung Peter Schöf-fers erscheint inkonsequent. Aus der Mainzer Werk-statt gehen mit den Türkenbullen 1463 die beiden

148 S. oben S. 27f. 149 ISTC ih00062000, GW 12268. 150 ISTC Ij00224300. 151 Vgl. auch Schottenloher: Frühdruck im Dienste der öffent-lichen Verwaltung, S. 139.

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32 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Abb. 4: Bucheingänge der Offizinen Fust/Schöffer und Schöffer im Vergleich zur deutschen Titelblattproduktion ersten Inkunabeltitelblätter überhaupt hervor, und mit dem Herbarius latinus erscheint 1484 eines der frühes-ten Titelblätter mit einer Firmierung durch das Signet. Diese Beispiele, vielfach abgebildet, werden immer wieder als Beleg für die Innovationskraft Peter Schöf-fers bzw. als wichtige Fortschritte der Titelblattent-wicklung interpretiert. Überblickt man aber die Titel-blattpraxis der Schöffer’schen Offizin insgesamt und damit den typographischen Alltag der Offizin, trübt sich das Bild. Obwohl in der Offizin von Fust und Schöffer die ersten Titelblätter gedruckt werden, ist eine ansatzweise geregelte Titelblattverwendung spä-ter und in geringerer Dichte erkennbar, als dies die Gesamtstatistik unserer Erhebungen nahe legt. Das durchschnittliche Titelblatt Schöffers beschränkt sich auf die Werkkennzeichnung und dies in möglichst unaufwändiger Gestaltung. Dass das illustrierte Titel-blatt fast gänzlich fehlt, hat seinen Grund unter ande-rem im Produktionsprofil der Offizin.

Die Titelblattpraxis der Offizin Schöffer ist ty-pisch und untypisch zugleich. Sie ist typisch für die Massenproduktion des unauffälligen typographischen Titelblatts, der üblichen Variante für einen Verlag mit diesem Produktionsprofil in der Inkunabelzeit. Die Offizin dürfte auch typisch sein für die inkonse-quente Praxis der Verwendung von Titelblättern; die Gesamtstatistik überdeckt dies allzu leicht. Untypisch

sind die signifikanten Abweichungen vom Gesamt-bild bei der Titelblattverwendung nach der quantita-tiven Analyse. Dies gilt besonders für die Stagnation in den letzten beiden Inkunabeljahrzehnten. In seiner immer noch maßgeblichen Biographie Peter Schöf-fers von 1950 resümiert Lehmann-Haupt:

In seinen frühen Jahren war Peter Schöffer als Dru-cker und Buchgestalter Pionier gewesen, auch spä-ter stand er dem Fortschritt nicht ablehnend gegen- über. Er verschloß sich nicht neuen Herausfor-derungen und Bedingungen, aber Schritt für Schritt verlor er seine frühere, unangefochtene Führungs-position. Der Verleger Peter Schöffer erscheint in einer ähnlichen Perspektive. Seine frühen Leistun-gen blieben das Fundament seines Geschäftes. Der Wechsel auf neue Gebiete beschränkte sich auf ver-einzelte Versuche.152

Diese Einschätzung der gilt auch für die Buchtitel-blätter Peter Schöffers.

152 Lehmann-Haupt: Peter Schöffer, S. 58.

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<1471 1476–1480 1486–1490 1496–1500

Buchbeginn mit 1r bedruckt (Schöffer) Buchbeginn mit Leerblatt (Schöffer)Buchbeginn mit Leerseite (Schöffer) Drucke mit T itelblatt (Schöffer)Drucke mit T itelblatt (Deutschland insgesamt)

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2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig 33

Abb. 5: Für die Offizin Schöffer typisches Titelblatt: Wandalbertus. Legenda et miracula sancti Goaris. Mainz: [Peter Schöffer] für Johannes Gisen de Nasteden, 1489

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34 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ – Systematik und quantitativer Vergleich

3.1 Die Zeichenmittel des Titelblatts Der oben beschriebene Verlauf der Einführung und Durchsetzung des Titelblatts beruht auf einer Titel-blattdefinition nach obligatorischen bzw. ausschlie-ßenden Kriterien, die der Datenerhebung zugrunde gelegt wurden. Wiederum ausgehend von den auf dem ISTC beruhenden Listen wurde – soweit eine bibliographische Klärung möglich war – ermittelt, wie das Titelblatt in den Lagenverbund integriert ist, welche Texte auf das Titelblatt folgen und welche Schmuckformen für das Titelblatt verwendet werden. Auch die ›Vorläufer‹ des Titelblatts, Leerseite und Leerblatt, wurden berücksichtigt.

Für die Beschreibung der Zeichenmittel greife ich auf die von Wehde entwickelte Theorie der Typogra-phie auf zeichentheoretischer Grundlage zurück, die sich an den semiotischen Theorien von Charles S. Pierce und Umberto Eco orientiert. Mit Wehdes systematischen Überlegungen zum Zeichencharakter und Zeichenrepertoire der gestalterischen Typogra-phie liegt erstmals ein ausgearbeitetes Klassifikati-ons- und Beschreibungsmodell vor, das auch für typo-graphiegeschichtliche Untersuchungen herangezogen werden kann.153

Die wichtigsten Zeichenmittel des Titelblatts sind: Auf der Ausdrucksseite:154

– makrotypographisch: Separierung und Positionie-rung; diese Zeichenmittel definieren die Stellung der Titelseite im Buchaufbau bzw. der Bucheröff-nung

– mesotypographisch: die Gliederung der Fläche und die Anordnung sprachlicher und bildlicher Zeichen auf der Seite

– mikrotypographisch: typographische Gestaltung (Auszeichnung) von natürlichsprachlichen (z. B. werk- und buchkennzeichnenden) Metatexten

Auf der Inhaltsseite: – die natürlichsprachlichen Zeichen; – die bildlichen Zeichen (Titelschmuck, Signet,

Titelillustration) Die folgenden Kapitel behandeln zunächst die Zei-chenmittel auf der Ausdrucksebene, d. h. die typogra-phische Gestaltung der Titelseite und ihre Position im

153 Vgl. Wehde: Typographische Kultur. 154 Zur Unterscheidung von Ausdrucks- und Inhaltsseite vgl. ebd. Kap. 5.4.2.

Buchaufbau. Auf der Inhaltsebene werden die werk- und buchkennzeichnenden sprachlichen Metatexte behandelt. Die bildlichen Zeichen sind nicht eigens abgehandelt, da weder eine Theorie des Bildes noch eine stilgeschichtliche Untersuchung angestrebt wird. In den quantitativen Analysen wird dekorativer und illustrierender Titelschmuck lediglich formal berück-sichtigt (›gezählt‹). Auch die Signete als bildliche Zeichen finden nur in ihrer buchkennzeichnenden Funktion Beachtung. Einer stärker inhaltsorientierten Analyse des Titelbildes widmen sich die Ausführun-gen zum illustrierten Titelblatt und die Fallstudien.

Bewusst wird bei der Darstellung der Ergebnisse des Erlanger Forschungsprojektes auf den in der Forschung von Pollard eingeführten und häufig be-nutzten Begriff des Label-Titels verzichtet. Da die Beschreibung dispositiver Titelblattformen von den verwendeten Zeichenmitteln ausgeht, wird die Be-zeichnung typographisches Titelblatt als Gegensatz zum illustrierten Titelblatt verwendet. Die Gestaltung des typographischen Titelblatts im Einzelnen ist über die genaue Layoutanalyse auf der mikrotypographi-schen Ebene ablesbar. Gegen die Bezeichnung Label-Titel spricht, dass sie einen Kurz- oder Schlagwortti-tel als Werkbezeichnung andeutet. Unter den rein typographischen und schmucklosen Titelblättern finden sich jedoch viele Beispiele für ausführliche Incipit-Titel oder umfangreiche, den Inhalt erläutern-de Sachtitel, die den Sachverhalt eines Schlagwortti-tels nicht treffen. 3.2 Die makrotypographischen Zeichenmittel Die Makro- oder Großtypographie bezieht sich auf den gesamten Aufbau des Buchs und die seitenüber-greifende Verteilung und Gestaltung von Texten und Bildern. Die folgenden Überlegungen berücksichti-gen die Positionierung des Titelblatts, dessen Spit-zenstellung im frühen Buchdruck festgelegt wird. 3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 3.2.1 Leerseite, Leerblatt und Titelblatt Der Zusammenhang zwischen der Bucheröffnung mit einer oder mehreren Leerseiten und der Entwicklung des Titelblatts ist bereits von Haebler in Grundzügen erkannt worden; Smith diskutiert die Leerseite aus-führlich.155 Das folgende Diagramm (Abb. 6) zeigt Leerseite und Leerblatt im Vergleich mit den übrigen Formen der Bucheröffnung für Deutschland.

155 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 14.

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 35

Abb. 6: Die Gestaltung des Bucheingangs in Deutschland Nach zögerlichem Beginn ab 1461, deutlicher um 1468, wird eine Neuerung bei der Planung der ersten Lage greifbar: Es erscheinen zunehmend Bücher, die mit einer Leerseite oder einem Leerblatt beginnen. Das erste Leerblatt im Buchaufbau einer Inkunabel eröffnet Ulrich Boners Der Edelstein, erschienen in Bamberg bei Albrecht Pfister um 1462.156 Es handelt sich um einen Vorläufer, denn regelmäßiger stattet erst der Kölner Ulrich Zell ab 1467 seine lateinischen theologischen Drucke mit einem Leerblatt zu Beginn aus. Bis Ende 1470 haben 33 deutsche Inkunabeln ein Leerblatt, allein zwanzig kommen aus Zells Werkstatt. Damit ist Ulrich Zell der Begründer dieser neuen typographischen Praxis. Die restlichen Drucke mit Leerblatt zeigen eine breite Streuung über unter-schiedliche Drucker.

Anders stellt sich die seltenere Bucheröffnung mit nur einer Leerseite und bedruckter Rückseite dar. Nur acht Inkunabeln bis 1470 beginnen mit nur einer Leer-seite, die erste erscheint wiederum bei Pfister um 1463 im Ackermann von Böhmen.157 Zell eröffnet nie mit einer Leerseite. Ein deutlicher Schwerpunkt ist auch

156 Ulrich Boner: Der Edelstein. [Bamberg: Albrecht Pfister, um 1462] (ISTC ib00974550, GW 4840). 157 Der Ackermann von Böhmen. [Bamberg: Albrecht Pfister, um 146] (ISTC ia00039000, GW 194).

hier nicht erkennbar. Lediglich zwei weitere frühe Bei-spiele stammen von Johann Mentelin in Straßburg.158

Um die Mitte der 1470er Jahre übersteigt die Zahl der Ausgaben mit Leerstelle zum Buchbeginn die der Drucke mit einer bedruckten ersten Seite und erreicht ein Niveau, das für das nächste Jahrzehnt mit einem leichten Anstieg erhalten bleibt. Nach 1483 geht die Zahl der Drucke mit Leerseite oder Leerblatt schnell zurück. Der Rückgang des Leerraumes zum Buchbe-ginn korreliert deutlich mit dem Anstieg der Zahl der Titelseiten. Insgesamt machen die Drucke mit Leer-blatt oder Leerseite in Deutschland in der Inkunabel-zeit 21,5 % aller Drucke aus.159 Zwischen 1481 und 1485 beginnen 54,0 % der deutschen Drucke mit einer oder mehreren Leerseiten und 17,4 % haben ein Titelblatt. Bereits im folgenden Jahrfünft 1486 bis 1490 haben 72,9 % ein Titelblatt, während die Zahl der Drucke mit Leerseite oder Leerseiten auf 13,6 % zurückfällt.

158 Aurelius Augustinus: De arte praedicandi. [Straßburg: Johann Mentelin, um 1466] (ISTC ia01226000, GW 2871). Hiero-nymus: Epistolae. [Straßburg: Johann Mentelin, nicht nach 25. November 1469] (ISTC ih00162000, GW 12422). 159 Bezogen auf die geklärten Fälle, ohne Einblattdrucke. – Zu einem höheren Ergebnis von 29,4 % kommt Smith (The title-page, S. 49); allerdings liegt ihren Berechnungen ein Sample ohne regionale Differenzierung zugrunde.

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Buchbeginn mit 1r bedruckt Buchbeginn mit Leerblatt Buchbeginn mit Leerseite

Drucke mit T itelblatt Sonderfälle ungeklärt / Verlust

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36 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Sehr ähnlich sind die Ergebnisse für die niederländi-schen Inkunabeln160 mit 54 % (Leerblatt bzw. Leersei-ten) zu 10,6 % (Titelblatt) zwischen 1481 und 1485 und 16,4 % zu 59 % für das folgende Jahrfünft (Abb. 7).

Für den Druckort Venedig161 zeigt sich eine ver-zögerte Entwicklung (Abb. 8). Während 1486 bis 1490 69,2 % mit Leerseite oder Leerseiten beginnen und 11,7 % mit einem Titelblatt, kehrt sich im Jahr-fünft von 1491 bis 1495 die Tendenz um: 17,5 % (Leerblatt bzw. Leerseiten) zu 67,7 % (Titelblatt).

Aus der quantitativen Erhebung lässt sich schließen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Leerstelle am Beginn des Buchs und der Titelseite gibt. Um 1485 in Deutschland und den Niederlanden, etwas verspätet auch in Venedig, wird die zu diesem Zeitpunkt häufig vorkommende erste leere Seite zunehmend für Meta-texte der Buchkennzeichnung genutzt. Allerdings vergehen mindestens fünfzehn Jahre zwischen dem Auftauchen der ersten leeren Seite(n) bis die Drucker die Möglichkeit in Erwägung ziehen, diese als Titel-blatt zu nutzen. Die Leerseite selbst ist nicht auf die Titelseite hin geplant worden.

Für die mittelalterliche Handschrift gibt es keine quantitative Untersuchung über das Vorkommen von Leerseiten am Buchbeginn; es muss also offen blei-ben, ob diese Art der Bucheröffnung eine Neuerung des gedruckten Buchs ist oder nicht. Allerdings spricht einiges für diese Vermutung, denn die Drucke im ersten Jahrzehnt nach der Einführung der Typo-graphie, die sich stark an handschriftlicher Buchge- staltung orientieren, bleiben in Deutschland generell ohne Leerräume zu Beginn. Es stellt sich also die Frage nach der Funktion der Leerseite oder des Leer-blatts für das typographisch gedruckte Buch. Die ältere und neuere Forschungsliteratur bevorzugt die These, die erste Leerseite habe die Funktion, die ausgedruckten Bogen bei Lagerung und Transport zu schützen,162 eine These, die allerdings mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Denn die dauerhafte Falzung des Druckbogens gehörte in der Regel zu den Aufgaben des Buchbinders, der meist erst im Auftrag des Buchkäufers den festen Einband anfer-tigte. Nach allem, was wir wissen, wurden die la-genweise zusammengetragenen Druckbogen in der Druckwerkstatt lediglich einmal in der Mitte umge-legt.163 Zudem spricht gegen diese These, dass im-

160 Die Prozentzahlen beziehen sich auf die geklärten Fälle von 81,2 %. 161 Die Prozentzahlen beziehen sich auf die geklärten Fälle von 85,8 %. 162 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 6, 12. 163 Gaskell: A New Introduction, S. 143f., geht davon aus, dass in der Druckerwerkstatt die Druckbogen nach dem Trocknen in der Reihenfolge der Bogensignaturen auf einzelne Stapel je-weils gleicher Bogen geschichtet und die Exemplare vom letzten bis zum ersten Druckbogen zusammengetragen wurden. Das einzelne Exemplar wurde im Folio-, Quart- und Oktavformat

merhin 447 der Inkunabeln in Deutschland eine zwar leere erste Seite (gegenüber 971 Inkunabeln mit Leerblatt) aufweisen, die Rückseite aber bedruckt ist; ein beschmutztes Blatt hätte ohne Text- oder Bildver-lust nicht aus dem Buchblock heraus gelöst werden können.164

Die folgende Erklärung fragt zunächst nach der zeichentheoretischen Bedeutung des Leerraumes zum Buchbeginn. Diese lässt sich auch aus vereinzelten historischen Belegen erschließen. Bereits Haebler beschreibt die Praxis einiger Drucker, das erste leere Blatt mit einer Bogensignatur zu versehen, was auf die bewusste Planung und Bezeichnung des Leer-raumes im Lagenzusammenhang deutet.165 Smith ver-weist weiter auf das Beispiel Venezianischer Dru-ckerverleger, die im Registrum ihrer Bücher, einem Inhaltsverzeichnis anhand der einzelnen Lagenbe-zeichnungen, die erste freie Seite mitzählen und mit dem Lateinischen ›vacat‹ oder ›prima alba‹ auffüh-ren, unabhängig davon, ob es sich um eine gänzlich leere oder nur mit einem kurzen Titel bedruckte Seite handelt.166 Diese Beobachtungen bestätigen die be-deutungstragende Funktion des Leerraums aus der Sicht des zeitgenössischen Buchherstellers. Da eine oder mehrere leere Seiten am Buchbeginn nicht − wie etwa am Ende der Lage − zufällig sein können, werden diese bewusst in die Lagenplanung einbezo-gen. Auf das Techniksystem des Hochdrucks bezo-gen, ist der freie Raum Ergebnis des Setzvorgangs ebenso wie die zu Wörtern und Sätzen zusammenge-tragenen Buchstaben etc. Ein Leerraum wird durch einen materiellen Körper erzeugt und muss, wie auch die bildtragenden Lettern, in die Druckform einge-bunden werden. In diesem System sind Weißräume entlang der Höhe des Bogens und beim Duodez entlang der Breite mittig gefalzt, gepresst und gestapelt zum Verkauf oder zum Transport. Nickel: Inkunabeln als Lagerproblem, S. 30, geht − im Gegensatz zu Gaskell − davon aus, dass die zu vollständigen Exemplaren zusammengetragenen, aber ungefalteten Planobögen in der Offizin zu Stapeln aufeinander geschichtet wurden, von denen bei Bedarf die angeforderten Exemplare heruntergenommen wurden. Janssen: A note on loose-sheets, führt Belege für erhalte-ne, gefaltete Druckbogen an; er bezieht sich im Folgenden aller-dings auf die Übergabepraxis von der Druckwerkstatt zum Verle-ger, wobei offen bleibt, wie die frühen Druckerverleger ihre Ware in die Filiale, zum Zwischenhändler oder zum Endkunden trans-portierten. Welche Praxis die gängige war, lässt sich aufgrund der Forschungslage nicht sagen. − Zur Diskussion in der Titelblatt-Literatur vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 12. 164 Für Deutschland ergibt sich bei den geklärten Fällen eine Zahl von 971 Inkunabeln mit Leerblatt und 447 mit Leerseite. Der relative Wert ist bezogen auf die Anzahl der geklärten Fälle ohne Einblattdrucke. 165 Vgl. Haebler: Inkunabelkunde, S. 122. 166 Z. B. im Inhaltsverzeichnis eines Druckes von Baptista de Tortis, Venedig 1497; dort wird der Titel, der aus einem Schlag-worttitel und dem Nachnamen des Druckerverlegers »Instituta de Tortis« auf einer sonst weißen Seite besteht, als »Prima alba«, also als erste weiße Seite der ersten Lage aufgeführt; vgl. Smith: The title-page, S. 69.

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 37

Abb. 7: Die Gestaltung des Bucheingangs in den Niederlanden

Abb. 8: Die Gestaltung des Bucheingangs in Venedig

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Buchbeginn mit 1r bedruckt Buchbeginn mit Leerblatt Buchbeginn mit Leerseite

Drucke mit T itelblatt Sonderfälle ungeklärt / Verlust

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Buchbeginn mit 1r bedruckt Buchbeginn mit Leerblatt Buchbeginn mit Leerseite

Drucke mit T itelblatt Sonderfälle ungeklärt / Verlust

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38 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Kompositionselemente der Kolumne (Seite), des Satz-spiegels wie der gesamten Druckform. Eine der wich-tigsten Auswirkungen des Setzens von Schrift im Ge-gensatz zum Schreiben ist ein bewussterer Umgang mit der Flächengliederung, da jeder weiße Raum über die typographischen Null-Zeichen167 durch das Blind- und Stützmaterial materiell repräsentiert wird.

In zeichentheoretischer Deutung markieren Leer-räume und Leerseiten im typographischen System eine Unterbrechung, eine Pause oder den Beginn von etwas Neuem. Innerhalb des typographischen Sys-tems argumentiert, können der Freiraum oder die Leerfläche vor dem Werkbeginn als Zeichen für das Bedürfnis der Typographen gedeutet werden, nicht ›mit der Tür ins Haus zu fallen‹. Damit würde es sich nicht um ein funktionales, sondern eher ein ästheti-sches Phänomen handeln, das im Zusammenhang mit einer mit dem Druck neu zu entwickelnden buchtypi-schen Zeichensprache gehört.

Zu den obligatorischen Kriterien der Titelblatt-Definition gehören die Separierung der Metatexte vom Werktext oder anderen einleitenden Paratexten sowie die Positionierung am Buchbeginn. Einer der ersten und wichtigen Schritte auf dem Weg zum Titelblatt ist damit die Freistellung von titelblattrelevanten Informa-tionen am Beginn der Bucheinheit. Die Frontstellung der Titelseite entspricht der besonderen Bedeutung der Informationen auf dem Titelblatt. Weiter betont die räumliche Separierung die metatextuelle Qualität die-ser Informationen. Die Voraussetzungen für die beiden Kriterien der Spitzenstellung und der Separierung sind mit der Einführung des Leerblatts bzw. von Leerseiten am Buchbeginn gegeben. In der nun bedruckten Titel-seite bleibt die Leerseite am Buchbeginn im hohen Anteil an nicht bedrucktem weißen Raum gegenüber der ›normalen‹ Buchseite präsent. Positionierung, Se-parierung und Spannung zwischen graphischen und typographischen Elementen und der weißen Fläche gehören bis heute zu den wesentlichen Merkmalen des typographischen Dispositivs ›Titelseite‹, auch wenn Epochen ›barocker‹ Titelblattgestaltung dies manch-mal vergessen lassen.168 In der europäischen Buchge-schichte ist die frühe typographische Titelseite mit ihrem hohen Weißanteil vermutlich das erste regelhaft gestaltete Element eines Buchs, das die Spannung zwischen bedruckter (beschriebener) Fläche und lee-rem Raum derart disponiert aushält.

167 Vgl. Wehde: Typographische Kultur, S. 103f. 168 Einen anschaulichen Überblick über diese verschiedenen Epochen der Titelblattgestaltung gibt De Vinne: The practise.

3.2.2 Die Position der Titelseite 3.2.2.1 Die Titelseite auf der Rückseite des ersten Blatts Zu den Experimenten früher Drucker gehören die Titelseiten auf der Rückseite des ersten Blatts bei leerer Vorderseite. Ein frühes Beispiel ist der Fabu-larius seu Repertorium vocabulorum des Conrad von Mure, um 1475 in Basel von Bertold Ruppel ge-druckt.169 In Form eines mehrzeiligen Absatzes wer-den Titel, Inhalt, Autor und das Entstehungsjahr des Werks genannt, darunter folgen fünf Distichen mit dem Lob des Druckers und einer Anrede an den Le-ser. Diese umfangreichen bucheinleitenden Beitexte sind klar vom Werkbeginn auf der folgenden dritten Seite getrennt, aber noch nicht auf die einleitende Leerseite vorgerückt. Auch die neun Kleindrucke des Hans Folz aus den Jahren 1479/80 haben Titelseiten auf der Rückseite des ersten leeren Blatts,170 während nach 1482 die Titelseite bei Folz generell nach außen auf die Vorderseite rückt. Da der Aufbau dieser spä-teren Drucke stärker unter ökonomischen Gründen geplant ist, dürfte hier die Platzersparnis ein Grund sein. Weitere deutsche Drucke mit rückseitiger Titel-seite sind Anton Sorgs Augsburger Erstdruck des Tristan aus dem Jahr 1484 sowie ein weiterer Augs-burger Druck aus dem Jahr 1486171 und ein Mag-deburger Druck um 1484.172

Für Italien nennt Hirsch unter den von ihm aufge-führten ersten Titelseiten bis 1479 überwiegend Aus-gaben, bei denen die Titelseite bei leerer Vorderseite auf der Rückseite des ersten Blatts erscheint. Darun-ter sind die italienische Erstausgabe des Hermes Trismegistus De potestate et sapientia Dei, in Trevi-so von Gerardus de Lisa 1471 gedruckt,173 und Anto-ninus Florentinus’ Specchio di conscienza, Bologna: Balthasar Azoguidus, 1472, mit Impressum und Ver-weis auf die Tabula.174 Eine Art Titelseite hat auch die Ausgabe einer italienischen Ars Moriendi, ge-druckt 1478 in Verona von Giovanni und Alberto Alvise.175 Auf der Rückseite des ersten Blatts findet

169 Vgl. Hirsch: The earliest development, XVII; ISTC ic00855000 (Datierung um 1475 nach BSB-Ink); GW 7424 (da-tiert um 1470). 170 Vgl. Rautenberg: Das Werk als Ware. Es handelt sich um die Drucke: ISTC if00239220, GW 10113; ISTC if00239310, GW 10122; ISTC if00239440, GW10135; ISTC if00239510, GW 10142; ISTC if00239210, GW 10112; ISTC if00239360, GW 10127; ISTC if00239460, GW 10137. 171 Siehe Fallstudie Augsburg im folgenden Band. 172 Salomon et Marcolfus. [Magdeburg: Albert Ravenstein und Joachim Westval, um 1484] (ISTC is00096000, GW 12756). 173 Vgl. Hirsch: The earliest development, S. XVIIf. u. Abb. 3 (ISTC ih00077000, GW 12310). 174 ISTC ia00843000, GW 2173. 175 Vgl. Barberi: Il frontespizio, S. 45f. u. Abb. Tafel II; Sander: Le livre à figures, Nr. 629, Abb. 120 (ISTC ia01104000, GW 2621).

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 39

sich eine ausführliche, anpreisende Titelformulie-rung, deren Satz von typographischen Zierstücken durchbrochen und gerahmt wird. Barberi widmet in seiner Untersuchung der italienischen Titelblätter der Rückseite des ersten (leeren) Blatts ein Kapitel, wo-bei er neben werk- und buchkennzeichnenden Hin-weisen auch Bilder und Widmungen etc. einbezieht. Auch Barberi erklärt diese rückwärtigen Titelseiten mit der Schutzblatttheorie.176

Die frühen deutschen und italienischen Beispiele zeigen, dass titelseitenähnliche Paratexte auf der Rückseite eines auf der Vorderseite leeren Blatts mit einer prädispositiven Anordnung nicht standardisier-ter werk- oder buchbeschreibender Paratexte einher-gehen. Man sollte das Phänomen des rückseitigen Titels daher nicht überbewerten. Ein vereinzeltes Beispiel ist auch die von Johnson erwähnte mehrbän-dige Ausgabe der Werke des Pietro Bembo von 1548, in Rom bei den Gebrüdern Dorici gedruckt.177 3.2.2.2 Der Endtitel Die Titelseite konkurriert für kurze Zeit mit dem End- oder Schlusstitel. Das Phänomen ist in der Lite-ratur gut erschlossen und wird im Zusammenhang mit der Positionierung eines Impressums am Ende des Buchs diskutiert. Haebler schreibt:

Es wäre nur eine folgerichtige Entwicklung gewe-sen, wenn sich aus der Schlußschrift der Wiegen-drucke ein Schlußtitel herausgebildet hätte. In der Tat weisen eine bescheidene Anzahl von Druck-werken der Inkunabelzeit einen solchen Schlußtitel auf. An eine konsequente Entwicklung wird man aber dabei doch wohl nicht denken dürfen. Die Druckwerke, bei denen sich ein solcher Schlußtitel findet, gehören ohne Ausnahme erst einer verhält-nismäßig späten Zeit an, in der auch die Gestaltung eines Anfangstitels bei den Frühdruckern sich ein-zubürgern begonnen hatte.178

Smith schätzt die Zahl der erhaltenen Endtitel für die Inkunabelzeit auf ca. 150. Bei den (wenigen) Drucken, die sowohl einen Anfangs- als auch einen Endtitel haben, interpretiert sie dies als Form eines in den Buchblock integrierten Umschlags für das ungebunde-ne Buch. Letztlich aber lassen sich nach Smith wegen der geringen Zahl der bekannten Beispiele kaum siche-re Schlüsse über die Funktion des Endtitels ziehen: »Because there were so few end-titles altogether they cannot detain us further. They represent part of the

176 Vgl. Barberi: Il frontespizio, S. 45f., S. 44. 177 Johnson: One hundred title-pages, S. VI. 178 Haebler: Inkunabelkunde, S. 120.

early working out of the handling of title information and methods of opening and closing books.«179

Ein gutes Beispiel für die Verbindung von Anfangs- und Schlusstitel ist ein Venezianischer Druck von Augustinus’ De civitate dei aus den Jahren 1489/90.180 Die Ausgabe hat auf der Titelseite den typographi-schen Titel »Augustinus de ciuitate dei cum commen-to.« Dieser wird in identischem Satz auf der Rückseite des letzten Blatts wiederholt; beide Titel stehen nahe beim Bund in der Mitte der Seite. Die eigentliche Bucheinleitung beginnt auf der Rückseite der Titelsei- te mit einem großen, in zwei Bildflächen geteilten und typographisch beschrifteten Texteinleitungsholzschnitt (Augustinus als Autor in der Schreibstube im oberen Teil, im unteren Teil eine Darstellung von Sion und Babylon) sowie einleitenden Distichen. Das Buch endet auf der Recto-Seite des letzten Blatts mit dem Registrum und der Verlegermarke. Ist der Buchblock geschlossen, sind lediglich Anfangs- und Schlusstitel sichtbar, wobei diese Seiten wegen der bedruckten Verso-Seiten nicht zum Wegfall beim Binden be-stimmt sein können. Die beiden Kurztitel sind für die schnelle Identifizierung des Buchs gedacht, alles Weitere, der Blickfang des Holzschnittes und der Hinweis auf den Verleger, liegen innen.

Neben dem Endtitel legt aber auch der Kolophon, der im frühen Buch in Kontinuität mit der Hand-schriftenpraxis am Schluss oder gegen Ende des Buchs positioniert ist, die Frage nahe, warum sich das Titelblatt nicht in der Endposition etabliert hat. Wie der Forschungsbericht zeigt, wird eine direkte Beziehung zwischen dem Kolophon und der Entste-hung des Titelblatts abgelehnt, nicht zuletzt auch aus inhaltlichen Gründen.181 Der Kolophon dient weniger der Werkkennzeichnung, die ihren Platz in der Spit-zenposition der Incipit-Formulierung hat, sondern ist als abschließende Bemerkung des Schreibers nach getaner Arbeit zu sehen, der sich selbst nennen kann, und Ort und Zeit, an und zu denen die Abschrift beendet worden ist. Ähnlich ist nach Pollard auch die Funktion des Kolophons im Buchdruck zu sehen: »Colophons, in fact, are the sign and evidence of the printer’s pride in his work, and this is the main clue we have in seeking for them.«182 Zudem ist ein Ko-lophon weder in der Handschrift noch im Inkunabel-druck die Regel; auch hier ist der Kolophon nicht mit dem Titelblatt vergleichbar, das obligatorisch wird.

179 Smith: The Title-page, S. 73 bzw. S. 71. 180 Aurelius Augustinus: De civitate dei. Venedig: [Bonetus Locatellus] für Octavianus Scotus, 18. Februar 1489/90 (ISTC ia01245000, GW 2889). 181 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 5. 182 Vgl. Pollard: An essay, S. 7.

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40 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

1v leer65,4 %

1v mit Einleitungsholzschnitt

7,9 %

1v mit abgeschlossenem

Kleintext9,5 %

1v mit Text- oder Registerbeginn

17,2 %

1v mit ganzseiteigem Holzschnitt

7,9 %

1v mit abgeschlossenem

Kleintext11,7 %

1v mit Text- oder Registerbeginn

23,2 %

1v leer57,2 %

3.2.3 Die Titelseite und nachfolgende Seite Das Verhältnis von Titelseite und nachfolgenden Tex-ten, Illustrationen oder Leerseite(n) ist in einem weite-ren Schritt zu klären (Abb. 9). Für deutsche Druckorte konnte in 91,0 % (3.323 von 3.649) der Inkunabelaus-gaben mit Titelblatt eine Zuordnung vorgenommen werden.183 Danach folgt bei 57,2 % eine leere Seite, bei 11,7 % ein kleinerer abgeschlossener Text, bei 7,9 % ein ganzseitiger Titelholzschnitt (u. U. mit einer typographischen Bildlegende) und bei 23,2 % der Fäl-le der Beginn eines längeren Textes, z. B. der Werk-text oder ein Registrum. Nimmt man die ersten drei Fälle zusammen, ergibt sich bei 76,8 % eine deutliche Separierung des ersten Blatts mit der Titelinformation vom übrigen Buchinhalt, eine frühe Entscheidung für ein Blatt und nicht nur eine Seite, das für Titelinfor-mationen eingeplant wird.

Abb. 9: Deutschland: Titelseite und nachfolgende Seite Für die Niederlande ergibt sich ein ähnliches Bild (Abb. 10): Bei 96,6 % (748 von 772) der für nieder-ländische Inkunabeln nachgewiesenen Drucke mit Titelblatt findet sich in 82,8 % der Fälle eine Tren-nung im Buchaufbau zwischen Titelblatt und weite-rem Buchinhalt.184 Eine leichte Differenz ist nur bei Text- bzw. Registerbeginn auf der Rückseite der Titelseite zu verzeichnen.

183 Entweder durch Autopsie oder nach GW und Hain. 184 65,4 % mit leerer Rückseite, 17,2 % mit Text- oder Regis-terbeginn, 7,9 % mit ganzseitigem Holzschnitt, 9,5 % mit kurzem abgeschlossenem Text.

Abb. 10: Niederlande: Titelseite und nachfolgende Seite Für den Druckort Venedig bestätigt sich dies noch-mals (Abb. 11): Bei 80 % der Titelblätter (908 von 1.134) konnte die Gestaltung der Rückseite geklärt werden. Von diesen geklärten Fällen zeigen 80,2 % diese Separierung, davon 53,2 % mit leerer Rückseite. Für Venedig ist allerdings der höhere Anteil von klei-nen abgeschlossenen Texten auf der Titelblattrücksei-te (24,2 %) gegenüber Deutschland und den Nieder-landen auffällig, wobei es sich häufig um einseitige Verleger- oder Herausgebervorworte handelt. Dabei scheint es sich um eine für Venedig charakteristische Form der Bucheröffnung für wissenschaftliche Bü-cher zu handeln, da dieser Typus auch bei titelblattlo-sen Drucken (Leerseite mit Herausgebervorwort auf der Rückseite) häufig vorkommt. Demgegenüber ist der Anteil von ganzseitigen Holzschnitten auf der Rückseite der Titelseite mit nur 2,8 % niedriger als in Deutschland und den Niederlanden.

Auch hier kann man die titelblattlosen Drucke an-derer Druckorte zum Vergleich heranziehen: Für Augsburg, Straßburg und Nürnberg ist die Kombina-tion Leerseite und Einleitungsholzschnitt auf der Rückseite geläufig. Die beiden Varianten − Leerseite zu Beginn mit einem kleinen abgeschlossenen Text auf der Rückseite bzw. Leerseite mit einem Einlei-tungsholzschnitt − belegen die wichtige Rolle der be-wusst geplanten Leerseite als Voraussetzung des Titel-blatts.

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 41

Abb. 11: Venedig: Titelseite und nachfolgende Seite 3.2.4 Die Titelseite im Lagenverbund Offen ist noch, wie sich das Titelblatt im Lagenver-bund verhält. Mit der Entstehung des Titelblatts geht − zumindest in Deutschland und den Niederlanden − keine Entwicklung zum Titelbogen als separate Lage einher.185 In 96,9 %186 konnte die Einbindung des Titelblatts in die erste Lage geklärt werden; davon beginnt bei nur 8,9 % der Werktext erst mit der zwei-ten oder einer späteren Lage. Anders verhält es sich beim Druckort Venedig, für den sich in 22,7 %187 das Titelblatt auf einer separaten Lage findet, wobei eine deutliche Zunahme separat gedruckter Vorstücke gegen Ende der Inkunabelzeit festzustellen ist.188 Vor allem Register189 oder Kalender190 mit bucherschlie-ßender Funktion, die den modernen Inhaltsverzeich-nisses vergleichbar sind, füllen − mit oder ohne Titel-blatt − die separate Lage. Anders als das Phänomen des Titelblatts sind separate Register jedoch keine Errungenschaft des gedruckten Buchs, sondern finden sich u. a. bei juristischen, theologischen und wissen- 185 Zu erkennen an Lagensignaturen wie Sonderzeichen, römi-sche Ziffern etc. oder ganz ohne Lagenbezeichnung, wobei die folgende Lage mit dem ersten Buchstaben des Alphabets beginnt. 186 3.537 von insgesamt 3.649 ermittelten Drucken mit Titelblatt. 187 247 von 1.090 Fällen, in denen der Lagenaufbau geklärt werden konnte. 188 Separate Lagen mit oder ohne Titelblatt bei Venezianischen Inkunabeldrucken: 1481−1484: 3,6 %, 1486−1490: 5,2 %, 1491− 1495: 14,6 %; 1496−1500: 15,6 %. 189 Zusammenstellungen der Kapitelanfänge in der Folge des Buchaufbaus (›Tabula rubricarum‹), aber Stich- und Schlagwort-register (›Tabula materiarum‹). 190 Vor allem Texte, die nach dem Kirchenjahr angeordnet sind, z. B. Legendare, Predigtsammlungen, Liturgica.

schaftlichen Handschriften des Mittelalters häufig, ent-weder zu Beginn oder am Ende der jeweiligen Buch-einheit. Das Titelblatt wird eher in die separat geplante Lage mit den Vorstücken integriert, die dann aller-dings die Spitzenposition einnehmen muss und nicht mehr ans Ende gebunden werden kann. 3.3 Die mesotypographischen Zeichenmittel: Flächengliederung Die Art der Anordnung von sprachlichen und bildli-chen Elementen auf der Buchseite gehört zu den typo-graphischen Zeichenmitteln auf einer mittleren (meso-typographischen) Ebene; im Folgenden wird die Flä-chengliederung der Titelseite behandelt. Nach Wehde sind »Flächensyntaktische Formbildungen […] sowohl unabhängig vom Bedeutungssystem typographischer Dispositive als auch unabhängig vom jeweilig zugrun-deliegenden sprachlichen Textinhalt bedeutungshaft.«191 So werden z. B. die räumlichen Zuordnungen oben und unten bzw. vorn und hinten kulturtypisch als hie-rarchische Verhältnisse interpretiert. Regeln der Flä-chengliederung sind in typographischen Handbüchern niedergelegt und bestimmen als Ordnungen wesentlich die Gestalt typographischer Dispositive. Für das Titel-blatt bzw. den (modernen) Titelsatz gilt nahezu unum-stößlich der Grundsatz, dass die Hauptgruppe mit der Urheber- und Werkkennzeichnung oben auf der Seite erscheinen, Angaben des Impressums im unteren Be-reich. Die Flächensyntax legt die Interpretation nahe, dass Autor und Werk auf dem Titelblatt wichtiger erscheinen als der materielle Urheber. Eine weitere Markierung erfolgt über die Schrifthierarchie durch die Schriftwahl und die Schriftgröße, die für die Un-tergruppe meist kleiner gewählt wird.192

Ebenso wie die Spitzenstellung der Titelseite in der Inkunabelzeit festgelegt wurde, bildet sich die Flä-chensyntax der Titelseite zu dieser Zeit in rudimentä-ren Grundzügen heraus. Die Entwicklung von Grund-regeln des Titelsatzes ist als Prozess zu verstehen, dessen Etappen durch die nach und nach auf dem Titelblatt erscheinenden Metatexte gegliedert werden, so dass die Chronologie die Raumaufteilung mitbe-stimmt. Die früheste und die Inkunabelzeit beherr-schende Dispositivform ist die eines rein typographi-schen Titels mit variablen Angaben der Hauptgruppe, dessen Mikrotypographie im folgenden Kapitel be-schrieben wird. Die Angaben der Hauptgruppe beset-zen das obere Drittel der Seite, seltener die Mitte, während der Rest der Fläche leer, d. h. weiß, bleibt. Diese Regel hatte schon Johnson formuliert: »One rule which seems to have been almost universally observed

191 Wehde: Typographische Kultur, S. 172. 192 Vgl. dazu die Gestaltungsbeispiel bei Willberg/Forssman: Lesetypographie, S. 316f.

1v leer53,2 %

1v mit Text- oder Registerbeginn

19,8 %

1v mit Einleitungs-holzschnitt

2,8 %

1v mit abgeschlossenem

Kleintext24,2 %

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42 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

is that the mass of the type must be in the top half of the page and not evenly distributed.«193

Die in den Niederlanden nahezu gleichzeitig wie in Deutschland kurz nach dem typographischen Titel auftretende Dispositivform ist die der illustrierten Titelseite. Der Holzschnitt auf dem Titelblatt besetzt den Platz unterhalb der Titelformulierung. Nur ganz vereinzelt kommen Titelseiten mit Holzschnitten o-berhalb der Hauptgruppe vor. Dazu gehören die frühen Titelseiten aus der Offizin Folz, die den Übergang von der prädispositiven zur dispositiven Form markieren. Noch gegen Ende der Inkunabelzeit erscheinen in Venedig illustrierte Titelseiten auf Klassikerausgaben mit dem Holzschnitt oben. Der jeweils längsformatige Holzschnitt zeigt in der Mitte den Autor, rechts und links flankiert von seinem Kommentator bzw. dem Korrektor. Unterhalb folgen Angaben der Hauptgrup-pe oder eine Aufzählung der enthaltenen Werke.194 Diese Beispiele sind wie die Experimente mit der Platzierung der Titelseite auf der Rückseite des ersten Blatts oder am Buchende Übergangserscheinungen. Die für spätere Dispositivformen charakteristische Flächengliederung Hauptgruppe mit deutlich getrenn-ter Untergruppe oder Hauptgruppe mit mittig platzier-tem Holzschnitt und Angaben des Impressums am Fuß der Seite ist für das Inkunabeltitelblatt nicht ausgebil-det. Herstellerische Metatexte erscheinen erst zöger-lich und in Bruchstücken im letzten Inkunabeljahr-zehnt auf dem Titelblatt und dann meist als Zusatz zur Hauptgruppe, so dass keine Formationsregelungen für die Flächengliederung ausgebildet werden. Ebenso lässt sich keinerlei Tendenz zur vollständigen Unter-gruppe mit Druckort, Drucker und Druckjahr ausma-chen. Erst Titelblätter Johannes Frobens nach 1523 realisieren die Dispositivform Hauptgruppe, Signet, Untergruppe regelmäßig. 3.4 Die mikrotypographischen Zeichenmittel Die folgenden Kapitel untersuchen die mikrotypo-graphischen Gestaltungsmittel der Titelseite: Rot-druck, Schriftwahl und Schriftanordnung, die auch für den Textsatz (Werksatz) eingesetzt und für die Gestaltung der Titelseite übernommen oder modifi-ziert werden. Sie sind an sprachliche Zeichen gebun-den, ohne allerdings selbst bedeutungstragend im Sinn einer sprachlichen Denotationsfunktion zu sein.

193 Johnson: One hundred title-pages, S. XII; vgl. auch Smith: The title-page, S. 61. 194 Publius Ovidius Naso: Epistolae Heroides. Venedig: Chri- stophorus de Pensis, 30. März 1495 (ISTC io00163000); Aulus Persius Flaccus: Satyrae. Venedig: Johannes Tacuinus, 4. Novem-ber 1499 (ISTC ip00362000); Gaius Sallustus Crispus: Opera. Venedig: Johannes Tacuinus, 20. Juli 1500 (ISTC is00085000).

Dazu einige Vorüberlegungen. Wehde195 unterschei-det zwischen dem primären Zeichensystem der In-haltsseite der Schrift und dem sekundären der Aus-druckseite. Die einzelnen Schriftzeichen wiederum sind abstrakt-formale Konfigurationen graphischer Merkmale (Typus bzw. Legi-Zeichen), die aber eine physikalisch-gegenständliche Materialität (Exemplar, Token oder Sin-Zeichen) besitzen. Während der Ty-pus als abstraktes Konzept aufzufassen ist und ledig-lich denotative Funktion hat, wird das Exemplar des Typus in klassifizierenden Matrizen typographischer Systematik wie z. B. Schriftfamilien oder Schriftschnit-ten realisiert. Die Konstruktion von Bedeutung aus gedruckten (oder geschriebenen) Texten wird we-sentlich durch die Ausdrucksseite der Schrift mitbe-stimmt. »(Druck-)Schriftsprachliche Äußerungen haben nie nur denotative Zeichenfunktion als Zeichenträger sprachlicher Aussagen, sondern sind mindestens im-mer auch als codierte Reize, d. h. als Ausdruckszei-chen bestimmter Empfindungen oder Vorstellungen wirksam.«196 Diese meist unbewussten Assoziationen durch den Leser sind allerdings nicht rein individuel-le Gefühlseindrücke, sondern haben eine Basis in kulturell und zeittypisch geprägten Erfahrungen.197

Die drei folgenden Diagramme (Abb. 12, 13, 14) zeigen die Verwendung mikrotypographischer Ge- staltungsmittel für Deutschland, die Niederlande und Venedig:

195 Wehde: Typographische Kultur; vgl. bes. Kapitel III: »Ein semiotisches Modell von Druckschrift«. 196 Wehde, S. 149. 197 Vgl. Wehde, S. 150.

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 43

Abb. 12: Deutschland: Mikrotypographische Gestaltungsmittel

Abb. 13: Niederlande: Mikrotypographische Gestaltungsmittel

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

<1471 1471–1475 1476–1480 1481–1485 1486–1490 1491–1495 1496–1500

Titelblätter insgesamt

typographische T itelblätter

ermittelte rein typographische T itelblätter mit einfacher Typographie

ermittelte rein typographische T itelblätter mit gestufter Typographie

ermittelte typographische T itelblätter mit Rotdruck

Dreiecksatz u. ä. ermittelt

0

50

100

150

200

250

300

<1471 1471–1475 1476–1480 1481–1485 1486–1490 1491–1495 1496–1500

Titelblätter insgesamt

typographische T itelblätter

ermittelte rein typographische T itelblätter mit einfacher Typographie

ermittelte rein typographische T itelblätter mit gestufter Typographie

ermittelte typographische T itelblätter mit Rotdruck

Dreiecksatz u. ä. ermittelt

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44 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Abb. 14: Venedig: Mikrotypographische Gestaltungsmittel 3.4.1 Rotdruck Die Vervielfältigung von Schrift und Bildern erfolgt über den Abdruck einer Druckform auf einen Be-druckstoff mittels Druckfarbe.198 Für den Buchdruck ist die übliche Schriftfarbe schwarz bzw. schwarz-braun am wenigsten mit Bedeutung aufgeladen. Davon abweichende Farbkonzepte sind folglich offen für rezipientenabhängige und konventionell gesteuerte Semantisierungen. Für das frühe Titelblatt gilt dies hauptsächlich für Rotdruck. Rote Farbe wird im Ko-dex zur Hervorhebung und Auszeichnung von Wör-tern und Textteilen verwendet. Werk- und Kapitelan-fänge sowie Rubrikzeichen sind häufig rot geschrieben oder unterstrichen.

Für das Titelblatt der Inkunabelzeit spielt der Rot-druck allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Von der Gesamtmenge der 3.649 deutschen Drucke ver-wenden lediglich 68 Rotdruck auf dem Titelblatt (1,9 %). Bis in die 1480er Jahre bleibt Rotdruck die große Ausnahme (3 Drucke), ab den 1490er Jahren ist die Tendenz steigend, wobei es sich bei den ermittel-ten Drucken überwiegend um Liturgica oder An-dachtsliteratur (49 Drucke) bzw. römisches oder kano-

198 Wehde bezeichnet im Rückgriff auf Charles S. Pierce die materiellen Eigenschaften der Zeichen als Quali-Zeichen (Quali-tätszeichen), die selbst Zeichenfunktion erlangen könne; vgl. Weh-de: Typographische Kultur, S. 66.

nisches Recht (6 Drucke) handelt. Für Venedig ergibt sich ein abweichendes Bild mit einem höheren Anteil von 14,4 % (163 Drucke) mit Rotdruck; aber auch hier ist dieser liturgischen und juristischen Texten vorbe-halten. Die Schmuckfunktion, die der Rotdruck als Blickfang und zur Hervorhebung einzelner Textteile auf dem Titelblatt des 16. Jahrhunderts erreicht, so z. B. bei den zahlreichen Drucken mit Renaissance-Einfassungen, kennt das Inkunabel-Titelblatt nicht.199 Nicht nur Schrift, sondern auch illustrierende Elemen-te können auf der Titelseite im Rotdruck ausgeführt werden. In der Inkunabelzeit wird diese Praxis fast ausschließlich auf Signete beschränkt; sie ist vor allem im Venezianischen Druck zu beobachten. 3.4.2 Schriftwahl, gestufte Typographie und Figurensatz Für den Titelsatz ist nach titelblatttypischen Gestal-tungsmitteln zu fragen. Diese betreffen neben der Schriftwahl die Schriftgröße, Schriftanordnung wie gestufte Typographie und Figurensatz sowie Aus-zeichnungsmittel wie Initialen, Lombarden etc. Die folgenden statistischen Analysen beziehen sich wie-derum auf Deutschland, die Niederlande und Venedig.

199 Vgl. die Abbildungen bei Johnson: German Renaissance.

0

100

200

300

400

500

600

700

<1471 1471–1475 1476–1480 1481–1485 1486–1490 1491–1495 1496–1500

Titelblätter insgesamt

typographische T itelblätter

ermittelte rein typographische T itelblätter mit einfacher Typographie

ermittelte rein typographische T itelblätter mit gestufter Typographie

ermittelte typographische T itelblätter mit Rotdruck

Dreiecksatz u. ä. ermittelt

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 45

Da die einschlägigen Bibliographien, die der Statistik zugrunde liegen, die mikrotypographische Gestaltung nicht detailliert beschreiben, musste hier wesentlich auf vorhandenes Bildmaterial zurückgegriffen werden. Die angegebenen Prozentzahlen beziehen sich daher auf eine deutlich kleinere Anzahl von Drucken (1.815 von 3.649 ermittelten deutschen Drucken mit Titelblatt).

Bei 66,2 % dieser Drucke (1.202 Drucke) wurde nur eine einzige Schrift auf dem Titelblatt verwendet, entweder die Grundschrift, die für den Werksatz be-nutzt wurde, oder eine Auszeichnungsschrift. Davon entfällt der größte Anteil von 996 Drucken (54,9 % aller Titelblätter bzw. 82,9 % der Titelblätter mit nur einer Schriftgröße) auf Titelseiten ohne graphische Elemente. Die restlichen 211 Drucke (11,3 % bzw. 17,1 %) werden durch einen Titelholzschnitt, Zier-leisten, Rotdruck (29 Drucke) oder eine Kombination dieser Elemente aufgewertet.

Gestuftes Layout, d. h. die Verwendung von zwei Drucktypen aus unterschiedlichen Schriftfamilien, ist in 22,6 % (410 Drucke) nachzuweisen. Als Satzkon-vention200 gilt, dass die gesamte erste Zeile in einer Auszeichnungstype, einer Textura oder Rotunda, ge-setzt wird, der weitere Zeilen in einer kleineren Text-type folgen. 269 (19,0 % aller Titelblätter bzw. 65,6 % der Titelblätter mit nur einer Schriftgröße) sind ohne jeden weiteren graphischen Schmuck, 141 (10 % bzw. 34,4 %) mit den genannten Schmuckelementen (davon 6 im Rotdruck). Hier ist der zeitliche Verlauf inter-essant: Die ersten Fälle von gestuftem Layout sind erst um 1485 in Köln nachweisbar,201 der erste datierte Druck mit gestufter Typographie stammt nur ein Jahr später, 1486,202 ebenfalls aus Köln. Ab 1487 sind Dru-cke mit gestufter Typographie auch in anderen deut-schen Druckorten nachweisbar und nach 1490 steigt die Tendenz deutlich an.203 Die Abbildung (Abb. 15) zeigt eines der frühen Kölner Beispiele gestufter Typographie mit einem auffälligen Einzug der ersten Zeile:

200 Vgl. zur Schriftverwendung auf dem Titelblatt De Vinne: The practise, Kap. V: Paragraph and bastard titles, bes. 102: »The first attempts at relief or display began with the selection of large type for the first lines of separate paragraphs.« 201 Thomas von Aquin: De eucharistia ad modum decem prae-dicamentorum, sive De corpore Christi. (Pseudo-)Expositio oratio-nis dominicae. Köln: [Ulrich Zell, um 1485] (ISTC it00294000); Proverbia communia. [Köln: Heinrich Quentell, um 1485] (ISTC ip01025000); Albertus Magnus: Liber aggregationis. [Köln: Hein-rich Quentell, um 1485] (ISTC ia00256000, GW 624). 202 Bonaventura: Opuscula. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 24. Dezember 1486 (ISTC ib00925000, GW 4646). 203 Gestufte Typographie: 1481−1485: 3,5 % des Jahrfünfts, 1486−1490: 9,0 %, 1491−1495: 24,5 %, 1496−1500: 40,2 %.

Abb. 15: Gestufte Titelblatttypographie auf: Albertus Magnus: Liber aggregationis. [Köln: Heinrich Quen-tell, um 1485] Die gestufte Typographie auf dem Titelblatt ist ein einfaches Mittel, den Titelsatz optisch aufzuwerten, ebenso wie die später hinzukommende Verwendung von Lombarden oder Schmuckinitialen.204 Die frühes-ten Beispiele dafür erscheinen in Deutschland 1487 in Straßburg (Abb. 16) und Speyer,205 insgesamt bildet der Initialschmuck auf dem Titelblatt im 15. Jahr-hundert mit 2,9 % (53 Drucke) die Ausnahme.

Ähnlich ist das Bild in den Niederlanden; hier konnte in 588 Fällen206 das Layout des Titelblatts geklärt werden. 460 (83,3 %) zeigen nur eine einzige Schrifttype; auch hier nimmt die gestufte Typogra-phie als Auszeichnungsmittel nach 1490 deutlich zu.

204 Die folgende Statistik beruht auf der Auswertung von Bi- bliographien, in denen der Initialschmuck nicht differenziert wird. 205 Stephanus Fliscus: Sententiarum variations sive synonyma. Straßburg: Johann Prüß, 1487 (ISTC if00203000, GW 10009); Antoninus Florentinus: Confessionale. [Speyer: Peter Drach], 30. Juni 1487 (ISTC ia00821000, GW 2125). 206 Das sind 76,2 % der insgesamt nachgewiesenen Titelblätter.

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46 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Für den Druckort Venedig konnte bei 387 Titelblät-tern das Layout geklärt werden: 343 zeigen nur eine Schrift (88,6 %). Die Venezianischen Druckerverleger bevorzugen gegenüber der gestuften Typographie, die auch nach 1490 nicht wesentlich zunimmt, den Rot-druck oder den Figurensatz als Blickfang des Titelsat-zes (Abb. 17).207 Figurensatz in Form eines Dreiecks ist in 56 Fällen nachgewiesen, in den Niederlanden hingegen nur dreimal, in Deutschland nur neunmal. Abbildung 17 zeigt eines der frühesten Titelblätter mit der Hauptgruppe in Form eines auf die Spitze gestell-ten Dreiecks in Venedig:

Abb. 16: Frühes Titelblatt mit Initialschmuck auf: Stephanus Fliscus: Sententiarum variationes. Straß-burg: Johann Prüß, 1487 Das französische Titelblatt entwickelt für den Titel große Holzschnittinitialen. Diese Titeldekoration ist typisch für Paris (u. a. Antoine Vérard) und Lyon.208

207 Zum italienischen typographischen Titelblatt vgl. Barberi: Il frontespizio, S. 55−66. 208 Vgl. Labarre: Les incunables, S. 231.

3.4.3 Die mikrotypographischen Zeichenmittel und ihre Bedeutung für den Titelsatz Betrachtet man die Wahl der mikrotypographischen Zeichenmittel, sind folgende Grundzüge erkennbar. Der Einschnitt um 1490, der sich bereits für die Zu-nahme produktionsrelevanter Angaben als bedeutsam erwiesen hat, bildet auch für die mikrotypographi-sche Gestaltung eine markante Schwelle. Während die Titelblattgestaltung in den ersten Jahren des ty-pographischen Titelblatts äußerst schlicht ist, mehren sich im letzten Jahrzehnt der Inkunabelzeit die Hin-weise für einen auf mehr visuelle Effekte zielenden Titelsatz. Das Titelblatt wird nun als fester Bestand-teil im Buchaufbau gesehen und entsprechend in die gestalterischen Bemühungen einbezogen. Die Gestal-tungsmittel, die zum Einsatz kommen, sind allerdings diejenigen, die auch sonst charakteristisch für ›Schlüs-selstellen‹ im Buchaufbau sind, wie z. B. für den Werk-beginn, den Buchschluss oder die Hervorhebung ein-zelner Textteile; in aller Regel beruhen sie auf skripto-graphischen Traditionen.209 Dies gilt für den Rotdruck ebenso wie für die Hervorhebung des Werk- oder Kapitelbeginns durch unterschiedliche Schriften und Schriftgrößen, durch Initialen und Lombarden. Auch der dekorative Figurensatz stammt aus der Hand des Schreibers, der Marginalien, Kolophone und Text-schlüsse, bei denen die Textmenge den Schriftspiegel-rand nicht erreicht, in geometrischen Figuren auslau-fen lässt, um keine ungebrochenen weißen Flächen in der sonst geschlossenen Buchseite stehen zu lassen.210 Lange bevor der Figurensatz das Titelblatt erreicht, ist er im gedruckten Buch im Kolophon präsent. So zeigt sich auch hier, dass die eigentliche Innovation im Prozess der Titelblattentwicklung in der Idee einer separaten, buchkennzeichnenden Seite zum Buchbe-ginn liegt, während die sprachlichen und gestalteri-schen Mittel konventionell sind, skriptographischen Gepflogenheiten entstammen und schon an anderen Stellen des gedruckten Buchs erprobt sind. Zudem richtet sich die typographische Auszeichnung nicht nach sprachlich vorgegebenen Sinnschritten, sondern nach dem Zeilenfall. Der dekorative Effekt, der beson-ders im Figurensatz mit mehreren Schriften und Schriftgrößen sichtbar wird, steht über dem des besse-ren Textverstehens.

209 Vgl. Smith, The design relationship. 210 Vgl. Lehmann: Figurale Schriftflächen; De Vinne: The practise, S. 12−19.

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 47

Abb. 17: Figurensatz auf dem Titelblatt: Michael Scotus: Liber physiognomiae. [Venedig: Johannes Baptista Sessa, 1490]

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48 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

3.5 Die xylographische Titelseite als Sonderfall Beim Holzschnitttitel oder xylographischen Titel211 handelt es sich um eine Sonderform der Titelblattge-staltung. Ein meist kurzer Titel, der selten mehr als eine oder zwei Zeilen umfasst, wird von einem hölzer-nen Druckstock vervielfältigt, wobei Ergänzungen im Typendruck vorkommen können. Für Deutschland konnten 129 Holzschnitttitel und 14 xylo-typographi-sche Titel (7,9 %)212 ermittelt werden. Sie erscheinen zuerst in Speyer und Straßburg um 1483. Die regiona-len Schwerpunkte liegen mit den Druckorten Augs-burg, Nürnberg, Straßburg und Speyer im süddeut-schen Raum, ihre Verteilung ist über den Zeitraum von 1483 bis 1500 gleichmäßig, allerdings nimmt die Tendenz zum Jahrhundertende hin ab. Zum Vergleich sei noch der Druckort Venedig angeführt, für den von 387 geklärten Titelblatt-Layouts nur fünf (1,3 %) xylographisch sind, der erste 1493 datiert. Der xy-lographische Titel ist also als eine Besonderheit des deutschen Sprachraums zu werten und wohl im deut-schen Südwesten entwickelt worden. Der Grund für die technisch und finanziell aufwändigere Lösung des xylographischen Titelblatts liegt in seinem dekorativen Charakter. Anders als im Typenguss kann die Verbin-dung zwischen den einzelnen Buchstaben individuell gestaltet werden, sind Cadellen und andere Verzierun-gen möglich, zudem lässt sich der Schlagworttitel in einer Schaugröße realisieren. 3.6 Die sprachlichen Zeichenmittel: Werk- und Buchkennzeichnung Während das vorhergehende Kapitel die Zeichenmit-tel der Ausdrucksseite behandelt hat, stehen im Mit-telpunkt der folgenden Ausführungen die sprachli-chen Metatexte des Titelblatts. 3.6.1 Die Angaben der Hauptgruppe Die große Mehrheit der Titelblätter bis um 1490 dient ausschließlich der Textidentifikation. Die Fall-studien zu den deutschen Druckorten zeigen einen Anteil von über 90 % aller Titelblätter, die sich auf die Hauptgruppe mit oder ohne Autornennung be-schränken. Meist handelt es sich um einen schlag-wortartigen Kurztitel, aber auch mehrzeilige Haupt-gruppen kommen vor; diese sind oft Formulierungen des Incipits bzw. der Werkeinleitung, die unverändert 211 Im Folgenden werden unter ›Holzschnitttitel‹ nur Titelsei-ten gerechnet, bei denen die gesamte sprachliche Formulierung oder ein Teil davon xylographisch realisiert ist. Titelseiten, bei denen dekorative Elemente im Holzschnitt hinzukommen, sind gesondert erfasst worden. 212 Bezogen auf die 1.815 Drucke, für die das Layout des Titelblatts geklärt werden konnte.

auf das Titelblatt übernommen werden. In den 1490er Jahren finden sich vermehrt längere, beschreibende Sachtitel, die den Inhalt des Buchs wiedergeben. Auch Beigaben wie Gedichte erscheinen nun auf dem Titelblatt. Eine stringente chronologische Entwicklung vom Schlagworttitel bzw. der Incipitformulierung auf dem Titelblatt zum deskriptiven Titel lässt sich aller-dings nicht feststellen, zu heterogen stellen sich die einzelnen Fälle dar. Es sei hier auf die Fallstudien ver-wiesen, die ausführlich die Titelformulierungen unter-suchen; besonders die Untersuchung zum Nürnberger Titelblatt setzt hier den Schwerpunkt.

Innerhalb der Hauptgruppe dominiert der Werkti-tel gegenüber der Autor- oder Herausgebernennung, die nicht zwingend auf dem Titelblatt erscheint, vom Sonderfall der anonymen Werke abgesehen. Zudem wird weder typographisch noch in der sprachlichen Formulierung zwischen Bestandteilen unterschiedli-cher metatextueller Qualität getrennt. Hier eröffnet sich ein weites Feld für die literaturhistorische Ana-lyse zur Entwicklung des Werktitels und zur Ein-schätzung der Rolle des Autors, wie sie sich in seiner Nennung bzw. seinem Fehlen auf dem Titelblatt äus-sert.213 Das Inkunabeltitelblatt verharrt in diesem Punkt zunächst noch in der mittelalterlichen Traditi-on, d. h. der unfesten Kennzeichnung eines Werks, bezogen auf die vorliegende Überlieferungseinheit. Der eigenständige Werktitel mit hoher einheitlicher Kennzeichnungskraft entsteht erst in der Frühen Neuzeit. Das Titelblatt ist hier ein wichtiger Kataly-sator. Nach Shevlin entsteht im späteren 16. und im 17. Jahrhundert der ›free floating title‹, der unab-hängig von der einzelnen Überlieferungseinheit des Buchs ein Werk kennzeichnet: »The title’s ability to circulate without its text in tow made it an invaluable tool for accomplishing several tasks that all required the title to act as a stand-in for the work.« 214 Nicht nur die wissenschaftliche Bibliographie und der Ka-talog werden durch den eingeführten Werktitel erst möglich, sondern auch rechtliche Belange sind zu-nehmend an den Namen des Werks geknüpft. Am Ende dieser Entwicklung steht die gesetzliche Mög-lichkeit zur Inanspruchnahme eines Titelschutzes.215 3.6.2 Zum Verhältnis von Kolophon und Angaben des Impressums auf dem Titelblatt Im mittelalterlichen Kodex erscheinen Angaben zur Buchproduktion unterschiedlicher Art in der Regel 213 Die sprachliche Formulierung des Werk- oder Sachtitels wird im Folgenden als eher literaturhistorische Fragestellung nicht behandelt. Zum literarischen Titel vgl. den knappen Überblick bei Rolle: Titel, sowie die Studien von Hoek: La marque du titre, und Rothe: Der literarische Titel. 214 Shevlin: To reconcile, S. 48. 215 Vgl. Reclams Sachlexikon des Buches, Artikel »Titelschutz«.

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 49

am Schluss des Buchs als Teil des Kolophons. Diese Gewohnheit übernimmt auch der frühe Buchdruck; ebenso wie im handschriftlichen Buch die Schluss-schrift keine allgemein geübte Praxis ist, haben viele Inkunabeln keine Firmierung durch ein Kolophon. Hirsch nennt anhand einer Auszählung der ersten sieben Bände des GW die Zahl von 45,3 % der Inku-nabeldrucke ohne Produktionsbezeichnung.216 Als hartnäckig erweist sich auch die Positionierung von Angaben des Impressums, die nach der Etablierung des Titelblatts in der Inkunabelzeit bis auf wenige Ausnahmen weiterhin am Schluss des Buchs ver-bleibt. Der Venezianische Druckerverleger Aldus Manutius, in vielem vorbildlich für die ›moderne‹ typographische Gestaltung des Buchs, setzt generell das Impressum an das Buchende.217 Ähnliches gilt für den französischen Buchdruck.218

Trotz der buchtechnischen Gemeinsamkeiten, bei denen herstellungsrelevante Informationen in der Hand-schrift wie im Druck ans Ende platziert werden, ist eine grundsätzliche funktionale Veränderung mit dem Übergang von der handschriftlichen Schlussschrift zum Impressum zu beobachten. Pollard hat betont, dass der Schreiberkolophon weniger der Buchkennzeichnung diene, als den Stolz über die geleistete Arbeit zeige.219 Overgauuw hat jüngst systematisch die Schlussschrif-ten anhand von Handschriftenkatalogen deutscher Bi-bliotheksbestände untersucht. Er kommt zu dem Er-gebnis, dass sich im späten Mittelalter diejenigen Schreiber häufiger in Handschriften nennen, die sie für sich oder ihren engeren Umkreis abschreiben, als in Handschriften, die sie im Auftrag gefertigt haben. Zudem scheint die Schreibernennung stark textsorten-abhängig zu sein: In Stunden- und Gebetbüchern, die zu den Büchern mit dem höchsten Ausstattungsniveau zu rechnen sind und die für einen größeren Markt produziert werden, ist so gut wie nie eine Selbstnen-nung des Schreibers zu finden. Overgauuw schließt daraus, dass der Schreiber mit der Selbstnennung die Anonymität aufgebe und dem Buch seinen persönli-chen Stempel aufdrücke, was für ein Auftragsprodukt unerwünscht sei.220 Diese Beobachtung scheint zu-nächst der Schlussfolgerung Pollards für das Impres- 216 Hirsch: Title pages, S. 63: »[…] yet E. von Kathen, who carefully analysed entries in the volumes I-IV of the ›Gesamtkata-log der Wiegendrucke‹, found that, even in the last decennium of the fifteenth century, 45,3 % of imprints still failed to identify the producer.« Leider macht Hirsch keinerlei Angaben dazu, welche Angaben zum Produzenten gemacht werden. − Vgl. dazu auch Barberi: Il frontespizio, S. 48. 217 Vgl. Johnson: One hundred title-pages, Nr. 19, sowie die Beschreibungen im Ausstellungskatalog: Aldo Manuzio tipografo. 218 Labarre: Les incunables, S. 230: »Le colophon a survécu à l’apparition de la page de titre. Fréquent dans les livres du début du XVIe siècle, le colophon apparaît encore parfois jusq’en plein XVIIe siècle.« 219 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band S. 5. 220 Vgl. Overgauuw: Where are the colophons?

sum zu widersprechen. Danach hätten volksprachliche Drucke, die von den Zeitgenossen eher gering ge-schätzt worden seien, nur selten ein Kolophon, wäh-rend die lateinische Produktion im Vergleich dazu häufiger eine Schlussschrift aufweise. Auch der Buch-drucker bzw. der Druckerverleger drücke in den aus-führlich formulierten Schlussschriften noch Erleichte-rung und Stolz über das geleistete Werk aus.221

Dennoch ist eine generelle Funktionsverschiebung zu konstatieren. Das handschriftliche hochwertige Buch geht nach Auftragsabschluss in den Besitz des Auftraggebers über, der über den Besitzvermerk, Stif-terbilder o. ä. seinen persönlichen Anspruch dokumen-tiert. Der materielle Produzent, sei es der Buchkünstler oder der Schreiber, treten hinter dem Auftraggeber und Besitzer zurück. Diese Form der Buchkennzeichnung führen im gedruckten Buch das individuelle Exlibris oder der handschriftliche Provenienzvermerk fort. Die Linie vom Schreiberkolophon hingegen führt zum Im-pressum, erst traditionell am Buchende platziert, seit dem 16. Jahrhundert vermehrt auch auf dem Titelblatt. 3.6.3 Produktionsrelevante Hinweise auf dem Titelblatt Eine eigene, typographisch durchgestaltete und von den anderen Titelinformationen deutlich abgesetzte Untergruppe kennt das Inkunabeltitelblatt so gut wie nicht.222 Produktionsrelevante Hinweise, sei es zum Erscheinungsort, zum Druckerverleger oder zum Erscheinungsdatum sind entsprechend selten. Von 3.592 deutschen Titelblattdrucken223 enthalten 97,2 % Informationen der Hauptgruppe, u. U. ergänzt durch Gedichte, Anpreisungen etc. Nur bei 100 Titelblät-tern werden Angaben zum Druckerverleger und/oder Druckort bzw. Druckjahr etc. gemacht. Hiervon sind noch 30 Titelblätter als Sonderfälle abzuziehen, da verlagsrelevante Angaben in der Druckermarke ver-schlüsselt sind. Nach 1490 zeichnet sich eine leichte Steigerung ab: Zwischen 1491 und 1495 haben 30 Drucke, zwischen 1496 und 1500 48 Drucke produk-tionsrelevante Angaben auf dem Titelblatt.

221 Vgl. dazu die Zusammenstellung zahlreicher Colophone bei Pollard: An essay, und De Vinne: The practise, Kap. II. 222 Hinweise auf einzelne Drucke bei Geldner: Inkunabelkun-de, S. 107−112; Hirsch: The earliest development. − Dazu auch Haebler: Inkunabelkunde, S. 122f.: »Ein Titelblatt, wie diejenigen der Reformationszeit, das neben dem Titel der Schrift und dem Namen des Verfassers auch den Druckort und das Erscheinungs-jahr angibt, kennt die Wiegendruckzeit überhaupt noch nicht. Die wenigen Anläufe, die nach dieser Richtung an ein paar vereinzel-ten Stellen unternommen worden sind, werden weiterhin Erwäh-nung finden; sie bestätigen aber mehr die Regel, als daß sie sie durchbrechen«. 223 Geklärte Fälle von insgesamt 3.649 Drucken mit Titelblatt.

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50 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Abb. 18: Titelblatt zum Herbarius latinus. Passau: [Johann Petri, 14]85

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3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 51

Abb. 19: Titelblatt mit Druckervermerk auf Alexander de Villa Dei. Doctrinale. Deventer: Jacob van Breda, 31. Dezember 1495

Als prädispositive Vorstufe anzusehen ist die Kölner Ausgabe von Werner Rolevincks Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis, bei Ar-nold ter Hoernen 1470 erschienen, die auf der Vor-derseite des Titelblatts Titel und Druckdatum nennt, auf der Rückseite Druckort und Drucker.224 Zu den frühen Druckerverlegern mit typographischem Im-pressum gehört Hans Folz mit einer Gruppe von Drucken aus den Jahren 1479/80: Druckort, Drucker und Druckjahr sind in einigen Fällen typographisch durch einen Leerraum von der Hauptgruppe abge-setzt, sofern der Platz auf der Seite ausreicht. Auf dem Titelblatt des Herbarius latinus von 1484 wer-den Druckort und Druckjahr oberhalb des Zweischil-dersignets der Offizin Fust und Schöffer genannt, das stellvertretend für die Druckerverleger steht. Wie einflussreich die Vorgabe Schöffers war, zeigt der 224 Vgl. die Fallstudie Köln in diesem Band, S. 111.

Passauer Nachdruck durch Johann Petri nur ein Jahr später, mit sehr ähnlicher Titelformulierung: »Herba-rius Patauie impressus Anno domini etcetera .lxxxv.«225 Ein Kolophon fehlt wie auch bei Schöffer.

Johann Bergmann von Olpe in Basel firmiert ab 1494 seine Drucke häufig auf dem Titelblatt mit seinem Namen oder seinen Initialen zusammen mit dem Motto »Nihil sine causa« und dem Druckjahr.226

Wenn in den Niederlanden die Zahl der Titelblätter mit herstellerischen Angaben mit 14,7 % (112 Titel-

225 ISTC ih00064000, GW 12270. − Wie schwankend die Praxis selbst bei einem Drucker ist, zeigen die Ausgaben Johann Petris; der Nachdruck um 1486 (ISTC ih00066000, GW 12273) hat keinen Titel, sondern ein leeres erstes Blatt, der auf 1486 (ISTC ih00065000, GW 12275) datierte, hat ein Titelblatt wie die Ausga-be von 1485. 226 Siehe die Fallstudie Basel im übernächsten Band.

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52 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

blätter)227 höher ausfällt als in Deutschland, ist dies nahezu ausschließlich auf den früheren und häufigeren Einsatz des Verlegersignets zurückzuführen. Die dem-gegenüber kleine Gruppe von vier Titelblättern mit typographischen produktionsrelevanten Angaben sei hier durch zwei Beispiele vertreten. Jacob van Breda zeichnet mit seinem vollen Namen auf dem Doctrinale des Alexander de Villa Dei vom 31. Dezember 1495 (Abb. 19). Diese Titelseite zeigt bereits die typische Flächengliederung, allerdings mit rudimentärer Unter-gruppe »Jacobus de Breda«, gesetzt in gleichem Schrift-grad wie die Hauptgruppe. Weit ausführlicher ist aber noch das Impressum am Textende, das genaue Anga-ben zum Werk, zum Druckort, Drucker und Druckjahr macht.228

Typographisch firmiert auch Peter van Os auf dem Titelblatt, allerdings nur mit dem Druckort: »zwollis impressi« (Abb. 20). Der knappe Zusatz am Ende einer ausführlichen Werkbezeichnung ist in die Haupt-gruppe integriert, die wie ein Textabsatz gesetzt ist.229 Eine Schlussschrift hat der Druck nicht.

In Venedig erscheinen trotz der späteren Einfüh-rung des Titelblatts früher und häufiger produktionsre-levante Angaben auf dem Titelblatt als in Deutschland, bleiben aber hinter den Niederlanden zurück. Die Gesamtzahl liegt bei circa 10 %, wobei in über der Hälfte der Fälle (60 Drucke: 5,3 % der Druckproduk-tion) das Signet gewählt wird. Wie in Deutschland und den Niederlanden ist auch für den Druckort Venedig die Tendenz im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts steigend: Zwischen 1490 und 1495 sind es 7,3 %, zwischen 1496 und 1500 12,4 %.

Die ersten venezianischen Titelblätter mit herstel-lerischen Angaben sind die auf dem Regiomontanus-Kalender 1476 und 1478 mit Druckort, Druckernen-nung und Druckjahr.230 Der Turiner Druck der De- creta Sabaudie ducalia (Giovanni Fabri, 17. Novem-ber 1477) hat auf der Vorderseite von Blatt 2 (das erste Blatt ist leer) eine Titelformulierung mit dem Druckjahr am Ende.231 Das frühe, sehr ausführliche Titelblatt zum Libro delle sorti des Lorenzo Spirito (Perugia: Stephan Arndes, Gerhard Thomas und Paul

227 Bezogen auf 99 % geklärter Fälle (764 von 772 Drucken mit Titelblatt). In acht Fällen konnte nicht ermittelt werden, ob auf dem Titelblatt lediglich Angaben zum Inhalt oder auch produkti-onsrelevante Informationen gegeben werden. 228 Alexander de Villa Dei. Doctrinale. Deventer: Jacob van Breda, 31. Dezember 1495 (ISTC ia00445500, GW 1121). − Die Schlussschrift lautet: »Finit prima et secunda pars alexandri Jmpressa Dauentrie cum summa diligentia emendata per me Jacobum de Breda. Anno domini. M.quadringentesimo. xcv. ultima die Decembris«. 229 David de Augusta. De exterioris et interioris hominis compositione. Zwolle: [Peter van Os, zwischen 7. September 1492 und 10. November 1500] (ISTC id00102700, GW 8169). 230 S. S. 30. – Die folgenden italienischen Titelblätter mit produktionsrelevanten Hinweisen nach Barberi: Il frontespicio. 231 Vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 64 u. Abb. (ISTC is00001000, BMC VII 1054).

Mechter, 1482) beginnt mit einem Titelgedicht, dar-unter folgen die in einen mehrzeiligen Absatz inte- grierte Autor- und Sachtitelnennung und ein ausführ-liches Impressum:

Sorte composite per lo nobile ingegno de Lorenzo spirito perugino. Et impresse nella Augusta citta de Perugia: Per opera et ingegno de maestro Ste-phano arendes de Hamborch: et de Paulo mechter et Gherarado thome de Alamania compagni. Nelli anni del signore. M.CCCC.LXXXII. foeliciter.232

Abb. 20: Titelblatt mit Druckortvermerk auf: David de Augusta. De exterioris et interioris nominis composi-tione. Zwolle: [Peter van Os, zwischen 7. September 1492 und 10. November 1500] Eine sprachliche Firmierung findet sich in Venedig vor allem bei Baptista de Tortis, der die Hauptgruppe um den Druckernamen erweitert, z. B. »Instituta de Tortis«.233

232 Vgl. Barberi: Il frontespizio, Abb. Tafel X u. S. 65 (ISTC is00685500). 233 Vgl. Smith: The title-page, S. 67−70.

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4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden 53

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sprachli-che Hinweise der Untergruppe auf dem Titelblatt eine Ausnahme bilden; auch das Signet bleibt, ge-messen an der Gesamtzahl der jeweils untersuchten Druckproduktion, selten. Wenn überhaupt, erschei-nen nur einzelne Teile der Untergruppe. Weiterhin deutet sich weder eine Standardisierung der impres-sumsrelevanten Angaben der Untergruppe an, noch eine ihrer Platzierung. Eine steigende Tendenz, bei allerdings noch geringen absoluten Zahlenwerten, ist generell nach 1490 erkennbar. 4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Entste-hung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts als Gestaltungsdispositiv in den Niederlanden. Gerard Leeu entwickelt diese dispositive Form in seiner Antwerpener Offizin als einer der ersten Druckerver-leger gezielt für bestimmte Buchtypen und Textsor-ten. Anders als der rein typographische Titel mit einer sprachlichen Buchkennzeichnung arbeitet die illustrierte Titelseite zusätzlich mit bildlichen Mit-teln. Die Illustration auf dem Titel bietet für die visuel-le Charakterisierung des Werks ein breites Spektrum an Möglichkeiten und gibt damit dem in ökonomi-schen Kategorien denkenden herstellenden Buchhänd-ler ein Instrument zur Rezeptionslenkung des Käufers und des Lesers. Neu an dieser Idee ist, das Bild in die herausgehobene Position der Titelseite einzubinden. Die Auswahl der Bildmotive vertraut hingegen den etablierten Traditionen der Text- und Bildverbindun-gen im illustrierten Buch. So zeigt die Einzelanalyse der von Leeu für den Titel verwendeten Druckstöcke, dass diese nicht selten aus dem vorhandenen Fundus von Illustrationszyklen entnommen werden. Die Seh-gewohnheiten der Käufer und Leser des Buches, ihre Fähigkeiten zur Analyse der Bildsprache und ihre Kenntnisse der Bildmotive können unmittelbar genutzt werden. Die illustrierte Titelseite ist nach den Ergeb-nissen der quantitativen Vergleichsanalyse trotz dieser Vorteile deutlich seltener als der typographische Titel ohne grafischen Schmuck, ein Ergebnis, dass – wie die Detailanalyse für die Niederlande zeigt – auf eine enge Verbindung von Titelillustration, Buchtyp und Illustra-tionstraditionen des jeweiligen Textes verweist.

4.1 Typographische Titelseite und illustrativer Schmuck auf dem Titel: quantitative Vergleichsanalyse bis 1500

Zunächst soll die quantitative Position des illustrierten Titelblattes im Vergleich zum typographischen Titel nach den Erhebungsregionen bestimmt werden. Die typographische Titelseite beherrscht in der Inkunabel-zeit in Deutschland und Venedig den Alltag der Buch-gestaltung: 71,6 % der deutschen Titelblätter sind rein typographisch und sogar 84,8 % der venezianischen. Diese Titelseiten sind ohne dekorative Elemente wie Leisten, ohne illustrierendes Titelbild und ohne Signet, können aber über (typografischen) Initialschmuck verfügen. Im Jahrzehnt von 1480 bis 1490 ist die ty-pographische Titelseite in einer denkbar einfachen und schmucklosen Form Standard. Eine ein- bis mehrzeili-ge Buchkennzeichnung, gesetzt in einem Absatz und einer einzigen Schriftart, ohne jede weitere Auszeich-nung oder Illustration, beherrscht die sonst leere Seite. Erst ab den 1490er Jahren wird sie visuell durch einfa-che Gestaltungsmittel wie gestufte Typographie, Figu-rensatz oder Rotdruck aufgewertet. Der Schriftblock enthält nur vereinzelt herstellungsrelevante Angaben und noch seltener werden diese herausgelöst und selb-ständig positioniert.

Die folgende Analyse basiert für Deutschland auf der Gesamtzahl von 3.649, für die Niederlande auf 772 und Venedig auf 1.135 ermittelten Titelblättern bis zum Ende der Inkunabelzeit. Wegen der sehr guten bibliographischen Quellenlage konnte für alle ermittelten Titelblätter geklärt werden, ob sich gra-phischer Schmuck auf dem Titelblatt befindet.

2.732 (74,7 %) der deutschen Titelblätter, ein-schließlich der Holzschnitttitel, sind nicht illustriert, d. h. ohne Leisten und Einfassungen, Titelholzschnitt oder Druckermarken (Abb. 21). Für die restlichen 934 Titel ist der Titelholzschnitt das wichtigste Schmuck-element (889 Drucke bzw. 24,3 %). Nur 30 Drucke haben eine Druckermarke auf dem Titelblatt. Leisten oder Titeleinfassungen kommen in der Inkunabelzeit nur in 31 Fällen (0,9 %) vor, zum Teil in Kombination mit dem Titelholzschnitt oder der Druckermarke. Interessant ist der zeitliche Verlauf bei illustrierten Titelseiten: Ihr Anteil nimmt nach 1485 zu, der größte Sprung ist aber für das letzte Jahrzehnt des 15. Jahr-hunderts zu verzeichnen: 1486−1490: 9,4 %, 1491− 1495: 27,4 % und 1496−1500: 36,5 %.234 Der Anteil der Druckermarken und Zierleisten bleibt gering.

234 Bezogen jeweils auf die Gesamtmenge der ermittelten Titelblätter im jeweiligen Zeitraum.

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54 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Abb. 21: Deutschland: Graphischer Schmuck auf der Titelseite bis 1500

Abb. 22: Niederlande: Graphischer Schmuck auf der Titelseite bis 1500

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Titelblätter insgesamt

Ohne T itelillustration u.ä. (typographisch und xylographisch)

Mit T itelillustration (xylographisch und xylographisch)

Mit Druckermarke

Mit Zierleisten

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4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden 55

Abb. 23: Venedig: Graphischer Schmuck auf der Titelseite bis 1500 In der Verwendung graphischer Elemente auf dem Titelblatt nehmen die niederländischen Drucke eine Spitzenposition ein (Abb. 22). Über die Hälfte aller Inkunabeltitelblätter (411 Drucke, 53,3 %)235 ist mit Holzschnittelementen ausgestattet, davon 303 (39,2 % aller Titelblätter) mit einem illustrierenden Titelholz-schnitt und 108 (14 %) mit einem Drucker- oder Verlegersignet. Zierleisten oder Rahmen sind nur für sieben Drucke nachgewiesen, alle in Kombination mit einem Titelholzschnitt. Auch hier ist der zeitliche Verlauf aufschlussreich. Im Gegensatz zu Deutsch-land wird schon in den 1480er Jahren über die Hälfte der Titelblätter mit graphischen Elementen aufgewer-tet, ab 1484 sind durchgängig illustrierte Titelblätter belegt. Besonders interessant ist die Verteilung nach sprachlichen Kriterien auf volkssprachliche236 und la-teinische Drucke: Von 227 volkssprachlichen Titeln sind 188 (82,8 %) mit graphischen Elementen aus-gestattet, davon jedoch nur sechs mit einer Drucker-marke. Bei den 545 lateinischsprachigen findet sich nur in 223 (40,9 %) Fällen graphischer Titelschmuck,

235 Davon 405 mit typographischem Titel, sechs in Kombina-tion mit einem xylographischen Titel. 236 Darunter werden alle Ausgaben in nicht-lateinischer (oder griechischer) Sprache gefasst, also auch die für den Export be-stimmten niederdeutschen, französischen und englischen Drucke.

doch handelt es sich bei knapp der Hälfte (106 Dru-cke) um Signets.

Die Zahlen für Venedig zeichnen ein anderes Bild (Abb. 23). Nur 14,8 % (168 Titelblätter) haben gra-phische Elemente, davon 107 (9,4 %) einen Titel-holzschnitt, 60 (5,3 %) eine Druckermarke und 11 Zierleisten (1 %). Auch die zeitliche Streuung ergibt keine deutlich zunehmende Tendenz für das letzte Jahrzehnt der Inkunabelzeit. Stellt man dieses Ergeb-nis in einen Zusammenhang mit dem mikrotypogra-phischen Befund, zeichnet sich für das venezianische Titelblatt eine andere Stilrichtung der Titelblattge- staltung ab als im nördlichen Mitteleuropa. Dem bildlichen oder ornamentalen Schmuck wird der rein typographische Titel vorgezogen, der mit Figurensatz oder Rotdruck besonders ausgezeichnet wird.

Von den drei Möglichkeiten, eine Titelseite zu illu- strieren – mit einem Titelholzschnitt, einem Signet oder ornamentalem Schmuck –, rangiert die letztgenannte nach der Statistik im unteren Bereich. Der ornamentale Titelschmuck bringt, zumindest in der Inkunabelzeit in Deutschland und den Niederlanden, keine eigenständige Dispositivform hervor. Der eigens angefertigte Titel-rahmen ist eine Erscheinung vor allem des zweiten und dritten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts.

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Titelblätter insgesamt

Ohne T itelillustration u.ä. (typographisch und xylographisch)

Mit T itelillustration (xylographisch und xylographisch)

Mit Druckermarke

Mit Zierleisten

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56 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

4.2 Gerard Leeu und das Titelblatt mit einem Titelholzschnitt Druckerverleger in den Niederlanden gestalten den Bucheingang nach der Mitte der 1480er Jahre regel-mäßig mit einem illustrierten Titelblatt. Vom ersten illustrierten Titelblatt aus dem Jahr 1484 bis zum Ende des Jahres 1490 sind um 130 Ausgaben für die Nieder-lande nachweisbar, bis Ende 1500 knapp 180. 73 sind allein für Gerard Leeu bis 1493 nachweisbar. Diese Offizin hat das Verdienst, das illustrierte Titelblatt als feste Größe in der Buchgestaltung eingeführt zu ha-ben. Neben Leeu sind weiter die Offizin von Jacob Jacobszoon van der Meer und/oder Christiaen Snel-laert in Delft sowie Peter van Os in Zwolle zu nennen. Eine Sonderform des illustrierten Titelblatts, – Schul- und Lehrbücher mit einer ›Magister cum discipulis‹-Szene –, findet sich ebenfalls häufig bei den genannten Druckerverlegern, darüber hinaus auch bei Govaert van Ghemen in Gouda und Richard Paffraet in Deven-ter. Aber auch hier liegt die Initiative bei Leeu.

Leeus Bedeutung für die Einführung des illustrier-ten Buchtitelblatts ist in der Forschung bisher nicht eingehend gewürdigt worden. Die folgenden Kapitel legen daher den Schwerpunkt auf seine Antwerpener Produktion, betrachten aber auch die Titelblattver-wendung der einleitend genannten Offizinen.237 Im Zentrum steht die Frage, für welche Buchtypen und Textsorten die frühen Titelillustrationen in den Nie-derlanden überwiegend eingesetzt und mit welchen Bildmotiven die Titelseiten gestaltet wurden. Denn nur auf diesem Weg lässt sich erschließen, warum die Druckerverleger beginnen, eine Titelseite zusätzlich zur typographischen Hauptgruppe mit einem Titel-holzschnitt auszustatten. Ein wichtiger Akzent der folgenden Detailanalyse liegt auf der Titelillustration selbst. Stammen die Holzstöcke aus älteren Verwen-dungszusammenhängen oder handelt es sich um spe-ziell für das Titelblatt eines bestimmten Werks ange-fertigte Illustrationen? Hier bietet der Katalog von Ina Kok De houtsneden in de incunabelen van de Lage Landen 1475–1500 (1994) reiches Quellenmaterial.238

237 Smith, The title-page, S. 83, bemerkt lediglich: »The only printer who placed woodcuts on his title-pages with any regularity during the 1480s seems to have been Gerard Leeu, when he printed in Antwerp.« 238 Kok bietet eine systematische Übersicht über die niederlän-dischen Inkunabelholzschnitte nach Druckern, erstem Vorkommen und weiterer Verwendung. Ein mögliches Vorkommen in der Funk-tion eines Titelholzschnittes weist Kok jedoch nicht explizit aus, so dass folgendes Vorgehen gewählt wurde: Die illustrierten Titelblätter wurden zunächst mit bibliographischen Hilfsmitteln identifiziert, anschließend bei Kok die Verwendungszusammenhänge der Stöcke überprüft. Vollständigkeit für die hier untersuchten Offizinen inner-halb der zeitlichen Untersuchungsgrenzen wurde angestrebt, aber nicht erreicht. Die verdienstvolle, reiches Material bietende Disserta-tion von Kok ist für die genannten Fragen nur schwer benutzbar, so dass für jeden Einzelfall die Verwendungen in akribischer Kleinar-

Die Untersuchungen von Vermeulen Tot profijt en genoegen. Motiveringen voor de produktie van Neder-landstalige gedrukte teksten 1477−1540 (1986) und Cuijpers Teksten als koopwaar: vroege drukkers ver-kennen de markt (1998) geben wertvolle Hinweise für den leser- und rezeptionsgeschichtlichen Hintergrund. Hilfreich ist auch die Monographie von Vermeulen, der die volkssprachliche Druckproduktion auf wer-bende und anpreisende Paratexte der Druckerverleger untersucht. Alle Indizien zusammen genommen lassen ein schlüssiges Bild der Funktionen des illustrierten Titelblatts im Kontext des literarischen Marktes für das gedruckte Buch entstehen. 4.2.1 Die Druckproduktion der Offizin Leeu in Gouda und Antwerpen und die Einführung des Titelblatts Gerard Leeu ist der bedeutendste niederländische Druckerverleger der Inkunabelzeit.239 Von 1477 bis 1493 sind im Illustrated incunabula short-title catalo-gue 219 Drucke (einschließlich 9 Einblattdrucke) für seine Werkstätten in Gouda und Antwerpen nach-gewiesen. Willem Heijting nennt in seiner bibliometri-schen Studie zur Druckproduktion Leeus die Zahl 228, also etwa ein Zehntel aller in den Niederlanden ge-druckten Inkunabeln; 66 Ausgaben ordnet er der Gou-daer Presse zu.240 Nach Vermeulen hat Leeu 56 Erst-drucke von Werken in den Niederlanden heraus-gegeben, davon 26 in Gouda und 30 in Antwerpen.241 Zudem ist die Offizin führend im Segment des illu- strierten Buchs: Leeu hat nach Kok über 850 Holzstö-cke benutzt.242 Er verfügt damit über einen größeren Materialbestand als jeder andere niederländische Dru-ckerverleger der Inkunabelzeit. Sein Illustrationsmate-rial ist vielfach ausgeliehen und kopiert worden.

Leeu druckt ab 1477 in seiner Heimatstadt Gouda in Holland. Herman Pleij hat darauf hingewiesen, dass in den nördlichen Niederlanden – anders als in Flan-dern und Brabant mit einer Bildungselite unter dem beit aufgesucht werden mussten. Zudem definiert Kok nicht genau, was sie unter einem Titelblatt versteht. – Die Titelansetzung und die Datierung der zahlreichen unfirmierten Drucke erfolgt für die im Folgenden genannten niederländischen Ausgaben nach dem neuesten Census »Incunabula printed in the Low Countries« (ILC). In diesen Census ist die vielfach von Kok vorgenommene Neudatierung aufgrund der Illustrationen eingearbeitet. Abweichungen, z. B. bei GW, werden erwähnt. 239 Vgl. zum Folgenden Lotte Hellinga: Gérard Leeu. In: Le cinquième centenaire, S. 280–286; Hellinga/Hellinga: Printig Types, Bd. 1, S. 36–38; S. 69–73. Zu Leeus Produktion vgl. die bibliometrische Analyse von Heijting: Success in numbers. 240 Vgl. Heijting: Success in numbers, S. 276f. – Unterschiede in den absoluten Zahlenwerten in der Literatur und in dieser Studie gehen auf die unfirmierten und undatierten Drucke Leeus zurück, die unterschiedlich zugeordnet werden. 241 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 95. 242 Kok: Houtsneden, S. 199.

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4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden 57

kulturellen Einfluss des burgundischen Hofes – eine Mittelschicht von Lehrern, Beamten, Notaren, Anwäl-ten, Angestellten und Kaplänen als Publikum für volkssprachliche niederländische Literatur vorhanden ist. Einer der Gründe ist in der Frömmigkeitsbewe-gung der Devotio moderna zu suchen, die unter den lesenden Laien eine positive Einstellung zur Lektüre und zum Selbststudium geschaffen hat. Die Nachfrage nach religiöser Unterweisungsliteratur, nach Ratge-bern für den Alltag und nach Unterhaltung in der Volkssprache ist groß, und sie wird von den ersten Pressen in Gouda, Delft und Haarlem befriedigt, Zent-ren gedruckter volkssprachlicher Literatur in den 1480er und 1490er Jahren. Leeu ist der erste Drucker-verleger, der diesem Publikum mit Andachtsliteratur, Heiligenleben, historischen Stoffen und Unterhaltung im Prosaroman und mit allegorisch-moralischen Stof-fen eine breite Auswahl für die Lektüre bereitstellt.243 Der Anteil niederländischsprachiger Drucke an der Goudaer Produktion Leeus ist mit 60 % ungewöhn-lich hoch.244 Das Jahr 1480 markiert aber bereits einen Einschnitt: Leeu verfügt nun auch über Material für den Druck umfangreicher lateinischer Werke, darunter die erfolgreiche Ausgabe des Dialogus Crea-turarum. Zudem wendet er sich der Buchillustration zu. Der Dialogus Creaturarum hat eine Folge von 123 Holzschnitten, seine erste eigene Holzschnittserie erscheint noch im gleichen Jahr in der Historia sep-tem sapientium Romae. Um 1482/83 ist eine Produk-tionsunterbrechung erkennbar, die Lotte und Wytze Hellinga mit einer möglichen Reise Leeus nach Ve-nedig zum Erwerb neuen lateinischen Typenmaterials in Venezianischem Charakter erklären.245 Sein lateini-sches Schriftmaterial in holländischem Stil ist für die Ausweitung auf einen internationalen Markt, verbun-den mit den Umzugsplänen nach Antwerpen, nicht mehr ausreichend. Ab Ende des Jahres 1483 arbeitet er, noch in Gouda, mit neuem Typenmaterial und druckt Bücher im bis dahin nördlich der Alpen unge-bräuchlichen Sedezformat (16°).246

Um die Mitte des Jahres, vermutlich ab August 1484, beginnt die Arbeit in der Werkstatt in Antwer-pen.247 Der letzte datierte Druck, Van Marien rosen- cransken, mit dem Erscheinungsort Gouda ist vom 19. Juni 1484, der erste datierten Antwerpener, Gem-

243 Vgl. Pleij: Dutch literature, S. 51f. 244 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 78. 245 Type 3 und 5, vgl. dazu ausführlich Hellinga/Hellinga: Printing types; S. 38, S. 70. 246 Vgl. Hellinga: Printing types, S. 38: »The year 1483, how-ever, seems to form a caesura in Leeu’s output. It is possible that Leeu travelled to Venice for the purpose of bringing his business up to date. Another likelihood is that his printing activities were brought to a standstill by the economic crisis that followed the exceptionally savage ›Utrecht war‹.« – Vgl. auch Le cinquième centenaire, S. 281f.; Hellinga: Bookshop of the world, S. 18–20. 247 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 69.

mula Vocabulorum, vom 18. September 1484. Wie Hellinga/Hellinga vermuteten, hat der Ortswechsel an den bedeutenden Messe- und Buchhandelsplatz Antwerpen in Brabant seinen Grund in der bereits in Gouda erkennbaren Strategie Leeus, seine Geschäfts-tätigkeit mit der lateinischen Produktion über die Region hinaus auszuweiten. Zudem ist die Nachfrage für niederländischsprachige Ausgaben bald weitge-hend gedeckt. Dies führt zu einem Versiegen des Drucks volkssprachlicher Literatur gegen Ende des Jahrhunderts.248

Mit Leeus Umzug geht eine Überarbeitung des Pro-grammprofils der Offizin einher. Schul- und Lehrbü-cher für den Unterricht an Lateinschulen werden zu einem neuen Schwerpunkt entwickelt,249 während im Gegenzug der Anteil der umfangreichen Werke in Folio in den Sparten Theologie, Recht und Geschichte zurückgenommen wird. Die Produktion von Erbau-ungs- und Unterhaltungsliteratur in kleinen Formaten wird fortgeführt und mit Stundenbüchern ausgeweitet. Hinzu kommen Romane französischer Stofftradition, nach 1490 auch als Parallelausgaben für den niederlän-dischen und französischen Markt. Weiter verlegt Leeu pragmatische Textsorten wie Prognostiken und Münz-ordnungen. Leeu druckt in lateinischer, niederländi-scher, niederdeutscher, französischer und englischer Sprache. Seine Produktion zielt weniger auf den aka-demischen lateinischen Buchmarkt als auf ein breites Profil gut verkäuflicher Bücher von allgemeinem Inte-resse. Nach dem Tod von William Caxton Anfang 1492, der seit 1476 ein Monopol für englischsprachige fiktionale Literatur aufgebaut hatte, versucht Leeu mit der History of Jason und Cronicles of England auch in diesen fremdsprachigen Markt einzudringen. Das nöti-ge Typenmaterial dafür liefert der Schriftschneider Henric Symmen, den Leeu wohl ab 1488 beschäftigt. Im Dezember 1492 kommt es zum Streit zwischen beiden, weil Leeu vermutlich von Symmen verlangt hat, dass dieser exklusiv für ihn arbeitet. Leeu stirbt an den Folgen einer Kopfverletzung, die Symmen ihm mit einem Stock zugefügt hat, zwei oder drei Tage nach der Auseinandersetzung.250 Die letzte Ausgabe unter sei-nem Namen erscheint posthum 1493.

248 Vgl. Pleij: Dutch literature, S. 56f. u. S. 58: »To start with the exploration and development of the possibilities for printing and distributing vernacular literature were confined to the North, but in the long run it was only in the South from about 1500 onwards that the publication of vernacular literature could succeed.« 249 Vgl. Le cinquième centenaire, S. 284. – Vgl. auch Cuijpers: Teksten als koopwar, S. 242, wonach 63 % volkssprachlicher nieder-ländischer Drucke bis 1540 aus Antwerpen kommen, 21 % aus Holland, 7 % aus Zwolle und Deventer, 9 % aus anderen Druckor-ten. Nach 1500 ist die Dominanz von Antwerpen erdrückend. 250 Vgl. Hellinga: Bookshop of the world, S. 22.

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58 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Abb. 24: Ausgaben der Offizin Gerard Leeu mit und ohne Titelblatt im zeitlichen Verlauf

Leeus Tätigkeit in Gouda und Antwerpen umfasst insgesamt rund eineinhalb Jahrzehnte, eine Zeitspan-ne, die die für die Entstehung des Titelblatts in Deutschland und den Niederlanden wichtigen frühen Jahren abdeckt. Der folgende knappe Überblick ord-net zunächst die Titelblätter Leeus in die Tätigkeit der Offizin ein. Von den 210 hier zugrunde gelegten Buchausgaben Leeus sind etwa ein Viertel in Gouda entstanden und drei Viertel in Antwerpen.251 In Gou-da haben Leeus Drucke in aller Regel kein Titelblatt, lediglich zwei Ausnahmen sind zu verzeichnen.252 Das erste niederländische Titelblatt überhaupt erscheint auf einer Ausgabe von Die vier utersten am Beginn von Leeus Tätigkeit am 6. August 1477 (Abb. 3).253 Das zweite Goudaer Titelblatt ist zugleich das erste illust-rierte: Van Marien rosencransken vom 1. März 1484 (Abb. 25).254 Bis zum Juni 1484 und der Verlagerung der Werkstatt nach Antwerpen sind keine weiteren Titelblätter auf Goudaer Drucken nachzuweisen. Zwei 251 Für Leeu konnten auf der Basis des ISTC insgesamt 210 Ausgaben (ohne Einblattdrucke) nachgewiesen werden. Für 197 konnte geklärt werden, ob sie ein Titelblatt haben oder nicht, in 13 Fällen war mit bibliographischen Mitteln keine Klärung zu erzie-len bzw. war das erste Blatt eines unikalen Exemplars verloren. 252 Vgl. auch Kronenberg: Leeu, S. 17: »Op een heel enkele uitzondering na hebben de Goudse uitgaven nog de eigenaardig-heid van de zeer vroege drukken, dat er geen titelblad in voorkomt. […] Eerst later, in de Antwerpse jaren, volgt Leeu gewoonlijk de nieuwe mode van een afzonderlijk titelblad.« 253 Vgl. oben S. 28. 254 Vgl. unten S. 61f.

im ISTC noch unter Gouda (zwischen 9. März 1484 und 9. Juli 1485) geführte unfirmierte Drucke mit einem illustrierten Titelblatt – Van die konste van spreken ende van swighen und das Stundenbuch De-vote ghetijden van het leven Ons heren – sind von Kok neu datiert worden auf zwischen 18. September 1484 und 9. Juli 1485. Danach gehören sie an den Beginn der Antwerpener Periode, wobei sich ILC dieser Datierung anschließt.255

Erst in Antwerpen bekommt das Titelblatt in Leeus Büchern einen festen Platz. Insgesamt 100 typographische und illustrierte Titelseiten lassen sich nachweisen, 26 Ausgaben sind ohne Titelseite, für die übrigen 22 Titel konnte keine Klärung erreicht werden. Nur 28 von diesen 100 Titelblättern sind rein typographisch, zudem setzt die Verwendung des typographischen Titelblatts bei Leeu mit dem der Epistola contra Judaeorum errores des Rabbis Sa-muel vom 18. Oktober 1486256 erst zwei Jahre nach dem Umzug ein. Es zeigt eine schlichte Gestaltung mit einer dreizeiligen Hauptgruppe, zentriert im obe-ren Drittel der Seite. Autor- und Werknennung wer-den in Satzform gekleidet. Zu diesem Zeitpunkt kommt das illustrierte Titelblatt bei Leeu bereits häufiger vor. Auffällig ist auch, dass das typographi-sche Titelblatt bei Leeu sich überwiegend auf lateini-

255 ISTC ia00209200 sowie ih00433150; vgl. auch die Fußno-ten 279. 256 ISTC is00109500, ILC 1927, Campbell 1504.

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1476–1480 1481–1485 1486–1490 1491–1495JahrTitelblatt illustriert T itelblatt typographisch kein Titelblatt ungeklärt

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4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden 59

schen Ausgaben findet. Nur vier der 28 Titelblätter sind auf Ausgaben in niederländischer Sprache. Sie gehören mit den Erscheinungsjahren 1491/92 aus-schließlich in die letzten beiden Jahre der Offizin. Abschließend kann man festhalten, dass das rein typographische Titelblatt bei Leeu gegenüber dem illustrierten Titelblatt deutlich seltener vorkommt und zudem fast ausschließlich auf lateinische Drucke beschränkt bleibt.

Weniger eindeutig ist die Sprachzugehörigkeit bei den illustrierten Titelblättern. Von den 72 illustrierten Titeln sind 33 lateinisch und 39 volkssprachlich. Hingegen lässt sich eine deutliche Korrelation zwi-schen Buchtyp, Textsorte und Gebrauchsfunktion herstellen. Leeu setzt das illustrierte Titelblatt gezielt für religiöse Erbauungsliteratur für den Laien und volkssprachliche Unterhaltungsliteratur ein.

Das Diagramm (Abb. 24) zeigt in Fünfjahres-schritten257 noch einmal die Titelblattverwendung Leeus im zeitlichen Verlauf. Die Kurve der titelblatt-losen Ausgaben fällt in der Periode 1481–1485 steil ab, während gleichzeitig die der illustrierten Titel-blätter steil ansteigt. Das typographische Titelblatt wird erst nach 1486 fassbar und verbleibt in der Fol-ge auf niedrigem Niveau. Nach 1486 zeigen aber auch die Drucke mit illustrierten Titelblättern einen Abwärtstrend.

4.2.2 Bucheingang und illustriertes Titelblatt bei Gerard Leeu Zunächst ist der Zusammenhang zwischen der Ein-führung des illustrierten Titelblatts, Bucheingangs-formen ohne Titelblatt und textbegleitend illustrierten Ausgaben zu prüfen. Die Forschung zum Inkunabel-titelblatt ist bisher in fast selbstverständlicher Weise davon ausgegangen, dass der illustrierte Titel aus der typographischen Titelseite entsteht. Noch Smith kommt in ihrer Monographie aus dem Jahr 2000 zu dem Schluss:

To modern eyes the typical label-title appears to be lost in a sea of space − often printed in type that seems too small, with little that is attractive in its layout. A woodcut would have been one way to fill the space and at the same time to add to its at-tractiveness. We will never know precisely why printers began to fill the space. To claim that they immediately recognised the possibility of a new role for the page is a little speculative.258

Diese These impliziert eine stringente Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen. Sie wird aber durch 257 Produktionsschwankungen und die Zahl nur ungefähr datierter Drucke werden so ausgeglichen. 258 Smith: The title-page, S. 89.

eine genauere Analyse des Entstehungskontextes der frühesten Titelseiten mit einem illustrierenden Holz-schnitt relativiert. Die rein quantitative Analyse im zeitlichen Verlauf legt diese These zwar nahe, sie wird aber bereits dadurch entkräftet, dass ein solcher Vergleich die beiden frühen Hauptformen als isolierte Gruppen und ohne den Entstehungskontext und das Umfeld der unterschiedlichen zeitgenössischen Buch-eingangsformen erfasst. Betrachtet man hingegen die ersten illustrierten Titelseiten in diesen Zusammen-hängen, zeigen sich andere Entwicklungslinien.

Das erste illustrierte und datierte Titelblatt in den Niederlanden findet sich am 1. März 1484 bei Leeu, noch in Gouda, auf dem kleinformatigen Andachts-buch Van Marien rosencransken. Der Titelholz-schnitt zeigt eine symbolische Rosenkranzdarstel-lung.259 Dieses Titelblatt ist nicht aus einer Addition typographischer Titel plus Titelholzschnitt in zeitli-cher Abfolge entstanden. Der Bucheingang der zeit-lich nahen lateinischen Parallelausgabe (zwischen 1483 und dem 11. Juni 1484) zeigt eine andere Ent-wicklung. Hier wird der Holzschnitt ohne jeden ty-pographischen Zusatz auf der Recto-Seite des ersten Blatts frei gestellt. Wir haben eine illustrierte ›Titel-seite‹ im Anfangsstadium vor uns, der der Sachtitel fehlt. In der lateinischen wie in der volkssprachlichen Fassung ist die Illustration der Ausgangspunkt, nicht eine typographische Werkkennzeichnung. Weiter widerlegt die Gesamtchronologie der Titelblattpro-duktion Leeus die These von Margaret M. Smith. Im August 1477 war Leeus erstes Titelblatt erschienen, das rein typographisch ist. Bis zum zweiten in seiner Offizin nachweisbaren typographischen Titelblatt im Oktober 1486 vergehen mehr als neun Jahre. In den rund zweieinhalb Jahren seit dem ersten illustrierten Titel im März 1484 bis zum zweiten typographischen Titelblatt erscheinen aber nicht weniger als 17 Aus-gaben mit illustrierten Titelblättern. Das Titelblatt als feste Größe des gedruckten Buchs nimmt bei Leeu seinen Anfang als illustriertes Titelblatt und nicht als Erweiterung des typographischen Titelblatts mit einem Holzschnitt.

Untersucht man weiter Leeus Bücher mit illu-strierten Titelblättern auf die Verwendung von Bil-dern (ohne Druckermarken) im Buchinnern, ist die deutlich größere Gruppe von 42 Drucken nicht mit Textillustrationen ausgestattet.260 Im zeitlichen Ver-lauf gesehen sind nahezu alle Ausgaben in den ersten drei bis vier Jahren, die ein illustriertes Titelblatt haben, im Buchinnern nicht illustriert. Der Holz-schnitt auf dem Titelblatt verweist also nicht auf das illustrierte Buch, sondern ist Teil neuer und eigen-

259 Die detaillierte Analyse s. unten S. 61-63. 260 Von den 73 hier zugrunde gelegten Drucken, für die eine illustrierte Titelseite ermittelt werden konnte, haben 45 Drucke keine textbegleitenden Illustrationen, 28 Ausgaben sind illustriert.

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ständiger Überlegungen zur Ausstattung des Buch-eingangs. Auch der Umkehrschluss anhand illustrier-ter Bücher ohne illustriertes Titelblatt bestätigt dieses Ergebnis. Leeu verlegt seit 1480 zum Teil reich il-lustrierte Bücher. Das erste, der Dialogus creatura-rum moralisatus vom 3. Juni 1480,261 ist mit 123 Holzschnitten ausgestattet. Der Bucheingang gliedert sich in Leerblatt, Vorrede und Werkbeginn. Auf dem ersten Blatt der zweiten Lage erscheint der zum ers-ten Dialog gehörende Holzschnitt mit Sonne und Mond als Einleitungsholzschnitt unterhalb der Inci-pitformulierung. Der Werkbeginn wird zudem durch eine große Holzschnittinitiale und vier florale Rand-leisten zusätzlich betont. Diese und alle weiteren Ausgaben in Gouda und Antwerpen, vier lateinische, zwei niederländische und eine französische mit die-sem Holzschnittzyklus, folgen der ursprünglichen Bucheingangsplanung, nur die Zierleisten fallen ab 1486 weg. Erst die letzte lateinische Ausgabe vom 11. April 1491 hat eine rein typographische Titelseite mit einem einzeilig zentriert gesetzten Sachtitel in Texttype ohne jeden weiteren Schmuck. Keiner der Holzschnitte der Serie, auch nicht die ›Sonne und Mond‹-Darstellung, findet bei Leeu in acht Ausgaben vor 1491 den Weg auf das Titelblatt einer der bedeu-tendsten illustrierten Ausgaben des 15. Jahrhunderts. Dieser Befund spricht für eine bemerkenswerte Kon-stanz für ein einmal entwickeltes Layoutschema, selbst als um die Mitte der 1480er Jahre das illustrier-te Titelblatt bei Leeu regelmäßig erscheint. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Buchillust-ration und Titelillustration gibt es auch in diesem Fall nicht. Dass auch andere Lösungen praktiziert wur-den, zeigt Christiaen Snellaert in Delft mit seiner niederländischen Ausgabe vom 2. November 1488,262 der sich Leeus Stöcke ausgeliehen hat. Snellaert gestaltet ein illustriertes Titelblatt mit der ›Sonne und Mond‹-Darstellung unterhalb einer werbenden Sach-titelformulierung »Een genouchlick boeck gheheten dyalogus der creaturen«.

Andere frühe illustrierte Ausgaben Leeus haben ebenfalls weder Titelblatt noch Titelholzschnitt. Die Exempelsammlung Gesta Romanorum263 in der nieder-ländischen Übersetzung Die gesten van Romen (30. April 1481) und die lateinische Historia septem sapientium Romae (vor 3. Juni 1480),264 die Erbau-ungsschriften Dat liden ende passie ons Heren Jesu

261 ISTC id00159550, ILC 708, Campbell/Kronenberg 565; vgl. auch Le cinquième centenaire, S. 292f.; Kok: Houtsneden, S. 210–214. 262 ISTC id00159650, ILC 710, Campbell 568. 263 ISTC ig00298000, ILC 1101, GW 10889, Campbell 826; mit sieben Holzschnitten, die zweite illustrierte Ausgabe in den Niederlanden erscheint in Zwolle: Peter van Os, 26. Mai 1484 (GW 10891) mit neun Holzschnitten. 264 ISTC is00448000, ILC 1952, GW 12850, Campbell 947.

Christi (29. Juli 1482),265 Die vier utersten (23. August 1482)266 und Pierre Michaults Van den drie Blinde Danssen (9. August 1482)267 sind mit Textholzschnit-ten ausgestattet. Der Bucheingang zeigt in diesen Fäl-len eine vom Dialogus abweichende Bucheingangsges-taltung: Leerblatt (1 recto), Holzschnitt auf der Rück-seite des Leerblatts (1 verso) und Textbeginn (2 recto). Für Drucke mit Textillustrationen, aber (noch) ohne Titelblatt ist mit dieser Variante eines Bucheingangs ohne Titelblatt ein Modell skizziert, das auch für viele deutsche Offizinen vor 1490 für textbegleitend illust-rierte Bücher und solche mit einem Einleitungsholz-schnitt charakteristisch ist.

Die wichtigsten Varianten für den Bucheingang mit Illustrationen in der Inkunabelzeit sind:

– erste Seite leer, Holzschnitt auf der Rückseite der Titelseite, Textbeginn auf Seite drei

– typographische Titelseite, Holzschnitt auf der Rückseite der Titelseite, Textbeginn auf Seite drei

– erste Seite mit Titelholzschnitt ohne typographi-schen Text, Wiederholung des Titelholzschnittes oder eines anderen Holzschnitts auf der Rückseite der Titelseite

– Titelseite mit Titelformulierung und Titelholz-schnitt sowie leere, typographisch oder mit einem Holzschnitt bedruckte Rückseite

Viele der Drucke Leeus sowie anderer niederländi-scher und deutscher Inkunabeldrucker zeigen diese Schemata, wie die Übersicht über die Ausgaben ein-zelner Werke in chronologischer Folge bestätigt.268 Die Genese der Titelseite mit einem illustrierenden Holzschnitt lässt sich also nicht als Weiterentwicklung der typographischen Seite mit einfachem Sachtitel auffassen, vielmehr sind typographisches und das illu- striertes Titelblatt konkurrierende Dispositivformen. Die frühe illustrierte Titelseite entsteht aus unterschied-lichen Bucheingangsformen in eigenständiger Entwick-lung und nicht in Abhängigkeit von einer zeitlich vor-ausgehenden typographischen Titelseite. Sie steht viel-mehr in gestalterischer Tradition des Bucheingangs mit einem Einleitungsholzschnitt auf Rückseite des ersten

265 ISTC il00213200, ILC 1451, Campbell 1156. 266 ISTC ic00903000, ILC 629, GW 7521, Campbell 1316, mit vier Holzschnitten; die zweite illustrierte Ausgabe in den Nieder-landen Delft: [Jacob van der Meer], 2. März 1486 (GW 7524) zeigt die Bucheröffnung: typographische Titelseite, Holzschnitt auf der Rückseite, Textbeginn Bl. 2a. Ebenso die Nachdrucke: Delft: Jacob van der Meer oder Christiaen Snellaert, 13. Juni 1487 (GW 7525) und Delft: Christiaen Snellaert, um 1488/89 (GW 7526). Die erste mit illustrierter Titelseite: Antwerpen: Gerard Leeu, 15. April 1488 (GW 7527). Ebenso: Zwolle: Peter van Os, 1. Juli 1491 (GW 7528) und Delft: Hendrik Eckert, um 1499 (GW 7529). 267 ISTC im00566500, ILC 1587, Campbell 1704. 268 Dies ist anhand von Quellenbibliographien wie z. B. dem GW, die die Gestaltung der ersten Seiten ausführlich beschreiben, leicht möglich. Vgl. dazu auch die Fallstudien.

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Blattes. Dieses Modell zeigt sich noch im häufigen Vorkommen des Bucheingangs mit einem ganzseitigen Einleitungsholzschnitt auf der Rückseite des Titelblatts, der für niederländische und deutsche Drucke fast 8 % ausmacht (vgl. Abb. 9 u. 10). 4.2.3 Titelblatt, Illustration, Buchtyp und Werk: die illustrierten Titelblätter der Offizin Leeu (1484–1493) Die folgenden Ausführungen gehen von einer groben Einteilung in drei Programmbereiche aus: der religiö-sen Literatur im weitesten Sinn, der weltlich unter-haltenden (fiktionalen) und moralisch belehrenden Literatur sowie pragmatischen, handlungsanleitenden Texten für den Alltag. Der Sonderfall der Titelblätter mit einer Lehrszene auf Schulbüchern wird in einem gesonderten Kapitel behandelt. 4.2.3.1 Andachts- und Erbauungstexte

Die Andachts- und Erbauungsliteratur nimmt unter den drei genannten Gruppen den größten Teil ein. Zu dieser Gruppe gehört auch das bereits erwähnte erste illustrierte Titelblatt (Abb. 25) auf der niederländi-schen Ausgabe des Quodlibet de veritate fraternitatis Rosarii des Michael Francisci de Insulis unter dem Titel »Van marien rosencransken een suuerlic boex-ken« (9. März 1484).269 Es ist mit großer Wahr-scheinlichkeit das erste niederländische illustrierte Titelblatt überhaupt, in jedem Fall aber das erste auf einer datierten Ausgabe. Der Inhalt des Buchs mit Rosenkranz-Traktaten, Gebeten und Marien-Exempeln gehört in den Kontext der 1475 in Köln von Jacob Sprenger gegründeten Rosenkranzbruderschaft. Wie es im Prolog heißt, der vermutlich von Leeu selbst bearbeitetet wurde, druckte er das Buch »bi versoec van enen deuoten persoen«, also auf Bitten eines frommen, devoten Menschen.270

Dieses Titelblatt ist in vielerlei Hinsicht charakte-ristisch für die Entstehung, Gestaltung und Gebrauchs-funktion des illustrierten Titelblatts. Da ist zunächst der Blickfang der Illustration. Der sehr kleine Holz-schnitt (54 x 42 mm) zeigt einen zum Kreis ausgeleg-ten Rosenkranz. Fünf Perlen sind als offene Blüten-kelche gestaltet, in deren Mitte die durchbohrten Hän-de und Füße und die Seitenwunde Christi zu sehen sind. Einen zweiten Kreis bildet eine Dornenkrone mit dem an der linken Seite durchbohrten Herz Jesu in Zentrum. Die vier Ecken des Bildes sind mit stili-sierten Wolken gefüllt. Aus den beiden oberen ragen Hände hervor, die auf die Leidenssymbole Christi 269 ISTC if00299050, ILC 1000, GW 10264, Campbell 762. 270 Vgl. dazu die ausführlichen Bemerkungen bei Vermeulen: Tot profijt, S. 88f.

deuten. Leeus Holzschnitt ist möglicherweise vom sog. Zweiten Goudaer Holzschneider angefertigt wor-den; nach Conway handelt es sich um ein häufig vor-kommendes, dem Gläubigen geläufiges Motiv.271 Das Bild weist nicht nur auf den frommen Inhalt des Buchs hin, sondern lässt sich als begleitendes An-dachtsbild ›lesen‹. So ist auch die Bemerkung am Schluss des Textes zu verstehen: »[…] ende die niet lesen en konnen die sullen tot elcke figuerken een aue maria segghen ende also ouerdencken dat leuen ende die passie ons heren op dat hy ons nae dit ver-ganclike leuen will gheuen sijn ewich leuen Amen«. Auch die vierzeilige Gebetsaufforderung unterhalb des Titelholzschnittes gehört in diesen Gebrauchs-kontext: »Die mit marien / Ewelic wil verblien / Die spreeck tot allen tyen / Veel aue marien«. Sie stellt das Buch an herausgehobener Stelle in den Kontext privater Frömmigkeitsübungen.

Der Zusatz zum Sachtitel, »een suuerlich boex-ken« weist mit einer typischen Formel auf den Buch-typ hin. Vermeulen hat das Adjektiv ›suverlic‹ (im Sinne von ›rein‹) als häufige anpreisende Formel für populäre Andachtstexte und mystische Werke bele-gen können.272 Die Bezeichnung ›Büchlein‹ wird zeitgenössisch in volkssprachlichen niederländischen Inkunabeldrucken für Ausgaben in kleineren Forma-ten und hier vor allem für devote und mystische Tex-te verwendet. Sie ist im Zusammenhang mit kleinem Format und Illustrationen buchtypenkonstituierend:

Omtrent het voorkomen van bepaalde formaten, lettertypen en illustraties zijn geen generalisaties mogelijk, maar in het algemeen is te zeggen, dat bij het aantreffen van de term ›boeck/boecxken‹ de middeleeuwse consument, afhankelijk van de ge-bruikte aanprijzingen, in de meeste gevallen dacht aan een religieus-moralistisch boekje.273

Das Rosenkranz-Andachtsbuch ist eines der ersten Bücher Leeus im kleinen Oktavformat. Auch hier führt Leeu einen Trend an. Nach der bibliometri-schen Analyse Cuijpers’ erscheinen nach 1490 60 % aller niederländischen volkssprachlichen Ausgaben in Oktav, für geistliche Literatur ist das Oktavformat das nahezu ausschließlich gewählte.274

271 Vgl. Conway: Woodcutters, S. 52. 272 Vgl. Vermeulen, Tot profijt: S. 62, S. 173. 273 Vermeulen: Tot profijt, S. 177f. 274 Vgl. Cuijpers: Teksten als koopwar, S. 243f.

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Abb. 25: Das erste datierte illustrierte Titelblatt: Van Marien rosencransken. Gouda: Gerard Leeu, 9. März 1484

Leeus erstes illustriertes Titelblatt zeigt eine ausge-reifte Variante des Dispositivs für die illustrierte Ti-telseite im gebrauchsfunktionalen Kontext spätmittel-alterlicher individueller Frömmigkeit. Es steht für ei-ne sorgfältig geplante Einheit von Buchinhalt, Buch-typ und Zielgruppe. Leeu beschränkt sich nicht dar-auf, buch- und textcharakterisierende Bezeichnungen prägnant auf dem Titelblatt zusammenzuführen, son-dern bettet diese Neuerung in einen Gesamtkontext ein, der Format, Illustrationen und paratextuelle Be-standteile auf einen bestimmten Buchtyp hin schärft. Er entwickelt die äußere Gestalt des gedruckten Buchs für die religiösen und literarischen Bedürfnisse einer großen Zielgruppe: die lesenden Laien und der niede-re weltliche Klerus, Klosterangehörige sowie Beginen und Begarden. Dieses Muster wird er in Abwandlun-gen für die Antwerpener Produktion geistlicher Lite-ratur übernehmen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um niederländische oder lateinische Ausgaben

handelt. Leeu denkt hier weniger in sprachlichen Kategorien als in Buchtypen und Textsorten.

Die lateinische Parallelausgabe des Rosenkranz-Büchleins hat nach den hier zugrunde gelegten Krite-rien ein noch ›unvollständiges‹ Titelblatt. Der Holz-stock erscheint als Bucheinleitungsholzschnitt ohne jeden typographischen Text in Gouda auf der undatier-ten lateinischen Parallelausgabe Quodlibet de veritate fraternitatis Rosarii, die zwischen 1483 und 11. Juni 1484 erschienen ist.275 Welche der beiden Ausgaben die Priorität hat, lässt sich wegen der undatierten latei-nischen nicht sicher entscheiden. Die kleine Illustrati-on steht in der lateinischen Ausgabe im Quartformat zentriert auf der ersten Seite, umgeben von viel Weiß-raum. Wie der volkssprachliche Druck enthält auch der lateinische bis auf die Titelabbildung keine weite-ren Illustrationen. Die Rückseite des ersten Blatts ist in

275 ISTC if00297500, ILC 999, GW 10261 (datiert um 1483/84), Campbell 759.

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beiden Ausgaben leer, der Text beginnt auf Seite drei. Es ist unklar, ob der Holzschnitt eigens für den Buch-eingang dieser beiden Ausgaben angefertigt wurde. Dagegen spricht seine kleine Größe, die auf einen Text-Bild-Verbund angelegt ist und frei gestellt keine befriedigende Gestaltung des Bucheingangs ergibt. Erst die rahmenden Blöcke des gesetzten Textes bil-den zusammen mit der Illustration eine schlüssige Titelgestaltung. Nach Ina Kok gehört der Holzschnitt von Format und Stil in eine umfangreiche Serie, die für Oktav- und Sedezformate gedacht ist. Im folgen-den Jahr erscheint der Zyklus erstmals nahezu ge- schlossen in Jordanus’ von Quedlinburg Meditationes de vita et passione Jesu Christi (10. Februar 1485). In der vorhergehenden Verwendung eines Bildes als Titel- bzw. Bucheinleitungsillustration wären dann die ersten Spuren eines sehr erfolgreichen Bildzyklus greifbar, den Leeu in vielfachen Variationen und für unterschiedliche Werke bis 1492 einsetzt. Insgesamt verfügt er über drei einander sehr ähnliche Varianten dieser Rosenkranzdarstellung.276 Eine zweite illustriert die Titelblätter der zwischen 1487 und 1489 gedruck-ten Sedez-Ausgaben des Rosarium beatae virginis Ma-riae mit fünfzig kurzen Gebeten; auch diese Drucke gehören in das Umfeld der Rosenkranzbewegung.277

Ein weiteres frühes Titelblatt hat das ›Passien-Stun-denbuch‹ Devote ghetijden van het leven Ons heren mit Gebeten und geistlichen Übungen für jeden Wo-chentag278, datiert zwischen 18. September 1484 und 9. Juli 1485.279 Die Titelillustration zeigt das Motiv ›Christus als Schmerzensmann‹, mit dem der fromme Leser auf die Passion Christi eingestimmt wird. Das Bild gehört zu einer Serie von 68 Stöcken, die in die-ser Ausgabe erstmals insgesamt gedruckt wurden. Ebenfalls daraus stammt die allegorische Titelillustra-tion ›Christus in der Kelter‹ (Der mystische Wein-berg), die für die Liden ende passie ons Heren Jesu Christi in den Ausgaben vom 9. Juli 1485280 und 1. September 1490281 gewählt wurde. Dieser literarisch wenig anspruchsvolle Traktat eines anonymen Verfas-sers über die Leiden Jesu Christi und Mariens gehört zu den am häufigsten im niederländischen Sprachge-biet gedruckten Passien. Leeu verlegt ihn insgesamt sieben Mal, die drei Antwerpener Ausgaben sind il-lustriert. Das Werk zielt auf ein Publikum von Lese-rinnen und Lesern, das auf einfache und emotionale

276 Vgl. zum Zyklus und seinen Verwendungen ausführlich Kok: Houtsneden, S. 236–259 (Holzschnitt: 9.3.60) 277 Vgl. Kok: Houtsneden, S. 242f. (Holzschnitt 9.3:59). 278 Vgl. Rosier: Gheraert Leeus illustraties, S. 135. 279 ISTC ih00433150, ILC 1246, Campbell 1115; Kok: Houts-neden, S. 219–233 (Holzschnitt: 9.2:64). – Zur kunsthistorischen Interpretation des Zyklus und zu seiner weiteren Verwendung vgl. ausführlich Rosier: Gheraert Leeus illustraties. 280 ISTC il00213500, ILC 1454, Campbell 1159. 281 ISTC il00214225, ILC 1464, Campbell 1164; Kok: Houts-neden, S. 224 (Holzschnitt 9.2:68).

Weise zu Meditation und zum Mitleiden angeregt werden soll.282 Das theologisch anspruchsvolle Titel-bild zweier Antwerpener Ausgaben zeigt Christus gekrümmt unter dem schweren Balken der Weinpres-se, doch statt der Trauben wird Christus selbst ausge-presst; sein Blut fließt in einen Kelch. Der Sachtitel weist in beiden Ausgaben werbend auf die vielen Abbildungen hin: »met figueren«. Aus diesen Ausga-ben stammt auch die Titelillustration zur niederländi-schen Ausgabe des Cordiale quattuor novissimorum, Die vier utersten vom 15. April 1488, die den Tod mit einem Pfeil neben einem leeren Sarg zeigt.283

Auf den fünf lateinischen Drucken des Beicht-büchleins Libellus de modo poenitendi et confitendi (28. Januar 1485284, 28. Januar 1486285, 23. Oktober 1486286, 18. Februar 1488287, 17. März 14[88]288) ist eine Beichtszene auf dem Titel zu sehen: Ein junger Patrizier kniet vor einem Geistlichen in einem Beichtstuhl. Der Holzschnitt ist einer Serie entnom-men, die erstmals in den Liden ende passie ons He-ren Jesu Christi vom 29. Juli 1482 abgedruckt ist.289 Ebenfalls aus dieser Ausgabe stammt die Verkündi-gungsszene auf dem Marien-Spiegel des Bonaventu-ra, Speculum Beatae Mariae Virginis vom 2. August 1487290, und Bernhards von Clairvaux Homiliae su-per evangelio Missus est angelus Gabriel (zwischen 2. August 1487 und 26. November 1489)291.

Zu dem Zyklus sehr kleinformatiger Holzschnitte, der erstmals in Jordanus’ von Quedlinburg Meditati-ones de vita et passione Jesu Christi (10. Februar 1485)292 vorkommt, gehört das Motiv ›Christus als Schmerzensmann‹. Als Titelholzschnitt wird es auf Leeus Nachdrucken dieses Werks vom 25. Juli 1487293 und vom 20. November 1488294 eingesetzt, ebenso auf der niederländische Ausgabe vom 5. Ja-nuar 1487295 unter dem Titel: »Jordanus meditacien vanden soeten leuen ende bitter passie verrisenisse ende glorificacie ons heeren jhesu christi.« Jordanus von Quedlinburg († 1380) stand den mystischen Strömungen seiner Zeit aufgeschlossen gegenüber,

282 Vgl. dazu die Untersuchung von Moolenbroek: Dat liden. 283 ISTC ic00904300, ILC 634, GW 7527, Campbell 1320; Kok: Houtsneden, S. 219–233 (Holzschnitt: 9.2:58). 284 ISTC im00764000, ILC 1611, Campbell 1129. 285 ISTC im00765000, ILC 1612, Campbell 1130. 286 ISTC im00766000, ILC 1613, Campbell II 1131. 287 ISTC im00767000, ILC 1614, Campbell 1134. 288 ISTC im00766500, ILC 1615 (Datierung nach Kok), Campbell 1133. 289 Kok: Houtsneden, S. 222, S. 230f. (Holzschnitt 9.2:66). 290 ISTC ib00961000, GW 4819, ILC 449, Campbell/Kronen-berg II 1576; Kok: Houtsneden, S. 220, S. 231 (Holzschnitt 9.2:8). 291 ISTC ib00400000, GW 3933, ILC 384, Campbell 281 = 280. 292 ISTC ij00473900, ILC 1364, Campbell 1046; Kok: Houts-neden, S. 236–259 (Holzschnitt 9.3:68). 293 ISTC ij00473800, ILC 1365, Campbell 1047. 294 ISTC ij00474000, ILC 1366, Campbell 1048. 295 ISTC ij00475100, ILC 1369, Campbell 1051.

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und seine Meditationes haben die spätmittelalterliche Frömmigkeit stark beeinflusst. Der Titelholzschnitt stimmt auf das Werk ein: Er zeigt den nur mit einem Lendenschurz bekleideten Christus mit seinem Kreuz und den Leidenwerkzeugen vor einem offenen Sarg. Eine Darstellung von König David und zwei Pries-tern, die die Bundeslade in den Tempel tragen, ist im Psalterium daviticum vom 31. Januar 1487296 auf dem Titelblatt und der Rückseite zu sehen. Der Holz-schnitt erscheint hier zum ersten Mal, der Druck ist nicht weiter illustriert. Stilistisch ordnet Kok ihn als Nachzügler einer umfangreichen und häufig einge-setzten Serie zu, die fast vollständig erstmals in Jor-danus’ von Quedlinburg Meditationes de vita et pas-sione Jesu Christi (10. Februar 1485) benutzt wurde.297 Die Titelformulierung lautet: »Psalterium dauiticum deuotum cum titulis et orationibus«. Der Titelholz-schnitt wird nochmals in der Ausgabe vom 15. Okto-ber 1488 verwendet.298 Aus diesem Zyklus zum Le-ben Christi mit knapp 80 sehr kleinen Holzschnitten stammen auch die Titelholzschnitte zu Dirk Coeldes Kerstenspiegel vom 20. Oktober 1485 (Stephaton reicht Christus einen mit Essig getränkten Schwamm)299 und zum Spiegel der volcomenheit vom 11. März 1488 (heilige Veronika mit dem Schweißtuch)300. Ti-telformulierung »tot heyl ende salicheyt alre kersten menschen« und Incipit »totter zielen salicheit« wei-sen auf den Nutzen des Buchs für das Seelenheil hin.301

In allen diesen Beispielen ist die Titelillustration aus dem reichen Fundus vorhandener Holzstöcke mit passenden Motiven gewählt worden. In den folgen-den Ausgaben ist der Titelholzschnitt Teil einer ei-gens auf das Werk abgestimmten, neuen Serie von Holzschnitten. Diese Praxis, Titelillustration und text-begleitende Bilder als Einheit zu sehen, setzt erst spät ein. Am 28. November 1487 beendet Leeu Thoofkijn van devotien, drei Traktate nach der Hohelied-Aus-legung Le Jardin amoureux des Petrus de Alliaco, ins Niederländische übersetzt nach einem französisch-sprachigen Erstdruck aus Brügge 1475. Der Incipit-Titel auf dem Titelblatt lautet: »Hier beghint een sueuerlijk boecxken ghenoemt thoofkijn van deuo-tien«. Auch das Incipit selbst und die Schlussschrift enthalten anpreisende Formulierungen wie »zeere deuoet ende profitelijck«.302 Dieser niederländische Erstdruck ist mit einer neu angefertigten Serie von zwölf verschiedenen blattgroßen Holzschnitten illu-

296 ISTC ip01046400, ILC 1824, Campbell 541; Kok: Houts-neden, S. 249 (Holzschnitt 9.3:74). 297 Vgl. Anm. 276. 298 ISTC ip01048500, ILC 1825, Campbell 542. 299 ISTC ic00747200, ILC 591, GW 7138, Campbell 579; Kok: Houtsneden, S. 251 (Holzschnitt 9.3:47). 300 ISTC is00677700, ILC 2024, Campbell 1577; Kok: Houts-neden, S. 251 (Holzschnitt 9.3:70). 301 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 87. 302 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 88f.

striert. Auf dem Titelblatt ist die minnende Seele im Garten der Devotion im Kreis der vier Tugenden zu sehen.303 Die erste vollständige niederländische Aus-gabe der Vita Christi, der Meditationen zum Leben Jesu des rheinländischen Kartäusers Ludolf von Sachsen († 1387), erscheint unter dem Titel Tboeck vanden leven Jhesu Christi am 3. November 1487. Es handelt sich um ein für die Frömmigkeitsbewegung der ›Devotio moderna‹ zentrales Buch. Leeus Über-setzung aus dem Lateinischen ist ein umfangreicher Prolog über den Autor und seine Quellen vorgeschal-tet; er bezeichnet das Buch als ›nützlich‹ zu lesen.304 Das Titelblatt zeigt das Motiv ›Christus mit der Weltkugel‹ (Salvator Mundi), gerahmt von Zierleis-ten, die an den Holzschnitt angepasst wurden.305 Dieser Titelholzschnitt gehört zu einer umfangrei-chen Serie von Illustrationen, die hier erstmals er-scheinen. Die Titelabbildung wird wiederholt auf der Ausgabe des Claes Leeu, Antwerpen, 20. November 1488.306 Das Motiv ›Die Jungfrauen Justitia und Ve-ritas wiegen das Jesuskind‹ wählt Leeu für den Titel der einzigen niederländischen Ausgabe Van die ghees-telike Kintscheijt ihesu ghemoraliseert (16. Februar 1488) mit 38 neuen Holzschnitten.307 Die mystisch-allegorische Darstellung der Kindheit Jesu weist Züge Franziskanischer Spiritualität auf und wurde mögli-cherweise von Jan Brugman verfasst.308 Aus diesem Illustrationszyklus stammt der Titelholzschnitt ›Das Jesuskind erscheint in einem Dornenkranz der Seele‹ auf Den gheesteliken minnenbrief die Jesus Christus sendet tot synre bruyt (zwischen 11. Juli 1491 und 1492).309 »Vander dochtere van Sion een deuot exerci-tie«310 lautet die Titelformulierung zu der allegori-schen Prosabearbeitung der Filia Sion vom 7. Januar 1492, die Leeu zusammen mit der Geestelijke oefenin-ge hoe men dat soete kindeken Jesus besoecken sal druckt. Das Titelblatt wird von einem seitengroßen Holzschnitt gefüllt, der zeigt, wie die Tochter von Sion (Jerusalem) die Jungfrau Cognitio aussendet. Der Titelholzschnitt ist Teil einer neuen Serie, der für dieses Werk angefertigt wurde. Ein Stundenbuch in niederländischer Sprache vom 16. August 1491 hat ein aufwändig gestaltetes Titelblatt. Vier Zierleisten bilden 303 ISTC ia00478250, ILC 217, Campbell 985; Kok: Houtsne-den, S. 303–305 (Holzschnitt 12.4:7). 304 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 89. 305 ISTC il00353000, ILC 1503, Campbell/Kronenberg II 1181; Kok: Houtsneden, S. 295–301 (Holzschnitt 12.3:16). 306 ISTC il00355000, ILC 1505, Campbell 1183; Kok: Houts-neden, S. 299. 307 ISTC ik00022000, ILC 1386, Campbell 1074; Kok: Houts-neden, S. 306–310 (Holzschnitt 12.6:10). 308 Vgl. die Untersuchung zum Werk von Buuren: Van die gheestelike kintscheyt. 309 ISTC im00585970, ILC 1595, Campbell 1258; Kok: Houtsneden, S. 309 (Holzschnitt 12.6:2). 310 ISTC id00298800, ILC 733, GW 8589, Campbell 603; Kok: Houtsneden, S. 346f. (Holzschnitt 12.17:2).

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einen Rahmen, der oben den Sachtitel »Duytsche ghetijden« und darunter die Darstellung der Verkündi-gung umschließt.311 Die mystische Krone Mariens mit drei Sternen, drei Blumen und sechs Edelsteinen zeigt das Titelblatt der Corona mystica Beatae Mariae Vir-ginis vom 6. Oktober 1492.312 Der Holzschnitt gehört zu einer neuen Serie für diesen von Leeu erstmals in den Niederlanden gedruckten Text.

Ausschließlich auf dem Titelblatt des Morticellarium aureum vom 20. Februar 1488 kommt der eigens ange-fertigte Holzschnitt vor, der einen Einsiedler und einen jungen Edelmann vor einem Beinhaus zeigt.313 Maria, die den knienden Sünder belehrt, zeigt der neue Titel-holzschnitt der einzigen niederländischen Ausgabe des Dionysus Carthusiensis Speculum conversionis pecca-torum, Spiegel der bekeeringen der zondaren. Dialog van Maria en de zondaar vom 16. März 1488.314 Leeu bezeichnet in dem von ihm hinzugefügten Incipt das Werk als »seer profitelijc«.315 Aus den Illustrationen zu diesem Druck ist auch der Titelholzschnitt in der Funktion einer ›Magister cum discipulis‹-Szene – ein Lehrer unterrichtet einen jungen Mann – für die einzi-ge niederländische Ausgabe des Jacobus de Reno Dialogus senis et iuvenis de amore disputantium vom 5. Juli 1491 entnommen.316

Die folgenden Titelblätter zeigen Heiligenfiguren. Das Psalterium Sancti Hieronymi (zwischen 30. April 1491 und 1492) hat als einzige Illustration einen Titelholzschnitt: Dem Hieronymus in der Wüs-te erscheint Christus am Kreuz.317 Dieser Holzschnitt kommt sonst nicht mehr vor und ist für die Ausgabe geschnitten worden. Oberhalb des Bildes lautet der Titel: »Psalterium Jheronimi valde deuotum et meri-torium«, unterhalb findet sich die Aufforderung: »BEatus Jheronimus in hoc modo disposuit hoc psal-terium: […] Porro propter«. ›Anna Selbdritt in einem Dornenkranz‹ zeigt die Titelabbildung für das Le-gendenbuch Historie, getijden en exempelen van S. Anna (zwischen 9. Februar 1491 und 1492)318, eben-so für die Ausgabe vom 17. Dezember 1491319. Die niederländische Legende van Sinte Franciscus (Bo-

311 ISTC ih00430300, ILC 1229, Campbell/Kronenberg I 835a; Kok: Houtsneden, S. 336– 343 (Holzschnitt 16.1:18). 312 ISTC ic00926000, ILC 641, GW 7575, Campbell 497; Kok: Houtsneden, S. 348–352 (Holzschnitt 12.19:1). 313 ISTC im00864000, ILC 1636, Campbell/Kronenberg II 1270; Kok: Houtsneden, S. 310 (Holzschnitt 12.7). 314 ISTC id00248400, ILC 726, GW 8421, Campbell 591; Kok: Houtsneden, S. 311f. (Holzschnitt 12.8:1). 315 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 89f. 316 ISTC ij00061000, ILC 1300, Campbell III 571 u. 1457; Kok: Houtsneden, S. 312 (Holzschnitt 12.8:2). 317 ISTC ih00188300, ILC 1186, Campbell 935; Kok: Houts-neden, S. 331 (Holzschnitt 12.13:4). 318 ISTC ia00743000, ILC 247, GW 1996, Campbell/Kronen-berg III 961; Kok: Houtsneden, S. 328–330 (Holzschnitt 12.12:2). 319 ISTC ia00743100, GW 1997, ILC 248, GW 1997, Camp-bell 1508, GW 1997; Kok: Houtsneden, S. 330.

naventura) und die Legende en leven van Sinte Clara (Thomas de Celano) druckt Leeu zusammen in einer Ausgabe vom 28. Juni 1491.320 Der Titelholzschnitt des heiligen Franciscus, seine Stigmata zeigend, il-lustriert mit der für Einzellegendenausgaben typi-schen Heiligenfigur diese Ausgabe. Allerdings fehlt ein visueller Hinweis auf die im zweiten Teil folgen-de Klara-Legende. Leeu löst das Problem auf origi-nelle Art: das Bild der heiligen Klara (mit einer Monstranz) findet sich auf der Außenseite des letzten Blatts (190v). Aufgeschlagen ergibt sich ein Buch-umschlag mit zwei Heiligenbildern. Die Klara-Legende wird innerhalb des Buchs (Bl. 150v) mit dem gleichen Holzschnitt eingeleitet. Der ›heilige Bernhard von Clairvaux vor Maria und dem Chris-tuskind kniend‹ illustriert das Titelblatt der nieder-ländischen Ausgabe des Pseudo-Bernardus Psalteri-um Beatae Mariae Virginis vom 8. Oktober 1491.321 4.2.3.2 Unterhaltungsliteratur, Ratgeber und zeithistorische Texte

Die folgenden Titelblätter gehören zum Programmbe-reich der weltlichen, moralisch belehrenden und unter-haltenden Literatur. Eines der frühen illustrierten Ti-telblätter Leeus findet sich auf der populären Fabel-sammlung Vita et Fabulae des Aesop vom 12. Okto-ber 1485, eine freie Übersetzung in die niederländi-sche Sprache nach einer französischen Fassung.322 Diese Ausgabe zeigt unterhalb des typographischen Titels »Dye historien ende fabulen van Esopus / die leerlijck wonderlijck en zeer ghenoehlijck zijn« den aus dem süddeutschen Raum bekannten Einleitungs-holzschnitt mit dem buckligen Dichter Aesop, umge-ben von Requisiten aus seinen Fabeln. Die 184 Holz-schnitte für die Ausgabe hat Leeu vom Straßburger Druckerverleger Heinrich Knoblochtzer übernommen. Auch die lateinische Ausgabe vom 26. September 1486 hat die gleiche Titelillustration.323 Titelblatt und Titelblattrückseite des Aesopus moralisatus cum commento vom 14. Mai 1488, Leeus einzige Ausgabe dieses Textes, zeigen eine verkleinerte und seitenver-kehrte Kopie des Titelholzschnitts der Ausgabe vom 12. Oktober 1485.324 Diese wird auf dem Titelblatt des Dialogus Salomonis et Marcolphi (nach 14. Mai

320 ISTC ib00889300, ILC 428, GW 4664, Campbell 334; Kok: Houtsneden, S. 335 (Holzschnitt 12.13:1 und 12.13:2). 321 ISTC ib00425500, ILC 385, GW 4062, Campbell/Kronen-berg II 278; Kok: Houtsneden, S. 344 (Holzschnitt 12.15). 322 ISTC ia00116900, ILC 24, GW 374, Campbell 28; Kok: Houtsneden, S. 273–282 (Holzschnitt 15.1). 323 ISTC ia00114000, GW 349, ILC 23, Campbell 26, GW 349. 324 ISTC ia00129500, ILC 26, GW 402, Campbell 38; Kok: Houtsneden, S. 314f. (Holzschnitt 12.10).

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1488)325 wiederholt: Wohl keine glückliche Wahl, denn Leeus englische, für den Export bestimmte Aus-gabe (zwischen 27. Juli 1489 und 1492) zeigt eine Neuanfertigung mit dem Motiv ›Marcolphus und seine Frau vor dem thronenden König Salomon‹.326

Claes Leeu, der in enger, aber ungeklärter Bezie-hung zu Gerard Leeu steht,327 publiziert die für den Export bestimmte niederdeutsche Ausgabe der Histo-ria Septem Sapientium Romae vom 11. April 1488 (Historie van die seven wise mannen van Romen). 328 Diese moralische Exempelsammlung hat Gerard Leeu erstmals in Gouda am 25. Juli 1479 nach einem Kölner Druck von um 1473 aufgelegt.329 Die mit einer Serie neuer Holzschnitte ausgestatte Antwerpener Ausgabe hat einen Titelholzschnitt auf dem zu sehen ist, wie Kaiser Pontianus in Anwesenheit der Kaiserin den sieben Weisen die Aufsicht über seinen Sohn über-trägt. Zeitlich gehört dieser Druck in die Nähe der Ausgaben, die seit 1487 mit einem Titelbild illustriert sind, das zu dem im Buchinnern verwendeten Zyklus gehört. Die lateinische Ausgabe Gerard Leeus vom 6. November 1490 ist ähnlich illustriert.330

Johannes Jacobis Pestbuch Regimen contra pesti-lentiam hat auf dem Titelblatt zweier Ausgaben, die zwischen den 11. Januar 1486331 und 26. November 1489332 nur ungefähr zu datieren sind, den Heiligen Abt und Pestpatron Antonius mit seinen Attributen Buch, Glocke, Stab und Schwein in hügeliger Land-schaft. Nach Kok stammt der Holzschnitt nicht von Leeu, sondern aus dem Bestand von Jacob Bellaert in Haarlem, möglicherweise aus einer Serie zu einem heute verlorenen Druck. Auf den Holzstock-Bestand aus Bellaerts Nachlass333 gehen auch die qualitativ guten Illustrationen des Haarlemer Künstlers334 zu den Büchern hervor, die Leeu in seinem letzten Le-bensjahr nach dem Tod Caxtons für den englischen Markt herausbringt. Raoul Lefèvres L'histoire de Jason in der Übersetzung von William Caxton, History of Jason, erscheint am 2. Juni 1492. Die 21 Holzschnitte hatte Jacob Bellaert für unterschiedliche

325 ISTC is00095430, ILC 1920 (Datierung nach ILC), GW 12760 (zwischen 2. August 1487 und 26. November 1489), Camp-bell 455; Kok: Houtsneden, S. 314. 326 ISTC is00102800, ILC 1926, Campbell 460; Kok: Houts-neden, S. 319f. (Holzschnitt 10.12). 327 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 74. 328 ISTC is00450250, ILC 1959, Campbell 954; Kok: Houts-neden, S. 312–314. (Holzschnitt 12.9:2). 329 Vgl. Bree: Leeu als drukker, S. 63–69. 330 ISTC is00448600, ILC 1953, Campbell 950; Kok: Houts-neden, S, 313f. 331 ISTC ij00003540, ILC 1289, Campbell 1065; Kok: Houts-neden, S. 466f. (Holzschnitt 12.13:3). 332 ISTC ij00003550, ILC 1290, Campbell/Kronenberg I 1065a. 333 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 73f.; Kok: Houtsne-den, S. 467. 334 Vgl. Conway: Woodcutters, S. 65f.

Bücher verwendet, aber nicht auf dem Titelblatt.335 Leeus Titelblatt zeigt unterhalb des sechszeiligen Sachtitels wie Jason auf der Insel Colchis mit dem Feuer speienden Drachen kämpft. Ebenfalls mit einer Serie Bellaerts von 25 Holzschnitten, die anders als die Jason-Serie von diesem vermutlich nicht für ein Ausgabe benutzt worden sind, illustriert Leeu seine verschiedenen Ausgaben des Prosaromans Historie von Paris und Vienna:336 die französische Histoire du chevalier Paris et de la belle Vienne (15. Mai 1487)337, die nur vier Tage später folgende niederländische Historie van Parijs ende Vienna (19. Mai 1487)338 unter dem Titel »DIe historie vanden vromen ridder parijs ende van die schone vienna des dolphijns dochtere« (1487), die zweite niederländische (zwi-schen 9. Februar 1491 und 1492)339, die niederdeut-sche (nach 19. Mai 1488)340 und die für den englischen Markt bestimmte »Thystorye of the right noble and worthy knyght parys and of the fayre vyenne the dolphyns doughter of vyennoys« in der Übersetzung von William Caxton (23. Juni 1492)341. Der Titelholz-schnitt zeigt Vienna mit ihren Eltern; er wird in allen Ausgaben auf der Rückseite des Titelblatts wiederholt und erscheint nicht mehr als Textholzschnitt. Leeus letztes Buch ist die für den englischen Markt bestimm-te Chronik Chronicles of England (vor 21. Juli 1493). Der von zwei Leisten aus dem Bestand von Jacob Bellaert gerahmte neue Titelholzschnitt zeigt das Wap-pen von England von zwei Engeln gehalten.342

Leeu druckt nur wenige ›Sachbücher‹ für den praktischen Gebrauch im Alltag. Darunter fünf Pro- gnostiken in unterschiedlichen Ausgaben des Jaspar Laet. Zuerst erscheint 1487 eine lateinische Ausgabe der Prognosticationes de anno 1488; weitere für die Folgejahre 1491 erscheinen in Latein, Niederländisch 1491 und Französisch 1493 und mit unbekanntem Jahr.343 Das Layout der Titelblätter ist in allen Aus-gaben ähnlich. Unterhalb des Sachtitels mit der Nen-nung des Autors und des Jahrs, für das die Prognostik

335 ISTC il00112100, ILC 1418, Campbell 1093; Kok: Houts-neden, S. 346–449 (Holzschnitt 11.6:15). 336 Kok: Houtsneden, S. 467 (Serie 12.1:1–25), ohne genaue Beschreibung des Zyklus; Conway: Woodcutters, S. 247–249. 337 ISTC ip00112800, ILC 1691, GW 12686, Campbell 941. – Dem einzig bekannte Exemplar der Nationalbibliothek Paris fehlt das erste Blatt. Da der Erstdruck nach Satzspiegel und Illustratio-nen mit der wenige Tage später erscheinenden niederländischen übereinstimmt, ist es wahrscheinlich, dass die französische Ausga-be die gleiche Titelausstattung hatte. 338 ISTC ip00113800, ILC 1692, GW 12700, Campbell II 942. 339 ISTC ip00114500 ILC 1693, GW 12701 (datiert um 1491/92), Campbell II 942a. 340 ISTC ip00115200, ILC 1696, GW 12699, Campbell 943. 341 ISTC ip00113600; ILC 1695, GW 12692, Campbell II 994a. 342 ISTC ic00481000, ILC 559, GW 6674, Campbell 511; Kok: Houtsneden, S. 354 (Holzschnitt 12.20). 343 Die Ausgaben werden hier nicht einzeln aufgeschlüsselt. Vgl. Kok: Houtsneden, S. 305f. (Holzschnitt 103).

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erstellt wurde, füllt eine astronomische Figur, eine Sternenkonstellation mit Erläuterungen, das Titelblatt aus. Die quadratische schematische Darstellung hat die übliche Form, die den Interessenten geläufig war.

Zur zeithistorischen (Flugschrift-)Literatur gehört die Beschreibung der Krönung Maximilians Electie coronacie ende salvinghe des roemschen conincs Maximilianus, gedruckt zwischen 27. April und 23. Oktober 1486. Unter einem mit fünf Zeilen umfang-reichen Sachtitel mit einer Inhaltsangabe zeigt der Titelholzschnitt die Krönungszeremonie mit Maximi-lian und drei Bischöfen.344 Zu erwähnen ist auch die Titelblattgestaltung der Invectiva in superstitiosum quendam astrologum Johannem Lichtenberger des Paulus de Middelburgo, nach dem 1. Januar 1492. Zwar handelt es sich nicht um ein illustriertes Titel-blatt, unter den typographischen Titeln Leeus ragt es heraus durch die Verwendung der großen Titeltype, in der »Invectiva« als dominierender Blickfang ge-setzt ist. Dieses erste Wort der umfangreichen Sachti-telformulierung steht zentriert und allein in einer Zeile oberhalb des typographischen Textblocks von sieben Zeilen.345 4.2.3.3 Titelillustration und Titelgestaltung

Die vorhergehende Übersicht hat einen deutlichen Zusammenhang zwischen Leeus Programmschwer-punkt geistlicher Literatur zum Leben und Leiden Christi und Marias, von Heiligenlegenden, Gebets- und Andachtsbüchern, Sterbebüchlein und Beicht-büchlein und der Einführung und Gestaltung des illustrierten Titelblatts ergeben. Die Variationsbreite der von Leeu für die Publikation gewählten Texte ist allerdings geringer als der hohe Anteil der Drucke an der Gesamtproduktion verspricht. Leeu druckt vor allem gut verkäufliche Werke mehrfach nach. Zu dieser profitorientierten Strategie gehört auch das illustrierte Titelblatt.346 Zur Ausstattung dieses Buch-typs – ein kleinformatiges Buch (›boecxken‹) häufig in Oktav, manchmal auch in Sedez – verfügt die Offizin ab etwa 1482 über teilweise sehr umfangrei-che Illustrationszyklen. Die Titelholzschnitte werden in den frühen Antwerpener Jahren aus diesem Fundus gewählt und wandern von Ausgabe zu Ausgabe, von Werk zu Werk. Leeu verfügt über ein genügend gro-ßes Reservoir an Druckstöcken, so dass sein Stan-dardprogramm an religiöser Lektüre mit passenden Titelillustrationen ausgestattet werden kann. Bereits die ersten Titelblätter aus dem Jahr 1484 folgen die-ser Ausstattungsökonomie. Selten sind Holzschnitte, 344 ISTC im00385050, ILC 1564, Campbell 659; Kok: Houts-neden, S. 289 (Holzschnitt 10.5). 345 ISTC ip00184600, ILC 1707; vgl. auch Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 71 u. Tafel 248. 346 Kok: Houtsneden, S. 289.

die ausschließlich auf dem Titelblatt zu finden sind. Eine anspruchsvollere Variante kommt ab 1487 vor, wenn nämlich eine Titelabbildung aus einem eigens für die Ausgabe neu geschaffenen Zyklus stammt.

Der Schwerpunkt der Titelblattgestaltung liegt auf dem Bild. Es ist dominanter Blickfang, das Motiv ist den Gläubigen geläufig und passt sich dem Erwar-tungshorizont des Käufers und Lesers an. Auch die werbenden und anpreisenden Adjektive, die in die Titelformulierung aufgenommen worden (›devoet‹, ›suverlic‹), oder Hinweise auf den Nutzen der Lektü-re für das Seelenheil, bedienen diese Erwartungen. Titelformulierung und Titelbild legen den Schluss nahe, dass Leeu ein Konzept für die Gesamtpräsenta-tion seiner Bücher entwickelte, der neben Prolog und Schlussschrift vor allem auf das Titelblatt setzt. Dies ist schlüssig auf die Frömmigkeitspraxis des ausge-henden 15. Jahrhunderts und ein lesendes Publikum vom frommen Laien bis zum Weltkleriker sowie Mönch und Laienbruder, Nonne, Begine und Begar-de, abgestimmt. Pleij hat darauf hingewiesen, dass die frühen niederländischen Druckerverleger sich nicht auf bestimmte Zielgruppen konzentrierten, sondern versuchen viele Interessenten anzusprechen, um den Absatzmarkt möglichst nicht von vornherein einzuschränken.347

Weniger Augenmerk legte Leeu auf den Titelsatz. Da das Material nicht selten aus dem vorhandenen Fundus von Holzstöcken unter inhaltlichen Gesichts-punkten ausgewählt wird, stellte sich die Frage einer befriedigend durchkomponierten Titelseite wohl gar nicht. Die Abbildung, wenn sie nicht Satzspiegel fül-lend ist, wird zentriert, der Titel bzw. Incipitformulie-rung im Block darüber gesetzt. Bei mehreren Zeilen wird die erste manchmal eingezogen oder mit einem Rubrikzeichen versehen, der üblichen Gestaltungs-konvention für den Beginn eines Textabschnitts. Schmuckinitialen kommen selten vor, nie eine typo-graphisch abgestufte Gestaltung und kein Figurensatz. Das besondere Spannungsverhältnis zwischen Weiß-räumen und bedruckten Flächen, das später für die Titelgestaltung charakteristisch wird, gerät nicht als gestalterisches Problem in den Blick. Titelseiten wer-den zunächst noch nicht in ihrer Eigenheit als typogra-phisches Problem erkannt, sondern ähnlich wie illust-rierte Textseiten behandelt. In den Fällen, in denen Textzusätze wie Gebete oder eine Aufforderung zum Gebet hinzukommen, wird der Weißraum am Fuß der Seite unterhalb des Bildes genutzt.

In Grundzügen gelten diese Ergebnisse auch für die anderen Programmbereiche. In der Wahl der Titelillustrationen ist die Offizin für nicht-geistliche Literatur allerdings weniger frei, da die inhaltlich-thematische Variationsbreite der Stoffe, wenn die 347 Zu den volkssprachlich Lesenden vgl. ausführlich Pleij: Lay persons, hier S. 17f.

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Titelillustration den Inhalt charakterisieren soll, eine Einschränkung bedeutet. Insgesamt lassen sich we-gen der kleinen Zahl an Ausgaben jedoch keine kla-ren Linien erkennen. Bemerkenswert ist, dass das Material für nicht wenige der Titelabbildungen von anderen Druckern übernommen wurde: für den Ae-sop, das erste Titelblatt auf einem fiktionalen Werk, vom Straßburger Heinrich Knoblochtzer, oder für die für den englischen und französischen Markt be-stimmten Ausgaben der letzten Produktionsjahre aus dem Nachlass von Bellaert in Haarlem. Unter diesen Titelblättern ragt das für die L'histoire de Jason vom 2. Juni 1492 durch den Titelsatz heraus. Oberhalb von Bellaerts Holzschnitt wird das gesamte obere Drittel der Seite dominiert von drei Zeilen, gesetzt in Leeus großer Titeltype, die er auch für den Titelsatz der Invectiva aus dem gleichen Jahr verwendet. Auch der Titel der Chronicles of England, Leeus letztes Buch, zeigt diese Type über zwei Zeilen des Sach- titels oberhalb des Holzschnitts mit den beiden Rand-leisten aus dem Nachlass Bellaerts.348 4.3 Das illustrierte Titelblatt bis 1490 in Haarlem, Delft und Zwolle Die folgenden Kapitel sind drei Offizinen gewidmet, die bis 1490 ebenfalls Ausgaben mit illustrierten Titelblättern herausgebracht haben: Jacob Bellaert in Haarlem, Jacob Jacobszoon van der Meer und/oder Christiaen Snellaert in Delft sowie Peter van Os in Zwolle. Die Schul- und Lehrbücher mit Lehrszenen auf dem Titelblatt bleiben auch hier ausgeklammert. 4.3.1 Jacob Bellaert in Haarlem Von Ende 1483 bis 1486 betreibt Jacob Bellaert aus Zierikzee die erste Druckwerkstatt in Haarlem, aus der 17 Ausgaben bekannt sind. Bis auf zwei Drucke in französischer Sprache publiziert er nur niederländische Drucke populärer geistlicher und unterhaltender Lite-ratur. Seine anspruchsvollen Bücher deuten nach In-halt und Ausstattung auf den Burgundischen Hof; Conway hält Bellaerts Holzschneider für den besten seiner Zeit in den Niederlanden.349 Eine Verbindung mit Gerard Leeu in Gouda, für den Bellaert mögli-cherweise als Setzer gearbeitet hat, ist offensichtlich: 1483 arbeitet er in Haarlem mit Typenmaterials Leeus aus Gouda.350 Ein Teil von Bellaerts Holzschnitten gelangt nach 1486 in den Besitz von Leeu.

348 Vgl. zu Leeus großer Titeltype 10, die von 1491 bis 1493 verwendet wird, Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 71f. 349 Conway: Woodcutters, S. 64. 350 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S, 38; Le cinquième centenaire, S. 283; Kok: Houtsneden, S. 435.

In der kurzen Produktionszeit der Werkstatt von nur drei Jahren, die sich mit den ersten Verwendun-gen des illustrierten Titelblatts bei Leeu teilweise überschneiden, lassen sich nur wenige Spuren illu- strierter Titelblätter bei Bellaert ausmachen. Eine der möglicherweise ersten illustrierten Titelseiten könnte sich auf der Ausgabe von Arent Bosmans Mirakel Die ist dat boec van arent Bosman befunden haben. Vermeulen identifiziert diese Ausgabe als die erste niederländischsprachige mit einem Titelblatt, aller-dings ohne Begründung.351 Das einzig bekannt ge-wordene Exemplar in der Stadtbibliothek Lübeck ist inzwischen verschollen. Nach den vorliegenden Be-schreibungen war die Ausgabe nicht datiert und fir-miert. Die Beschreibung im GW beruht auf Autopsie nach dem Lübecker Exemplar, der Druck wird hier spät auf um 1485/86 datiert. Ina Kok (und ihr folgend ILC) datiert aufgrund des Titelholzschnittes auf zwi-schen 10. Dezember 1483 und 15. Februar 1484.352 Sie stützt sich dabei wesentlich auf eine autoptische Beschreibung, ebenfalls nach dem Lübecker Exem- plar, die Campbell für seine Annales zugrunde legt und die, anders als der GW, Angaben zur Titelillu- stration enthalten. Danach identifiziert Kok den Ti-telholzschnitt als die beiden zusammengesetzten Seitenstücke ›Leben‹ und ›Tod‹ aus Bellaerts Serie für Der sonderen troest vom 14. Februar 1484. Folgt man der neuen Datierung Koks, würde dieses Titel-blatt noch vor Leeus erstem datierten vom 9. März 1484 entstanden sein. Da Koks Argumentation auf einer langen Indizienkette beruht, wird dieses Titel-blatt hier nicht weiter in die Überlegungen zur Chro-nologie der frühesten illustrierten Titelblätter einbe-zogen.

Das einzige datierte illustrierte Titelblatt Bellaerts findet sich auf Guillaume de Degullevilles (*um 1295) allegorisch-didaktischem Werk über die Pil-gerfahrt des träumenden Mönchs, Le pèlerinage de la vie humaine, in der niederländischen Übersetzung unter dem Titel »Dit is dat boeck vanden pelgherym« vom 20. August 1486. Der Titelholzschnitt zeigt den Autor, der eine Vision des himmlischen Jerusalem hat.353 Das Bild gehört zu einer Serie von 61 für diese Ausgabe angefertigten Illustrationen, die Conway einem Schüler des Haarlemer Meisters zuschreibt.354

351 Zum Druck in Delft vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 34–36, S. 102–104. – Vgl. Vermeulen: Een schoon historie, S. 254. 352 ISTC ib01039850, ILC 456, GW 4949, Campbell II 357 (datiert; Kok: Houtsneden, S. 441f.). 353 ISTC ig00638000, ILC 1136, GW 11851 Campbell 1376; Kok: Houtsneden, S. 462–466 (Holzschnitt 11.12:1). 354 Conway: Woodcutters, S. 73.

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4.3.2 Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft Jacob Jacobszoon van der Meer und Maurice Ye-mantszoon sind als Erstdrucker Delfts ab 1477 nach-weisbar, von 1480 bis 1487 arbeitet Van der Meer allein. In einer Übergangszeit um 1487/88 ist unklar, ob Delfter Drucke Jacob Jacobszoon van der Meer oder dessen Nachfolger Christiaen Snellaert zuzu-ordnen sind. Snellaert benutzt seine eigene Drucker-marke ›Einhorn mit Schild‹ zum ersten Mal im Dia-logus creaturarum vom 2. November 1488, für den er die Holzstöcke von Leeu nutzte. Er ist 1487/88 und 1496/97 sicher in Delft tätig.355

Van der Meer hat seine Drucke reich illustriert, wenn es sich auch nicht selten um Kopien nach Leeus Holzschnitten handelt. Er gehört zu den Druckern, die häufig illustrierte Titelblätter gestalten. Die Ausgabe des Versromans Seghelijn van Jerusalem (zwischen 14. Februar 1483 und 25. März 1486), der die Aben-teuer des zum Christentum übergetretenen Sohns des heidnischen Königs Prides von Jerusalem erzählt, zeigt möglicherweise eine der ersten illustrierten Titelseiten (Abb. 26).356 Der im Text nicht illustrierte Erstdruck hat unterhalb der einzeiligen Titelformulierung »Die historie van seghelijn van iherusalem« Abdrucke von fünf Holzstöcken. Zwei kleine Holzschnitte mit einan-der zugewandten Rittern stammen aus einer erstmals in der niederländischen Ausgabe von Jacobus de Ces-solis’ Schachbuch De ludo scachorum vom 14. Febru-ar 1483 benutzten Serie.357 Nicht aus diesem Illustrati-onszyklus kommt eine Darstellung der Beschneidung Christi im Tempel,358 rechts und links gerahmt durch schmale, gekürzte Zierstücke mit Heiligenfiguren in gotischer Architektur. Die Titelillustration ist aus bereits vorhandenen Holzschnitten unterschiedlicher Serien zusammengewürfelt und hat nur einen vagen Inhaltsbezug. Sie verfehlt gleichwohl ihre Wirkung als Blickfang nicht.

Die Seghelijn van Jerusalem-Ausgabe ist nicht da-tiert und wird nur ungefähr in die zweite Hälfte der Tätigkeit der Offizin eingeordnet. Regelmäßig wer-den Titelillustrationen erst ab 1486 von Van der Meer eingesetzt. Nimmt man das Aufkommen des Titelblatts bei Van der Meer als ein Datierungskrite-rium hinzu, ist der Seghelijn-Druck möglicherweise erst 1486 entstanden. Das erste datierte illustrierte Titelblatt stammt vom 29. November 1486 und zeigt das Motiv der Gregorsmesse auf den Epistolae et

355 Vgl. Le cinquième centenaire, S 262–264; Kok: Houtsne-den, S. 151. 356 ISTC is00366400, ILC 1939, GW 12790 (datiert um 1484), Campbell 980. Datierung nach ISTC und ILC. 357 Kok: Houtsneden, S. 115–117 (Holzschnitte 21.3:4, 21.3:5). 358 Kok: Houtsneden, S. 122 (Holzschnitt 21.7:7).

Evangelia in niederländischer Sprache.359 Der Holz-schnitt gehört zu einem umfangreichen Zyklus, der zuerst in Die vier utersten vom 25. März 1486 einge-setzt wurde.360 Diese Ausgabe und der Nachdruck vom 13. Juni 1487 sowie die Ausgabe von Snellaert um 1488/89361 haben als Titelholzschnitt eine Kreu-zigungsszene mit Maria und Johannes. Das Motiv ›Christus als Schmerzensmann‹, ursprünglich als Textholzschnitt eingesetzt, erscheint erstmals als Titelholzschnitt auf einer illustrierten Ausgabe Liden ende passie ons Heren Jesu Christi bei Van der Meer oder Snellaert vom 18. März 1487.362 Ebenfalls aus dessen Offizin ist die Ausgabe einer reich illustrier-ten Legenda aurea sanctorum in niederländischer Sprache vom 1. März 1487 mit demselben großfor-matigen Titelholzschnitt für Winter- und Sommerteil. Zu sehen ist die ›Sacra Scriptura‹ als Nonne am Le-sepult vor einem Bücherschrank, die einem vor ihr knienden Gläubigen vorliest.363 Nach Kok handelt es sich um einen Nachschnitt nach einem Titelholz-schnitt, den Leeu für eine niederländischen Ausgabe von Ludolfs von Sachsen Vita Christi Tboeck vanden leven Jhesu Christi vom 3. November 1487 verwen-det hat.364 Für eine Reihe von Ausgaben der Über-gangszeit 1487/88 bei Jacob Jacobszoon van der Meer oder Christiaen Snellaert werden dann eigene Titelholzschnitte angefertigt. Die Liebesgeschichte von Euryalus und Lucretia in niederländischer Über-setzung (Pius II: De duobus amantibus) zeigt auf der undatierten Ausgabe ein junges Paar bei einem Brun-nen.365

Arent Bosmans Mirakel aus der Offizin Van der Meer oder Snellaert hat in der ersten (zwischen 29. November 1486 und 26. Juni 1488) 366 und in der zweiten Ausgabe (zwischen 1. März 1487 und 10. August 1491)367 einen eigens angefertigten Titelholz-schnitt, der den Tod im Gespräch mit einem jungen Mann mit Federhut auf einem Grasfeld stehend zeigt.

359 ISTC ie00069000, ILC 955, Campbell 696; vgl. Kok: Houtsneden, S. 122–125 (Holzschnitt 21.7.53). 360 ISTC ic00904000, ILC 632, GW 7524, Campbell 1319; vgl. Kok: Houtsneden, S. 122–125 (Holzschnitt 21.7.39). 361 ISTC ic00905200, ILC 636, GW 7526, Campbell 1322. 362 ISTC il00213700, ILC 1458, Campbell 1160; vgl. Kok: Houtsneden, S. 117–119 (Holzschnitt 13.1), dort auch spätere Verwendungen als Titelholzschnitt. 363 ISTC ij00147200, ILC 1310, Campbell 1763 = 1764. Vgl. Kok: Houtsneden, S. 131–138 (Holzschnitt 21.9:1), dort auch spätere Verwendungen als Titelholzschnitt. 364 ISTC il00353000, ILC 1503, Campbell/Kronenberg II 1181; Kok: Houtsneden, S. 135, räumt allerdings Datierungsprobleme ein. 365 ISTC ip00681500, GW Nachträge 281, ILC 1767, Camp-bell/Kronenberg I 13a (nur ungefähr datiert zwischen 4. Oktober 1486 und1491); Kok: Houtsneden, S. 130 (Holzschnitt 121). 366 ISTC ib01039900, GW 4950, ILC 457, Campbell/Kronen-berg I 355c; Kok: Houtsneden, S. 130. 367 ISTC ib01039950, GW 4951, ILC 458, Campbell 356; vgl. Kok: Houtsneden, S. 130f. (Holzschnitt 21.19).

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70 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Abb. 26: Titelblatt zu: Historie van Seghelijn van Jerusalem. Delft: Jacob Jacobszoon van der Meer, [um 1484]

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4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden 71

Die Ausgabe des Kerstenspiegel von Dirk Coelde van Munster (Van der Meer oder Snellaert, zwischen 1. März. 1487 und 2. November 1488) zeigt eine Kreuzigung mit Maria und Johannes aus einer um-fangreichen Serie, die den Illustrationen in Leeus Druck vom 20. Oktober 1485 verwandt ist.368 Der Spiegel der volcomenheit (Christiaen Snellaert, 29. Mai 1490) hat auf dem Titelblatt eine ›heilige Vero-nica mit dem Schweißtuch‹ aus dieser Serie, eine getreue Kopie nach Leeus Ausgabe vom 11. März 1488.369 Ebenfalls daraus ist der Titelholzschnitt mit der Krönung Mariens auf dem Druck Croon Onser Liever Vrouwen (29. März 1490) genommen.370 Der kleine Titelholzschnitt ist nicht, wie viele andere der Ausgabe, nach Leeus Erstdruck vom 3. November 1487 kopiert, sondern neu. Dennoch wurde der Stock oben angesägt, wohl um ihn in den einteiligen vier-seitigen Rahmen einzupassen. Die Vita Christi in niederländischer Sprache, Tboeck vanden leven Jhesu Cristi von Ludolf von Sachsen (Van der Meer oder Snellaert, 22 Mai 1488), hat auf dem Titelblatt ›Christus als Weltenherrscher mit dem Reichsapfel‹ unter einem gotischen Architekturbogen.371

Die Legende Leven van Liedwij, die maghet van Schiedam, verfasst von Johannes Gerlach, wird erst-mals von Van der Meer oder Snellaert am 3. März 1487 in den Niederlanden herausgebracht.372 Der Titelholzschnitt zeigt die Heilige mit Kruzifix und Blütenzweig in einem einteiligen floralen Rahmen. Die gleiche Titelgestaltung hat der Nachdruck vom 11. Juni 1490.373

Ein Rechtsbuch, der sog. Holländische Sachsen-spiegel nach Eike von Repgows Spiegel van Sassen unter dem Titel »Die spieghel van sassen van alle keyserlike rechten«,374 erschienen bei Van der Meer oder Snellaert zwischen 1. März 1487 und 26. Juni 1488, hat – ebenso wie der Nachdruck, datiert in den gleichen Zeitraum,375 – auf dem Titel die Abbildung eines Königs mit Szepter und Reichsapfel auf dem Thron. Der Holzschnitt gehört zu einer Serie, die Van der Meer für seine Ausgabe des Schachbuchs des

368 ISTC ic00747350, ILC 593 (Datierung nach Kok), GW 7139, Campbell 599, (Campbell und GW geben nur Van der Meer an); Kok: Houtsneden, S. 138–142 (Holzschnitt 21.17:10). 369 ISTC is00677800, ILC 2025, Campbell 1578; Kok: Houts-neden, S. 140 (Holzschnitt 21.17:25). 370 ISTC ic00978600, GW 7383, ILC 648, Campbell 331; Kok: Houtsneden, S. 140 (Holzschnitt 21.17:21). 371 ISTC il00354000, ILC 1504, Campbell 1182; Kok: Houts-neden, S. 144–150 (Holzschnitt 21.12:70). 372 ISTC ig00182500, GW 10703, ILC 1077, Campbell 1123; Kok: Houtsneden, S. 142f. (Holzschnitte 21.10, 21.11) 373 ISTC ig00182550, GW 10704, ILC 1078, Campbell 1124; Kok: Houtsneden, S. 142f. 374 ISTC ie00028250, GW 9270 (datiert um 1486/88), ILC 897 (Datierung nach Kok), Campbell 1594; Kok: Houtsneden, S. 115–117 (Holzschnitt 21.3:1). 375 ISTC ie00028350, ILC 898, Campbell 1595, GW 9272.

Jacobus des Cessolis vom 14. Februar 1483 zuerst benutzt hatte.

Folgende Titelblätter sind Snellaert allein zuzuwei-sen. Die zweite Ars moriendi (Sterfboek) in niederlän-discher Sprache (nach dem 2. November) 1488 folgt dem Erstdruck von Peter van Os in Zwolle. Snellaert hat eine neue Serie von elf Bildern, die frei nach den großen Holzschnitten Peter van Os’ kopiert sind.376 Unter dem in einer großen Textura gedruckten zwei-zeiligen Sachtitel »Een notabel boeck ghenoemt dat sterf boeck« steht der Tod in einem offenen Sarg mit einem Pfeil, ein Spruchband über dem Schädel: »De doot en spaert neyemant«. Die erste illustrierte Ausga-be der Historia Alexandri Magni in niederländischer Sprache »Historye vanden groten coninc Alexandere« erscheint bei Snellaert im Jahr 1488.377 Der Titelholz-schnitt zeigt drei Ereignisse, die der Geburt Alexan-ders vorausgehen. Alle sieben Holzschnitte der Serie sind für diese Ausgabe angefertigt worden. Der glei-che Holzschnitt findet sich auf dem Titelblatt der mit-telniederländischen Verserzählung Karel ende Elegast, »die historie van coninck karel ende van elegast« (zwischen 1. März 1487 und 26. Juni 1488 bei Van der Meer oder Snellaert).378

Illustrierte Titelblätter bei Van der Meer bzw. Snellaert kommen regelmäßig erst ab 1486 vor, und damit zwei Jahre später als in der Offizin Leeu. Die Praxis der Titelblattverwendung und ihrer Ausstat-tung unterscheidet sich kaum. Der Schwerpunkt liegt auf der religiösen Literatur, fiktional-weltliche oder moralisierende Schriften treten zurück. Auch die Delfter greifen häufiger auf vorhandenes Material aus Serien zurück, eigene Anfertigungen für das Titelblatt sind selten. 4.3.3 Peter van Os in Zwolle Peter van Os (van Breda) ist der bedeutendste und produktivste Druckerverleger der Inkunabel- und Frühdruckzeit in Zwolle, tätig zwischen 1480 und 1510. Für die Periode von 1483 bis 1492 steht er in enger Beziehung zu Gerard Leeu. Er druckt ab 1483 mit Typen Leeus und auch dessen Holzschnitte kommen ab 1484 regelmäßig in seinen Drucken vor. Nach Leeus Tod 1492 gelangt ein großer Teil von dessen Holzstöcken ganz in seinen Besitz. Peter van Os verlegt populäre volkssprachliche Literatur in kleinen Formaten. Sein Programm überschneidet sich

376 ISTC ia01121000, ILC 283 (Datierung nach Kok), GW 2594, Campbell 1619; Kok: Houtsneden, S. 156–158 (Holzschnitt 21.14:11). 377 ISTC ia00402000, ILC 83, GW 893, Campbell III 959; Kok: Houtsneden S. 158f. (Holzschnitt 122). 378 ISTC ic00204700, ILC 507 (Datierung nach Kok), GW 12601, Campbell 971; Kok: Houtsneden, S. 116.

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72 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

teilweise mit dem Leeus in Antwerpen, obwohl un-veränderte Nachdrucke selten sind.379

Der erste Druck mit einem illustrierten Titelblatt aus der Offizin des Peter van Os ist der Winterteil der Sermones de tempore et de sanctis des Bernhard von Clairvaux vom 24. Dezember 1484.380 Unter dem Sachtitel »Dit is dat boec van sinte bernaerdus sermo-nen« ist die Vision des heiligen Bernhard zu sehen. Das verbreitete Bildmotiv, Hauptthema der Iko-nographie des Heiligen, zeigt diesen in der Mönchs-kutte zusammen mit Maria und dem Kind im Moment des marianischen Milchwunders: ein Milchstrahl aus der Brust Marias benetzt die Lippen des Heiligen. Die Deutung »monstra te esse matrem« ist im Typendruck hinzugefügt. Der sehr dekorative Holzschnitt des Zwolle-Meisters381 wird an anderer Stelle im Winter-teil und zu Beginn des Sommerteils vom 30. April 1485 wiederholt; die Ausgabe enthält außer der Dru-ckermarke keine weiteren Textillustrationen. Dies ist der erste illustrierende Holzschnitt, den Peter van Os besitzt. Er wurde eigens für den Titel dieser Ausgabe im Folioformat angefertigt. Nach Kok stammen der Titelholzschnitt wie auch die zweite Druckermarke Peter van Os’ aus einer Hand. Ein weiterer großer Titelholzschnitt desselben Künstlers erscheint auf dem niederländischen Der Sielen troest vom 21. Juli 1485.382 Er zeigt Moses auf dem Berg Sinai mit den Gesetzes-tafeln und den Tanz um das goldene Kalb im Vorder-grund. Der Holzschnitt wird im Buch wiederholt, zusammen mit weiteren, deren Druckstöcke aus einer Serie von Gerard Leeu stammen.

Zu nennen sind weiter die Ausgaben Liden ende passie Ons Heren Jesu Christi vom 2. Februar 1486383, zwischen 1486 und 1488384 und in der Ausgabe vom 21. Februar 1489385 mit dem Motiv ›Christus in der Kelter‹ (Christus in der mystischen Weinpresse). Der Holzstock gehört zu einer Serie von Illustrationen aus dem Leben Christi, die Peter van Os eigens für diese Ausgaben herstellen ließ. Das Titelbild fällt aber her- aus, da es sich nach Kok um eine sehr getreue Kopie nach einem Holzschnitt Gerard Leeus handelt. Peter

379 Zu Peter van Os vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 42f., 104–107; Hermans: Zwolse boeken, S. 80–84, besonders ebd. den Katalog der Drucke ZD 21–185 mit zahlreichen Abbildungen der Titelblätter. Zur Verbindung zwischen Leeu und Peter van Os vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 38 und 43: »What is clear is that from his return in 1483 onwards his business was related in various ways to that of Gheraert Leeu.« Vgl. auch: Le cinquième centenaire, S. 284, Lem: De Zwolse drukker. 380 ISTC ib00434000, ILC 390, GW 3947, Campbell 275; Kok: Houtsneden, S. 391f. (Holzschnitt 17.2). 381 Vgl. Conway: Woodcutters, S. 100. 382 ISTC is00361100, ILC 1935, Campbell 1547; Kok: Houts-neden, S. 392. (Holzschnitt 17.3). 383 ISTC il00213550, ILC 1455, Campbell 1159a; Kok: Houtsneden, S. 393–395 (Holzschnitt 17.5:14). 384 ISTC il00213600, ILC 1456, Campbell 1166. 385 ISTC il00214200, ILC 1463, Campbell 1163.

van Os druckte Leeus Ausgabe vom 9. Juli 1485 nach.386 Die lateinische Ausgabe der Epistolae et Evangelia zwischen 28. August 1486 und 1488387 so-wie die beiden niederländischen vom 5. Januar 1487388 – diese unter dem Titel »Dit sijn die duytsche episte-len ende euangelijen mitten figuren doer den gantsen iaer« – und 10. November 1488389 haben ebenfalls einen neuen Holzschnitt eigens für das Titelblatt: ei-ne Darstellung des Apostels Lucas mit seinem Sym-bol, dem Ochsen. Der lateinische Druck besitzt keine Textholzschnitte, die niederländischen hingegen 18 Bilder, entnommen aus anderen Serien. Die lateini-sche Ausgabe und die zweite niederländische haben als zusätzlichen Titelschmuck eine große Holzschnitt-Cadelle im Schreibmeisterstil als Titelinitiale.

Die große Verkündigungsszene zur niederländi-schen Ausgabe der Vitae sanctorum patrum, Van den leven der heiligen Vaderen, vom 1. April 1490 stellt Maria mit dem Erzengel Gabriel dar; nach Kok lässt diese wegen der Perspektive an den Künstler des Bernardus-Holzschnittes denken.390 Ebenfalls 1490 ist eine niederländische Legenda aurea sanctorum erschienen. Die den Satzspiegel füllende Titelabbil-dung für den Winter- wie den Sommerteil zeigt viele kleine Märtyrerszenen verstreut in einer hügeligen Landschaft. Der Holzschnitt wurde für diesen Druck gefertigt, allerdings handelt es sich um einen min-derwertigen Nachschnitt nach einem Utrechter Origi-nal des Druckers Johann von Veldener.391

Ein vierblättriger Druck von Paulus Pellantinus’ Carmen lyricum de nativitate Domini (zwischen 28. August 1486 und 1488) zeigt zwischen zwei goti-schen Architekturstücken eine Darstellung der Ge-burt Christi im Stall.392 Das Titelbild wird mit einem Stück aus einer zersägten Druckplatte gestaltet, die zu einem Blockbuch (Biblia Pauperum) gehört hat. Aus diesem Blockbuch stammen ebenfalls die beiden Bilder auf dem Titelblatt des Breviarium Trajectense (Utrecht) vom 23. August 1487: ›Christus trägt die Seelen der Auserwählten in einem Tuch‹ und der ›Traum des Jacob von der Himmelsleiter‹.393 Die Ars moriendi »Dit boeck is gheheyten dat sterfboeck.« aus dem Jahr 1488 hat einen blattgroßen Holzschnitt einer Sterbeszene, der vermutlich einem Blockbuch 386 Vgl. Anm. 280. 387 ISTC ie00064500, ILC 932, Campbell 682; Kok: Houtsne-den, S. 397f. (Holzschnitt 17.4:1). 388 ISTC ie00069500, ILC 956, Campbell 697. 389 ISTC ie00070500, ILC 959, Campbell 699. 390 ISTC ih00211000, ILC 1195, Campbell 938; Kok: Houts-neden, S. 404f. (Holzschnitt 18.3). 391 ISTC ij00142000, ILC 1312, Campbell 1766; Kok: Houts-neden, S. 405f. (Holzschnitt 17.9). 392 ISTC ip00258800, ILC 1718, Campbell 1378; Kok: Houtsneden, S. 29–39, (Holzschnitte 1:b4 (Blockbuch), 17.4:2, 17.4:3 (Zierstücke)). 393 ISTC ib01184200, ILC 475, GW 5485, Campbell 374; Kok: Houtsneden, S. 29–39 (Holzschnitte 1:.t.4, 1:.t5 [!]).

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5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden 73

nachgeschnitten wurde.394 Beim Bienenbuch vom 15. Januar 1488 handelt es sich um einen im Einflussbe-reich der Devotio moderna beliebten Text. Peter van Os druckt eine niederländische Übersetzung des neunten Buchs des Bonum universale de proprietati-bus apum aus Thomas’ von Cantimpré naturkundli-chem Werk De naturis rerum. Das Titelblatt ist un-gewöhnlich gestaltet. Unterhalb des typographischen Titels »Dit is der bien boeck.« erstreckt sich ein schmaler, seitenbreiter Holzschnitt mit zwei Bienen-körben rechts und links, dazwischen Blumen und Bienen. Es handelt sich um die einzige Verwendung. Es folgt ein achtzeiliges Gedicht über die Bienen in zwei Kolumnen. Die untere Hälfte der Seite füllen zwei Holzschnitte, die aus einem Druckstock für eine Biblia Pauperum ausgesägt wurden: das bereits im Breviarium Trajectense abgedruckte Motiv mit Christus und den Seelen in einem Tuch sowie ›Das letzte Gericht‹.395

Überblickt man die Titelblattgestaltung von 1484 bis Ende 1490, zeichnet sich eine einheitliche Praxis ab. Überwiegend werden Ausgaben religiöser Erbau-ungsliteratur in niederländischer Sprache mit einem Titelholzschnitt ausgestattet. Der Einfluss der Devo-tio moderna bei der Textauswahl der volkssprachli-chen wie auch der lateinischen Titel – mit Werken von Bernhard von Clairvaux, Thomas von Can-timpré, dem Seelentrost und der Ars moriendi – ist deutlich spürbar.396 Lateinischsprachige Drucke mit einem Titelholzschnitt bilden die seltene Ausnahme. Im Vergleich zu Leeu und Van der Meer bzw. Snel-laert sind illustrierte Titelblätter bei Peter van Os selten, was sich mit der überwiegend lateinischen Druckproduktion erklären lässt.397 Bemerkenswert ist allerdings, dass er Titelillustrationen für ein bestimm-tes Werk anfertigen lässt, die das Thema und den Inhalt präzise aufnehmen. Von den hier vorgestellten Titelblättern, die die frühe Phase vollständig doku-mentieren, erscheinen diese Abbildungen auch auf sonst nicht illustrierten Büchern. Man beobachtet weiter, dass neue Holzschnitte selbst dann eingesetzt werden, wenn Serien für die Textillustration vorlie-gen. Zusammenfassend kann man sagen, dass Peter van Os von Anfang an großen Wert auf qualitativ gute und passende Bilder legt. Dies zeigt bereits sein erstes Titelblatt mit der Darstellung der Vision des heiligen Bernhard vom 24. Dezember 1484, das zeit-lich nah an Leeus erstes illustriertes Titelblatt vom 9. März 1484 heranrückt. Peter van Os’ Holzschnitt

394 ISTC ia01121100, ILC 284, GW 2595, Campbell 1620; Kok: Houtsneden, S. 387f. (Holzschnitt 17.7:1), Hermans: Zwolse boeken, ZD 57. 395 ISTC it00348000, ILC 2096, Campbell 1658; Kok: Houts-neden, S. 402 (Holzschnitt 17.6 und 1:.t.4, 1:.s.4 [!]). 396 Lem: De Zwolse drucker, S. 190f. 397 Vgl. die Übersicht bei Hermans: Zwolse boeken, S. 66.

ist jedoch ungleich spektakulärer als etwa die schlich-te Rosenkranzdarstellung Leeus.

Bei der Gestaltung des illustrierten Titels folgt Pe-ter van Os stets dem gleichen Schema: Die typogra-phische Sachtitelformulierung, häufig in einer Text-type, wird linksbündig oder zentriert an den Kopf der Seite gesetzt. Die Abbildung darunter dominiert das Titelblatt. 5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden

Unter den Drucken mit illustrierten Titelblättern der Inkunabelzeit zeichnen sich die Schul- und Lehrbü-cher als eine besondere Gruppe ab. Grammatiken, Vokabularien und Texte der klassischen Literatur für den Unterricht gehören zur ›Brotware‹, die seit den Donatus-Drucken Johannes Gutenbergs auf einen gu-ten städtischen und regionalen Absatzmarkt rechnen kann. In den Niederlanden beginnen die Drucker damit, ein Erkennungszeichen für diesen Programm-bereich auf das Titelblatt zu setzten: Szenen, die eine Unterrichtssituation schildern. Die ersten Ausgaben mit Lehrszenen auf dem Titelblatt finden sich bei Gerard Leeu in Antwerpen. Sie markieren den Beginn einer bis in das 16. Jahrhundert − wie Schreiber und Heitz formulieren − überdauernden »Mode, die Schul-bücher mit einem Bilde zu versehen«398. 1908 haben Wilhelm Ludwig Schreiber und Paul Heitz die im deutschsprachigen Raum vorkommenden Schnitte und Nachschnitte von Magisterszenen zusammengetragen; die Autoren unterscheiden 75 unterschiedliche Stöcke bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, die auf dem Titel von fast 400 Inkunabelausgaben in Deutschland erscheinen.399 Für die Niederlande liegt bisher keine spezielle Untersuchung zur Titelblattgestaltung von Schul- und Lehrbüchern der Inkunabelzeit vor. Die folgenden Kapitel bilden daher den Versuch einer ersten systematischen Zusammenstellung. 5.1 Gerard Leeu in Antwerpen Während das erste illustrierte Titelblatt Leeus an das Ende der Goudaer Tätigkeit fällt400, markiert das zweite den Beginn der Produktion in Antwerpen. Mit dem Umzug in die Handels- und Messestadt an der 398 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 24. 399 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 8. Es ist nicht genau ersicht-lich, ob es sich bei dieser Schätzung ausschließlich um Holzschnit-te auf Titelblättern handelt. Ein Nachteil für unseren Zusammen-hang ist auch, dass Schreiber/Heitz die Drucker und den Ver-wendungszeitraum nicht nennen, leider wird der Holzschnitt ohne jeden Titelblattkontext behandelt. 400 Der letzte datierte und firmierte Druck ist: Van den seven sacramenten. Gouda: Gerard Leeu, 19. Juni 1484.

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74 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Schelde erfolgt eine grundlegende Neuorientierung, die einen Programmschwerpunkt auf Schul- und Lehrbücher für den Lateinunterricht legt. Das illu- strierte Titelblatt erhält in diesem Segment eine ge-genüber der Gruppe der Erbauungs- und Unterhal-tungsliteratur weiter geschärfte Funktion: es kenn-zeichnet nicht nur einen Buchtyp, sondern eine spezielle Warengruppe. Das erste illustrierte Titel-blatt Leeus in Antwerpen ist zugleich das erste auf einem Schulbuch: die Gemmula vocabulorum vom 18. September 1484.401 Der Titel zeigt ein bekanntes Motiv der christlichen Ikonographie (Abb. 27). Der zwölfjährige Christus unterrichtet im Tempel die drei Doktoren. Den Holzstock hat Leeu nicht eigens an-fertigen lassen; er folgt auch hier einer Ökonomie wie sie insgesamt in den frühen Jahren der Antwer-pener Offizin die Ausstattung der Titelblätter be-stimmt. Für das illustrierte Titelblatt greift er oft auf Holzstöcke aus Bildzyklen zurück, die für die Textil-lustration geschaffen worden waren. Der Titelholz-schnitt des lateinisch-niederländischen Vokabulars ist einer Serie entnommen, die hauptsächlich zur Illust-ration verschiedener Werke zum Leben Christi be-nutzt wurde.402 Auch die folgenden Auflagen des Werks aus den Jahren 1486 und 1488 sowie die beiden Drucke des Exercitium grammticale puerorum von 1485 und 1488 (Claes Leeu) zeigen diesen Titelholz-schnitt.403

Der zweite Druck mit einer Magisterszene auf dem Titelblatt (Abb. 28) ist eine niederländische Ausgabe Van die konste van spreken ende van swig-hen (zwischen 18. September 1484 und 1. März 1485).404 Diese weit verbreitete Schrift De arte lo-quendi et tacendi des Albert von Brixen gehört zu den gängigen Lehrbüchern für den Schulunterricht. Der Holzschnitt zeigt einen Lehrer und einen Schüler stehend im Dialog. Auch hier verwendet Leeu einen älteren Holzstock aus einem anderen Werkkontext. Im letzten datierten Druck der Goudaer Presse Van den seven sacramenten (19. Juni 1484) stellt der Holz-schnitt den Dialog zwischen dem Lehrer Hostiensis und dem Schüler Actoer dar. Er kommt als Seiten-stück jeweils mit den Darstellungen der sieben Sak-ramente vor, über die im Dialog gesprochen wird. Unabhängig von dieser konkreten Zuordnung setzt Leeu den Holzschnitt zweimal auf einem Titelblatt ein: auf der genannten Ausgabe Van die konste van spreken ende van swighen, die Kok aufgrund des Zustandes der Lehrszene neu datiert hat (erster Zu-stand: mit ausgebrochenem linken Rand), und auf 401 ISTC iv00332500, ILC 2187, Campbell II 787; vgl. auch Le cinquième centenaire, S. 297. 402 Kok: Houtsneden, S. 219–233 (Holzschnitt 9.2:16). 403 Kok: Houtsneden, S. 230f. 404 ISTC ia00209200 (datiert zwischen 9. März und 9. Juli 1484), GW 564 (datiert um 1484), ILC 49 (Datierung bei ILC und hier nach Kok), Campbell 69; Kok: Houtsneden, S. 259.

den lateinischen Disticha Catonis vom 1. März 1485 (zweiter Zustand mit ergänztem linken Rand).405 Danach verschwindet dieser Holzschnitt bei Leeu. Einen getreuen Nachschnitt hat nur wenig später Johann Amerbach in Basel. Er verwendet ihn für das Titelblatt seines Nachdrucks der Disticha Catonis vom 14. Juni 1486 406 nach Leeus Ausgabe vom 1. März 1485.407 Es handelt sich um das erste Basler illustrierte Titelblatt.

Diese beiden ersten Schulszenen, die 1484 bis 1486 benutzt wurden, konnten nur eine Übergangslö-sung für Leeus Konzept sein, Schulliteratur mit ei-nem charakteristischen Titelblatt zu versehen.408 Ein eigens angefertigter, fast satzspiegelgroßer Holz-schnitt findet sich erstmals auf der zweiten lateini-sche Ausgabe der Disticha Catonis vom 2. Juni 1486 (Abb. 29).409 Auf einem gotischen Stuhl sitzt ein nach rechts gewandter Lehrer und blickt in ein Buch auf einem beweglichen Pult, das am Stuhl befestigt ist. Zu seinen Füßen, drei Stufen tiefer, sitzen fünf Schüler, einer davon hält ein Buch. Nur wenige Tage später, am 14. Juni 1486, erscheint der Holzschnitt bereits zum zweiten Mal auf Petrus Hispanus’ Sum-mulae logicales.410 Nach Kok ist diese Magisterszene für insgesamt neun Ausgaben Leeus zwischen dem 2. Juni 1486 und 1488 ausschließlich auf dem Titelblatt von Schul- und Lehrbüchern zu finden.411 Dieser erste Holzschnitt Leeus, der für die Schultexte eigens geschnitten wurde, avanciert zum ›Urvater‹ vieler mehr oder weniger ähnlicher Holzschnitte, die auf Grammatik-Lehrbüchern, Vokabularien, Verhaltens-lehren und Lesetexten der Klassiker in den Nieder-landen und in Deutschland eingesetzt werden. Con-way hält den sog. Ersten Antwerpener Holzschnei- der, der vielfach für Leeu tätig war, für den Urheber der Magisterszene; er beschreibt ihn als ungelernten, groben Handwerker ohne Originalität und Interesse an seiner Arbeit. Den Titelholzschnitt sieht er in deutscher Tradition, möglicherweise nach einer deut-schen Vorlage kopiert.412

405 ISTC ic00296000, GW 6282, ILC 534, Campbell 406; Kok: Houtsneden, S. 260. 406 Vgl. die Fallstudie zu Basel im übernächsten Band. Schrei-ber/Heitz: Accipies (S. 30f. u. Abb. Nr. 15) vermuten aufgrund der Tracht und Technik niederländischen Ursprung, kennen jedoch die Vorlage bei Leeu nicht. 407 Zum vorhergehenden vgl. Kok: Houtsneden, S. 259–262 (Holzschnitt: 9.4:8). 408 Vgl. auch Kok: Houtsneden, S. 290, die die Notwendigkeit für einen neuen Holzschnitt u.a. im schlechten Zustand von 9.4:8 sieht. 409 ISTC ic00296500, GW 6283, ILC 535, Campbell 407; Kok: Houtsneden, S. 289f. (Holzschnitt: 10.3). 410 ISTC ij00236320, ILC 1337, Campbell 1394 = 1400. Vgl. auch Schreiber/Heitz: Accipies, S. 15 mit weiteren Verwendungen 1486/87. 411 Vgl. die Aufzählung bei Kok: Houtsneden, S. 290. – Zu Nachschnitten in Deutschland vgl. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 15f. 412 Conway: Woodcutters, S. 55.

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5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden 75

Abb. 27: Leeus erstes Antwerpener illustriertes Titelblatt: Gemmula vocabulorum. Antwerpen: Gerard Leeu, 18. September 1484

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Abb. 28: Albert von Brixen: Van die konste van spre-ken ende van swighen. Antwerpen: Gerard Leeu, zwischen 18. September 1484 und 1. März 1485 Leeu setzt mit seinen Schüler-Lehrer-Bildern auf seiner Schulbuchproduktion einen Standard beim illustrierten Titelblatt. Er initiiert eine ›Mode‹, die von den Druckerverlegern in seinem engeren Um-kreis und über die Niederlande hinaus in Deutschland und Europa verbreitet wird. Seinen Ausgangspunkt nimmt er bei einem Motiv, das, ursprünglich aus der Illustration geistlicher Literatur stammend, mit der Übertragung des Holzstocks auf den Schulbuchtitel und in eine säkulare Textumgebung nur noch meta-phorische Bedeutung hat. Die ab 1486 eigens ange-fertigte ›weltliche‹ Schulszene setzt die Entwicklung konsequent fort. Sie wird von anderen Druckerverle-gern unmittelbar aufgenommen und weiter geführt, von Govaert van Ghemen und Gotfrid van Os in Gouda, Richard Paeffraet in Deventer sowie Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft.

5.2 Govaert van Ghemen und Gotfrid van Os in Gouda Govaert van Ghemen war Wanderdrucker in Gouda, Leiden und Kopenhagen. Zwischen 1486 und 1488 betrieb er in Gouda eine Druckerei und nach seiner Rückkehr aus Kopenhagen arbeitete er von 1495 bis 1510 in Leiden. Nach Kok können ihm in Gouda sieben, in Leiden zwei Drucke zugeschrieben wer-den, wovon acht mit Holzschnitten illustriert sind.413 Das illustrierte Titelblatt ist bei ihm selten. Erwäh-nenswert ist die Ausgabe Die jeeste van Julius Cae-sar. Der Druck wird von Kok aufgrund der Illustrati-onen Govaert van Ghemen zugeschrieben und wurde wohl bald nach 1486 gedruckt. Das Titelblatt ist rein xylographisch: der große Holzschnitt zeigt Caesar mit Buch und Schwert auf einer Weltkugel. Im unte-ren Drittel nennt ein Spruchband den Sachtitel: »Dit is die jeeste van iulius cesar«.414

Der ›Magister cum discipulis‹-Holzschnitt Leeus, den dieser für Schultexte angefertigt und zuerst für die Disticha Catonis vom 2. Juni 1486 eingesetzt hat, wird von Govaert van Ghemen in Gouda, vermutlich noch im gleichen Jahr, seitenverkehrt nachgeschnit-ten. Die beiden Schüler rechts und links werden weggelassen. Der Lehrer, sich nach links wendend, sitzt auf einem Stuhl mit gotischen Schnitzereien an den vier Pfosten; er hält anstelle des Buchs eine Rute in der linken Hand. Auch der Sessel wurde verän-dert.415 Ina Kok hat die Abdruckgeschichte des Holz-stocks aufgearbeitet und kommt über drei Erhaltungs-zustände zu einer frühen Datierung des unfirmierten Drucks, auf dem – nach Kok – dieser Stock zum ersten Mal benutzt wird: auf dem Titelblatt Van die konste van spreken ende van swighen. Die bisherigen Datierungen gingen weit auseinander: von um 1486 und zwischen 1496 und 1498.416 Kok datiert nun vor 13. November 1486.417 Sie begründet ihre frühe Da-tierung damit, dass der Holzstock beim nach ihrer Zählung zweiten Abdruck am linken Rand beschä-digt sei. Er findet sich auf einer fünfteiligen latei-nisch-niederländischen Grammatik unter dem Titel Opusculum quintupertitium grammaticale, datiert auf den 13. November 1486, aus der Offizin Gotfrid van Os in Gouda, der den Stock von Govaert van Ghemen

413 Zu Govaert van Ghemen vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 83–85; Kok: Houtsneden, S. 490. 414 ISTC ic00029500, GW 5879, ILC 498, Campbell 393; Kok: Houtsneden, S. 496–498 (Holzschnitt 26.2:1), vgl. auch Le cinqième centenaire, S. 439–442. 415 Vgl. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 16. 416 Vgl. dazu die Angaben unter ISTC ia00209450. 417 ISTC ia00209450, GW 567, ILC 52, Campbell II 69a; Kok: Houtsneden, S. 492f. und 504 (Holzschnitt 25.3) − Bei Schreiber/Heitz: Accipies, S. 16, Gotfried van Os zugeschrieben.

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5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden 77

Abb. 29: Leeus erste eigens angefertigte Magisterszene: Disticha Catonis. Antwerpen: Gerard Leeu, 2. Juni 1486

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übernommen hat.418 Ein drittes Mal wird der Holz-stocks mit weiteren Ausbrüchen für das Titelblatt (Abb. 30) des Doctrinale des Alexander de Villa Dei mit einem Kommentar von Wilhelm Zenders de Wert verwendet, datiert 16. September 1488 und gedruckt mit den Typen des ›Drucker des Alexander, Opus Minus‹.419 Vermutlich ist Gotfrid van Os der Dru-cker. Dieser war kein eigenständig tätiger Verleger, sondern als Auftragsdrucker und Schriftschneider für Leeu in Gouda tätig, ohne ihm nach Antwerpen zu folgen.420

Eine Kopie dieser Szene findet sich bereits früher auf dem zweiten Basler Titelblatt mit einem Titel-holzschnitt, den Quaestiones super Donatum mino-rem, vermutlich bei Michael Furter um 1490 ge-druckt.421 Dieser Holzschnitt gehört in Deutschland zu den beliebtesten Lehrszenen und wird häufig nachgeschnitten: auf Basel (Michael Furter) folgen Nürnberg (Friedrich Creussner), Straßburg (Martin Schott, Johann Prüß d.Ä., Matthias Hupfuff), Leipzig (Konrad Kachelofen, Melchior Lotter), Speyer (Kon-rad Hist) und Heidelberg (Heinrich Knoblochtzer).422 5.3 Richard Paffraet in Deventer Richard Paffraet aus Köln ist als Erstdrucker der Stadt in Deventer von 1477 bis 1511 tätig, in den ersten acht Jahren mit Schriften, die er aus Köln im-portiert hat. Nach einer Produktionsunterbrechung zwischen 1485 und 1488 beginnt er mit komplett er-neuertem Typenmaterial.423 Er spezialisiert sich nun auf humanistische Schul- und Lehrbücher in lateini-scher Sprache und wird neben Jacob van Breda zum wichtigsten Schulbuchdrucker in den nördlichen Nie-derlanden. Zwei Jahre nach Gerard Leeu und Govaert van Ghemen besitzt er zum Beginn der neuen Pro-duktionsphase eine ›Magister cum discipulis‹ Szene mit einem Lehrer und fünf Schülern, erstmals gezeigt 1488 auf dem Titelblatt des Franciscus Mataratius: 418 ISTC ic00792300, GW 10995, ILC 609, Campbell 1331. Wiederholung des Titelholzschnittes am Ende Bl. 94v. 419 ISTC ia00445580, GW 1169, ILC 197, Campbell/Kronen-berg I 116a. − Diese Ausgabe ist nur in einem Exemplar nachgewie-sen, das sich jetzt in der Bibliothek des Priesterseminars in Witten-berg befindet. 420 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 83f.; Le cin-quième centenaire, S. 430f. 421 ISTC iq00006500, GW 11104. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 16, weisen den Druck Johann Amerbach 1489 zu. 422 Die Schulszene Nr. 38 (Schreiber/Heitz: Accipies) befand sich um 1488 im Besitz Martin Schotts (vgl. ISTC ic00792500, GW 11000), Schulszene Nr. 44 wurde um 1494 von Johann Prüß d. Ä. verwendet (vgl. ISTC ic00793800, GW 10988). Beide Schul-szenen befinden sich zu Beginn des 16. Jahrhundert im Besitz Hupfuffs. Vgl. die entsprechenden Nummern bei Schreiber/Heitz: Accipies, S. 35–44. 423 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 39f.; Le cinquième centenaire, S. 308.

De componendis versibus hexametro et pentametro (Abb. 31).

Sie ist möglicherweise der Leeus vom Sommer 1486 frei nachgeschnitten.424 Der Lehrer sitzt auf einem gotischen Stuhl mit reicher Dekoration auf der Rückenlehne. Er hält ein Buch aufgeschlagen in beiden Händen und liest daraus fünf sitzenden Schü-lern vor, denen er frontal zugewandt ist; einer der Schüler hat ein Buch. Paffraet verwendet nach Kok die Schulszene auf dem Titelblatt von 28 Ausgaben bis 1495, fast ausschließlich auf Schultexten.425

Eine weitere Lehrszene benutzt Paffraet nur zweimal: auf dem Titelblatt von Albrecht von Eybs Ehebüchlein in niederländischer Sprache unter dem Titel Van den Echten Staete426 1493/94 und auf den Disticha Catonis vom 8. November 1497.427 Sie zeigt einen Lehrer im Dialog mit einem jungen Adligen mit Schwert, ein Motiv, dass zum Ehebüchlein gut passt, aber weniger zum lateinischen Lehrbuch. Für den Cato ist die Verwendung dieses Holzstocks wohl als Verlegenheitslösung zu werten. Die drei vorher-gehenden Ausgaben des Werks bei Paffraet zeigen auf dem Titelblatt die erste und zweite Lebuinus-Marke und den vielfach verwendeten ›Magister cum discipulis‹ Holzschnitt, der allerdings nach 1495 auf keinem datierten Druck mehr vorkommt und 1497 wohl nicht mehr vorhanden war.428

Von den über 240 Drucken Paffraets der zweiten Produktionsphase haben nur 69 einen oder mehrere Holzschnitte.429 60 davon entfallen auf Titelholz-schnitte, von denen der größte Teil von nur drei Stö-cken stammen: die ›Magister cum discipulis‹-Szene und Paffraets erste und zweite Druckermarke. Beide Signets stellen den heiligen Lebuinus dar, den Stadt-patron von Deventer und der Lateinschule der Stadt. Auf elf Schul- und Lehrbüchern, meist Grammatiken, kommt die erste Marke zwischen 1488 und 1489 vor. Ab 1489 setzt er in der gleichen Funktion seine zwei-te Druckermarke ein, bis 1500 auf 18 Titelseiten von Lehrbüchern.430

424 ISTC im00348500, GW 9278, ILC 1550, Campbell 1218; Kok: Houtsneden, S. 599–602 (Holzschnitt 28.13) u. S. 612, Anm. 5. Der Stock ist nicht, wie unter GW 9278 vermerkt, von Leeu übernommen. − Vgl. Schreiber/Heitz, Accipies, S. 16. 425 Kok, Houtsneden, S. 599–602, bes. S. 601 und Liste S. 600 (Holzschnitt 28.13). 426 ISTC ie00184050, ILC 976 (Datierung nach Kok), GW 9528, Campbell 724, Kok: Houtsneden, S. 241. 427 ISTC ic00302200, ILC 542, GW 6296, Campbell 413. 428 Kok: Houtsneden, S. 610f. (Holzschnitt 28.16:1). 429 Vgl. auch Conway: Woodcutters, S. 161: »They [sc. J. de Breda und R. Paffraet] employ very few cuts, but those which they do use occur again and again. Paffraet seems only to have pos-sessed five blocks of any importance, and they were all the work of the same woodcutter.« 430 Kok: Houtsneden, S. 597–599 (Holzschnitt 28.11) u. S. 602–605 (Holzschnitt 28.12). – Zu Druckermarken auf der Titel-seite s. unten Kap. 7.3.

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5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden 79

Abb. 30: Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars II). Gouda: [Drucker des Alexander, Opus Minus (Gotfrid van Os?)], 16. September 1488

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Abb. 31: Paffraets erste Magisterszene: Franciscus Mataratius: De componendis versibus hexametro et pentametro. [Deventer: Richard Paffraet, 1488]

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5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden 81

5.4 Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft Christiaen Snellaert druckt als Titelholzschnitt dreier Schultexte eine Darstellung des zwölfjährigen Chris-tus im Kreis von sieben Schriftgelehrten auf folgen-den Titeln ab: Wilhelmus Zenders’ de Wert Lilium grammaticae (zwischen 16. April 1494 und 27. No-vember 1495)431, Gemmula vocabulorum (16. April 1494)432 und Proverbia seriosa (1495)433, alle latei-nisch-niederländisch. Er handelt sich um eine sekun-däre Verwendung eines Textholzschnittes aus einem Zyklus zur Vita Christi, der zuerst in der niederländi-schen Ausgabe des Corduale quattuor novissimorum (Die vier utersten) vom 25. März 1486 benutzt wur-de.434 Diese Serie wird als Pendant zu Leeus Serie von 1481 angesehen, aus der dieser die entsprechen-de Episode aus dem Leben Christi bereits für sein erstes illustriertes Titelblatt eines Schulbuchs, die Gemmula vocabulorum vom 18. September 1484, nutzt. Snellaert folgt hier Leeus Beispiel.

In dieser Delfter Offizin erscheinen zwei Ausga-ben De arte loquendi et tacendi in niederländischer Sprache, datiert zwischen 1. März 1487 und 10. Au-gust 1491435 bzw. 23. September 1493 und 16. April 1494436. Der Titelholzschnitt beider Ausgaben ist Teil einer Serie von vier Stöcken, die Van der Meer für seine niederländische Ausgabe der Historia Sep-tem sapientium Romae hatte anfertigen lassen. Es handelt sich um seitenverkehrte Nachschnitte des Zyklus der lateinischen Ausgabe der Historia bei Gerard Leeu (vor 3. Juni 1480, ohne Titelblatt). Der Holzschnitt zeigt, wie Kaiser Pontianus in Anwesen-heit der Kaiserin seinen Sohn Diocletian den sieben weisen Meistern übergibt. 5.5 Peter van Os in Zwolle Auch Peter van Os reiht sich bei Gerard Leeu und Christiaen Snellaert ein. Die Gemmula vocabulorum437 vom 7. September 1492, Alexanders de Villa Dei Doctrinale (zwischen 26. März 1493 und 1. Dezember 1496)438 und Wilhelm Zenders’ de Wert Lilium gram-maticae (zwischen 26. März 1493 und 1. Dezember

431 ISTC iz00021600, GW 12086, ILC 2223 (Datierung nach Kok), Campbell 1791. 432 ISTC iv00332700, ILC 2198, Campbell 796. 433 ISTC ip01025675, ILC 1815, Campbell 1454. 434 Kok: Houtsneden, S. 122–129, bes. S. 127 (Holzschnitt 21.7:12). 435 ISTC ia00209250, GW 565, ILC 53, Campbell 70; Kok: Houtsneden, S. 113–115 (Holzschnitt 21.2:1). 436 ISTC ia00209350, GW 568, ILC 54 (Datierung nach Kok), Campbell 71. 437 ISTC iv00332650, ILC 2196, Campbell 794. 438 ISTC ia00422600, GW 970, ILC 158, Campbell II 115a; Kok: Houtsneden, S. 409, S. 416.

1496)439, alle lateinisch-niederländisch, zeigen als Titelholzschnitt den zwölfjährigen Christus im Tem-pel. Die Szene ist einer Serie von 1491 entnommen, die als Vorbild das entsprechende Motiv aus Leeus Zyklus in Dat liden ende die passie Ons Heren Jhesu Cristi (1. September 1490) hat. In allen drei Fällen ist der kleinformatige Holzschnitt gerahmt: 1492 mit einem gotischen Architekturrahmen, der genau zur Größe des Holzschnitts passt, auf den späteren Dru-cken mit der Evangelisten-Leiste.440 Für seine Ausga-be der Rudimenta grammaticae ad pueros de Remigio Donato Alexandroque lecta zwischen dem 26. März 1493 und dem 1. Dezember 1496 benutzt Peter van Os einen Holzschnitt aus dem Nachlass Bellaerts in Haar-lem mit einer Darstellung des zwölfjährigen Christus im Tempel, ehemals Teil einer Serie zur Ausgabe der niederländischen Epistolae et Evangelia vom 8. April 1486.441 5.6 Lehrbuch und illustriertes Titelblatt in den Niederlanden Von 1489 an ergießt sich ein steter Strom aus den Pressen von Paffraet und Jacob van Breda in Deven-ter.442 Hier befindet sich die Kollegiatsschule St. Le-buinus, unterhalten von den ›Brüdern des gemeinsa-men Lebens‹, an der Erasmus von Rotterdam von 1477 bis 1488 Schüler war. Diese beiden Drucker-verleger bedienen für ein halbes Jahrhundert den Markt in Norden und Osten Europas:

Les livres et les opuscules de van Breda, tout comme ceux de Pafraet, étaient répandus dans l’Europe en-tière, surtout dans l’Est et le Nord. Grâce à leur diza-ine de milliers d’exemplaires de livres scolaires et d’étude, les imprimeurs de Deventer ont contribué pendant un demi-siècle […] à la latinité et par là à la propagation de l’humanisme, précisément à l’aide de ces texts qui étaient en usage à Deventer comme cen-tre d’enseignement moderne.443

Mit dem holländischen Monopol in Deventer konkur-riert Gerard Leeu im entfernten Antwerpen. Und auch andere Druckerverleger der Inkunabelzeit lassen sich, wenn auch in geringerem Maße, das Geschäft mit der Schulliteratur nicht entgehen.

Die Einführung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden ist eng mit der Gruppe dieser Sprach-lehrbücher verbunden. Nicht jedes Schul- und Stu- 439 ISTC iz00021300, GW 12088, ILC 2221 (Datierung nach ILC), Campbell/Kronenberg I 1791b. 440 Kok: Houtsneden, S. 407–413, bes. S. 411 (Holzschnitt 18.4). 441 ISTC ip00935920, ILC 1895, Campbell XIII 1484b; Kok: Houtsneden, S. 459 (Holzschnitt 11.9:9). 442 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types; S. 108–111. 443 Le cinqième centenaire, S. 403.

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dienbuch aus niederländischen Pressen hat in der In-kunabelzeit eine Unterrichtsszene auf dem Titelblatt, dennoch entwickelt sich das Motiv seit der zweiten Hälfte der 1490er Jahre zu einem in Europa weithin bekannten Erkennungszeichen. Gerard Leeu in Ant-werpen, Govaert van Ghemen in Gouda, Jacob van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft, Peter van Os in Zwolle und Richard Paffraet in Deventer besitzen oft mehrere Holzschnitte mit Lehrszenen. Die ›Urszene‹ bildet das den Illustrationszyklen zur Passio Christi entnommene Motiv des zwölfjährigen Christus, der im Tempel die Doktoren belehrt. Diese säkulare ›Verwer-tung‹ eines Standardmotivs der christlichen Iko-nographie wird auch dann noch weiter geführt, als ab 1486 weltliche Schulszenen auf das Schulbuchtitelblatt gelangen. Jacob Jacobszoon van der Meer und Christi-aen Snellaert in Delft sowie Peter van Os in Zwolle pflegen diese Tradition noch in der ersten Hälfte des letzten Inkunabeljahrzehnts. Zusammen mit den welt-lichen Schulszenen prägen sie das Titelblatt des Schulbuch- und Lehrbuchs in den Niederlanden.

Allerdings verweigern sich die bedeutenden Pres-sen in Deventer – Jacob van Breda mit seiner Dru-ckermarke mit den Evangelistensymbolen, Richard Paffraet mit seiner Lebuinus-Marke auf vielen Titel-blättern – für einen Teil ihrer großen Schulbuchpro-duktion dieser Art der Warenkennzeichnung. Die Verleger dieser ›Schulbuchfabriken‹ gehen mit der Druckermarke auf dem Titel ihren eigenen Weg zugunsten einer auf die Offizin bezogenen Waren-kennzeichnung.

Ausgehend von den Niederlanden wird das kultur-räumlich und wirtschaftlich eng verbundene Köln zur nächsten Station des Titelblatts mit ›Magister cum discipulis‹-Bildtypen. Als verbreitender Buchhändler unterhielt Gerard Leeu Geschäftsbeziehungen zu Johann Koelhoff d. Ä. und Hermann Bumgart. Eine bisher wenig beachtete archivalische Quelle vom 11. Dezember 1489 belegt ein Treffen zur gegenseitigen Abrechung zwischen Leeu und den Kölnern Dru-ckerverlegern zur Messe in Bergen op Zoom.444 Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Tref-fen und dem Titelblatt mit einer Lehrszene soll hier keinesfalls behauptet werden – dies ist angesichts der komplexen Buchhandelsbeziehungen und des steti-gen Warenflusses der Bücher unnötig –, dennoch wirft die Quelle ein helles Licht auf den unmittelba-ren persönlichen Austausch. Der ›Accipies‹-Holz-schnitt, der einen heiligen Kirchenlehrer mit Nimbus vor Schülern darstellt, kommt als erste Lehrszene auf der Legenda Alberti Magni bei Johann Koelhoff d. Ä. vor, datiert auf den 11. September 1490. In der Folge erscheinen Drucke mit dieser Illustration auf dem Titelblatt überwiegend bei Heinrich Quentell, der sich zwischen 1483 und 1487 in Antwerpen auf- 444 Vgl. Gnirrep: Relaties van Leeu, S. 195–197.

gehalten hat. Von 1490 bis 1500 werden über 150 Drucke seines Verlages für die Schullektüre entwe-der mit einem ›Accipies‹-Holzschnitt (1490−1495), einem Thomas von Aquin-Holzschnitt (1496/97) oder seinen beiden Magisterszenen (1494−1500 bzw. 1499/1500) publiziert. Seine Erben setzten diese Tradition mit einem dritten Magisterszenen-Holz-stock fort, den sie zwischen 1500 und 1508 verwen-den.445 In der Quelle, die von der Bergener Zusam-menkunft berichtet, wird auch der in Köln ansässige Buchhändler Heinrich Mülich († 1490) genannt, der Bücher zwischen Antwerpen und Basel handelte sowie Geschäftsbeziehungen mit »sinen gutten fru-ind« Johannes Amerbach in Basel unterhielt. Das erste illustrierte Basler Titelblatt, die Disticha Cato-nis vom 14. Juni 1486 bei Amerbach, zeigt den Nachschnitt einer Magisterszene Leeus; bei dem Druck handelt es sich um einen Nachdruck nach Leeus Ausgabe vom 1. März 1485. Auch hier soll kein direkter Zusammenhang unterstellt werden. Das Beispiel zeigt aber ein weiteres Mal am Beispiel das enge Netz der Verleger und Buchhändler, über das nicht nur Letternmaterial, Holzschnitte und Bücher gehandelt wurden, sondern auch buchgestalterische Neuerungen ausgetauscht wurden. 5.5 Die Entstehung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden als typographisches Dispositiv Das illustrierte Titelblatt als typographisches Dispo-sitiv entsteht in den Niederlanden im Jahr 1484. Es nimmt seinen Ausgangspunkt bei Gerard Leeu in Antwerpen. Die vorhergehenden Untersuchungen haben die Berechtigung dieser Aussagen im Detail zeigen können. Dennoch sollen hier einige abschlie-ßende Überlegungen folgen. Vor dem 9. März 1484 – Leeus erstem illustrierten Titelblatt – lassen sich nur sehr wenige illustrierte Titelblätter aufgrund der Sekundärliteratur und dem Material, das dieser Stu-die zugrunde liegt, identifizieren. Da sind zunächst die sehr frühen aus der Druckproduktion des Hans Folz zwischen 1479 und 1483 auf der Rückseite des ersten Blatts, zwischen 1483 und 1488 auch auf der Vorderseite. Die Folz-Titelblätter bleiben an eine Offizin gebundene Ausnahmeerscheinungen. Sie zei-gen zudem in der Position des Titelblatts im Buch-aufbau wie der Art und Anordnung der Bilder und Texte Schwankungen und eine gewisse Unentschlos-senheit. Ein weiteres illustriertes Titelblatt vor 1484 hat der Straßburger Druck des deutschen Schachbuch des Jacobus de Cessolis bei Heinrich Knoblochtzer vom 1. September 1483. Erst nach 1486/87 wird das illustrierte Titelblatt in Deutschland, wenn auch noch sehr spärlich, verwendet. Die erste illustrierte Titel- 445 Vgl. die Fallstudie Köln in diesem Band, Kap. 3.2.

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5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden 83

seite in Venedig druckt Bernardinus Benalius auf dem Aesopus moralisatus vom 20. November 1487, nach 1490 sind illustrierte Titel auch in Italien häufiger. Leeu hat zwar von seiner (vermuteten) Venedig-Reise um 1482/83 Venezianisches Typenmaterial und die Kenntnis kleiner Buchformate mitgebracht, aber nicht die Innovation des illustrierten Titels. Wir wissen nicht, ob er die wenigen deutschen illustrierten Titel-blätter zum Vorbild hatte. Die Drucke der Nebener-werbsoffizin Folz, die über keine nennenswerten Ver-triebsstrukturen verfügte, sind, auch aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen, kaum über den regionalen Raum hinaus gehandelt worden. Leeu wird sie vermut-lich nicht gekannt haben. Anders verhält es sich mit dem Cessolis-Druck des Heinrich Knoblochtzer. Eine Verbindung lässt sich über die Holzschnitte des Aesop herstellen, die Leeu von Knoblochtzer übernommen hat. Vielleicht hat Leeu auf seiner Reise nach Venedig, für die er die Rhein-Route gewählt haben wird, 1482/83 in Straßburg Station gemacht und ist dort 1483 mit der Cessolis-Ausgabe oder deren Planung und Drucklegung in Berührung gekommen. Möglich ist, dass er diese Anregung aufgenommen und in der Umstrukturie-rungsphase seiner Offizin strategisch umgesetzt hat.

Hans Folz in Nürnberg und Heinrich Knoblochtzer in Straßburg haben die ersten illustrierten Titelblätter gestaltet, gedruckt und verbreitet. Erst die Offizin Leeu aber verhilft dem illustrierten Titelblatt zum Status eines typographischen Dispositivs. Folgende Gründe lassen sich dafür anführen: Leeus frühe und relativ konsequente Praxis, Erbauungs- und Unterhal-tungsliteratur sowie die Lehr- und Schulbücher mit Titelholzschnitten auszustatten, der Einbezug des Titelblatts in seine Überlegungen zur Konzeption von Buchtypen und seine Geschäftsstrategie, und, nicht zuletzt, Leeus enge Verbindung zu Druckern, die in enger Verbindung zu ihm stehen und ebenfalls sehr frühe illustrierte Titelblätter herausbringen. Besonders zu erwähnen sind Jacob Bellaert und Peter van Os.446

Als spezifische Form des Mediendispositivs ›Ti-telblatt‹ ordnet und steuert es die Wahrnehmung des Lesers. Das Dispositiv macht etwas sichtbar, ohne selbst gesehen zu werden; als kulturelles Artefakt setzt es beim Wahrnehmungsakt eines einzelnen Lesers, bei jedem Blick auf ein bestimmtes Buchti-telblatt, eine implizite und universelle Kenntnis sei-ner Ordnungsstrukturen und Zeichenmittel voraus. Leeu ist zwar nicht der erste Druckerverleger, der das ›Superzeichen‹ illustriertes Titelblatt in die Buchtypo-graphie eingeführt hat, aber er ist der erste, der es re-

446 Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 38: »Perhaps we may risk the conjecture that both Peter van Os and Bellaert were fel-low-workers of Leeu’s who left in 1483 with some of his material, – the one man to start his own business, the other to continue one already started. Both, it may be supposed, continued to be depend-ent to a certain extend on Leeu.«

gelmäßig, bewusst kalkulierend und strategisch einer Gesamtplanung folgend, einsetzt und ihm so weit Geltung verschafft, dass es von anderen Druckern und Buchgestaltern aufgenommen und tradiert wird. Leeu ›erfindet‹ nicht nur das illustrierte Titelblatt als festen Bestandteil der Bucheinleitung, er setzt es be-wusst zur Kennzeichnung von Buchtypen ein, die er auf bestimmte Gebrauchsfunktionen und Leserkreise zuschneidet. Drei Grundfunktionen lassen sich aus Leeus Praxis der Titelblattverwendung erschließen: das illustrierte Titelblatt kennzeichnet Buchtypen und Warengruppen, es steuert die Erwartungshaltung, mit der der Käufer und Leser an ein Buch herantritt, es als bestimmten Buchtyp wahrnimmt, und es beein-flusst den Akt der Lektüre. Nach mehr als einem halben Jahrtausend Geschichte des gedruckten Buchs und eines kulturell eingeübten und verfestigten Um-gangs mit der Medienspezifik des Buchs stellt sich heute diese Innovation als wenig spektakulär da. Schaut man aber vom titelblattlosen mittelalterlichen Codex aus auf die erste Zeit des gedruckten Buchs, gehört Leeu zu den führenden Druckerverlegern, die sich der neuen typographischen Zeichenmittel souve-rän bedienen. Lotte Hellinga hat Leeus Bedeutung als Typograph herausgestellt:

Leeu obviously was very sensitive to typographi-cal form, and to what form was appropriate to par-ticular markets, to communities of readers. These could be learned readers, or a not quite so learned public; a distinction in language could also come into play. He published in Latin, Dutch, English, French and Low German. With his aim to reach markets in several language areas his typographi-cal resources were therefore of the greatest impor-tance to him […].447

Das illustrierte Titelblatt ist ein Teil dieser strategi-scher Überlegungen, die zuerst im Übergang der Offizin von Gouda nach Antwerpen sichtbar werden: die Änderung des Programmprofils, die Bevorzugung kleinerer Formate und eine ausgefeilte sprach- und buchtypenabhängige Schriftwahl.

Geht man von den einzelnen Zeichenmitteln aus, ist der Holzschnitt auf dem Titelblatt ein starker visueller Reiz. Für Leeu und seine niederländischen und deutschen Nachahmer ist die Abbildung auf dem neu entdeckten illustrierten Titelblatt so dominierend, dass sie wenig Aufmerksamkeit auf die Gestaltung der sprachlichen Beitexte verwenden. Bis 1490 wer-den in den hier untersuchten Beispielen die anderen Zeichenmittel des Titelblatts wie Rotdruck, Schrift-hierarchie etc. nicht gezielt eingesetzt. Lediglich die Schmuckinitiale und eine größere Schrift werden in der Tradition der Absatzeinleitung und Überschrift als Auszeichnungsmittel übernommen. 447 Hellinga: Bookshop of the world, S. 22.

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84 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Die ersten illustrierten Titelblätter Leeus erscheinen innerhalb eines halben Jahres im März und September 1484. Diese beiden Muster stehen für die beiden Pro-grammsegmente, die Leeu in Antwerpen besonders herausstellen wird: die geistliche Literatur für den Laien und die Unterrichtswerke. Die fiktionale Litera-tur tritt mit der Aesop-Ausgabe vom Oktober hinzu, aber in diesem Segment wird das illustrierte Titelblatt erst einige Jahre später häufiger eingesetzt. Die für die Titelabbildung ausgewählten Druckstöcke stammen zunächst noch aus dem vorhandenen Fundus. Erst ei-nige Jahre später, ab ca. 1488, bekommen die Erbau-ungstexte eigens als Titelillustration vorgesehene Holzschnitte. Über die bloße Präsenz eines visuellen Zeichens hinaus werden sie nun in ihrer besonderen Funktion als Titelholzschnitte gewürdigt. Für die Lehr-szenen setzt diese Entwicklung mit Leeus erster ›Ma-gister cum discipulis‹-Szene vom Juni 1486 früher ein. Hier war der Handlungsbedarf größer, da sich nur wenige Bildmotive zur Kennzeichnung dieses Programmbereichs eignen und die Auswahl aus dem vorhandenen Material begrenzt war. Die dispositive Genese des frühen illustrierten Titelblatts ist mit dem neu angefertigten Titelholzschnitt abgeschlossen.

Was intendiert der Buchgestalter, was sieht der Käufer und Leser? Als visuelle Chiffre bezeichnet das Bild den Inhalt des Buchs und den Buchtypus. Im Segment der Erbauungstexte setzen die Titelabbil-dungen mit Motiven aus dem Leben und der Passion Jesu, aus dem Leben der Maria, Heiligenfiguren und Szenen aus der Bibel auf das dem Gläubigen bekann-te Bildinventar. Bei den Büchern für den Schul- und Universitätsunterricht besteht kein enger Inhaltsbe-zug, da die Titelillustration nur allgemein eine Lehr-szene darstellt. Diese ist universeller einsetzbar, wo-durch sich eine größere Uniformität und Serialität dieser Titelblätter ergibt, die nicht auf das spezielle Werk hinweisen, sondern auf eine Warengruppe.

Ins Extrem treibt Richard Paffraet dieses Prinzip fort. Seine Titelblätter mit der Lehrszene haben nicht nur die gleiche Abbildung, sondern auch ein identi-sches Layout, so dass sie sich nur durch den Sachtitel unterscheiden. Das typographische Dispositiv des illustrierten Titelblatts erfährt bei der Gruppe der Schulliteratur eine weitere Verfestigung, die nun auch auf den Bildinhalt selbst übergreift.

Das illustrierte Titelblatt ist, anders als die frühen typographischen Titel, stärker auf den Käufer und Leser ausgerichtet. Dies gilt in besonderer Weise für die religiöse Gebrauchsliteratur. Die Funktion der sprachlichen Inhaltskennzeichnung tritt in den Hin-tergrund gegenüber der Abbildung, die sich unmittel-bar an den Buchkäufer und späteren Leser wendet und – hier vergleichbar den Andachtsbildern und frühen illustrierten Einblattdrucken – an spätmittelal-terliche private Glaubenspraktiken anknüpft. Die Lehrszene der Schulbücher erlaubt eine eher ober-

flächliche Identifikation mit der alltagsweltlichen Si-tuation der Buchnutzer. Die Titelbilder der moralisie-renden und unterhaltenden Bücher haben einen kon-kreten Bezug zum Inhalt; die Motive auf den hier vorgestellten Titelblättern erschließen sich in der Re-gel erst nach der Lektüre oder dann, wenn das Werk bekannt ist. Das typographische Dispositiv des illu- strierten Titelblatts lässt sich in seinen Anfangsjahren mit folgender Grundfunktion beschreiben: Es eröff-net nicht aus seiner räumlichen Position das Buch als Buchkörper, sondern öffnet auch die vielfältigen kommunikativen Bezüge, in die es hineingestellt wird, sei es die des Buchhandels oder des Lesers und der Lektüre.

6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig

Im Vergleich mit den Niederlanden sind, auch gemes-sen an der Gesamtproduktion, illustrierte Titelblätter bis 1490 in Deutschland selten. Zudem lässt sich, bis auf den Sonderfall Hans Folz, kein herausragender Druckerverleger identifizieren, der sich besonders um das illustrierte Titelblatt bemüht hat. Für die Druckorte Köln, Nürnberg, Augsburg und Straßburg wird in den Fallstudien ein differenziertes Bild über 1490 hinaus gezeichnet. Der Druckort Venedig wird im Folgenden nur kursorisch behandelt.

6.1 Die Anfänge des illustrierten Titelblatts in Nürnberg bei Hans Folz Die ersten Titelseiten in Deutschland mit einer nahe-zu regelmäßigen Verwendung von Titelholzschnitten stammen aus der Nürnberger Kleindruckerei des Hans Folz.448 Der Wundarzt und Dichter Folz druckte in seiner Nebenerwerbsoffizin fast ausschließlich ei-gene Werke, meist populäre volkssprachliche Reim-paargedichte (Mären und Schwänke). Nach den von Folz verwendeten Typen lässt sich die Drucktätigkeit der Offizin in zwei Phasen einteilen, die Drucke in Type 1 von 1479 bis 1483 und die Drucke in Type 2 1483 bis 1488.

448 Nach Hirsch: The earliest development, hat Kiepe: Die Nürn-berger Priameldichtung, S. 193f., auf die frühen Folz-Titelblätter hingewiesen. Die folgenden Ausführungen nach Rautenberg: Das Werk als Ware; da in diesem Aufsatz eine genaue Untersuchung der Folz-Titelblätter vorgenommen wird, wird hier auf die bibliographi-schen Nachweise und Beschreibungen verzichtet.

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6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig 85

Abb. 32: Beispiel für eine frühe Titelseite des Hans Folz auf der Rückseite des ersten Blatts: Von Adam und Eva. Nürnberg: Hans Folz, 1480

In den Jahren 1479 und 1480 produziert er eine Kern-gruppe von sieben datierten und firmierten Drucken, die europaweit die ersten Titelblätter mit einem Sach-titel (Abb. 32), einem Impressum und einem Titel-

holzschnitt haben. Die Titelseiten der nur ein bis zwei Lagen umfassenden Broschüren in Quart zeigen einen dreiteiligen Aufbau: einen querformatigen, satz-spiegelbreiten Titelholzschnitt, darunter eine mehr-

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86 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

zeilige Titelformulierung, die den Inhalt paraphra-siert, schließlich die Firmierung mit Druckort, Dru-cker und Druckjahr. Diese Titelblätter druckt Folz auf die Rückseite des ersten Blatts.

Drei weitere Drucke sind ohne die Untergruppe, vier mit einem satzspiegelgroßen Texteinleitungs-holzschnitt auf der Rückseite des ersten Blatts und dem Textbeginn gegenüber auf der Rückseite des ersten Blatts gedruckt, dessen Vorderseite leer bleibt. In der folgenden Übergangsphase ab 1482 wechselt das Format der Broschüren von Quart nach Oktav. Mit diesem Wechsel rückt der nun knappe, typogra-phische Werktitel auf die Außenseite, während Holz-schnitt und Textbeginn die Rückseite des ersten Blatts füllen. Die Drucke dieser ersten Produktions-phase spielen insgesamt alle möglichen prädispositi-ven Varianten der Bucheröffnung durch: der blatt-große Texteinleitungsholzschnitt auf der Rückseite mit vorhergehender Leerseite, der knappe typogra-phische Titel und schließlich das illustrierte Titelblatt mit Sachtitelformulierung, produktionsrelevanten Hin-weisen und Titelholzschnitt.

In der zweiten Druckperiode, in der 23 Drucke mit der zweiten Type im Oktavformat hergestellt werden, rückt die Titelseite generell nach außen. Bei 18 Dru-cken besteht das Titelblatt aus einem Kurztitel ober-halb eines fast seitengroßen, nun hochformatigen Holzschnitts, während die Firmierung fehlt (Abb. 33). Die Titelgestaltung zeigt durchgängig das cha-rakteristische Layout der Dispositivform Titelformu-lierung mit Titelholzschnitt: Der in der ersten Periode noch umfassende, mehrzeilige Titel wird auf den kurzen Werktitel reduziert und der Holzschnitt unter-halb des Werktitels platziert; eine Untergruppe fehlt.

Folz verwendet für die Titelblätter seiner Drucke Holzstöcke, die eigens angefertigt worden sind und für die erste und zweite Periode jeweils aus der Hand desselben Künstlers stammen. Der serielle Charakter, der sich aus der in beiden Druckperioden gleichen Gestaltung der Titelseiten und den im Format über-einstimmenden Holzschnitten ergibt, sollte nicht unterschätzt werden. Folz erzielt damit den Wieder-erkennungseffekt einer frühen ›Reihe‹ oder ›Serie‹. Bei den Bildern selbst handelt es sich um charakteris-tische, kleine Szenen, die eine Episode der erzählten Geschichte wiedergeben und eng auf den Inhalt ab-gestimmt sind. Die Bilder können als qualitätsvolle Erzeugnisse eines anonym bleibenden Nürnberger Kleinmeisters gelten.

In der ersten Druckperiode experimentiert Folz ohne jedes Vorbild mit der illustrierten Titelseite: Der früheste datierte niederländische Druck erscheint erst fünf Jahre später bei Gerard Leeu 1484, der erste deutsche bei Knoblochtzer in Straßburg 1483. Selbst wenn man nur die Drucke der zweiten Periode mit der Titelseite auf der Vorderseite des Titelblatts berück-sichtigt, die alle nicht datiert sind, stehen diese immer

noch in einer Reihe mit den frühen niederländischen und deutschen Beispielen. Es würde einiges dafür spre-chen, die nur grob dem Zeitraum 1483 bis 1488 zuge-schlagenen Folzdrucke in die Mitte oder an das Ende dieser Periode zu rücken: Sie stünden dann deutlicher im Zusammenhang mit den Nürnberger Drucken mit Titelblättern des Marx Ayrer, Peter Wagner und Hans Hoffmann. Zudem tragen die Drucke der zweiten Peri-ode mit ihrer rationellen Lagenplanung und dem Titel-blattlayout, das den anderen Nürnberger Kleindrucken entspricht, eine andere Handschrift.

Die datierten Folz-Titelblätter der ersten Druckpe-riode 1479/80 aber stehen ohne Vorbild für sich. Sie sind als prädispositiv zu klassifizieren. Folz legt die Lagenplanung so an, dass die Titelseite auf die Rück-seite des ersten Blatts gedruckt wird. Der Holzschnitt steht so in engem Zusammenhang mit dem Werkbe-ginn auf der gegenüberliegenden Seite und über-nimmt die Funktion eines Einleitungsholzschnitts. Die Titel- und Impressumszeile unterhalb des Bildes besetzt die Position der Bildunterschrift bzw. der Kapiteleinleitung. Dieses Layout ist aus illustrierten Handschriften spätmittelalterlicher populärer Litera-tur geläufig. Singulär aber ist die Firmierung auf dem Titelblatt. Die Formulierung ist in allen Drucken ähnlich. »Gedruckt von hansen folczen von wurmß barwirer wonhafft zu nuremberg Im Mcccc vnd im lxxix Jare« lautet beispielsweise das Impressum zu Von einem Juden und einem Christen. Folz nennt sich ausdrücklich als Drucker, während er als Autor des enthaltenen Werks seinen Namen traditionell in die Schlussverse integriert. Mit der Bezeichnung seines bürgerlichen Berufs ›Barbierer‹ wird ein wei-teres Merkmal seiner sozialen Verortung in der Stadt Nürnberg aufgeführt.

Die Folz-Werkstatt ist nach dem Zuschnitt ihrer Produktion eine kleine Nebenerwerbsoffizin. Der Wundarzt, Barbierer, Autor und Druckerverleger Folz trägt das finanzielle Risiko seines kleinen Selbstver-lags. Vermutlich aus dieser Personalunion im städti-schen Umfeld ist die Ausstattung der Broschüren mit einer illustrierten Titelseite, ihre konsequente Reihen-gestaltung und nicht zuletzt das Impressum der frühen Drucke zu erklären. Die mehrfache Kennzeichnung seiner Ware als Autor, Verleger und verbreitender Buchhändler, der den Vertrieb der eigenen Produktion besorgte, zeigt ein klares Bewusstsein Folz’ für diese vielfachen Identitäten.449

449 Vgl. auch Kiepe: Die Nürnberger Priameldichtung, S. 194f.: »[…] daß man entscheidende Anstöße für die Ausbildung des Titelblatts im Bereich der heute fast vollständig verlorenen Klein-drucke zu suchen hat, denn bei ihnen trafen zwei Faktoren zusam-men: zum einen war ein äußeres Deckblatt als Schutz für die nicht zum Binden bestimmten schmalen Hefte besonders nötig […], und zum anderen erwies sich eine wirkungsvolle Titelangabe aufgrund des besonderen Charakters dieser Texte als wichtig.«

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6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig 87

Abb. 33: Beispiel für eine Titelseite aus der zweiten Druckperiode: Hans Folz: Von den drei Weibern. [Nürnberg: Hans Folz, zwischen 1483 und 1488]

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88 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

6.2 Die deutschen Titelblätter mit Titelholzschnitten bis 1490 im Überblick Die folgende knappe Übersicht über die frühen deut-schen illustrierten Titelblätter bis 1490 erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie beruht auf der quan-titativen Analyse und der einschlägigen Literatur. Das erste datierte illustrierte Titelblatt in Deutschland nach den Folz-Drucken von 1479/90 erscheint in Straßburg auf dem deutschen Schachzabelbuch des Jacobus de Cessolis bei Heinrich Knoblochtzer vom 1. September 1483.450 Die mit 16 Holzschnitten illustrierte Ausgabe hat als vierte von drei vorhergehenden der Jahre 1477 bis 1483 erstmals einen neu formulierten Sachtitel: »Dis buochlin weiset die außlegung des schachzabel spils Vnd menschlicher sitten Auch von den ampten der edeln«. Das Titelbild zeigt ein auf dem Tisch lie-gendes Schachbrett. Dieses frühe illustrierte Titelblatt bleibt wiederum für einige Jahre ohne Nachfolger. Erst nach 1486/87 werden die Titelholzschnitte in Deutsch-land häufiger; bis Ende 1490 erscheinen knapp 90 mit einem Titelholzschnitt illustrierte Titelblätter. Allein 25 entfallen davon auf die Offizin Folz und mit weite-ren zehn illustrierten Titeln (darunter eine Drucker-marke), u.a. bei Friedrich Creussner und Peter Wag-ner, ist Nürnberg die deutsche Stadt mit den meisten frühen Titelillustrationen. Neben Nürnberg ragt Köln mit fast zwanzig Titeln heraus, wobei diese Position vor allem durch die Verwendung von Lehrszenen auf Schul- und Lehrbüchern erreicht wird. Von einiger Bedeutung ist sonst nur noch Leipzig, fast ausschließ-lich durch Konrad Kachelofen mit lateinischen und deutschen Drucken kleiner Texte vertreten (z. B. Dis-ticha Catonis,451 Prognostiken, Johannes Widmann von Eger: Rechnung auf allen Kaufmannschaft, Nigellus Wirecker: Speculum stultorum (lat. Satire auf den Klerus, nur mit Titelholzschnitt). Nur vereinzelt finden sich illustrierte Titelblätter in Magdeburg (drei bei Simon Koch), in Basel, Stendal, Speyer, Ulm, Straß-burg und Heidelberg. Mit diesen Zahlen sollen nur Tendenzen für die frühesten illustrierten Titelblätter angedeutet werden.

Einer in diesem Zeitraum am häufigsten mit einem Titelholzschnitt illustrierten Texte ist die Epistola de miseria curatorum seu plebanorum eines unbekann-ten Verfassers – möglicherweise war er Weltgeistli-cher der Diözese Meißen – eine Satire, die auf Miss-stände im unteren Klerus aufmerksam macht. Der fast satzspiegelgroße Holzschnitt mit der Jahreszahl 1489 zeigt eine Gruppe von Geistlichen und Laien in einem Kirchenraum. Konrad Kachelofen in Leipzig veröffentlicht diesen Text 1489/90 viermal, ein Nach-

450 Jacobus de Cessolis: Schachzabelbuch. Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, 1. September 1483 (ISTC ic00418000, GW 6530). – Zu den vorhergehenden Ausgaben vgl. GW 6527, 6528, 6529. 451 GW 6325, 6326 (um 1490).

druck erscheint bei Simon Koch in Magdeburg, eben-falls um 1490. Während die erste Ausgabe Kachel-ofens den Holzschnitt auf der Rückseite des einfa-chen typographischen Titels hat, rückt er in den fol-genden auf das Titelblatt unterhalb des Schlagwortti-tels vor. Auch die Nachdrucke in Straßburg (Johann Prüß und Martin Schott), Speyer (Konrad Hist) und Nürnberg (Peter Wagner) 1489/90 haben den Holz-schnitt entweder auf dem Titelblatt oder auf der Rückseite.452 Das Bildmotiv der diskutierenden Laien und Geistlichen, die auf die Aktualität deutende Jahreszahl 1489 und der agitatorische Charakter der Satireschrift stellt diese Druckwerke an den Beginn der Gestaltungskonvention der Flugschriften.

Weiter zu nennen ist der Dialogus Salomonis et Marcolfi in Magdeburg,453 in Leipzig in fünf lateini-schen Ausgaben bei Konrad Kachelofen (Markolf als Esopus-Typus mit Salomon im Gespräch), als deut-sche Prosa in Leipzig ebenfalls bei Kachelofen,454 und in Augsburg bei Johann Schobser,455 in nieder-deutscher Übersetzung in Stendal bei Joachim West-val 1489456 und bei Johann Koelhoff d. Ä. um 1490.457 Auch diese Ausgaben sind wie die Epistola de mise-ria curatorum seu plebanorum beispielhaft dafür, dass von der Erstausgabe an ein Holzschnitt für die Bucheröffnung verwendet wird, dieser aber alternativ auf der Vorderseite des Titelblatts oder aber auch der Rückseite eingesetzt wird. 6.3 Heiligenlegenden im Einzeldruck um und nach 1500 Nach der quantitativen Analyse im zeitlichen Verlauf liegt der Anteil der illustrierten Titelseiten an allen Drucken mit Titelblatt bis 1490 unter 10 %. Erst im letzten Inkunabeljahrzehnt ist ein Anstieg auf 27,4 % (1491−1495) bzw. 36,5 % (1496−1500) zu verzeich-nen. Die Feinanalyse dieser Dekade bleibt den Fall-studien vorbehalten. Für die Jahrhundertwende soll 452 Vgl. dazu die Ausgaben mit Titelholzschnitt GW 9342–9351; vgl. auch Roloff: Jacob Wimpfeling, S. 16. 453 [Magdeburg: Albert Ravenstein und Joachim Westval, um 1484] (IISTC is00096000, GW 12756), mit dem Titelblatt auf der Rückseite des ersten Blatts. 454 Um 1490 (ISTC is00096200, GW 12764; ISTC is00097000, GW 12765; ISTC is00100000, GW 12766; ISTC is00097600, GW 12767; ISTC is00097700, GW 12768); eine deutsche Ausgabe um 1490 hat vermutlich denselben Holzschnitt auf dem Titelblatt (ISTC is00102890, GW 12783). – Vgl. auch Katalog der Bibliothek Otto Schäfer, S. 581, wonach Kachelofen mindestens sechs illustrierte Ausgaben mit dem gleichen Titelholzschnitt ausstattet. 455 Alle Ausgaben der deutschen Prosa (bis auf die Kachelofens) haben folgende Bucheröffnung: Bl. 1a: Werktitel Bl. 1b: Holzschnitt, Bl. 2a: Textbeginn (GW 12781, 12782, 12784–12786). 456 ISTC is00102870, GW 12788. 457 ISTC is00103000, GW 12789; der Titelholzschnitt ist nach Griese: Salomon und Markolf, S. 211, der englischen Ausgabe von Gerard Leeu, Antwerpen, um 1492, entlehnt.

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6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig 89

hier einmal beispielhaft ein Titelblattkomplex her- ausgegriffen werden, der einen Schwerpunkt in Köln in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ausmacht. Das illustrierte Titelblatt von Heiligenvi-ten im Einzeldruck ist in seiner Funktionsweise den Titelblättern mit Schulszenen zu vergleichen. Auf diesen Legendendrucken erscheint ein Holzschnitt, der den jeweiligen Heiligen bzw. die Heilige zeigt, deren Leben im Buch erzählt wird. Dieser Bildtypus ist ähnlich standardisiert wie die Lehrszenen. Das Bild wird dominiert von einer stehenden Heiligenfigur mit den allgemeinen und individuellen Attributen, wobei die Umgebung, in die die Figur hineingestellt ist, wech-seln kann. Aber anders als die ›Magister-cum-dis-cipulis‹-Szenen verfügen diese Heiligendarstellungen über eine Bildtradition, die über den Buchdruck hinaus zur graphischen Massenware führt, die im Einblatt-druck in unterschiedlichen Vervielfältigungstechniken vom Zeugdruck über den Metallschnitt bis zum Holz-schnitt kursiert. Deren Bildsprache ist selbst bei zeit-lich und räumlich auseinander liegenden Beispielen in hohem Maße genormt, erklärbar auch damit, dass diese preiswerten Produkte für einen breiten Publi-kumskreis immer wieder als Vorlagen für Nachzeich-nungen und Kopien dienten. Als ›kleine Andachtsbil-der‹ gehören diese Heiligendarstellungen in die Praxis spätmittelalterlicher Privatfrömmigkeit, für die die Anrufung der Heiligen, besonders der Nothelfer und der Muttergottes, zentral ist. Die Heiligenfigur auf Papier oder, seltener, Pergament, nun außerhalb des Kirchenraums und den höherwertigen Kunstformen wie dem Tafelbild oder der Skulptur für viele verfüg-bar, ist die bildliche Vorgabe für die private Andacht. Xylographisch oder typografisch textierte Blätter fü-gen kürzere Texte wie Gebete, Mirakel u.ä. hinzu.458

Die Bildformel besteht aus einer als Ganzfigur ge-zeigten, statischen Heiligenfigur mit allgemeinen Attributen (z. B. dem Buch, dem Heiligenschein, der Märtyrerkrone) und den individuellen Attributen. Der Name kann hinzugefügt werden. Die Buchdrucker, die diese Heiligenbilder auf das Titelblatt nehmen, kannten die weite Verbreitung des Bildgenres und wussten, dass die Bilder nahezu universell im christ-lichen Kulturraum entschlüsselt werden konnten. Diese Titelblattgestaltung zielt auf eine unmittelbar herzustellende Beziehung von Titel und Inhalt und weist den Drucken ein klares gebrauchsfunktionales Konzept zu. Ähnlich wie bei der Schulliteratur fasst auch das Heiligenbild auf dem Titelblatt − von der untypischen Verwendung der Heiligenfigur als Dru-ckermarke bei Richard Paffraet in Deventer abgese-hen459 − lose zusammenhängende Werkgruppen unter einem ›Markenzeichen‹ zusammen: Legenden in 458 Vgl. dazu Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 62–71, dort weiterführende Literatur. 459 S. unten Kap. 7.3.

Prosa und Versen, in der Volkssprache und in Latein, Mirakel und Gebetstexte oder Führer zu Reliquien und Heiltumsweisungen. Letztere meist als Zusätze zur Vita des entsprechenden Heiligen, erschienen unter dem gemeinsamen Deckblatt einer formelhaf-ten Titelblattgestaltung.

Leider gibt es keine Untersuchung, die den Umkreis dieser druckort- und länderübergreifenden Konvention auch nur annähernd umgreift. Die charakteristische Titelblattgestaltung begegnet im letzten Inkunabel-jahrzehnt in den Niederlanden. Govaert Bac illustriert die Titelseiten zweier Legendendrucke mit Heiligen-figuren: 1496 eine lateinische Legenda S. Dympnae (die Märtyrerheilige mit Schwert und angekettetem Teufel zu ihren Füßen)460 und eine niederländische Katharinen-Prosa Sinte Katherinen legende (die Heili-ge mit Schwert, zerbrochenem Rad und der überwun-dene Kaiser Maxentius unter ihren Füßen)461. In Mo-dena druckt Domenicus Rocociolus 1490 die Historia trium regum des Johannes von Hildesheim mit einer Anbetungsszene und eine »Leggenda di Santa Caterina d’Allessandria«, die die stehende Heilige mit ihren Attributen in einer Titelrahmung zeigt.462

Der Schwerpunkt liegt wiederum in Köln.463 Kurz vor der Jahrhundertwende setzen die so genannten ›Kölner Passiendrucke‹ ein, zunächst mit den vier Hauptjungfrauen Barbara, Dorothea, Katharina und Margarete, wenig später kommt die Stadtpatronin Ursula hinzu. Es handelt sich um schlichte volks-sprachliche Verse, die bereits in handschriftlicher Tradition unfest überliefert sind. Sie erscheinen zuerst bei Johann Koelhoff d. J., teilweise als Lohndrucke Ulrich Zells, 1498/99, später bei Heinrich von Neuß (ab 1509 und 1513), Servas Kruffter (um 1520) und Johann Landen (ab 1509). Das Layout der Titelblätter folgt dem zu dieser Zeit fest etablierten Muster der Titelformulierung oberhalb eines satzspiegelgroßen Holzschnitts, die Firmierung auf dem Titelblatt fehlt bis auf wenige Ausnahmen. Seit den frühesten Ausga-ben bei Koelhoff d. J. ist das Bemühen um eine ratio-nalisierte serielle Gestaltung offensichtlich. Einem Grundstock, dem rechts oder links unten eine Ecke ausgesägt wird, werden die individuellen Attribute der weiblichen Heiligen durch ein auswechselbares Teil hinzugefügt. Die damit erzielte Senkung der Herstel-lungskosten hat zugleich den Effekt einer Seriengestal-

460 Petrus Cameracensis: Legenda S. Dympnae. Antwerpen: Govaert Bac, 1496 (ISTC ip004570000, ILC 1745, Campbell 1098). 461 Antwerpen: Govaert Bac, nicht vor 3. Juli 1496 (ISTC ic00278950, ILC 519, Campbell 1101). 462 Johannes von Hildesheim: Liber de gestis et translatione trium regum. Modena: Domenicus Rocociolus, 17. August 1490 (ISTC ij00340000, Sander: Le livre à figures, Nr. 3650, Abb. 456); Legenda di S. Caterina de Alessandria. Modena: Domenicus Rocociolus, 7. Juni 1490 (ISTC ic00278300, Sander: Le livre à figures, Nr. 1804). Vgl. auch Fava: Sulla typografia. 463 Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 62−67.

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tung, die konsequent von den Kölner Nachdruckern bei neu angefertigten Holzstöcken beibehalten wird.

Die wichtigste Zielgruppe dieser Legendenausga-ben mit auswechselbarem Attribut, wie auch für die zahlreichen anderen lateinischen und deutschen Dru-cke der verschiedenen Fassungen von Ursula-Legen-den (Quentell Erben und Martin von Werden ab 1503) oder dem Leben der Heiligen Drei Könige, die einen einteiligem Holzschnitt haben, sind die Kölnpilger, die zu den regelmäßig stattfindenden Heiltumsweisungen in die Stadt strömen oder die Reliquien in den Kölner Kirchen aufsuchen. Die Broschüren werden in den Druckwerkstätten oder direkt am Ort des Geschehens, vor den Kirchentüren,464 verkauft. Für diese Verkaufs-situation dürfte das Titelblatt als Teil einer seriellen Gestaltung und mit hohem Wiedererkennungswert ideal gewesen sein: Sind die Heiligen doch auf den ersten Blick identifizierbar, genauso wie der Kunde es von den Einblattdrucken her gewohnt war.

Köln gilt im Mittelalter wegen der zahlreich in der Stadt verwahrten Reliquien als ›nördliches Rom‹ mit dem entsprechend hohen Aufkommen an Pilgern und ist ein guter und sicherer Absatzmarkt für die heimi-sche Legendenproduktion. Die weitgehende Standar-disierung der deutschen und lateinischen Ausgaben, die überwiegend für Köln-Pilger gedacht sind, ist auch Ausdruck einer klar konturierten Zielgruppe. Auch Drucker anderer Städte übernehmen diese Titelblatt-gestaltung. Auf das Kölner Vorbild der »Passienbüch-lein der vier Hauptjungfrauen« gehen die Magdebur-ger, Leipziger und Lübecker Gesamt- und Einzel-ausgaben und Serien aus den ersten beiden Jahrzehn-ten des 16. Jahrhunderts zurück, auch wenn hier ver-schiedentlich die Heiligenfigur zeittypisch mit Leisten gerahmt wird.465 Damit sind aber bereits die Zentren für diese Art volkstümlicher Legendendrucke nach Kölner Vorbild benannt. Auch wenn Zufallsfunde466 − eine genauere Untersuchung liegt nicht vor − zeigen, dass auch andere Drucker im 16. Jahrhundert auf die Gestaltungskonvention zurückgreifen, so scheint sie nicht bindend gewesen zu sein. Neben der isolierten Heiligenfigur mit ihren Attributen werden für die Titelillustration von Einzellegenden Szenen aus der Vita gewählt.

464 »Dese legendt hat man vield by sent columben thorn«. Sankt Columben Passie. Köln [Hermann Gutschaiff, um 1515]. Beschreibung bei Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 324. 465 Vgl. Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 36−39. 466 Zum Beispiel Bonaventura: S. Legenda de Sancta Clara. Venedig: Simon de Luere, 7. Juli 1513 (Sander: Le livre à figures, Nr. 1162, Abb. 329).

6.4 Die venezianischen Titelblätter mit Titelholzschnitten bis 1495 im Überblick Die quantitative Analyse hat für das venezianische Inkunabeltitelblatt ergeben, dass die Illustration der Titelseite gegenüber den Niederlanden und Deutsch-land verzögert einsetzt. Ein Anstieg ist erst nach 1490 zu beobachten.467 Insgesamt sind 14,8 % der venezia-nischen Inkunabeltitelblätter illustriert, bis 1495 konn-ten etwa fünfzig Ausgaben ermittelt werden; davon entfallen 9,4 % auf illustrierende Titelholzschnitte, 5,3 % auf Drucker- oder Verlegersignets und 1 % auf Zierleisten. Die folgende Übersicht greift einige Bei-spiele bis 1495 heraus.

Die erste illustrierte Titelseite in Venedig druckt Bernardinus Benalius auf dem Aesopus moralisatus vom 20. November 1487;468 diese ist zugleich die erste italienische Ausgabe des Aesopus überhaupt mit einem illustrierten Titel. Das Titelblatt dieser und der folgen-den Ausgaben in lateinischer und italienischer Spra-che469 reiht sich damit in die frühe niederländische und deutsche Titelillustration ein, in der dieser Text eben-falls mit einem illustrierten Titelblatt versehen wird. Allerdings ist die Bildtradition in Venedig eine andere. Dem in den Niederlanden und in Deutschland domi-nierenden Typus des buckligen Aesop wird in Vene-dig470 der ›weise‹ Aesop als Lehrer vorgezogen.

Zu den früh mit einem illustrierten Titelblatt ver-sehenen und häufig gedruckten Werken gehört eine vermutlich Ende des 13. Jahrhunderts in Bologna von Tommaso Gazzadini zusammengestellte Sammlung von Tierfabeln unter dem Titel Fiore di virtù. Zwei Ausgaben mit Titelblatt erscheinen 1490: bei Gio-vanni Ragazzo am 30. Dezember und bei Seraphinus de Cennis; 1492 zwei und 1493 drei weitere.471 Der Titelholzschnitt zeigt meist Cherubino von Spoleto in einem Garten von Tieren umgeben und Blumen sam-melnd.472 Nach Curt F. Bühler sind die Fiore di virtù

467 Zum italienischen illustrierten Titelblatt vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 66−71. 468 Aesopus moralisatus. Bearbeitet von Accio Zucco. Vene-dig: Bernardinus Benalius, 20. November 1487 (ISTCia00150400; GW 431; Sander: Le livre à figures, Nr. 55). 469 Dieser Ausgabe folie u. a. die venezianischen Ausgaben des Manfredus de Bonellis, 27. März 1492, 15. Februar 1491 und vom 17. August 1493 mit illustrierter Titelseite. Der »Aesopus moralisatus« sowie die »Vita« gehören zu den im italienischen Inkunabel- und Frühdruck häufig gedruckten illustrierten Ausga-ben. Die Titelblattgestaltung kann hier im Einzelnen nicht verfolgt werden. Diese Ausgaben sind beschrieben bei Sander: Le live à figures, Nr. 49−120, Addenda Nr. 2−5. 470 So auf den Ausgaben des Manfredus de Bonellis, Nachwei-se bei Sander (s. die vorhergehende Anm.). 471 Nachweise bei Sander: Le livre à figures, Nr. 2720−2758, Addenda Nr. 179, 180. 472 »Ces éditions portent généralement un bois de frontispice, dans lequel on voit frère Cherubino da Spoleto dans un jardin, cueillant des fleurs. Dans quelques éditions il est assis dans sa

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7 Das Titelblatt mit einem Signet 91

virtù »the most popular of all books printed in Italy during the fifteenth century«, das in den folgenden Jahrhunderten als »chap book or ›coutesy book‹ for the moral education of the youth« weiterlebt.473 Die Fiore di virtù-Ausgaben, in Einschränkung auch der Aesopus moralisatus können als Beispiel dafür gel-ten, dass in Italien das Titelblatt mit einem Holz-schnitt besonders für volkssprachliche, populäre Drucke konzipiert wurde.474 7 Das Titelblatt mit einem Signet

Bevor die Angaben des Impressums als Untergruppe im 16. Jahrhundert zu einem regelmäßigen Bestand-teil des Titelblatts werden, kündigt sich die Firmie-rung der Ausgabe durch ein Signet bzw. eine Dru-cker- oder Verlegermarke an. Diese nehmen als eine variante Dispositivform des illustrierten Titelblatts die Stelle der Illustration ein. Da die Druckermarken der Inkunabelzeit in vielen Fällen groß und dekorativ sind, dienen sie ebenso wie die inhaltsbezogene Il-lustration als Blickfang und werten die Titelseite auf. 7.1 Signet und Firmierung Die Titelseite mit einem Signet kündigt sich in der Inkunabelzeit nur zögerlich an. Sie steht in Konkur-renz zur illustrierten Titelseite, da die großen Dru-ckermarken, wie sie die vor allem die niederländischen und die französischen Druckerverleger verwenden, eine ähnliche Schmuckwirkung haben wie die textge-bundenen Titelholzschnitte. Am Beispiel einiger Dru-ckerverleger und Verleger können im letzten Jahrzehnt Tendenzen zur Verwendung von Signeten auf Titelsei-ten ausgemacht werden, die sich im 16. Jahrhundert verfestigen.

Wie das Titelblatt ist auch das Signet ohne Vor-bild in den mittelalterlichen Handschriften. Signets von Buchproduzenten werden genauer in Drucker- oder Verlegermarken bzw. Druckerzeichen und -signets unterschieden.475 Es handelt sich um mehr oder weniger komplexe bildliche Darstellungen, die in der Art von Firmenmarken Aufschluss über den Produzenten eines Produktes geben und damit dessen Identifikation dienen; sie erfüllen auch rechtliche Zwecke und übernehmen die Funktion von Qualitäts-

cellule, lisant ou écrivant; des vases garnis de fleurs ornent sa table.« Sander: Le livre à figures, S. 477. 473 Bühler: Studies, S. 315. 474 Diese These formuliert Barberi: Il frontespicio, S. 67f. 475 Im Englischen gibt es analog die Bezeichnungen ›printer’s mark‹ oder ›printer’s device‹, ›publisher’s mark‹ oder ›publisher’s device‹.

zeichen.476 Bei den Signeten der Inkunabelzeit und noch in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts lässt sich eine Differenzierung in (reine) Drucker- oder Verlegermarken nur selten vornehmen, denn die Druckerverleger waren für den Druck bzw. die Druckwerkstatt zuständig und trugen das verlegeri-sche Risiko allein oder, bei besonders kostspieligen und aufwändigen Buchprojekten, im Konsortialver-bund mit anderen Druckerverlegern. Mit einem mehr verlegerisch akzentuierten Selbstverständnis der Buch-produzenten gegenüber der Herstellung bildet sich gegen Ende der Inkunabelzeit, zunächst in Italien, das reine Verleger- oder Verlagssignet heraus.

Einen informativen Überblick über die Hauptty-pen der Drucker- und Verlegerzeichen und ihr Auf-kommen in den einzelnen europäischen Ländern gibt Geldner.477 Vor 1480 kommen im deutschen Sprach-gebiet und in den anderen europäischen Ländern Signets nur sporadisch vor. Mit dem Signet, das im Buch seinen Platz zunächst regelmäßig am Buch-schluss bzw. beim Kolophon findet, eröffnet sich die Möglichkeit, es auf der nur wenig früher in Gebrauch gekommen Titelseite zu integrieren.

Die folgenden Bemerkungen sind wiederum der quantitativen Analyse der deutschen, niederländischen und venezianischen Drucke entnommen. Für das fran-zösische Titelblatt mit einem Signet lassen sich nach der Literatur einige Anhaltspunkte benennen. In Frankreich erscheinen im letzten Inkunabeljahrzehnt große, reich ornamentierte Signets auf der Titelseite, die darüber hinaus noch von Leisten gerahmt werden können. Die Marken sind nicht selten mit dem Na-men des Verlegers oder seinen Initialen versehen.478 Auch Wahlsprüche sind integriert, so benutzt Jean Trepérel eine Marke, die an den Rändern von seiner Devise umgeben ist.479 Labarre betont die Bedeutung des Signets für das französische Titelblatt; der weiße Raum unterhalb der Hauptgruppe werde mit einer plakativen Verlegermarke gefüllt:

Le blanc laissé sous le titre imprimé est rapide-ment comblé par une illustration. Il s’agit généra-lement de la marque du libraire, ou de l’imprimeur lorsque c’est le même personnage, ce qui est très fréquent. Quand l’imprimeur est différent, sa mar-que reste en fin d’ouvrage, généralement à la suite du colophon. Au titre encore plus qu’au colophon, il est évident que la marque revêt moins un aspect

476 Vgl. dazu die grundlegende Untersuchung: Davies: Devi-ces of the early printers. 477 Geldner: Inkunabelkunde, S. 112–123; vgl. auch De Vinne: The practise, S. 21−28. 478 Vgl. Johnson: One hundred title-pages, S. VII; De Vinne: The practise, S. 25f. mit Abbildungen. 479 Vgl. die Abbildung auf drei Titelblättern bei: Katalog der Bibliothek Otto Schäfer, T. 1, S. 241.

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92 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

décoratif (même quand celuici est certain) que do-cumentaire, puisque c’est déjà une adresse.480

7.2 Deutschland Die erste in einem Buch gedruckte Marke ist das Zweischildsignet Peter Schöffers in Mainz, das 1457 in einem Exemplar des Mainzer Psalter erscheint.481 Die zweite gebraucht Arnold ter Hoernen in Köln seit 1471 in bildlicher Anlehnung an das Schöffersche Signet. Schöffer ist auch der erste, der das Signet auf einer Titelseite einsetzt, auf dem Herbarius latinus von 1484, in roter oder schwarzer Farbe.482 Das nächste in Deutschland auf dem Titelblatt vorkom-mende Signet erscheint in Nürnberg bei Friedrich Creussner um 1485 und nach 1487, wie das von Arnold ter Hoernen ebenfalls dem Mainzer Zwei-schildsignet nachempfunden.483 1490 ist eine weitere Druckermarke auf dem Titelblatt der Horae des Mar-cus Reinhart in Kirchheim im Elsass zu finden.484 Zu einer regelmäßiger geübten Praxis findet nach 1491 der Kölner Ulrich Zell in niederländischer Tradition mit seinem großen Holzschnitt der Maria mit dem Kind und Kölner Wappen bzw. dem Stadtwappen gehalten von Löwe und Greif. 485 Die Marke ist hier zugleich dekorativer Titelschmuck. Ebenso plakativ ist Hermann Bumgarts Signet mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige und seiner Hausmarke, das er seit 1496 benutzt und auf einem Titelblatt bis 1500 zweimal einsetzt. Auf seinem Druck der gereimten Drei-Könige-Legende um 1505 übernimmt die bildli-che Darstellung zugleich die Funktion eines textbe-zogenen Holzschnittes.486 Neben Köln liegt ein wei-terer Schwerpunkt in Basel bei Michael Furter (nach 1498) und Jacob Wolff (nach 1497), den ersten Bas-ler Druckerverlegern mit einem Signet auf dem Ti-telblatt.487 Insgesamt lassen sich für Deutschland nur gut dreißig Titelseiten mit einem Drucker- oder Ver-legerzeichen zwischen 1484 und Ende 1500 nach-weisen. 480 Labarre: Les incunables, S. 233f.; dort auch Bemerkungen zur Titeltypographie. Labarres Beobachtungen, dass die Drucker-marke im Kolophon steht, die Verlegermarke auf dem Titelblatt, lässt sich für die von uns untersuchten Corpora nicht bestätigen. 481 Zum Zweischildsignet vgl. Schneider: Peter Schöffer, S. 12−14. 482 Vgl. oben S. 51. 483 Vgl. dazu Fallstudie Nürnberg im folgenden Band. 484 ISTC ih00366000. 485 ISTC ia00441800, GW 1059; ISTC ia00444600, GW 1070; ISTC ib00098000, GW 3327; ISTC ic00319400, GW 6357; ISTC ig00166600, GW 10673; ISTC ig00167100, GW 10678; ISTC ih00010650, GW 12408; ISTC im00261150; vgl. auch Geldner: Inkunabelkunde, S. 114. 486 ISTC ia00208000, GW 1059; ISTC ip01102150, GW 11097; auf dem Titelblatt der Postinkunabel mit Impressum, vgl. Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 314f. 487 Vgl. die Fallstudie Basel im übernächsten Band.

7.3 Niederlande Für die Niederlande ist der Anteil an Signeten auf dem Titelblatt bedeutend höher: 297 aller Titelseiten (38,5 %) zeigen Druckermarken. Die erste erscheint bei Matthias van der Goes auf Bonaventura Sermones quattuor novissimorum (21. Juni 1487). Das dekora-tive Signet nimmt fast die gesamte Titelseite ein, nur ein Kurztitel findet darüber Platz. Ein wilder Mann schwingt drohend eine Keule über dem Kopf, in der linken Hand hält er das Wappen von Brabant mit dem Löwen, zwischen seinen Füßen ist das Mono-gramm Matthias’ van der Goes integriert, ein ›M‹, überragt von einer Stange mit einem Stern. Die Dru-ckermarke kommt sonst nicht mehr auf einem Titel-blatt bei Matthias van der Goes vor.488

Der hohe Anteil von Signeten in den Niederlanden im Vergleich zu Deutschland und Italien ist aller-dings größtenteils darauf zurückzuführen, dass Dru-ckerverleger wie Richard Paffraet und Jacob van Breda Druckermarken für die Titelblattgestaltung heranziehen. Paffraet benutzt zwei Druckermarken auf dem Titelblatt: Beide zeigen den heiligen Lebui-nus, Patron der Lateinschule und Stadtpatron von Deventer. Der erste Stock ist seit 1488 in Gebrauch, zugleich mit der Wiederaufnahme seiner Drucktätig-keit nach einer Pause und der Erneuerung seines gesamten typografischen Materials.489 Der Heilige steht auf einer Wiese mit Kreuzstab und Buch, rechts unten das Stadtwappen, links ein Schild, der typogra-phisch mit »Sanctus lebuinus« gefüllt ist; unterhalb der Füße findet sich weiß auf schwarzem Grund die Hausmarke Paffraets, ein doppelter Winkelhaken. Paffraet setzt den Holzschnitt erstmals auf dem Titel-blatt eines Schulbuchs, der Verba deponentalia des Johannes de Garlandia ein, nach Kok datiert vor 4. September 1488. Insgesamt benutzt Paffraet die Marke zwölf Mal auf einem Titelblatt, bis auf eine Ausnahme handelt es sich ausschließlich um Schul-texte, meist Grammatiken. Weitere Illustrationen kommen nicht vor. Zum letzten Mal kommt die erste Marke auf dem Titel von John Anwykylls Compen-dium totius grammaticae am 4. Mai 1489 vor, zu-sammen mit der zweiten Marke am Ende des Buchs, die von 1489 bis 1500 in Gebrauch ist. Lebuinus steht hier mit den gleichen Attributen versehen in einem gotischen Bogen vor einem Vorhang, rechts neben sich das Stadtwappen.490 Die zweite Marke kommt auf 18 Titelblättern vor, einmal auf der Titel-blattrückseite. Auch hier handelt es sich fast aus-schließlich um Schultexte. Zeitlich parallel hat Paff-raet einen Holzschnitt mit einer Lehrszene, ein Leh-

488 Kok: Houtsneden, S. 587–589 (Holzschnitt 33.1:1). 489 Vgl. Le cinquième centenaire, S. 308; Kok: Houtsneden, S. 597–599 (Holzschnitt: 28.11). 490 Kok: Houtsneden, S. 602–605 (Holzschnitt 28.12).

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7 Das Titelblatt mit einem Signet 93

rer unterrichtet fünf Schüler, ebenfalls als Illustration für Lehrbücher.491

Auf dem Titel von knapp einem Drittel (76 von ü-ber 250 Inkunabeln) findet sich bei Jacob van Breda ein Holzschnitt für Quart-Drucke: im Zentrum weiß auf schwarzem Grund das Monogramm IHS (Jesus Hominum Salvator), umgeben von vier weißgrundigen kreisrunden Medaillons mit den Evangelistensymbolen in den Ecken.492 Er wird erstmals auf der niederländi-schen Ausgabe des Plenars Epistolae et Evangelia vom 1. März 1493 benutzt und bis 1498 verwendet.493 Jacob van Breda, der ab 1485 eine eigene Druckwerk-statt führt, war vermutlich bereits einige Zeit zuvor bei Paffraet tätig. Beide Druckerverleger arbeiteten räum-lich eng benachbart zur Lateinschule der Stadt und haben sich auf humanistische Schul- und Lehrbücher spezialisiert. Die Produktion aus diesen beiden Pressen in Deventer wird in Tausenden von Exemplaren im nördlichen und östlichen Europa vertrieben.494 We-gen der prominenten Platzierung der Marken auf dem Titelblatt kann man wohl nicht von einer ausschließ-lichen Funktion als Druckermarke sprechen, zumal auch jeder explizite oder verschlüsselte Bezug zum Inhaber der Marke fehlt.495 Als Titelholzschnitt sind sie wiederum zu wenig auf den Inhalt des Werks bezogen, und anders als bei der stereotypen Verwen-dung von Lehrszenen fehlt der gebrauchsfunktionale Aspekt. Bei Paffraet und Jacob van Breda scheint die Marke – vergleichbar einem Wasserzeichen – für eine allgemeine Herkunfts- und Qualitätsbezeich-nung zu stehen. Zudem hat diese Gestaltung den Vorteil, dass nur wenig Aufwand mit Bilddruckmate-rial betrieben werden muss. Ähnlich rationell verfährt Jacob van Breda auch in einer weiteren Gruppe von Titelblättern. 14 Drucke zwischen 1490 und 1497 zeigen eine Darstellung der Gregorsmesse, überwie-gend auf Schultexten.496 7.4 Venedig In der Gestaltung der italienischen Signets herrscht das Motiv des geteilten Erdballs mit Doppelkreuz als Grundform vor. Die venezianische Verlags- und Buch-handelsgesellschaft »Johannes de Garlandia, Nico-laus Jensen et socii« benutzt ab 1481 ein solches Signet, das erste in Italien überhaupt.497 Die erste venezianische Druckermarke auf einem Titelblatt

491 Vgl. S. 78. 492 Kok: Houtsneden, S. 551–558 (Holzschnitt 28.7). 493 ISTC ie00071750, ILC 961, Campbell 703; vgl. Kok: Houtsneden, S. 555. 494 Vgl. Le cinquième centenaire, S. 403. 495 Vgl. Langer: Von vier sich ähnlichen Titelholzschnitten; Kok: Houtsneden, S. 555 u. ebd. Anm. 7 (Verweis auf Juchhoff und BMC). 496 Vgl. Kok: Houtsneden, S. 548–551 (Holzschnitt 28.5). 497 Vgl. Geldner: Inkunabelkunde, S. 117.

lässt allerdings noch zehn Jahre auf sich warten, es ist die des Hieronymus de Paganinis 1492.498 In den folgenden nur acht Jahren bis Ende 1500 sind bereits etwa 60 Signets auf dem Titelblatt nachzuweisen. Der größte Anteil entfällt auf den Verleger Luca Antonio Giunta d. Ä., Kaufmann und Gründer einer der bedeutendsten italienischen Drucker- und Verle-gerdynastien im letzten Inkunabeljahrzehnt und im 16. und 17. Jahrhundert. Verleger dieses Typs sind oft im überregionalen Buchvertrieb tätig und entsprechen dem Typ des verlegenden Buchhändlers (›librari-editori‹).499 Giunta d.Ä. setzt konsequent sein Signet ein, als Verlegerzeichen, nach dem Kauf einer Dru-ckerei 1499 auch als Druckermarke. Da die Giunta-Drucke meist über ein ausführlich formuliertes Im-pressum verfügen, lassen sich Verlegersignet und Druckermarke in ihren unterschiedlichen Funktionen deutlich auseinander halten. Giunta d. Ä. handelt seit 1489 als reiner Verleger (›editore‹) mit Büchern, sein Signet, die Florentiner Lilie − der Hauptsitz des Un-ternehmens war Florenz − mit den Initialen ›L‹ und ›A‹,500 benutzt er erstmals im Oktober 1490.501 Am 25. Dezember 1493 wird das Signet in ein Titelblatt integriert, auf dem Diurnale Romanum. Drucker ist Johann Emerich (von Speyer), der hier erstmals im Auftrag von Giunta tätig ist. Dieser Druck markiert den Beginn einer Vielzahl von Drucken des Johann Emerich im Auftrag Guintas. Bis zum letzten Auf-tragsdruck, dem Missale Majoricensis Ecclesiae vom 16. September 1506, folgen nahezu alle Ausgaben einem ähnlichen Schema. Das Verlegersignet wird unterhalb der Titelformulierung angefügt, manchmal im Rotdruck. Das ausführliche Impressum mit Druckort und Druckdatum nennt den Drucker, häufig auch den Auftraggeber, z. B. »Impressum Uenetijs impensis nobilis viri Luca Antonij de giunta Floren-tini: Arte autem et ingenio Joannis Emerici de Spira Alemani.«502 In knapp dreißig Drucken Johann Eme-richs für Giunta erscheint die Verlegermarke auf dem Titel, und nur ganz zu Beginn der Zusammenarbeit fügt Emerich seine Druckermarke in den Jahren 1494 und 1495 dem Kolophon hinzu. Auch andere venezi-anische Druckerverleger, wie Giovanni Rosso, Mat- 498 Gregorius: Dialogorum libri quattuor. Venedig: Hierony-mus de Paganinis, 13. November 1492 (ISTC ig00405000, GW 11401); zu Marken von Druckerverlegern auf dem Titelblatt in Italien vgl. auch Barberi: Il frontespicio, S. 65f.; Geldner: Inkuna-belkunde, S. 116−119. 499 Vgl. Richardson: Printing, writers, S. 34f. 500 Diese Grundform existiert in mindestens zehn unterschied-lichen Varianten und Größen für verschiedene Buchformate. Sie sind abgebildet bei Kristeller: Die italienischen Buchdrucker- und Verlegerzeichen, S. 80−83; Husung: Drucker- und Verlegerzei-chen, S. 109f. 501 Vgl. Nuovo, A.: Giunta. In: LGB2, Bd. 3, 1991, S. 180f. Zum Folgenden vgl. die Bibliographie der Giunta-Drucke von Camerini: Annali dei Giunti. 502 ISTC ib01126200, GW 5144.

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94 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

teo Capcasa, Giovanni Ragazzo und Cristoforo de’ Pensi waren für Giunta tätig und firmieren die Dru-cke ähnlich wie Johann Emerich, allerdings nicht mit dessen Konsequenz. Für Giunta d. Ä. trifft generell die Beobachtung zu, dass zumindest in den ersten Dekaden seiner Tätigkeit (Drucke unter seinem Na-men erscheinen bis 1537) die Firmierung konsequent am Schluss des Buchs verbleibt und das Signet als Platzhalter für den Buchproduzenten fester Teil des Titelblatts ist, eine Praxis die auch Aldus Manutius beibehält.

Bei den ebenfalls häufig auf venezianischen Titel-blättern auftauchenden Druckermarken handelt es sich um die des Johannes Baptista Sessa, der von Juni 1496 bis Ende 1500 immerhin mindestens 13 der von ihm produzierten und verlegten Titel mit seinen Signeten versieht, die eine Katze mit der Maus im Maul unterhalb einer Krone oder einem Erdball mit Doppelkreuz darstellen, beide mit seinen Initialen versehen.503

Die im Vergleich zu den niederländischen und deutschen Signeten eher kleinformatigen veneziani-schen werden meist unmittelbar unterhalb der Titel-formulierung platziert, oft als Abschluss des Dreiecks-satzes. Bei Paganinus de Paganinis im letzten Jahrfünft der Inkunabelzeit auch oberhalb des Titels.504 Johann Baptista Sessa kombiniert in einigen Fällen die Dispo-sitivvarianten Titelseite mit Titelholzschnitt und Titel-seite Signet: Er platziert seine Marke mittig unterhalb der Illustration, an die Stelle der Untergruppe.505

Betrachtet man abschließend das Verhältnis von Signeten auf dem Titelblatt und sprachlich formulier-ten Bestandteilen der Untergruppe, so kann vorsichtig vermutet werden, dass das Signet als Firmenzeichen zumindest in der Inkunabelzeit für die Formierung des Dispositvs sowohl nach der Häufigkeit seines Vor-kommens als auch in seiner Bedeutung herausragt. Das Signet in seiner Funktion als Herkunfts- und Fir-menzeichen, auch als Qualitätssiegel, steht in der Tra-dition der mittelalterlichen Handelmarke. Da liegt die Firmierung mit bildlichen Mitteln noch näher als eine sprachliche Umschreibung in einer Impressumsformel. Aus dem Signet lassen sich zudem nur Rückschlüsse auf den Druckerverleger und den Druckort ziehen, das Druckjahr als später fester Bestandteil eines Impres-sums auf dem Titel, spielt fast keine Rolle. Diese An-gabe bleibt weiterhin nahezu ausschließlich dem Ko-lophon vorbehalten. Die Untergruppe erscheint meist 503 Kristeller: Die italienischen Buchdrucker- und Verlegerzei-chen, S. 114f.; Husung: Drucker- und Verlegerzeichen, S. 142−144. 504 ISTC ip00087000, GW 12056, IGI 7213; ISTC id00444000, GW 9147, IGI 3648; ISTC ia00729000, GW 1945, IGI 571; vgl. neben den Beispielen von Paganinus de Paganinis auch das Fol-gende: Otinus de Luna für Alexander Calcedonius (ISTC it00290000, IGI 9539). 505 Vgl. Sander: Le livre à figures, Nr. 212, Abb. 272; Nr. 660, Abb. 275; Nr. 5667.

rudimentär, auch als Zusatz zum Signet. Gegenüber dem sprachlich formulierten Herkunftsnachweis hat das Signet nicht nur den Vorteil der unmittelbaren Eingängigkeit, wenn es erst einmal am Markt einge-führt ist, sondern füllt auch den leeren Raum mit ei-nem attraktiven Blickfang. Letzteres zeigen vor allem die niederländischen und französischen Signets. An-ders als die Schlussschrift gehört das Signet zu den innovativen Elementen, die der Buchdruck einführt. Vielleicht ist dies die Erklärung dafür, dass das Signet − wie bei Aldus Manutius − auf der Titelseite die Untergruppe vertritt und − wie bei Froben dann gut zu beobachten − die sprachliche Firmierung nachzieht. 7.5 Ausblick und Exkurs: Der Gebrauch des Signets bei Aldus Manutius und Johannes Froben Aldus Manutius und Johannes Froben gehören in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zu den be-deutenden Verlegern wissenschaftlicher und klassi-scher Literatur in Europa. Ihre Druckproduktion eig- net sich in besonderer Weise, die Firmierungspraxis dieses gebildeten und selbstbewussten Verlegertypus zu beleuchten. Das Signet des Venezianers Aldus Ma- nutius, das einen sich um einen Anker windenden Del-phin zeigt, ist prototypisch für das humanistische und hieroglyphische Signet. Johannes Froben in Basel greift Aldus’ hieroglyphische Konstruktion mit seinem Schlangenstab-Signet auf und wird – wie das des Al-dus Manutius – vorbildlich für das humanistische Sig-net nördlich der Alpen. Erasmus von Rotterdam, der mit beiden eng zusammen gearbeitet hat, interpretiert die Signets, an deren Entwicklung er wohl beteiligt war, einflussreich in Ausgaben seiner Adagia.506

Aldus Manutius (Tätigkeit 1494−1515) setzt sein Signet ab 1502 in der Funktion einer Drucker- und Verlegermarke ein; er benutzt es mit der Ausnahme von wenigen Privatdrucken in allen seinen Büchern.507 In den Varianten bzw. Neuschnitten des Signets ist Aldus mit seinem Vornamen, z. T. auch einem oder zwei Anfangsbuchstaben des Nachnamens präsent, die in den Holzschnitt integriert, aber auch typogra-phisch gesetzt sind.508 Anhand eines reich illustrier-ten Ausstellungskataloges sowie der neueren Detail-forschungen von Wolkenhauer lässt sich die Ver-wendungsweise des Signets in den Aldus-Drucken nachvollziehen.509 Eine geregelte Praxis ist danach in 506 Auf die Bildlichkeit und Deutung der Signets soll hier nicht näher eingegangen werden; vgl. dazu ausführlich Wolkenhauer: Zu schwer für Apoll, hier bes. S. 183, S. 213. 507 Vgl. Wolkenhauer: Zu schwer für Apoll, S. 165. 508 Zur den einzelnen Stadien der Verlegermarke vgl. Fletcher: New Aldine studies, S. 43−61. 509 Vgl. Aldo Manuzio tipografo; Wolkenhauer: Zu schwer für Apoll, S. 165–185.

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8 Resümee 95

Grundzügen gut erkennbar. Das Signet wird erstmals auf dem Titelblatt der Herodot-Ausgabe vom Sep-tember 1502 eingesetzt. In den folgenden Jahren bis zum Tod des Aldus 1515 ist das Bestreben deutlich, das Signet mehrmals, zwei- oder sogar dreimal, in den Ausgaben zu platzieren, in der Regel auf dem Titel, dem Zwischentitel und in der Nähe des Impres-sums. Von 1502 bis etwa 1505 ist die Praxis aber noch recht unterschiedlich: Manchmal steht das Sig-net nur auf dem Titelblatt, seltener fehlt es dort und steht am Ende. Ab 1505 findet es sich dann regelmä-ßig auf dem Titelblatt, wobei die Tendenz zur Mehr-fachplatzierung bestehen bleibt. Denn Aldus belässt das typographische Impressum konsequent am Ende des Buchs − wir finden den Druckvermerk auf kei-nem einzigen Titelblatt −, und löst die Verbindung seiner Marke zur Schlussschrift nicht. Auf dem Ti-telblatt aber kann das Signet erst seine Funktion als unmittelbar ins Auge fallendes Herkunftszeichen und Gütesiegel erfüllen. Die Praxis, das Signet auf der Titelseite und am Buchschluss unterzubringen, ist nicht auf Aldus beschränkt, sie wird vor ihm von anderen Druckerverlegern in Venedig geübt, wenn auch nicht in dieser Konsequenz. Erst die Aldinen zeigen deutlich das Bestreben, das Verlegersignet auf der ersten und (meist) letzten Seite wie eine Klam-mer um den Buchblock zu legen.

In seiner Bedeutung für den humanistischen Buch-druck ist der Basler Druckerverleger Johannes Fro-ben (selbstständige Verlagstätigkeit 1513−1527) nörd-lich der Alpen dem Aldus Manutius an die Seite zu stellen, ein Verdienst, das er sich nicht zuletzt als Verleger und Freund des Erasmus von Rotterdam erworben hat. Seine Bücher gestaltet Froben im Hin-blick auf das Titelblatt und den Buchschmuck anders als Aldus Manutius, der sonst als Vorbild Frobens gelten kann. Bis auf das Signet sind die Titelseiten der Ausgaben aus der Offizin des Aldus Manutius ohne jeden weiteren Schmuck, und er verzichtet auch bis auf die nicht seltenen Inhaltsverzeichnisse fast immer auf buchwerbende Elemente. Froben hingegen setzt ab 1513 Titeleinfassungen in Renaissance-Ornamentik ein und zieht bedeutende Künstler wie Urs Graf und die Brüder Holbein heran, die die Vor-lagen für Titeleinfassungen und Signets zeichnen. Dieser Buchschmuck wird überwiegend für das Ti-telblatt, den Texteingang und den Buchschluss ver-wendet. Wie Aldus legt auch Froben großen Wert auf sein Signet, den Caducaeus als Attribut Merkurs. Es wird zuerst mit eigenem Druckstock im Frühjahr 1515 im Buchinneren eingesetzt, als Erasmus sich bereits in Basel aufhält, im gleichen Jahr gelegentlich auch auf dem Titelblatt.510 Mit einem auffälligen 510 Vgl. Wolkenhauer: Zu schwer für Apoll, S. 199, S. 213 u. S. 200. – Zum Folgenden vgl. die Ergebnisse der Fallstudie Basel im übernächsten Band, die Frobens Erasmus-Drucke untersucht.

gestalterischen Neubeginn des Titelblatts nach 1523 ändert sich das Konzept. Auf Erasmus-Titelblättern zwischen 1523 und 1527 rückt die Druckermarke als einziges Schmuckelement in das Zentrum der Titel-seite zwischen Haupt- und Untergruppe. Damit nä-hert sich Froben den weitgehend schmucklosen Ti-telblättern der Aldinen an. Die herausragende Posi-tion des Signets als Markenzeichen wird auch an Frobens Praxis deutlich, es mehrfach in einem Buch zu verwenden, meist zusätzlich zur Titelseite auf der Rückseite des letzten Blatts. Froben trennt sogar in einigen Fällen Kolophon und Druckermarke durch eine Leerseite oder ein Leerblatt, so dass das Signet das ›erste und das letzte Wort‹ hat und wie bei Aldus zur Buch umschließenden Klammer wird. Nur wenige Erasmus-Drucke Frobens sind ohne Druckermarke am Buchschluss und diese befindet sich bis auf ganz we-nige Ausnahmen auf der Rückseite des letzten Blatts. 8 Resümee

Als Ergebnis des Forschungsberichts zu Beginn die-ser Abhandlung sind verschiedene Desiderate ange-merkt worden. Eines der grundlegenden Probleme der bisherigen Titelblattforschung betraf die Validität allgemeiner Aussagen über die Quantität und den zeitlichen Verlauf der Einführung und Entwicklung des Titelblatts, die bisher auf willkürlich gewählten Samples oder mehr oder weniger zufälligen Be- obachtungen beruhen. Dem setzt diese Studie einen konsequenten bibliometrischen Zugang entgegen, der für die drei Vergleichsregionen, Deutschland, Nie-derlande und Venedig, eine flächendeckende quanti-tative Analyse mit hohen Klärungsraten erreicht und nicht von einer statistischen Hochrechung ausgeht. Die Ergebnisse sollen hier nicht im Einzelnen wie-derholt werden. Für Deutschland und die Niederlande konnte jedoch gezeigt werden, dass zwischen 1480 und 1485 das Titelblatt häufiger wird und in der Folgezeit eine kontinuierlich ansteigende Entwick-lung zu beobachten ist. Im letzten Inkunabeljahrzehnt ist es etablierter Bestandteil des gedruckten Buches. Für den Druckort Venedig setzt diese Entwicklung signifikant später ein. Erhärtet werden konnten die Beobachtungen, dass eine enge Korrelation zwischen Leerseite(n) und Titelblatt besteht. Mit absoluten Zahlen, die auf Klärungsraten über 80 % beruhen, lässt sich nach zögerlichem Beginn eine Änderung in der Lagenplanung im zweiten Inkunabeljahrzehnt in Deutschland belegen, bis um die Mitte der 1470er Jahre die Bucheröffnung mit einer Leerstelle die Zahl der Ausgaben mit einer ersten mit dem Werkbeginn bedruckten Seite übersteigt. An die Stelle der Leer-seite zu Beginn des Buches tritt in der Dekade zwi-schen 1480 und 1490 die Titelseite. Ähnlich ist die

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96 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

Entwicklung in den Niederlanden, in Venedig setzt diese wiederum später ein. Eine der wichtigsten Vor-aussetzungen für die Entstehung des Titelblatts, un-abhängig von seiner konkreten Ausgestaltung, ist die Separierung der Metatexte vom Werkbeginn. Eine zeichentheoretische Deutung auf der makrotypogra-phischen Ebene bietet sich hier als Erklärung an. Danach ist die Leerstelle am Buchbeginn ein bahn-brechender Schritt auf dem Weg zum Titelblatt, da Buchbeginn und Werkbeginn nicht mehr notwendig zusammenfallen. Der Freiraum setzt eine typographi-sche Pause vor den Werkbeginn. Von der mittelalter-lichen Handschrift unterscheidet sich das gedruckte Buch, trotz aller übernommenen Layouttraditionen, durch einen anderen Umgang mit dem Weißraum, der in der Druckform durch Blindmaterial repräsentiert und – als Ergebnis eines vorherigen Planungsprozesses – bedeutungstragend wird. Eine Reminiszenz an den ursprünglichen Weißraum bewahrt die Flächengliede-rung der Titelseiten bis heute. Auch die makrotypo-graphische Analyse des Verhältnisses der Titelseite zu den nachfolgenden Seiten und im Lagenverbund be-legt die Sonderstellung der Metatexte und ihre bewuss-te Separierung im Buchaufbau durch die Häufigkeit, mit der die Rückseite des Titelblatts leer bleibt oder sich ein kleinerer abgeschlossener Text bzw. ein Holz-schnitt vor den Werkbeginn schiebt. Dies gilt für fast 77 % der deutschen, 83 % der niederländischen und 80 % der italienischen Inkunabeln.

Ein wichtiges Ergebnis der durch die Einzelanaly-se ergänzten bibliometrischen Untersuchungen ist, dass die hier so bezeichneten prädispositiven Titel-blätter bis 1480 von den dispositiven Formen, die sich etwa ab Mitte der 1480er Jahre deutlich heraus-kristallisieren, zu unterscheiden sind. Die frühesten, nur vereinzelt auftretenden, Titelblätter haben in ihrer unterschiedlichen, noch experimentierenden Ausge- staltung lediglich das Bemühen gemeinsam, Metatex-te wie umfangreiche Incipit- und oder knappe Sachti-telformulierungen, Autorvorreden, Ausrufformeln wie im Fall der Schöffer’schen Türkenbullen oder ein einleitendes Gedicht wie bei den Venezianischen Kalendern, vom Werktext zu separieren. Sie sind daher wenig hilfreich, wenn eine Erklärung für das Auftretens des Titelblatts und seine Funktion gefun-den werden soll. Erst die habituell in der typographi-schen Praxis verwendeten Dispositive lassen allge-meingültigere Aussagen zu. Ebenso gehört die kleine Anzahl von Titelseiten auf der Rückseite des vorn leeren Titelblatts und der Endtitel in diesen Zusam-menhang des Experimentierens mit der Freistellung von buchkennzeichnenden Metatexten an Schlüssel-stellen im Buchaufbau. Erst das typographische Ti-telblatt, noch fast immer ohne Impressumsangaben, das illustrierte Titelblatt und das Titelblatt mit Signet sind die erfolgreichen Muster, auf die sich die Buch-

gestalter verständigen, und die jenseits der Inkuna-belgrenze weiter ausgefaltet werden.

Die seit Haebler von der älteren und neueren For-schung immer wieder vertretene Schutzblattthese als Begründung für die Einführung des Titelblatts sollte endlich ad acta gelegt werden. Es sprechen wichtige Gründe dagegen. Nicht alle Drucke mit einer Leer-stelle zu Beginn haben ein weißes Blatt, das, durch den Transport verschmutzt, beim Binden wegge-schnitten werden könnte. Zwar sind nach dem Er-gebnis der quantitativen Analyse des Bucheingangs Inkunabeln mit Leerseite seltener als solche mit Leerblatt, zwischen 1471 und 1480 machen sie aber immerhin ein Drittel aller Fälle in Deutschland aus, zwischen 1481 und 1485 sogar die Hälfte. Zudem ändert sich nach der Einführung des Titelblatts die Vertriebssituation im Buchhandel nicht. Warum soll-te der Typograph die wichtigen metatextuellen In-formationen, auf deren Präsentation er zunehmend mit besonderen Auszeichnungsformen und der Titel-illustration Wert legt, einer Stelle im Buch anvertrau-en, die er für ungeschützt hält? Viel eher sind die Überlegungen Bogengs richtungsweisend, der von solchen rein buchtechnischen Erklärungen absehend, das Titelblatt als Teil einer geänderten Kommunika-tionssituation begreift.

Seit Pollard und Johnson ist die Standardbegrün-dung für die Entstehung des Titelblatts, dass sich das Titelblatt aus kommerziellen Bedürfnissen entwickelt habe. Aber was genau ist damit gemeint? Die For-schung ist bisher, bis auf die neueren Analysen ein-zelner Fallbeispiele zu Textsorten oder Druckerver-legern, eine umfassendere Antwort schuldig geblie-ben. Hier setzten die Ergebnisse der quantitativen Vergleichanalyse und der Feinanalyse der typogra-phischen Zeichenmittel ein, und auch hier zeigen sich die Vorteile eines der Detail- und Beispielanalyse vorausgehenden bibliometrischen Zugriffs. Er lässt nicht nur konkrete Aussagen über den zeitlichen Verlauf der Entstehung unterschiedlicher Titelblatt-formen zu, sondern auch über deren quantitative Gewichtung. Zwei vorherrschende Dispositivformen bilden sich als konkurrierende Modelle heraus: der rein typographische Titel und der illustrierte Titel. Das Titelblatt, das nicht durch Auszeichnungen im Titelsatz aufgewertet wird, ist bis 1490 die gängige Form. Erst ab 1490 mehren sich nach den Ergebnis-sen der typographischen Feinanalyse die Hinweise auf eine gefälligere Ausstattung, die die Titelseite über ihre bloße Funktion der Inhaltsbezeichnung hinaus aufwertet. Der schmucklose typographische Titel hat die Funktion einer schnellen Identifikation des Werks auf den unterschiedlichen Handelsstufen. Für das gedruckte Buch, das in größeren Mengen zirkuliert und überregional gehandelt wird, ist diese Neuerung von praktischem Wert: für den reisenden Buchführer, der Partien unterschiedlicher und in der Regel nicht gebundener Bücher mit sich führt, für

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8 Resümee 97

den Druckerverleger, der seine Produktion in kleinen und kleinsten Auflagenteilen im Bücherfass oder im Paket verpackt auf die Messen, in seine auswärtigen Handelsniederlassungen und zu seinen Handelspart-nern schickt, für die Faktoren, die die Ware auspa-cken und anhand der Listen in Begleitbriefen kontrol-lieren, schließlich für die Ordnung im Bücherlager des stationären Buchhändlers.

Der typographische Titel ist unmittelbar auf die In-haltsidentifikation des Buches bezogen und bietet eine Erleichterung für dessen Weg über den herstellenden und verbreitenden Buchhandel zum Käufer. Dass auch der spätere Buchbesitzer vom Titelblatt profitiert, ist eine zunächst wohl nicht bewusst intendierte Zugabe, und erst nach Etablierung des Titelblatts werden dem Typographen und Verleger die Möglichkeiten be-wusst, die das Titelblatt für die Warenkennzeichnung und für den Buchkäufer eröffnet. Damit ist ein Prozess in Gang gekommen, der jenseits der Inkunabelgrenze mit dem Impressum als Bestandteil des Titelblatts im 16. Jahrhundert zum Ende kommt.

Als zweite dispositive Form ist das mit einem Ti-telholzschnitt illustrierte Titelblatt zu nennen, das dem rein typographischen quantitativ weit unterlegen ist. Nur knapp 25 % der deutschen Inkunabeltitelblät-ter und weniger als 10 % der italienischen, aber im-merhin fast 40 % aller niederländischen besitzen einen Titelholzschnitt. Die Funktionen der illustrier-ten Titelseite sind komplexer als die der rein typo-graphischen. Der Titelholzschnitt ist ein starker opti-scher Reiz. Mit seinem Aufkommen stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Titelbild und seiner Kennzeichnungskraft für das Buch. Man muss davon ausgehen, dass die Drucker oder Verle-ger mit der Titelillustration Signale für den Buchkäu-fer und Leser setzten. Die quantitative Analyse für die Niederlande zeigt hier erstmals die überragende Rolle des Druckerverlegers Gerard Leeu für die Eta- blierung des illustrierten Titels. Die Tiefenanalyse seiner Produktion und die Interpretation beispielhaf-ter Drucke lässt Schlüsse zu, welchen gestalterischen, strategischen und ökonomischen Überlegungen Leeu gefolgt ist, als er diesen zu einem festen Platz in der Konzeption des gedruckten Buchs verhilft. Das illust-rierte Titelblatt charakterisiert nicht nur das Werk, sondern wird konstitutiv für die Gestaltung von Buchtypen und Textsorten, zudem ist es rezeptions-leitend. Hier werden auch die von der Forschungs- literatur als Grund für die Entstehung des Titelblatts häufig beschworenen werbenden Elemente genauer fassbar, die in standardisierten sprachlichen Floskeln auf das Titelblatt und in die Titelformulierung finden.

Wie auch die Fallstudien besonders für die Druck-orte Nürnberg und Augsburg zeigen, findet das illu- strierte Titelblatt seinen Platz häufig auf volkssprachli-cher populärer Unterhaltungs- und Erbauungsliteratur, aber auch die lateinische religiöse Erbauungsliteratur

gehört zu den Textsorten, die mit einem illustrierten Titelblatt ausgestattet werden. Gerard Leeu in Antwer-pen, dem der zentrale Teil der Analyse des niederlän-dischen illustrierten Titelblatts gewidmet wurde, setzt hier mit seinen illustrierten Titelblättern einen Schwer-punkt. Eine Verlegerpersönlichkeit, die in Deutschland eine ähnlich bedeutende Rolle wie Leeu für die Nie-derlande übernommen hat, lässt sich nicht ausmachen. Die sehr frühen Titelblätter der Nürnberger Offizin Folz sind von ihrem gestalterischen Anspruch prä-dispositiv und finden lange keine Nachahmer. Im Umkreis Leeus hingegen wird das illustrierte Titelblatt schnell übernommen.

Margaret M. Smith ist in ihrer Monographie aus dem Jahr 2000 zu dem Schluss gekommen, dass man nie wissen werde, warum die Drucker begannen, den Leeraum der typographischen Titelseite mit einem Holzschnitt zu füllen.511 Nach den hier vorgestellten Ergebnissen kann man die Gründe ziemlich genau benennen, wie und warum die Druckerverleger sich der Titelillustration zuwenden. Nicht nur die nieder-ländischen Titelblätter lassen hier präzise Schlussfol-gerungen zu, sondern auch die Traditionen, aus der das illustrierte Titelblatt entwickelt wird, bietet Auf-schluss. Die Tradition verläuft von der Bucheröff-nungsform mit einem werkeinleitenden Holzschnitt ohne eigenständiges Titelblatt zum Titelblatt mit Titelholzschnitt. Bei der Planung einer Ausgabe mit einer Titelseite kann der Holzschnitt entweder auf der Titelseite erscheinen oder auf der Rückseite des Ti-telblatts, oder aber, wiederholt, auf der Vorder- und der Rückseite. Etwa ab der Mitte der 1480er Jahre lassen sich diese Varianten in niederländischen und deutschen Inkunabeln häufiger beobachten. Zudem gibt es keine Hinweise darauf, dass das illustrierte Titelblatt zwingend aus dem illustrierten Buch ent-steht. Als weiteres Argument sei hier die ersten illust-rierte Titelseite Leeus Van Marien rosencransken vom 19. Juni 1484 – die die erste niederländische ist, auch dies ein Ergebnis des quantitativen Zugangs – angeführt, eines der Beispiele, das ausführlich disku-tiert wurde. Der Blick auf die lateinische Parallelaus-gabe macht vollends deutlich, dass es keinerlei chro-nologischen oder entwicklungsgeschichtlichen Fort-schritt vom rein typographischen Titel zum mit einer Illustration ergänzten Titelholzblatt gibt.

Zeitlich parallel zum Aufkommen des illustrierten Titelblatts setzt eine dispositive Variante ein, die standardmäßig das Schul- und Lehrbuch mit einer Lehrszene auf dem Titel kennzeichnet. Hier ist weni-ger das Bildmotiv im Einzelnen von Bedeutung, als seine Kennzeichnungskraft für eine Warengruppe. Auch diese Innovation aus dem Jahr 1484 kommt aus der Offizin Leeu, wird schnell von niederländischen Druckerverlegern übernommen und breitet sich über

511 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 13f.

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98 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

das kulturräumlich mit Holland eng verbundene Köln in Deutschland aus.

Eine weitere Variante des illustrierten Titels ist die mit einer Druckmarke bzw. einem Signet als Her-kunfts- und Qualitätszeichen in der Tradition der mit-telalterlichen Handelsmarke. Der Weg dahin verläuft über gelegentliche Nennungen von Druckort, Druck-datum und/oder Name des Druckerverlegers. Früher, häufiger und weitaus konsequenter äußert sich der verlegerische Anspruch allerdings in der Drucker- und Verlegermarke auf dem Titelblatt. Auch hier sind die Niederlande mit der hoch standardisierten Form auf Schul- und Lehrbüchern im letzten Inkunabeljahrzehnt führend, wie sie besonders von Druckerverlegern in Deventer praktiziert werden.

Bis zum Ende der Inkunabelzeit noch weitgehend offen ist die Standardisierung der Untergruppe. Sprachlich codierte Hinweise auf den materiellen Urheber des Buches sind auf dem Buchtitelblatt der Inkunabelzeit in unseren Erhebungsregionen äußerst selten, und eine typographischen Trennung von der Hauptgruppe ist in diesen wenigen Beispielen in aller Regel noch nicht vollzogen. Ihre endgültige Etablie-rung und Standardisierung in sprachlicher Form und in der bildlichen des Verlagssignets bleiben den ersten Dekaden des 16. Jahrhunderts vorbehalten, mit erheb-lichen regionalen und verlagsspezifischen Schwan-kungen. Als Beispiele jenseits der Inkunabelgrenze wurden hier Aldus Manutius in Venedig und die Erasmus-Drucke des Johannes Froben in Basel be-rücksichtigt, und die die Bedeutung des im europäi-schen Rahmen handelnden Wissenschaftsverlegers für diesen Prozess belegen. Für Froben zeigt die Fallstudie Basel die Bedeutung, die das Titelblatt nun für die Zwiesprache des Verlegers mit dem Leser gewonnen hat.

Das Register folgt am Ende des folgenden Beitrags (Das Titelblatt zu Köln).

Anhang

1 Abbildungsverzeichnis Annähernd in der Originalgröße reproduziert wurden Abb. 5, 17, 18, 19, 25, 29, 30, 31, 32, verkleinert Abb. 3, 26, 27, 28, 33, stark verkleinert Abb.15, 16, 20. Abb. 1: Titelblätter in Deutschland, den Niederlanden und

Venedig im Vergleich (Anzahl der Drucke) Eigenes Diagramm

Abb. 2: Titelblätter in Deutschland, den Niederlanden und Venedig im Vergleich (Anteil an der Gesamtpro-duktion) Eigenes Diagramm

Abb. 3: Die vier utersten. Gouda: Gerard Leeu, 6. August 1477 Göttingen SUB, 8 Th Thet II, 650/7 Inc.

Abb. 4: Bucheingänge der Offizin Fust/Schöffer im Ver-gleich zu deutschen Titelblattproduktion Eigenes Diagramm

Abb. 5: Wandalbertus. Legenda et miracula sancti Goaris. Mainz: [Peter Schöffer] für Johannes Gisen de Nasteden, 1489 London BL, IA.257

Abb. 6: Bucheingänge in Deutschland Eigenes Diagramm

Abb. 7: Bucheingänge in den Niederlanden Eigenes Diagramm

Abb. 8: Bucheingänge in Venedig Eigenes Diagramm

Abb. 9: Deutschland: Titelseite und nachfolgende Seite Eigenes Diagramm

Abb. 10: Niederlande: Titelseite und nachfolgende Seite Eigenes Diagramm

Abb. 11: Venedig: Titelseite und nachfolgende Seite Eigenes Diagramm

Abb. 12: Deutschland: Mikrotypographische Gestaltungs-mittel Eigenes Diagramm

Abb. 13: Niederlande: Mikrotypographische Gestaltungs-mittel Eigenes Diagramm

Abb. 14: Venedig: Mikrotypographische Gestaltungsmittel Eigenes Diagramm

Abb. 15: Albertus Magnus: Liber aggregationis. [Köln: Heinrich Quentell, um 1485] München BSB, 4°Inc. s. a. 1310d/3

Abb. 16: Stephanus Fliscus: Sententiarum variationes. Straß-burg: Johann Prüß 1487 München BSB, 4°Inc. c. a. 508

Abb. 17: Michael Scotus: Liber physiognomiae. [Venedig: Johannes Baptista Sessa, 1490] Mainz, Stadtbibliothek/Gutenberg Museum, Mainz, Inc. 177

Abb. 18: Herbarius latinus. Passau: [Johann Petri, 14]85. Erlangen UB, 4 Trew R 404

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Anhang 99

Abb. 19: Alexander de Villa Dei: Doctrinale. Deventer: Jacobus de Breda, 31. Dezember 1495 Lüneburg, Ratsbücherei, Inc. 1315

Abb. 20: David de Augusta. De exterioris et interioris nomi-nis compositione. Zwolle: [Peter van Os, zwischen 7. September 1492 und 10. November 1500] Köln UStB, ADbl 103

Abb. 21: Deutschland: Graphischer Schmuck auf der Titel-seite bis 1500 Eigenes Diagramm

Abb. 22: Niederlande: Graphischer Schmuck auf der Titelseite Eigenes Diagramm

Abb. 23: Venedig: Graphischer Schmuck auf der Titelseite Eigenes Diagramm

Abb. 24: Drucke der Offizin Gerard Leeu Eigenes Diagramm

Abb. 25: Van Marien rosencransken. Gouda: 9. März 1484. Köln, UStB, Adbl 127b

Abb. 26: Historie van Seghelijn van Jerusalem. Delft: Jacob Jacobszoon van der Meer, [um 1484]. Gent UB, 15.8., Res. 1409

Abb. 27: Gemmula vocabulorum. Antwerpen: Gerard Leeu, 18. September 1484 Brüssel KglB, Inc. A. 1395

Abb. 28: Albertanus Brixiensis: Van die konste van spre-ken ende van swighen. Antwerpen: Gerard Leeu, zwischen 18. September 1484 und 1. März 1485 Den Haag KglB, 1084 C25

Abb. 29: Disticha Catonis. Antwerpen: Gerard Leeu, 2. Juni 1486 Köln UStB, GB IIc 257

Abb. 30: Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars II). Gou-da: [Drucker des Alexander, Opus Minus (Gotfrid van Os?)], 16. September 1488 Wittenberg, Bibliothek des Predigerseminars, NH B55,2

Abb. 31: Franciscus Mataratius: De componendis versibus hexametro et pentametro. [Deventer: Richard Paffraet, 1488] Münster UB, 9 an Inc. 516

Abb. 32: Hans Folz: Von Adam und Eva. Nürnberg: Hans Folz 1480 München BSB, Rar 183/3

Abb. 33: Hans Folz: Von den drei Weibern. [Nürnberg: Hans Folz, zwischen 1483 und 1488] Wolfenbüttel HAB, 117 Eth. (11)

2 Zitierweise und Quellennachweise Bei Zitaten aus Inkunabel- und Frühdrucken wurden die dort gebrauchten Abkürzungen und Sonderzeichen still-schweigend aufgelöst; ebenfalls wurde auf eine Kenn-zeichnung der Zeilentrennung verzichtet. Im Übrigen wird der Text getreu und ohne weitere Eingriffe wiedergegeben. Zitate aus Inkunabel- und Frühdrucken nach der Sekundär-literatur folgen, wie in den entsprechenden Anmerkungen angegeben, den Sekundärquellen.

Die bibliographischen Nachweise der Inkunabelausga-ben werden in der Regel in der folgenden Reihung in den Fußnoten angegeben: ISTC, GW. Es folgen die maßgebli-chen länder-, orts- und druckerspezifischen Quellenwerke, auch wenn hier Vollständigkeit nicht angestrebt wurde. 3 Abkürzungsverzeichnis Das folgende Abkürzungsverzeichnis gilt für alle drei Fol-gen. Weitere Abkürzungen, die nur für einzelne Fallstudien gelten, sind am jeweiligen Ort verzeichnet. 3.1 Bibliotheken und Archive Bamberg SB Staatsbibliothek Bamberg

Berlin SBB-PK Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz

Bonn ULB Universitäts- und Landesbibliothek Bonn

Darmstadt ULB Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt

Erlangen UB Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg

Köln HAStK Historisches Archiv der Stadt Köln

Köln UStB Universitäts- und Stadtbibliothek Köln

London BL British Library, London

München BSB Bayerische Staatsbibliothek München

Nürnberg GNM Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

StaatsAN Staatsarchiv Nürnberg

Wolfenbüttel HAB Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 3.2 Abgekürzt zitierte Literatur 3.2.1 Zeitschriften AdA Aus dem Antiquariat. Beilage zum Börsenblatt für den Deut-

schen Buchhandel. 1948–1970 Redaktion Bernhard Wendt. 1971–1996 Redaktion u. hrsg. v. Karl H. Press-ler. – 1997ff. hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Anti-quariat im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. –

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100 Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit

2003ff.: Zeitschrift für Antiquare und Büchersammler. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 1948–2002; MVB Marketing u. Verlagsservice des Buchhandels 2002, H. 10ff.

AGB Archiv für Geschichte des Buchwesens. Bd. 1– 56 Hrsg. v. d.

Historischen Kommission des Börsenvereins des Deut-schen Buchhandels. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 1958– 2001. Bd. 57 Frankfurt a. M.: MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels 2003. Bd. 58f. hrsg. i. A. der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels v. Monika Estermann, Ursula Rautenberg u. Reinhard Wittmann. München: Saur 2004f. Bd. 60f. hrsg. i. A. der Histori-schen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels v. Monika Estermann u. Ursula Rauten-berg. München: Saur 2006f.

GJ Gutenberg-Jahrbuch. Begr. u. hrsg. v. Aloys Ruppel. Mainz:

Gutenberg-Gesellschaft 1926– 1969. 1970–1976 hrsg. i. A. der Gutenberg-Gesellschaft v. Hans Widmann. 1977f. hrsg. v. d. Gutenberg-Gesellschaft. 1979–1993 hrsg. i. A. der Gutenberg-Gesellschaft v. Hans-Joachim Koppitz. 1994 hrsg. i. A. der Gutenberg-Gesellschaft v. Stephan Füssel u. Hans-Joachim Koppitz. 1995f. Hrsg. i. A. der Gutenberg-Gesellschaft v. Stephan Füssel. Wiesbaden: Harrassowitz.

3.2.2 Bibliographien und Nachschlagewerke BMC Catalogue of books printed in the XVth century now in the

British Museum. Bd. 1–10. London: Trustees of the Bri-tish Museum 1908–1971. Bd. 11, 13. MS ’t Goy Hou-ten: Hes & de Graaf 2004, 2007. Bd. 12 London: Bri-tish Library 1985.

BSB-Ink Bayerische Staatsbibliothek. Inkunabelkatalog. 6 Bde. Wies-

baden: Reichert 1988–2005. Online: http://www.bsb-muenchen.de/Inkunabeln. 181.0. html.

C Copinger, Walter Arthur: Supplement to Hain’s Repertorium

bibliographicum or collections towards a new edition of that work. In two parts. The first containing nearly 7000 corrections of and additions to the collations of works described or mentioned by Hain. The second, a list with numerous collations and bibliographical particulars of nearly 6000 volumes printed in the fifteenth century, not referred to by Hain. Tl. 2 in 2 Bdn. London: Sotheran 1898–1902.

Campbell Campbell, Marinus Frederik Andries Gerardus: Annales de

la typographie néerlandaise au XVe siècle. Den Haag: Nijhoff, 1874. Suppléments 1–4, 1878–1890. – Camp-bell’s Annales de la typographie néerlandaise au XVe siècle. Contributions to a new edition by Maria Eliza-beth Kronenberg. Den Haag: Nijhoff 1956. – Kronen-berg, Maria Elizabeth: More contributions and notes to a new Campbell edition. In: Het boek 36 (1964), S. 129–139.

GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Hrsg. v. der Kommissi-

on für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Bd. 1–7. Leipzig: Hiersemann 1925–1940. – 2. Aufl. Bd. 1–7 hrsg. v. der Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Stuttgart: Hiersemann/New York: Kraus 1968. – Bd. 8ff. hrsg. von der Deutschen Staatsbiblio-thek zu Berlin. Bd. 8 Stuttgart: Hiersemann/Berlin: Akademie-Verlag/New York: Kraus 1978. Bd. 9 Stutt-gart: Hiersemann/Berlin: Akademie Verlag 1991. Bd. 10f. Stuttgart: Hiersemann 2000f. [Bisher erschie-nen bis Bd. 10 u. 4 Lieferungen v. Bd. 11]. Online: http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de.

GW, Nachträge Nachträge zu Hain’s Repertorium bibliographicum und sei-

nen Fortsetzungen als Probe des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke. Hrsg. von der Kommission für den Ge-samtkatalog der Wiegendrucke. Leipzig: Haupt 1910.

H Hain, Ludwig: Repertorium bibliographicum in quo libri

omnes ab arte typographica inventa usque ad annum MD. Typis expressis ordine alphabetico vel simpliciter enumerantur vel adcuratius recensentur. 2 Bde. Stutt-gart: Cotta/Paris: Renouard 1826–1838.

HC Copinger, Walter Arthur: Supplement to Hain’s Repertori-

um bibliographicum or collections towards a new edi-tion of that work. In two parts. The first containing nearly 7000 corrections of and additions to the collati-ons of works described or mentioned by Hain. The se-cond, a list with numerous collations and bibliographi-cal particulars of nearly 6000 volumes printed in the fifteenth century, not referred to by Hain. Tl. 1. Lon-don: Sotheran 1895.

ILC Incunabula printed in the Low Countries. A Census. Ed. by

Gerard van Thienen and John Goldfinch. Nieuwkoop: De Graaf 1999. (Biblioteca Bibliographica Neerlandi-ca 36).

IGI Indice generale degli incunaboli delle biblioteche d’Italia.

Bd. 1–3 compilato da T. M. Guarnaschelli e Enrichetta Valenziani. Bd. 4 compilato da Enrichetta Valenziani e Paolo Veneziani. Bd. 5 compilato da Enrichetta Va-

Page 107: Archiv fur Geschichte des Buchwesens: Vol. 62: 2008 (Archiv Fur Geschichte Des Buchwesens)  german

4 Verzeichnis der Forschungsliteratur 101

lenziani, Enrico Cerulli e Paolo Veneziani. Bd. 6 com-pilato da Enrichetta Valenziani e Enrico Cerulli. Roma: Libreria dello Stato 1943–1981. (Indici e cataloghi. Nuo-va serie 1).

ISTC The Illustrated ISTC on CD-ROM. 2nd edition. Reading:

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LGB1

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JOHANNA CHRISTINE GUMMLICH-WAGNER

Das Titelblatt in Köln: Uni- und multivalente Titelholzschnitte aus der rheinischen Metropole des Inkunabeldrucks

Inhalt

1 Einleitung ................................................ 106 2 Statistischer Überblick ............................ 107 2.1 Die Gestaltung des Bucheingangs in Köln108 2.2 Die Entwicklung des Titelblatts im

zeitlichen Verlauf ..................................... 109 2.2.1 Die Drucke ohne Titelblatt ...................... 109 2.2.2 Einführung und Durchsetzung des

Titelblatts ................................................. 111 2.3 Das Titelblatt in der Produktion der

einzelnen Druckerverleger ...................... 116 2.4 Zur Typologie des Titelblatts .................. 120 2.4.1 Informationsgehalt .................................. 121 2.4.2 Layout ...................................................... 123 2.4.3 Titelblatt und Titelbogen ......................... 124 2.4.4 Titelblatt und Folgeseiten ........................ 124 3 Die illustrierte Titelseite in Köln:

Univalente und multivalente Titelholzschnitte ...................................... 124

3.1 Textbezogene Titelillustrationen aus der Offizin der Koelhoffs .............................. 127

3.1.1 Die Aesop-Ausgabe Johann Koelhoffs d. Ä. ......................................... 128

3.1.2 Der Magisterszenen-Holzschnitt der Koelhoffs ................................................. 128

3.1.3 Der Doernenkrantz van Collen: Mnemotechnische Elemente auf der Titelseite .................................................. 130

3.2 Zielgruppenorientierte Titelillustration aus der Offizin des Heinrich Quentell: Magisterszenen auf Drucken für die Schullektüre ............................................. 136

3.2.1 Der Accipies-Holzschnitt (1490–1495) .. 136 3.2.2 Die erste multivalente Magisterszene

(1494–1500) ............................................ 139 3.2.3 Der Thomas von Aquin-Holzschnitt

(1496 und 1497) ...................................... 139 3.2.4 Die zweite multivalente Magisterszene

(1499–1500) ............................................ 142 3.2.5 Die dritte multivalente Magisterszene

(1500–1508) ............................................ 144 4 Schluss: Kölner Strategien der Titel-

illustration in der Inkunabelzeit .............. 144

Anhang ................................................................. 147 1 Abbildungsverzeichnis ............................ 147 2 Literaturverzeichnis .................................. 147 Register ................................................................. 150 1 Einleitung

In der Inkunabelzeit war Köln die führende Drucker-stadt im deutschsprachigen Raum. Der Kölner Erst-drucker Ulrich Zell nahm dort 1464/65 (bis 1500) als vierter Drucker überhaupt nach den Mainzer (um 1452–1454), Straßburger (nicht nach 1460) und Bam-berger Erstdruckern (nicht nach 1461) seine Tätigkeit auf.1 Nach einer Anlaufphase in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre stieg die Kölner Inkunabelpro-duktion auf ein kontinuierlich hohes Niveau mit nur leichten Rückgängen zu Beginn der 1480er und 1490er Jahre. Im internationalen Vergleich stand Köln hinsichtlich der Gesamtproduktion an fünfter Stelle nach Venedig, Paris, Rom und Lyon.2

Der stark wissenschaftlich-theologische Inhalt der Inkunabeldrucke weist Köln als deutlich scholastisch geprägt aus. Nahezu alle Drucke waren lateinisch-sprachig, weitaus mehr als die Hälfte befasste sich mit theologischen Fragen und von diesen waren wie-derum mehr als die Hälfte Traktate albertinischer oder thomistischer Richtung. Hieraus sind die engen Zusammenhänge zwischen der thomistisch orientier-ten Kölner Universität und der Entwicklung des Köl-ner Buchdrucks unschwer ablesbar. Die Kölner Uni-versitätsprofessoren nutzten die Technik des Buch-drucks allerdings erst relativ spät zur Verbreitung ihrer eigenen Schriften:

Seit den achtziger Jahren ließen auch Professoren der Kölner Universität ihre Vorlesungen und son- stigen Hervorbringungen bei Koelhoff und Quen-tel drucken. In den einschlägigen Bibliographien stoßen wir vor allem auf die Namen von Gerhard van Harderwijk, Lambertus de Monte und Johan-nes Versor. Aber das waren doch nur erste Anfän-

——————— 1 Vgl. Schmitz: Überlieferung, S. 311–315. 2 Vgl. Schmitz, S. 9.

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2 Statistischer Überblick 107

ge. Man hat errechnet, dass von den 240 Professo-ren, die während der Jahre 1465 bis 1500 in Köln bei den ›Artisten‹ und Theologen gelehrt haben, nur zwölf als Autoren oder Herausgeber bei kölni-schen Verlagen hervorgetreten sind. Von den 80 Juristen haben drei je eine Schrift, ein vierter zwei Schriften zum Druck gebracht. Die 31 Professoren der Medizin blieben noch sämtlich ungedruckt.3

Dennoch erlaubte der Kölner Buchmarkt dem Kölner Druckerverleger Heinrich Quentell (1478–1501) eine Spezialisierung zunächst auf Handbücher für die pastorale Praxis und schließlich auf Lehr- und Hand-bücher für Schul- und Universitätszwecke. Forschungsstand Wie aber wurde die Bedeutung dieser Metropole des Buchdrucks für die Entstehung und Entwicklung des Titelblatts bisher bewertet und welches Bild kann anhand flächendeckender statistischer Untersuchun-gen ermittelt werden? Die frühere Forschung hat sich zu den Kölner Inkunabel-Titelblättern eher zurück-haltend geäußert. Noch im Ausstellungskatalog 500 Jahre Buchtradition in Köln. Von der Koelhoff’schen Chronik bis zu den Neuen Medien von 1999 formu-lierte Wolfgang Schmitz vorsichtig, dass sich in Köln »ein Titelblatt in heutigem Sinne« mit dem begin-nenden 16. Jahrhundert entwickelt habe.4 Die gleiche Meinung hatte auch schon Severin Corsten vertre-ten.5 Zwar wurde in Überblickswerken zum Inkuna-beldruck allgemein der Sonderfall der ausgesprochen frühen Titelblätter des Arnold ter Hoernen (1470–1494) regelmäßig erwähnt,6 die Gesamtsituation der Kölner Titelblattentwicklung im 15. Jahrhundert war jedoch noch nicht Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung und wurde, wie die Bedeutung der Titelblätter im deutschsprachigen Raum überhaupt, bis zur Untersuchung Margaret M. Smiths unter-schätzt.7 Einem weiteren Sonderfall unter den Kölner Titelblättern, den illustrierten Titelblättern Johann Koelhoffs d. J. (1492–1502) von 1498/99 und ihrer unmittelbaren Weiterverwendung im 16. Jahrhundert widmete sich Ursula Rautenberg in einem Kapitel ihrer Habilitationsschrift Überlieferung und Druck. Heiligenlegenden aus frühen Kölner Offizinen (Tübin-gen 1990). Eine für die Kölner Inkunabel-Titelblätter sehr bedeutsame Gruppe illustrierter Titelblätter stell-ten Wilhelm Ludwig Schreiber und Paul Heitz in ih-rem bereits 1908 erschienenen Buch Die deutschen ——————— 3 Corsten: Blütezeit, S. 140. 4 Schmitz: Buchtradition, S. 19. 5 So u. a. Corsten: Blütezeit, S. 130–149, insbes. S. 143. 6 Vgl. Smith: The title-page, S. 41f. sowie die Ausführungen in: Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitel-blatts, in diesem Band, Kap. 2.2. 7 Vgl. Hirsch: The earliest development, S. XVII/8.

»Accipies« und Magister cum discipulis Holzschnitte zusammen.8 Die Titelgraphiken des Kölner Malers und Holzschneiders Anton Woensam von Worms (vor 1500 bis um 1541), dessen vor allem im Auftrag der Kölner Druckerverleger entstandene zahlreiche gra-phische Arbeiten die Kölner Buchillustration ab etwa 1517/18 ein halbes Jahrhundert lang maßgeblich be-stimmten, wurden im Rahmen der kunsthistorischen Forschungen zu diesem Künstler berücksichtigt, je-doch noch nicht auf ihre titelblatt-spezifischen Eigen-schaften befragt.9 In der Dissertation Kölner Druck-graphik der Gegenreformation von Bernadette Schöl-ler (Köln 1992) wiederum spielen das Titelblatt und seine Illustration kaum eine Rolle. Allerdings bieten sich ihre Überlegungen zu Gestaltungs- und Funkti-onsweisen gegenreformatorischer Druckgraphik zum Vergleich mit den vorreformatorischen illustrierten Titelblättern an. Mit der Kölner Titelgraphik der Jahre 1570 –1700 befasste sich sodann Annette Frese in ihrer Dissertation Barocke Titelgraphik am Beispiel der Verlagsstadt Köln (1570–1700). Funktion, Sujet, Ty-pologie (Köln/Wien 1989).

Für die vorliegende Fallstudie zur Entstehung und Entwicklung des Titelblatts der Inkunabelzeit in Köln konnte demnach auf erste Ansätze und Vorarbeiten zurückgegriffen werden. Von dieser Ausgangsbasis aus ließ sich die statistische Aufarbeitung der gesam-ten Kölner Inkunabeln konzipieren und unter besonde-rer Berücksichtigung der sich rasch abzeichnenden charakteristischen Eigenheit der Kölner Inkunabelti-telblätter, der illustrierten Titelblätter für Schul- und Universitätsdrucke, aufarbeiten. Nach der Behandlung der Fragen, die im Rahmen des Erlanger Forschungs-projektes an alle Druckerstädte in gleicher Weise her- anzutragen waren, wie nach dem Anteil der Titelblatt-Drucke insgesamt, ihrer zeitlichen Ansetzung, ihren Vorläufern oder Alternativen, der Bedeutung der Spra-che für das Titelblatt, den Normierungstendenzen, der Beteiligung bestimmter Druckerverleger etc. folgt die Untersuchung der in Köln prominent vertretenen il-lustrierten Titelblätter hinsichtlich ihrer uni- oder multi-valenten Funktionsweise. 2 Statistischer Überblick

Aus Kölner Offizinen gingen etwa 1.400 gedruckte Inkunabelbände hervor. Der mit 4 % verhältnismäßig geringe Anteil an Einblattdrucken – der Incunabula Short-Title Catalogue (ISTC) verzeichnet nur 57 Ein-blattdrucke – ist nicht in dieser Zahl enthalten und wird in sämtlichen nachfolgenden Diagrammen nicht mehr berücksichtigt. Ernst Voulliéme führte 1903 insgesamt ——————— 8 Schreiber/Heitz: Accipies. 9 Vgl. Kisky: Woensam, S. 165–168 mit Hinweisen auf weite-re Publikationen.

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108 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

1.273 bibliographische Einheiten auf,10 der ISTC in seiner zweiten Auflage (1998) insgesamt 1.448 mit bzw. 1.395 Drucke ohne die Einblattdrucke.11

Der Fallstudie zu den Kölner Inkunabel-Titel-blättern liegt ein so weit wie möglich vollständiges Inkunabelcorpus in digitaler Form zugrunde, das im weiteren Verlauf als statistische Grundgesamtheit angenommen wird. Zum Aufbau der bibliographi-schen Basis des Corpus wurden der ISTC, die publi-zierten Bände und die unpublizierten Karteikarten des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke (GW) sowie Ernst Voulliémes Inkunabelbibliographie Der Buch-druck Kölns bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhun-derts (1903) herangezogen. Zusätzlich wurde gele-gentlich auf die Niederdeutsche Bibliographie von Conrad Borchling und Bruno Claussen12 sowie auf den entsprechenden Inkunabelband des British Mu-seum Catalogue13 zurückgegriffen. Alle weiteren In-formationen beruhen auf autoptischen Beobachtun-gen an Inkunabeln der Universitätsbibliotheken in Er-langen, München, Köln und Bonn, der Staatsbiblio-theken in München und Bamberg sowie den in der zweiten Auflage des ISTC vorgehaltenen Abbildun-gen. Für die statistische Auswertung wurden bei mehrbändigen Werken die Bände einzeln gezählt, da hinsichtlich der Titelblätter Mischformen auftreten: Einige Werke weisen nicht durchgehend bei allen Bänden jeweils ein Titelblatt oder gemischt typogra-phische und rein typographische Titelblätter mit Holzschnitt-Illustration auf. Auf diesem Weg kam der bereits genannte Datenbestand von etwa 1.400 Inkunabelbänden zustande.

Zusätzlich zu den bibliographischen Erfassungskri-terien wie Autor, Titel, Erscheinungsort und -jahr14 sowie Drucker, bibliographischer und Exemplarnach-weis wurden Sprache, Umfang, Format, das Erschei-nungsbild des ersten Blatts der ersten Lage, die Iko-nographie illustrierter Titelseiten sowie die Titelblatt-

——————— 10 Zu den in dieser Studie zugrunde gelegten elektronischen Katalogen vgl. Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 1.2; Voulliéme: Buchdruck. 11 Die Angaben variieren vor allem aufgrund unterschiedlicher Lokalisierungen und Datierungen unfirmierter Drucke. Die Angaben des ISTC umfassen auch sämtliche Drucke mit Mehrfachzuschrei-bungen. Außerdem sind die Angaben des ISTC von den Angaben bzw. den Beständen der beitragenden Bibliotheken abhängig. 12 Borchling/Claussen: Niederdeutsche Bibliographie. 13 BMC, Bd. I. 14 Die Datierungen folgen weitgehend dem ISTC. Bei relati-ven Datierungen in einen Zeitraum wurde ein Mittelwert gewählt. Da relative Datierungen in der Forschung häufig auf Jahrzehnt-wechsel gelegt werden, weisen die Statistiken für die Jahre 1470, 1480, 1490 und 1500 auffällig höhere Werte auf, bei deren Bewer-tung die positivistischen Eigenschaften einer Datentabelle gedank-lich miteinbezogen bzw. gedanklich korrigiert werden müssen. Eine der statistischen Vorgehensweise angepasste Einzelbewer-tung der Inkunabeln ist nicht möglich. Aufgrund hieraus resultie-render Datierungsunschärfen konnte die Auswertung nicht feintei-liger als in Jahrfünften vorgenommen werden.

Typologie15 – Informationsgehalt, Layout, Titelblatt und Titelbogen, Titelblatt und Folgeseite – annähernd vollständig erfasst und einer statistischen Auswer-tung zugänglich gemacht. Dieser Informationspool bildet mit nur 3 % ungeklärten und 1 % wegen Ver-lust des Buchanfangs bei den bibliographisch nach-weisbaren erhaltenen Exemplaren nicht mehr klärba-ren Fällen eine sichere Grundlage zur Beantwortung der für die Entstehung und Entwicklung der Inkuna-beltitelblätter relevanten Fragestellungen. 2.1 Die Gestaltung des Bucheingangs in Köln Die Kölner Inkunabeldrucker kannten verschiedene Formen des Buchanfangs. Die eigentliche Entwicklung setzte in Köln nach den prädispositiven Titelblättern in den Jahren 1470, 1473 und 1482 Mitte der 1480er Jahre ein. Die statistische Auswertung der Daten zu den Kölner Inkunabeln erlaubt eine Unterteilung der Buch-anfänge der Kölner Inkunabeln in drei Hauptgruppen: – Drucke mit unterschiedlich geartetem Text auf

der ersten Recto-Seite des Buchblocks mit einem Anteil von 26 % ,

– Drucke mit einem Leerblatt (20 %) oder einer Leerseite (3 %) am Buchbeginn mit einem Anteil von 23 % und schließlich

– die mit 47 % stärkste Gruppe der Titelseiten-Drucke, die in rein typographische (29 %) und typographische Titelseiten mit graphischen Ele-menten (18 %) unterteilt werden kann.

Das einzige xylographische Titelblatt und der als xylographisches Titelblatt eingesetzte Texteinleitungs-holzschnitt zum Aesop-Druck von Johann Koelhoff d. J. stellen statistisch unerhebliche Größen dar (0,1 %).

Für die drei Hauptgruppen konnten drei chronolo-gisch aufeinander folgende Entwicklungsphasen be-stimmt werden. Die erste begann 1465 und reicht bis 1474. Ein knappes Jahrzehnt lang (1475–1483) domi-nierte die zweite Gruppe. Ab 1484 überwog die dritte. Die graphische Umsetzung der Daten in Abbildung 1 veranschaulicht die Ergebnisse der Gesamtverteilung in prozentualen Anteilen für den gesamten Zeitraum der Inkunabelzeit. Die Einblattdrucke spielen in dieser Graphik keine Rolle.

Von Titelblättern ist im Folgenden nur noch dann die Rede, wenn ausgedrückt werden soll, dass auf die Titelseite eine Leerseite als klare Trennung vor der ersten Textseite folgt.16 Ab 1484 beschäftigten sich die Kölner Druckerverleger systematisch mit der Titelseite bzw. dem Titelblatt als paratextuellem Bestandteil des

——————— 15 Vgl. Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, S. 20. 16 Smith: The title-page, stellt Überlegungen zu Leerblatt und Leerseite am Buchbeginn an. Ihren Überlegungen zu folgen und entsprechend Titelblatt und Titelseite zu unterscheiden, erweist sich für die Kölner Inkunabeln als sehr aufschlussreich.

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2 Statistischer Überblick 109

Buchs. Anders als in Straßburg mit bereits knapp 40 % Titelblatt-Drucken zwischen 1480 und 1490, dem er- sten Jahrzehnt der Einführung von Titelblättern über-haupt, wurden in Köln bis 1490 nur ein Viertel der gedruckten Bücher mit einer Titelseite versehen. In der zweiten Hälfte der 1480er Jahre setzten sich Titelseite und Titelblatt jedoch auch in Köln rasch durch. Von besonderem Interesse für die Kölner Inkunabel-Titel-seite sind die Grundformen der illustrierten Titelseite in den 1490er Jahren. Die Wechselbeziehung zwi-schen Text und Bild führt in verschiedenen Offizinen zu unterschiedlichen Lösungen, die im Rahmen der Fallstudie näher vorgestellt werden.

Die Sprachauswahl hatte – anders als in anderen Druckorten wie z. B. Nürnberg – bei den Kölner Inkunabeln keine Auswirkungen auf die Entstehung und Entwicklung der Titelseite. Die Kölner Drucker verlegten fast ausschließlich lateinische Texte (93 %). Die ermittelte Zahl von 7 % deutschen Drucken liegt etwas höher als bisher angenommen, obwohl zur ge-nauen Erfassung mehrbändiger, ausschließlich latei-nischer, Werke mit und ohne Titelseite die Bände einzeln gezählt wurden.17 Allgemein wird mit höhe-ren Verlusten bei der volkssprachlichen als bei der lateinischen Literatur gerechnet, so dass diese Zahl noch etwas nach oben hin zu korrigieren wäre.18

Der chronologische Verlauf der Anteile lateinischer und deutscher Drucke weicht während der gesamten Inkunabelzeit nur um wenige Prozent von den Durch-schnittswerten ab. Die Anteile lateinischer und deut-scher Drucke mit Titelseite entsprechen dem Verhält-nis lateinischer und deutscher Drucke insgesamt. Auf die Kölner Inkunabeln trifft nicht zu, dass die Titelsei-te tendenziell häufiger oder früher bei volkssprachli-chen Texten verwendet wurde. Die Sprachauswahl steht vielmehr in Zusammenhang damit, dass die Köl-ner Druckerverleger ihr Produktionsprofil den Bedürf-nissen ihrer wichtigsten Zielgruppen und Abnehmer anpassten.

Drei Viertel der Drucke aus dem Zeitraum vor der Einführung der Titelseite Mitte der 1480er Jahre dien-ten im weiteren Sinne kirchlichen oder religiösen Zwecken. Seitdem sich jedoch die Titelseite durchsetz-te, trat den Titelseiten-Drucken dieser Literatursparte ein hoher Anteil von Werken für den Schul- und den universitären Lehrbetrieb zur Seite. Die Kölner Dru-ckerverleger – in erster Linie Heinrich Quentell – versahen ihre Werke offensichtlich mit Rücksichtnah-me auf die beiden Hauptzielgruppen mit zwei ver-schiedenen Formen von Titelseiten. Rein typographi-sche Titelseiten wurden vorwiegend theologischen Werken vorangestellt. Mit Holzschnitten wurden hin-gegen hauptsächlich Titelseiten von Schul- und Lehr-werken illustriert. ——————— 17 Zuletzt Schmitz: Überlieferung, S. 10, unter Berufung auf Voulliéme: Buchdruck, S. LXXX. 18 So auch Schmitz, S. 10.

2.2 Die Entwicklung des Titelblatts im zeitlichen Verlauf

2.2.1 Die Drucke ohne Titelblatt Im ersten Jahrzehnt typographischer Buchproduktion (1465–1474) bestimmen Bücher, deren erstes Blatt mit unterschiedlich geartetem Text bedruckt ist, den Markt (Abb. 2). In der Gesamtverteilung der Buchan-fänge in Köln bis 1500 nehmen sie jedoch nur 27 % ein. Die wichtigsten Produzenten von Drucken mit Textbeginn auf Blatt 1r sind insbesondere Kölns Erstdrucker Ulrich Zell und der Drucker der ersten Kölner Titelseite, Arnold ter Hoernen. Aber auch Johann Koelhoff d. Ä. (1472–1493), Johann Gulden-schaff (1476–1494) und Nikolaus Götz (spätestens 1474–1478) nutzen diese Bucheröffnung im Ver-gleich zu anderen Kölner Druckerverlegern noch relativ häufig.

Bei etwas mehr als der Hälfte der Werke ohne Ti-telseite mit bedruckter erster Seite wird der eigentli-che Text durch eine Incipit-Formulierung eingeleitet. Die andere Hälfte teilt sich zu annähernd gleichen Teilen auf in Drucke mit einem Kopftitel vor dem Textbeginn, mit einer Tabula auf der ersten Seite oder mit einem reinen Textbeginn. Während Incipit-Formulierung, Kopftitel und Tabula am Buchanfang schwerpunktmäßig in den siebziger Jahren auftreten, tauchen bis zum Ende der 1490er Jahre immer wie-der vereinzelte Drucke mit allein stehendem Textbe-ginn (bzw. eines Kalendariums oder anderer Tabellen mit komputistischen Angaben) auf der ersten Seite als Randphänomen auf. Dieses Phänomen konnte zwar nicht als Eigenart einzelner Drucker bestimmt werden, scheint jedoch zumindest im letzten Jahr-zehnt ähnlich wie z. B. in Augsburg19 textsortenspe-zifisch begründet zu sein. Lehr- und Handbücher für Schul- und Universitätszwecke wurden in diesem Zeitraum bis auf eine möglicherweise schlichtweg früher zu datierende Ausnahme20 grundsätzlich mit einer Titelseite versehen. Die knapp 20 Drucke ohne Titelseite aus dem Jahrzehnt von 1491 bis 1500 gehö-ren mehrheitlich zu den liturgischen Büchern. Der im weiteren Verlauf der Arbeit behandelte Druckerverle-ger Heinrich Quentell verzichtete in den 1490er Jahren nur noch in Ausnahmefällen auf die zu diesem Zeit-punkt längst etablierte Titelseite. Bezeichnenderweise handelt es sich dabei um zwei liturgische Bücher.21 Aus der Offizin der Koelhoffs gingen im gleichen Zeitraum keine Drucke ohne Titelseite mehr hervor.

——————— 19 Vgl. Fallstudie Augsburg im folgenden Band. 20 Vocabularius: Curia palatium. [Köln: Ulrich Zell um 1495 oder nach 1477] (ISTC iv00327400). 21 Missale Coloniense. Köln: Heinrich Quentell, 7. April 1494 (ISTC im00653800, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 803); Missa-le Treverense. Köln: Heinrich Quentell, 1. Juni 1498 (ISTC im00729560, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 810).

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110 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Abb. 1: Gesamtverteilung der Buchanfänge in Köln bis 1500

Abb. 2: Buchanfänge in Köln bis 1500 in chronologischem Verlauf nach Anzahl der Drucke

0

50

100

150

200

250

<1471 1471–1475 1476–1480 1481–1485 1486–1490 1491–1495 1496–1500

Bucheingang mit 1r bedruckt Bucheingang mit Leerblatt/-blättern Bucheingang mit Leerseite/-seitenDrucke mit Titelblatt ungeklärt/Verlust

1r bedruckt mit:Buchbeginn 27 %

Titelblatt ohne graphische Zierelemente: 28 %

Titelblatt mit graphischen Zierelementen: 18 %

xylographisch: 0 %

Buchbeginn mit Leerblatt/-blättern: 20 %

Buchbeginn mit Leerseite/-seiten: 3 %

ungeklärt/Verlust:4 %

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2 Statistischer Überblick 111

Von etwa 1475 bis 1483 stellen Drucke mit einem Leerblatt am Beginn der ersten Lage den größten An-teil. Diese Form des Buchanfangs ist in Köln schon kurz nach dem Einsetzen des Buchdrucks nachweisbar (1467). Sie überwog seit Mitte der 1470er Jahre die bedruckte erste Buchseite und fand das letzte Mal im Jahr 1490 Verwendung. Der Anteil der Drucke mit einem Leerblatt am Beginn der ersten Lage ist mit 20 % wesentlich höher als die Eröffnung des Buchs mit einer Leerseite am Buchbeginn, deren Verso-Seite bereits bedruckt ist (3 %). Die Bucheröffnung mit einem Leerblatt wählte in Köln am häufigsten Johann Koelhoff d. Ä. (60 Drucke). Ulrich Zell setzte sie 1467 vermutlich als erster ein (insgesamt 38 Drucke mit Leerblatt während seiner gesamten Tätigkeit). Auch Arnold ter Hoernen (34), Conrad Winters de Hom-borch (1475–1482) (39) und Bartholomäus von Unkel (1475–1484) (24) organisierten immer wieder ihre Drucke mit einem Leerblatt am Buchbeginn.

Dieser Befund widerlegt die Meinung, dass der Brauch, ein Leerblatt am Anfang des Druckes unbe-druckt zu lassen, Mitte der 1480er Jahre in Straßburg aufgekommen sei.22 Leerblatt und Leerseite am Buchbeginn spielten dort auch nicht im gleichen Maß eine intermediäre Rolle zwischen den frühen Inkuna-beldrucken mit Textbeginn auf Blatt 1r und den Ti-telblatt-Drucken ab Mitte der 1480er Jahre.

Das Phänomen der Leerseite am Buchbeginn ist unter den Kölner Inkunabeln die Ausnahme. Es ist hauptsächlich bei Drucken von Ulrich Zell und Con-rad Winters de Homborch, aber neben Einzelfällen bei diversen anderen Druckerverlegern auch noch bei Johann Koelhoff d. Ä. und Arnold ter Hoernen zu beobachten. Möglicherweise ist es dennoch eine Vorform der in Köln relativ häufig vorkommenden Titelseiten mit bedruckter Verso-Seite.

Auf ein Leerblatt am Buchbeginn folgt in gut drei Vierteln aller Fälle auf Blatt 2r ein unterschiedlich gearteter Textbeginn, bei den restlichen ist zwischen Leerblatt und Text eine Tabula eingeschoben. Wurde lediglich eine Leerseite an den Anfang des Buchs gestellt, so folgt bei gut der Hälfte dieser Drucke eine Tabula und in nur gut einem Drittel der Fälle unmittel-bar der Textbeginn auf Blatt 1v. Eine seltene Ausnah-meerscheinung unter den Kölner Inkunabeln stellen die vier Drucke aus den frühen 1480er Jahren mit einer Leerseite am Buchbeginn und einem Holzschnitt auf Blatt 1v sowie dem Textbeginn auf Blatt 2r dar.23 Dies ——————— 22 Vgl. Corsten: Die Erfindung, S. 192. 23 Johannes Herolt: Sermones super epistolas dominicales. [Köln: Heinrich Quentell, um 1480] (ISTC ih00127000, Voulliéme: Buch-druck, Nr. 562); Thomas von Aquin: Super secundo libro Sententia-rum. Köln: Heinrich Quentell, 8. September 1481 (ISTC it00163000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1150, Schramm, Bd. 8, S. 20); Petrus de Harentals: Collectarius super librum Psalmorum. [Köln]: Johann Gul-denschaff, 1. März 1483 (ISTC ip00472000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 919, Schramm, Bd. 8, S. 19); Seelentrost, ndt. Köln: Ludwig von Renchen, 1484 (ISTC is00359200, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1065).

entspricht der Vernachlässigung der Möglichkeit, bei Drucken mit Titelseite auf Blatt 1v einen Holzschnitt zu platzieren (3 % der Titelseiten-Drucke). Unver-kennbar ist, dass bei den Kölner Inkunabeln der mit einem Leerblatt oder seltener – mit einer Leerseite – beginnende Buchblock als vermittelnde Entwicklungs-stufe und Standardlösung des Buchaufbaus zwischen die Drucke ohne und mit Titelseite bzw. Titelblatt einzuordnen ist. 2.2.2 Einführung und Durchsetzung des Titelblatts Die letzte und größte Gruppe bilden mit einem Anteil von 47 % aller Kölner Inkunabeln die Drucke mit Titelseite. Eine erstaunliche Diskrepanz besteht zwi-schen der ersten und der regelmäßigen Verwendung von Titelseiten durch die Kölner Druckerverleger. Nach den Türkenbullen von 1463 (Mainz: Johann Fust und Peter Schöffer) weisen die beiden Ausgaben von Werner Rolevincks Sermo in festo praesentatio-nis beatissimae Mariae virginis von 1470 aus der Offizin des Kölner Druckerverlegers Arnold ter Hoernen die dritte bzw. vierte bekannte Titelseite der Inkunabelzeit überhaupt auf (vgl. Abb. 3 u. 4). Ar-nold ter Hoernen druckte seine schmucklosen Titel-seiten in der Texttype. Mit einem neunzeiligen Titel in Blocksatz informierte er ausführlich über den Werktitel, die Zielgruppe, die Herstellung im Druck-verfahren und das Druckdatum:

Sermo ad populum predicabilis. In festo presenta-tionis. Beatissime marie semper virginis nouiter cum magna diligentia. ad communem vsum mul-torum sacerdotum presertim curatorum collectus. Et idcirco per impressionem multiplicatus. Sub hoc currente Anno domini M°.cccc°.lxx°. Cuius-quidem colleccionis atque eciam multiplicacionis eius non paruipendenda racio si placet. videri po-teret. In huius folij latere sequenti24

Das schlichte Erscheinungsbild des Titels gleicht einem Textabschnitt. Titel- und Textsatz unterschei-den sich nicht. Besonders bemerkenswert ist aller-dings Arnold ter Hoernens Nennung auf der Verso-Seite des Titelblatts, die bereits eine eindeutige Wer-befunktion aufweist und einen Kolophon am Ende des Bandes überflüssig machte. Der an dieser Stelle noch so ungewöhnliche Wortlaut dieses Druckerlobs ließ Rudolf Hirsch vermuten, dass der Autor des Buchs, der Kölner Kartäuser Werner Rolevinck (1425–1502), und noch nicht, wie in typischen späte-ren Fällen des Selbstlobs und der Selbstanzeige, der Druckerverleger Arnold ter Hoernen selbst, ihr ei-gentlicher Urheber gewesen sein könnte.25 ——————— 24 S. unten Liste 1, zitiert nach: Köln, UStB: ADbl3, Bl. 1r. 25 Vgl. Hirsch: The earliest development, S. XVII/3.

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112 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Abb. 3: Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470, Bl. 1r

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2 Statistischer Überblick 113

Abb. 4: Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470, Bl. 1v

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114 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

[...] Et quia nulla alia via cicius & facilius potuit plurimis personis communicari. procuraui solicite. eundem per artem impressoriam librorum ad. magnam numerositatem multiplicari in ciuitate coloniensi. per discretum virum Arnoldum terhoer-nen qui habitat infra sedenci domus prope conuen-tum fratrem predicatorum.26

Noch vor der nächsten häufig in der Forschungslite-ratur angeführten Titelseite auf dem Calendarium des Johannes Regiomontanus, 1476 gedruckt von dem in Venedig tätigen Augsburger Druckerverleger Erhard Ratdolt, erschien in Köln eine Ausgabe der Flores ex libris de civitate dei Augustini des Franciscus de Mayronis mit Titelseite, gedruckt um 1473 von dem Drucker der Flores S. Augustini (Johann Schilling; tätig um 1473). Diese folgt im Layout mit zehnzeili-gem Blocksatz in Texttype offensichtlich denen Ar-nold ter Hoernens und bietet neben dem Werktitel, dem Namen des Autors sowie lobender Worte zu Autor und Werk auch einen knappen Hinweis auf den Herstellungsprozess auf Blatt 1r:

Quidquid nota dignum ex omnibus beati augustini de ciuitate dei elegantissimis libris colligi potest id omne diuini iuris interprete probatissimo francisco de mayronis autore per veritates suis cum declara-tionibus ingeniosissime extractum hoc emendatis-simo volumine impressum scire ne pigeat. In cuius etiam fine de animarum commemoracione ac mis-sa pro defunctis celebranda cum ea res maximo commodo mortalibus carnisque universe viam in-gressis esse soleat tractatulum spetialem pluribus sanctorum summaque scientia preditorum corrobo-ratum autoritatibus non incongrue quod et fecimus apponi posse visum est.27

Blatt 1v trennt als Leerseite die Titelseite von dem Text, der auf Blatt 2r mit einer Incipit-Formulierung beginnt: »Incipiunt flores beati augustini extracti per veritates ex libris de ciuitate dei per magistrum franciscum de mayronis de ordine fratrum minorum [...]«. Die Staats-bibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin besitzt ein vollständiges Exemplar dieses Druckes, dessen Titelsei-te Paul Needham 1986 in einem Einzelblatt der Bayeri-schen Staatsbibliothek München erkannte (Abb. 5).28

——————— 26 S. unten Liste 1, zitiert nach: Köln, UStB: ADbl3, Bl. 1v, Zeile 18–23. – Es folgen weitere lobende Ausführungen über die qualitätsvolle Arbeit Arnold ter Hoernens. 27 S. unten zitiert nach: Berlin, SBB-PK: 4° Inc 829,3, Bl. 1r. 28 Berlin, SBB-PK: 4° Inc 829,3; München BSB: 2° Inc.s.a. 126 + Bl. 1 unter Einbl. VIII,2m (BSB-Ink F-242); ISTC im00087000, unpublizierter GW 22439, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 184. Vgl. Needham: Caxton, S. 121–123. – Ich danke Frau Cathrin Fehrmann, GW Staatsbibliothek PK Berlin, für die freundliche Unterstützung bei der Identifizierung des Berliner Exemplars.

Abb. 5: Typographische Titelseite: Franciscus de Mayronis: Flores Sancti Augustini ex libris De civi-tate dei extracti. De commemoratione defunctorum. [Köln: Drucker der Flores Sancti Augustini (Johann Schilling), um 1473

Diese frühen Titelseiten bleiben sowohl für Köln als für auch andere Druckerstädte Ausnahmeerscheinun-gen. Ihr Status ist als prädispositiv zu bezeichnen.29 Auch im Rahmen der vorliegenden Fallstudie kann noch keine Erklärung für die Zeitdifferenz zwischen diesen frühen und hinsichtlich des Informationsge-halts recht hoch entwickelten Titelseiten und der späteren Entwicklung beziehungsweise für das Auf-treten von Titelseiten überhaupt oder speziell in Köln geboten werden.30

Liste 1: Die ersten Kölner Titelblätter

Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoer-nen, 1470.31

Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. [Köln: Arnold ter Hoer-nen], 1470.32

Franciscus de Mayronis: Flores Sancti Augustini ex libris De civitate dei extracti. De commemora-

——————— 29 Vgl. zu den frühesten Titelblättern Rautenberg: Die Entste-hung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 2.2. 30 Zuletzt: Smith: The title-page. 31 ISTC ir00303000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1048. 32 ISTC ir00304000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1049.

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2 Statistischer Überblick 115

tione defunctorum. [Köln: Drucker der Flores Sancti Augustini (Johann Schilling), um 1473].33

Henricus de Piro: Super Institutiones. [Köln: Con-rad Winters de Homborch, um 1482].34

Vereinzelt bleibt auch ein um 1482 datiertes Kölner Titelblatt des Druckerverlegers Conrad Winters de Homborch. Erst im Jahr 1484 fangen Kölner Drucker-verleger an, sich mit den Möglichkeiten der Titelseite als paratextuellem Element systematischer zu be-schäftigen. In diesem Jahr erscheinen zunächst sieben Titelseiten-Drucke bei den fünf Druckerverlegern Johann Koelhoff d. Ä., Ulrich Zell, Johann Gulden-schaff, Heinrich Quentell und Ludwig von Renchen (1479–1500). Aber bereits ein Jahr später überwiegen die Titelseiten-Drucke alle anderen Formen der Buch-eröffnung. Die konjunkturellen Schwankungen in der Inkunabelproduktion sind für die Verteilung in Dru-cke mit Titelseiten und titelseitenlose Drucke ohne greifbare Auswirkung. Erstaunlicherweise hat auch die Verteilung auf wesentlich mehr Drucke mit Leer-blatt als mit Leerseite am Buchbeginn keine stati- stisch messbaren Konsequenzen für die auf die Titel-seite folgenden Seiten. Etwas mehr als die Hälfte der Kölner Inkunabeln mit einem gedruckten Titel wei-sen ein selbständiges, allein dem Titel vorbehaltenes Blatt auf. Aber bei immerhin 40 % der Drucke mit einem Titel auf der Recto-Seite des ersten Blatts ist die Rückseite bedruckt (Abb. 6).

Bis etwa 1490 herrschten in Köln mit zwei Drit-teln die rein typographische Titelseiten vor (403 = 62 %); nur gut ein Drittel der Kölner Titelseiten (38 %) weisen graphische Elemente – Holzschnitte, Zierleisten oder Druckermarken – auf. Anfang der 1490er Jahre veränderte sich das Verhältnis zwischen rein typographischen und illustrierten Titelseiten kurzfristig zugunsten illustrierter Titelseiten-Drucke und pendelte sich im letzten Jahrfünft auf etwa glei-che Anteile ein. Bei den weitaus meisten Titelseiten mit graphischen Elementen handelt es sich um Illu- strationen im engeren Sinne (231 von insgesamt 247 Titelseiten mit graphischen Elementen bzw. von 651 Kölner Titelseiten). Sie weisen jeweils einen Holz-schnitt auf, der in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Text steht.

Nur auf elf Titelseiten finden sich Druckermarken. Die bisher bekannten vier Titelseiten mit Zierleisten, die um einen typographischen Titel herumgeführt wurden, alle um 1499 oder 1500 entstanden, stellen für die Inkunabelzeit eine statistisch unerhebliche Größe dar. Ihr Erscheinungsbild verweist auf die Ent-wicklung des 16. Jahrhunderts, die auch in Köln zu den häufig programmatisch angelegten, komplexen ——————— 33 ISTC im00087000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 184. 34 ISTC ip00651000, GW 12256, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 553.

Titelkupfern führte, hin zu typographisch und gra-phisch anspruchsvoller gestalteten Titelseiten mit nicht mehr nur informativem und oder zusätzlich werbendem, sondern schmückendem Charakter.35 In den gleichen Kontext gehören auch die Titelseiten mit typographischem Titel, Holzschnitt und Zierlei- sten, die bis auf zwei Drucke von Johann Koelhoff d. Ä. ebenfalls um 1499/1500 datiert werden. Die nach-folgenden Listen der Kölner Titelseiten mit Zierlei- sten sowie mit einem kombinierten Buchschmuck aus Holzschnitt-Illustration und Zierleisten erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Liste 2: Titelseiten mit Zierleisten (1499/1500)

Leonardus Brunus Aretinus: De duobus amantibus Guiscardo et Sigismunda. Daran: Aeneas Sylvius Piccolomini Epistola amatoria ad Lucretiam. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1499–1500].36 Leonardus Brunus Aretinus: De duobus amantibus Guiscardo et Sigismunda. Daran: Aeneas Sylvius Piccolomini (Pius II.): Epistola amatoria ad Lu-cretiam. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].37 Juvencus Presbyter: Historia evangelica heroicis versibus conscripta. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].38 Mensa philosophica. Köln: Apud praedicatores [Cornelis de Zierickzee, um 1500].39

Liste 3: Titelseiten mit Holzschnitt und Zierleisten (1491/92 und 1499/1500) Aristoteles: Parva naturalia. Köln: Johann Koel-hoff d. Ä., 27. Oktober 1491.40 Statuta Coloniensia: Provincialia et synodalia ec-clesiae Coloniensis. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 29. September 1492.41 Hieronymus de Vallibus: Jesuida seu De passione Christi. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1499].42 Ulricus Molitoris: De lamiis et phitonicis mulieri-bus. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].43

——————— 35 Vgl. Frese: Titelgraphik. 36 ISTC ib01239250, GW 5639. 37 ISTC ib01239300, GW 5640. 38 ISTC ij00675000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 707. 39 ISTC im00497000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 797. 40 ISTC ia01017000, GW 2428, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 159, Schramm, Bd. 8, S. 18. 41 ISTC is00733000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1097, Schramm, Bd. 8, S. 18. 42 ISTC iv00084000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 580, Schramm, Bd. 8, S. 28. 43 ISTC im00803000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 820, Schramm, Bd. 8, S. 28.

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116 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Ulricus Molitoris: De lamiis et phitonicis mulieri-bus. Köln: Cornelis de Zierickzee, [um 1500].44 Pharetra fidei Catholicae contra Judaeos. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].45 De vita et origine Pilati. Daran: De Caipha, Juda et Anna. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].46 Fraternitas Rosaceae Coronae ad honorem B. V. M. [Köln: Johann Landen, um 1500].47

Völlig isoliert unter den Kölner Titelseiten ist der Einzelfall einer xylographischen Titelseite aus der Offizin des Johann Landen. Für die Titelseite des kleinen, um 1496 gedruckten Oktav-Bandes mit dem Text De summo bono des Isidorus Hispalensis wurde der Titel negativ in eine rechteckige Holzplatte ein-geschnitten, die Buchstaben erscheinen weiß auf schwarzem Grund.48 Ein weiterer Sonderfall, die Titelseite eines Aesop-Druckes von Johann Koelhoff d. Ä., wird in Kapitel 3.1.1 diskutiert. 2.3 Das Titelblatt in der Produktion der einzelnen Druckerverleger Bei weitem die meisten Kölner Titelseiten (über 380; vgl. auch Abb. 7 u. 8) stammen aus der Offizin des Heinrich Quentell. Er wählte für nahezu alle seine Drucke (91 %) die Titelseite als Bucheröffnung. Jo-hann Koelhoff d. Ä., dessen Druckproduktion insge-samt durchaus mit der Quentell’schen vergleichbar ist, nutzte wesentlich häufiger die Bucheröffnung mit einem Leerblatt vor dem Textbeginn (45 %). Dies erklärt sich dadurch, dass die Koelhoff’sche früher als die Quentell’sche Offizin und bevor sich die Ti-telseite durchgesetzt hatte, maßgeblich am Kölner Buchdruck beteiligt war. Aber auch bei Koelhoff d. Ä. weisen gut die Hälfte der Drucke eine Titelseite auf (51 % bzw. knapp 70 Drucke). Heinrich Quentell und Johann Koelhoff d. Ä. beherrschten mit einem Anteil von etwa 43 % aller Kölner Inkunabeln den Markt seit den 1470er Jahren.

Der Kölner Erstdrucker Ulrich Zell, dessen Offizin mit einem Gesamtanteil von 13 % (knapp 200 Dru-cke) ebenfalls zu den leistungsstärkeren gehörte, ist für die Entstehung und Entwicklung der Titelseite von nebensächlicher Bedeutung (31 Titelseiten-Drucke), weil der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in das erste Jahrzehnt des Kölner Buchdrucks fällt (1465–

——————— 44 ISTC im00804000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 823, Schramm, Bd. 8, S. 28. 45 ISTC ip00579100, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 940, Schramm, Bd. 8, Abb. 936. 46 ISTC ip00647000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1249, Schramm, Bd. 8, S. 28. 47 ISTC if00306000, GW 10313, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 750. 48 ISTC ii00202000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 705.

1475). Gleiches gilt für Arnold ter Hoernen, dessen beide Titelseiten-Drucke von 1470 unter seinen etwa 120 Drucken (8 % der Kölner Gesamtproduktion) zwar die ersten Kölner Titelseiten waren, aber auch seine einzigen blieben.

Bevor die Offizin des Heinrich Quentell gegen Ende der 1480er Jahre weite Teile der Buchprodukti-on abdecken konnte, teilte sich Johann Koelhoff d. Ä. den Markt mit drei weiteren Druckerverlegern mit mittlerem Produktionsumfang, Conrad Winters de Homborch, Johann Guldenschaff und Ludwig von Renchen. Ihr gemeinsames Leistungsprofil prägte die zeitliche Abfolge von bedruckter 1r-Seite, Leerblatt am Buchbeginn und schließlich Titelseite in Köln. Tab. 1: Produktionsumfang: Format der Drucke Druckerverleger Folio Quart Oktav Son-

stige Ein-blatt-drucke

Alle Kölner Druckerverleger

29 % 61 % 5 % 1 % 4 %

Ulrich Zell (1465–1500)

24 % 64 % 2 % 3 % 7 %

Arnold ter Hoernen (1470–1486)

18 % 71 % 3 % 1 % 7 %

Heinrich Quentell (1478–1501)

20 % 79 % 1 %

Johann Koelhoff d. Ä. (1472–1493)

60 % 29 % 4 % 7 %

Johann Koelhoff d. J. (1492–1502)

15 % 73 % 4 % 8 %

Conrad Winters de Homborch (1475–1482)

63 % 28 % 6 % 3 %

Johann Guldenschaff (1476–1494)

33 % 66 % 1 %

Ludwig von Renchen (1479–1500)

42 % 36 % 4 % 2 % 16 %

Cornelis de Zierickzee (1498–1517)

98 % 2 %

Zur korrekten Bewertung der Leistungsfähigkeit ihrer Offizinen sind Format und Umfang ihrer Drucke zu berücksichtigen (vgl. Tab. 1). Conrad Winters de Homborch (insgesamt 65 Drucke) und Johann Gul-denschaff (insgesamt 69 Drucke) stellten jeweils 5 % der Kölner Inkunabeln her. Aus der Offizin des Con-rad Winters gingen allerdings mit etwa zwei Dritteln (63 %) mehrheitlich Folio-Drucke mit einem Umfang von weit mehr als 100 Blättern hervor, aus der Gul-denschaffs jedoch hauptsächlich Quart-Drucke (66 %) mit einem Umfang von weniger als 100 Blättern.

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2 Statistischer Überblick 117

Abb. 6: Titelblätter in Köln im chronologischen Verlauf nach Anzahl der Drucke Die Offizin des Conrad Winters de Homborch druckte in den Jahren 1475 bis 1482. Mehr als zwei Drittel seiner Drucke beginnen mit einem Leerblatt am An-fang der ersten Lage und nur ein einziger mit einer Titelseite. Von Conrad Winters stammt das oben er-wähnte typographische Titelblatt aus dem Jahr 1482, das als unmittelbarer Vorläufer der eigentlichen Köl-ner Titelseiten-Periode ab 1484 anzusehen ist.

Johann Guldenschaff war über einen etwas länge-ren Zeitraum (1476–1494) tätig. Ende der 1470er und Anfang der 1480er Jahre überwogen bei ihm Drucke mit unterschiedlich geartetem Text – vorwiegend Textbeginn mit Incipit-Formulierung – auf der ersten Seite der ersten Lage. Ab 1484 kamen auch aus sei-ner Offizin fast ausschließlich Drucke mit Titelseite.

Ludwig von Renchen produzierte von 1479–1495 3 % der Kölner Inkunabeln mit einem relativ hohen Anteil an Einblattdrucken (insgesamt 43 Drucke). Etwa zwei Drittel seiner in Folio (42 %) und Quart (36 %) hergestellten Drucke bzw. fast alle Drucke ab 1484 waren mit einer Titelseite versehen. Der Buch-anfang mit Leerblatt oder Text auf der ersten Seite spielte eine untergeordnete Rolle.

Als Cornelis de Zierickzee 1498 (bis 1517) mit dem Buchdruck begann, hatte sich die Titelseite längst durchgesetzt. Aus seiner Offizin gingen in den letz-ten drei Jahren des 15. Jahrhunderts immerhin 47

Drucke (3 % der Kölner Inkunabeln) ausschließlich mit Titelseite, in Quart und mit einem Umfang von weniger als 50 Blättern hervor.

Der Blick auf die Gesamtzahl gedruckter Bücher einer Offizin und das überwiegend verwendete For-mat verführt zu einer vorschnellen Bewertung der Situation. Diagramm 7 zum Produktionsumfang der einzelnen Offizinen in Gesamtzahlen der gedruckten Bücher lässt Heinrich Quentell als nahezu konkur-renzlos marktbeherrschenden Monopolisten erschei-nen.49 Das Ergebnis der Untersuchung der Formate (vgl. Tab. 1) relativiert diesen Eindruck erheblich. Aber erst durch eine Hochrechnung der aus Format und Umfang zu ermittelnden hypothetischen Zahl der bedruckten Folioblätter, wie sie zunächst von Miriam Usher Chrisman und wenig später von Hans-Jörg Künast zur Beurteilung der Straßburger bzw. Augs-burger Druckproduktion durchgeführt wurde, können relativ objektive Werte ermittelt werden.50 Bei der Verwendung dieser Zahlen sollte jedoch nie überse-hen werden, dass auch auf diesem Weg immer noch

——————— 49 Diese hier zu korrigierende Meinung hatte sich in der Forschung festgesetzt. Zuletzt vertrat sie z. B. auch noch Funke: Buchkunde, S. 122. 50 Vgl. Chrisman: Lay culture, S. 5–9; Künast: Getruckt zu Augspurg, S. 217–250.

0

50

100

150

200

250

<1471 1471–1475 1476–1480 1481–1485 1486–1490 1491–1495 1496–1500

Titelblatt mit graph. Zierelementen Titelblatt ohne graph. Zierelemente Titelblatt xylographisch Drucke ohne Titelblatt ungeklärt / Verlust

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118 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Ungenauigkeiten bleiben. Schließlich können keine Aussagen über die Auflagenhöhe gemacht werden. Der Materialaufwand für die Herstellung der Typen und die Arbeitszeit des Setzers stehen bei dieser Rechenweise im Vordergrund, während die Kosten für Papier und den eigentlichen Druckprozess unbe-rücksichtigt bleiben.

Die in Tabelle 2 und Abbildung 7 und 8 einzeln aufgeführten Druckerverleger stellten 86 % der Kölner Inkunabeln her (mind. 44.593,5 Folioblätter). Die künstliche Zeitgrenze 1500 verursacht Verzerrungen bei der Beurteilung des Produktionsumfangs derjeni-gen Druckerverleger, die auch nach 1500 noch tätig waren. Die Problematik lässt sich besonders deutlich an Cornelius de Zierickzee zeigen. Voulliéme geht davon aus, dass er von mindestens 1499 bis 1517 tätig war. Aus der gesamten Zeit stammen etwa 65 Drucke. Über 30 werden durch relative Datierungen in die Jahre 1499 und vor allem um 1500 datiert. Da relative Datierungen statistisch nicht kenntlich gemacht wer-den können, entsteht der durchaus unwahrscheinliche Eindruck, Zierickzees wichtigste Produktionsphase läge im Jahr 1500. In diesem Punkt müssen die Stati- stiken gedanklich ausgeglichen werden. Dennoch ist die Tätigkeit des Cornelius de Zierickzee am Ende des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts wichtig für das Verständnis der Entwicklung der Kölner Titelseiten, weil Zierickzee individuelle Gestaltungsmöglichkeiten für seine Titelseiten entwickelte. Hierzu gehört in erster Linie die Verwendung von Zierleisten für das Layout seiner Titelseiten.51

Bei Berücksichtigung der errechneten Folioblätter pro Druckerverleger ergibt sich ein wesentlich ausge-wogeneres Bild (vgl. Tab. 2). Die Offizinen des Hein-rich Quentell und des Johann Koelhoff d. Ä. dominier-ten vom Ende der siebziger Jahre bis zum Tod Koel-hoffs im Jahr 1493 die Kölner Druckproduktion. Jo-hann Koelhoff d. J. übernahm zwar die Offizin seines Vaters, aber die Schwerpunkte seiner Tätigkeit lagen nicht im Buchdruck.52 Aus der Koelhoff’schen Offizin gingen nach dem Tod des Vaters nur noch wenige, hinsichtlich der illustrierten Titelseiten allerdings durchaus interessante Drucke hervor.

Aus diesem Blickwinkel erhält die so ungleich wirkende Anzahl an Druckwerken aus den Offizinen des Heinrich Quentell und des Johann Koelhoff d. Ä. und in Konsequenz auch die Anteile der Buchanfän-ge (vgl. Tab. 3), die diese beiden Druckerverleger während ihres gesamten Tätigkeitszeitraumes wähl-ten, eine andere Bedeutung. Johann Koelhoff d. Ä. (1472–1493) druckte in dem entscheidenden Jahr-zehnt der Einführung der Titelseite bereits sechs Jah-re früher als Heinrich Quentell (1478–1501), verstarb jedoch auch früher. Beide Druckerverleger nutzten ——————— 51 Vgl. Voulliéme: Buchdruck, S. LXXV–LXXVII. 52 Vgl. Voulliéme, S. LXV–LXIX.

die Möglichkeit der Bucheröffnung mit einer Titel-seite seit dem Jahr 1484, in dem die Titelseite tat-sächlich eine Rolle im Kölner Buchdruck zu spielen begann. Wie arrangierten sich diese beiden konkur-rierenden Druckerverleger auf dem Kölner Buch-markt? Diese Frage wäre nur durch eine detailliertere Untersuchung ihrer Produktionsprofile und insbeson-dere der Textsorten umfassend zu beantworten. Eine Grobklassifikation der Textsorten erlaubt es, gewisse Tendenzen zu beschreiben, die die Unterschiede in Format und Umfang der Drucke verständlich machen. Tab. 2: Produktionsumfang: Anzahl der gedruckten Folioblätter bis 1500 Druckerverleger (Tätigkeitszeitraum)

Folioblätter (ohne Einblattdrucke) bis 1500

Alle Kölner Druckerverleger Mind. 51.891,29 (7 % ungeklärt/nicht klärbar)

Heinrich Quentell (1478–1501)

Mind. 13.226,25 (9 % ungeklärt/nicht klärbar)

Johann Koelhoff d. Ä. (1472–1493)

Mind. 10.298,125 (4 % ungeklärt)

Johann Koelhoff d. J. (1492–1502)

Mind. 593,75 (12 % ungeklärt/nicht klärbar)

Ulrich Zell (1465–1500)

Mind. 7.178,625 (2 % ungeklärt)

Conrad Winters de Hom-borch (1475–1482)

Mind. 5.837,75 (5 % ungeklärt/nicht klärbar)

Ludwig von Renchen (1479–1500)

Mind. 2.677,5 (17 % ungeklärt/nicht klärbar)

Arnold ter Hoernen (1470–1486)

Mind. 2.388,75 (4 % ungeklärt)

Johann Guldenschaff (1476–1494)

Mind. 2 088,75 (6 % ungeklärt/nicht klärbar)

Cornelis de Zierickzee (1498–1517)

Mind. 250 (19 % ungeklärt/nicht klärbar)

Die Frage, welcher der beiden Druckerverleger wich-tiger für die Entstehung und Entwicklung der Titel-seite im Kölner Inkunabeldruck war, kann letztend-lich nicht beantwortet werden, weil die Unterschiede im Produktionsprofil zu gravierend sind. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Entscheidung für eine Titelseite bei einem qualitätsvoll gedruckten Buch mit vielen Seiten in einem Folioformat, das eine erhebliche finanzielle Investition und ein entspre-chendes Risiko für den Druckerverleger darstellte, als genauso schwerwiegend einzuschätzen ist, wie der Druck einer größeren Anzahl dünnerer Bücher im Quartformat. Außerdem wählten die beiden Drucker-verleger sehr unterschiedliche Wege bei der Auswahl der Holzschnitte für ihre illustrierten Titelseiten.

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2 Statistischer Überblick 119

Abb. 7: Produktionsumfang: Anzahl der Drucke nach Offizinen

Abb. 8: Druckproduktion der wichtigsten Kölner Drucker in chronologischem Verlauf nach Anzahl der Drucke

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<1471 1471–1475 1476–1480 1481–1485 1486–1490 1491–1495 1496–1500

Cornelis de Zierikzee Guldenschaff, Johann Koelhoff, Johann d.Ä. Koelhoff, Johann d.J.Quentell, Heinrich TerHoernen, Arnold Winters, Conrad de Homborch Zell, Ulrich

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120 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Tab. 3: Buchanfänge bei Johann Koelhoff d. Ä. und Heinrich Quentell Buchbeginn Johann Koelhoff

d. Ä. Heinrich Quentell

Buchbeginn auf Bl. 1r ohne Titelseite

28 17

Leerblatt am Buchbeginn

60 18

Leerseite am Buchbeginn

5 5

Typographische Titelseite

41 229

Titelseite mit graphischen Elementen

15 155

ungeklärt/nicht klärbar 5 17

Als Maßstab für die Grobklassifikation der Textsor-ten bieten sich Ernst Voulliémes Angaben über den »Charakter der ältesten Kölner Literatur« an. Seinen Untersuchungen zufolge ist die kölnische Literatur des 15. Jahrhunderts ihrem Inhalt nach ein getreues Spiegelbild der Universität, neben der sie emporge-wachsen ist. »Wie diese, wenn auch nicht ausschließ-lich so doch vorwiegend, theologischen Charakters ist, so gehört von der in Köln gedruckten Literatur nicht weniger als die Hälfte theologischen Discipli-nen an.«53 57,7 % machen die Werke »für die theolo-gischen Disciplinen« aus. Mit 10 % stehen an zweiter Stelle Werke für den Lateinunterricht, deren hoher Anteil vor allem auf die zahlreichen Ausgaben der einzelnen Teile des Doctrinale des Alexander de Villa Dei, der Schriften des Johannes de Garlandia und des Johannes Synthen zurückzuführen ist.

Schon der oberflächliche Vergleich der Textsorten bei Heinrich Quentell und Johann Koelhoff d. Ä. zeigt, dass sich die beiden Monopolisten auf unter-schiedliche Programmbereiche spezialisiert hatten. ——————— 53 Voulliéme, S. LXXIX. Im Einzelnen nennt Voulliéme: Li-teratur für die theologischen Disziplinen 57,7 % , im Detail: Bibel und Exegese 3,7 %, Patres und spätere Kirchenlehrer 5,9 %, Dogma-tik 5 % , Apologetik und Polemik 1,4 % , Katechetik 1,2 % , Ethik 6,7 % , Askethik 3 % , Liturgik 7 % , Hymnologie 2,5 % , Homiletik 5,6 % , Pastoraltheologie 1,6 % , Heilige (Marienkultus etc.) 4,8 % , Ordenswesen 0,9 % , Ablass (-Briefe, -Bullen, etc.) 1,7 % . Übrige Wissenschaften: Philosophie und Pädagogik 12,6 % (davon Aristoteles 6,7 %), Politik und Rechtswissenschaften 7 % , Mathematik, Astronomie etc. 0,8 % , Naturwissenschaften, Medizin 1,3 % , Geschichte, Geographie 2,6 % , Rhetorik, Stilistik 2,3 % , Latein, Grammatik, Vokabulare (insbes. Ausgaben der einzelnen Teile des »Doctrinale« von Alexander de Villa Dei, der Schriften des Johannes de Garlandia und des Johannes Synthen) 10 %. Griechische Autoren in lateinischer Übersetzung (Aesop, Lucian, Phalaris, Plutarch) 1 % , lateinische Autoren einschließlich der apokryphen Schriften (Boethius, Cicero, Claudian, Florus, Horaz, Ovid, Seneca, Terenz, Vegetius, Vergil) 3,7 % , Neulateiner 4,8 %.

Bei Johann Koelhoff d. Ä. überwiegen die Werke theologischen Charakters deutlich, während er weni-ger als 20 Drucke für den Lateinunterricht herstellte. Auch etwa jedes zweite Buch aus der Offizin des Heinrich Quentell gehörte zu den theologischen Werken. Mit etwa einem Drittel seiner Drucke waren in seinem Sortiment zudem noch die Schulbücher, insbesondere für die der Universität vorgeschalteten Lateinschulen, stark vertreten (knapp 150). Der Ab-nehmerkreis der Koelhoff’schen Bücher ist demnach überwiegend an der Universität zu vermuten, wäh-rend Quentell ein breiteres Leserpublikum und zu einem nicht unerheblichen Anteil eben auch Latein-schüler bediente.

Ein weiterer Unterschied im Produktionsprofil liegt in der Verwendung lateinisch- oder auch volkssprach-licher Texte. Heinrich Quentell druckte zu 98 % latei-nische Werke. Von den neun Werken mit volksspra-chigen Anteilen sind sieben lateinisch-niederdeutsche Vokabulare und Sprichwörter-Sammlungen für den Lateinunterricht. Die beiden anderen Drucke sind die beiden Ausgaben der niederdeutschen Bibel von 1478/79.54 Ganz anders zeigt sich das Programm der Koelhoffs. Johann Koelhoff d. Ä. druckte Werke der Andachtsliteratur, Ablass- und Schwankbücher, histo-rische Texte sowie einige Einblattdrucke für die Stadt Köln in niederdeutscher Sprache. Insgesamt machten volkssprachliche Texte immerhin 17 % seiner Druck-produktion aus. Sein Sohn Johann Koelhoff d. J., der die Offizin nur noch mit stark verminderter Leistung weiterführte, wandte sich schließlich noch verstärkt dem Druck volkssprachlicher Bücher zu. Mehr als die Hälfte seiner Drucke sind in niederdeutsch gedruckt (insgesamt 26 bis 1500). Seine Bücher wiesen vermut-lich durchgehend Titelseiten auf, wobei diejenigen der niederdeutschen Passiendrucke aus dem Jahr 1498 aufgrund ihrer originellen Titelseiten für die Entwick-lung der Titelseiten um die Jahrhundertwende am meisten Relevanz besitzen. 2.4 Zur Typologie des Titelblatts Der überwiegende Anteil der erfassten Titelblätter – insbesondere in den ersten Jahrzehnten des Inkuna-beldrucks – weist einen einfachen typographischen Titel auf. Derartige Titelseiten mit schlagwortartigen Angaben zu Autor und Sachtitel machen auch den größten Teil der Kölner Inkunabel-Titelseiten aus.

——————— 54 ISTC ib00636000, GW 4307, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 256, Schramm, Bd. 8, S. 19; ISTC ib00637000, GW 4308, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 257, Schramm, Bd. 8, S. 19; Die Kölner Bibel 1478/1479. Amsterdam Buijten & Schipperheijn/Hamburg: Fried-rich Wittig 1979; Kautzsch, Friedrich: Die Kölner Bibel 1478/1479: Studien zur Entstehung und Illustrierung der ersten niederdeutschen Bibel. Kommentarband zum Faksimile 1979 der Kölner Bibel 1478/1479. Hamburg: Wittig 1981.

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2 Statistischer Überblick 121

Um genauere Erkenntnisse über das Interesse der Kölner Drucker an der Verwendung von Titelseiten zu erhalten, sind auch die Kölner Titelseiten entspre-chend der im Forschungsprojekt erarbeiteten Titel-blatt-Typologie analysiert worden. Für die Kriterien ›Informationsgehalt‹ und ›Titelblatt und Titelbogen‹ sowie das Verhältnis von Titelblatt und seinen Folge-seiten ließen sich bibliographisch und autoptisch weit-gehend vollständige Daten bis zum Ende der Inkuna-belzeit ermitteln. Zum Layout können gegenwärtig statistische Aussagen bis einschließlich 1490 gemacht werden. Für die Titelseiten des letzten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts konnten gewisse Tendenzen festge-stellt werden. Eine flächendeckende Untersuchung an Originalen für den Zeitraum von 1491 bis 1500 steht jedoch noch aus. 2.4.1 Informationsgehalt Unter Informationsgehalt der Titelseite werden hier sowohl verbale als auch verbildlichte Informationen zum Autor, Werk oder Herstellungsprozess zusam-mengefasst. Die elaborierte Form der Titelseite so-wohl mit inhaltsidentifzierenden als auch herstellungs-relevanten Elementen ist unter den Kölner Inkuna-beln eine Randerscheinung (7 %) und bestätigt die Hypothese, dass der Weg zum Titelblatt eher vom Incipit als vom Kolophon ausgegangen sei. Die ur-sprünglich im Kolophon verfügbaren Informationen über Druckort und Selbstnennungen oder Selbstlob des Druckers wanderten in Köln erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts allmählich auf die Titelseite.55

Die frühesten drei Kölner Titelseiten von 1470 bzw. 1473 mit ihren Angaben zum Erscheinungsjahr oder Autor neben dem Sachtitel und Hinweisen auf die Herstellung im Druckverfahren blieben erstaunlich wirkungslos. Die Titelformulierungen boten meistens allein einen häufig auf einen Kurztitel reduzierten Sachtitel, gelegentlich wird zusätzlich der Autor oder der Verfasser eines Kommentars genannt. Sofern auf der Titelseite überhaupt ausführlichere Angaben ge-macht werden, beziehen sich diese fast immer auf den Inhalt des Textes, die Themen der verschiedenen Ka-pitel und seltener die Ehrwürdigkeit oder das reiche Wissen des Autors.

93 % der Kölner Titelseiten weisen nur derartige inhaltsidentifizierende Elemente auf. Bei zwei Dritteln wurden die Angaben allein verbal vermittelt und typo-graphisch umgesetzt. Die restlichen Titelseiten dieser vom Informationsgehalt her einfachsten Form waren mit einem Holzschnitt, dessen Ikonographie sich auf den Inhalt des Textes bezieht, illustriert. Der chrono-logische Verlauf der inhaltsidentifizierenden Titelsei-ten ohne bzw. mit Holzschnitt entspricht der oben

——————— 55 Vgl. Corsten: Die Erfindung, S. 192–196.

bereits beschriebenen Gesamtentwicklung: Im Zeit-raum von 1481 bis 1485 setzten die rein typographi-schen Titelseiten auf zahlenmäßig niedrigem Niveau ein, sie überwogen aber auch noch mit deutlicher Mehrheit im Jahrfünft von 1486–1490, in dem auch die ersten illustrierten Titelseiten einsetzen. Im Jahr-fünft von 1491–1495 näherten sich die Anteile der nicht illustrierten und der illustrierten Titelseiten ein-ander nahezu an, bis im letzten Jahrfünft des 15. Jahr-hunderts wiederum die nicht illustrierten Titelseiten mit nur inhaltsidentifizierenden Informationen leicht überwogen. Unterschiedliche Lösungsansätze bei der Verbindung von verbaler und graphischer Umsetzung des Buchinhalts, mit der Absicht den Buchnutzer nicht nur zu informieren oder um ihn zu werben, sondern ihn regelrecht auf den zu lesenden Text einzustimmen, kennzeichnen die Entwicklungsstufe der 1490er Jahre in der Kölner Titelblatt-Entwicklung.

In den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts traten vereinzelt rein typographische und auch illustrierte Titelseiten auf, deren Sachtitel um eine Epistel an den Leser in Gedichtform ergänzt wurde.56 Die wenigen Exemplare scheinen eher Vorläufer einer erst nach 1500 verstärkt einsetzenden Entwicklung zu sein. Johann Koelhoff d. J. wendete dieses Gestaltungsmit-tel in Köln wohl als erster und bis 1500 nur einmal an: auf der Titelseite des ersten Teils der in Quart ge-druckten Medulla artis grammaticae sive aureum com-pendium vom 1. Dezember 1495.57 Heinrich Quentell ergänzte 1496 zum ersten Mal den Sachtitel auf den Titelseiten zweier Auflagen des kommentierten Liber Faceti docens mores hominum um eine Epistel an den Leser in Gedichtform.58 Bei seinen weiteren neun Inkunabel-Titelseiten aus den Jahren 1499 und 1500, die er ebenso gestaltete bzw. die in seinem Auftrag gedruckt wurden, handelt es sich um die Opuscula,59 Bucolica60 und Georgica61 des Vergil, den Traktat De muliere forti des Albertus Magnus,62 einen Kommen-tar zu Aristoteles De coelo et mundo cum textu von Eberhard von Amersford und Johannes von Nürtin-gen,63 die Interpretation des Aristoteles-Textes Copu-lata novae logicae,64 die Viola animae sive De natura

——————— 56 So z. B. in den beiden um 1500 datierten Drucken: ISTC ia01064000, GW 2515, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 165=166; ISTC ia01064100, GW 2516, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 167. 57 ISTC im00438500, GW 11052, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 786. 58 ISTC if00036600, GW 9680, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1009; ISTC if00038000, GW 9682. 59 ISTC iv00231600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1209. 60 ISTC iv00215000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1206, Schramm, Bd. 8, S. 24. 61 ISTC iv00230000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1207. 62 ISTC ia00286000, GW 699, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 41. 63 ISTC ie00002800, GW 9184, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 408. 64 ISTC ia01001500, GW 2404, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 140.

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122 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

hominis des Petrus Dorlandus,65 die Reparationes trac-tatuum parvorum logicalium Petri Hispani et trium modernorum des Arnoldus de Tungern66 sowie die Epitomata sive Reparationes logicae veteris et novae Aristotelis vom gleichen Autor.67 Als Beispiel sei das im Vergleich zum 16-zeiligen Titel sehr kurze vierzei-lige Gedicht auf der Titelseite zur Interpretation der Copulata novae logicae genannt:

Qui sophie partes animo desiderat omnes Qui falli nolit: multaque nosse cupit Aurea veridici condiscat dogmata Thome Omnia cui genitrix ipsa Minerua dedit68

Alle diese Gedichte formulieren in appellativer Wei-se einen erzieherisch-moralisierenden Anspruch, der konkret mit der Lektüre des gedruckten Werks und dem darin enthaltenen und erstrebenswerten Wissen in Verbindung gebracht ist. Letztendlich handelt es sich also hierbei um eine Werbemaßnahme auf der Titelseite, da ihm die Vorzüge der Lektüre des Buchs oder auch seines Autors angepriesen werden.

Ein wesentlich häufigeres und durchgehend bis zum Ende der Inkunabelzeit auf den Kölner Titelsei-ten zu beobachtendes Phänomen ist die Übernahme einer ursprünglich dem Textbeginn vorgeschalteten Incipit-Formulierung auf die Titelseite. Dies deutet darauf hin, dass von den Kölner Druckern oft der einfachste Weg zur Erzeugung eines Titels gewählt wurde, indem nämlich eine bereits vorhandene For-mulierung mit einer Aussage über den Textinhalt oder auch den Autor als Titel um eine (oder seltener mehrere) Seite(n) nach vorne verschoben wurde und dadurch auch doppelt auf Titelseite und am Textbe-ginn erscheinen konnte. Bei diesem Verfahren war der Transfer produktionsrelevanter Informationen auf die Titelseite, die traditionell im Kolophon und nicht am Textanfang Erwähnung fanden, ausgeschlossen.69

In Kölner Inkunabeln erscheinen produktionsrele-vante Informationen auf der Titelseite sowohl in Form von verbalen Hinweisen auf den Druckort, die Offi-zin oder den Herstellungsprozess als auch in Form von Druckerzeichen, durch die ein Druckerverleger seine Erzeugnisse mit einem unverwechselbaren Gütesiegel versah. In Köln nutzten allerdings nur drei Druckerverleger ihre Druckerzeichen zur Gestaltung ——————— 65 ISTC id00360000, GW 9046, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 394, Schramm, Bd. 8, Abb. 490. 66 ISTC ia01064100, GW 2516, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 167. 67 ISTC ia01064000, GW 2515, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 165 =166. 68 S. oben Anm. 61, zitiert nach: Köln UStB: GBVII9+B Bd. 1 (1), Bl. 1r. 69 Incipit-Formulierung auf der Titelseite z. B. in Voulliéme: Buchdruck, Nr. 164, 165, 167, 397 (mit schematischen Angaben zum Inhalt), 401, 439, 442, 444, 446, 558, 574, 610, 736, 750, 1160, 1214; ISTC if00306100, GW 10314; ISTC ih00010500, GW 12405 (Incipit für die Titelseite übernommen und erweitert um schematische Angaben zum Inhalt).

von Titelseiten (1 % = 11 Titelseiten). Ulrich Zell setzte seine Druckermarke zwischen 1491 und 1500 auf acht Titelseiten. Hermann Bumgart versah 1497 und 1498 jeweils eine Titelseite mit Holzschnitt und Druckermarke.70 Johann Koelhoff d. J. nutzte diese Möglichkeit einmal im Jahr 1500.71

Etwas häufiger, aber immer noch nur in seltenen Ausnahmefällen (6 % = 37 Titelseiten), wurden im weitesten Sinne produktionsrelevante Informationen in die Titelformulierung aufgenommen. Ulrich Zell warb auf der Titelseite mit dem Hinweis auf eine korrigierte Neuauflage mit der Qualität der Drucke,72 ließ den Leser um die Herkunft des Druckes aus seiner Offizin wissen, indem er mit den Worten »Im-pressum prope« oder »apud Lijskyrchen« deren Sitz in Köln angab73 oder umwarb eine bestimmte Ziel-gruppe, indem er schon auf der Titelseite bekannt machte, dass der Druck den Ansprüchen der Kölner Laurentianerburse folgte: »Commentaria in quattuor libros noue logice secundum processum burse lauren-tiane Coloniensis ubi doctrine Alberti magni peripa-teticorum veracissimi interpretis sectatores propaga-toresque fidelissimi.«74 Darunter setzte Zell sein Druckerzeichen und die Beischrift »Impressum Co-lonie apud lijskirchen«.75

Auch Heinrich Quentell warb auf der Titelseite insbesondere bei korrigierten Wiederauflagen mit der Qualität des Druckes, so zum Beispiel in diversen Drucken des Doctrinale von Alexander de Villa Dei,76 oder wies, genauso wie Ulrich Zell, durch den Beisatz »Impressa prope Summum« ebenfalls auf den Sitz seiner Offizin hin.77 Genauere Informationen über die Herkunft aus seiner Offizin, den Druckort Köln oder das Fertigstellungsdatum eines Druckes, wie sie im 16. Jahrhundert regelmäßig auf der Titel-seite erscheinen, finden sich allerdings überwiegend im Kolophon seiner Drucke, weshalb eine nähere Untersuchung über die Bedeutung der Kolophone für die Titelseiten-Entwicklung Erfolg versprechend wä-——————— 70 ISTC ia00208000, GW 562, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 36, Schramm, Bd. 8, S. 26; ISTC ip01102150, GW 11097, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 993. 71 ISTC ic00707500, GW VI Sp. 697, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 338. 72 Z. B. Voulliéme: Buchdruck, Nr. 59. 73 So z. B. in ISTC ia00450400, GW 1094, Voulliéme: Buch-druck, Nr. 78; ISTC ij00238500, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 929, Schramm, Bd. 8, S. 17. 74 Gerardus de Harderwyck: Commentaria in quattuor libros novae logicae. Köln: Ulrich Zell, 24. Januar 1494 (ISTC ig00166600, GW 10673, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 440, Schramm, Bd. 8, S. 17 u. Abb. 79). 75 Druckerzeichen und verbale Angabe der Offizin in ISTC ig00167100, GW 10678, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 444, Schramm, Bd. 8, Abb. 73–77; ISTC ig00167200, GW 10676, Voulliéme: Buch-druck, Nr. 446. 76 ISTC ia00450470, GW 1124 (II), Voulliéme: Buchdruck, Nr. 79. 77 So z. B. in ISTC ij00238600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 930.

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2 Statistischer Überblick 123

re. Quentell beabsichtigte, genauso wie Zell, mit eini-gen Titeln potentielle Käufer seiner Bücher zum Kauf anzuregen, so z. B. die Studenten der Laurentianer-Burse auf der Titelseite eines Aristoteles-Kommen-tars von Gerard de Harderwyck, der von dieser Burse herausgegeben wurde:

Ad laudem ac honorem indiuidue trinitatis patris, filij et spiritussancti, gloriosissimeque virginis Marie In-cipiunt commentaria questiones et dubia pulcerrima continentia. cum textu Arestotelis in octo libros de physico auditu iuxta doctrinam exquisitissimam ven-erabilis domini Alberti. in Bursa Laurentiana floren-tissimi agripinensis gymnasii edita.78

In einigen Fällen nannte er den Druckort Köln auf der Titelseite, indem er allein den Stadtnamen ›Colo-nia‹ zentriert in einer eigenen Zeile unter dem Sachti-tel hinzufügte79 oder ihn in Ausführungen über die Qualität einschob:

Glosa notabilis secunde partis Alexandri cum in-terlinealibus expositionibus textus eiusdem in planissimis sententijs, subiunctis perpulcre ordi-natis questionibus atque argumentis cum replicis contra eorundem solutiones, omnibus (qui scire desiderant) summe necessarijs, nouissime dili-genter correctis, cum additis in locis, in quibus pro iuuenibus neccessarium esse videbatur. Que iam de nouo impressa est Colonie, cum multis argu-mentis et replicis prius non additis, ut prima facie videri potest circa illos textus (Uult intransitio) et (Sepe vocans verbum) cum reliquis.80

2.4.2 Layout Die bisherigen Untersuchungsergebnisse zum Er-scheinungsbild zeigen ein recht stereotypes Bild. Die

——————— 78 Gerardus de Hardewyck: Commentaria in octo libros de physico auditu cum textu Aristotelis. Köln: Heinrich Quentell, 26. Mai 1497 (ISTC ij00334950, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 442, Schramm, Bd. 8, S. 23). 79 So z. B. in den folgenden acht Drucken: ISTC ia00445010, GW 1080, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 71, Schramm, Bd. 8, Abb. 485; ISTC ia00445030, GW 1083, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 72; ISTC ib00797000, GW 4556, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 263, Schramm, Bd. 8, S. 21; ISTC ir00129000, GW 11263, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1006; Schramm, Bd. 8, S. 21; ISTC ir00129370, GW 11264, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1007, Schramm, Bd. 8, S. 484; ISTC ir00132000, GW 11262, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1008, Schramm, Bd. 8, S. 25; ISTC ib00824000, GW 4600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1183, Schramm, Bd. 8, S. 21; ISTC ib00827000, GW 4603, Voul-liéme: Buchdruck, Nr. 1184, Schramm, Bd. 8, S. 24. 80 Alexander de Villa Dei: Doctrinale. Pars secunda. Köln: Heinrich Quentell, 7. März 1498 (ISTC ia00452070, GW 1114, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 85, unter dem Titel ein Holzschnitt mit einer Lehrszene). Ebenso in: ISTC ia00452150, GW 1117, Voul- liéme: Buchdruck, Nr. 86, Schramm, Bd. 8, S. 185; ISTC ia00452250, GW 1119, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 87.

Kölner Titelseiten bis etwa 1490 waren sowohl im Layout der gesamten Seite als auch in der Wahl der Texttypen denkbar schlicht. Der zumeist in einer größeren Texttype gehaltene Titel wurde im oberen Drittel oder der oberen Hälfte der Seite in Blocksatz und einheitlichem Schriftgrad eingefügt. Knapp zwei Drittel der Inkunabeln mit Titelseite entsprechen diesem Typus (60 % bei einer mit 23 % relativ hohen Quote bisher noch ungeklärter Fälle). Von etwas über 900 Drucken bzw. knapp 230 Titelseiten-Drucken aus diesem Zeitraum ließen sich nur gut 30 (17 % der Titelseiten-Drucke) mit einer gestuften Typographie auf der Titelseite nachweisen. Gut drei Viertel dieser wenigen Titelseiten mit gestufter Typographie stam-men aus der Offizin des Heinrich Quentell, der diese Form der Titelseitengestaltung auch in den 1490er Jahren zunehmend einsetzte.81

Vor der Einführung der illustrierten Titelseite mit Beginn der 1490er Jahre fällt die Gestaltung einiger immer noch sehr einfacher Titelseiten von Johann Koelhoff d. Ä. auf. Das unbeholfene Layout der Titel-seite einer Legenda aurea des Jacobus de Voragine, an die das Martyrologium des Usuardus angehängt ist, erinnert entfernt an das ästhetisch ansprechende sand-uhrenförmige Erscheinungsbild von Titelseiten des 16. Jahrhunderts. Auf der Titelseite dieses Druckes von 1490 (22. Juli)82 werden die Titel beider Texte ge-nannt: oben der Titel der Legenda aurea dreizeilig in Blocksatz, darunter folgt eine Leerzeile, sodann das Verbindungswort »Item« zentriert über dem in einem etwas breiteren Block gesetzten Titel des Martyrologi-um. Auf den Titelseiten zweier Drucke mit Texten des Johannes Chrysostomos setzte Koelhoff d. Ä. den Autornamen durch einen Abstand von einer knappen Leerzeile von dem Block mit den Texttiteln ab.83

Die Einführung graphischer (Zier-)Elemente auf der Titelseite führte jedoch zu einer grundlegenden Trend-wende der Layout-Gestaltung. Bis etwa 1490 herrsch-ten in Köln rein typographische Titelseiten vor, die insgesamt knapp zwei Drittel der Kölner Titelseiten-Drucke der Inkunabelzeit (403 = 62 %) ausmachten. Gut ein Drittel der Kölner Titelseiten (38 %) weisen graphische Elemente – Holzschnitte, Zierleisten oder Druckermarken – auf, wobei die Kombination aus Titel und Holzschnitt deutlich überwiegt. Die Titel-holzschnitte sind in den wenigsten Fällen in der Größe dem Satzspiegel angepasst. Die Größe der Titelholz-schnitte orientiert sich vielmehr grob am Format der Drucke, die mit illustrierten Titelseiten ausgestattet wurden. Hier überwiegen die 203 Titelseiten-Drucke

——————— 81 Für eine zukünftige Analyse des Layouts von Kölner Titel-seiten wäre es daher wahrscheinlich sinnvoll den Fokus insbeson-dere auf die Offizin Quentell zu setzen. 82 ISTC ij00123000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 625. 83 ISTC ij00284000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 643; ISTC ij00307000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 654.

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124 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

in Quart die 14 im Folio- und die 13 im Oktav-Format bei weitem. Andererseits entspricht auch die Vertei-lung der rein typographischen Titelseiten den grundle-genden Tendenzen in der Auswahl der Formate (106 in Folio, 272 in Quart, 21 in Oktav).

Anfang der 1490er Jahre veränderte sich das Ver-hältnis zwischen rein typographischen und illustrier-ten Titelseiten kurzfristig zugunsten illustrierter Ti-telseiten-Drucke und pendelte sich im letzten Jahr-fünft des Jahrhunderts auf etwa gleiche Anteile ein. Die Titelseiten mit Zierleisten fallen statistisch gese-hen ebenso wenig wie die xylographische Titelsei-te(n) ins Gewicht.

In den 1490er Jahren verwendete vor allem Hein-rich Quentell für den Titelsatz nicht mehr nur Textty-pen in einheitlichem Schriftgrad, sondern häufig zwei und gegen Ende des Jahrhunderts auch drei Schrift-grade.84 Aber erst im 16. Jahrhundert erweiterte er dieses Schema noch um Initialen auf der Titelseite, wie z. B. auf dem Titelblatt eines Aristoteles-Kom-mentars von Albertus Magnus von 1505 mit einer Magisterszene.85 Auf Titelseiten mit gestufter Typo-graphie erfolgte zumeist eine Hervorhebung eines wichtigen Stichwortes aus dem Werktitel, indem die erste oder die ersten beiden Zeilen in einem größeren Schriftgrad gesetzt wurden. Die restliche Formulie-rung schloss sich ohne Rücksicht auf Worttrennungen in einer oder zwei kleineren Typen an. Sofern Quentell Ende der 1490er Jahre eine Epistel an den Leser in Gedichtform auf die Titelseite setzte, hob er diese wohl zunehmend durch eine Antiqua-Type und als schmaleren Block vom eigentlichen Titel ab.

Alles in allem entsteht der Eindruck, als ob die Kölner Druckerverleger in der Inkunabelzeit noch keinen Anlass sahen, ihre Titelseiten aufwendiger zu gestalten. Auf eine Untersuchung der für die Titel-blätter verwendeten Typen wurde hier verzichtet, da es sich weitgehend um schlichte Texttypen handelt. Stattdessen wurde der Schwerpunkt des zweiten Teils dieser Fallstudie auf eine intensive Analyse der illu- strierten Titelseiten gelegt. 2.4.3 Titelblatt und Titelbogen Hinsichtlich der Lagenstellung der Titelseite bieten die Kölner Drucke der Inkunabelzeit ein sehr einheitliches Bild. Bei 95 % der Drucke mit einer Titelseite befindet sich diese oder das Titelblatt am Anfang der Lage, in der auch der Text beginnt. In den restlichen, zumeist umfangreicheren Drucken steht sie am Anfang einer

——————— 84 So z. B. in den folgenden beiden Drucken: ISTC ia01064100, GW 2516, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 167; ISTC ij00373000, Voul- liéme: Buchdruck, Nr. 573. 85 Albertus Magnus: Commentaria in libros Physicorum Aristotelis. Köln: Heinrich Quentell, Dezember 1505.

vorgeschalteten Lage mit paratextuellen Elementen wie einem Register oder einer Tabula, die für Gelehrte ebenfalls einen sehr attraktiven Bestandteil des Buchs darstellten. Beide Gruppen verteilen sich proportional zur Zunahme der Titelblatt-Drucke relativ gleichmäßig über die Jahrzehnte der Inkunabelzeit.

Dieser Befund zeigt eindeutig, dass die Titelseite in Kölner Inkunabeln fast ausschließlich ein von vornherein vorgesehener Bestandteil der Drucke und nicht das Ergebnis späterer Umplanungen war. Aber von einer planvollen Verwendung eines Titelbogens im heutigen Sinne kann noch nicht die Rede sein. 2.4.4 Titelblatt und Folgeseiten Auch beim Verhältnis der Titelseiten zu den nachfol-genden Seiten zeigen die Kölner Inkunabeln mit Titelseite eindeutige Tendenzen. In gut der Hälfte der Titelseiten-Drucke (52 %) folgt – im Sinne eines tat-sächlichen Titelblatts86 – eine Leerseite auf die Titel-seite. Der Text beginnt sodann auf der Recto-Seite des zweiten Blatts in der ersten Lage. In knapp einem Drittel der Titelseiten-Drucke (30 %) wurde Blatt 1v bereits für den Textanfang genutzt. Dieser hohe An-teil an Titelseiten im engeren Sinne macht deutlich, dass die Kölner Druckerverleger das Titelblatt – anders als z. B. die Augsburger Druckerverleger87 – noch nicht uneingeschränkt als separaten Buchbe-standteil einsetzten, typographisch hervorheben woll-ten oder überhaupt wahrnahmen.

Bei der Hälfte der restlichen Titelseiten folgt auf die Titelseite unmittelbar auf Blatt 1v (4 %) oder mit zwi-schengeschalteter Leerseite auf Blatt 2r (5 %) ein bucherschließendes Vorstück (Register, Tabula, Tituli etc.). 6 % der Titelseiten weisen auf der Verso-Seite der Titelseite und vor dem Textbeginn auf Blatt 2r einen kleinen abgeschlossenen Text, z. B. eine Epistel, auf. Eine seltene Ausnahme blieben typographische Titelseiten mit einem Holzschnitt auf Blatt 1v und nachfolgendem Textbeginn auf Blatt 2r (3 %). 3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Uni- valente und multivalente Titelholzschnitte 3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multi-valente Titelholzschnitte Die hohe Anzahl illustrierter Titelseiten mit typogra-phischem Teil und einem textbezogenen Holzschnitt (etwa 94 % mit graphischen Elementen = etwa 226 Titelseiten) kam hauptsächlich durch den Produkti-onsschwerpunkt Heinrich Quentells zustande. Dieser verwendete für seine Drucke, deren Abnehmer im ——————— 86 Zur Differenzierung zwischen Titelblatt und Titelseite vgl. auch oben Anm. 16. 87 Vgl. Fallstudie Augsburg im folgenden Band.

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 125

Umfeld der Kölner Lateinschulen und der Universität anzunehmen sind, ab 1490 immer wieder die glei-chen Holzschnitte mit Magisterszenen (etwa 68 % der illustrierten bzw. insges. 144 Titelseiten). Bei diesem einen Buchtyp konstitutierenden Titelseiten-typus war ganz offensichtlich weniger eine konkrete Textillustration als ein optischer Wiedererkennungs-effekt mit Werbecharakter intendiert.

Die Ikonographie der übrigen illustrierten Titelsei-ten (31 %) weist zu gut drei Vierteln christologische, mariologische Themen, Heiligendarstellungen sowie Szenen sakramentaler Handlungen (Beichtszenen) oder geistliche Themen (Versuchung eines Priesters) auf. Die meisten dieser Holzschnitte sind nicht titel-seitenspezifisch. Ihre häufig nicht auf das Buchfor-mat abgestimmte Größe signalisiert ebenso wie die Nutzung weit verbreiteter Motive oder die Wieder-verwendung von Druckstöcken, dass sie aus einem anderen Kontext stammen können. Die Quellen die-ser Sorte illustrierter Titelseiten in Köln sind vor allem in den Bereichen der Textillustration und der kleinen Andachtsbilder zu suchen. So verwendete Ulrich Zell einen Metallschnitt mit der Geburt Chri- sti, der einer Illustrationsfolge mit Metall- und Holz-schnitten von zwei unterschiedlichen Händen ange-hörte, für die Titelseite seines um 1488 datierten Horologium devotionis.88 Die mehrfigurige Kreuzi-gung auf der Titelseite der Passio Christi ex quattuor evangelistis von Petrus Keyerslach, die Zell 1487 druckte, entspricht dem gängigen und für variable Funktionen verwendbaren ikonographischen Schema (Abb. 9).89 Das Layout dieser Titelseite fällt insofern unter den illustrierten Kölner Titelseiten auf, als der qualitätsvolle Holzschnitt oberhalb und nicht wie ge-wöhnlich unterhalb des Titels »Passio christi ex quat-tuor euangelistis per deuotum virum Petrum kyers-lach ordinis predicatorum collecta Cum tractatulo de planctu Marie« angeordnet ist. Die Anordnung des Holzschnitts unterhalb der Titelformulierung scheint sich erst mit der häufigeren Verwendung der illust-rierten Titelseite in den 1490er Jahren durchgesetzt zu haben. Zell strukturierte den genannten Druck zudem durch einen weiteren Kruzifix-Holzschnitt (Bl. 31v) und trennte durch ihn das Textende der Leidensgeschichte Christi von dem zweiten Text mit einem Traktat über die Marienklage.

Zur präziseren Beschreibung der illustrierten Köl-ner Titelseiten werden hier die Begriffe uni- und mul-tivalente Titelholzschnitte in Anlehnung an die Über-legungen Norbert H. Otts neu eingeführt. Ott um-schrieb im Zusammenhang seiner Untersuchung zu Beziehungen zwischen Stoffen, Texten und Illustratio-nen in Handschriften des Spätmittelalters die Multiva-

——————— 88 ISTC ib00503000, GW 4172, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 246 (I), Schramm, Bd. 8, S. 4, S. 17 u. Abb. 41. 89 Schramm, Bd. 8, Abb. 39.

lenz von Bildtypen sehr treffend: »Diese Multivalenz der Bildtypen, ihre Verfügbarkeit und Abrufbarkeit für den jeweils aktuellen Text ist wohl am besten mit ›Egalisierung‹ bezeichnet: Bildformeln mit ehemals spezifischem Sinn werden so verallgemeinert, daß ihre Benutzung unbegrenzt wird.«90

Die Verwendung funktional multivalenter Bilder für illustrierte Titelseiten kennzeichnete nicht nur die An-fangsphase der illustrierten Titelseiten in Köln. So wurde z. B. auch noch 1498 (16. Mai) in der Offizin ›Retro Minores‹ (Martin Werden?) ein kleiner Oktav-druck der Sermones XIII praedicabiles per totum an-num fertig gestellt, dessen Titelseite der Holzschnitt einer ›Anna selbdritt mit Heiliggeisttaube‹ ziert.91 Die stereotype, formelhafte Gestaltung dieses Holzschnitts passte aus der Sicht des Druckers offensichtlich in beliebige Zusammenhänge, so dass er keine Schwie-rigkeiten sah, ihn z. B. auch auf die Titelseite eines Donatus moralisatus (1498)92 zu platzieren. Heinrich Quentell versah, ohne dass die Titelformulierungen zwangsläufig dies verlangen würden, 1499 (20. Sep-tember) einen Druck der Summulae logicales des Pet-rus Hispanus93 und 1500 ein Resolutorium dubiorum circa celebrationem missarum occurentium des Johan-nes de Lapide94 mit demselben Holzschnitt, auf dem die Heiligen Drei Könige sich aus drei Richtungen kommend dem Stall mit Maria und Kind annähern. In diesem speziellen Fall könnte aufgrund des geringen Bezugs zwischen Text und Titelbild der Holzschnitt auch als Hinweis auf die Herstellung des Druckes in Köln interpretiert werden. Hermann Bumgart setzte um 1500 einen Holzschnitt aus dem für Andachtsbilder typischen ikonographischen Themenkreis der De imita-tione Christi des Thomas von Kempen mit dem kreuz-tragenden Christus, dem Maria mit einem Kreuz nach-folgt, auf die Titelseite eines Jubilarium aureum seu septena dominicae roseae passionis.95

In allen diesen Fällen nutzten die Drucker tradierte Bildformen und erweiterten deren Funktionsbereich für ihre Zwecke. Hierbei folgten sie letztendlich der Funktionszuweisung, die kirchliche Autoren während des gesamten Mittelalters und bis in die Renaissance immer wieder zur Rechtfertigung von religiösen Bildern in der Kirche angeführt hatten. Der Vorteil der Bilder gegenüber der Wortpredigt wurde darin gesehen, dass sie dem Bedürfnis des Menschen nach Vergegenwärtigung schriftlich fixierter Inhalte ent-gegenkamen und diese Inhalte sich durch optische Ein-

——————— 90 Vgl. Ott: Überlieferung, Ikonographie, S. 359f. 91 ISTC im00547000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 799, Schramm, Bd. 8, S. 27 u. Abb. 898. 92 Johannes Gerson: Donatus moralisatus. [Köln: Retro Minores (Martin Werden?), 1498] (ISTC ig00224000, GW 10870, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 464). 93 ISTC ij00236000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 934. 94 ISTC ij00373000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 573. 95 ISTC ij00492800.

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126 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Abb. 9: Illustrierte Titelseite mit Holzschnitt einer mehrfigurigen Kreuzigung: Petrus Keyerslach: Passio Christi ex quattuor evangelistis. [Köln: Ulrich Zell], 1487

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 127

drücke nachhaltiger einprägten als durch verbal ver-mittelte. Neben oder zum Teil möglicherweise an die Stelle der Aspekte Information, Kommemoration der Glaubenswahrheiten und Provokation der angemes-senen Geisteshaltung, die im Sinne der ›triplex ratio‹ mittelalterlicher Theologen für den Einsatz von Bil-dern sprachen,96 trat die Absicht der Druckerverleger, den potentiellen Käufern ihrer Drucke eine Orientie-rungshilfe zur Unterscheidung der Büchergattungen und eine optische Attraktion als Kaufanreiz zu bie-ten. Indem sie bekannte ikonographische Schemata aufgriffen, konnten sie sich einerseits vorhandener Druckstöcke bedienen und andererseits sich aufgrund lange eingeübter bilddialogischer Mechanismen auf die Verständlichkeit ihrer Titelillustrationen verlas-sen. Die Titelillustrationen informierten aber auch auf den ersten Blick darüber, dass die Bücher im weites-ten Sinne der gleichen Funktion wie die Bilder, näm-lich der Annäherung und Kontemplation der Glau-benswahrheiten, dienen sollten. Da mehr als die Hälfte der Kölner Inkunabeln theologischen Inhalts war, lag diese pragmatische Vorgehensweise nahe und verursachte den Druckern die geringsten Kosten.

Von größerem Interesse für die Entwicklung der illustrierten Titelseite ist der Weg der Bildfindung für diejenigen Drucke, mit denen noch keine Bildtraditi-on in Verbindung zu bringen war. Die beiden Mono-polisten im Kölner Buchdruck, Johann Koelhoff d. Ä. und Heinrich Quentell, vertraten auch hier zwei un-terschiedliche Lösungsmodelle, die den Gesamtein-druck vom Produktionsprofil der jeweiligen Offizin bestätigen. Die wenigen illustrierten Titelseiten Koel-hoffs d. Ä. waren Einzelfälle, die gegebenenfalls bei einer Wiederauflage des gleichen Druckes noch ein-mal Verwendung fanden. Heinrich Quentell hingegen verfolgte eine ganz andere Taktik. Er ließ im Lauf seiner Tätigkeit drei Druckstöcke mit verschiedenen Magisterszenen anfertigen, die er jeweils über mehre-re Jahre hinweg für eine Vielzahl unterschiedlicher Drucke einsetzen konnte.

Johann Koelhoff d. J. behielt die Vorgehensweise seines Vaters mit einer kleinen, aber wichtigen Va-riation bei, aufgrund der er die entscheidenden Vor-teile beider Lösungsmodelle miteinander vereinbaren konnte. 3.1 Textbezogene Titelillustrationen aus der Offizin der Koelhoffs Johann Koelhoff d. Ä. versah weniger als 20 seiner knapp 180 Drucke mit Holzschnitten. Nur wenige dieser Titelholzschnitte verwendete er mehrfach: sei-nen ersten Titelholzschnitt mit der Darstellung eines ——————— 96 Vgl. Baxandall: Wirklichkeit, S. 55–60; vgl. auch Belting: Bild und Kult, Kap. 19.

jüdischen Gelehrten mit Spruchband umgeben von einem durchgehend umlaufenden Zierrahmen sowie einen ebenfalls gerahmten Holzschnitt mit Beichtsze-nen und einen mit einer Magisterszene (siehe Tab. 4). Allerdings gehörte er zu den ersten Kölner Druckern, die die Möglichkeit des Titelholzschnitts überhaupt nutzten. Nachdem Bartholomäus von Unkel und Jo-hann Guldenschaff 1486 als erste jeweils eine ihrer Titelseiten mit einem Holzschnitt versehen hatten,97 machten Johann Koelhoff d. Ä. und Ulrich Zell98 im Jahr 1487 ebenfalls von dieser optischen Aufwertung der Titelseite Gebrauch.

Die Leistungen Johann Koelhoffs d. Ä. auf dem Gebiet des Holzschnitts wurden immer wieder mit der Begründung, dass seine Holzschnitte nur ›handwerks-mäßige‹ Qualität hätten, recht gering eingeschätzt, abgesehen von den Nachschnitten nach Buchillustrati-onen anderer Drucker.99 Jedoch sind für die Wahl seiner Titelholzschnitte Einzelfallentscheidungen cha-rakteristisch. Koelhoffs Leistung in diesem Bereich sollte daher nicht aufgrund der ästhetischen oder künst-lerischen Qualität der Titelholzschnitte grundsätzlich abgewertet werden. Stattdessen ist mit Ott die weniger aufwändige Gestaltung als Nebeneffekt der geringeren Dignität der Gattung Buchillustration zu verstehen.100 Koelhoffs entscheidendes Kriterium bei der Wahl sei-ner Titelholzschnitte wäre demnach die visuelle Ver-mittlung einer inhaltlichen Aussage und nicht der de-korative Charakter des Bildes gewesen. Allen seinen Titelholzschnitten gemein ist, dass zwischen der Iko-nographie des Titelholzschnitts und dem illustrierten Text konkrete Bezüge bestehen. Unabhängig davon, ob er Illustrationen anderer Drucker übernahm oder eige-ne anfertigen ließ, waren seine Titelholzschnitte zwar nicht alle eindeutig univalent wie z. B. die kölnspezifi-schen Holzschnitte oder derjenige mit den Beichtsze-nen, aber zumindest wesentlich weniger flexibel ver-wendbar als die im nachfolgenden Kapitel vorzustel-lenden von Heinrich Quentell. ——————— 97 Dirk Coelde van Munster: Kerstenspiegel (»Hantbochelgin oder Spegel des Kirstenmynschen«). [Köln: Bartholomaeus von Unkel?], 7. März 1486 (ISTC ic00747700, GW 7144, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 340. Titelseite mit Kruzifix); Conradus Sehusen: Arenga recommendatoria Maximiliani regis Romanorum. [Köln: Johann Guldenschaff, nach 16. März 1486] (ISTC is00366700, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1067, Schramm, Bd. 8, Abb. 19. Titelseite mit Schema der mystischen Spielerei). 98 Petrus Keyerslach: Passio Christi ex quattuor evangelistis. [Köln: Ulrich Zell], 1487 (ISTC ik00021000, Voulliéme: Buch-druck, Nr. 715. Titelseite mit Kreuzigung Christi). 99 Voulliéme: Buchdruck, S. XXVI: »Fassen wir das Resultat dieser Aufzählung zusammen, so erscheint das Verdienst des älteren Koelhoff um die Pflege des Holzschnittes als ein recht geringes: Das sich über das Niveau des Handwerksmäßigen Erhebende ist entlehn-tes Gut, kommt also zur Beurteilung der Kölner Buchillustration nicht in Betracht (Aesop u. Seelentrost), alles übrige ist ohne künstle-rische Bedeutung.« So ähnlich auch Schramm, Bd. 8, S. 5, über Johann Koelhoff d. Ä. 100 Vgl. Ott: Überlieferung, Ikonographie, S. 356–385.

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128 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

3.1.1 Die Aesop-Ausgabe Johann Koelhoffs d. Ä. Einzigartig unter den Kölner Titelholzschnitten ist die eindeutig univalente Titelseite für die Überset-zung der Fabeln des Aesop in niederdeutscher (Köl-ner) Sprache. Koelhoff d. Ä. ließ für diese Ausgabe von 1489 den Holzschnitt nachschneiden, der seit der ersten gedruckten Auflage des Erstherausgebers und Übersetzers Ulrich Steinhöwel (Ulm: Johann Zainer 1476/77)101 bis weit ins 16. Jahrhundert alle Folge-auflagen, so auch diejenigen in Augsburg102 oder Straß-burg,103 einleitete. In allen nicht-kölnischen Drucken erscheint der Holzschnitt allerdings auf der Verso-Seite des ersten Blatts und ist daher nicht als Titelil-lustration im engeren Sinne anzusehen, sondern als ein den Text einleitender Holzschnitt. Die Eigentüm-lichkeit dieses Aesop-Holzschnitts ermöglichte aller-dings beide Nutzungsformen. Der Holzschnitt zeigt den buckligen Aesop inmitten von 30 Tieren, Ge-genständen und Situationen, die seine verschiedenen Fabeln symbolisieren oder in Beziehung zu seiner Vita stehen.104 Gerd Dicke interpretierte den Holz-schnitt als »bildliches Inhaltsverzeichnis und als Ersatz zugleich für den noch fehlenden Buchtitel«.105 Über dem Kopf des Verfassers der Fabeln ist aber auch sein Name »ESOPVS« eingefügt. Dieser xy-lographische Schriftzug kann sowohl als Bildinschrift als auch als Titel aufgefasst werden.106 Koelhoff d. Ä. verstand ihn offensichtlich als Buchtitel: er stellte den Holzschnitt auf die erste Seite seines Druckes, trennte diese durch eine Leerseite (Bl. 1v) vom Text-beginn und erzeugte so ein Titelblatt im engeren Sinne. Den durch eine Holzschnittrahmung hervor-gehobenen Textbeginn ließ er auf Blatt 2r einsetzen. Koelhoffs ›importierte‹ Aesop-Titelseite kann dem-nach als zweite xylographische Titelseite in einer Kölner Inkunabel angesehen werden. Aufgrund ihres zwitterhaften Charakters ist sie zu den prädispositi-ven Vorstufen der illustrierten Titelseite zu rechnen.

——————— 101 Aesopus: Vita et Fabulae. Ulm: Johann Zainer, [um 1476–77] (ISTC ia00116000, GW 351, Schramm, Bd. 5, S. 18). 102 Vgl. Fallstudie Augsburg im folgenden Band. 103 Zum Beispiel Aesopus: Vita et Fabulae. [Straßburg: Hein-rich Knoblochtzer, 1481] (ISTC ia00113000, GW 348, Schramm, Bd. 19, S. 14). 104 »Requisiten äsopischer Streiche (Kochtopf, Schweinepfo-te), Fabelakteure (Wolf, Lamm, Grille), Dingsymbole äsopischer Lehrreden und Rätsellösungen (Zunge, Kräuter), Lebensstationen Äsops von der göttlichen Begabung mit Weisheit und Eloquenz (Isis) über die Lebensrettung (Hermippus’ Grab) bis zu seiner Hinrichtung (Felsensturz) und der bald danach schon sich einstel-lenden Verehrung durch die Nachwelt (Säulendenkmal).« Aus: Dicke: Esopus, S. 21. 105 Dicke: Esopus, S. 22, S. 121. Diese Gestaltungsvariante der Kölner Ausgabe des Aesop hat Dicke nicht berücksichtigt. 106 Vgl. Fallstudie Augsburg im folgenden Band.

3.1.2 Der Magisterszenen-Holzschnitt der Koelhoffs Ähnlich eindeutig im Textbezug und daher wesentlich eingeschränkter in den Nutzungsmöglichkeiten als bei Quentells Holzschnitten mit Magisterszenen war die einzige Magister- oder Unterrichtsszene, die auf vier Titelseiten von Johann Koelhoff d. Ä. sowie auf zwei Drucken von Johann Koelhoff d. J. zu finden ist. Ihre univalente Ikonographie ist nur im Zusammenhang mit ihrem ersten Erscheinen auf der Legenda Alberti Magni vom 11. September 1490 verständlich (Abb. 10). Der Titelholzschnitt zeigt, wie Albertus Magnus an einem Katheder sitzend unterrichtet. Der Weisegestus seiner linken Hand lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf eine nimbierte Mönchsgestalt unter seinen sechs Zuhörern, die durch den Schriftzug »Sanctus Thomas Aquinas« als Thomas von Aquin identifiziert ist. Das Spruchband über der Szene gibt die Prophezeiung des Albertus Magnus über die zukünftige Größe und Be-deutung des Thomas von Aquin wieder: »uos bouem mutum istum esse dicitis sed talem adhuc in doctrina dabit mugitum ut totus mirabitur mundus«.107 Warum Johann Koelhoff d. Ä. 1491 mit dem gleichen Holz-schnitt zudem jeweils eine Ausgabe von Aristoteles De anima und seinen Parva naturalia illustrierte, war der wahrscheinlich vorgebildeten Lesergruppe dieses Textes bzw. dem Betrachter der Titelseite verständ-lich. In diesem Personenkreis dürfte es bekannt gewe-sen sein, dass Thomas von Aquin der bedeutendste Aristotelesexeget (des Mittelalters) und der wichtigste Schüler des Albertus Magnus war. Wesentlich schwe-rer fällt es, eine Erklärung für den Einsatz des Holz-schnitts auf den Kölner Statuten Provincialia et syno-dalia ecclesiae Coloniensis von 1492 zu finden. Mög-licherweise entfremdete Koelhoff d. Ä. hierfür tatsäch-lich den Holzschnitt seinem ursprünglichen Kontext und signalisierte nur allgemein die Situation einer Disputation, deren Ergebnis die Statuten waren. Es könnte aber auch sein, dass er auf die wichtige Ver-mittlerrolle des Albertus Magnus im Streit zwischen Erzbischof Konrad von Hochstaden (1239–1261) und der Kölner Stadtgemeinde anspielen wollte.108 Die ursprüngliche Bildaussage über die Person bzw. die Leistungen des Thomas von Aquin könnte bei dieser Interpretation lediglich zur näheren Umschreibung des Albertus Magnus gedient haben.

——————— 107 Vgl. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 53f., Nr. 66 u. 67; Kimpel: Albert der Große, Sp. 71–73. 108 Vgl. Schäfke: Albertus Magnus, S. 35–44.

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 129

Tab. 4: Illustrierte Titelseiten von Johann Koelhoff d. Ä. Ikonographie der Titelillustration Druckausgabe Jahr

Jüdischer Gelehrter mit Spruchband, vierseitige Zierleiste

Gerardus de Vliederhoven: Cordiale quattuor novissimorum, dt.: Hertzlich gedechtnis van den veir uijsstersten 23. Juni 1487112

Jüdischer Gelehrter mit Spruchband, vierseitige Zierleiste Vocabularius: Curia palatium um 1487113

Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes, vierseitige Zierleiste

Dietrich Coelde: Handbüchelchen oder Spiegel eines Christenmenschen 1489114

Aesop, umgeben von Tieren und Gegenständen

Aesop. Vita et Fabulae, Lib. I-IV. Daran: Fabulae extravagantes. Fabulae novae. Fabulae Aviani. Fabulae collectae 14. März 1489115

Beichtszenen Poenitentionarius: Poeniteas cito 20. Dezember 1489116

Magisterszene Rudolphus de Novimagio: Legenda Alberti Magni. Daran: Jacobus de Gouda: Legenda compendiosa et metrica 11. September 1490117

Christus am Kreuz, umgeben von der Dornenkrone und den Namen der Kölner Kirchen mit Heiltümern

Der Doernenkrantz van Collen (ndt.) 9. Oktober 1490118

Mann mit drei Würfeln Der boiffen Orden um 1490119

Beichtszenen Confessionale: Formula purae confessionis um 1490120

Markolf mit seinem Weib vor König Salomon Dialogus Salomonis et Marcolphi (ndt.) um 1490121

Magisterszene Aristoteles: De anima (Kommentar: Johannes Mechlinia). Daran: Gerardus de Harderwyck: Epitome

28. Februar 1491122

Magisterszene Aristoteles: Parva naturalia (Kommentar: Johannes de Mechlinia). Ed: Jacobus de Amorsfordia

27. Oktober 1491123

Kaiser Justinian mit zwei Rittern zu Pferd Sifridus Teutonicus de Arena: Expositiones sive Declarationes titulorum utriusque juris

3. Dezember 1491124

Christus am Kreuz, umgeben von der Dornenkrone und den Namen der Kölner Kirchen mit Heiltümern

Aflais und Heyldoms der Stadt Colne (ndt.) 18. Februar 1492125

Christus in der Mandorla, umgeben von den 24 Altvätern

Otto von Passau: Die vierundzwanzig Alten, oder Der goldne Thron

26. Mai 1492126

Magisterszene Statuta Coloniensia: Provincialia et synodalia ecclesiae Coloniensis 29. September 1492127

Gekrönter Doppeladler mit Gekreuzigtem als Brustschild

Nicasius de Voerda: Lectura libri Institutionum, cum tractatibus de successionibus, de arboribus consanguinitatis, affinitatis, spiritua-lis cognationis et actionum. Ed: Gerardus de Harderwyck

6. April 1493128

109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125

——————— 109 ISTC ic00909300, GW 7516, Schramm, Bd. 8, Abb. 94–99. 110 ISTC iv00326200, Schramm, Bd. 8, S. 94. 111 ISTC ic00747800, GW 7145, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 341, Schramm, Bd. 8, Abb. 284–289. 112 ISTC ia00123000, GW 364, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 23, Schramm, Bd. 8, S. 18. 113 ISTC ip00841000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 971, Schramm, Bd. 8, S. 18. 114 ISTC ir00349000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1056, Schramm, Bd. 8, S. 18. 115 ISTC ic00755270, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 388. 116 ISTC ib00833000, GW 4613. 117 ISTC ic00805000, GW 7352.

118 ISTC is00103000, GW 12789. 119 ISTC ia00970000, GW 2347, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 141, Schramm, Bd. 8, S. 18. 120 ISTC ia01017000, GW 2428, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 159, Schramm, Bd. 8, S. 18. 121 ISTC is00496000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1087. 122 ISTC ia00157300, GW 8, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 248. 123 ISTC io00122000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 875, Schramm, Bd. 8, S. 18. 124 ISTC is00733000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1097, Schramm, Bd. 8, S. 18. 125 ISTC in00042000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 830.

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130 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Abb. 10: Illustrierte Titelseite mit Holzschnitt einer Magisterszene: Rudolphus de Novimagio: Legenda Alberti Magni. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 11. September 1490 Tendenziell ist eher an einen langsamen Ablösungs-prozess aus dem ursprünglichen Textzusammenhang zu denken, weil Johann Koelhoff d. J. offensichtlich keine Schwierigkeiten hatte, den ›Albertus-Magnus‹-Titelholzschnitt seines Vaters 1495 für eine zweibän-dige Ausgabe des Doctrinale des französischen Gram-matikers Alexander de Villa Dei (um 1170–um 1250) zu verwenden. Unter den Lesern und Käufern dieses Basislehrbuchs der Lateinschulen konnte das Wissen zur Entschlüsselung der komplexen Ikonographie der Titelseite höchstens bei den Lehrmeistern vorausge-setzt werden. Ein Bild-Text-Bezug unter Berücksich-tigung der ursprünglichen Bildaussage würde auch nur noch wenig Sinn ergeben. Eher scheint hier die Bildaussage auf die Wiedergabe einer prototypischen Lehrsituation reduziert worden zu sein. Da die Koel-hoffs nicht – wie Heinrich Quentell – eine erhebliche Anzahl von Drucken mit gleichen Holzschnitten versa-hen, muss eine endgültige Beurteilung dieses Vorgangs offen bleiben. Eine Einflussnahme Quentells auf die Koelhoff’sche Praxis der Titelblatt-Illustration ist wahr-scheinlich. Gleichzeitig zeigt sich hier, wie die Wie-derverwendung eines auf einen Text abgestimmten – univalenten – Titelholzschnitts zu Schwierigkeiten oder

schon fast zu einer Verunklärung beim Verständnis der Ikonographie, hier speziell der Nimbierung des Lehrers und eines des Zuhörers, führen konnte. 3.1.3 Der Doernenkrantz van Collen: Mnemotechnische Elemente auf der Titelseite In den seltensten Fällen ist nachvollziehbar, ob über-haupt und wie im Detail Autor oder Drucker die me-dialen Möglichkeiten des Buchdrucks und insbeson-dere der illustrierten Titelseite in inhaltliche Überle-gungen einbezogen. Genau dies belegt eine Textpas-sage am Ende des ersten Teils des Doernenkrantz van Collen, dessen Druck Koelhoff d. Ä. am 9. Okto-ber 1490 abschloss:

[...] daemit Coellen wyrdichlichen begaifft is Scho-ne bouen allen Steden eyn krone/ as vurschreuen in den heufftboichstauen eyns ytlichen Artykels be-greffen ist. Dairumb Sy billich hillich genant wyrt. want sy an allen enden mit dem bloede der hilligen merteler geverwt vnd mit dem verdienste der lieuen hilligen in allen eynden vmbgeuen vnd vmbgreiffen is So men dat klairlich vnd genoichelich an schau-wen mach in der figuren vp dem yrsten blade des boichs gedruckt. dae deser spruch in latynschen worden geschreuen steyt.126

Da zwischen der Fertigstellung des Textes selbst im Jahr 1468 durch den in Demut anonym verbliebenen Autor127 und der Druckausgabe Koelhoffs d. Ä. im-merhin 22 Jahre lagen, ist es wahrscheinlich, dass die betreffende Passage eine nachträgliche Ergänzung ist, die erst hinzugefügt wurde, nachdem Koelhoff d. Ä. die Entscheidung zugunsten einer illustrierten und wiederum eindeutig univalenten Titelseite ge-troffen hatte (Abb. 11).

——————— 126 Der Doernenkrantz van Collen. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 9. Oktober 1490, Bl. 19v (ISTC ic00755270, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 388). Zitiert nach dem Exemplar der 2. Auflage Köln UStB: Ennen 133, fol. 19v/[c5]v, Z. 13–24: Ablais und Heyldoms der Stadt Colne, ndt. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 18. Februar 1492 (ISTC ia00157300, GW 8, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 248). Vgl. auch Venns: Dornenkranz, S. 44. Die Titelseite dieser Auflage ist unbekannt. Aufgrund des wortwörtlich überein-stimmenden Hinweises auf die illustrierte Seite jeweils auf Bl. 19v ist es sehr wahrscheinlich, dass beide die gleiche unten beschrie-bene Titelseite aufgewiesen haben. 127 Wie Anm. 126, Bl. [L4]v/84v, Z. 26–32: »Und so wer dyt liest und mit vlysse besynnet der mach gunstlichen myrcken die meynunge und besseren den synn deser materien. Und vynden sy gebrech/dat sy dat van lieffden korrygeren. un bydden got vur den der dit zusamen gesatzt und geschreuen hait Des name got bekant is. Geschreuen. M.CCCC.lxviij. Deo gratias.«

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 131

Abb. 11: Doernenkrantz van Collen. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 9. Oktober 1490

Das Titelblatt weist am oberen Blattrand den typo-graphischen Titel »Der doernen krantz van Collen« und darunter einen durch eine einfache Linie viersei-tig gerahmten Holzschnitt mit dem Hexameter »Sancta Colonia diceris hinc. quia sanguine tincta Sanctorum. meritis quorum stas undique cincta.« und dem Motto »Collen eyn croyn. Bouen allen steten schoyn« als xylographische Inschriften auf. Im Zent-

rum befindet sich eine Kruzifix-Darstellung, die von einem zweiteiligen aus der Dornenkrone und den radial angeordneten Namen der Kölner Heiltümer gebildeten Kreisschema eingeschlossen ist.128 Der Kruzifixtypus folgt in starker Vereinfachung einer in Köln mehrfach rezipierten Vorlage, einem etwa um ——————— 128 Schramm, Bd. 8, Abb. 318.

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132 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

1475 entstandenen Kupferstich Martin Schongauers (um 1450–1491), die einen Terminus post quem für die Entstehung des Titelholzschnitts liefert.129 Die Komposition mit der Darstellung des Kruzifix inmit-ten zweier konzentrischer Kreise führt Dirk Venns auf eine Zeichnung in der ältesten Abschrift der Agrippina des Heinrich von Beeck zurück. Dort ist der Gekreuzigte von den Namen der Reichsstädte umge-ben.130

Ein Fehler bei der Aufzählung der Kölner Heiltü-mer, der vom Holzschneider im Arbeitsprozess kor-rigiert wurde, lässt vermuten, dass der Autor an der Konzeption der Titelillustration keinen Anteil (mehr) hatte. In der Vorrede des ersten Textteils ist von 36 Heiltümern die Rede, während im ersten Textteil selbst insgesamt 37 beschrieben werden. Eben diese Unge-nauigkeit der Vorrede hatte der Holzschneider über-sehen, der deshalb den Hinweis »Barbam carthuß«, d. h. auf die Kartause St. Barbara, außerhalb des Krei-ses ›anflicken‹ musste, weil er nur 36 Stationen in das Kreisschema integriert hatte. Mit dem auf den ersten Blick daher in seiner additiven Gestaltung etwas ungelenk wirkenden Titelblatt verfolgte Koel-hoff d. Ä. dennoch konkrete Zwecke. Der Aufmerk-samkeit erweckende Holzschnitt setzte durch die Dar-stellung des Dornenkranzes einerseits konkret den Titelwortlaut graphisch um und fasste den Inhalt des ersten Teils zusammen, so dass allein durch die Bild- betrachtung diese Textpartien ins Gedächtnis gerufen werden konnten. Andererseits ist die dem individuel- len Seelenheil des Lesers zuträgliche Lektüre bzw. nachvollziehende Heiligenverehrung mit dem Stadt-lob in einen Kontext gebracht, womit Koelhoff d. Ä. dem Selbstbewusstsein der Kölner entgegenkam und mit der Bedeutung der Stadt gleichzeitig für seinen Druck werben konnte.131 Auf beide Funktionen weist der oben zitierte Hinweis auf das Titelblatt im Buch selbst explizit hin.

Darüber hinaus sind in der Illustration der Titelsei-te des Doernenkrantz van Collen Prinzipien des An-ordnens und Verbildlichens wiederzuerkennen, die auf die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen mnemonischen Traktate zurückzuführen sind und als vorausdeutend auf die Gestaltung von Titelillustrati-onen im 16. und 17. Jahrhunderts angesehen werden können. Bernadette Schöller bringt die Gestaltungs- und Funktionsweisen gegenreformatorischer Druck-graphik mit der »Trias von Erfreuen, Belehren und Bewegen« in Verbindung, die Gabriele Paleotti 1582 im Hinblick auf die christliche Malerei und unter ——————— 129 Lehrs: Kupferstich S. 14; The illustrated Bartsch, Bd. 8, S. 239, Nr. 25 (130). Vgl. auch Gummlich: Bildproduktion, S. 236–239. 130 Vgl. Venns: Dornenkranz, S. 47, mit Hinweis auf Köln, HAStK: Chroniken und Darstellungen 19 (Autograph der Agrippina) und Chroniken und Darstellungen 20, Bl. 2v (älteste Abschrift). 131 Vgl. Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 165f.; Venns: Dornenkranz, S. 44ff.

Berufung auf die rhetorische Praxis als zentrale, auf die Rezipienten gerichtete Momente hervorhob.132 Unter Verweis auf drei Textpassagen133 aus der Summa Theologica des Thomas von Aquin stellt sie heraus, inwiefern »Eindringliche, von Ähnlichkeits-beziehungen geleitete Vorstellungen, ordnende Rei-hung des zu Erinnernden sowie emotionale Anteil-nahme und stete Übung« das Fundament der im 12. Jahrhundert wieder aufgegriffenen antiken Mnemo-nik (Gedächtniskunst) oder Mnemotechnik bilde-ten.134 Deren System diente der Einprägung und Wiedergewinnung eines zu merkenden Stoffes. Und eben dieses Systems bediente sich laut Schöller die gegenreformatorische Druckgraphik nicht nur, um zu belehren im Sinne der Aufgabe, die Bildern im Mit-telalter und der frühen Neuzeit grundsätzlich unter-stellt wurde, sondern gerade auch um gegenreforma-torische Propaganda einprägsam zu vermitteln.

Koelhoff d. Ä. war mit seiner Titelseite des Doer-nenkrantz van Collen wohl einer der ersten Kölner Druckerverleger – wenn nicht sogar der erste über-haupt – der in dieser Deutlichkeit ein an der zeitgenös-sischen mnemotechnischen Übung orientiertes gestal-terisches Verfahren einsetzte, das später in Graphiken wie dem Kupferstich Ein schöne Newe Fasten Spiegel (Incipit)135 mit Szenen der Versuchung Christi im Bildmittelpunkt, um die herum kreisförmig Fische

——————— 132 Schöller: Druckgraphik, S. 109; Paleotti: Discorso, S. 215 (libro primo, cap. XXI). 133 »Die Erinnerung hat ›[...] nicht nur einen Ausgangspunkt in der Natur, sondern auch sehr viel von Kunst und Fleiß an sich‹ (Cicero). Und es sind vier Dinge, durch die der Mensch sein Erinnern stärkt. Erstens muß er gewisse Vorstellungen suchen, die dem entsprechen, woran er sich erinnern will, aber nicht völlig gewohnt sind, weil uns das Ungewohnte mehr auffällt und den Geist mehr und stärker in Bann hält. Daher kommt es, daß wir uns mehr an das erinnern, was wir in der Kindheit gesehen haben. Nun ist aber das Finden solcher Vorstellungen oder Bilder (similitudi-num vel imaginum adinventio) notwendig, weil die einfachen und geistigen Begriffe leichter aus der Seele entschwinden, wenn sie nicht gleichsam durch gewisse körperliche Vorstellungen ange-bunden werden; denn die menschliche Erkenntnis ist mächtiger im Bereich es Sinnenfälligen. […] – Zweitens muß der Mensch das, was er in der Erinnerung behalten will, im Nachdenken so anord-nen, daß man von einem Gedächtnisinhalt leicht zu einem anderen fortschreitet. Darum sagt Aristoteles: ›Manchmal scheint man sich [an etwas] von seinem Ort her zu erinnern; der Grund aber liegt darin, daß man schnell von einem zum anderen kommt.‹ – Drittens muß der Mensch sich um das sorgen und sein Herz dem zuwen-den, woran er sich erinnern will, weil etwas um so weniger leicht entschwindet, je tiefer es dem Geiste eingeprägt wurde. [...] – Viertens müssen wir das häufig bedenken, woran wir uns erinnern wollen.« Zitiert nach Schöller: Druckgraphik, S. 109, bzw. Thomas von Aquin. »Summa Theologica«, Secunda secundae, quaestio 49,1. Übersetzt und kommentiert von Dominikanern und Benedik-tinern, Bd. 17 B, 1966, S. 248f. 134 Schöller: Druckgraphik, S. 109. 135 Kupferstich, beschnitten, 365 : 272 mm (Blatt), bez.: Ger-hart Altzenbach E., ohne Datum (wohl Mitte 17. Jahrhundert). Nürnberg GNM, Graphische Sammlung, HB 15961/1337. Vgl. Schöller: Druckgraphik, Abb. 39.

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 133

jeweils für einen der 40 Fastentage gruppiert sind, in ausgereifter Form wieder zu finden ist. Auf seiner Titelseite ist genauso um ein ›Konzentrationsmotiv‹ – den Kruzifix – mnemonisch geordnet und zum sukzes-siven Nachvollzug bestimmt eine Bild-Text-Kombina-tion angelegt (die Namen der Heiltümer in Strahlen-kranz und Dornenkrone). Mit den oben bereits zitier-ten Worten »So men dat klairlich vnd genoichelich an schauwen mach in der figuren vp dem yrsten blade des boichs gedruckt« am Ende des ersten Teils des Buchs weist er den Leser explizit auf eben diese Möglichkeit hin. Die Art der Gestaltung einer Graphik ist am Ende des 15. Jahrhunderts an sich noch nicht überraschend, innovativ sind allerdings die Bilderfindung und der Einsatz derartiger komplexer mnemonischer Mittel auf der Titelseite. Hinter der Verwendung mnemoni-scher Gestaltungselemente auf der Titelseite ist nicht nur der Hintergedanke einer besseren Handhabe für den Leser zu vermuten, sondern auch die Absicht, ein funktional attraktives Element als Blickfang an den Anfang des Buchs zu stellen. Dass in Köln die Mög-lichkeiten der Mnemonik grundsätzlich zumindest Anfang des 16. Jahrhunderts bekannt waren, belegen die Kölner Epistolae obscurorum virorum (1514 und weitere Ausgaben), die sich ironisch zu Thomas Mur-ners sehr ausgedehntem Gebrauch dieser Technik äußerten.136 Als Beispiel einer bildlich-mnemonischen Darstellung, die in Köln Ende des 15. Jahrhunderts entstanden sein könnte, ist die nachträgliche Zeich-nung anzuführen, um die die ursprünglich rein typo-graphische Titelseite einer aus der Kölner Gymnasial-bibliothek stammenden Ausgabe137 der Copulata tres super libros Aristotelis. De anima iuxta doctrinam Thomae de Aquino [Köln: Heinrich Quentell, um 1486]138 ergänzt wurde. Der skizzenhaften Feder-zeichnung eines barhäuptigen Mannes mit geöffnetem Oberkörper sind unter anderem schriftliche Erläute-rungen der Sinnes- und Denkfunktionen (Visus, Olfac-tus, Gustus, Estimativa, u. a.) beigefügt (Abb. 12).139

Der 1489 von Koelhoff d. Ä. für seine Aesop-Ausgabe übernommene Aesop-Holzschnitt gehört letztendlich in die gleiche Kategorie mnemonischer Bilder, da auch er zur sinnlich-räumlichen Einprä-gung von Begriffen oder genauer Begebenheiten dien-te. Im Unterschied zur Titelillustration des Doernen-krantz van Collen, für den Koelhoff d. Ä. eine Kom-bination aus schematisch-verbalem und figürlich-bildlichem mnemonischem Bild entwickelte oder entwickeln ließ, bewegt sich die Ikonographie des Aesop-Holzschnitts rein im konkret-figürlichen Be-

——————— 136 Vgl. Volkmann: Ars memorativa, S. 142. 137 Köln, UStB: GBIIb372f[6], Bl. 1r = [a1]r Titelseite. 138 ISTC im00837000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 720. 139 Die ausführliche Untersuchung dieser höchst komplexen Zeichnung ist noch nicht abgeschlossen. Zudem würden weitere Ausführungen den Rahmen der Fallstudie sprengen.

reich und ist als Einzelbild in die Nachfolge mnemo-nischer Bilderschriften wie dem Blockbuch Ars me- morandi notabilis per figuras evangelistarum, hic et post descripta, quam diligens lector legat et practicet per signa localia, ut in practica explicitur (ober-dt. ?, um 1470) einzuordnen.140

Johann Koelhoff d. J. engagierte sich mit insgesamt 22 Drucken wesentlich weniger im Buchdruck als sein Vater und fast genauso wenig wie er in der Buchillu- stration (Tab. 5). Jedoch sind alle seine Drucke mit Titelseiten und mehr als die Hälfte davon mit im weite-ren Sinne illustrierten Titelseiten versehen. Sein einzi-ges im eigentlichen Sinne durchgängig illustriertes Buch ist die bedeutende Cronica van der hilliger Stat van Collen von 1499, die wiederum ganz in der Tradi-tion Koelhoffs d. Ä. einen eindeutig für dieses Werk angefertigten Titelholzschnitt mit dem Kölner Wappen und den acht halbfigurigen heiligen Petrus, Severin, Maternus, Anno, Heribert, Agilolph, Kunibert und Evergislus aufweist. Ebenfalls kölnspezifisch ist die Ikonographie des zweimal für den Modus legendi abbreviaturas von 1493 und des Summarium des Jo-hannes Koelner de Vanckel von 1494 gebrauchten Titelholzschnitts mit einem Doppeladler mit dem Köl-ner Wappen als Brustschild. Dieser Holzschnitt steht weniger in unmittelbarer Beziehung zum Text, als dass er als Hinweis auf den Druckort Köln zu verstehen ist.

Wegweisend für die Entwicklung von Kölner Ti-telseiten im 16. Jahrhundert sind seine originellen Titelillustrationen der um 1498/99 in kölnischem Dia-lekt gedruckten Heiligenlegenden.141 Koelhoff d. J. fand einen Ausweg aus dem Konflikt zwischen dem wenig rentablen, weil nur begrenzt verwendbaren univalenten und dem in seiner Signalwirkung und Aussagekraft uneindeutigen bis fast schon beliebigen multivalenten Titelholzschnitt, indem er in Köln den Kombinationsstock einführte.

Er greift auf ein Verfahren zurück, das die Nutzung ein- und desselben Holzstocks für alle vier Drucke erlaubt: In richtiger Unterscheidung zwischen gene-rellen und individuellen Attributen hat die Heilige Palmzweig und Buch in den Händen, während ihre individuellen Attribute, die sonst an verschiedenen Stellen in die Bildkomposition eingefügt werden können, in die rechte untere Ecke gesetzt werden. Der ursprünglich einteilige Holzstock wird nun in zwei Teile zersägt, in die Platte mit der Heiligenfi-gur und ein auswechselbares Eckstück mit dem pas-senden Attribut. Für die Drucke mit gleicher Aus-stattung sind nun nur noch die fehlenden Eckstücke mit den weiter benötigten Attributen herzustellen.142

——————— 140 Vgl. Volkmann: Ars memorativa, S. 119–121 u. Abb. 109–111. 141 Vgl. Schramm, Bd. 8, Abb. 833–836. 142 Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 64; vgl. auch Schmitz: Überlieferung, S. 66f.

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134 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Abb. 12: Typographische Titelseite mit mnemonischer Skizze: Thomas von Aquin: Copulata tres super libros Aristotelis. De anima iuxta doctrinam Thomae de Aquino [Köln: Heinrich Quentell, um 1486]

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 135

Tab. 5: Illustrierte Titelseiten von Johann Koelhoff d. J.

Ikonographie der Titelillustration Druckausgabe Jahr

Kreuzigung Christi Dialogus beatae Mariae et Anselmi de passione Domini (ndt.): Vraege zo Marien van der Passie uns lieven Heren

1492144

Doppeladler mit Kölner Wappen als Brustschild

Modus legendi abbreviaturas 1493145

Doppeladler mit Kölner Wappen als Brustschild

Johannes Koelner de Vanckel: Summarium textuale et conclusiones super Sextum, Clementinas et Decretales extravagantes Johannis XXII

1494146

König thronend mit Pagen, Wappenschild mit drei Lilien

Descriptio apparatus bellici Caroli Regis Franciae intrantis Italiam. Daran: Prognosticon 1496

um 1495147

Magisterszene Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars I) (Kommentar: Gerardus Zutphaniensis)

24. Juli 1495148

Magisterszene Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars II) (Kommentar: Gerardus Zutphaniensis)

28. September 1495149

Kreuzigung Christi Medulla artis grammaticae sive aureum compendium, P. 2 1. Dezember 1495150

Weibliche Heilige mit Turm (hl. Barbara) Sent Barbaren passie vor Jahreswechsel 1498/1499151

Weibliche Heilige mit Rad und Schwert (hl. Katharina)

Sent Katerinen passie vor Jahreswechsel 1498/1499152

Weibliche Heilige mit Drache (hl. Margaretha)

Sent Margareten passie vor Jahreswechsel 1498/1499153

Weibliche Heilige mit Turm (hl. Barbara) Sent Barbaren passie Ende 1499154

Kreuzigung Christi Dialogus beatae Mariae et Anselmi de passione Domini (ndt.): Vraege zo Marien van der Passie Jesu Christi

21. März 1499155

Kölner Wappen mit 21 Flämmchen und acht Heiligen

Die Cronica van der hilliger stat van Coellen 23. August 1499156

Kreuzigung Christi Die Frau vom Himmel um 1500157

Ritter Lancelot mit Fahne Historie van Lanslot ind dye schone Sandryn um 1500158

143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157

——————— 143 ISTC ia00764300, GW 2043, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 118. 144 ISTC im00749500, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 817. 145 ISTC ik00032000, GW 9714, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 695. 146 ISTC ic00214000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 366. 147 ISTC ia00444790, GW 1076, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 70. 148 ISTC ia00451830, GW 1109, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 84. 149 ISTC im00438500, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 786, GW 11052. 150 ISTC ib00098200, GW 3334, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 890, Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 251 PB B 1. 151 ISTC ic00278920, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 893, Rau-tenberg: Überlieferung und Druck, S. 260 PB K 1. 152 ISTC im00261120, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 895, Rau-tenberg: Überlieferung und Druck, S. 265 PB M 1.

153 ISTC ib00098400, GW 3335, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 891, Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 252 PB B 2. 154 ISTC ia00764500, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 119, GW 2045. 155 ISTC ic00476000, GW 6688, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 324, Schramm, Bd. 8, S. 26. Die Cronica van der hilliger Stat van Coellen. Originalgetreuer Nachdruck eines Frühdrucks von Johann Koelhoff d. J., Köln 1499 nach einem Exemplar der Diözesan-Bibliothek Köln mit einem Kommentar von Severin Corsten. Hamburg: Wittig 1982. 156 ISTC if00308000, GW 10318. 157 ISTC il00032700, GW 12626.

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136 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

3.2 Zielgruppenorientierte Titelillustration aus der Offizin des Heinrich Quentell: Magister-szenen auf Drucken für die Schullektüre Aus der Offizin Heinrich Quentells gingen mit mehr als 150 die meisten Kölner Drucke mit illustrierten Titel-seiten hervor. 94 % dieser Titelseiten weisen von 1490 bis ans Ende seiner Drucktätigkeit (1501) eine grund-sätzlich übereinstimmende Ikonographie auf. Heinrich Quentell nutzte für diese Titelseiten den sogenannten Accipies-Holzschnitt und vier Holzschnitte mit unter-schiedlichen Magisterszenen – sämtlich wegen ihrer Größe nur für die Illustration von Drucken in Quart geeignet. Die anderen Titelseiten illustrierte er mit Holzschnitten der Anna selbdritt, der Anbetung der Heiligen Drei Könige, der Kreuzigung Christi und eines Autors in seiner Schreibstube.

Von besonderem Interesse ist seine Vorgehenswei-se bei der Verwendung der Accipies- und Magister-szenen-Holzschnitte als Titelseiten-Illustration. Für Heinrich Quentell kann weder in Anspruch genommen werden, dass er als erster Drucker überhaupt Magister-szenen als Titelillustration verwendete, noch ist die ikonographisch multivalente Titelillustration in ihrem Ursprung auf ihn zurückzuführen. Wilhelm Ludwig Schreiber und Paul Heitz resümierten bereits 1908:

Die Niederländer sind die Erfinder der Titelillu- strationen für Schulbücher und Amerbach in Basel folgt seit 1489 als erster ihrem Beispiel. Um 1490 oder 1491 entschließt sich Quentell, seinen Accipies- Holzschnitt fast allen von ihm gedruckten Schul-büchern voranzustellen und gibt damit das Signal für die übrigen deutschen Drucker. Wer einen Holz-stock besitzt, der sich allenfalls zu diesem Zwecke eignet, benutzt ihn, die anderen lassen sich neue an-fertigen; und die Mode, die Schulbücher mit einem Bilde zu versehen, gewinnt mehr und mehr an Aus-dehnung, bis sie in dem Zeitraum von 1495 bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht.158

Dennoch ist an Quentells Holzschnitten mit Magi- sterszenen die Entwicklung von der Erstnutzung eines ikonographisch univalenten Holzschnitts über seine unveränderte Fremdnutzung für die Titelseiten anderer Texte, hin zur veränderten Fremdnutzung und schließlich der Verwendung ikonographisch multiva-lenter Titelholzschnitte sehr gut nachvollziehbar. Schließlich belegt darüber hinaus Quentells Rück-kehr zu ikonographisch univalenten Titelholzschnit-ten für einige wenige Drucke in den Jahren 1496 und

——————— 158 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 24; zu den niederländischen Ausgaben mit einer Magisterszene vgl. ausführlich Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 5.

1497 seine bewusste Entscheidung für die eine oder andere Möglichkeit.

Die fünf verschiedenen Holzschnitte Heinrich Quen-tells zeigen jeweils einen Lehrer, der zwei, drei oder vier Schüler unterrichtet. Die Ikonographie dieses Magister-in-cathedra- oder Magister-Scholaren-Motivs ist laut Florens Deuchler letzten Endes von Darstel-lungen Christi im Gebet, als Lehrer oder Prediger ab-zuleiten. Viele Züge der säkularisierten Magister-Bilder haben ihre Wurzeln in seit dem frühen und hohen Mittelalter gängigen Einzelmotiven, wie z. B. der sitzenden Haltung der Jünger, die ihrem Lehrer zuhö-ren, über seine Worte nachdenken und mit begleiten-den Handbewegungen dialogisieren, nur dass die Sze-ne in einen anderen Schauplatz, den Hörsaal, versetzt ist. Weitere typische Kennzeichen der in der Spätgotik in Buchmalerei und Buchillustration weit verbreiteten Magisterszenen sind Frontalität oder Seitenwendung des Lehrers, die Dialogsituation sowie die wechselnde Anzahl der Schüler.159

Für die Kölner Magisterszenen-Holzschnitte, an de-ren Anfang eine Darstellung des Aristoteles-Exegeten Thomas von Aquin stand, ist von besonderem Interes-se, dass unter anderem auch für Aristoteles formal und ikonographisch genau diese Darstellungsform in der spätmittelalterlichen Buchmalerei verwendet wurde. So ist z. B. in Add. MS 15692 (British Library, Lon-don) Aristoteles bartlos mit Barett und Talar bekleidet wiedergegeben, wie er links im Bild auf einer Bank vor einem Pult sitzend vier Schüler, die in der rechten Bildhälfte entsprechend ihrer Bedeutungsgröße etwas kleiner dargestellt sind, unterrichtet. In den Händen hält er ein geöffnetes Buch, aus dem er doziert. Ein weiteres Buch liegt geschlossenen auf dem Pult.160 3.2.1 Der Accipies-Holzschnitt (1490–1495) Heinrich Quentell machte sich die Allgemeinverständ-lichkeit von Schulszenen (Accipies-Holzschnitt)161 zunutze und ließ sie 1490 von einem Holzschneider mit der Ikonographie des Thomas von Aquin zu einem Titelholzschnitt für einen bestimmten Text, die Copulata tractatuum Petri Hispani et parvorum logi-calium etiam Syncategorematum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis,162 verbinden (Abb. 13). Schreiber und Heitz führten den Nachweis, dass auf diesem Holzschnitt der 1323 kanonisierte Kirchen-lehrer Thomas von Aquin – und nicht Gregor der

——————— 159 Vgl. Deuchler: Magister, S. 63–69. 160 Vgl. Stammler: Aristoteles, S. 204 u. Anm. 25 sowie Abb. 2. 161 Nachfolgend die verschiedenen Bezeichnungen des Holz-schnitts in der Sekundärliteratur: Voulliéme: Buchdruck: »Quen-tells Titelholzschnitt a«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 18«; Schramm, Bd. 8, Abb. 484. Der GW bezieht sich in seinen Angaben auf Schreiber/Heitz. 162 ISTC ij00238600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 930.

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 137

Große – mit der Taube des Heiligen Geistes auf der Schulter wiedergegeben ist. Im Einzelnen zeigt der Holzschnitt in der linken Bildhälfte einen sitzenden Lehrer vor einem Katheder, auf dem ein geöffnetes Buch mit durch Punkte angedeuteten Schriftzeichen liegt. Sein Sitz ist von einem verzierten Baldachin gekrönt. Er trägt eine runde Magisterhaube, sein Kopf ist von einem Nimbus umgeben. Auf seiner rechten Schulter sitzt eine Taube. Zwei Schüler sitzen mit geöffneten Büchern vor ihm auf dem schwarz-weiß gekachelten Fußboden. Über den Köpfen des Lehrers und der Schüler schwebt ein Schriftband mit der Aufschrift »Accipies tanti doctoris dogmata sancta«. (Du sollst die heiligen Glaubenswahrheiten vieler Gelehrter empfangen.) Die Szene ist in einen annä-hernd perspektivisch wiedergegebenen Innenraum versetzt. Hinter dem Lehrer befindet sich ein Fenster mit Fensterkreuz. Ein zweites, rundbogiges Fenster gibt den Blick auf eine schematisch nur angedeutete Landschaft frei.

Die Inschrift des Spruchbandes »Accipies tanti doctoris dogmata sancta« kann von dem Titelzusatz der von Thomas von Aquin bearbeiteten Copulata des Petrus Hispanus in Quentells Ausgabe vom 16. Mai 1496 abgeleitet werden und bezieht sich offen-sichtlich auf eine Studien- oder Lektüreempfehlung für die Lehrer der Kölner Montanerburse:

Copulata commentaria textui omnium tractatuum Petri hyspani. etiam paruorum logicalium et trium modernorum per quem solerter inserta. Iterum at-que iterum emendata et diligentissime correcta se-cundum irrefragabilem et fundatissimam doctri-nam diui Thome Aquinatis. perpateticorum inter-pretis veracissimi. Ac iuxta frequens exercitium ma-gistrorum Coloniensium gymnasii in bursa Montis regentium. qui tanti doctoris sancti sectatores exis-tunt sincerissimi propagatoresque fidelissimi.163

Diese nach dem Spruchband als Accipies-Holzschnitt bezeichnete Titelillustration wurde von Quentell, so-weit es seine datierten Drucke überliefern, sicher min-destens vom 7. April 1490164 bis zum 6. April 1495 verwendet.165 Da ein derartiger Textbezug allein bei diesem Kölner Titelholzschnitt nachgewiesen werden kann, darf die Bezeichnung Accipies-Holzschnitt nur für diesen Holzschnitt verwendet werden.

Noch in dem Jahr, in dem Quentell den Holzschnitt kontextgebunden eingeführt hatte, ignorierte er die Tatsache, dass im Holzschnitt der Kirchenlehrer Tho-mas von Aquin dargestellt war und setzte ihn auf die Titelseite einer kommentierten Floretus-Ausgabe des Bernhard von Clairvaux, die vor den 14. Oktober 1490

——————— 163 ISTC ij00239100, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 932. 164 ISTC ij00238600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 930. 165 ISTC iv00210000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1205, Schramm, Bd. 8, S. 22.

datiert wird.166 Er scheint auch nachfolgend keine Schwierigkeiten damit gehabt zu haben, die Aufforde-rung auf dem Spruchband auf andere Autoren zu über-tragen, auch wenn die Ikonographie mit Heilig-Geist-Taube und Nimbus eigentlich unpassend war. Am Anfang von Quentells Bemühungen um einen rationell wieder verwendbaren Titelholzschnitt stand demnach die Entfremdung eines ikonographisch univalenten Titelholzschnitts. Möglicherweise empfand er zu-nächst – spätestens 1495 änderte er seine Meinung – gar keinen Widerspruch aufgrund der allgemeiner formulierten oder zu verstehenden Aufforderung zu Lektüre und Studium der ›Doctores sancti‹. Vielleicht war es aber auch schlichtweg Sparsamkeit und nach einer gewissen Zeit schließlich die Signalwirkung des Holzschnitts, die ihn bewog, fünf Jahre lang etwa 80 seiner ›Schulbücher‹ im weiteren Sinne regelrecht zu kennzeichnen. Die Signalwirkung des Accipies-Holz-schnitts war offensichtlich so bedeutend, dass sie eine umfangreiche Rezeption des Holzschnitts für illustrier-te Titelseiten in ganz Deutschland auslösen konnte.

Dieses, auf den ersten Blick unverständliche Inter- esse [an Quentells qualitativ mittelmäßigen Acci-pies-Holzschnitt] findet aber seine Erklärung in dem Umstande, daß die Bewegung in dem Jahre 1495 begann, also zu der Zeit, wo Quentell seinen stark abgenutzten Holzstock nicht mehr gebrau-chen konnte und seine Drucke mit einem anderen Bilde schmücken mußte. Die Lösung ist also die, daß nicht der Holzschnitt zur Nachahmung an-spornte, sondern der gute Ruf, den sich die Quen-tellschen Ausgaben erworben hatten. Das Titelbild mit dem Heiligen und seinen beiden Schülern war ein Empfehlungsbrief geworden, und da Quentell selbst keine Bücher mit diesem Bilde mehr auf den Markt brachte, die Käufer aber nach solchen suchten, so benutzten die nicht allzu gewissenhaf-ten Kollegen die günstige Gelegenheit, um ihren Erzeugnissen unter falscher Flagge einen besseren Absatz zu verschaffen.167

——————— 166 ISTC ib00392000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 232, Schramm, Bd. 8, S.20. 167 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 19. Siehe dort auch zur detail-lierten Aufzählung der Nachahmer.

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138 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Abb. 13: Illustrierte Titelseite mit Accipies-Holzschnitt: Petrus Hispanus: Copulata tractatuum Petri Hispani et parvorum logicalium etiam Syncategorematum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis. Köln: Heinrich Quentell, 7. April 1490

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 139

Quentell hatte also schon mit seinem ersten illustrier-ten ›Schulbuch‹-Titelholzschnitt erreicht, dass die intendierten Leser und insbesondere auch potentiel-len Käufer seiner Bücher auf den Titelseiten nicht nur die verbale Vorabinformation über den Inhalt wahrnahmen, sondern er schaffte es darüber hinaus auch noch, die Besitzer seiner Schulbücher quasi auf den leicht wieder zu erkennenden Holzschnitt und werbenden Blickfang im Hinblick auf den Kauf wei-terer Schulbücher wie auf ein Markenzeichen zu konditionieren. Die künstlerische Qualität des Holz-schnitts spielte offensichtlich weder für die Leser noch für die Druckerverleger eine Rolle, die außer-halb Kölns den Holzschnitt nach 1495 übernahmen. 3.2.2 Die erste multivalente Magisterszene (1494–1500) Bevor sein Accipies-Holzschnitt wegen der häufigen Nutzung völlig unansehnlich geworden war, bemühte sich Quentell um Ersatz und fand ein geeignetes Vorbild in einem Holzschnitt mit einem Lehrer und vier Schülern. Dieser Holzschnitt erschien zuerst in Nürnberg um 1490 bei Friedrich Creussner und war bereits 1492 an den Nürnberger Druckerverleger Peter Wagner gegangen.168

Der Holzschnitt169 zeigt in Seitenansicht links ei-nen Lehrer an einem Katheder mit aufgeschlagenem Buch, der vier in der rechten Bildhälfte sitzende Schüler unterrichtet. Drei der Schüler blicken zu dem Lehrer auf, der vierte ist dem Betrachter zugewendet und blickt aus dem Bild heraus. Die Szene ist in einen gotischen Innenraum versetzt.

Verglichen mit dem Accipies-Holzschnitt war Quentells Holzschnitt mit dieser Magisterszene in zwei Beziehungen vorteilhafter: Sie war einerseits ästhetisch ansprechender und andererseits in ihrer Ikonographie weniger festgelegt. Weder der Lehrer mit Barett und Baculus noch die Schüler mit Schreib-tafeln und Griffeln in den Händen sind mit Attributen versehen, die über grundsätzliche Standesangaben hinausgehen. Stattdessen erlaubte eine kleine Freiflä-che oberhalb der Schüler das Einfügen einer typogra-phischen Inschrift, in der Quentell den jeweiligen Namen des Lehrers bzw. Autors mit dem Zusatz »cum discipulis (suis)« angeben konnte. Es kann hier nun tatsächlich von einem multivalenten Titelholz-schnitt gesprochen werden. Quentell ist außerdem eine bewusste Abwendung von dem ikonographisch

——————— 168 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 18, S. 48f. 169 Der Holzschnitt wird unter folgenden Bezeichnungen in der Sekundärliteratur geführt: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt b«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 56«; Schramm, Bd. 8, Abb. 485 u. 486. GW bezieht sich in seinen Angaben auf Schreiber/Heitz.

ursprünglich eindeutigeren Accipies-Holzschnitt für seine Schulbuch-Produktion zu unterstellen, weil er sich parallel zu diesem multivalenten Holzschnitt 1496 und 1497 für Thomas von Aquin-Texte eines speziellen Titelholzschnitts bediente.

Quentell verwendete seinen ersten multivalenten Magisterszenen-Holzschnitt laut GW nicht das erste Mal im Jahr 1495,170 sondern bereits für eine Ausga-be des Doctrinale (Pars I) von Alexander de Villa Dei, die das Fertigstellungsdatum 2. November 1494 trägt,171 nutzte ihn 1495 noch parallel mit dem Acci-pies-Holzschnitt und danach regelmäßig bis 1499 (Abb. 14). Das letzte Mal taucht er wiederum auf der Titelseite einer Ausgabe des Doctrinale (Pars I) vom 5. Juni 1500 auf.172 Nach der Ausmusterung des Accipies-Holzschnitts übernahm dieser erste multiva-lente Magisterszenen-Holzschnitt für an die 50 Dru-cke dessen Funktionen eines visuellen Hinweises auf Inhalt und Nutzungsmöglichkeit und wird eine ähnli-che Signalwirkung erreicht haben. Denn sonst hätte ihn Quentell vermutlich früher durch einen geeigne-teren Titelholzschnitt ersetzt. 3.2.3 Der Thomas von Aquin-Holzschnitt (1496 und 1497) Bei Quentell ist zumindest ab 1496 eine bewusste Wahl ikonographisch uni- oder multivalenter Holz-schnitte für seine Titelillustrationen festzustellen. In diesem Jahr brachte er eine Ausgabe der Copulata tractatuum Petri Hispani etiam parvorum logicalium et trium modernorum, cum textu, secundum doctri-nam Thomae Aquinatis (16.–31. Mai 1496) heraus.173 Für den Titel ließ er einen Holzschnitt174 anfertigen (Abb. 15), der insgesamt anscheinend nur drei Mal zur Verwendung kam.175 Im Zentrum des Holz-schnitts ist Thomas von Aquin mit Magisterhaube und der Heilig-Geist-Taube auf der Schulter zu se-hen. Er sitzt auf einem thronartigen Sitz mit Balda-chin und Maßwerkverzierungen. Er unterrichtet drei Schüler, von denen zwei vor ihm bzw. in der rechten Bildhälfte und ein dritter zu seiner Rechten bzw. in der linken Bildhälfte sitzen, aus einem aufgeschlage-nen Buch, das auf einer Halterung mit einem abge-winkelten Holzarm vor ihm liegt. Um das Buch herum ——————— 170 Vgl. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 49. 171 ISTC ia00444700, GW 1072. 172 ISTC ia00445030, GW 1083, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 72. 173 ISTC ij00239100, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 932. 174 Der Holzschnitt wird unter folgenden Bezeichnungen in der Sekundärliteratur geführt: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt c«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 49«; Schramm: Bd. 8, Abb. 488 u. 489. GW bezieht sich in seinen Angaben auf Schreiber/Heitz. 175 Die von Schreiber und Heitz postulierte Abhängigkeit dieses Holzschnitts von der Nürnberger Kopie des Quentell’schen Accipies-Holzschnitts ist nicht nachvollziehbar. Vgl. Schreiber/ Heitz: Accipies, S. 45.

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140 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Abb. 14: Illustrierte Titelseite mit Quentells erster multivalenter Magisterszene: Johannes Versoris: Quaestiones super omnes libros novaelogicae (Pars II). Köln: Heinrich Quentell, 23. Juli 1497

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 141

Abb. 15: Illustrierte Titelseite mit Quentells Thomas von Aquin-Holzschnitt: Petrus Hispanus: Copulata tractatuum Petri Hispani etiam parvorum logicalium et trium modernorum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis. Köln: Heinrich Quentell, 16. bis 31. Mai 1496

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142 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

ist ein mehrfach verschlungenes Spruchband darge-stellt. Oberhalb des einzelnen Schülers in der linken Bildhälfte ist eine weiße Freifläche gelassen, in die genauso wie in das Spruchband und eine schmale Fläche am unteren Bildrand typographischer Text ein- gefügt werden konnte. Die Freiflächen sind sämtlich nur für die Ausgabe der Copulata von 1496 genutzt und belegen die Identifizierung des Lehrers als Tho-mas von Aquin. Im Spruchband steht »S. Thomas« sowie »Thomiste eius discipuli«. Auf der Freifläche ist angemerkt: »Qui fueris cupidus sophie mox carpere flores Scripta Thome diui perlege doctus eris«. Ein zweites Mal nutzte Quentell den Holzschnitt für eine Ausgabe der Opera des Aristoteles unter dem Titel Expositiones textuales dubiorum mit einem Kommen-tar des Thomas von Aquin (22. September 1497).176 Die Darstellung des Aristoteles-Exegeten Thomas von Aquin verweist auf seine Autorschaft für den Kom-mentar und bürgt quasi für die Qualität der Ausgabe. In beiden Fällen passt die ikonographische Univalenz des Titelholzschnitts eindeutig zum Inhalt des Buchs.

Im gleichen Jahr (1497) entfremdete Quentell je-doch schon diesen für seine Zwecke nur bedingt brauchbaren Holzschnitt seines ursprünglichen iko-nographischen Kontextes und verwendete ihn für die Postilla super epistolas et evangelia des Guillermus Parisiensis. Der Titelholzschnitt unter dem dreifach gestuften typographischen Titel »Postilla Guillerini Epistolas et Euangelia de Tempore et Sanctis et pro defunctis« weist die Inschrift »Guillerinus Magister Parisiensis« auf, womit Quentell eindeutig kenn-zeichnete, dass der abgebildete Lehrer nun als der Autor des Kommentarbandes zu verstehen sei.177 3.2.4 Die zweite multivalente Magisterszene (1499–1500) Ein zweiter multivalenter Magisterszenen-Holzschnitt178 ist um 1499 mit einigen wenigen Drucken Heinrich Quentells in Verbindung zu bringen. Er kam im 15. Jahrhundert in seiner Offizin allerdings erstaunlicher- weise nur für einige wenige Titelseiten zur Verwen-dung, obwohl er genauso wie der Magisterszenen-Holzschnitt nach dem Nürnberger Vorbild das Krite- rium der ikonographischen Multivalenz aufgrund des Verzichts auf personenidentifizierende Attribute voll und ganz erfüllte. Der qualitätsvolle und komposito-risch ausgewogene Holzschnitt setzte sich auf Quen-tell’schen Titelseiten nicht durch – vielleicht weil er

——————— 176 ISTC ia00967000, GW 2342, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 150. 177 ISTC ig00703000, GW 11977, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 538, Schramm, Bd. 8, S. 23. Überprüft am Original in Bonn ULB: Inc. 509, Bl. 1r. 178 Der Holzschnitt wird unter folgenden Bezeichnungen in der Sekundärliteratur geführt: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt g«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 59«; Schramm, Bd. 8, Abb. 901. GW 2503 bezieht sich in seinen Anga-ben auf Schreiber/Heitz.

durch seine deutlich von den bisherigen Magistersze-nen abweichende Bildkomposition die Signalwirkung der früheren Holzschnitte nicht im gleichen Maß übernehmen konnte.

Vermutlich stand der Druckstock nur sehr einge-schränkt in Quentells eigener Offizin zur Verfügung, da der Typenbefund von Anfang an Bezüge zu einer zweiten Offizin belegt. Die Ausgabe De declaratione difficilium terminorum tam theologiae quam philo-sophiae ac logicae des Armandus de Bellovisu vom 23. August 1499, dessen Titelseite den Holzschnitt trägt (Abb. 16), ist laut Voulliéme das Ergebnis einer Kooperation Quentells mit der bzw. einer teilweisen Auftragsvergabe an die Kölner Offizin ›Retro Mino-res‹ (Martin Werden?), die »opera atque impensis Henrici Quentell« druckte.179 Gleiches wies Voulliéme für die um 1499 gedruckte Ausgabe von Wilhelm Zenders de Werts Lilium grammaticae180 sowie ein Exercitium grammaticale puerorum vom 9. November 1500 nach.181 Endgültig stand der Druckstock wohl ab 1501 allein der Offizin ›Retro Minores‹ zur Verfügung und wurde dort bis 1513 auch häufig genutzt.182

In dem Holzschnitt ist eine Unterrichtsszene mit einem nahezu frontal wiedergegebenen Lehrer hinter einem breiten Katheder mit eisenbeschlagenen Türen im Bildzentrum und vier Schülern dargestellt. Die Schüler sitzen mit Büchern in den Händen rechts und links in Zweiergruppen auf Bänken im Vordergrund. Der Unterricht findet in einem Innenraum mit ver-glasten Fenstern und einem gekachelten Fußboden statt. Vom Typus her ist er am ehesten den frühen niederländischen Titelholzschnitten mit Magistersze-nen von Gerard Leeu (Antwerpen), Gotfrid van Os (Gouda) und Richard Paffraet (Deventer)183 ver-wandt, in denen ein nicht individualisierter Schulleh-rer frontal und im Bildzentrum von drei bis fünf Schülern umgeben war. Kennzeichnend für diese Titelholzschnitte war bereits seit 1486 die durch den Verzicht auf individuelle Attribute angestrebte multi-valente Verwendungsmöglichkeit für unterschied-lichste Unterrichtswerke.

——————— 179 ISTC ia01057000, GW 2503, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 163, Schramm, Bd. 8, S. 24. Vgl. Voulliéme: Retro Minores, S. 103, Nr. 21. 180 ISTC iz00021760, GW 12082, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1265. 181 Exercitium grammaticale puerorum. Köln: Heinrich Quen-tell, 9. November 1500 (ISTC ie00137150, GW 9509). 182 Vgl. Voulliéme: Buchdruck, S. LIIIf. 183 Vgl. dazu Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 5.1–5.3.

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3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 143

Abb. 16: Illustrierte Titelseite mit Quentells zweiter multivalenter Magisterszene. Armandus de Bellovisu: De declaratione difficilium terminorum tam theologiae quam philosophiae ac logicae. Köln: Retro Minores (Martin Werden?)] Heinrich Quentell, 23. August 1499

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144 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

3.2.5 Die dritte multivalente Magisterszene (1500–1508) Quentell und seine Söhne illustrierten von 1500 bis 1508 die Titelseiten ihrer Schulbücher statt mit dem zweiten Magisterszenen-Holzschnitt mit einem dritten multivalenten Magisterszenen-Holzschnitt.184 Zu den sieben sicher noch ins Jahr 1500 datierten Drucken mit dieser illustrierten Titelseite (drei weitere undatierte Drucke sollen 1500 entstanden sein) gehört unter ande-rem eine Ausgabe der Expositio mysteriorum missae des Guilelmus de Gouda, die Quentell unter dem Titel Expositio mysteriorum misse et verus modus rite ce-lebrandi185 herausgab (Abb. 17).

Kompositionell griff dieser Holzschnitt wieder die Anordnung der Schulszene in Seitenansicht wie im ersten Magisterszenen-Holzschnitt (1494–1500) auf. Der Lehrer sitzt links im Bild an einem baldachinbe-krönten Katheder. Er weist mit seiner rechten Hand auf das Buch und hält den Baculus in der anderen. Vor ihm sitzen drei Schüler auf niedrigen Bänken. Einer der Schüler blickt zu ihm auf und reagiert mit einer Geste seiner linken Hand auf das Gehörte. Ein zweiter Schüler ist mit gesenktem Kopf in Lektüre oder Mitschrift vertieft. Der dritte Schüler blickt vom Lehrer weg nach hinten. Die Szene findet in einem gewölbten Innenraum statt. Im Hintergrund ist ein eisenbeschlagener Fensterladen oder Wandschrank zu sehen. Anders als bei den früheren Magisterszenen-Holzschnitten ist bildintern keine Freifläche für eine eventuelle Beschriftung vorgesehen. 4 Schluss: Kölner Strategien der Titel-illustration in der Inkunabelzeit

Die Ergebnisse der Fallstudie weisen auf zwei grund-legende Sachverhalte hin. Der erste betrifft zunächst die Umstände der Entstehung und Entwicklung der Titelseite im Kölner Inkunabeldruck überhaupt: Auf-grund dreier chronologisch aufeinander folgenden For-men der Buchanfänge sind die Entwicklungsphasen von den prädispositiven Vorläufern bis zur Durchset-zung der dispositiven Hauptformen der Titelseite klar ablesbar. Im ersten Jahrzehnt typographischer Buch-produktion (1465–1474) beginnt der Text auf der ersten Buchseite. Die Standardlösung von etwa 1475 bis 1483 stellten Drucke mit einem Leerblatt am Be-

——————— 184 Der Holzschnitt wird unter folgenden Bezeichnungen in der Sekundärliteratur geführt: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt h«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 52«; Schramm, Bd. 8, Abb. 487. Der GW bezieht sich in seinen Anga-ben auf Schreiber/Heitz. 185 ISTC ig00631000, GW 11897, Vouilliéme: Buchdruck 531, Schramm, Bd. 8, S. 25.

ginn der ersten Lage dar. Ab 1484 wurde die Titelseite in Köln systematisch eingesetzt. Abhängigkeiten zwi-schen den ungewöhnlich frühen und informativen Köl-ner Titelseiten und den typographisch einfach gestalte-ten Titelseiten ab Mitte der 1480er Jahre ließen sich nicht nachweisen.

Der fast ausschließlich auf den Werktitel be-schränkte Informationsgehalt der Titelseiten verweist darauf, dass Kölner Titelformulierungen eher anhand des Incipit als anhand des Kolophons formuliert wurden, wenn nicht sogar die Incipit-Formulierung vollständig auf die Titelseite übertragen wurde. Ge-gen Ende des Jahrhunderts traten als Sonderform Titelergänzungen in Gedichtform mit erzieherisch-moralischem Impetus auf. Produktionsrelevante In-formationen blieben auf den Kölner Titelseiten der Inkunabelzeit eine Randerscheinung.

Die Untersuchungen zur Lagenstellung der Titelsei-te ergaben, dass die Titelseite seit ihrer Einführung in Köln von vornherein eingeplanter paratextueller Be-standteil des Buchs war. Auf die Hälfte aller Titelsei-ten folgte eine Leerseite, so dass ein selbständiges Ti-telblatt zustande kam. Bei einem Drittel der Titelseiten-Drucke fällt auf, dass die Rückseite der Titelseite aller-dings für den Textbeginn genutzt wurde. Hieran zeigt sich wiederum, dass das Titelblatt in Köln während der Inkunabelzeit noch nicht uneingeschränkt als separater Buchbestandteil eingesetzt wurde.

Von ebenso grundlegender Bedeutung sind die Er-gebnisse zur Entstehung und Entwicklung der illu- strierten Titelseite im Kölner Inkunabeldruck. Hier-bei spielten die Titelseiten mit Magisterszenen auf-grund ihres hohen Anteils an illustrierten Titelseiten überhaupt (68 %) sowie aufgrund ihrer ikonographi-schen Entwicklung mit Sicherheit eine wichtige Rol-le. Magisterszenen bewährten sich in Köln nach kur-zer Zeit und waren schon ab 1492 standardisiertes Gestaltungselement für die Titelseiten der Lehrbücher aus der Offizin des Heinrich Quentell. Der bereits an der niederländischen Inkunabelproduktion gezeigte Zusammenhang zwischen den Accipies-Holzschnitten und der Entwicklung des illustrierten Titelblatts wird auch am Beispiel der Druckerstadt Köln bestätigt.186

Der hohe Wiedererkennungswert der wenigen ver-wendeten Holzschnitte scheint sich dort im Hinblick auf die in Schulen und der Universität anzunehmenden Hauptabnehmergruppen bewährt zu haben. Um den Erfolg dieser ›Illustrationsstrategie‹ erklären zu kön-nen, war es notwendig zu unterscheiden, welche Wer-tigkeit die unterschiedlichen Titelholzschnitte besaßen. Zur Benennung der unterschiedlichen Illustrationsstra-tegien wurden hier die Bezeichnungen ›uni- bzw. multivalenter Titelholzschnitt‹ eingeführt.

——————— 186 Vgl. zu Köln auch Smith: The title-page, S. 87–89.

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4 Schluss: Kölner Strategien der Titel-illustration in der Inkunabelzeit 145

Abb. 17: Illustrierte Titelseite mit Quentells dritter multivalenter Magisterszene: Guilelmus de Gouda: Expositio mysteriorum missae. Köln: [Heinrich Quentell], 1500

Heinrich Quentell entwickelte mit dem Accipies-Holzschnitt zunächst einen ikonographisch univalen-ten Titelholzschnitt. Dieser Holzschnitt wurde wieder verwendet und dabei des ursprünglich vorhandenen

Bild-Text-Bezuges entfremdet, so dass auf knapp 80 Inkunabel-Titelseiten aus einer etwa ein Jahrfünft andauernden Phase (1490–1495) genau genommen eine Diskrepanz zwischen Titel bzw. Inhalt des

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146 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Buchs und der exakten ikonographischen Aussage des Titelholzschnitts herrschte. Trotzdem erfüllte der Holzschnitt mit seiner dem Bereich der Schulszenen-Darstellung zugehörigen Bildaussage offensichtlich den Zweck, dem potentiellen Käufer und Leser den Zugang zum Inhalt des Buchs zu erleichtern, indem er als visueller Anknüpfungspunkt die rasche Assozi-ation mit der ›richtigen‹ Funktion des Buchs als Lehrbuch weckte. Die Identität des eigentlichen Au-tors spielte, verglichen mit der Autorität des prototy-pischen Lehrers Thomas von Aquin, eine nebenge-ordnete Rolle. Vielmehr konnte dessen Darstellung sowohl als eine Bürgschaft für die Qualität des Buch-inhaltes als auch über die Qualität des Drucks ange-sehen werden. Je häufiger die Lesererwartung nach in beider Hinsicht zuverlässiger Qualität befriedigt wurde, desto mehr steigerte sich der Wert des Holz-schnitts als Kaufanreiz im Sinne eines Gütesiegels.

Für den Magisterszenen-Holzschnitt, der Quentell ab 1494 (bis 1500) zur Verfügung stand, ließ er den schon dem Accipies-Holzschnitt zugrunde liegenden Bildtypus – aller Wahrscheinlichkeit aufgrund der positiven Erfahrungen mit der Marktfähigkeit dieser Form von Titelillustration – egalisieren und erreichte hierdurch eine ikonographisch multivalente, beliebig für Schulbücher nutzbare Bildformel. Der zweite (1499–1500) und der dritte multivalente Magister-szenen-Titelholzschnitt (1500–1508) folgten den glei-chen Prinzipien. Die parallele Nutzung des wiederum kontextuell univalent gebundenen Thomas von Aquin-Holzschnitts der Jahre 1496 und 1497 belegt anderer-seits, dass Quentell mittlerweile bewusst zwischen den beiden Alternativen unterschied.

Charakteristisch für die Entwicklung des men-genmäßig größten Anteils der Kölner Titelillustration ist diese bewusste Unterscheidung zwischen den funk-tional multivalenten Bildern, die auf das Andachts-bild zurückzuführen sind, und den funktional eindeu-tigen, nämlich für die Titelillustration zu verwenden-den Bildern, die dann aber ikonographisch multi- valent zu unterschiedlichen Texten passten. Dieses Ziel wurde durch den Verzicht auf eine detailliert inhaltsbeschreibende Ikonographie erreicht. An deren Stelle trat ein vereinfachtes Motiv, mit dem sich die potentielle Lesergruppe rasch identifizieren konnte, das die Gebrauchsfunktion des Buchs kommentierte und dem Leser-Käufer bei etwaiger Unkenntnis des Buchtitels auf den ersten Blick zu erkennen gab. Der Titelholzschnitt diente Quentell demnach als Bezugs-rahmen und Rezeptionsvorgabe für den noch zu ge-winnenden Leser. Außerdem erreichte er durch die häufige Wiederholung des gleichen Holzschnitts auf dem Blickfang des Titelblatts und immer neuen Druckwerken eine gewisse Konditionierung seines Publikums hinsichtlich seines Kaufverhaltens und seiner Erwartungshaltung.

Anders als bei den teilweise sehr durchdachten und für die weitere Entwicklung wegweisenden, univa-lenten illustrierten Titelseiten der Koelhoffs oder auch den illustrierten Augsburger Titelblättern, für die Oliver Duntze zu der Schlussfolgerung kommen konnte, dass diese als komplexer typographisch-ikonographischer Zeichenverbund eine eindeutige Textidentifikation187 ermöglichten, diente die Mehr-heit der illustrierten Kölner Titelseiten aus der Offi-zin des Heinrich Quentell der verkaufsstrategisch ab-gestimmten Funktionsidentifikation des Buchs. Hier erweist sich Quentell als Nachfolger der niederländi-schen Druckerverleger, besonders aber Gerard Leeus, der die dispositive Form des Titelblatts für Schul- und Lehrbücher mit einer Magisterszene entwickelt hat.

——————— 187 Siehe Fallstudie Augsburg im folgenden Band.

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Anhang 147

Anhang

1 Abbildungsnachweis Die illustrierten Titelblätter sind wenn möglich in der Originalgröße reproduziert; geringfügig verkleinert wurde Abb. 12, stark verkleinert Abb. 5 und 10. Abb. 1: Gesamtverteilung der Buchanfänge in Köln bis

1500 Eigenes Diagramm Abb. 2: Buchanfänge in Köln bis 1500 in chronologi-

schem Verlauf nach Anzahl der Drucke Eigenes Diagramm Abb. 3: Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis

beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470

Köln UStB, ADbl3 Abb. 4: Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis

beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470

Köln UStB, ADbl3 Abb. 5: Franciscus de Maioranis: Flores Sancti Augustini

ex libris De civitate die extracti. De commemora-tione defunctorum. [Köln: Drucker der Flores Sancti Augustini (Johann Schilling), um 1473]

Berlin SBB-PK, 4° Inc. 829.3 Abb. 6 : Titelblätter in Köln im chronologischen Verlauf

nach Anzahl der Drucke Eigenes Diagramm Abb. 7: Produktionsumfang: Gesamtzahl der Drucke nach

Offizinen Eigenes Diagramm Abb. 8: Druckproduktion der wichtigsten Kölner Drucker

in chronologischem Verlauf Eigenes Diagramm Abb. 9: Petrus Keyerslach: Passio Christi ex quattuor

evangelistis. [Köln: Ulrich Zell], 1487 Köln UStB, Ennen 60 Abb. 10: Rudolphus de Novimagio: Legenda Alberti Magni.

Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 11. September 1490 Bamberg SB, Inc.typ.E.VI.4 Abb. 11: Doernenkrantz van Collen. Köln: Johann Koel-

hoff d. Ä., 9. Oktober 1490 Darmstadt ULB, Inc. II/674 Abb. 12: Thomas von Aquin: Copulata tres super libros

Aristotelis. De anima iuxta doctrinam Thomae de Aquino [Köln: Heinrich Quentell, um 1486]

Köln UStB, GB IIb 372f [6] Abb. 13: Petrus Hispanus: Copulata tractatuum Petri Hispani

et parvorum logicalium etiam Syncategorematum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquina-tis. Köln: Heinrich Quentell, 7. April 1490

München BSB, 4° Inc.s.a. 112d/1

Abb. 14: Johannes Versoris: Quaestiones super omnes libros novaelogicae (Pars II). Köln: Heinrich Quentell, 23. Juli 1497

Köln UStB, GB VII 19b Bd. 4 [2] Abb. 15: Petrus Hispanus: Copulata tractatuum Petri Hispani

etiam parvorum logicalium et trium modernorum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aqui-natis. Köln: Heinrich Quentell, 16.–31. Mai 1496

Köln UStB, GB VII 117d Abb. 16: Armandus de Bellovisu: De declaratione diffici-

lium terminorum tam theologiae quam philoso-phiae ac logicae. [Köln: Retro Minores (Martin Werden?)] Heinrich Quentell, 23. August 1499

Bonn ULB, Ink. 100 Abb. 17: Guilelmus de Gouda: Expositio mysteriorum missae.

Köln: [Heinrich Quentell], 1500 Köln UStB, GB IV 3111 [3] 2 Literaturverzeichnis Für Bibliographien und Nachschlagewerke ist auch das übergeordnete Literaturverzeichnis S. 101–106 in diesem Band zu beachten. Die dort im Anhang unter 3.2 genannte Literatur wird hier nicht nochmals aufgeführt. Baxandall, Michael: Die Wirklichkeit der Bilder. Malerei

und Erfahrung im Italien des 15. Jahrhunderts. Sonder-ausgabe. Frankfurt a. M.: Athenäum 1987.

Belting, Hans: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Unveränd. Nachdr. d. 2. Aufl. 1991. München: Beck 1993.

Bloch, Peter: Lehrer, Lehrszenen. In: Lexikon der Christli-chen Ikonographie. Bd. 3. Rom u. a.: Herder 1994, Sp. 86–88.

Borchling, Conrad/Claussen, Bruno: Niederdeutsche Biblio-graphie. Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis zum Jahre 1800. 3 Bde. Neumünster: Wachholtz 1931–1957.

Chrisman, Miriam Usher: Lay culture, learned culture. Books and Social Change in Strasbourg, 1480–1599. New Haven/London: Yale University Press 1982.

Corsten, Severin: Die Blütezeit des Kölner Buchdrucks (15.–17. Jahrhundert). In: Rheinische Vierteljahresblätter 40 (1976), S. 130–149.

Corsten, Severin: Die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert. In: Die Buchkultur im 15. und 16. Jahr-hundert. Hrsg. vom Vorstand der Maximilian-Gesell-schaft und Barbara Tiemann. 1. Halbbd. Hamburg: Ma-ximilian-Gesellschaft 1995, S. 125−202.

Deuchler, Florens: Magister in cathedra. Lehrer und Schü-ler im Mittelalter. In: Schülerfestgabe für Herbert von Einem zum 16. Februar 1965. Hrsg. von F. D. u. Reiner Haussherr. Bonn: Kunsthistorisches Institut der Uni-versität 1965, 2 Bde. (Text und Abbildungen), Bd. 1, S. 63–69.

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148 Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln

Dicke, Gerd: Heinrich Steinhöwels »Esopus« und seine Fortsetzer. Untersuchungen zu einem Bucherfolg der Frühdruckzeit. Tübingen: Niemeyer 1994. (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters. 103).

Frese, Annette: Barocke Titelgraphik am Beispiel der Ver-lagsstadt Köln (1570–1700). Funktion, Sujet, Typologie. Köln/Wien: Böhlau 1989. (Dissertationen zur Kunstge-schichte 31). [Inauguraldissertation Köln 1986].

Funke, Fritz: Buchkunde. Ein Überblick über die Geschich-te des Buches. 6. überarb. u. ergänzte Aufl. München: Saur 1999.

Gummlich, Johanna Christine: Bildproduktion und Kon-templation. Ein Überblick über die Kölner Buchmale-rei in der Gotik unter besonderer Berücksichtigung der Kreuzigungsdarstellung. Weimar: Verlag und Daten-bank für Geisteswissenschaften 2003. [Inauguraldis-sertation Bonn 1999].

Hepding, Ludwig: Die Kölner Frühdruckerfamilie Quentel. In: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde 58 (1970), Bd. 24, H. 7, S. 197-208.

Hirsch, Rudolf: The earliest development of title pages 1470−1479. In: The printed word: Its impact and dif-fusion. Hrsg. von R. H. London: Variorum Reprints 1978, S. XVII/1−13.

The Illustrated Bartsch, Bd. 8: Early german artists. Ed. by Walter L. Strauss. New York: Abaris Books 1980.

Kimpel, Sabine: Albert der Große (Albertus Magnus). In: Lexikon der christlichen Ikonographie. Bd. 5. Rom u. a.: Herder 1994, Sp. 71–73.

Kirk, Sabine: Unterrichtstheorie in Bilddokumenten des 15. bis 17. Jahrhunderts. Eine Studie zum Bildtypus der »Accipies« und seinen Modifikationen im Bildbestand der Univ.-Bibliothek Helmstedt und des Augusteischen Buchbestandes der Herzog August Bibliothek in Wol-fenbüttel. Hildesheim: Lax 1988. (Beiträge zur histori-schen Bildungsforschung. 6). [Diss. Hildesheim 1987 u. d. T.: Kirk, Sabine: Elemente der Unterrichtstheorie und ihre Entwicklung in Bilddokumenten des 15. bis 17. Jahrhunderts].

Kisky, Hans: Woensam. In: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begr. v. Ulrich Thieme u. Felix Becker. Hrsg. v. Hans Vollmer. Bd. 36. Leipzig: Seemann 1947, S. 165–168.

Künast, Hans-Jörg: »Getruckt zu Augspurg«. Buchdruck und Buchhandel in Augsburg zwischen 1468 und 1555. Tü-bingen: Niemeyer 1997. (Studia Augustana. 8).

Lehrs, Max: Geschichte und kritischer Katalog des deut-schen, niederländischen und französischen Kupfer-stichs im XV. Jahrhundert. 5. Textbd., 4. Abschnitt: Martin Schongauer und seine Schule, 1. Abt. Wien: Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst 1925.

Needham, Paul: William Caxton and his Cologne partners: an enquiry based on Veldener’s Cologne type. In: Ars impressoria. Entstehung und Entwicklung des Buch-drucks. Eine internationale Festgabe für Severin Corsten zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Hans Limburg,

Hartwig Lohse u. Wolfgang Schmitz. München u. a.: Saur 1986, S. 103–131.

Ott, Norbert H.: Überlieferung, Ikonographie – Anspruchs-niveau, Gebrauchssituation. Methodisches zum Pro- blem der Beziehungen zwischen Stoffen, Texten und Illustrationen in Handschriften des Spätmittelalters. In: Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981. Hrsg. von Ludger Grenzmann u. Karl Stackmann. Stuttgart: Metzler 1984. (Germanistische Symposien Berichtsbände. 5), S. 356–386.

Paleotti, Gabriele: Discorso intorno alle imagini sacre e profane. In: Trattati d’arte del Cinquecento. Fra ma-nierismo e controriforma. A cura di Paola Barocchi. Bd. 2. Bari: Laterza 1961, S. 117–509.

Proctor, Robert: The Accipies Woodcut. In: Bibliographi-cal Essays. Ed. by R. P. Reprint der Ausgabe New York 1905. New York: Burt Franklin 1969. (Burt Franklin bibliography and reference series 60), S. 1–12. [Zuerst veröffentlicht in: Bibliographica 1 (April 1894) Bd. 1, S. 52–63].

Rautenberg, Ursula: Überlieferung und Druck. Heiligenle-genden aus frühen Kölner Offizinen. Tübingen: Nie-meyer 1996. (Frühe Neuzeit. 30).

Rischpler, Susanne: Biblia sacra figuris expressa. Mnemo-technische Bilderbibeln des 15. Jahrhunderts. Wiesba-den: Reichert 2001. (Wissensliteratur im Mittelalter. 36). [Zugl. Univ. Diss. Würzburg 2000].

Schäfke, Werner: Albertus Magnus. Wissenschaftler, Poli-tiker, Heiliger. Köln: Nachrichtenamt der Stadt Köln 1980. (Kölner Biographien. 14).

Schmitz, Wolfgang: Die Überlieferung deutscher Texte im Kölner Buchdruck des 15. und 16. Jahrhunderts. Köln 1990. URL: http://kups.ub.uni-koeln.de/volltexte/2004/ 1234/pdf/schmitz.pdf.

Schmitz, Wolfgang: 500 Jahre Buchtradition in Köln. Von der Koelhoffschen Chronik bis zu den Neuen Medien. Köln: Universitäts- und Stadtbibliothek 1999. (Schrif-ten der Universitäts- und Stadtbibliothek. 10).

Schöller, Bernadette: Kölner Druckgraphik der Gegenre-formation. Ein Beitrag zur Geschichte religiöser Bild-propaganda zur Zeit der Glaubenskämpfe. Mit einem Katalog der Einblattdrucke des Verlages Johann Bus-semacher. Köln: Kölnisches Stadtmuseum 1992. (Ver-öffentlichungen des kölnischen Stadtmuseums. 9).

Schreiber, Wilhelm Ludwig/Heitz, Paul: Die deutschen »Ac-cipies« und Magister cum Discipulis-Holzschnitte als Hilfsmittel zur Inkunabel-Bestimmung. Straßburg: Heitz, 1908. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte. 100).

Smith, Margaret M.: The title-page. Its early development 1460−1510. London: The British Library/New Castle: Oak Knoll Press 2000.

Stammler, Wolfgang: Aristoteles und die Septem Artes Liberales im Mittelalter. In: Der Mensch und die Künste. Festschrift für Heinrich Lützeler zum 60. Ge-burtstag. Hrsg. von Günter Bandmann, u. a. Düssel-dorf: Schwann 1962, S. 196–214.

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Anhang 149

Steinberg, Siegfried Heinrich/Häßlin, Johann Jakob: Die Schwarze Kunst. 500 Jahre Buchdruck. München: Prestel 1958.

Venns, Dirk: Studien zum »Dornenkranz von Köln«. Münster 1997. [Unpublizierte Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II im Fach Deutsch.]

Volkmann, Ludwig: Ars memorativa. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 39 = N. F. 3 (1929), S. 111–200.

Voulliéme, Ernst: Der Buchdruck Kölns bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Inkunabel-

bibliographie. Nachdruck der Ausgabe Bonn 1903: Düsseldorf: Droste 1978. (Publikationen der Gesell-schaft für Rheinische Geschichtskunde. 26).

Voulliéme, Ernst: Die Druckerei Retro Minores in Köln und Heinrich Quentell. In: Zentralblatt für Biblio-thekswesen 28 (1911), H. 3, S. 97–107.

Zaretzky, Otto: Die Kölner Bücher-Illustration im 15. und 16. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Bücherfreunde. Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen 3 (1899/1900), H. 4, S. 129–146.

Page 156: Archiv fur Geschichte des Buchwesens: Vol. 62: 2008 (Archiv Fur Geschichte Des Buchwesens)  german

150 Register zu den Beiträgen Rautenberg und Gummlich-Wagner

Register

Das folgende Register fasst wegen des engen thematischen Zusammenhangs die Beiträge »Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit« und »Das Titelblatt in Köln« zusammen. Aesop 65, 90, 128 Albert von Brixen 74 Albertus Magnus 45, 121, 124, 128 Alexander Calcedonius 94 Alexander de Villa Dei 28, 52, 78, 81, 120, 122, 130, 139 Alvise, Alberto 30, 38 Alvise, Giovanni 30, 38 Amerbach, Johannes 15, 74, 78, 82 Amersford, Eberhard von 121 Antoninus Florentinus 38, 45 Antonius Turchetus 30 Anwykyll, John 92 Aristoteles 115, 121, 128, 136, 142 Armandus de Bellovisu 142 Arndes, Stephan 52 Arnold ter Hoernen 28, 51, 92, 107, 109, 111f., 114, 116,

118 Arnoldus de Tungern 122 Augustinus, Aurelius 30, 38f. Ayrer, Marx 13, 86 Azoguidus, Balthasar 38 Bac, Govaert 89 Baldacchini, Lorenzo 10 Bämler, Johann 10 Bammes, Reinhold 5, 6 Baptista de Tortis 52 Barberi, Francesco 9f., 39 Barker, Nicolas 16 Bartholomäus von Unkel 111, 127 Beeck, Heinrich von 132 Bellaert, Jacob 11, 28, 66, 68, 81, 83 Bembo, Pietro 39 Bergmann von Olpe, Johann 51 Bernardinus Benalius 83, 90 Bernhard von Clairvaux 63, 72f. Bogeng, Gustav Adolf Erich 6–8, 14, 22 Bonaventura 45, 63, 65, 90, 92 Boner, Ulrich 35 Bonetus Locatellus 39 Borchling, Conrad 108 Bosman, Arent 68f. Breda, Jacob van 52, 78, 81, 92f. Brugman, Jan 64 Bühler, Curt F. 90 Bumgart, Hermann 82, 92, 122, 125

Calixtus III., Papst 27 Capcasa, Matteo 94 Caxton, William 57, 66 Celerius, Bernardinus 30 Chartier, Roger 22f. Chrisman, Miriam Usher 117 Christophorus de Pensis 42 Chrysostomos, Johannes 123 Claussen, Bruno 108 Coelde, Dirk 64, 71 Conway, William Marten 68 Cornelis de Zierickzee 115–118 Corsten, Severin 5f. 12, 107 Creussner, Friedrich 78, 88, 92, 139 Cristoforo de’ Pensi 94 Cuijpers, Peter M. H. 11f., 61 David de Augusta 52 De Vinne, Theodore Low 5 Deleuze, Gilles 22 Deuchler, Florens 136 Dicke, Gerd 128 Dorici, Gebrüder 39 Drach, Peter 45 Driver, Martha W. 13 Drucker der Flores Sancti Augustini 28, 115 Dupré, Jean 10 Dürer, Albrecht 9 Eckert, Hendrik 60 Eco, Umberto 34 Emerich, Johann 93 Erasmus von Rotterdam 81, 94, 98 Eyb, Albrecht von 78 Fabri, Giovanni 52 Folz, Hans 12f., 28, 38, 42, 51, 82, 84, 86, 97 Foucault, Michel 22 Franciscus de Mayronis 28, 114 Franciscus Mataratius 78 Froben, Johannes 20f., 42, 94f., 98 Furter, Michael 78, 92 Fust, Johann 27f., 31f., 51, 111 Fyner, Conrad 28 Gazzadini, Tommaso 90 Geldner, Ferdinand 6, 9, 30 Gerardus de Lisa 38 Gerard de Harderwyck 123

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Register zu den Beiträgen Rautenberg und Gummlich-Wagner 151

Gerhard van Harderwijk Siehe Gerard de Harderwyck Gerlach, Johannes 71 Ghemen, Govaert van 56, 76, 82 Giunta, Luca Antonio d. Ä. 93 Gotfrid van Os 142 Götz, Nikolaus 109 Graf, Urs 95 Gregor (I.) der Große, Papst 137 Gregorius 93 Grien, Hans Baldung 8 Guilelmus de Gouda 144 Guillaume de Degullevilles 68 Guldenschaff, Johann 109, 115f., 118, 127 Gummlich-Wagner, Johanna Christine 16, 18 Gutenberg, Johannes 31 Gutschaiff, Hermann 90 Haebler, Konrad 4–6, 12, 14f., 36, 39, 96 Heijting, Willem 56 Heitz, Paul 73, 107, 136 Hellinga, Lotte 57, 83 Hellinga, Wytze 57 Henricus de Hassia 28 Henricus de Piro 115 Hermes Trismegistus 38 Hieronymus de Paganini 93 Hieronymus de Vallibus 115 Hirsch, Rudolf 10, 12, 15, 18, 38, 49, 111 Hist, Konrad 78 Hoffmann, Hans 86 Holbein, Ambrosius 95 Holbein, Hans 95 Hupfuff, Matthias 78 Jacob Jacobszoon van der Meer 28, 56, 60, 68f., 71, 73,

76, 81f. Jacobis, Johannes 66 Jacobus de Cessolis 69, 71, 82, 88 Johannes de Garlandia 120 Jacobus de Voragine 123 Johannes, Graf zu Nassau-Dillenburg 31 Johannes Tacuinus 42 Johannes von Hildesheim 89 Johannes von Nürtingen 121 Johnson, Alfred Forbes J. 4, 6f., 39, 41 Jordanus von Quedlinburg 63 Juvencus Presbyter 115 Kachelofen, Konrad 78, 88 Keyerslach, Petrus 125 Kienitz, Werner 6 Kiessling, Gerhard 8f., 15 Klein, Jan Willem 6, 12, 14, 18 Knoblochtzer, Heinrich 65, 68, 78, 82 Koch, Simon 88

Koelhoff, Johann d. Ä. 45, 82, 88, 106, 109, 112, 115f., 118, 120, 123, 127–130, 132f.

Koelhoff, Johann d. J. 89, 107f., 118, 120f., 127f., 130, 133, 135

Koelner de Vanckel, Johannes 133 Kok, Ina 56, 58, 66, 68f., 72, 74, 76, 78, 92 Konrad von Hochstaden, Erzbischof von Köln 128 Koppitz, Hans-Joachim 11 Kruffter, Servas 89 Künast, Hans-Jörg 117 Kunze, Horst 6 Labarre, Alfred 10, 91 Lambertus de Monte 106 Landen, Johann 89, 116 Leeu, Claes 66 Leeu, Gerard 13, 20, 28, 30, 53, 56–61, 63–67, 69, 71–74,

76, 78, 81–83, 86, 97, 146 Lefèvre, Raoul 66 Lehmann-Haupt, Hellmut 27, 32 Leonardus Brunus Aretinus 115 Löslein, Peter 30 Lotter, Melchior 78 Ludolf von Sachsen 64, 71 Ludwig von Renchen 115f., 118 Maler, Bernhard 30 Manfredus de Bonellis 15, 90 Manutius, Aldus 20, 94f., 98 Marchant, Guy 10 Matthias van der Goes 28, 92 Maximilian I., röm.-dt. Kaiser 67 McKerrow, Roland B. 13 Mechter, Paul 52 Meister des Ulmer Boccaccio 8 Michael Francisci de Insulis 61 Michault, Pierre 60 Molitoris, Ulricus 115 Mülich, Heinrich 82 Mure, Conrad von 38 Murner, Thomas 133 Needham, Paul 114 Neuß, Heinrich von 89 Octavianus Scotus 39 Os, Gotfrid van 76, 78 Os, Peter van 52, 56, 60, 68, 71–73, 81–83 Otinus de Luna 94 Ott, Norbert H. 125 Ovidius Naso, Publius 42 Pachel, Leonardo 30 Paffraet, Richard 28, 56, 78, 81f., 89, 92, 142 Paganinus de Paganinis 94 Patavinus, Clemens 30 Paulus Pellantinus 72

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152 Register zu den Beiträgen Rautenberg und Gummlich-Wagner

Persius Flaccus, Aules 42 Petri, Johann 51 Petrus Cameracensis 89 Petrus de Alliaco 64 Petrus Dorlandus 122 Petrus Hispanus 74, 125, 137 Pfister, Albrecht 35 Piccolomini, Aeneas Sylvius Siehe Pius II., Papst Pierce, Charles S. 34, 44 Pius II., Papst 27, 69, 115 Pleij, Herman 56, 67 Pollard, Alfred W. 4–6, 13–15, 34, 49 Prüß, Johann d. Ä. 45, 78, 88 Pseudo-Bernardus 65 Quentell Erben 90 Quentell, Heinrich 45, 106f., 109, 115–118, 121f., 124f.,

127f., 130, 133, 136f., 139, 142, 144, 146 Rabbi Samuel 58 Ragazzo, Giovanni 90, 94 Ratdolt, Erhard 30, 114 Rath, Erich von 9 Rautenberg, Ursula 12, 107 Ravenstein, Albert 38 Regiomontanus, Johannes 30 Reinhart, Marcus 92 Repgow, Eike von 71 Retro Minores, Druckerei (Martin Werden?) 125, 142 Rocociolus, Domenicus 89 Rolevinck, Werner 51, 111, 114 Rosso, Giovanni 93 Rothe, Arnold 16 Ruppel, Bertold 38 Sallustus Crispius, Gaius 42 Schilling, Johann Siehe auch Drucker der Flores Sancti

Augustini 28 Schmitt, Anneliese 10 Schmitz, Wolfgang 107 Schobser, Johann 88 Schöffer, Peter d. Ä. 20, 27f., 31f., 51, 92, 96, 111 Schöller, Bernadette 132 Schönsperger, Johann d. Ä. 10 Schott, Martin 78, 88 Schottenloher, Karl 6, 9 Schreiber, Wilhelm Ludwig 73, 107, 136 Scinzenzeler, Ulrich 30 Seraphinus de Cennis 90 Sessa, Johannes Baptista 94

Shevlin, Eleanor F. 8, 15, 17, 48 Simon de Luere 90 Smith, Margaret M. 4, 6, 13–15, 18, 36, 39, 59, 97, 107 Snellaert, Christiaen 56, 60, 68f., 71, 73, 76, 81f. Sondheim, Moriz 6 Sorg, Anton 10, 38 Spirito, Lorenzo 52 Sprenger, Jacob 61 Steinhöwel, Ulrich 128 Stephanus Fliscus 45 Symmen, Henric 57 Synthen, Johannes 120 Tabor, Stephen 15 Thomas de Celano 65 Thomas von Aquin 45, 82, 128, 136f., 142, 146 Thomas von Cantimpré 73 Thomas, Gerhard 52 Thomas von Kempen 125 Trepérel, Jean 91 Usuardus 123 Veldener, Johann von 72 Velke, Wilhelm 27 Veneziani, Paolo 10 Venns, Dirk 132 Vérard, Antoine 46 Vergilius Maro, Publius 121 Vermeulen, Yves G. 11f., 61 Versor, Johannes 106 Voulliéme, Ernst 107f., 118, 120, 142 Wagner, Peter 13, 86, 139 Wehde, Susanne 22f., 34, 42 Werden, Martin von 90 Westval, Joachim 38, 88 Widmann von Eger, Johannes 88 Winters de Homborch, Conrad 111, 115f., 118 Wirecker, Nigellus 88 Woensam, Anton 107 Wolff, Jacob 92 Wolkenhauer, Anja 94 Wynkyn de Worde 13 Yemantszoon, Maurice 69 Zainer, Günter 8, 128 Zell, Ulrich 12, 35, 45, 89, 92, 106, 109, 115f., 118, 122,

125 Zenders de Wert, Wilhelm 81, 142 Zwolle-Meister 72

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GISELA MÖNCKE

Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Johann Lobmeyer – Balthasar Müller – Melchior Bopp

Der Würzburger Buchdruck1 brachte nach den typo-graphisch hochwertigen Inkunabeln Georg Reysers im 16. Jahrhundert keine vergleichbaren Glanzleis-tungen hervor. Die Diözese war gut versorgt mit den liturgischen Drucken, die Reyser für den Würzburger Ritus hergestellt hatte. Soweit noch Bedarf bestand, wurden Würzburger Breviere und Meßbücher nach 1503 auswärts gedruckt, in Basel, sogar in Lyon und Venedig.2 Großaufträge dieser Art hätten die auf Reyser folgenden Hofbuchdrucker auch handwerk-lich überfordert. Sie begnügten sich mit der Herstel-lung kleinerer und weniger anspruchsvoller Drucke. Zur Entlastung der fürstbischöflichen Kanzlei und der Diözesanverwaltung druckten sie Formulare, Man-date und amtliche Verlautbarungen. Sie besorgten als Auftragsarbeit auch mehr oder weniger halbamtliche Druckschriften, mit denen der Bischof seiner Stel-lungnahme zu bestimmten tagespolitischen Fragen publizistisch Nachdruck verlieh. Ein einträgliches Geschäft waren die Kalenderdrucke, besonders die mit reichem Bilderschmuck versehenen Wappenka-lender des Hochstifts. Bescheiden war dagegen der Anteil von Drucken literarischen oder theologischen Inhalts, obwohl sich darunter auch einige beachtens-werte Erstausgaben finden. Martin Schubart hat sich nicht zuletzt durch die Drucklegung der Schriften des Würzburger Humanisten Schenck von Sumau ver-dient gemacht. Um 1505 brachte er auch einen ano-nymen Traktat heraus, der im Streit um die Berechti-gung neulateinischer Dichtung engagiert den huma-nistischen Standpunkt gegenüber den Scholastikern verteidigte.3 Von Schubarts Kalenderdrucken ist nur

——————— 1 Eine vorzügliche Einführung bietet neuerdings Pleticha-Geuder, Eva: »Getruckt in der statt Würtzburg«, 525 Jahre Buch-druck in Würzburg. In: Abklatsch, Falz und Zwiebelfisch. 525 Jahre Buchdruck und Bucheinband in Würzburg. Begleitbuch zur Aus-stellung der Universitätsbibliothek Würzburg 17. 9.–21. 11. 2004. Würzburg: Ergon 2004, S. 9–99. Ich danke an dieser Stelle Herrn Dr. Helmut Claus (Gotha), der meine Arbeit nicht nur angeregt, sondern ihren Fortgang mit immer gutem Rat und großer Geduld über mehrere Jahre begleitet hat. 2 Engelhart, Helmut: Die frühesten Druckausgaben des Missale Herbipolense (1481–1503). In: Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 62/63 (2001), S. 69–173, hier S. 113–121. Engel-hart, Helmut: Georg Reyser zum 500. Todestag. In: Mainfränki-sches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 56 (2004), S. 130–161. 3 VD16 L 692.

einer für das Jahr 1510 vollständig erhalten.4 Erst seine Nachfolger, Lobmeyer, Müller und Bopp, bedienten mit ihren Lieddrucken und Neuigkeitsberichten auch ein breiteres, nicht lateinkundiges Lesepublikum. Der folgende Beitrag bringt nur wenige Ergänzungen zu Lobmeyers Druckertätigkeit. Er beschäftigt sich vor allem mit der Offizin, die Balthasar Müller bis zu seinem Tode 1542 betrieb und die Melchior Bopp bis 1547 fortsetzte. Obwohl abhängig vom fürstbischöfli-chen Hof, haben beide auch auf eigene Rechnung gearbeitet. Die im Anhang beigegebene Bibliographie kann die Zahl der Drucke, die bisher aus ihrer Werk-statt bekannt geworden sind, beträchtlich erweitern. Johann Lobmeyer (1518–1525) Johann Lobmeyer wurde am 25. Januar 1518 von Bischof Lorenz von Bibra als Hofbuchdrucker ange-nommen.5 Sein Privileg befreite ihn nicht nur von bürgerlichen Lasten, sondern sicherte ihm auch eine feste Entlohnung zu, für die er neben den Drucken, die er im Auftrag des Bischofs zu besorgen hatte, auch zu anderen Dienstleistungen bei Hofe herange-zogen werden konnte.6 Mit Ausnahme eines groß-formatigen Wappenkalenders des Hochstifts Würz-burg auf das Jahr 15247 sind keine firmierten Drucke

——————— 4 Mainfränkisches Museum Würzburg, Graphische Samm-lung, Inventarnr. A. 46211. Dieser Kalender mit der Überschrift »Ordo diuinorum« und dem Aderlassmännchen am Ende ist nicht firmiert, aber aufgrund der Typen Schubart zuzuweisen. Er fehlt ebenso wie der nur fragmentarisch erhaltene Kalender für 1514 (siehe Anm. 10) bei Brod: Mainfränkische Kalender. 5 Schottenloher, Karl: Beiträge zur Bücherkunde der Refor-mationszeit. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 38 (1921), S. 20–33, hier S. 21–23: Johann Lobmeyer von Würzburg und seine Druckwerke (1518–1525). 6 Meyer, F. Hermann: Würzburger Befreiungen für Buch-drucker, 1481–1548. In: Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels 15 (1892), S. 4–10, hier S. 7f. 7 Brod, Walter Michael: Mainfränkische Kalender aus vier Jahrhunderten. Inkunabel- und Wappenkalender. Festgabe der Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. Würzburg zur Zwölfhundert-Jahrfeier. Volkach 1952, S. 20–22. Wagner, Bettina: Der Drucker Johann Lobmeyer und frühe Wappenkalen-der des Hochstifts Würzburg. In: Bewahren und Erforschen. Beiträge aus der Nicolaus-Matz-Bibliothek (Kirchenbibliothek) Michelstadt. Festgabe für Kurt Hans Staub zum 70. Geburtstag.

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154 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

aus seiner Presse überliefert. Zwei frühere Kalender, die in Bruchstücken erhalten sind, hat er nur als Ver-leger mit seinem Namen unterschrieben, aber nicht selbst gedruckt. Dabei handelt es sich um einen latei-nischen Wappenkalender auf das Jahr 1516, dessen Druck Jobst Gutknecht in Nürnberg besorgte,8 und um ein erst vor kurzem bekannt gewordenes Blatt aus der Nicolaus-Matz-Bibliothek in Michelstadt.9 Nach Ausweis der Typen wurde es von Martin Schubart gedruckt und dürfte für das Kalenderjahr 1514 be-stimmt gewesen sein.10 Neben dem Buchhandel, den er seit 1504 betrieb,11 betätigte sich Lobmeyer also bereits im Jahre 1513 als Verleger, möglicherweise in Zusammenarbeit mit dem Würzburger Buchführer Bernhard Weigel. Dieselben Holzschnitte, die für Lobmeyers Kalender auf das Jahr 1514 verwendet wurden, schmücken eine andere Ausgabe desselben Jahres, die Bernhard Weigel herausbrachte und die nach dem typographischen Befund von Johann Wei-ßenburger in Nürnberg gedruckt wurde.12 Beiden Kalendern ist ein aus fünf Distichen bestehendes Gedicht beigefügt, das aber nur in der Weigelschen Ausgabe mit dem Namen des Autors, Peter Chalybs, überschrieben ist.13 Die nahezu gleichzeitige Ver-wendung derselben Holzschnitte in beiden Ausgaben lässt nur den Schluss zu, dass sich Lobmeyer und Weigel in diesem Jahr das Geschäft mit dem Wap-penkalender teilten.

Ohne Kalender- und andere Einblattdrucke konn-ten aus Lobmeyers Presse bisher 17 Drucke der Jahre 1518–1525 allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Würzburg und des ihnen gemeinsamen Typenmateri-als nachgewiesen werden.14 Nachzutragen sind drei weitere Zuschreibungen:

Hrsg. von Wolfgang Schmitz. Michelstadt: Stadt Michelstadt 2003, S. 345–363, hier S. 358f. 8 Wagner: Lobmeyer, S. 356f. mit Abb. 72. 9 Wagner: Lobmeyer, S. 346 mit Abb. 69 und 70. 10 Die mittlere Auszeichnungsschrift sowie ein in die Textty-pe eingesprengtes kleines w finden sich später in den sogenannten ›Fellenfürsttypen‹ (Coburg oder Bamberg). Die Zuweisung an Schubart, der nur bis 1518 druckte, bestätigt zugleich die von Wagner: Lobmeyer, S. 359, vorgenommene Datierung des Kalen-ders auf das Jahr 1514 (statt 1520). Der deutschsprachige Wap-penkalender des Hochstifts auf das Jahr 1516 (Wagner: Lobmeyer, S. 358 mit Abb. 73) stammt nach freundlicher Mitteilung von Helmut Claus aus der Presse Johann Schönspergers in Augsburg. 11 Pleticha-Geuder: Würzburg, S. 17. 12 Grimm, Heinrich: Die Buchführer des deutschen Kulturbe-reichs und ihre Niederlassungen in der Zeitspanne 1490 bis um 1550. In: AGB 7 (1967), Sp. 1153–1772, hier Sp. 1179. Erhalten ist nur die untere Hälfte in einem Exemplar des Mainfränkischen Museums (Graphische Sammlung, Inventarnr. A 46210), am Ende unterschrieben: Bernardus Weygel Liberarius || Herbipolensis. 1514. ||, darunter Weigels Verlegerwappen. 13 In magistri Conradi Nurnbergensis iudicium Petri Chalibis Philocali carmen. Der Gefeierte ist der aus Nürnberg stammende, in Leipzig tätige Mediziner und Astronom Konrad Tockler. 14 Wagner: Lobmeyer, S. 351–355.

1. Ein neus lied vom Anti||christ zu Rom vnd seinen || Aposteln/ wie sie vns/ durch verschuldung || vnser sunden vnd vndankbarkeyt gegen || got/ verfureth haben mit iren lehren || gesetzen/ vnd gepoten/ do-rin ver||mant werden alle Christen || solche verfuri-sche lehr || zu verlassen || vnd die Euangelisch warheit || anzunemen. || ... || Anno XXiij. || [Würzburg: Johann Lobmeyer] 1523. [4] Bl. [a4] Bl. 8° Weller, Repertorium 2482; Maltzahn, Bücher-schatz 730; VD16 N 1237. *London BL, 3437.ee.49

2. Hymni per circulum anni. || Psalmi feriales/ et

Versiculi pro par=||uulis Diuino cantico mancipa-tis, || Secundū vsum ecclesie Herbi=||polensis nouiter reuisi atqa; || summa cum diligentia || cor-recti.) || ♣ + ♣ || [Holzschnitt: Stiftswappen mit den drei Frankenaposteln] || [Würzburg: Johann Lobmeyer um 1523] erhalten [8] Bl. A8 (A1v leer). 8°. – Rotschwarz-druck mit Noten.

Benzing, Müller 4. *Zweibrücken, Bipontina, Frgm.Dr.Bip.1 (Frag-ment)

Dieses Psalteriumfragment in ungewöhnlich kleinem Format, von Josef Benzing ins Jahr 1526 datiert und Balthasar Müller zugeschrieben, dürfte nach dem typographischen Befund eher von Lobmeyer ge-druckt worden sein. Die lateinische rundgotische Texttype gehört zu jenen Schriftarten, die Johnson als »germanised« charakterisiert hat.15 Sie wurde von Lobmeyers Nachfolger, Balthasar Müller, nicht mehr verwendet ebenso wenig wie die Auszeichnungs-schrift (eine Missale mit M 29), die sich nur in frühen Drucken Lobmeyers findet.16 Der Schnitt der Noten stimmt überein mit dem Druck des Hymnus auf den heiligen Kilian, den Lobmeyer wohl um 1524/25 herausbrachte.17

——————— 15 Johnson, Alfred Forbes: Notes on some German Types used in the Reformation Period. In: Festschrift für Josef Benzing zum sechzigsten Geburtstag. Hrsg. von Elisabeth Geck und Guido Pressler. Wiesbaden: Pressler 1964, S. 226–252. 16 Beide Typen schon im Druck der von Lobmeyer besorgten Würzburger Ausgabe der Bulle »Exsurge Domine« von 1521. VD16 K 280. Vgl. die Abb. bei Fabisch, Peter/Iserloh, Erwin (Hrsg.): Dokumente zur Causa Lutheri (1517–1521). T.2. Münster: Aschendorff 1991 (Corpus Catholicorum. 42), S. 354f. 17 Brod: Mainfränkische Kalender, S. 20 mit Anm. 64. Bred-nich: Liedpublizistik, Nr. *81 mit Abb. 21.

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Balthasar Müller (1525?–1542) 155

3. Warhaffter bericht vō || der schlacht geschehen || vor Pauia/ darinen der || Kung von Franckreich || vnd vil mechtiger herrē || Von Keyserlicher maie||stat krieg-suolck ge=||fangen worden || ist. || M. D. XXv. || [TE] [Würzburg: Johann Lobmeyer] 1525. [4] Bl. A4 (A4v leer). 4° VD16, ZV 22049 *Leipzig UB, Lib.Sep. 1883.

Der auf Georg von Frundsberg zurückgehende Bericht über die Schlacht vom 24. Februar 1525 liegt in zahl-reichen Druckausgaben vor.18 Sein bisher unbekannter Würzburger Nachdruck hat wieder Lobmeyers rund-gotische Texttype und seine aus vier Holzschnittleisten zusammengesetzte Titeleinfassung.

Erst nach dem Bauernkrieg verliert sich Lobmeyers Spur. Dass er, wie mitunter behauptet wird, schon im Spätherbst 1524 oder noch vor der Frankfurter Oster-messe 1525 gestorben sei,19 lässt sich aus den Quellen nicht belegen. Die reformationsfreundlichen Drucke, die er 1524 herausbrachte, sprechen allerdings dafür, dass sein auf sechs Jahre befristetes Privileg nicht ver-längert worden war. Keineswegs wird man ihm nach der Niederwerfung der Bauernerhebung seinen Nach-druck der ›Zwölf Artikel‹20 verziehen haben. Hatte er seine Presse noch in den Wochen, in denen der Ne-ckartal-Odenwälder Haufen die Stadt beherrschte und die Burg belagerte, in den Dienst der Aufständischen gestellt oder stellen müssen? Lorenz Fries berichtet in seiner Geschichte des Bauernkriegs, die Hauptleute des Würzburger Lagers hätten, als das Heer des Schwä-bischen Bundes bedrohlich näher rückte, an die umlie-genden Städte und Dörfer zur Aufrechterhaltung der Disziplin »ein gemain ausschreyben im truck aus-gehn« lassen, datiert vom 26. Mai 1525.21 Auch wenn von einem solchen Blatt, dessen Text Fries überliefert, bisher kein Exemplar nachgewiesen ist, kommt für den Druck nur Lobmeyers Presse in Frage. Es gab keine andere in Würzburg. Zwei Wochen später unterwarf sich die Stadt auf Gnade oder Ungnade ihrem Bischof

——————— 18 VD16 F 3179–3192. 19 Grimm: Buchführer, Sp. 1179. Benzing: Buchdrucker, S. 513. Wagner: Lobmeyer, S. 349. 20 VD16 G 3560. Wagner: Lobmeyer, Nr. 15. 21 Fries, Lorenz: Die Geschichte des Bauernkrieges in Ost-franken. Hrsg. von August Schäffler und Theodor Henner. 2 Bde. Neudruck der Ausgabe Würzburg 1883, vermehrt um Ergänzungen. Aalen: Scientia 1978, S. 295f. Nach Johann Reinhart, einem Zeit-genossen von Lorenz Fries, der dessen Bauernkriegsgeschichte bearbeitet hat, wurde auch (oder nur?) das gleichzeitige allgemeine Ausschreiben gedruckt, mit dem die »Hauptleute, verordneten Räte und Versammlung der von der Landschaft zu Franken, itzund zu Würzburg« den Aufstand nach außen zu rechtfertigen versuchten. Gropp, Ignaz: Collectio novissima scriptorum et rerum Wircebur-gensium novissima a saec. XVI. XVII. et XVIII. hactenus gestarum. T. III. Würzburg: Engmann 1748 (Frankfurt a.M.: Weidmann 1754), S. 124. Dieses Ausschreiben bei Fries: Bauernkrieg, S. 294.

und Herrn. Mit Lobmeyers Typen wurde nun ein Flugblatt gedruckt, auf dem die Wappen der Domher-ren und Ritter, die erfolgreich die bischöfliche Festung verteidigt hatten, abgebildet sind.22 Der letzte Druck, der Lobmeyer zugeschrieben wird, Luthers Verdikt Wider die räuberischen und mordischen Rotten der andern Bauern23 riet zwar zu einem schonungslosen Vorgehen gegen die Aufständischen, wird aber den Bischof kaum mit seinem früheren Hofbuchdrucker ausgesöhnt haben. Balthasar Müller (1525?–1542) Lobmeyers Nachfolger, dessen Loyaliät sich der Bi-schof gewiss sein durfte, wurde Balthasar Müller. Als Hofbuchdrucker wurde er zwar erst im März 1526 privilegiert,24 druckte aber schon vorher in amtlichem Auftrag. Es liegt eine erste Untersuchung Karl Schot-tenlohers vor, an die Josef Benzing mit einer Aufli- stung weiterer Drucke aus dieser Presse anknüpfte. Zusammengenommen haben beide 44 Drucke ausführ-lich oder nur mit Kurztitel für Müller verzeichnet, von denen ihm einige allerdings wieder abzusprechen sind. Hinzu kommen neun Neuzuschreibungen, die Helmut Claus in der Abteilung III (Druckerregister) des VD 16 publiziert hat. Nach neueren Recherchen komme ich auf insgesamt 107 Drucke, die firmiert und unfirmiert, mit Exemplarnachweis oder zumindest aus der Litera-tur bekannt, der Würzburger Presse für die Jahre 1525–1547 zuzuordnen sind.

Bei der Zuschreibung nur aufgrund des typogra-phischen Befundes ist allerdings Vorsicht geboten, denn die Neudörffer-Andreae-Fraktur, die Müller sich aus Nürnberg besorgt hatte, ist von den in Nürn-berg selbst verwendeten Typen kaum zu unterschei-den. So gehört der Druck der Ansuchung Herzog Christophs von Württemberg aus dem Jahre 1533, den Benzing Müller zugeschrieben hat, nicht nach Würz-burg. Er stammt trotz der ähnlichen Frakturschrift seiner übrigen Ausstattung nach von Franz Rhode in

——————— 22 Verkleinerte Abb. nach einem Exemplar der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (cod.hist. 52, fol. 152) bei Arnold, Klaus: Der Bauernkrieg. In: Unterfränkische Geschichte. Hrsg. von Peter Kolb und Ernst-Günther Krenig. Bd 3. Würzburg: Echter 1995, S. 63–80, 181; hier S. 181. 23 VD16 L 7500. Wagner: Lobmeyer, Nr. 16. Lobmeyer wird diesen Druck, der nur in einem einzigen Exemplar nachgewiesen ist, nicht vor Ende Mai 1525 fertiggestellt haben. Der Wittenberger Erstdruck lag als Anhang zu Luthers »Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft« (VD16 L 4690) erst am 10. Mai vor. Vgl. Clos, Albert: Zur näheren Bestimmung der Abfassungs-zeit von Luthers Schrift »Wider die räuberischen und mörderi-schen Rotten der Bauern« 1525. In: Archiv für Reformationsge-schichte 33 (1936), S. 126–133. 24 Meyer: Befreiungen, S. 8f. Müllers Druckprivilegien wie die von Lobmeyer im Staatsarchiv Würzburg, WU 33/133b, zugleich kopial überliefert Ldf 19, S. 308 und Ldf 27, S. 196.

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156 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Marburg.25 Müller bezog von Andreae Frakturtypen in zwei verschiedenen Graden, bei denen 20 Zeilen 114 mm bzw. 91 mm messen, druckte damit aber noch nicht 1526, wie Schottenloher annahm, sondern erst seit dem darauf folgenden Jahr. Drei Drucke, die Schottenloher Müller zuweist und die alle in das Jahr 1526 gehören, haben auf der Titelseite auch größere Auszeichnungsschriften,26 die in sicheren Müller-Drucken der folgenden Jahre nicht wiederkehren. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind diese Drucke – hier in der Reihenfolge aufgeführt, wie sie Schottenloher und Müller verzeichnen – nicht in Würzburg, sondern von Hieronymus Andreae in Nürnberg gedruckt worden: 1. Eberlin, Johannes: Ein getreue Warnung an die

Christen in der Burgauischen Mark Ein getrewe war=||nung an die Christen/ in der Bur=||gawischen marck/ sich auch fFro || hin zů hFten vor aufrur/ || vnnd vor falschen || predigernn || Seyt nFchtern vnd wachent/ dann ewer wider=|| sa-cher der Teuffel/ geht vmb her wie ein brFllen=|| der Lew vnnd sucht welchen er veschlinde/ dem || wi-dersthet fest im glauben. 1. Pet. 5. || [TE, zusam-mengesetzt aus 4 Leisten, in der rechten ein Eier le-gender Narr] Endet D6r Zeile 14: Ewer bruder Johan Eber=||lein von Gintzburg || [Nürnberg: Hieronymus Andreae 1526] [18] Bl. A-C4 D6 (A1v und D6v leer) 4°.

Panzer 3075; Schottenloher, Müller 5; Hohenem-ser 3299; Claus, Bauernkrieg 208; VD16 E 127; Köhler 791; Peters, S. 371, Nr. 71; Bibliotheca Pa-latina 03031; Pegg, Alsace I, 1055. Textedition: Endres, S. 253–287 (und 370–374). Berlin SB, Cu 2005 R; Berlin KiB EKU, Refschr. 730; Città del Vaticano BVat, St.Pal. IV, 384.11; Colmar Consistoire Protestant, 109 S. 4272A/9; Frankfurt/M. StUB, G.F. XVII, 563; *München SB, 4 Eur. 332,45; Nürnberg StB, Theol. 913 4°(10); *Regensburg SB, 4° Theol.syst. 550/(2(1); Schaff-hausen StB; Weimar HAAB, Aut.ben.Aut.Eberlin, J 7; Wolfenbüttel HAB, 189.27 Theol.(25); Wien NB, 20.Ded. 1368. Erstdruck. Nachgedruckt erst wieder 1573 in Ba-sel als Anhang (VD16 E 128) zu einer verdeutsch-

——————— 25 (A)Nsuchung Her=||tzog Christoffs von Wirttenbergk/ bei || den Stendenn des Bunds im Landt zu || Schwaben/ darinn er das Fur=||stenthumb zu Wirtten=||bergk widder || fordert || vnd begert. || [Marburg: Franz Rhode 1533]. [12] Bl. A–C4. Benzing: Müller 12. Pegg: Alsace I, 1076. Beide beschreiben ein Colmarer Exemplar. VD16 W 4467 verzeichnet einen Druck vom selben Satz, aber mit der Titelvariante „bey || den“ und einem Blättchen unter der 8. Zeile. 26 Wie bei Crous, Ernst/Kirchner, Joachim: Die gotischen Schriftarten. Leipzig: Klinckhardt & Biermann 1928, Abb. 126 und 127.

ten Ausgabe der Bauernkriegsgeschichte von Pe- trus Gnodalius (VD16 G 2284).

2. Auszug eines Briefes

Auszug eines brie||fes wie einer so in der TFr=|| ckey wanhafft seinem freund in dise land || ge-schrieben vnd angezeygt was/ das || TFrckisch re-giment vnd wesen sey || v] wie er es mit den lan-den so er || erobert zůhaltenn pfligt/ kFrtz=||lich in Teutsch sprach gepra||cht/ nůtztlich diser zeyt zů || wissen. 1526. || [TE, zusammengesetzt aus 4 Leis-ten, in der rechten ein Eier legender Narr]

Endet 4v Zeile 26: … Datum Andernopel am || ersten tag des monats Mertzen. Jm 1 5 2 6. jar. || [Nürnberg: Hieronymus Andreae 1526] [4] Bl. <ii-iij> 4°.

Weller, Repertorium 3726; Kertbeny 232; Schot-tenloher, Müller 6; Hubay 59; Göllner 248; VD16 A 4423; BNHCat, A797. Verkleinerte Abbildung der Titelseite bei Röttinger, Fig. 29. Budapest NB, Röpl. 59; Coburg LB, R II 8/1; Dresden SLUB, 3 A. 6141; *München SB, 4 Turc. 81,12; Weimar HAAB, 4° XVIII: 118 [b].

3. Anzeigung etlicher irriger Mängel, so Kaspar

Schatzgeyer, Barfüßer, in seinem Büchlein wider Andream Osiander gesetzt hat Anzaygung etli||cher Jrriger mengel so Cas=||par Schatzgeyer Barfusser in || seinem bůchleyn wider Andream || Osiander/ gesetzt hat/ darinn || Christen-liche leuterung vnd || vnterrichtūg mit grund || G=tlicher schrifft be||gert wFrdt. || 1526. || [TE mit Laute spielendem Engel] [Nürnberg: Hieronymus Andreae] 1526 [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°.

Panzer 3140 [s.l.]; Schottenloher, Müller 7; John-son 55 (mit Abb. der Titelseite und Zuweisung: H. Andreae ?); VD16 A 3021. *München SB, 4 Polem. 203; Schweinfurt Biblio-thek Otto Schäfer, OS 1454; Weimar HAAB, Aut.ben.Aut.Osiander.A.(14a); Wolfenbüttel HAB, 172.2 Quod.(22). Einige Werkverzeichnisse Dürers geben die Titel-seite mit der Variante »Anno M.D. 1526« in Zeile 10 nach einem Exemplar des Kupferstichkabinetts Berlin wieder. Erstdruck, nachgedruckt in Basel (VD16 A 3020).

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Balthasar Müller (1525?–1542) 157

Für Andreae sprechen die Typen27, die Initialen28 und nicht zuletzt die in Holz geschnittenen Titelumrah-mungen Nürnberger Herkunft. Die Einfassung mit dem Laute spielenden Engel wird heute nicht mehr Dürer, aber noch immer seiner Werkstatt oder der Dürerschule zugeschrieben. Ihren engen Zusammen-hang mit dem ›Narrenrahmen‹ der beiden anderen Drucke hat Röttinger herausgearbeitet.29 Als Nürn-berger Erzeugnisse sind demnach aus der Liste der Müller-Drucke außer dem Neuigkeitsbericht aus der Türkei, den Müller allerdings mit seiner Schwaba-cher Type nachdruckte, zwei reformationsfreundliche Druckschriften zu streichen. Eberlins letzte Druck-schrift verneint ganz im Sinne von Luthers Zwei-Regimenten-Lehre jedes Recht der Untertanen auf Ungehorsam gegenüber einer von Gott eingesetzten Obrigkeit, schließt sich in der theologischen Argu-mentation auch sonst Wittenberger Lehrmeinungen an. Verfasst wurde die Getreue Warnung wohl im Winter 1525/26 während sich Eberlin bei dem fränki-schen Freiherrn Johann von Schwarzenberg aufhielt, bevor er im Frühjahr 1526 eine Pfarrstelle in der Grafschaft Wertheim annahm.30 In noch engerer Be-ziehung zu ihrem Druckort steht die anonyme Anzei-gung etlicher Mängel. Ihr Verfasser, ein aus Bayern gebürtiger Nürnberger Bürger und Laie, war un-schlüssig, ob er im Streit um die Messe, die Rechtfer-tigung und andere Glaubensgrundsätze nicht eher dem Nürnberger Reformator Andreas Osiander fol-gen sollte als dessen Kontrahenten, dem bayerischen Franziskaner Kaspar Schatzgeyer. Seine Fragen, die er deshalb an Schatzgeyer richtete und dieser bald

——————— 27 Ähnlich schon Crous, Ernst: Dürer und die Schrift. Mit einer Wiedergabe von Dürers Abhandlung aus seiner »Unterweisung der Messung«. Berlin: Aldus 1933 (Vereinsgabe des Berliner Bibliophi-len Abends für 1933), S. 18, Anm. 29: »Ich bin geneigt, die Drucke [Schottenloher] 5-7 Müller ab und Andreä zuzusprechen.« 28 Die Initiale E in der »Anzeigung« (A1v) findet sich in mehreren Drucken Andreaes, unter anderem in Dürers »Vier Büchern von menschlicher Proportion« (VD16 D 2859, A3v) und in dessen »Unterweisung« (wiedergegeben bei Crous: Dürer und die Schrift, K1v). 29 Röttinger, Heinrich: Dürers Doppelgänger. Straßburg: J.H. Ed. Heitz 1926 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte. 235), S. 18–20. Beide Einfassungen wie übrigens auch den Rahmen des 1527 von Andreae gedruckten Betbüchleins Luthers weist Röttin-ger einem ›Birgittenmeister‹ zu. Vgl. dazu auch Zimmermann, Hildegard: Der ›Birgitten-Meister‹ = Peter Vischer?. In: Nordisk Tidskrift för Bok- och Biblioteksväsen 15 (1927), S. 7–16, S. 7–16. Zimmermann stimmt Röttingers Zusammenführung verschie-dener Holzschnittillustrationen weitgehend zu, folgt aber nicht dessen Versuch, den fiktiven Rosenkranz-Birgittenmeister mit Peter Vischer d.Ä. zu identifizieren. 30 Peters, Christian: Johann Eberlin von Günzburg ca. 1465–1533. Franziskanischer Reformer, Humanist und konservativer Reformator. Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus 1994 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. 60), S. 281–291.

mit einer eigenen Schrift beantwortete, lassen deut-lich den Einfluß osiandrischer Predigten erkennen.31

Nach der Zuschreibung dieser Drucke an Andreae wird auch die mitunter geäußerte Vermutung hinfäl-lig, das Wappenschild in der unteren Leiste der ›Nar-reneinfassung‹ mit dem Baum, an dessen Ästen ein Dreschflegel und ein Apfel hängen, stelle Müllers Druckermarke dar.32 Müller hatte die Schnitte ja nicht selbst in Auftrag gegeben. Er bezog aus Nürn-berg nicht nur seine Frakturtypen, sondern übernahm von Andreae auch die Leisten der ›Narreneinfassung‹ und schmückte damit seit 1527 die eigenen Drucke. Schon vor der ersten Wiederverwendung durch Mül-ler wurde allerdings der als anstößig empfundene, weil mit entblößtem Hinterteil dargestellte Mann von der einen Randleiste entfernt und durch ein Schmuck-element ersetzt. Bald danach wurde auch der Narr von der anderen Leiste abgetrennt und gesondert für einen Kalenderdruck weiterverwendet. Zu dem Bild-material, das sich Müller aus Nürnberg beschaffte, gehören neben den Leisten aus der Werkstatt des ›Birgittenmeisters‹ auch die beiden Holzschnitte mit der Darstellung von Adam und Eva, die Sebald Be-ham zugeschrieben werden. Müller verwendete sie seit 1527 für die Titeleinfassungen einiger Quartdru-cke, in anderer Anordnung auch für einen großforma-tigen Kalenderdruck. Auf dem Almanach Erhard Etzlaubs für das Jahr 1531 ist die obere Rahmenleiste mit Adam und Eva und dem zwischen ihnen einge-fügten Würzburger Wappen aus drei Holzschnitten zusammengesetzt. Nachgewiesen ist dieses Kalender-blatt nur in einem Makulaturdruck aus einer Nürnber-ger Werkstatt, die dessen Rückseite neu bedruckte.33

Wie es der streng altkirchlichen Haltung von Bi-schof und Domkapitel entsprach, druckte Müller mehrere Schriften, die im Abwehrkampf gegen die lutherische Reformation den Standpunkt der katholi-schen Kirche vertraten. Neben Nachdrucken von Werken so bekannter Kontroverstheologen wie Jo-hannes Eck und Johannes Fabri erschien bei ihm als Erstdruck 1526 auch eine gegen die Lutheraner ge-richtete Schrift des Augustinereremiten Bartholo-maeus Arnoldi, der ein Jahr zuvor Erfurt verlassen und im Würzburger Kloster eine neue Heimat gefun-

——————— 31 Vgl. Martin Stupperichs Beitrag in: Andreas Osiander d.Ä. Gesamtausgabe. Bd. 1. Gütersloh: Mohn 1975, S. 471–479, und Erwin Iserloh in: Kaspar Schatzgeyer. Schriften zur Verteidigung der Messe. Münster: Aschendorff 1984 (Corpus Catholicorum. 37), S. 594–597. 32 Schottenloher, Karl: Balthasar Müller in Würzburg. (Frän-kische Druckereien der Reformationszeit. 2). In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 28 (1911), S. 64–72, hier S. 69. Röttinger: Dürers Doppelgänger, S. 18. Endres, Heinrich: Würzburger Dru-ckermarken des 16. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 40/2 (1936), S. 51–53. 33 Anhang Nr. 48.

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den hatte.34 Es spricht allerdings nicht gerade für die Leistungsfähigkeit dieser Presse, dass weitere Druck-aufträge für Schriften Arnoldis später von einem Würzburger Verleger nicht an Müller, sondern an Georg Erlinger in Bamberg vergeben wurden.35 Auch andere zeitweilig in Würzburg ansässige Autoren, der Weihbischof Augustinus Marius36 und der als Jurist wie Kontroverstheologe bedeutsame Konrad Braun37, haben auswärtige Pressen bevorzugt. Zwei Müller-Drucke überliefern Reden des Kartäusers Jodocus Hess (Hesch). Er war als Procurator in Ittingen luthe-rischer Neigungen verdächtigt worden, wurde nach seiner Inhaftierung aber auf Betreiben seines Ordens 1525 aus der Schweiz ausgewiesen, als Hospes in die Kartause Buxheim bei Memmingen versetzt und übernahm ein Jahr später das Priorat in Astheim, nun unter würzburgischer Landeshoheit. Müller druckte eine Rede, die Hess in Buxheim unter dem Priorat Georg Mentelins gehalten hatte mit einer Auslegung des Bibelverses Ezechiel 36,8 und heftigen Invekti-ven gegen Luther.38 Diese Collatio Carthusiae ist der Kartäuserforschung bis heute verborgen geblieben, denn sie wurde in die Sammlung seiner Reden, die postum 1539 in Erfurt herauskam, nicht aufgenom-men.39 Bekannt ist die dort wieder abgedruckte Ora-tio de optimi pastoris officio, gehalten auf dem Gene-ralkapitel 1531, von der aber auch eine Würzburger Erstausgabe vorliegt.40 Ob Jodocus Hess auch ein deutsches Reimpaargedicht verfasst hat, das in einem von Müller besorgten Druck nur mit den Initialen

——————— 34 Anhang Nr. 9. 35 VD16 A 3718, L 308, A 3736. 36 Eine Festpredigt zu Ehren des 50-jährigen Jubiläums des Würzburger Domherrn Lorenz Truchseß von Pommersfelden erschien 1538 in Leipzig (VD16 M 1016), ein Brief an Friedrich Nausea in Köln (VD16, ZV 10398). Seine Abhandlung über den Uhu als Orakelvogel gab Marius nach Ausweis der Typen 1541 in Nürnberg bei Johann Petreius in Druck (VD16 M 1015). Vgl. dazu Mauerhoff-Henke, Thomas: Der Uhu und der Weihbischof. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 62/63 (2001), S. 185–194, wo aber keine Druckerbestimmung versucht wird. Als Drucker der wiederum Lorenz Truchsess von Pommersfelden gewidmeten Schrift »De praedestinatione divina« wurde (VD16, ZV 25311) Ivo Schöffer in Mainz ermittelt. Danach ist Adams M 600 [Würz-burg] zu berichtigen. 37 Eine Rede, die Konrad Braun als fürstbischöflicher Kanzler 1535 anläßlich des Priesterjubiläums des Domherrn Johann von Liech-tenstein gehalten hatte, wurde nach dem typographischen Befund ebenfalls von Petreius in Nürnberg gedruckt (VD16 B 7206). 38 Anhang Nr. 13. 39 Vgl. Richermoz, Bruno: Hesse (Josse). In: Dictionnaire de Spiritualité ascétique et mystique. V. 7. Paris: Beauchesne 1971, Sp. 380–381, hier Sp. 380f.; Stöhlker, Friedrich: Die Kartause Buxheim 1402–1803. Folge 4. Der Personalschematismus I. 1402–1554. [Buxheim] 1978, S. 773–780. Ebenso wenig bekannt ist das nur dem Bamberger Exemplar beigefügte längere Dankes- und Recht-fertigungsschreiben Hesses an seinen Ordensgeneral. Es belegt un-ter anderem, dass sich Hess noch Mitte Juli 1526 in Buxheim auf-hielt. 40 Anhang Nr. 56.

J. H. F. unterschrieben ist?41 Das Gedicht rechnet ähnlich schonungslos wie die Collatio mit der neuen Ketzerei ab, hält ihr einen ähnlichen Sündenkatalog vor, polemisiert nicht nur gegen die Lutheraner, son-dern ruft am Ende ausdrücklich auch die Eidgenossen zum Kampf gegen die zwinglische Reformation auf. Äußerst selten, wohl nur noch in einem Exemplar der Bibliothek Scheurl erhalten, ist auch Müllers Nach-druck des antilutherischen, von einem pseudonymen Autor verfassten Bockspiels.42

Rublack hat nachgewiesen, dass Bischof Konrad nach dem Bauernkrieg noch entschiedener als zuvor gegen reformatorische Regungen im Hochstift vor-ging. Evangelische Predigt wurde weniger denn je geduldet.43 Im Unterschied zu seinem Vorgänger hü-tete sich Müller denn auch vor dem Geschäft mit allzu reformationsfreundlichen Drucken. Immerhin druckte er die Briefe nach, die Luther und Herzog Georg von Sachsen im Dezember 1525 gewechselt hatten und die deren unterschiedliche Auffassung in der Religi-onsfrage veranschaulichten. Außerdem wagte er den Druck einer lutherischen Bekenntnisschrift, die unter dem Namen des Reformators während des Augsbur-ger Reichstages wohl zunächst in Coburg herausge-kommen war und noch im selben Jahr zahlreiche Nachdrucke erfuhr.44 Es war ein unautorisierter Druck der Schwabacher Artikel, die kursächsische und ans-bach-brandenburgische Theologen unter maßgeblicher Mitwirkung Luthers bereits im Sommer 1529 erarbei-tet hatten.45 Um Einfuhr und Vertrieb lutherischer Bü-cher entgegenzuwirken, waren die Würzburger Buch-führer eidlich zur Unterwerfung unter eine Vorzensur verpflichtet worden.46 Dass sich dennoch unter Um-gehung der Zensurbestimmungen selbst der fürstbi-schöfliche Hofbuchdrucker eines solchen Druckes an-nahm, zeigt allerdings, wie schwierig es war, das Buchgewerbe wirklich lückenlos zu kontrollieren. Müller war vorsichtig genug, den Nachdruck der Schwabacher Artikel nicht mit einer Titeleinfassung zu versehen. Sie hätte die Herkunft aus seiner Presse leichter erraten lassen. Erst die Entgegnung, mit der vier katholische Kontroverstheologen aus dem Gefol-ge des Kurfürsten von Brandenburg auf den Druck ——————— 41 Anhang Nr. 14. Mit diesem Druck hat sich anscheinend noch niemand beschäftigt. Das einzig nachweisbare Exemplar liegt in Zürich. 42 Anhang Nr. 57. 43 Rublack, Hans-Christoph: Gescheiterte Reformation. Früh-reformatorische und protestantische Bewegungen in süd- und westdeutschen Residenzen. Stuttgart: Klett-Cotta 1978 (Spätmit-telalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsfor-schung. 4), S. 34–41. 44 Anhang Nr. 47. 45 Wegen ihrer von Zwingli abweichenden Abendmahlsauf-fassung fanden sie auf einer Zusammenkunft evangelischer Stände in Schwabach (16.–19. Oktober) nicht die Zustimmung oberdeut-scher Reichsstädte. 46 Rublack: Gescheiterte Reformation, S. 40.

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Einblattdrucke 159

der Schwabacher Artikel antworteten, druckte Müller wieder mit vollem Buchschmuck nach.47 Einblattdrucke Ohne Einblattdrucke, die auch das VD 16 nicht be-rücksichtigt, vermitteln bibliographische Arbeiten nur ein unvollständiges Bild von der Produktion einzel-ner Offizinen. Das gilt besonders für solche Werk-stätten, die überwiegend in amtlichem Auftrag arbei-teten. Die Suche nach den meist einseitig bedruckten Verordnungen und Ausschreiben wird allerdings da-durch erschwert, dass die Findmittel der Archive, in deren Bestand sie vorrangig zu vermuten sind, Dru-cke nicht als solche ausweisen. Für Würzburg liegt nur eine Untersuchung zu den Einblattdrucke vor, die Georg Reyser als Hofbuchdrucker Bischof Rudolfs von Scherenberg gegen Ende des 15. Jahrhunderts her-stellte.48 Immerhin hat auch Josef Benzing in seine Auflistung der Müller-Drucke einige Einblattdrucke aufgenommen. Mehr davon fand ich bei meinen Recherchen in den Archiven von Würzburg, Meinin-gen und Nürnberg. Selbst in der British Library Lon-don liegt ein Konvolut, das neben handschriftlichen Eintragungen eine Reihe Würzburger Ausschreiben aus dem hier behandelten Zeitraum enthält. Unter den im Anhang aufgeführten Drucken der Jahre 1525–1547 sind nun ohne Anspruch auf Vollständig-keit elf Kalenderdrucke49 verzeichnet sowie 40 amtli-che Einblattdrucke. Letztere richteten sich an einzel-ne Landstände oder an alle Stiftsuntertanen, waren mitunter auch für eine noch breitere Öffentlichkeit im Reich bestimmt. Der Plakatdruck, mit dem sich Bi-schof Konrad von Thüngen in Sachen ›Packsche Händel‹ rechtfertigte, wurde einem zeitgenössischen Bericht zufolge nicht nur in den Städten, Märkten und Flecken des Hochstifts angeschlagen, sondern mit der Bitte um öffentliche Bekanntmachung auch

——————— 47 Anhang Nr. 49. Luther reagierte darauf mit einer Gegen-schrift, die unter dem Titel »Auf das Schreien etlicher Papisten über die siebzehn Artikel Antwort« in Coburg gedruckt wurde. Benzing /Claus 2861. 48 Eisermann, Falk: Buchdruck und Herrschaftspraxis im 15. Jahrhundert. Der Würzburger Fürstbischof Rudolf von Scheren-berg und sein Drucker Georg Reyser. In: Würzburg, der Große Löwenhof und die deutsche Literatur im Spätmittelalter. Hrsg. von Horst Brunner. Wiesbaden: Reichert 2004 (Imagines medii aevi. 17), S. 495–509. Vgl. auch Eisermanns Beitrag: Archivgut und chronikalische Überlieferung als vernachlässigte Quellen der Früh-druckforschung. In: GJ 2006, S. 50–61. Sein Plädoyer für die Erfas-sung archivalischer Druck-überlieferung gilt Inkunabeln, ist aber zu übernehmen für die weit weniger gut erschlossenen Einblattdrucke des 16. Jahrhunderts. 49 Glücklicherweise sind die Kalender im Besitz des Histori-schen Vereins entgegen der Befürchtung Brods (Mainfränkische Kalender S. 18) nicht als Folge archivalischer Kriegsverluste verlo-ren gegangen, sondern heute in der Universitätsbibliothek Würzburg einzusehen.

an auswärtige Adressaten verschickt, an insgesamt 28 Fürsten, 14 Grafen und 104 Städte.50 Ladungen zu Landtagen, Steuermandate, Mobilmachungsbefehle verließen die Presse in der Regel als Formulare. Der gedruckte Text enthielt Freiräume, in denen der Na-me des Empfängers handschriftlich eingetragen wer-den konnte. Die Auflagenhöhe der amtlichen Ein-blattdrucke wird sich gegenüber der Inkunabelzeit, für die Eisermann von einer Stückzahl zwischen 50 bis 200 Exemplaren ausgeht,51 nicht wesentlich ver-ändert haben.

Die gedruckten Mandate und Ausschreiben geben einen Einblick in die Schwerpunkte fürstbischöflicher Politik während der Regierungszeit Bischof Konrads von Thüngen und seiner Nachfolger. Nach der Nieder-werfung des Bauernaufstandes verlangten die Sieger eine Entschädigung für ihre während des Krieges erlittenen Schäden. Im Einladungsschreiben auf den Landtag zum 28. August 1525 forderte der Bischof die Ritterschaft zu Verhandlungen über eine geordne-te Regelung auf und ermahnte jeden, sich nicht im Alleingang an den Untertanen des Hochstifts schad-los zu halten.52 Die Entschädigung erfolgte schließ-lich nach dem Bamberger Vorbild auf der Grundlage des ›Ritterlichen Vertrages‹ vom 8. November 1525.53 Ihm war der Adel allerdings nicht ausnahmslos ge-folgt.54 Wer nicht unterschrieben hatte, wurde noch 1527 in einem monströsen, aus fünf Folioblättern zusammengesetzten Plakatdruck an die Rechtsver-bindlichkeit dieses mittlerweile vom Kaiser konfir-mierten Einigungsvertrages erinnert. Die Betroffenen sollten nach Maßgabe der Konfirmationsurkunde bin-nen Monatsfrist »nach anschlahung oder verkündi-gung dieser auscultirten Copey den vilgemelten ver-trag annemen und zuschreiben«; andernfalls verloren

——————— 50 Schottenloher, Karl: Die Druckschriften der Pack’schen Händel. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 25 (1908), S. 219. Unten Anhang Nr. 31. 51 Eisermann: Buchdruck und Herrschaftspraxis, S. 506. 52 Anhang Nr. 3 und 4. 53 Anhang Nr. 5. Davon abweichend gibt Cronthal, Martin: Die Stadt Würzburg im Bauernkriege. Hrsg. von Michael Wieland. Würzburg: Verl. d. Histor. Vereins von Unterfranken 1887, S. 105–110 den Vertrag ungenau wieder mit Datum 29. November (Mitt-wochen nach Conradi). Ihm folgen in Unkenntnis des zeitgenössi-schen Druckes Scarbath, Alma: Bischof Konrad III. von Würzburg und der Bauernkrieg in Franken. Phil. Diss. Würzburg 1935, S. 55 mit Anm. 169, und noch Endres, Rudolf: Der Bauernkrieg in Franken. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 109 (1973), S. 31–68, hier S. 64. Das richtige Datum hat Wendehorst, Alfred: Das Bistum Würzburg, T. 3: Die Bischofsreihe von 1455 bis 1617. Berlin: de Gruyter 1978 (Germania Sacra. N. F. 13), S. 85. Die Schadenssumme (nach Cronthal S. 111 auf mehr als 27.300 fl. veranschlagt) sollte durch eine Haussteuer von 7½ fl. abgegolten werden, die alle Untertanen, »ein yeder haußsesse, er sey reich oder arme, fraw oder man, fur sein peron«, in drei Raten entrichten mußten (Bl. A3r, Art. 7). 54 Anhang Nr. 6.

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sie jeden Anspruch.55 Aus aktuellem Anlass ging in Würzburg um diese Zeit auch ein längeres Gedicht über den Aufstand in Druck, den die Bürgerschaft einst gegen Bischof Gerhard von Schwarzenberg unternommen hatte und der im Jahre 1400 bei Bergt-heim blutig niedergeschlagen wurde.56 Im Jahre 1528 drohte dem Hochstift Gefahr, als Bischof Konrad während der ›Packschen Händel‹ von Hessen und Kursachsen beschuldigt wurde, an einem angeblichen Offensivbündnis katholischer Fürsten beteiligt zu sein. Müller druckte nicht nur die Rechtfertigung des Würzburger Bischofs, sondern besorgte in dessen Auftrag auch einen Nachdruck der fiktiven Bündnis-urkunde sowie Nachdrucke von Stellungnahmen anderer Landesfürsten. Da dem Bischof als Aus-gleich für Rüstungskosten vom hessischen Landgra-fen eine hohe Entschädigungssumme abgepresst wor-den war, berief er zum Juni einen Landtag, der eine neue Steuer bewilligen sollte.57 Von seinen zahlrei-chen Verordnungen im Bereich der Justiz, des Ver-waltungs- und Polizeiwesens erschienen eine Feuer-löschordnung und eine Almosenordnung für die Stadt Würzburg in Buchformat. Eine Fischerordnung und eine kurze Armenordnung wurden als Einblattdrucke veröffentlicht.

Ein Erlass an den Klerus, den Kampf gegen die Türken 1532 mit Fürbitten und Prozessionen zu un-terstützen, lässt das besondere Interesse Bischof Konrads an der Türkenabwehr erkennen. Sogar der Eid, den die Söldner vor dem Feldzug dem Kaiser, den Reichsständen und ihrem obersten Befehlshaber, Graf Friedrich von Fürstenberg, leisten sollten, wurde in Druck gegeben.58 Nach mehreren Zeitungsberich-ten, die schon anlässlich der Schlacht von Mohács und der Belagerung Wiens die Türkengefahr beschworen hatten, druckte Müller schließlich auch den von Jo-hann Haselberg verlegten, sicherlich von Bischof Konrad gern gesehenen Bericht über den erfolgreich verlaufenen Feldzug von 1532.59 Die Unterstützung kaiserlicher Politik sowohl gegen die Türken wie gegen die Lutheraner hinderte den Bischof nicht daran, 1533 einem interkonfessionellen Bündnis beizutreten, das sich gegen die habsburgische Über-——————— 55 Anhang Nr. 23. 56 Anhang Nr. 24. Rochus von Liliencron legte seiner Edition eine nicht sehr verlässliche zeitgenössische Abschrift dieses Dru-ckes, den er nicht hatte auffinden können, zugrunde. Erst später beschrieb Schottenloher den Druck nach dem Münchner Exem- plar. Unverständlich ist, warum er in der neueren Forschung, die sich sowohl aus germanistischer wie landesgeschichtlicher Sicht für den Text sehr interessiert, noch immer als verschollen gilt. Vgl. Vom Großen Löwenhof [Katalog], Nr. 23, S. 72. Schubert: Lieder vom Würzburger Städtekrieg, S. 39–81. 57 Anhang Nr. 34 und 35. 58 Anhang Nr. 61. Der Druck, nicht bei Göllner verzeichnet, wurde erst vor kurzem in einem Sammelband der Universitätsbi- bliothek Würzburg entdeckt. 59 Anhang Nr. 63.

macht richtete.60 Dass insbesondere die Täufer als eine Bedrohung empfunden wurden, gegen die mit äußer- ster Strenge vorzugehen sei, zeigt Konrads Rüstungs-befehl von 153461, dem in den folgenden Jahr die von Müller gedruckten Zeitungen über die Belagerung und Eroberung Münsters folgten. In der Glaubensfrage setz-te der Bischof große Hoffnungen auf ein Konzil. Des-sen Einberufung nach Mantua wurde ihm im Januar 1537 in einem päpstlichen Breve bekannt gegeben, das der Nuntius Van der Vorst neben mehreren Kopien der Indikationsbulle persönlich überbrachte. Schon bald nach der Weiterreise des Nuntius verschickte der Bi-schof das in Müllers Presse vervielfältigte Breve mit der Konzilsankündigung62 an alle Klöster und Stifte sei-ner Diözese, und zwar zusammen mit einem von ihm in Auftrag gegebenen, bisher noch gänzlich unbekann-ten Würzburger Nachdruck der Einberufungsbulle vom 16. September 1536.63 Die Ausschreiben der vierziger Jahre betreffen die Türkenhilfe, auch die auf dem Spey-erer Reichstag von 1544 bewilligte Hilfe gegen Frank-reich, dann verschiedene Maßnahmen, die zur Siche-rung des Hochstifts während der schmalkaldischen Wirren notwendig geworden waren. Melchior Bopp (1542–1547) Gegen Ende der dreißiger Jahre war die Produktion aus Müllers Presse erheblich zurückgegangen. Seine letzte Flugschrift, die er noch dazu mit vollen Namen unterschrieb, enthält einen Bericht über den Aufent-halt Karls V. in Nürnberg, wo der Kaiser auf dem Weg zum Regensburger Reichstag im Februar 1541 Station machte. Firmiert erschien auch noch Dier-bachs Wappenkalender auf das Jahr 1543,64 woraus unter anderem ersichtlich wird, wie frühzeitig man mit dem Druck des für das kommende Jahr bestimm-ten Kalenders begann. Balthasar Müller starb näm-lich bereits am Ostertag 1542.65 Dieselbe Quelle, die sein Todesdatum überliefert, die ›hohe Registratur‹ des fürstbischöflichen Sekretärs und Archivars Lo-——————— 60 Anhang Nr. 67. Der Druck, mit dem der Bischof seinen Beitritt zur Rheinischen Einung am 2. November im Hochstift publik machte, enthält die wichtigsten Vertragsartikel, aber nicht das Beitrittsdatum (26. Mai). Der Druck fehlt in der Untersuchung von Eymelt, Friedrich: Die Rheinische Einung des Jahres 1532 in der Reichs- und Landesgeschichte. Bonn: Röhrscheid 1967 (Rhei-nisches Archiv. 62). 61 Anhang Nr. 70. 62 Anhang Nr. 77. Vgl. dazu Freudenberger, Theobald: Die Fürst-bischöfe von Würzburg und das Konzil von Trient. Münster: Aschen-dorff 1989 (Reformationsgeschichtliche Studien. 128), S. 15–35, wo allerdings der Bullendruck (Nr. 78) nicht eigens erwähnt wird. 63 Anhang Nr. 78. Auf diesen Druck bezieht sich der Bischof in Nr. 77, Zeile 15: » exemplum Bulle indictionis prefati Concilij futuri vobis si=||mul transmittentes«. 64 Anhang Nr. 82. 65 Pleticha-Geuder: Würzburg, S. 18 mit Anm. 52 (S. 87). Würzburg Staatsarchiv, Standbuch 1011, Bl. 74.

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Melchior Bopp (1542–1547) 161

renz Fries, nennt unter dem Schlagwort ›buchtrucker zu Wirtzburg‹ auch seinen Nachfolger. Hofdrucker in den Jahren 1542–1548 war demnach Melchior Bopp.66 Diesen Drucker haben Schottenloher und Benzing noch nicht gekannt. Bopp wurde erst 2004 von Pleti-cha-Geuder wiederentdeckt und ist nun auch in das jüngste Standardwerk über die deutschen Buchdru-cker des 16. und 17. Jahrhunderts aufgenommen wor-den.67 Nur seinen ersten Druck hat Bopp unterschrie-ben. Es ist eine amtliche Schrift aus dem Jahre 1542, bei deren Herstellung ihm zahlreiche Satzfehler un-terliefen. Wohl deshalb wurde sie rechtzeitig auch einem Nürnberger Drucker in Auftrag gegeben.68 Die übrigen unfirmierten Drucke lassen sich nur aufgrund typographischer Indizien oder auch wegen ihres amtlichen Charakters seiner Würzburger Presse zu-schreiben. Für die folgenden Jahre bis 1548 sind neben zahlreichen Einblattdrucken zumindest drei weitere Quartdrucke bekannt. Von ihnen verdient die Neue Zeitung über den Fußfall der sächsischen Kur-fürstin Sibylle besondere Beachtung. In enger zeitli-cher Nähe zu dem Ereignis berichtet die Flugschrift über die Begegnung der Kurfürstin mit Kaiser Karl V. am 24. Mai 1547 in dessen Feldlager vor Witten-berg und über ihre kniefällige Bitte um Freilassung des in Gefangenschaft geratenen Gemahls. Der äu-ßerst seltene Druck ist als Quellentext auch der Ge-schichtswissenschaft bisher nicht bekannt geworden.69 Kalender haben sich aus Bopps Presse nicht erhalten, obwohl davon auszugehen ist, dass er wie seine Vor-hänger ein entsprechendes Privileg für Druck und Vertrieb der Wappenkalender erhalten hatte.70

——————— 66 »Balthasar Muller ist am ostertag des 1542 [jars]. gestorben und Melchior Bop an seiner stat zu buchtrucker angenomen. Anno 1548 ist Melchior Bop gestorben und Hans Miller zu buchtrucker angenomen.« Würzburg Staatsarchiv, Standbuch 1001, Bl. 74, zitiert nach Schäfer, August: Die ›hohe Registratur‹ des Magisters Lorenz Fries. In: Archiv des Historischen Vereins von Unterfran-ken und Aschaffenburg 22 (1874), S. 1–33, hier S. 23. Pleticha-Geuder, S. 18 mit Anm. 54. 67 Reske, Christoph: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhun-derts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichna-migen Werkes von Josef Benzing. Wiesbaden: Harrassowitz 2007 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen. 51), S. 1024. 68 Anhang Nr. 83. 69 Anhang Nr. 106. Einen anderen Text bieten die hand-schriftlichen ›Zeitungen‹ bei Wenck, Woldemar: Die Wittenberger Capitulation von 1547. In: Historische Zeitschrift 20 (1868), S. 53–131, hier S. 112–114 [heutiger Standort: Berlin Geh. StA, Hist. Staatsarchiv Königsberg, HBA A 2 1547 Juni 3 (K.34)] und bei Lenz, Max: Die Schlacht bei Mühlberg. Gotha: Perthes 1879, S. 5–9 [heutiger Standort: Berlin Geh. StA, Hist. Staatsarchiv Königsberg, HBA H 1547 April 24 bis Mai 36 (K. 790)]. Über den Fußfall berichtet zuverlässig auch der Gesandte Venedigs als Augenzeuge: Venetianische Depeschen vom Kaiserhofe. Bd. 2. Bearb. von Gustav Turba. Wien: 1892, Nr. 114. 70 In einem Kopialbuch, das ein entsprechendes Privileg von 1527 für Müller überliefert, ist der Name Balthasar Müllers durch-gestrichen und am Rand von alter Hand ersetzt durch: »Melicher Bopen Privilegium«. Würzburg Staatsarchiv, Ldf 27, S. 190.

Auffällig ist die Umstellung auf neues Typenmate-rial noch zu Bopps Lebzeiten. Für den Druck der Flug-schrift mit dem Bericht über den Fußfall der Kurfür- stin Sibylle wurden 1547 noch die alten, von Balthasar Müller übernommenen Typen verwendet. Zu gleicher Zeit wurden andere Drucke bereits mit neuen Fraktur-typen und einer neuen oberrheinischen Texttype her-gestellt. Es ist die Ausstattung der Drucke von Hans Mylius, der aber erst 1548 offiziell Bopps Nachfolge als Hofbuchdrucker antrat. Dieser Mylius oder Myller, dessen Familienname ein Verwandtschaftsverhältnis zu Balthasar Müller nahelegt, brachte die Offizin in den folgenden Jahren mit handwerklichem und verlegeri-schem Geschick zu neuem Ansehen.71 Die Neudörffer-Andreae-Fraktur, die Balthasar Müller seit 1527 und nach ihm Bopp verwendeten, ging anscheinend nicht in Mylius’ Besitz über.72 Sie begegnet erst wieder in Drucken Hans Baumanns, und zwar bereits in denen, die er 1550–1557 in Salzburg druckte, bevor er sich 1562 als Hofbuchdrucker in Würzburg niederließ. Die Vermutung liegt nahe, dass sich Baumann dieses Ty-penmaterial aus Bopps Nachlass beschafft hatte.73 Vier Jahrzehnte nach Bopps Tod firmierte in Würzburg ein Hans Buppe den Druck einer Neuen Zeitung.74 Man darf davon ausgehen, dass dieser noch ganz unbekann-te Drucker des Jahres 1588 ein Nachkomme Melchiors war.

——————— 71 Endres, Heinrich: Der Arzt Gualterius Hermenius Rivius und der Würzburger Drucker Johann Myller. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 52 (1935), S. 605–607. Die Printausgabe des VD16 verzeichnet von Johann Müller 16 Druckwerke aus den Jahren 1548–1561 und ein Verlagswerk, das er noch 1572 heraus-brachte. Mittlerweile wurde er auch als Drucker einer weiteren von Nikolaus Mameranus verfassten Schrift (VD16 G 379) ermittelt. Hinzu kommen zwei firmierte Drucke der Jahre 1550 (VD16, ZV 18246) und 1559 (VD16, ZV 20915) sowie eine amtliche Druck-schrift von 1559 (VD16, ZV 24208). 72 Selbst amtliche Einblattdrucke wurden seit 1548 nicht mehr in dieser Fraktur (Type 4), sondern wieder in der Schwaba-cher (Type 2) gedruckt. Vgl. das Steuermandat vom 25.2.1548. Staatsarchiv Meiningen, GHA IV, Nr. 42. 73 Endres, Heinrich: Der fränkische Wanderdrucker Hans Baumann aus Rothenburg ob der Tauber, ([1510]-1570). Sein Leben und sein Werk. In: Archiv des Historischen Vereins von Mainfranken 71 (1937/38), S. 72–91. Hier S. 80f. auch die Vermu-tung, Baumann habe früher in Balthasar Müllers Presse gelernt oder eine Zeitlang gearbeitet. 74 Newe zeitung. || Erschreckliche/ Graw=||same vnd wahr-hafftige Geschicht/ so sich || zugetragen in der Stad Schweinfurt im || Land zu Francken/ am tage aller || Heiligen/ dieses jtzigen || 1588. jahrs, || … || (Gedruckt zu Wirtzburgk bey || Hans Buppen.||). [4] Bl., TH. 4°. Dresden LB, Meteor. 350,53. – VD16, ZV 8249.

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162 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Ausstattung der Drucke Typen 1. Mittelgroße Auszeichnungstype. M-Form wie Proc-

tor, S. 214 (Fig. 30). Von Lobmeyer übernommen und noch bis ins Jahr 1547 verwendet. Typenproben: Zopf S. 40 (Abb., Zeile 2); Wagner S. 361 (Abb. 71, Zeile 1, 6–7); Pleticha-Geuder S. 16 (Abb., Zeile 2–3).

2. Schwabacher. M 81. 20 Zeilen = 88 mm. Als Texttype von Müller 1525–1539 verwendet. Typenproben: Pleticha-Geuder S. 16 (Abb., Zeile 2–10), Farbtafel II (untere Abb.).

3. Auszeichnungs- und Texttype. Fraktur. 20 Zeilen = 114 mm, entsprechend Crous/Kirchner Abb. 125. Seit 1527 verwendet.

4. Texttype. Fraktur. 20 Zeilen = 91 mm, entsprechend Crous/Kirchner Abb. 131. Seit 1527 verwendet.

5. Große Auszeichnungstype. Fraktur. Versalien 12 mm hoch. Seit 1547 verwendet.

6. Kleine Auszeichnungstype. Fraktur. 10 Zeilen = 70 mm. Seit 1547 verwendet.

7. Oberrheinische Texttype. M 44. 20 Zeilen = 90 mm. Seit 1547 verwendet.

Titeleinfassung mit geschlossenem Rahmen TE 1 4°. 155 x 111 (77 x 55) mm. Oben ein Posaune bla-sender Engel unter einem Bogen sitzend mit einem Täfelchen, unten fünf Engel mit einem Karren. Schwarzer Grund.

Nachschnitt nach Monogrammist H. Die Vorlage wurde in Erfurt 1522–1531 von Matthes Maler (Lu-ther: Titeleinfassungen 68), nach Entfernung der Jah-reszahl ›1521‹ auf dem Täfelchen von Wolff Heinick 1535 verwendet (Hase: Erfurter Kleindrucker, S. 199. VD16 A 2410). Sie war 1541 im Besitz Christian Rödingers d. Ä. in Magdeburg (VD16 L 1176), bevor sie nach Hannover zu Henning Rüdem (Luther 68 a) wanderte. Rüdem verwendete sie noch 1550 (VD16 B 7238). Weitere Nachschnitte sind für Gabriel Kanz in Altenburg und Wolfgang Meyerpeck in Zwickau (Lu-ther 68 b), für Georg Erlinger in Bamberg (Luther 68 c) sowie für Hans Hergot und Hieronymus Höltzel in Nürnberg (Luther 68 d) nachgewiesen. Von Müller verwendet 1526–1532 (5, 6, 9, 11, 13, 14, 16, 49, 61).

Abbildung: Luther 68 e (nur oberer Teil); Pleti-cha-Geuder: Würzburg, S. 16 (verkleinert).

Einzelleisten Die zu Titeleinfassungen zusammengestellten Lei- sten sind bei den Drucken in der Reihenfolge: oben – links – rechts – unten angeführt, mehrere Leisten für Seitenteile von oben nach unten. L = Leiste.

L 1 20 x 125 mm. Kopf mit Arabesken. Übernom-men von Hieronymus Andreae und nach Entfer-nung der Begrenzungslinien verwendet 1527–1537 (24, 26, 29, 30, 32, 37, 38, 56, 67, 78).

L 2 20 x 96 mm. Von drei Löwenmasken getragene Kandelabersäule mit Kanneluren von rechts unten nach links oben. Übernommen von Hieronymus Andreae, verwendet nach Entfernung des über der Säule hockenden Mannes und der Begrenzungsli-nien 1527–1531 (20, 25, 28, 29, 38, 56, 58).

L 3 20 x 126 mm. Von drei Löwenmasken getragene Kandelabersäule mit Kanneluren von links unten nach rechts oben, darüber ein Eier ausbrütender Narr. Von Hieronymus Andreae übernommen, verwendet nach Entfernung der Begrenzungsli-nien 1527 (24) und nach Abtrennung des Narren 1527–1531 (20, 28, 56, 58), in erneuter Zusam-mensetzung mit dem zuvor abgetrennten Narren 1528 (29), nur der Narr 1527 (21).

L 4 30 x 125 mm. Wappenschild, flankiert von einem Phoenix und einem Pelikan. Im Wappen ein Baum mit zwei Ästen, an dem links ein Dreschflegel, rechts ein Apfel hängt. Übernommen von Hiero-nymus Andreae, verwendet 1527–1528 (24, 30, 32), ohne den Baum im Wappen 1528–1537 (26, 29, 37, 67, 78).

L 5 20 x 128 mm. Mehrfach gegliederter, ornamen-tal geschmückter Säulenaufbau, getragen von einer sitzenden Männergestalt mit Flügeln. Ohne Begrenzungslinien. Verwendet 1528–1533 (26, 30, 32, 37, 67).

L 6 20 x 128 mm. Mehrfach gegliederter, ornamen-tal geschmückter Säulenaufbau, getragen von zwei Frauengestalten, die Rücken an Rücken leh-nen. Ohne Begrenzungslinien. Verwendet 1528–1537 (26, 30, 32, 37, 67, 78).

L 7 20 x 33 mm. Mit Arabesken geschmückter Säu-lensockel. Verwendet 1527–1537 (24, 29, 58, 78).

L 8 47 x 119 mm. Liegende Eva, nach rechts schau-end. Verwendet 1527–1531 (20, 48, 58).

L 9 47 x 119 mm. Liegender Adam, nach links schau-end. Verwendet 1527–1531 (20, 38, 48, 56, 58).

Anhang: Verzeichnis der Drucke Die Drucke sind nach der Abfolge ihrer Erschei-nungsjahre verzeichnet, unter dem jeweiligen Jahr aber nicht streng chronologisch, sondern in der al-phabetischen Reihenfolge ihrer Verfasser, Urheber oder Sachtitel. Bei den Einblattdrucken, die mir zum Teil nur in nicht maßstabsgetreuen Kopien vorlagen, musste auf Angaben zum Satzspiegel zugunsten der allerdings oft unsicheren Formatangabe verzichtet werden. Literarische Nachweise sind im Anschluß an die Titelbeschreibungen in zeitlicher Folge angeführt,

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 163

Standorte der Drucke, die im Original oder als Kopie eingesehen wurden, mit Asteriskus gekennzeichnet. 1525 1. Ein neues Lied, gemacht von der Bauernschaft im

Frankenland. Ein newes Liedt gemacht || von der Baurschafft im Franckenland || auch von jrem loßen schiessen/ vnd || von jrem blinden stürmen. || Bawr hFt dich || Mein roß schlecht dich.|| [2 Holzschnitte: Bauer und Wege-lagerer] [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [4] Bl. [a4] (a4v leer) 8°. – Typen: 1, 2. Liliencron III, 380 (Textabdruck); Claus, Bauern-krieg 229; VD16, ZV 11605. *Berlin SB, Ye 2741. Die beiden Holzschnitte sind Nachschnitte von Figu-ren des Frankfurter Messeflugblattes von Peter Schöf-fer d.J. (um 1516). Vgl. Benzing, Messeflugblatt Abb., hier die beiden vorletzten Figuren der ersten Reihe. 2. Ein neues Lied von der Belagerung der Bauern-

schaft zu Würzburg. Ein newes lied von der be||legerung der Bawrschafft zw Wurtzburg || vor dem Schloß/ Vnser Frawen berg || genandt/ Jn dem thon Von erst || so w=ll wir loben. || [2 Holzschnitte: Bürger und Bauer] [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [4] Bl. [a4] (a4v leer) 8°. – Typen: 1, 2. Weller, Repertorium 3312; Liliencron III, 382 (Text-abdruck); Claus, Bauernkrieg 230; VD16 ZV 11616. *Berlin SB, Ye 2751. Der Bauer auf der Titelseite ist dem ›Heintz‹ des Schöfferschen Messeflugblattes nachgeschnitten. Vgl. Benzing, Messeflugblatt Abb., hier die letzte Figur der ersten Reihe. 3. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Ladung auf einen Landtag, der am 28. August in Würzburg abgehalten werden soll. 23. Juli 1525. Formular.

Conrad von Gots gnaden Bischoue zw || Wirtzburg v] Hertzog zu Francken. || (V)Nnsern grues zuuor/ Lieber getrewer/ Wiewol wir hieuor ... [endet Zeile 25:] … Datum in vnser stat Wirtzburg/ Sontags nach Maria magdalene. Anno im XXv || [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [1] Bl., einseitig bedruckt, 25 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. *Meiningen Staatsarchiv, GHA II Nr.737 Den Text überliefert auch Cronthal S. 100f.

4. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Ausschreiben, wegen eines Vertrags bezüglich der Begleichung der Bauernkriegsschäden zu erschei-nen. 27. Oktober [15]25. Formular.

Conrad von Gots gnaden Bischoue zu || Würtzburg v] Hertzog zu Francken. || (V)Nsern freuntlichen grůs zuuor/ Lieber getrewer/ Wyr haben hieuor gātz getrewer/ v] gnediger || meynūg ... [endet Zeile 23:] … Datum in vnnser Stat || Würtzburg/ Freytag am abent Symonis et Jude/ Anno ⁊c. jm XXv. || [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [1] Bl., einseitig bedruckt, 24 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. *Meiningen Staatsarchiv, GHA II Nr. 592, Bl. 24. 5. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Wel-

chermaßen sich der hochwürdig Fürst und Herr, Konrad, Bischof zu Würzburg, mit dero Stifts Gra-fen, Herren und Ritterschaft vertragen hat.

Welher massen sich || der Hochwirdig Furst vnnd || Herr/ herr Conrad Bischoue || zu Würtzburg/ v] Hert-zog || zu Francken. mit seiner || F. G. dero Stiffts || Grauen/ Herren vnnd Ritter=||schafft/ der beschedi-gung || halben/ Jnen in der ver=||gangen Beurischen || entp=rung gefFgt || vertragen hat.|| 1525 || ♣ || [TE] Endet B3v Zeile 13: … Der geben ist auf Mitwochen nach sant Lyn=||harts tag [8.11.]/ Nach Christi geburt jm Funfftzehenhundertn/ vnnd || FFnff undzwaintzi-gisten Jar. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1525 [8] Bl. A–B4 (B4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. Panzer 2753; Weller, Repertorium Suppl. I, S. 40 (3303); Schottenloher, Müller 2; Claus, Bauernkrieg 212; Pegg, SwissL 939; VD16 W 4548; Köhler 2063. *Bamberg SB, 35 D 4/2; *Berlin SB, Flugschriften 1525-17; Dresden LB, H.Germ.B 178,90; *München SB, Rar. 1677/10; München UB, 4° Hist. 2171:7; Nürnberg StB, 5 an: Theol. 783.4°; Zürich ZB. Textabdruck: Gropp S. 516–522. 6. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Aus-

schreiben an seiner F. G. Ritterschaft, den Vertrag der zugefügten Schäden halben anzunehmen.

Auszschreyben des || Hochwirdigen Fürsten vnnd || herrn/ Herrn Conrad Bis=||choue zu WFrtzburg v] || Hertzog zu Francken || An seiner F. G. Ritterschafft || den Vertrag der zugefugten || scheden halben anzu-ne=||men. || ♣ || 1525 || [TE] Endet a3v Zeile 20: … Datum in vnser stat Würtz-burg vnther vnserm Secret || auff Montag nach sant Catherinentag [26.11.]. Anno ⁊c. Jm xxv. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1525 [4] Bl. [a4] (a1v und a4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. Panzer 2754; Weller, Repertorium 3302; Schottenlo-her, Müller 1; Claus, Bauernkrieg 211; BNHCat C 984; VD16 W 4540; Köhler 2061.

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164 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

*Bamberg SB, 35 D 4/3; Budapest NB, Ant. 2789; Dresden LB, Hist.Germ.B 178,87; *München SB, Rar. 1677/11. 7. Revers betreffend die Wiedergutmachung der im

Bauernkrieg verursachten Schäden. [Dezember 1525]. Formular für Städte und Ämter des Hoch-stifts.

(W)Jr Schultheys/ Burgermeyster/ R(the/ Dorff-meyster vnnd gantze gemeynde/ arme vnd reich/ || Als der Hochwirdig Fürst vnd herr/ Herr Conrad Bischoue zu Würtzburg vnd Hertzog zu Francken/ vnser Gnediger Herr/ vns vnd andere || seiner FFrstli-chen Gnaden/ vnd dero Stiffts vnderthane vnd verwante … [endet Zeile 38:] … Zu urkunt vnd me-rer sicherhayt/ haben wir || [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [1] Bl., einseitig bedruckt, 38 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. *Würzburg Staatsarchiv, Historischer Saal VII, Nr. 3 (= Revers der Stadt Gerolzhofen mit zugehörigem Amt, datiert und besiegelt am 11. Dezember 1525). 8. Revers betreffend die Wiedergutmachung der im

Bauernkrieg verursachten Schäden. 23. Dezember [15]25. Formular für zu Klöstern gehörige Dörfer, Weiler und Höfe des Hochstifts.

(W)Jr Schultheyß/ Dorffmeister/ vnd gantze ge-meynde/ Arme vnd Reiche/ der nachgemelte D=rffer/ Weyler vnd H=ff/ zu vnnd an das Closter || ge-h=rig. … [endet Zeile 31:] … Der geben ist vff Sambstag nach Thome des || heylgen zwelffpotten Anno ⁊c. Jm XXv. Vnd sind das die Dorffer/ Weyler vnnd h=ff/ dauon obgemelt/ || [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [1] Bl., einseitig bedruckt, 32 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. Weller, Repertorium Suppl. II, 547. *Würzburg Staatsarchiv, Lehensachen 182, fol. 37r, 38r. 1526 9. Arnoldi, Bartholomäus: Libellus de tribus neces-

sario requisitis ad vitam christianam. Libellus Fratris || Bartholomei de || Vsingen Augustini-ani/ De || tribus necessario requisitis || ad vitā christia-nam que || sunt gratia/ fides et || opera || Contra Luthe-ranos/ || Hussopycardos. || Herbipoli. 1526. || [TE] Endet H5v Zeile 26: ¶ Balthassar Muller || Jmpressor. || * || Würzburg: Balthasar Müller 1526 [34] Bl. A–G4 H6 (A1v und H6 leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. Roth, Usingen S. 366,5; Schottenloher, Müller 4; VD16 A 3754; IA 108.966; Pleticha-Geuder S. 16 (Abbildung der Titelseite).

Bamberg SB, 35E#2; Berlin SB, Cy 7144; Edinburgh NL, BL 848; Eichstätt UB, B X 1189; Gotha FB, Theol.4° 338 o-p(7) R; Köln UB, WFIV70+B; Kon-stanz Wessenberg, 17412; Leipzig UB, Kirchg. 979/3; London BL, 697.h.4.(6.); *München SB, 4 Polem. 3137; *Regensburg SB, 4 Theol.syst. 723(4; Wolfen-büttel HAB, Li 257; *Wien NB, 31.1.125;*Würzburg UB, Th.dp.q. 944 angeb. 6. Erstausgabe. Eine zweite, erweiterte Ausgabe erschien 1529 in Köln (VD16 A 3755). 10. Auszug eines Briefs, wie einer, so in der Türkei

wohnhaftig, seinem Freund in diese Land geschrie-ben.

Auszug eines Brieffs Wie einer so in der || Türckey wonhafftig seinem freund/ in dise Land geschriben || vnnd angezeigt/ was das Türckisch Regiment vnnd || wesen sey/ Vnnd wie er es mit den Landen/ so er || erobert zuhalten pfligt/ kürtzlich in Teutsch || sprach gebracht/ Nützlich dise zeyt zu || wissen. M. D XXvj. || Endet A4v Zeile 37: … Datū Andernopel/ am ersten tag des Monats || Mertzen: Jm. M. D XXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [4] Bl. A4 4°. – Typen: 1, 2. Weller, Repertorium 3725; Kertbeny 231; Hubay 58; Göllner 247; VD16 A 4417; BNHCat A 798. *Budapest NB, Röpl. 58. Wohl Nachdruck. Andere Ausgaben erschienen un-firmiert noch 1526 in Augsburg, Köln, Mainz, Mag-deburg und Nürnberg (VD16 A 4418–A 4423, ZV 25220), 1543 in Wien (VD16 A 4424) und 1547 in Wittenberg (VD16 A 4425). 11. Etliche Artikel, so gegen dem Türken zu beden-

ken Not sind. Etliche Artickel so || gegen dem Tür=||cken zube-den=||cken not || sein. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1526?] [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. Göllner 245; Benzing, Müller 3; GermSTC, S 875; VD16 E 4044. *London BL, 1312.c.74. Erster und einziger Druck? 12. Fabri, Johannes: Neue Zeitung und heimliche

Offenbarung etlicher Sachen und Handlungen, so sich auf dem Tag zu Baden im Aargau zugetragen und begeben hat.

Newe Zeittung vnd heimliche wunder||barliche Of-fenbarung etlicher sachē || vnd handlungen/ so sich vff dem tag der zw Baden || in Erg=w/ vor den Sanndtbotten der Zwelff || =rter der l=blichen Eyd-gnosschafft/ vff den || Sechßundzweintzigistē tag des

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 165

Brach||monats. Jm jar Tausent Fünff||hundert v] XXvj. gehalten || worden/ zwgetragen || vnnd begeben || hat. || [6 Sternchen] || Psalmo 118. || Das wort des Herren beleybt vnd wirt || beston in ewig zeyt. || Mathei 10. Marci 4. Luce 8. || Nihil opertum qđ non reueletur: et ocultum qđ non sciatur. || M D XXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller ] 1526 [12] Bl. A–C4 (C4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. A1v–A3v: Widmungsvorrede Johannes Fabris an Bürgermeister und Rat der Stadt Freiburg i. Br., da-tiert 24.6.1526. A4r–C1r: Von Fabri übersetzte und kommentierte Briefe: Capito an Zwingli, Farel an Oswald Myconi-us (4.6.1526), Oekolampad an Zwingli (8.6.1526), Capito an Pellican (11. 6. 1526). C1r–C3r: Brief der Ratsboten der 12 Orte an die in Speyer versammelten Reichsstände (28.6.1526), Send-brief der Ratsboten an die Stadt Straßburg (28.6 1526). C3r–C3v: Auszug aus dem Abschied der Tagsatzung zu Baden. Panzer 3049; Weller, Zeitungen 30; VD16 F 215; Köhler 1112. *Gotha FB, Theol. 4° 346–347(2) R; *Wolfenbüttel HAB, 102 Theol.(2). Nachdruck einer Freiburger Ausgabe von Johann Wörlin (VD16 F 216). 13. (Hess, Jodocus): Collatio Carthusiae. Collatio Carthusie || Anno a Christo nato. M. D. || XXvj. pridie Kalendas May || declamata magna patrū co=||rona principio R. patrem Car||thusie priorem/ nūquam satis || laudatum laude prosequitur/ || postea Lutherum proprijs/ qđ || dicitur/ coloribus depingit/ || Demū/ ne eius pestilentissimo || dogmati nomen demus/ atqa || vt gregi nobis cōmisso inuigile||mus nos adhortatur. || ♣ || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [12] Bl. AI4 AII–B4 (B4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. AII1r–B3v: Gedichte und Brief an den Ordensgeneral Guillaume Bibauce, unterschrieben (B3v Zeile 14): … ex Museolo nostro buxiano. Pridie Jdus Julij [14. 7.]. M. D. XXvj. || F. Jodocus Hessus qualis qualis || dei seruulus/ totus tamē tue R. P. || mancipatus. || Schottenloher, Müller 3; VD16 H 2736. *Bamberg SB, Misc.theol.q. 6/3; *Jena ULB, 8 MS 26 081(10) (nur Bogen AI). Erster und einziger Druck. 14. (J.H.F = Hess, Jodocus:) Warnung und Ermah-

nung der christlichen Kirchen zu Germanien ih-rer Tochter.

Warnung vnd er=||manūg der Christelichen Kir=||chen zw Germanien jrer Do=||chter/ das sie jre verfuerer mit

|| fewer vnd eysen außreutten/ || vnd ein Reformation in jr || w=lle machen/ damitt || sie nit richtenn mFsse || das Schwert || Gedeonis. || ♣ || [TE] Endet A4r Zeile 17: J. H. F. M. D. XXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. VD16 W 1221. *Zürich ZB, Res 1007. Zweispaltig gesetztes Reimpaargedicht. Erster und einziger Druck. Zum mutmaßlichen Verfasser siehe oben S. 158.158. 15. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Ladung der Geistlichkeit auf einen Landtag, der am 6. November in Würzburg abgehalten werden soll. 14. Oktober 1526.

Conradus dei gratia Episcopus Herbipole] || et Frantie Orientalis Dux. || Venerabilis/ Honorandi/ nobis in Christo dilecti/ Nuper grauissimis quibusdā ex causis/ ne=||dum Ecclesiam nostram Herbipole] et nos/ sed vestrum quoq; statum et conditionē concer=||nentibus … [endet Zeile 14:] … Datum in nostra Ciuitate Her-bipoli || in die Sancti Burckhardi Episcopi. Anno d]i. M. D. XXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [1] Bl., einseitig bedruckt, 15 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 13999. 16. Luther, Martin: Ein Sendbrief an Herzog Georg

von Sachsen. Ein Sendtbrieff || Doctor Martini Luthers an || Hert-zog Georg zu Sachsen / ||... Dari] er || jn freuntlich ermant zu dem || wort Gottes zu dretten.|| Antwort || Hertzog Georg zw Sachsen/ || ... || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [6] Bl. 4°. TE 1. Benzing/Claus, Luther 2379; Benzing, Müller 2; VD16 L 5925. Ehemals Berlin SB, kein weiteres Exemplar bekannt. Nachdruck. Einschließlich zweier niederdeutscher Dru-cke sind insgesamt 14 Druckausgaben aus dem Jahre 1526 nachgewiesen. Benzing/Claus, Luther 2376–2389. 17. Neue Zeitung, wie die Schlacht zu Ungarn mit

dem türkischen Kaiser ergangen. Newe Zeittung Wie die Schlacht zu || Vngern mit dem Tücrkischen [!] Keyser || ergangen: Hatt einer vonn Wien || so dabey gewest: herauff jen || Oringen Geschriben. || M. D. XXvj.|| [Holzschnitt: Türke nach rechts reitend wie Nr. 18] Endet a3v, Zeile 28: … Datum zu Wien Anno ⁊c. jm XXvj. ||

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166 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

[Würzburg: Balthasar Müller] 1526 [4] Bl. [a4] (a1v und a4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. Weller, Repertorium 4036; Weller, Zeitungen 25; Kertbeny 255; Hubay 68; Göllner 273; BNHCat, M 746; VD16 N 1045. *Budapest NB, Röpl 68. Erstdruck? Enthält nur den Bericht über die Schlacht von Mohács. 18. Neue Zeitung, wie die Schlacht in Ungarn mit

dem türkischen Kaiser ergangen. Newe zeyttung Wie die Schlacht in Vn=||gern/ mit dem Türckischen Keyser ergangen/ Hat einer von Wienn || so dabey gewest/ herauff gen Oringen geschriben. Auch vol=||get hernach des Blůthūdts/ der sich nent ein Tür-ckischn || Keyser/ gethatten/ so er vnd die seinen/ nach eroberūg || der Schlacht/ auf den. xxviij. tag Augusti nechst || vergāgen/ geschehen/ an vnsern mitbrFdern der || Vngerischen Landschafften gantz vnmensch||lich getriben hat/ vnd noch teglichs || thůt. M. D. XXvj || [Holzschnitt: Türke nach rechts reitend wie Nr. 17] Endet A4v Zeile 32: Außgangen den xxx. Tag des Monats Septembris. || Anno M. D. xxvj || [Würzburg: Balthasar Müller] 1526 [4] Bl. A4 4°. – Typen: 1, 2. A1v–A3r: Bericht über die Schlacht von Mohács. A3r–A4r: Bericht über Ereignisse nach der Einnahme von Pest und Ofen im September 1526. A4v: Liste der im Kampf getöteten Ungarn, Böhmen und Polen. Panzer 3155; Kertbeny 256; Weller, Repertorium Suppl. II, 566; Hubay 69; Göllner 272; BNHCat, M 747; VD16 N 1046. *Budapest NB, Röpl. 69. Der Satz des Schlachtenberichts von Nr. 17 wurde hier fast unverändert weiterverwendet. Der beigefüg-te Bericht über ›des Bluthunds Taten‹ mit der Liste der Getöteten liegt sonst nur in Einzeldrucken aus Augsburg, Basel, Freiburg i.Br., Nürnberg und Re-gensburg vor (VD16 B 5792–B 5797, ZV 2106). 19. Süleymān, der türkische Kaiser. Solymon der Türckisch Keyser. M.D.XXVvj. || [Holz-schnitt: Portrait Süleymāns] [Würzburg: Balthasar Müller] 1526 [1] Bl. Gr.2°. Probeabdruck (?) auf der Rückseite eines von Lobmeyer gedruckten Wappenkalenders auf das Jahr 1525. – Type 1. Benzing, Müller 1 (verkleinerte Abbildung); Heller S. 806 (verkl. Abbildung); Pleticha-Geuder S. 17 (verkl. Abbildung).

*Dillingen SB, Einbl. 4.2; *München SB, Einbl.Kal. 1525; *Würzburg UB, 36/E 1. 1527 20. Eck, Johannes: Wider den Gotteslästerer und Ket-

zer Konrad Sam. Wider den Gotzlesterer || vnnd Ketzer Conraden Som/ ge=||nant Rotenacker/ Predicanten in || der Pfarr/ der Erbarn Reichstat Vlm || anbietung ainer Disputation/ von || wegen des hochwirdigen Sa=||crament des altars. Durch || Doctor Johann Eck || von Jngolstat. || ♣ || Datum Jngolstat/ an der heyligen Junck=||frawen Sant Barbara tag [4.12.]. || M. CCCCC. XXvij. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1527] [4] Bl. <ij-iij>4 4°. – Typen: 1, 2, 3, 4. TE: L 8, L 2, L 3, L 9. Schottenloher, Müller 8; Metzler 61(2); VD16 E 441; Köhler 866. Bamberg SB, 22/Misc.q.40; *Gotha FB, Theol.4°203 (19)R; *Regensburg SB, 4° Theol.syst. 482/7(1). Textedition: Johannes Eck: Vier deutsche Schriften gegen Martin Luther, den Bürgermeister und Rat von Konstanz, Ambrosius Blarer und Konrad Sam. Hrsg. von Karl Meisen und Friedrich Zoepfl. Münster: Aschendorff 1929 (Corpus Catholicorum. 14), S. 53–61. Nachdruck von VD16 E 440 [Ingolstadt: Peter und Georg Apian], auch enthalten in VD16 E 438 [Augs-burg: Alexander Weißenhorn I.] 1528, S. 151–157. 21. Etzlaub, Erhard: Wappenkalender des Würzbur-

ger Domkapitels für das Jahr 1528. (I)M jar nach der gebůrt vnnsers erlösers. M.C.C. C.C.C. vnnd XXviij. Die GFlden zal.ix. Sunn=||nen Cickel. XXv. Schalck [!] Jar … [Zeile 14:] Almanach Erhardi Etzlaub || Burger zw Nůrnberg/ der Freyen kunst vnd Ertzney liebhaber. || … || Gedruckt zu || Wirtzburg || Durch Balthassar || Muller. || Würzburg: Balthasar Müller [1527] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 154 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopf-leiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, umgeben von acht seiner Ahnenwappen (wie unten Nr. 39 und Nr. 55). Das Impressum ist am linken unteren Rand in der Wappenreihe als Viereck gesetzt, darin der in Holz geschnittene Narr aus Leiste 3. Scharold I/3, S. 259; Brod S. 24, S. 69; Benzing, Müller 17. *Würzburg UB, 36/A 50,63-3

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 167

22. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Publikation eines vom Schwäbischen Bund am 5. Juli ausgegangenen Ausschreibens betreffend die Entwaffnung der im Bauernkrieg schuldig gewordenen Untertanen. 23. September [15]27.

(W)Jr Conrad vō Gottes gnaden/ Bischoue zu Wirtz-burg vnd Hertzog zu Frācken. Alls vns vergangen tagen vō den Botschafften/ Hauptleutten v] R(then des || Kayserlichen Būndts zu Schwabē/ so dazumal zu Thonawerd bey einander versamlet gewest/ ein offen außschreiben/ vnter der dreyer gemainē Haupt-leutten furge||getrFckten Betschiern besigelt zukomen … [endet Zeile 22:] … Geben vnter vnnserm fFr-getrFcktem Secret/ vff Montag nach Matthej/ den XXiij. Septembris. Anno ⁊c. jm XXvij. Jare. || [Würzburg: Balthasar Müller 1527] [1] Bl., einseitig bedruckt, 22 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Würzburg Staatsarchiv, Standbuch 895, 216. 23. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Publikation der vom Reichskammergericht vidi-mierten Urkunde, mit der Kaiser Karl V. den Rit-terlichen Vertrag vom 8. November 1525 kon-firmiert. 9. November 1527.

(W)Jr Conrad von Gottes gnaden Bischoue zu Wirtz-burg vnd Hertzog zu Francken. Alls vns hieuor mit vnsern vnd vnsers Stiffts Grauen/ Herren vnd Ritter-schafft/ der scheden || halben/ so Jnen durch die entp=rischen Bawrn/ in der Auffrur/ des nechstuer-gāgen Funffvndzweintzigisten Jars/ … [endet Zeile 247:] … geben/ vff Dinstag nach Marie gepurt/ den NeFndten des Monats Septembris/ nach Christi vnsers lieben herren gepurt. M.D.XXvij Jare. || [Würzburg: Balthasar Müller 1527] [5] Bl., einseitig bedruckt, 2°-quer, zu einem Plakat mit insgesamt 247 Druckzeilen verklebt. – Typen: 3, 4. Angeführt bei Schubert, Landstände S. 116 Anm. 55. *Nürnberg Staatsarchiv, Würzburger Bücher 11 (ein-gelegt). 24. Wahrhaftiger Bericht und Handlung. Wahrhafftige bericht vnnd handlung Wie || der Hoch-wirdig FFrst vnd Herre/ her Ger=||hardt von Schwar- tzenberg/ Bischoue zw || Wirtzburg v] Hertzog zu Francken/ seiner || FFrstilchen [!] G. AuffrFrische Landschafft || Anfang der handlung vnnd geschicht/ Jm || M.CCC. vnd. xcviiij. jare. V] darnach || jm M.CCCC.j. jar. Mit eroberter veld=||schlacht vor Berchtheym eingenomen || vnd gestrafft hat/ Alls wie her=||nach angezeygt ist.|| M. CCCCC. XXvij. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller] 1527 [16] Bl. A–D4 (D4v leer) 4°. – Typen: 3, 4. TE: L 1, L 3, L 2 und L 7, L 4. Schottenloher, Müller 10; VD16 W 674.

Berlin SB, Yh 301; *München SB, Rar. 1677/12. Textedition: Liliencron I, 40 (nach jüngerer hand-schriftlicher Überlieferung). Gedicht aus 1008 paargereimten Versen, in zwei Spal-ten zu je 36 Zeilen gesetzt. Erster und einziger Druck. Nach Schubert, Lieder (2004) eine redigierte Zusam-menfassung mehrerer ursprünglich selbständiger Lie-der vom Würzburger Städtekrieg (1397–1400). Zur Überlieferung und zur Verfasserfrage auch Johanek, Peter: Bernhard von Uissigheim. In: Die deutsche Li-teratur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 1. 1978, Sp. 774–776. 1528 25. Albrecht, Erzbischof von Mainz: Wahrhaftige

Entschuldigung wider die falschen Kopie einer Bündnis.

Des Hochwirdigsten Durchleuchti=||gen/ Hochgeboren Fůrsten vnd Herren/ herren/ Al=||brechts/ Cardinals vnd Ertzbischouen zu Meyntz || vnnd Magdeburg/ Churfůrsten/ ⁊c. Warhafftige || entschuldigung/ wider die falschenn Copey ainer || BFndtnus/ so seiner Chur-fůrstlichenn Gnaden/ || auch etlichen andern stenden/ des hayligen R=mi||schen Reichs/ zu Neyd vnd Haß erdicht worden. || ♣ || [Holzschnitt: L 2 liegend] Endet 4v Zeile 13: … Der || geben ist zu Sant Martins Burgk/ in vnser stat Meyntz/ den Siben=||vnd zwaint-zigsten tag May. Anno domini Millesimo quingen-te=||simo visecimo octauo. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [4] Bl. <ij-iij>4 4°. – Typen: 1, 3, 4. Schottenloher, Pack 10; VD16 M 281. *Bamberg SB, Dipl.q. 41/1. Nachdruck. Zuerst als Plakat von Johann Schöffer in Mainz gedruckt (Schottenloher, Pack 12). Weitere Nachdrucke erschienen in Straßburg, Leipzig und München (VD16 M 276–280), in Erfurt und Breslau (VD16, ZV 22034 und ZV 23325). Auch enthalten in einem Kölner Druck (VD16, ZV 23340). Textedition (nach dem Erfurter Druck von Matthes Maler ): Laube/Weiß I, Nr. 31.5, S. 637–642. 26. Dies ist die vermeinte Kopie der Bündnis, durch

welcher sich etliche des Heiligen Reichs Stände gegeneinander wider die Kurfüsten und Fürsten von Sachsen und Hessen verbunden haben sollen.

Dis ist die vermainth Copia || der Bündnus durch welche || sich etliche des Heyligē Reychs Stende || gegen einander/ wider die ChurfFrsten || vnd Fůrsten/ von Sachsen vnd Hessen/ || verpunden haben sollen/ Aber in rechter || warheyt nit anderß/ dann erdicht/ vnnd || ongrundt befunden. || ♣ || M. C.C.C.C.C. XXviij. || [TE]

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168 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

[Würzburg: Balthasar Müller 1528] [6] Bl. <iij-iiij>6 (1r und 6 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 6, L 5, L 4. Schottenloher, Pack 7; VD16, ZV 2663; Pegg, Alsa-ce II, 1912. *Bamberg SB, Dipl.q.41; Strasbourg BNU, D144. 885/1. 27. Etzlaub, Erhard: Wappenkalender des Würzbur-

ger Domkapitels für das Jahr 1529. (I)M jar nach der gebůrt vnsers erlösers. M.CCCCC. XXiX. Die GFlden zal X. Sunnen Cickel. XXvj. || Suntag buchstab C. … [Zeile 13:] Almanach Erhardi etzlaub burger zu Nürnberg ď freyē kūst v] ertzney liebhaber. || … [Zeile 152:] Gedruckt zů || Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1528] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 155 Zeilen, 2°.– Typen: 1, 2, 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopf-leiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen von zwei Löwen gehalten, umgeben von zwei seiner Ahnenwappen. Scharold I/3, S. 259f.; Welzenbach S. 189; Brod S. 69; Benzing, Müller 18. *Würzburg UB, 36/A 50.63-4. 28. (Georg, Herzog von Sachsen:) Zu vermerken,

mit was betrüglicher Unwahrheit die Kinder die-ser boshaftigen Welt bei unsern Zeiten sich bear-beiten, zwischen Königen, Prälaten, Fürsten, geist-lichen und weltlichen, Aufruhr zu Verderbung armer Leute im Reich zu erwecken.

Zuuermercken mit was betryglicher vn||warhayt/ die Kinder diser boßhafftigen welt/ bey vnsern zeyt=||ten sich bearbayten/ zwischen/ K=nigen/ Prelaten/ Fůrstenn/ || Gaistlichen vnd Weltlichen/ Auffrůr/ zu verderbung armer || lewte/ jm Reich zuerwecken. || Derhalben so haben wir Ge=rg vō Gottes gnaden/ Hertzog zu Sach=||sen ⁊c Was der Hochgeborne FFrst vnser Lieber Oheim v] Sone/ || Herr Philips Landtgraue zu Hessen ⁊c. ann vnns freuntlicher || maynung geschriben/ vnnd ein erdicht Copien/ der-selben || boßhafftigen zugeschickt/ Auch vnnser ant-worth in || Druck pringen lassen/ daraus derselben vnwar||heyt vnd vnser vnschuld clerlich zubefin=||den/ V] ob Gott will/ hynfFrter || ye meer vnd meer soll befun=||denn werden. || ♣ || [Holzschnitt: L 3 liegend] [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [2] Bl. <ij>2 4°. – Typen:1, 3, 4. 1v–2r: Brief Landgraf Philipps von Hessen an Her-zog Georg, datiert Homburg 17.5.1528. 2r–2v: Antwort Herzog Georgs, datiert: Dresden 21.5.1528.

Schottenloher, Pack 8; VD16 S 785. *Bamberg SB, Dipl.q. 41/2. Nachdruck. Den Erstdruck, der auch die vermeintliche Bündnisurkunde enthält, besorgte Wolfgang Stöckel in Dresden (Schottenloher, Pack 5; VD16 S 773). 29. 29. a. (Georg, Herzog von Sachsen:) Zu vermerken, mit

was betrüglicher Unwahrheit die Kinder dieser boshaftigen Welt bei unsern Zeiten sich bearbei-ten, zwischen Königen, Prälaten, Fürsten, geistli-chen und weltlichen, Aufruhr zu Verderbung ar-mer Leute im Reich zu erwecken.

Zuuermercken mit was be=||trieglicher vnwarheyt/ die kinder diser boß=||hafftigen wellt/ bey vnsern zeytten/ sich bearbeyten/ || zwyschen K=nigen/ Prela-ten/ FFrsten/ Geystlichen || vnd welltlichen/ Auffrur zu verderbūg armer lewte || jm Reich zuerweckenn. Derhalben so haben wir || Ge=rg vō Gottes gnaden/ Hertzog zu Sachsen ⁊c. || Was der Hochgeporne FFrst vnser Lieber Oheim || vnd Sone/ Herr Philips Land-graue zu Hessen ⁊c: || an vns freuntlicher maynung geschriben/ vnnd ein || erticht Copien/ derselbenn boßhafftigen zugeschickt/ || Auch vnser antwort in Druck pringen lassen/ || daraus derselben vnwarheyt vnd vnser vn||schuld clerlich zubefinden/ V] ob Gott || will/ hynfFrter ye meher vnd meer || soll befunden werden. || ♣ || M. C.C.C.C.C. XXviij.|| [TE] [Würzburg: Balthasar Müller] 1528 [8] Bl. <iij-iiij>8 (1v und 8 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 7 und L 2, L 3, L 4. 2r–2v: Brief Landgraf Philipps von Hessen an Her-zog Georg, datiert Homburg, 17.5.1528. 3r–6r: Abdruck der vermeintlichen Bündnisurkunde. 7r–7v: Antwort Herzog Georgs, datiert Dresden, 21. 5. 1528. VD16 ZV 2591. *Berlin SB, Flugschr. 1528, 1 ca. Bei Schottenloher unter Pack 9 (=29b) aufgeführt. Textedition (nach dem Dresdener Erstdruck): Laube/ Weiß I, 31.1, S. 610–622. Nachdruck. Den Erstdruck besorgte Wolfgang Stöckel in Dresden (Schottenloher, Pack 5; VD16 S 773). Zahlreiche andere Nachdrucke (VD16 S 774–784). 29. b. Titel und Satz wie a, doch ohne die Bündnisurkunde. [4] Bl. [Aa] (1v und 4 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 7 und L 2, L 3, L 4. 2r–2v: Brief Landgraf Philipps von Hessen, datiert Homburg 17.5.1528. 3r–3v: Antwort Herzog Georgs, datiert Dresden 21.5. 1528. Schottenloher, Pack 9; VD16 S 786. *Bamberg SB, Inc.typ. D VI,23/2; *Coburg LB, R II/11:50.

Page 175: Archiv fur Geschichte des Buchwesens: Vol. 62: 2008 (Archiv Fur Geschichte Des Buchwesens)  german

Anhang: Verzeichnis der Drucke 169

30. Karl V., Kaiser: Wider die Disputatz von Bern römischer kaiserlicher Majestät Mandat.

Wider die Disputatz || von Bern. || R=mischer Kay-serlicher Mayestat || Mandat/ Wider die Ketzerische || Disputatz zu Bern. || [Holzschnitt: Kaiserliches Wap-pen] || Der Acht Christenlichen ort/ in Eydt=||gnossen Sandbrieff/ an die || von Bern. || M.D.XXviij. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller] 1528 [6] Bl. A6 (A6v leer) 4°. – Typen: 1, 2, 3, 4. TE: L 1, L 5, L 6, L 4. A1r–A2v: Mandat Karls V. an Schultheiß, großen und kleinen Rat von Bern, datiert Speyer 28. 12. 1527. A2v–A6r: Sendbrief der acht Orte an die von Bern, datiert Luzern 18. 12. 1527. Schottenloher, Müller 9; VD16 D 1179. *Augsburg SStB, 4 Th H 1720. Textedition (nach dem Ingolstädter Druck): Lau-be/Weiß I, Nr. 26, S. 494–502. Nachdruck der von Johannes Eck veranlassten Erst-ausgabe [Ingolstadt: Peter und Georg Apian] (VD16 D 1178). Einen weiteren Nachdruck besorgte Wolf-gang Stöckel in Dresden (VD16 D 1177). 31. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Rechtfertigung in Zusammenhang mit den Pack-schen Händeln. 28. Mai 1528.

(A)Llen vnd yeden/ Gaystlichen vnd Weltlichen/ des Hailigen Römischen Reichs Churfürsten/ Fürsten/ Pre-laten/ Grauen … Ewern liebden vnd euch/ ist sonder zweyuell woll wissendt vnd || vnuerporgen/ wie sich ein zeytlang here/ bey etlichen stenden im hayligen Reich/ mercklich gewerbe/ von Geraysigen vnd Fuß- uolck zugetragen/ vnd sonderlich/ das die Hochgebo-ren Fürsten/ vnnsere besondere liebe || herren vnd freunde/ herr Johans Hertzog zu Sachsen … nach ains jeden würden/ stat vnd wesens/ freuntlich/ gun-sticklich/ v] gnedicklich zuuerdienen/ zu || beschul-den v] zuerkennen. Geben vnder vnserm bey endt der schrifft furgetrücktem Secret/ am Donnerstag nach Exaudi Anno ⁊c. Jm XXviij. || [Holzschnitt mit dem bischöflichen Wappen] [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [3] Bl., einseitig bedruckt, 2°-quer, zu einem Plakat mit insgesamt 149 Druckzeilen verklebt. J. Menth: Zu den Druckschriften der Packschen Hän-del. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 26 (1909), S. 217–218, wo Balthasar Müller als Drucker nicht ausdrücklich angegeben ist. Vgl. Schottenloher, Pack S. 219 mit Anm. 1: »Die Rechtfertigung des Bischofs wurde in allen Städten, Märkten und Flecken des Stifts angeschlagen«. Nicht aufgefunden. Das von Menth beschriebene Exemplar war 1909 im Besitz des Antiquars Jacques Rosenthal.

32. (Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:) Werbung und Handlung, so beider Fürsten von Sachsen und Hessen Räte vor dem hochwürdigen Fürsten und Herrn Konrad, Bischof zu Würzburg, getan.

Werbung vnnd Handlung/ so beder FFrstē || von Sach-sen vnd Hessen R(the vor dem || Hochwirdigen FFr-sten vnd Herren Con=||raden Bischouen zu Wirtzburg || vnd Hertzogen zu Francken. || gethon auch seiner || F. G. antwort || vnnd entschuldigunng darauff. || ┼ || [TE] Endet B4r Zeile 16: Geben || vnder vnserm bey endt der schrifft furgetrFcktem Secret/ am Donnerstag || nach Exaudi [28. 5.]. Anno ⁊c. Jm XXviij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [8] Bl. A–B4 (A1v und B4v leer) 4°. – Typen: 3, 4. TE: L 1, L 6, L 5, L 4. Schottenloher, Pack 6; VD16 S 947; Pegg, Alsace II, 1930. *Bamberg SB, Inc.typ. D.VI.23/3; Strasbourg BNU, D 144.885/2. Textedition (nach dem Mainzer Nachdruck): Laube/ Weiß I, Nr. 31.6, S. 643–653. Andere Ausgabe als der textidentische Plakatdruck. Nachdrucke erschienen noch 1528 in Wien (VD16 S 945), unter dem Titel Entschuldigung des hoch-würdigen in Gott, Fürsten und Herrn, Herrn Conra-den Bischof zu Würzburg in Breslau (VD16 W 4541 und ZV 20128), Erfurt (VD16 W 4543) und Leipzig (VD16 W 4544), unter dem Titel Würzburgisch wahr-haftige Bericht und Entschuldigung in Mainz (VD16, ZV 21885) und unter dem Titel Anfänglicher Handel und Werbung in Straßburg (VD16 S 946). 33. 33. a. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: La-

dung auf einen Landtag, der am 25. Juni in Würz-burg abgehalten werden soll. 15. Juni [15]28. For-mular.

Connrad von gottes gnaden/ Bischoue zu || Wirtzburg/ vnd Hertzog zu Francken. || (V)Nsern gruß zuuor/ Wir-diger lieber Andechtiger/ Wir setzen in kaynen zweyfel/ Jr habt nuhmer auß dem gemainenn geschray/ v] sunst wol vernomē/ wie gātz || beschwerlich v] besorglich/ sich die sachē/ in disen seltzamen v] geschwindē leuff-ten/ zugetragen …[endet Zeile 20] … Datum in vnser || Stat Wirtzburg am Montag nach Corporis Christi/ Anno ⁊c. im XXviij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [1] Bl., einseitig bedruckt, 21 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42, Bl. 25. 33. b. Wie a, aber Zeile 3: … Wirdige liebe Andechtige … und ab Zeile 15 anderer Satz. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 13399.

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170 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

34. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Vorladung der Klöster und Stifte. Ihre Vorsteher oder deren Vertreter werden auf den 25. Juni in das Kapitelhaus des Domstifts nach Würzburg geladen. 15. Juni 1528. Formular.

Conradus dei gratia Epūs Herbipole] || et Francie orientalis Dux. || Venerabilis honorādi deuoti nobis in Christo dilecti. Emerserūt nuper ardua quedam nego-cia/... [endet Zeile 13:] … Datum in nostra Ciuitate Herbipoli die Lune post Festum Corporis Christi. Anno d]i || M.D.XXviij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [1] Bl., einseitig bedruckt, 14 Zeilen, 4°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42, Bl. 24. 35. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Steuerforderungen an den Klerus nach Maßgabe der auf dem Landtag für drei Jahre bewilligten Steuersätze. 30. August 1528. Formular.

Conradus die gratia/ Epūs Herb] || et Francie Orien-talis dux. || Salutem in d]o sempiternam. Haud latere arbitramur/ per vniuersum vtriusq; || status clerum/ et monastice vite addictos/ qui modico ab-hinc tēpore ad nostram vrgētibus de causis accer-sionē/ in cōmitijs die Jouis post diui Joannis baptiste festū/ in nostra ciuita||te Herbipolensi celebratis/ presto adfuere/ … [endet Zeile 38:] … Datum in nostra Ciuitate Herbipolensi/ die Jouis XX. mēsis Augusti. Anno ⁊c. M.D.XXviij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [1] Bl., einseitig bedruckt, 38 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42., Bl. 23. 36. (Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:):

Feuerordnung für die Stadt Würzburg. Fewer Ordnung || zu Wirtzburg/ || Jm XXviij. Jare Auffgericht. || [Holzschnitt: Wappen Bischof Kon-rads mit vier kleineren Ahnenwappen] Würzburg: Balthasar Müller [1528] Endet 6r Zeile 15: Actum am Donnerstag nach dem || heyligen Jare/ nach Christi vnnsers lieben || Herren geburt [30. 12.]. M. D. vnd jm || XXviij. Jaren. || ♣ || GedrFckt zu Wirtzburg/ durch || Balthassar MFller. || [6] Bl. <2-5>6 (6v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. Adams W 279; Benzing, Müller 5; VD16, ZV 20580. Cambridge UL, F152.d.1.6; *Jena ULB, 4° Bud.Jus. germ. 160(1). Textedition: Scharold I/2, S. 96–108. 37. (Lang, Matthias, Erzbischof von Salzburg:) Wel-

chergestalt der Erzbischof zu Salzburg sich ge-gen kaiserlicher Majestät Regiment im heiligen Reich auf die nichtige ungegründte und erdichte Bündnis tut verantworten.

Welcher gestalt der Hochwirdigst in Gott || vatter Fůrst vnnd herr/ der Ertzbischoue zu || Saltzpurg/ Cardinal/ Legat ⁊c. sich gegen || Kay. M. Regiment im hayligē Reich/ vff || die nichtig vngegrFndt/ v] erdicht BFndt=||nuß/ darein sich sein Fürstlich Gnad/ sampt andern || des hayligen Reichs Stendē begeben habē sol/ V] || derwegen seinen F. G. von gedachtē Regiment zu=||geschickt worden/ thut verantworten/ WFrt hierinnē || mit der kFrtz vnnd warhafftigklich befunden. || M .C.C.C.C.C. XXviij. || [TE] Endet 2r Zeile 20: … Datum in vnser Stat || Saltz-burg/ am Mitwochen nach dem hayligen Pfingstag [3. 6.]. || Anno domini ⁊c. jm XXviij. Jare. || Ann Stathalterßuerweser vnd Regiment/ im || hayligenn Reich/ yetzo zu Speyer versamelt. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1528 [2] Bl. [a2] (a2v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 6, L 5, L 4. Schottenloher, Pack 11; VD16 S 1526. *Bamberg SB, Dipl.q. 41/4. Textedition: Hortleder S. 792f. Erstdruck? Auch zusammen mit der Rechtfertigung Kurfürst Joachims von Brandenburg gedruckt von Johann Schöffer in Mainz (VD16, ZV 25439) und Anastasius Nolt in Speyer (VD16, ZV 2320). Entge-gen Laube/Weiß I, S. 266 enthält der Würzburger Druck das Schreiben an das Reichsregiment in Spey-er und nicht das spätere, auch als Plakatdruck über-lieferte allgemeine Ausschreiben des Erzbischofs vom 8. Juni 1528. 1529 38. Cordus, Euricius: Ein gutes Regiment, wie man

sich vor der neuen Krankheit, der Englisch Schweiß genannt, bewahren soll.

Jn disem Büchlin findt man || gar ein gutt Regiment/ wie man sich || vor der newen Kranckhayt/ der Eng-lisch || Schwayß genant/ bewaren/ V] so || man damit angegriffen wirdt/ || darinnnen halten sol/ durch || Eu-ricium Cordum/ || der Ertzney Doctorem || vnd Pro-fessorem || zu Marpurg. || ♣ || M.CCCCC.XXIX.|| [TE] Endet B3v Zeile 29: GedrFckt zu Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || Würzburg: Balthasar Müller 1529 [8] Bl. A–B4 (A1v und B4 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 2, L 3, L 9. VD16, ZV 3872. *München UB, 4° Med. 1440:9. Nachdruck. Die Erstausgabe kam im September 1529 in Marburg bei Franz Rhode heraus (VD16 C 5098–

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 171

5100, als Faksimiledruck hrsg. von Gunter Mann, Marburg 1967). Fünf weitere Nachdrucke erschienen noch 1529 in Augsburg (VD16 C 5097), Nürnberg (VD16 C 5101 mit ZV 3871, C 5102), Straßburg (VD16 C 5103) und Tübingen (VD16 C 5104). 39. Etzlaub, Erhard:Wappenkalender des Würzburger

Domkapitels für das Jahr 1530. (I)M Jar nach der geburt vnsers erl=sers. M.CCCCC. XXX. Die gFlden Zal xj. Sūnen cickel. xxvij. || Sun-tag buchstab B. … [Zeile 9:] Almanach Erhardi Etz-laub/ Burger zu Nůrnberg/ der Freyenn kunst vnnd Ertzney liebhaber. || [endet Zeile 150:] Gedruckt zw Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1529] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 2°. – Typen: 1, 2, 3. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopf-leiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, umgeben von acht seiner Ahnenwappen (wie Nr. 21 und Nr. 55). Brod S. 69; Benzing, Müller 19; Pleticha-Geuder, Farbtafel II (Abbildung des unteren Abschnitts). *Würzburg UB, 36/A 50.63-5. 40. Grimaldi, Giambattista: Neue Zeitung, wie kai-

serliche Majestät in tapfer Rüstung stehe, sich in Hispanien zu erheben und über Meer in Italien zu reisen.

Neue Zeitūg wie Kayserliche Mayestat || vnser al-lergnedigster herre in dapfer || rFstung stehe/ sich in Hyspanien zuerheben/ vnnd || vber Meere in Jtalien zůraysenn/ Durch || Miser Joha] Baptist de Grimal-dis/ || ainem seinem vettern Ansalde de || Grimaldis/ vnd anderen vom Adel daselbst auß || Hyspanien zugeschriben. M.D.XXiX. || [Holzschnitt: Belage-rung einer Burg] [Würzburg: Balthasar Müller 1529] [4] Bl. [a4] (a1v und a4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. GermSTC, S. 371; VD16 G 3352. *London BL, 1315.c.6. Nachdruck? Andere Ausgaben erschienen unter dem Titel Kopie eines Briefes in Augsburg und Speyer (VD16 G 3350–3351), unter dem Titel Ein Brief kai-serlich Majestats in Ulm (VD16, ZV 7047 und 7048). 41. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Steuerforderungen an den Klerus nach Maßgabe der auf dem Landtag im Sommer 1528 bewillig-ten Steuersätze. 25. Januar 1529. Formular.

Conradus dei gratia Epūs Herbiopole] || ac Francie Orientalis dux. || Salutem in domino || Persuasum habemus nondum vobis memoria excidisse/ qualiter

proxima estate subito ingruentibus bellicis quibusdā procellis … [endet Zeile 28:] … Datum in nostra Ciui-tate Herbipolensi/ die Lune XXv. mensis Januarij. || M.D.XXix. || Joannes Zeyß || procurator Fisci. || [Würzburg: Balthasar Müller 1529] [1] Bl., einseitig bedruckt, 30 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42, Bl. 26. 42. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Erlaß an den Klerus. [Würzburg: Balthasar Müller] 1529 ? Bl. 4° Roth, Würzburg S. 83, Anm. 57 (ohne weitere Anga-ben); Benzing, Müller 6. Kein Exemplar aufgefunden. 43. Neue Zeitung vom Türken. Newe Zeyttung vom TFrcken. So || ein gut Freůndt/ der damit vnnd bey gewest ist/ vonn Wien || herauff gehen Nůrnberg geschriben/ Dabey von Drey || gef(ngen Turcken/ Was man die gefragt/ vnd sie || darauff geantwort haben. M. D. XXjX. || [Holz-schnitt: Türke begeht Gräueltat an Kindern] [Würzburg: Balthasar Müller ] 1529 [4] Bl. [a4] (a1v und a4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. Weller, Zeitungen 51[b]; Kertbeny 351; Sturminger 516; Hubay 104; Göllner 356; BNHCat, N 164; VD16 B 1582. *Budapest NB, Röpl 104. Bericht über die Ereignisse bis zum Sonntag nach Matthaei (26.9.1529). Erster und einziger Druck? Ent-gegen Göllners Annotation anderer Text als die Dru-cke mit dem Titel Die Belagerung der Stadt Wien (VD16 B 1583–1588). 44. Neue Zeitung von Speyer. Newe Zeittung von Speyer || von handlung der Fursten || einreytten v] erscheinung. || M.CCCCC. XXix. || [Holzschnitt: Geharnischter Reiter zwischen zwei Frauen] [Würzburg: Balthasar Müller] 1529 [4] Bl. [a4] (a1v und a4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. VD16, ZV 11524. Dresden LB, Hist.Germ.B.179,9; *Jena ULB, 4° Bud. Hist.eccl. 261(50). Wohl Nachdruck. Andere Ausgaben erschienen in Nürnberg (VD16 N 961) und Regensburg (VD16 N 960).

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172 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

45. Türkische Belagerung der Stadt Wien Türckische Belegerung der statt Wienn || So es den vergangen Herbst/ inn disem XXiX. || Jare verschi-nen/ vnd ergangen hat. || [Holzschnitt: Türke begeht Gräueltat, wie oben Nr. 43] [Würzburg: Balthasar Müller 1529] ? Bl. 4°. – Typen: 1, 4. Kábdebo S. 19, 57; Kertbeny 341; Breitschedl S. 22 (verkleinerte Abbildung der Titelseite); Sturminger 31. Kein Exemplar aufgefunden. 46. Türkische Belagerung. Wahrhaftigen Bericht. [Xyl.:] Türckische belegerung || [typ.:] Warhafftigen bericht/ wie es den vergangen Herbst/ in || disem. XXiX. Jare verschinen/ Mitt dem grausams || Feyndt/ des Christenlichen namens vnd glaubens/ dē Turcken || in Hungern vnd Osterreich/ zugangen vnd gehan-delt worden/ || Durch einen so zum theyl/ bey vnnd mit der sach || gewesen/ gruntlich angezeygt. || [Holz-schnitt: Portrait Süleymāns mit der Unterschrift: Wolff Hanna/ TFrckischer Keyser] Würzburg: Balthasar Müller [1529] [6] Bl. A4–B2 4°. – Typen: 3, 4. A1v – B1v: Bericht über die Belagerung, datiert Wien 19. 10. 1529. B1v Zeile 20: ¶ GedrFckt zu Wirtzburg durch || Bal-thassar Muller. || B2r: Brief von Ibrāhīm Pasha an die Stadt Wien, datiert vor Wien Oktober 1529. Kábdebo S. 19, 56; Kertbeny 336; Schottenloher, Mül-ler [18]; Breitschedl S. 24 (verkleinerte Abbildung der Titelseite); Hubay 108; Sturminger 41; Göllner 343; Strauss S. 562f. (Abbildung der Titelseite); BNHCat, T 359; VD16 T 2244; Pegg, Alsace II, 4051. *Budapest NB, Röpl. 108; *Göttingen SUB, 8 H AU GERM V, 6550; *Nürnberg Scheurl, 420, 354-359; Strasbourg BNU, D 107.799; *Würzburg UB, Inc.q. 74 angeb. 15. 1530 47. Die Bekenntnis Martini Luthers. Die Bekenthnus Martini Lut=||thers. auff den yetzi-gen annge=||stelten reichßtag zu Augsp=||urg einze-legen. Jn Xvij. || Artickel verfasset. || Jm XXX. Jar. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1530 [4] Bl. A4 4°. – Typen: 1, 2. Benzing/Claus 2857; Benzing, Müller 7; VD16 B 1547. *Gotha FB, Th 378(12) R; Wittenberg LH, Ag 4°211 t. Nachdruck. Die Erstausgabe druckte Hans Bär in Coburg (Benzing/Claus 2850; VD16, ZV 1225–1226).

Acht weitere Nachdrucke erschienen 1530 in Augs-burg, Breslau, Eilenburg, Erfurt, Nürnberg, Straßburg und Wittenberg (VD16 B 1539–1546; Benzing/Claus 2851–2859). Außerdem kam in Magdeburg eine Aus-gabe in niederdeutscher Sprache heraus (VD16 B 1548, Benzing/Claus 2860). 48. Etzlaub, Erhard: Almanach für das Jahr 1531. (J)M jar nach der gebůrt vnsers erl=sers. M.CCCCC. xxxj. Die gFlden zal xij … || Almanach Erhardi Etzlaub/ Burger zu Nurmberg/ der freyen kůnst vnd Ertzney liebhaber. || … || [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [?] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt. 2°. – Typen: 3, 4. Schottenloher, Müller S. 70 mit Anm. 4; Röttinger Fig. 30 (verkl. Abbildung); Zinner 1439 a; Schoch 255. Wien, Albertina. Nur als doppelseitig bedrucktes Fragment erhalten; auf der Vorderseite Holzschnitt mit dem 2. Wappen des Lorenz Staiber (nach einem Entwurf Albrecht Dürers). – Zum Bilderschmuck (Verwendung von L 8 und L 9) siehe oben S. 157. 49. Gegen die Bekenntnis Martini Luthers auf den

jetzigen angestellten Reichstag zu Augsburg aufs Neue eingelegt, in 17 Artikel verfasst, kurze und christenlich Unterricht.

Gegen die Bekent||nus Martini Luthers/ auf || den yetzigen angesteltē Rei=||chßtag zw Augspurg/ auffs newe || eingelegt/ in Xvij. artickel verfaßt. || Kurtze v] Christenlich vnderricht || durch || Conrad Wimpina doctor. || Johann Mensing doctor. || Wolffgāg Red=rf-fer doctor. || Rupert Elgersma Licenci. || Zu Augs-purg. || M. D. XXX. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [6] Bl. A4 B2 (B2v leer) 4°. – Typen: 1, 2, 3, 4. TE 1. Benzing/Claus 2857; Benzing, Müller 8; Pegg GB/I 1609; VD16 G 686. Berlin SB, Dg 2430 R; Dublin, Trinity C.; *Erfurt UB, 13-Th 8° 8714; *Gotha FB, Th 378(13) R; Weimar HAAB, Aut.ben.Aut.Wimpina,K.(29); Wit-tenberg LH, Kn A 270/1831. Textedition: WA 30,3, S. 172–193; Laube/Weiß II, Nr. 57, S. 1237–1247 (nach dem Augsburger Erstdruck). Nachdruck. Die Erstausgabe druckte Alexander Wei-ßenhorn in Augsburg (VD16 G 682–683). Weitere Nachdrucke erschienen in Leipzig und München (VD16 G 684–685). 50. Neue Zeitung aus Rom. [Xyl.:] Newe zeÿtūg || [typ.:] Auß Rom Wie das grausam || vnnd erschröckenlich || groß Wasser der || Tyber schadē || than hat. || [Zierleiste: Zwei Knaben mit Ungeheuer]

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 173

[Würzburg: Balthasar Müller 1530] [2] Bl. <ij>2 4°. – Typen: 1, 3, 4. Weller, Zeitungen 53; Hellmann S. 37 [I] (6); Schot-tenloher, Lobmeyer S. 23 Anm. 2; VD16 N 710. *Berlin SB, Flugschriften 1530,7 c. Wohl einer Nürnberger Ausgabe nachgedruckt. Von demselben Bericht über die Tiberüberschwemmung vom 8. Oktober 1530 sind vier weitere unfirmierte Einzeldrucke bekannt. Als Drucker wurden ermittelt für VD16 N 707 (= Hellmann [I] 7): [Nürnberg: Jobst Gutknecht], für VD16 N 708 (= Hellmann [I] 4): [Nürnberg: Johann Stuchs], für VD16 N 711 (= Hell-mann [I] 5): [Nürnberg: Friedrich Peypus], für VD16 N 706 (= Hellmann [I] 8): [Wittenberg: Georg Rhau]. Zusammen mit einem Bericht über eine Flutkatastro-phe in den Niederlanden wurde der Text nach Aus-weis der Typen auch nachgedruckt in Landshut (VD16 N 705 = Hellmann [II] 3) und Zwickau (VD16 N 709 = Hellmann [II] 4). – Die Zierleiste auf der Titelseite wurde schon von Lobmeyer in einer Titeleinfassung (VD16 L 7500) verwendet. 51. Neue Zeitung kaiserlicher Majestät Einreitung zu

Augsburg. [Xyl.:] Newe zeÿtūg || [typ.:] Kayserlicher Mayestatt einreittung zw Augspurg/ Auff || den Xv. tag/ des Monats Junij. Des hayligenn || Pluts tage abent. Anno ⁊c. jm XXX. jare || Geschehen/ durch ainen der solchs gesehen || seinē gebietenden herren zugeschriben. || Dabey ein verzeichnuß der FFrsten. || [Holzschnitt: Ritter, zum Turnier gerüstet, auf Pferd] [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [4] Bl. a4 4°.– Typen: 3, 4. WABr 5, S. 443, 4; Claus, Zwickau 182 (Annotati-on); VD16, ZV 25521. *Berlin SB, Flugschr. 1530, 18. Erster und einziger Druck? Der Titelholzschnitt ist Drucken von Heinrich Steiner nachgeschnitten (VD16 N 62, N 954, W 739). 52. Neue Zeitung, wie kaiserliche Majestät ihre kai-

serliche Krönung zu Bologna empfangen. Newe Zeyttunng. Wie Kayserli=||che Mayestat/ jre Kay-serliche kr=nung/ vff Sant || Mathies tag/ den. XXiiij. Februarij nechstuer=||rFckt zu Bononien entpfangen/ vnd willens sey/ || sich herauß in TeFtsche Land/ vff den ange=||setztenn/ Reichßtag zuthun. || M.D.XXX. || [Holzschnitt: Kaiserliches Wappen, wie oben Nr. 30] Am Ende (A4r) Holzschnitt mit dem spanischen Wappen, verfremdet durch eine Helmzier, aus dessen Turm ein Teufelchen lugt. [Würzburg: Balthasar Müller] 1530 [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4.

Weller, Zeitungen 56; Kertbeny 411; Hubay 125; VD16 N 1062. *München SB, Germ.g. 644 y. Erste und einzige Ausgabe? Anderer Text als in den übrigen deutschen Flugschriften, die über die Krö-nung berichten (VD16 K 31–34, K 40–43). 53. [Sturm, Kaspar]: Klärliche Anzeigung, was durch

kaiserliche Majestät und alle Kurfürsten, Fürsten und Stände des heiligen Reichs itzo zu Augsburg auf dem Reichstag gehandelt ist worden.

Clerliche anzeigūg wes durch Kayser=||lich Mayestat/ auch Kůnigliche wirde zu Hungern || vnd Beheim. Vnd dann auch alle ChurfFr=||sten/ Fůrsten vnd Stende/ des Hayligen || Reichs/ ytzo zu Augspurg auff dem || Reichßtag vesamlet/ gehādelt || ist worden. || [Holz-schnitt: Kaiserliches Wappen] [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. VD16 S 10014. *Würzburg UB, 25 an H.p.q. 316. Nachdruck. Den ausführlicheren Erstdruck, aus dem Müller nur den Bericht über die Ereignisse vom 20.–27. Juni übernahm, besorgte Philipp Ulhart in Augs-burg (VD16 S 10013). 54. Vertrag im 1525. Jahre der Land Preußen halben

aufgerichtet. (V)Ertrag im Funftzehen hunderten || vnnd FFnf-fundzwaintzigsten Jare/ der Landt Preussen || halben/ zwischen KFnig Sigmunden vonn Poln || vnnd Mar-graue Albrechten von Branden||burgk/ etwan Hoch-mayster Teutschs || Ordenns/ vffgericht. || Vnnd durch vnsern Allergenedigsten || Herren denn R=mischen Kayser/ im FFnfftzehen||hunderten vnnd Dreyssigis-tenn Jare vffge=||habenn vnnd vernichtiget. ||

[Würzburg: Balthasar Müller 1530] [8] Bl. A–B4 (B4v leer) 4°. – Typen 1, 3, 4. Dolezel, S. 12 (b); VD16, ZV 21959. *Dresden LB, Hist.Preuss. 208,5; *Heidelberg UB, Cod.Pal.Germ. 493, fol. 332–339. Aufhebung des ›Krakauer Vertrags‹ durch Kaiser Karl V. (datiert Augsburg 14.11.1530), darin (A2r–B2r) Transsumpt des Vertrags vom 9.4.1525. Erster und einziger Druck in dieser Textfassung. Der Edition des Vertragswerks (Dolezel, Nr. 1, S. 12–30) liegt neben einer lateinischen Ausfertigung der zeit-genössische Königsberger Druck von Hans Wein-reich zugrunde (VD16, ZV 25308). Der von Dolezel, S. 13, erwähnte Einblattdruck der kaiserlichen Kassa-

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174 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

tion in einer Ausfertigung für Albrecht von Branden-burg (Berlin, Geheimes Staatsarchiv, HA Königs-berg, HBA H 1530 November 14, K. 756) wurde nach Ausweis der Typen von Silvan Otmar in Augs-burg hergestellt. 55. Wappenkalender des Würzburger Domkapitels

für das Jahr 1531. [Xyl.:] Ordo diuinorū secūdū chorū Herbipole] || (A)[typ.:]Nno domini M.D.XXXj. erit Jndictio iiij. Aureus numerus xij. … || [endet Zeile 124:] Jmpres-sum Herbipoli per || Balthazarem MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1530] [3] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt und verklebt, 125 Zeilen, 2°. – Typen: 1, 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopf-leiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, umgeben von acht seiner Ahnenwappen (wie Nr. 21 und Nr. 39). Brod S. 22f. mit Abbildung 3, S. 69; Zinner 1472 b. *Würzburg Mainfr. Museum, Leihgabe ohne Inven-tarnummer. Verfasser nicht genannt. 1531 56. 56. a. Hess, Jodocus: Oratio de optimi pastoris officio. Oratio de optimi pastoris || officio deq; ouium || pre-fectura habita. || M.D. XXXj. || Jodoco Hessio || Au-tore. || [TE] Würzburg: Balthasar Müller 1531 Endet B1v Zeile 27: ¶ Jmpressum Herbipoli per || Balthazarem MFller. || [6] Bl. A4 B2 (B2 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 3, L 2, L 9. Benzing, Müller 9; VD16 H 2737; Pegg, Alsace II, 1650. *Strasbourg Bibl. Saint Guillaume, 16.304/142. Erstdruck. Nachgedruckt 1539 in Erfurt (VD16 B 2551, Bl. f1r–g3v). 56. b. Titel und Satz wie a, aber am Ende ohne Impressum. [Würzburg: Balthasar Müller] 1531 [6] Bl. A4 B2 (B2 leer?) 4°. – Typen: 1 ,3, 4. TE: L 1, L 3, L 2, L 9. VD16, ZV 25267. *Freiburg UB, 35.154 (Bl. B 2 mit Errata auf der Vorderseite gehört zu einem anderen Druck).

57. (Keller, Hans Will): Bockspiel Martini Luthers. [Xyl.:] Bockspiel Mar=||[typ.:]tini Luthers: Darinnen fast || alle St(nde der menschen begriffen/ V] || wie sich ein yeder beklaget/ der yetzt || leuffigen schwe-ren zeyt. Gantz || kůtzrweilig [!] vnd lFstig || ♣ zule-sen. ♣ || [2 Holzschnitte: Bock und Widder] || Du stol- tzer Wider laß dein pracht/ || Verleurst die schantz/ so wirst veracht || Der Steinbock ist dir starck genůg. || Dein hochmůt wirt er stilln mit fug. || ¶ Gehalten zu R(mmbach vff dē Schloß. || Am XXV Tag Junij. Des || M.D.XXXj. Jarß. || Endet F4v Zeile 10: Außgangen zu Mentz/ bey Peter || Jordan/ Am xv. tag Julij. || M.D.XXXj. || [Holz-schnitt:Widder] [Würzburg: Balthasar Müller 1531] [24] Bl. A-F4 8°. – Typen: 1, 2, 3, 4. Zopf S. 29f. (Druck N) und S. 40 (Abbildung der Titel-seite); Rosen 529 (mit Abbildung der Titelseite, verklei-nerter Ausschnitt); Benzing, Müller 10; VD16 B 6076. *Nürnberg Scheurl, 548, 55-78. Verbleib des Rosen-schen Exemplars unbekannt. Nachdruck. Die erste Zeile des Titels ist ein xy-lographischer Nachschnitt der Auszeichnungsschrift, die Peter Jordan für die Mainzer Erstausgabe ver-wendete (VD16, ZV 20425). Die Verfasserfrage ist nach wie vor ungeklärt, die Vorrede (A1v–A2r) mit dem Pseudonym ›Hanns will Keller‹ unterschrieben. 58. Nausea, Friedrich: De praecipuo huius anni 1528

apud Moguntiam terrae motu responsum. Friderici Nausee Blanci=||campiani/ De precipuo huius Anni || post Christum natum. M. D. || XXviij. Apud Moguntiā || terre Motu || Responsnm[!]. || Ma-thei xxiiij. Marci xiij. Luce xxj. || Et erunt terre motus per loca et fames/ || inicia dolorum. || [TE] Am Ende, 6r Zeile 18: Jmpressum Herbipoli/ per || Balthazarem MFller. || + || [Holzschnitt: L 7] Würzburg: Balthasar Müller [1531] [6] Bl. <2-5>6 (6v leer) 4°. – Typen: 1, 3 ,4. TE: L 9, L 2, L 3, L 8. 1v: Widmungsvorrede an Lorenz Truchseß von Pommersfelden, Domdekan zu Mainz, datiert Mainz 7.2.1528. Schottenloher, Müller 17; VD16 N 261; Pegg, Alsace I 3215 [zu 1528]. *Mainz StB, Mog 296; Strasbourg Bibl. du Grand Sé-minaire, A 1132; *Würzburg UB, M.ch.q.24 angeb. 2. Nachdruck einer Mainzer Ausgabe von Ivo Schöffer 1531 (VD16 N 198). Zum Erscheinungsjahr vgl. Roth, Schöffer S. 181, Anm. 1. Wieder abgedruckt in Nau-seas Libri mirabilium, Köln 1532 (VD16 N 250), S3r–T4r. Eine deutsche Übersetzung erschien 1582 in dem von Johannes Rasch herausgegebenen Werk Von Erd-biden, München 1582 (VD16, ZV 11372), B1r–C3v.

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 175

59. Neue Zeitung des Vertrags, so die fünf Orte des alten christlichen Glaubens der Eidgenossenschaft mit denen von Zürich angenommen.

[Xyl.:] Newe zeyttung des ||[typ:] vertrags so die Funff orth des alten || Christlichen glaubens =rtter der Eydgnoschafft mit || namen Lucern/ Vri/ Schweytz/ Vnderwalden/ v] Zu=||ge/ mit denen von ZFrch angenomen/ vnd wes zeit || here darselbstumb ge-schehen vnd gehandelt || worden ⁊c.|| ♣ || Beginnt A2r mit der Überschrift: Außzuge von einem schreiben dem Landtuogt || von seinen Herren zu Zuge zugeschickt. || [Würzburg: Balthasar Müller 1531] [4] Bl. A4 (A1v und A4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. Hohenemser 1655; VD16 N 758. Frankfurt/M. StUB: Slg. G. Freytag; *Wolfenbüttel HAB, 151.40 Theol.(30). Erster und einziger Druck? Bericht über den Zweiten Kappeler Landfrieden (16.11.1531) und die Ereignis-se bis zum 19. November. 60. Schöner, Johannes: Konjektur oder abnehmliche

Auslegung über den Kometen. Coniectur oder Abnemliche außlegung Joannis Schö-ners: vber den Cometen so im Augst monat, des M.D.XXXj jars erschynen ist. Zu ehren einem erba-ren Rath vnd gemainer Bürgerschafft der stat Nürm-berg außgangen. [Holzschnitt : Komet] Würzburg: Balthasar Müller 1531. ? Bl. 4° Scharold I/3, S. 260 Anm.; Welzenbach, S. 190; Roth, Würzburg S. 83 Anm. 57; Schottenloher, Müller [21]. Kein Exemplar aufgefunden. Nachdruck. Zuerst bei Friedrich Peypus in Nürnberg erschienen (VD16 S 3473), nachgedruckt 1531 auch in Leipzig (VD16 S 3471), Magdeburg (VD16 S 3472) und Zwickau (VD16 S 3474), sowie als Ein-blattdruck in Dresden (Tamman/Véron, Abb. II.19). 1532 61. Artikelbrief, so das Kriegsvolk zu gegenwärti-

gem Türkenzug schwören solle. Artickel brieff So || das Kriegßuolck || zu gegēnwer-tigem || Türckenzug sch=||weren solle. || M.D.XXXij. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller] 1532 [4] Bl. <ij-iij>4 4°. – Typen: 1, 4. TE 1. New Haven Yale UL, Bp5A 532H; *Würzburg UB, Inc.q. 74 angeb. 14.

62. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Erlaß an den Klerus. Der Kampf gegen die Tür-ken soll mit Fürbitten, Prozessionen und Glo-ckengeläut unterstützt werden. 3. Juli [15]32.

(W)Jr Conrad von Gottes gnaden/ Bischoue zu Wirtz-burg vnd Hertzog zu Francken/ Entbietten allen vnd yden/ vnseren vnd vnsers Stiffts Prelaten Eb=||ten/ Pr=bsten/ Dechanten/ Capiteln/ Prioren/ Conuentn/ Pfarrherren/ Predigern/ vnd allen anderen vnsern gaistlichen/ inn was wurden/ wesen oder standt || die seyen/ vnsern gFnstigen gruß zuuor/ ... [endet Zeile 29:] … Geben vnter vnserm zu ende der schrifft fur-gedrucktem Secret/ am Mitwochen nach visitationis Marie. Anno ⁊c. XXXij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1532] [1] Bl., einseitig bedruckt, 29 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42, Bl. 27. 63. 63. a. Wahrhaftige Beschreibung der Kriegshandlung

und Rüstung römischer kaiserlicher Majestät und des türkischen Kaisers.

Warhafftige beschreibung des Kriegs || handlung vnd rüstung/ R=mischer Kayserlicher Maye||stat/ vnd des TFrckischen Kaysers ⁊c. Was sich in disem XXXij || Jar/ auff Wasser vnd Land zutragen vnd verloffen hat/ wie/ || vnd wann/ welcher orth vnnd endt/ || der Türck/ von Kay=||serlicher May. vnd dē R=mischen Reich/ erlegt/ vnd || in die flucht pracht ⁊c. Sampt der handlung || des Deuren Anndrea Dorea/ Kay. || Maye. =berster Haubtman auff || dem Meer. ⁊c. || Mit ver-zeychung aller Oberster vnd befelchslewtten/ Keyser-licher vnd || K=nigklicher Mayestat. Auff disem TFr-cken zug. || [Holzschnitt: Kaiser und König im Kampf mit zwei Türken] Endet B4r Zeile 30: Johann Haserlberg. || Gerdruckt [!] zu Wirtzburg bey Balthassar || MFller. 9. Nouēbris. Anno. 1532. || Würzburg: Balthasar Müller für Johann Haselberg 1532 [8] Bl. A–B4 (B4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. Schottenloher, Müller S. 72 [19]; Benzing, Haselberg 26; VD16 H 709. *Bamberg SB, Misc.q.25/46; *Nürnberg Scheurl, 295, 296–303 [u.] 427, 306–313. 63. b. wie a, aber ohne Nennung des Verlegers Haselberg im Kolophon. Endet B4r Zeile 30: || Gerdruckt [!] zu Wirtzburg bey Balthassar || MFller. 9. Nouēbris. Anno. 1532. || Göllner 456. *Berlin SB, 4° Flugschr. 1532/8.

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176 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

64. [Würzburg, Rat:] Bekanntgabe einer vom Bischof erlassenen Armenordnung.

(J)R außerwelten in Gott. Nachdem sich bißhere vnter den armen lewtten/ so das Almusenn hie zu Wirtzburg genomen haben/ grosse vnordnunng || zu-getragen/ also das vil Junger starcker Manne/ Frawen/ Knaben vnd maydlin dem bettell obgelegen ... || [Würzburg: Balthasar Müller 1532] [1] Bl., einseitig gedruckt, 22 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. Die Bekanntmachung schließt mit der Aufforderung, ein jeder fromme Christ möge, da weitere Hilfe von Nöten sei, »zu disem ehrlichen fFrnemen v] vnderhal-tung der armen nottFrff||tigen lewtte/ sein milte handraichung vnd steur thun/ sich in solchem erzay-gen/ wie er gern w=lte/ das jme auch beschehe/ wa er in gleichem falle betret=||ten were«. Angeführt bei Rublack S.131 Anm. 19. *Würzburg Stadtarchiv, Ratsakt 1907 1533

65. Brelochs, Anton: Wappenkalender des Würzbur-

ger Domkapitels für das Jahr 1534. (A)Ls man zalt nach der geburt Christi vnsers erlō-sers M.D.XXXiiij. || Aber von der sch=pffung der welt 6733 jare ... [Zeile 13:] Laßzettel Antonij Bre-lochs der ertzney Doctor vnd stat artzt zů Schwebi-schen Hall ... || [Würzburg: Balthasar Müller 1533] ? Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 2°. – Typen: 1, 2, 3, 4. An den beiden Längsseiten die Wappen der Domher-ren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, flankiert von zwei gewappneten Rittern (wie unten Nr. 68 und Nr. 79). Brod S. 25, S. 69; Benzing, Müller 22. *Nürnberg GNM, HB 14601/1240a. Nur als doppel-seitig bedrucktes Fragment erhalten. Die Rückseite ist mit dem Kalender für das Jahr 1535 (siehe unten Nr. 69) bedruckt. 66. (Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:)

Almosenordnung. [Xyl.:] Almůsen OrDnung || [typ:] Zu Wirtzburg. Jm Tausent Funff=||hundert vnd XXXiij. Jare. || Furge-nomen. || [Holzschnitt: Wappen des Bischofs] [Würzburg: Balthasar Müller 1533] [8] Bl. A-B4 (B4 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. Benzing, Müller 11; GermSTC, S. 929; VD16, ZV 16604. London BL, 5305.a.2; *München SB, 4 Dogm. 605 a/8; Wolfenbüttel HAB, 105.2.Quod.(59).

Textabdruck: Scharold, Carl Gottfried: Würzburger Almosen-Ordnung vom Jahre 1533. In: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaf-fenburg 5 (1839), S. 136–152. 67. (Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:)

Vereinigung der fünf Kur- und Fürsten Mainz, Trier, Pfalz, Würzburg und Hessen.

(V)Eraynigung der Fünnff || Chur vnnd Fursten || Meintz Trier Pfaltz Wirtz||burg vnd || Hessen. || M. D. XXXiij. || ♠ || [TE] Endet a4v Zeile 19: … Geben || vnther vnserem fur-getrůckten Secret/ am Sontag nach aller hey||ligen tage [2.11.] / vnd Christi vnnsers lieben Herren geburt/ Funfftzehen=||hundert vnd ime Dreyunddreissigisten. || [Würzburg: Balthasar Müller 1533] [4] Bl. [a4] (a1v und a4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 5, L 6, L 4. Benzing, Müller 13; VD16 V 624. *Wolfenbüttel HAB, 108.17 Quod.(24). Erstdruck. Nachdrucke erschienen noch im selben Jahr in Nürnberg (VD16 V 623) und Erfurt (VD16 V 622). 1534 68. Dierbach, Kaspar: Wappenkalender des Würz-

burger Domkapitels für das Jahr 1535. [Almanach n]ach Christi vnsers herrē geburt M.DXXXv. daz drit nach || … derenhalb wurt es Embolismicus genant. Dem Hochwirdigen FFrsten vnnd Herren || … Bischouen zu Wirtztburg v] Hertzogen zu Francken/ zu eheren / durch Casparn Dierbach/ der freyen kunst || [vnd artzney do]ctorn/ seiner FFrstlichen gnaden leyb artzt/ calculiert vnd beschriben … [Zeile151:] … Ge-drůckt zu Wirtzburg durch || Balthassar MFller.|| Würzburg: Balthasar Müller [1534] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 157 Zeilen, 2°. – Typen: 1, 2, 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopf-leiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, flankiert zwei gewappneten Rittern (wie Nr. 65 und Nr. 79). Scharold I/3, S. 260. *Würzburg UB, 36/A 50.63-6 (beschädigt). 69. Dierbach, Kaspar: Wappenkalender des Würz-

burger Domkapitels für das Jahr 1535. Ordo Diuinorum secundum chorum Herbipole]. || [Holzschnitt: Wappen Bischof Konrads von Thün-gen, flankiert von Saturn und Mars, Jupiter und Mer-kur] || (A)Lmanach ad Annū a Christo nato M. D. XXXv qui et embolismicus || eo q; Tredecim Con-

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 177

iunctiones habet/ adpellatur/ in gratiam et honorem Gratiosissimorum dominorum meorum de Capitulo || maioris ecclesie Herbipolensis/ per Casparem Diro-bachium/ Artium et Medicine Doctorem conscriptum … || [Würzburg: Balthasar Müller 1534] ? Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 2°. – Typen 1, 3, 4. An den beiden Längsseiten die Wappen der Domher-ren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, umgeben je zwei figürlichen Planetensymbolen (links Saturn und Mars, rechts Jupiter und Merkur). Brod S. 25, S. 69; Benzing, Müller 23. *Nürnberg GNM, HB 14601/1240a. Nur als doppel-seitig bedrucktes Fragment erhalten. Die Vorderseite ist mit dem Kalender für das Jahr 1534 (oben Nr. 65) bedruckt. 70. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Mobilmachungsbefehl für einen bevorstehenden Einsatz gegen die Täufer. 12. April [15]34. For-mular.

Conrad von Gottes gnaden/ Bischoue zu || Wirtzburg vnd Hertzog zu Francken. || (L)Jieber getrewer/ wir finden in glaublichem bericht/ das sich ytzo die leufft allenthalben geschwind vnd beschwerlich zutragen/ vnd sonder=||lich/ das sich an etlichen ortten im hey-ligen Reich/ Teutscher Nation/ ein mercklich summa vnd hauffen Widertauffer/ vnd anderer b=ser || Secten anhengere/ zusammen thun vnnd rottieren sollen/ ... [endet Zeile 12:] … Datum in vnser stat Wirtzburg/ vff Sontag Quasimodogeniti. Anno ⁊c. jme XXXiiij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1534] [1] Bl., einseitig bedruckt, 12 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *München SB, Einbl. VI, 38 r. 1535 71. Buchner, Berthold: Neue Zeitung. Newe zeyttung: So am tag Petri vnnd || Pauli der heyligen zwelffpotten/ des XXXv. jarß/ Durch || xxv. bFrger vnd burgerß s=ne/ der statt zu Amberg/ die in ai=||nen vngeheuren holen Felß oder bergk/ drey meyl wegs von || Amberg bey einem dorff/ heyst Bredenwindt gelegen/ erfarē || vnd im durchkriechen gesehen/ Durch Bertholdt BFchner/ ainen || mitrayser solcher grausammer farth/ gar kFntlichen seinem || vettern zugeschribē/ Welchs den vnwissendē vnglaub=|| lichen zuh=ren/ v] den erfarnen vnmFglich gnug=|| sam anzuzeygen ist/ Wie hernach zu=||uernemen ist. || [Holzschnitt: Zwei weibliche Halbfiguren mit ver-bundenen Augen, wie schon in der rechten Hochleis-te von Etzlaubs Almanach für 1531, oben Nr. 48]

[Würzburg: Balthasar Müller 1535] [4] Bl. A4 (A4 leer) 4°. – Typen: 1, 2, 3, 4. Weller, Zeitungen 90 [4]; VD16 B 9008. *Jena UB, 4 Bud.Hist.eccl.209b(35); *Würzburg UB, 22 an: 35/A 20.15. Wohl Nachdruck. Weitere Ausgaben: [Augsburg, Stei-ner] 1535 (VD16 B 9009–9010), [Zwickau, Meyer-peck] 1535 (VD16, ZV 2643), s.l. 1535 (Weller, Zei-tungen 90 [3]). Vgl. Claus Zwickau 2, Annotation zu 212. 72. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Ausschreiben betreffend die Gerichtsbarkeit. Über-weisung aller geringen Klagesachen an die Amt-leute. 17. Juli [15]35.

(W)Jr Conrad von Gottes gnaden Bischoue zu Wirtz-burg vnd Hertzog zu Francken. Entbietten/ allen vnd yeden vnnsern || vnd vnsers Stiffts vnderthanen vnd verwanthen vnsern grůß vnd gnad zuuor ... [endet Zeile 16:] … Geben vnther vnserm fFrgetrůcktē Sec-ret/ sambßtag nach Margarethe/ || Anno ⁊c. im XXXv. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1535 [1] Bl., einseitig bedruckt, 17 Zeilen, 2°-quer. – Type 3. Schottenloher, Müller S. 66 Anm. 1; Benzing, Müller 14. *Bamberg SB, MvO.Bamb.f.19/6,2. 73. Neue Zeitung des Lagers zu Münster. [Xyl.:] Newe zeyttung des || [typ.:] Legers zu Müns-ter Was sich begeben || hatt/ Jnn der Stadt vnd auß-wendig der Schantzen || vnd Blochhewsern/ seyd Pfingsten/ erbermlich || zuh=ren. M. D. XXXv. || [Holzschnitt: Ritter, zum Turnier gerüstet, auf Pferd, wie oben Nr. 51] Endet Bl. 2 Zeile 20: Signatum Walbeck/ Sambstag den Sechß=||vnddzweintzigisten des Brachmonats || Anno M. D. XXXv. || ♣ || [Würzburg: Balthasar Müller 1535] [2] Bl. <ij>2 4°. – Typen: 1, 3, 4. VD16 N 949. *Würzburg UB, 35/A 20.15 angeb.20. Textabdruck (nach der Nürnberger Ausgabe): Nie-sert, Joseph: Münsterische Urkundensammlung. Bd. 2. Coesfeld: Wittneven 1827, S. 499–504. Nachdruck. Die Erstausgabe unter dem Titel Neue Zeitung von Münster, aber datiert vom 3. Juni, er-schien unfirmiert in Nürnberg bei Friedrich Peypus Nachfolger (Bahlmann S. 146, 16 = VD16 N 948).

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178 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

74. Neue Zeitung, welchermaßen römische kaiserli-che Majestät vor Tunis ankommen ist.

[Xyl.:] Newe zeyttung || [typ.:] Welcher massen römi-sche Kayserliche || Mayestat/ im jFngstuerschynen monatt Junio/ von || Sardinia anß[!]/ gehen Aphricam geschifft/ vor || Thůnis ankōmen/ auch wes jr Mayestat || daselbst von dem Barbarossa vnnd || TFrcken bege-get ist. jm XXXv. || [Holzschnitt: Kaiser und König im Kampf mit zwei Türken, wie oben Nr. 63] [Würzburg: Balthasar Müller 1535] [2] Bl. [a2] (a2v leer) 4°. – Typen: 1, 3. VD16 N 1026. *Wolfenbüttel HAB, 108.17 Quod.(15). Erster und einziger Druck? 1536 75. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Fischerordnung. 7. April [15]36. (W)Jr Conrad von Gottes gnaden Bischoue zu Wirtz-burg vnd Hertzog zu Francken. Thun kunth allerme-niglichen. Nachdem vns durch || vnsere vnd ander Fischer/ ann vnd auff dem Mayn wonendt/ manigfal-tiglichen angelangt/ Welcher massen/ der Maynfluß/ der dan ein || Fischreich wasser gewessen ist/ durch mancherley Fischzeug/ die darauff gepraucht wor-den/ fast ver=det ... [endet Zeile 25:] … Geben vndter vnserm zu endt auffgetrucktē Secret/ am Freytag nach Judica. Anno ⁊c. XXXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller 1536] [1] Bl., einseitig bedruckt, 25 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Würzburg Stadtarchiv, Ratsakt 1202. 76. Wahrhaftige Geschichte, welchermaßen der gott-

losen, unchristlichen und wüterischen Sekte der Wiedertäufer vermeint aufgeworfen König zu Münster gerichtet worden.

Warhafftige geschicht. welher massen || der Gotlosen vnchristlichen v] wFterischen sect der Wider||tauffer vermaint aufgeworffen K=nig/ sampt sein zweyen || =bersten Propheten/ vff Sambstag nach Sebastiani/ des || XXXvj. Jarß zu Můnster/ vom lebenn zum todt gericht || worden/ vnd wie sie verstorben sindt. || [Holzschnitt: Lambertiturmspitze mit den drei Käfi-gen, in denen die Hingerichteten ausgestellt wurden] Endet 4v Zeile 4: … M.D.XXXvj. || Durch anzey-gung/ Fritz Becken vonn Betteldorff/ || welcher zu der zeyt in aygener person zu Můnster ge=||west/ vnd solchs erfaren vnd gesehen hat. || [Holzschnitt mit allegorischer Darstellung, die sich auf den fiktiven (?) Gewährsmann bezieht.] [Würzburg: Balthasar Müller 1536] [4] Bl. [44] 4°. – Typen: 1, 3, 4.

Bahlmann S.156, 9; Hillerbrand 570; VD16, ZV 21825. *Weimar HAAB, Aut.IX(26); Münster ULB, 1E 7568. Ob Erstdruck? Eine andere Ausgabe unter diesem Titel, aber ohne die letzten Zeilen erschien unfirmiert bei Wolfgang Stürmer in Erfurt (VD16, ZV 11221). Sie fehlt bei Bahlmann und Hillerbrand. Das von Vogler (Das Täuferreich Nr. 14 mit Abbildung der Titelseite) benutzte Exemplar repräsentiert nicht den mit Bahlmann 9 übereinstimmenden Würzburger, sondern diesen Erfurter Druck. Ausgaben unter dem Titel Des münsterischen Kö-nigsreichs und Wiedertaufs An- und Abgang aus Frankfurt am Main (VD16 M 6734) und Nürnberg (VD16 M 6733, M 6735) sind Nachdrucke. Auch Ihnen fehlt am Ende der Hinweis auf einen Ge-währsmann namens Fritz Beck. 1537 77. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:

Mitteilung des inserierten päpstlichen Breves vom 10. September 1536, das den Klerus zum Konzil nach Mantua einlädt. 27. Februar [15]37. Formular.

(C)Onradus Dei gratia Epūs Herbipole]/ ac Francie Orientalis Dux. || salutem in d]o. Noueritis nos nuper a sanctissimo in Christo Patre et d]o nostro/ d]o Paulo Sancte || Romane ac vniuersalis ecclesie pontifice summo d]o nostro clementissimo/ Breue quoddam recipisse apostolicum … [endet Zeile 20:] … Datum in ciuitate nostra Hebipoli penultima Fe-bruarij. Anno ⁊c. XXXXvij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1537] [1] Bl., einseitig bedruckt, 20 Zeilen, 2°-quer. – Ty-pen: 3, 4. Drugulin 82; Benzing, Müller 15; Freudenberger S. 23f. mit Anm. 26. *Würzburg Staatsarchiv, Geistliche Sachen 1233. 78. Paul III., Papst: Bulla indictionis sacrosancti ge-

neralis concilii. S. D. N. D. Pauli || diuina prouidentia.|| pp. iij. || Bul-la.|| Jndictionis Sacrosancti || Generalis Concilij. || [Holzschnitt: Päpstliches Wappen] [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1537] [4] Bl. <ij-iij>4 (4v leer). 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L1, L6, L7, L4. 1v-3r: Text der Konzilsbulle mit der Unterschrift der Kardinäle. 4r: Römisches Publikationsprotokoll.

VD 16, ZV 25584. *München UB, 4° H.eccl. 2198:1a; *Würzburg Staatsarchiv, Geistliche Sachen 1233.

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 179

Bisher unbekannter Nachdruck, der zusammen mit dem bischöflichen Mandat (Nr. 77) an den Klerus des Bistums verschickt wurde. Im deutschen Sprachraum erschienen lateinische Ausgaben in Freising (mit Publikationsmandat des dortigen Bischofs VD16 K 392), Nürnberg (VD16 K 389), Köln (VD16, ZV 8873) und Regensburg (VD16 K 390, mit Publikati-onsmandat K 391), Ausgaben in deutscher Überset-zung in Augsburg (VD16 K 395), Breslau (VD16, ZV 8870), Dresden (VD16, ZV 8871), Erfurt (VD16 K 396), Nürnberg (VD16 K 397) und Wittenberg (VD16 K 393–394). 1538 79. Brelochs, Anton: Wappenkalender des Würzbur-

ger Domkapitels für das Jahr 1539. (A)Ls man zalt nach der geburt Christi vnsers erlö-sers. M.D.XXXViiij. || Aber von der sch=pffung der Welt. 6738. jare.Suntag buchstab. E. Die GFlden zal j. Sunnen cickel viij. [Zeile 12:] Laßzettel Antonij Brelochs der (rtzney Doctor vnd Statartzt zu Schwe-bischen Hall/ … [Zeile 152, rechte Spalte neben dem Aderlaßmann:] Gedrůckt zu Wirtzburg durch || Bal-thassar MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1538] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 156 Zeilen, 2°. – Typen: 1, 2, 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopf-leiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, flankiert von zwei gewappneten Rittern (wie oben Nr. 65 und Nr. 68). Scharold I/3, S. 260; Brod S. 69; Zinner 1709 a; Benzing, Müller 16. *Würzburg UB, 36/A 50.63-7. 1539 80. Dierbach, Kaspar: Wappenkalender des Würz-

burger Domkapitels für das Jahr 1540. (A)Lmanach nach Christi vnsers lieben Herren vnd Erl=sers geburt. M.D.XXXX. ein schaltjare/ vnd || hat xiij. new monschein/ derhalben wirts Embolismicus genant. Dem Hochwirdigen FFrsten vnd Herren/ hern Con||raden Bischoffen zu Wirtzburg vnd Hertzogen zu Francken/ zu lob vnd ehren/ durch Casparem Dierbach/ der freyē || kunst vnd artzney Doctorem/ jrer Fůrstlichen gnaden leyb artz gestellet. … || [Würzburg: Balthasar Müller 1539] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 155 Zeilen, 2°. – Typen: 1, 2, 3, 4. Scharold I/3, S. 261; Brod S. 69.

*Würzburg UB, 36/A 50.63-8 (unteres Blatt beschä-digt). 1541 81. 81. a. Von römischer kaiserlicher Majestät Caroli V.

ehrlich Einreiten in des heiligen Reichs Stadt Nürnberg.

(V)Onn Römischer Kayserli=||cher Mayestat Caroli V. || Ehrlich einreitten in des Hey=||ligen Reichs Stat Nürm=||berg den xvj. Februarij. || Anno M.D.XXXxj. || [Holzschnitt: Ritter, zum Turnier gerüstet, auf Pferd, wie oben Nr. 51] Endet B2r Zeile 21: Getruckt zu Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || ♣ || Würzburg: Balthasar Müller [1541] [6] Bl. A4 B 2 (A1v und B2v leer) 4°. – Typen: 1, 4. Wie b, aber Bogen A mit anderem Satz im Wider-druck. A 2r Zeile 1 endet: widerumb inn ||. Welzenbach, S. 191; Schottenloher, Müller [20]; GermSTC, S. 195; VD16 V 2726; Pegg, B/NL 535; Pegg, Alsace I, 173. *Augsburg SSt, 4 Gs Flugschr. 159; *Berlin SB, 8° Flugschr. 1541/3; Colmar BVille, V.11814; Gent UL; London BL, 9930.d.34; *München SB, Res/4 Eur. 412,36; *Wolfenbüttel HAB, 190.7 Quod.(27). 81. b. Wie a, aber Bogen A mit anderem Satz im Wider-druck. A 2r Zeile 1 endet: widerumb in hoch Teu || *Wolfenbüttel HAB, 140.15 Quod.(10); *Bamberg SB, JH.Inc.typ.IV.228; *Budapest NB, Ant. 3496. Erster und einziger Druck? 1542 82. Dierbach, Kaspar: Wappenkalender des Würz-

burger Domkapitels für das Jahr 1543. [Xyl.:] ORDO DIVINORVM || [Holzschnitte: Wap-pen des Propstes, des Bischofs und des Dekans] || (R) [typ.:]euerendissimo Jn Christo Patri ac domino d]o Chunrado Electo et Confirmato Wirtzburgensi || Epis-copo Jllustrissimoque Oriētalis Francie duci Principi suo Clementissimo/ Caspar Dierbach Medicine doctor di=||arium suū et consecrat et cōmendat / Anno A Christo saluatore Nato M D XXXXiij … || [Gegen Ende unter den Zeichen von Sonne und Mond:] Jmpressum Herbipoli || per Balthazarem MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1542] ? Bl., einseitig in Rotschwarzdruck gedruckt, 2°. – Typen: 3, 4.

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180 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

*Würzburg Mainfränkisches Museum, Graphische Sammlung Inventarnr. S. 47383 (Fragment aus 2 Stücken). 83. 83. a. Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg: Ge-

meines Ausschreiben an seiner F. G. Prälaten, Geistlichkeit und Landschaft von wegen der be-harrlichen Türkenhilfe.

(D)ES. Hochwirdigen/ furstenn vnd hern || hernn Conraden Erwelten vū[!] bestettig=||ten zu bischoff zu wirczburg v] herczo=||gē zu Franckē/ gemains ausschreiben || an seiner/ F. G. prelatē geistlickait || vnd landschafft vou[!] wegen. || Der beharrlichē Turckenhilf vff dem/ Reichstag || Zu Speir beschlo-ßen vud[!] zugesagtt in dem Jar. || M. D. XLij || Endet a4v Zeile17: … Geben/ Jnn vnnser/ stat/ Wirczburg/ vnter vn=||serm zu/ end der schrift fur-getrucktē Secret/ vff/ samstag nach || Misericordia/ domini/ [29. 4.] vnd christi/ vnsers Lieben hern ge-purt || funffczehēhundert vnd/ Jm zweivnduirczigsten Jarenn ♣ || Gedruck zu Wirczburg durch || Melchior boppen. || Würzburg: Melchior Bopp 1542 [4] Bl. [a4] (a1v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. VD 16 W4550. *Würzburg UB, Inc.q. 39 angeb. 81. b. Satz wie a, aber ohne Kolophon. *Würzburg Staatsarchiv, M.S.f 506. Erstdruck? Auch in Nürnberg gedruckt von Johann Petreius (VD16 W 4549). 1544 84. Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg: Steuer-

forderung. Die auf dem Speyerer Reichstag bewil-ligte Reichshilfe gegen Türken und Frankreich muss in Anbetracht der Verschuldung des Hoch-stifts von den Untertanen aufgebracht und der ver-anschlagte Betrag zum 24. August in Würzburg abgeliefert werden. 28. Juni [15]44. Formular.

Wir Conrad von Gots Gnaden Erwelther vnd || bestet-tigter zu Bischoff zu Wirczburg vnnd Herczog zu Francken. || (V)nnsern grus zuuor Liebe getrwe/ … [endet Zeile 26:] Datum in vnser stat Wirtzburg Am Freytag nach Johannis Baptiste. Anno ⁊c. 44. ♣. || [Würzburg: Melchior Bopp 1544] [1] Bl., einseitig bedruckt, 26 Zeilen, 2°-quer. – Ty-pen: 1, 3, 4. GermSTC, S. 929. *London BL, C.55.k.2(7).

85. Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg: Be-kanntgabe des Mandats, mit dem Kaiser Karl V. den Untertanen bei Androhung von Strafe ver-bietet, in französische Kriegsdienste zu treten. 1. Juli [15]44. Formular.

(W)ir Conrad von Gots Gnaden Erwelther vnd bestet-tigter zu Bischoff zu Wirczburg vnd Herczog zu Francken. Entpietten allen vnd Jeden vnsern Ampt-leuten || Vogten/ Kellern/ Schultheissen/ Burgermei- stern/ Rethen gerichten/ Dorffmeistern/ vnd andern vnsern vndterthanen vnd verwanthē. vnsern grus zuuor/ … [endet Zeile 44:] … Geben vnder vnserm zu ende der schrifft furgetruckten. || Secret am dinstag nach Petrj vnd Paulij. Anno ⁊c 44. || [Würzburg: Melchior Bopp 1544] [1] Bl., einseitig bedruckt, 45 Zeilen, 2°-quer. – Ty-pen: 1, 3, 4. GermSTC, S.929. *London BL, C.55.k.2(8). 1545 86. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von

Würzburg: Ausschreiben mit Mobilmachungsbe-fehl. 19. Juni [15]45.

Melchior von Gots gnaden Erwelter vnd bestettigter zu || Bischoue zu Wirtzburg/ vnd Hertzog zu Francken. || (V)nsern grus zuuor Lieber getrewer/ Vorschienē tagē habē wir dir thun schrey=||ben vnnd anzaigen/ wie sich die leufft allenthalben geschwinde ereugten … [endet Zeile 15:] Datum am Freitag nach Viti. Anno ⁊c. XLv. || [Würzburg: Melchior Bopp 1545] [1] Bl., einseitig bedruckt, 15 Zeilen, 4°-quer. – Ty-pen: 3, 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 87. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von

Würzburg: Ausschreiben an die Städte mit der Aufforderung zu erhöhter Wachsamkeit. 1. Okto-ber [15]45.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnsern grus zuuor Ersamen Lieben getreuen/ Nachdem wir vor augen sehennn die || leufft so sich/ allenthalben Ytzt erzeu-gen/ vnnd diser zeit etwas sorgfeltig anlassen/ || … [endet Zeile 14:] … Datum Jn vnnser Stat Wirtzburg am || Donerstag nach Michaelis. Anno ⁊c. XLv. || [Würzburg: Melchior Bopp 1545] [1] Bl., einseitig bedruckt, 15 Zeilen, 4°-quer. – Ty-pen: 3, 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b.

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 181

1546 88. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von

Würzburg: Ausschreiben mit Warnung vor Mord-brennern und fremden Personen, die durch das Stiftsgebiet zum Reichstag nach Regensburg un-terwegs sind. 17. Mai [15]46.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnsern grus zuuor Lie-be getrewe/ Vns hat itzo angelanget/ wie sich abermals etliche b=se verwe=||gene buben vndterstehn sollen/ hin vnd wider Jnn den landen feur einnzulegen/ die armen leuth || Jemerlich mordtprennen/ vnd beschedigen/ … [endet Zeile 34:] … Datum Jnn vnnser Stat Wirtzburg/ am || Montag nach Jubilate. Anno ⁊c. XLvj. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 35 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. Nebst Zusatzblatt, 20 Zeilen, endet Zeile 17: … Da-tum vt in literis. || Vnnd ist dis der obgemelten new bestelten mordbrenner || zaichen/ welches wir dir vnangezaigt nit lassen wollenn || desto statlicher nach inen wissen zutrachten. || *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 89. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg (dessen Statthalter und Räte): Ausschreiben betreffend die Getreidebevorratung und den Ge-treideverkauf. 19. Juni [15]46.

(V)nser freuntschafft freuntlich diēst v] grus zuuor/ Lieber besōder schwager freūd/ vnd beson=||der/ Wiewol des nechstuerschinē 1545 Jars die erēd vō den gnadē Gotes ain gut zimlich || v] notturfftig getraid gebē/ … [endet Zeile 31:] … Datum Wirtz-burg am || Sambstag nach dem heiligen Pfingstag. Anno ⁊c. 46. || Vnsers gnedigen herrn von Wirtz-burgs ⁊c || Stathalter vnd Rethe doselbst. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 34 Zeilen, 2°. – Type 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 90. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Ladung der Grafen, Herren und Ritterschaft auf einen Landtag, der am 9. Juli in Würzburg ab-gehalten werden soll. 26. Juni [15]46. Formular.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nseren freuntlich grues zu uor/ freund vnd Lieber getreuer/ Jr tragt on || zweifel gut wissen/ wie sich die leufft ain zeitlang here etwas beschwerlich seltzam vnd sorg-lich || angelassen haben/ … [endet Zeile 34:] … Da-tum Jn vnser || Stat Wirtzburg am Sambstag nach vnsers heren Fronleichnams tag. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 35 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4.

*Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 91. 91. a. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Ausschreiben mit Mobilmachungsbefehl und Aufforderung zu erhöhter Wachsamkeit. 29. Juni [15]46. Formular.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || ieber getreuer/ Vns hat itzund von mer dan ainem ort glaublich angelangt || wie etwan vil vnd grosse gewerbe zu roß vnd fueß/ hin vnd wider in deutscher Nation sein/ … [endet Zeile 34:] … Datum in vnser || Stat Wirtzburg am dinstag Petri vnd Pauli. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig gedruckt, 35 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(16). 91. b. Satz wie a, aber Zeile 3: (V)nsern grues zuuor Lieber getreuer/ Vns hat itzūd von mer dan ainem ort glaub-lich angelāgt || *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 92. 92. a. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Ausschreiben, wonach sich der Mobilma-chungsbefehl auch an die Klöster des Hochstifts und deren Hintersassen richtet. Dem durchzie-henden Kriegsvolk soll, um Übergriffe zu ver-meiden, zu niedrigem Preis Brot angeboten wer-den. 30. Juni [15]46.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken.|| (V)nsern grus zuuor wirdiger Lieber andechtiger/ Aus was vrsachen wir itzūd in vnd alle || iede vnser ambte ausgeschriben ha-ben/ werdt ir ab inligender copien vernemē …[Zeile 13:] … Datum in vnser stat Wirtzburg am Mittwo-chen nach || Petri vnd Pauli. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 14 Zeilen, 4°-quer. – Ty-pen: 3, 4. Nebst Zusatzblatt, 9 Zeilen, endet Zeile 9: … Datum vt in literis. || *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 92. b. Satz wie a, aber Zeile 3: (V)nsern grus zuuor wirdige Liebe andechtige/ Aus was vrsachen wir itzund in vnd alle || GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(17). 93.

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182 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

93. a. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben an die Prälaten (und Prälatinnen) des Hochstifts mit der Aufforde-rung, die Privilegienbriefe und Kleinodien ihrer Klöster vor dem heranziehenden Kriegsvolk in Sicherheit zu bringen. 10. Juli [15]46.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nsern grues zuuor wirdiger Lieber Andechtiger/ Nach dem man al-lenthallben offentlich || dauon redet/ das ein mercklich gros kriegs volck zu Roß v] Fuessen gewordē sei/ … [endet Zeile 25:] … Datum Jn vnser Stat Wirtzburg vff Sambstag nach Kiliani. A]o ⁊c 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 25 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 93. b. Satz wie a, nur Zeile 3: (V)nnsern grues zuuor wirdi-ge Liebe Andechtige/ Nach dem man allenthallben offentlich || GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(18). 94. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Ausschreiben an alle, die zu militärischem Zuzug verpflichtet sind. Sie haben sich mit Knech-ten und Pferden bis zum 19. Juli am angegebenen Ort einzufinden. 12. Juli [15]46. Formular.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nsern grus zuuor Lieber getreuer/ Wir haben dir am Sambstag nach vnsers heren Fron=||leichnās tag nechstuerschinē [26.6.] schrifftlich zuerkennen geben was merckli-cher groser gewerbe || vffgebot vnd kriegsrustung zu roß vnd fueß an vil orten Teutscher nation/ vor handē vnd || vff den bainen weren … [endet Zeile 30:] … Datum Jn vnser || Stat Wirtzburg am Montag nach Kiliani/ den 12. July. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 31 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. Nebst Zusatzblatt, 9 Zeilen, endet Zeile 9: Datum vt in Literis. || GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(19); *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 95. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von

Würzburg: Ausschreiben mit erneuertem Mobil-machungsbefehl. 19. Juli [15]46. Formular.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nsern grus zuuor/ Lieber getreuer/ Nachdem sich die lauffe/ wie du selbs gut wissen tregst || Je lenger Je beschwerlicher

vnnd sorglicher anlassen/ … [endet Zeile 23:] … Datū Jn vnser Stat Wirtzburg am Montag nach der hai=||ligen Apostel thailung. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 24 Zeilen, 2°. – Typen 3, 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 96. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Ausschreiben (an die Amtleute). Sie sollen sich baldigst mit Knechten und Pferden am an-gegebenen Ort einfinden. [25. November 1546]. Formular.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnseren grues zuuor Lieber getreuer/ Dir ist one zweifel gut wissenn/ was mercklicher || grosser KriegsrFstung vnd entb=rung sich vergangen Somers Jm reich Teutscher || Nation gleich vnuersehenlich zugetragē haben / … [endet Zeile 34:] … W=llen vns aber versehen || du dich hier Jnnen vnuerweislich halten vnd erzaigen werdest/ Datum Jn vnnser || Stat Wirtzburg || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 36 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(28). Darüber handschriftlich: »Derhalben schrib mein g. herr von Wirtzburg vff Donnerstag Catharine [25.11.] an seiner f. g. amptlewt wie hernach volgt.« Am Ende handschriftlich ergänzt: »vff donnerstag am tag Catharine Anno. 46«. 97. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Ausschreiben (an die Lehensleute). Sie sol-len sich baldigst mit Knechten und Pferden am angegebenen Ort einfinden. [25. November 1546]. Formular.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnseren grues zuuor Lieber getreuer/ Dir ist one zweifel gut wissen/ was mercklicher || grosser KriegsrFstung vnd entb=rung sich vergangen Somers Jm reich Teutscher || Nation gleich vnuersehenlich zugetragē haben/ … [endet Zeile 31] … das soll dir zu gnaden ver=||merckt/ vnnd in keinen vergeß gestelt werden. Datum Jn vnnser Stat Wirtzburg || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 32 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(28). Darüber handschriftlich: »Desgleichen auch an die lehenlewt wie hernach volgt«. Ab Zeile 28 anderer Satz als im vorigen Aus-schreiben.

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Anhang: Verzeichnis der Drucke 183

98. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-burg: Ladung auf einen Landtag, der [im Januar 1547] in Würzburg abgehalten werden soll. [28. Dezember 1546]. Formular.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || ieber getreur/ du tregst on zweiuel gut wissen/ was vnuersehē=||licher/ mercklicher vnd besorglicher gewerbe/ vnd Kriegs-rustung/ sich verschinnen || Somers zugetragen haben … [endet Zeile 27:] … Datum jn vnnser Stat || Wirtzburg am || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 35 Zeilen, 4° – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(31). Am Ende handschriftlich ergänzt: »dinstag nach christi heiligem christtag 47«. 99. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Ausschreiben an die Klöster und Stifte. Ih-re Vorsteher oder deren Vertreter werden auf den 10. Januar1547 in das Kapitelhaus des Domstifts nach Würzburg geladen. 28. Dezember 1546. For-mular.

Melchior dei gratia Episcopus Herbipoleñ || et Fran-tiae Orientalis Dux. || Salutem in domino sempiter-nam. Non dubitamus esse cognitum/ estate || proxime preterita/ varios exercitus ac militum copias Episcopatum ac Ducatum nr^ || Francie Orientalis/ non sine nostro ac subditoru^ nostrorum ecclesiasti-corum et secu=||larium periculo/ iactura ac damno non modico peragrasse … [endet Zeile 34:] … Da-tum in Ciuitate nostra Herbipoli die Jnnocentium [!] Anno a natiuitate d]i || Millesimo quingentesimo quadragesimo septimo. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 35 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(30); *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV Nr. 42, Bl. 28. 1547 100. Luther, Martin: Ratschlag, ob das Wort Gottes

mit dem Schwert möge verfochten werden. Rathschlag durch D. || Martinum Luther gemacht/ Ob das || wort Gottes mit dem Schwert || m=ge verfoch-ten werden/ || oder nit? || M. D. xlv j. || [Würzburg: Melchior Bopp 1547?] [4] Bl. a4 (a4v leer) 4°. – Typen: 5, 6, 7. Benzing/Claus **2978a; VD16 L 5773. *London BL, C. 55. k. 2 (26); *München SB, H.ref. 754 q; Münster ULB, Coll. Erh, 251; Nürnberg GMN, 8°Rl. 2213.

Nachdruck eines Lutherbriefes vom 6. März 1530 an Kurfürst Johann von Sachsen. Der Erstausgabe, die Wolfgang Stöckel 1531 in Dresden druckte, folgten während des Schmalkaldischen Krieges weitere Nach-drucke in Berlin, Dresden, Hannover und Leipzig (Benzing/Claus 2973–2978). Der Würzburger Druck gehört, wie die handschriftliche Ergänzung des Er-scheinungsjahres auf dem Titel des Münchener Ex-emplars nahelegt, eher in das Jahr 1547. Dafür spre-chen auch die erst seit 1547 verwendeten neuen Typen. 101. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Erlass mit Ausführungsbestimmungen für die Erhebung der auf dem Landtag bewilligten Steuer durch Untereinnehmer. 12. Januar 1547.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnsern grues zuuor/ Liebe getrewe. Vnns haben itzund vff disem gehalten Landtag || vnsere vnd vnsers Stiffts angeh=rige vnterthane vnnd verwante/ aus beweglichen/ || anse-henlichen vrsachen/ ain gemaine Landsteuer von allen vnd jeden jren haben vnd || guetern ligend/ varend … [endet Zeile 31:] … Datum jn vnnser Stat Wirtzburg am Mitwochen nach der || heiligen trei K=nig tag. Anno ⁊c. 47. || [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 32 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(33). 102. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Wie die Landsteuer gegeben und einge-bracht werden soll.

Wie die Landsteuer gegeben vnd || eingepracht wer-den solle. || (D)ie bewilligt Landsteuer/ soll gegeben werden/ von Silbergeschirr/ Barschafft/ Zehenden/ Zinsen/ Gulten/ || Schulden/ Wein/ Getraid/ grobem vihe … [endet Zeile 32–38 mit einer Umrechnungs-tabelle für verschiedene Währungen] [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 38 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(35); *Würzburg Staatsarchiv, Historischer Saal VII, 16, Nr. 244. 103. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Ausschreiben an die geistlichen Stände we-gen ihrer Veranlagung zu der auf dem Landtag im Januar 1547 bewilligten Steuer. 15. Januar 1547.

Melchior dei gratia Episcopus Herbipole] || Francieq; orientalis Dux. || Cum nuper in conuentu cleri nostri nobis subiecti per nos vocati/ in Ciuitate || nostra Her-bipole] celebrato de modo ac forma taxe subsidij vrgente necessitate || ac alijs ex causis coram auditis

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184 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

laciusqz expressis ac certificatis/ nobis prestādi || vos per speciales literas ac nunctios certiores reddere pro-miserim9 Eam ipsam || taxam presentibus vobis trans- mittim9 Non dubitantes vos in prestando hu=||iusmodi subsidio fore obsequētissimos Quod nos e diuerso affectu materno ac || gracioso erga vos recognoscere non omittemus Datum in ciuitate nostra || Herbipole] die decima quinta Januarij. Anno a natiuitate d] Mille-simo || quingentesimo quadragesimo septimo. || Gui-lielmus Ruswurm || Fiscalis sszt. || [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 13 Zeilen, 4°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(32). 104. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Veranlagung des Klerus zur Landsteuer. Der Hochwirdig Furst vnd her/ vnser gnediger her von Wirtzburg ⁊c. || hat sich mit sampt ainem Erwir-digen domcapitel entschlossen/ || nachuolgende col-lect vnd Anlag/ von Jres || Stiffts Geistlickait zůne-men. || Zum ersten …|| [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 48 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(34). 105. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würz-

burg: Mobilmachungsbefehl aufgrund der Befürch-tung, dass der Landgraf von Hessen mit seinem Heer von Schmalkalden aus in das Hochstift ein-fallen werde. 21. Mai [15]47.

Melchior von Gots gnaden Bischoue Zů || Wirtzburg vnd Hertzog Zů Francken. || (V)nnsern grůs zuuor/ Lieber getrewer/ Du hast aus nechstem an dich getho-nen vn=||serm schreiben verno^en/ jn was gefahr vnd sorgen wir vnd vnser Stifft zeither || gestandenn/ von wegen der mercklichen kriegßFbung/ die sich allent-halben vmb || vnsern Stifft eraigt hat/ … [endet Zeile 24:] … Datū || jn vnser Stat Wirtzburg am Sambstag nach ascensionis domini/ Anno ⁊c. || XLvij.|| [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 25 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(37n). 106. Neue Zeitung, wie und welchermaß des gewe-

sen Kurfürsten zu Sachsen Gemahl der Röm. Kai. Ma. vor Wittenberg zu Fuß gefallen.

[Xyl.:] Newe zeyttung || (W) [typ.:]ie vnnd welcher maß || des gewesen ChurfFrstē zu Sach||sen gemahel der R=m. Kai. Ma. || vor Wittenberg Zů FFß || gefal-len vnnd an=||dere meher. || Anno. M. D. XLvij. ||

[Würzburg: Melchior Bopp] 1547 [4] Bl. A4 (A1v und A4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. GermSTC, S. 813; VD16, ZV 5784. *Heidelberg UB, B 1868-10 RES; *London BL, C. 55. K. 2 (40) (defekt). Erster und einziger Druck. Für die erste Zeile (xylo-graphisch) wurde der Teil eines Stockes verwendet, den Müller bereits 1535 in Gebrauch hatte (oben Nr. 73). 107. Ein schön neu gemacht Lied zu Lob und Ehr

von Gott aufgesetzter Obrigkeit. (E)Jn Sch=n new || gemacht Lied/ zu Lob vnnd || Eer von Gott auff gesetzter Obrigkeit: || Von jetz schwe-benden auffrFri=||schen geschwinden Practicken || v] kriegßleuffen. Jm thon/ || Auß tieffer noth. || Ain jetzlicher der sich erh=cht/ wFrd ernidert/ vnd der || sich ernidert/ wFrdt erh=cht. Mat. xxiij. Luc. xiiij || Der knecht nit vber sein Herren ist. Johan. xiij. || Der vngerecht kan im krieg nit glFck habē. Eccle. viij. || Wer verhart biß ans end/ der wFrt selig. Mat. xxiiij || M. D. xlvij. || [Würzburg: Melchior Bopp] 1547 [8] Bl. a–b4 (a1v und b4 leer) 4°. – Typen: 5, 6, 7. Liliencron IV, 583(C); Hohenemser 4391; VD16 S 3581. *Berlin SB, Ye 3435, Frankfurt/M. StUB: Slg. G. Freytag. Textedition: Liliencron IV, 583 (nach A = VD16 S 5385); Kohler, Quellen 91, S. 344–355. 50 siebenzeilige Strophen, die ersten 30 mit dem Akrostichon ›Carolus der funft romischer Kaiser‹. Die erste Strophe beginnt: Clar, hell und lauter ist am Tag. Wohl Nachdruck. Bisher sind sieben durchweg unfir-mierte Drucke bekannt geworden. Vier Drucke be-sorgte Heinrich Steiner in Augsburg (Liliencron, A, B, D = VD16 S 3583, 3585, ZV 14077 sowie S 3584), einen weiteren in Leipzig Valentin Bapst (Liliencron C = VD16, ZV 14078). In einem Augsburger Druck von Narziss Ramminger (VD16 S 3582) wurde die Schlussstrophe geändert und auf der letzten bedruck-ten Seite ein Spruch hinzugefügt, der sich gegen Phi-lipp von Hessen richtet (O Landgraf, du edels Blut).

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Literatur zur Bibliographie 185

Literatur zur Bibliographie Adams, Herbert Mayow: Catalogue of Books printed on

the Continent of Europe 1501–1600 in Cambridge Li-braries. 2 Bde. Cambridge: Univ. Press 1967.

Bahlmann, Paul: Die Wiedertäufer zu Münster. Eine biblio-graphische Zusammenstellung. In: Zeitschrift für vater-ländische Geschichte und Alterthumskunde 51 (1893), S. 119–171.

Benzing, Josef: Johann Haselberg, ein fahrender Verleger und Schriftsteller 1518–1538. In: AGB 7 (1965), Sp. 301–316.

Benzing, Josef: Suleiman der Prächtige im Bild; zugleich ein Beitrag zum Würzburger Buchdrucker Balthasar Müller (1525–1546?) In: Bbl. 25 (1969) 39, S. 1053–1055. [Zitiert: Benzing, Müller]

Benzing, Josef: Ein Frankfurter Messeflugblatt von Peter Schöffer d. J. In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 53 (1973), S. 41–49.

Benzing, Josef: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhun-derts im deutschen Sprachgebiet. 2. Aufl. Wiesbaden: Harrassowitz 1982.

Benzing, Josef/Claus, Helmut: Lutherbibliographie. Ver-zeichnis der gedruckten Schriften Martin Luthers bis zu dessen Tode. 2. Aufl. 2 Bde. Baden-Baden: Koer-ner 1989–1994 (Bibliotheca bibliographica Aureliana. 10. 143) [Zitiert: Benzing/Claus]

Bibliotheca Palatina. Druckschriften. Katalog und Register zur Mikrofiche-Ausgabe Druckschriften der »Biblio-theca Palatina«. Hrsg. von Elmar Mittler. 4 Bde. Mün-chen: Saur 1999.

[BNHCat.] Catalogus librorum sedecimo saeculo impresso-rum, qui in Bibliotheca Nationali Hungariae Széchén-yiana asservantur. Editiones non Hungarice et extra Hungariam impressae. Composuerunt Elisabeth Sol-tész, Catharina Velenczei, Agnes W. Salgó. 3 T. Bu-dapest: Bibliotheca Nationalis Hungariae 1990.

Brednich, Rolf Wilhelm: Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jahrhunderts. Bd. 2: Katalog der Lied-flugblätter. Baden-Baden: Koerner 1975 (Bibliotheca bibliographica Aureliana. 60).

Breitschedl, Walter: Österreich, das Bollwerk deutscher Kultur im Osten. Zur Türkenbelagerung Wiens 1529. In: Bergland. Illustrierte alpenländische Monatsschrift 11 (1929), S. 21–27, 43, 45–49.

Claus, Helmut: Der deutsche Bauernkrieg im Druckschaf-fen der Jahre 1524–1526. Verzeichnis der Flugschrif-ten und Dichtungen. Gotha 1975 (Veröffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha. 16)

Claus, Helmut: Die Zwickauer Drucke des 16. Jahrhun-derts. 2 Bde. Gotha 1985–1986 (Veröffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha. 23. 25).

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Hortleder, Friedrich: Der Römischen Keyser- und Königli-chen Maiesteten, Auch des Heiligen Römischen Reichs […] Handlungen und Ausschreiben. Bd. 1. 2. Aufl. Gotha: Endtner 1645.

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[IA] Index Aureliensis. Catalogus librorum sedecimo sae-culo impressorum. P. 1, T. 1. Baden-Baden: Koerner 1965. [bisher 15 Bände erschienen]

Johnson, Alfred Forbes: German Renaissance Title-Borders. Oxford: Univ. Press. 1929 (Facsimiles and Illustrations. 1).

Kábdebo, Heinrich: Bibliographie zur Geschichte der bei-den Türkenbelagerungen Wiens 1529 und 1683. Wien: Faesy & Frick 1876.

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Zopf, Ludwig: Zwei neue Schriften Murners. Diss. Frei-burg i.Br. 1911.

Register Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz 167 Andreae, Hieronymus 156f., 162 Apian, Georg 166, 169 Apian, Peter 166, 169 Arnoldi, Bartholomaeus 157f. Bär, Hans 172 Baumann, Hans 161 Beck, Fritz 178 Beham, Sebald 157 Benzing, Josef 154f., 159, 161 Birgittenmeister 157 Bopp, Melchior 161, 180–184 Brandenburg, Albrecht von, Hochmeister des Deutschen

Ordens 174 Braun, Konrad 158 Brelochs, Anton 179 Buchner, Berthold 177 Buppe, Hans 161 Chalybs, Peter 154 Christoph, Herzog von Württemberg 155 Claus, Helmut 155 Cordus, Euricius 170 Dierbach, Kaspar 160, 176, 179 Dürer, Albrecht 172 Eberlin von Günzburg, Johann 156f. Eck, Johannes 157 Erlinger, Georg 158, 162 Etzlaub, Erhard 157, 166, 168, 171f.

Fabri, Johannes 157, 164 Friedrich Peypus Nachfolger 177 Friedrich, Graf von Fürstenberg 160 Fries, Lorenz 155, 161 Frundsberg, Georg von 155 Georg, Herzog von Sachsen 158, 165, 168 Gerhard von Schwarzenberg, Bischof von Würzburg

160 Grimaldi, Giambattista 171 Gutknecht, Jobst 154, 173 Haselberg, Johann 160, 175 Heinick, Wolff 162 Hergot, Hans 162 Hess, Jodocus 158, 165, 174 Höltzel, Hieronymus 162 Ibrahim Pasha, Großwesir des Osmanischen Reiches

172 Joachim von Brandenburg, Kurfürst 158 Johann von Sachsen, Kurfürst 183f. Johannes, Eck 166 Jordan, Peter 174 Kanz, Gabriel 162 Karl V., röm.-dt. Kaiser 160f., 167, 169, 173, 180 Keller, Hans Will 174 Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg 180 Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg 158–160,

163, 165f., 168–171, 174–178 Lang, Matthias, Erzbischof von Salzburg 170

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188 Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Lobmeyer, Johann 153–155, 162, 166, 173 Lorenz von Bibra, Bischof von Würzburg 153, 155 Luther, Martin 157f., 165, 172, 174, 183 Maler, Matthes 162, 167 Marius, Augustinus, Weihbischof von Würzburg 158 Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg

180–184 Mentelin, Georg 158 Meyerpeck, Wolfgang 162, 177 Monogrammist H. 162 Müller, Balthasar 153f., 156–163, 165–179 Mylius, Hans 161 Nausea, Friedrich 174 Nolt, Anastasius 170 Osiander, Andreas 156f. Otmar, Silvan 174 Paul III., Papst 178 Petreius, Johann 180 Peypus, Friedrich 173, 175 Philipp, Landgraf von Hessen 168, 184 Pommersfelden, Lorenz Truchseß von 174 Ramminger, Narziss 184 Rasch, Johannes 174 Reyser, Georg 153, 159 Rhau, Georg 173 Rhode, Franz 155, 170 Rödinger, Christian d. Ä. 162

Rüdem, Henning 162 Rudolf von Scherenberg, Bischof von Würzburg 159 Sam, Konrad 166 Schatzgeyer, Kaspar 156f. Schöffer, Ivo 174 Schöffer, Johann 167, 170 Schöffer, Peter d. J. 163 Schöner, Johannes 175 Schottenloher, Karl 156, 161 Schubart, Martin 153f. Schwarzenberg, Johann von 157 Sibylle von Cleve, Kurfürstin von Sachsen 161 Staiber, Lorenz 172 Steiner, Heinrich 177, 184 Stöckel, Wolfgang 168, 183 Stuchs, Johann 173 Sturm, Kaspar 173 Stürmer, Wolfgang 178 Süleimann (II.) der Prächtige, Sultan 166 Sumau, Hieronymus Schenck von 153 Ulhart, Philipp 173 Van der Vorst, Peter 160 Weigel, Bernhard 154 Weinreich, Hans 173 Weißenburger, Johann 154 Weißenhorn, Alexander 172

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189

VOLKER R. REMMERT / UTE SCHNEIDER

Wissenschaftliches Publizieren in der ökonomischen Krise der Weimarer Republik – Das Fallbeispiel Mathematik in den Verlagen

B. G . Teubner, Julius Springer und Walter de Gruyter »Es gehört zu den Grundsätzen meiner Firma, keine Subventionen anzunehmen. Ich kann mit einem ge-wissen Stolz feststellen, dass ich als einziger deut-scher wissenschaftlicher Verleger niemals Gelder von der Notgemeinschaft in Empfang genommen habe«1, schrieb Ferdinand Springer (1881–1965) auf die Weimarer Republik rückblickend im Jahr 1949. Die-se selbstbewusste Feststellung eines wissenschaftli-chen Verlegers bedarf noch der Verifizierung, aber sie ist Ausdruck eines typisch deutschen verlegeri-schen Selbstbildes, dessen Rollenideal auf der selbst-losen, nicht profitorientierten Dienstleistungsfunktion im wissenschaftlichen Kommunikationsprozess be-ruhte. Tatsächlich leistet ein Verlag kaum zu über-schätzende Unterstützung bei der Verbreitung wis-senschaftlicher Erkenntnisse, indem er Publikations-formen zur Verfügung stellt, die sich zwar an den kognitiven und an den sozialen Strukturen der Wis-senschaft orientieren und auf den wissenschaftlichen Bedarf reagieren,2 aber die verlegerische Funktion beschränkt sich in der Regel nicht auf die reine Reak-tion, sondern der Verleger wird, wenn er erfolgreich sein will, selbst Buch- und Zeitschriftenprojekte anregen. Über die Marktbeobachtung hinaus wird er um persönliche Kontakte zu renommierten Wissen-schaftlern bemüht sein, denn die Reputation seiner Autoren wirkt auf die Reputation des Verlags zurück, was wiederum dazu führen kann, dass er weitere angesehene Autoren an sich binden kann.

Die Rekonstruktion des vielschichtigen Verhält-nisses von Verlag und Disziplin soll hier am Fallbei-spiel der Mathematik und des Buchmarktsegmentes ›Mathematik‹ in Deutschland während der Weimarer Republik nachvollzogen werden.3 Die enge Verknüp-——————— 1 Zitiert nach Heinz Sarkowski: Der Springer Verlag. Statio-nen seiner Geschichte. Teil 1: 1842–1945. Berlin, Heidelberg: Sprin-ger 1992, S. 396. 2 Vgl. zur Wechselwirkung zwischen wissenschaftlichem Buchhandel und Wissenschaft aus systemtheoretischer Perspektive Georg Jäger: Wissenschaft und Buchhandel. Zur Ausdifferenzie-rung des wissenschaftlichen Buchhandels. Siegen 1990 (LUMIS-Schriften. 26). 3 Die Ausführungen stehen im Zusammenhang mit dem DFG-Projekt »Eine Disziplin und ihre Verleger. Formen, Funktio-nen und Initiatoren mathematischen Publizierens 1871–1949«, das zurzeit am Institut für Mathematik und am Institut für Buchwissen-

fung von wissenschaftlicher Kommunikationsstruktur und Buchhandel war schon in der entscheidenden Formierungsphase des großbetrieblichen Bildungs- und Wissenschaftssystems ganz besonders deutlich geworden (1890 bis etwa 1914), als sich ein Teilbe-reich des Buchhandels in seiner Struktur mehr und mehr an der Wissenschaft ausrichtete.4 Von wissen-schaftshistorischer Seite hat sich in den vergangenen Jahren ein verstärktes Interesse an der Analyse der Bedeutung spezifischer Publikationsformen entwi-ckelt.5 Eine zeitlich und geographisch klar umgrenzte Studie zu einer Einzeldisziplin liegt jedoch bislang nicht vor. Insbesondere gibt es nur vereinzelte Stu-dien, die sich ausdrücklich mit der Geschichte spezi-fischer mathematischer Publikationsformen bzw. des mathematischen Publikationswesens in Deutschland zwischen 1871 und 1949 befassen. Gleichwohl wird, ebenso wie für die Geschichte anderer Disziplinen, die zentrale Rolle des wissenschaftlichen Publikati-onswesens im Prozess der Disziplinenbildung, -diffe-renzierung und -spezialisierung durchgängig betont. Wir beschränken uns auf die Periode der Weimarer Republik, weil sich hier nicht allein wissenschaftli-

schaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz unter der Leitung von Volker R. Remmert und Ute Schneider durchgeführt wird. Wir danken Maria Remenyi, Heidelberg, für ihre Unterstützung. 4 Vgl. Helen Müller: Wissenschaft und Markt um 1900. Das Verlagsunternehmen Walter de Gruyters im literarischen Feld der Jahrhundertwende. Tübingen: Niemeyer 2004, S. 7. 5 Dazu z. B. Elana Ausejo/Mariano Hormigón (Hrsg.): Mes- sengers of Mathematics: European Mathematical Journals (1800–1946). Madrid: Siclo Veintiuno 1993; Christoph Meinel (Hrsg.): Fachschrifttum, Bibliothek und Naturwissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz 1997; Reinhard Siegmund-Schultze: Mathematische Berichterstattung in Hitlerdeutschland. Der Niedergang des »Jahrbuchs über die Fortschritte der Mathema-tik«. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993; Reinhard Sieg-mund-Schultze: The Emancipation of Mathematical Research Publishing in the United States from German Dominance. In: Historia Mathematica 24 (1997), S. 135–166; Jonathan R. Topham: Scientific Publishing and the Reading of Science in Nineteenth-Century Britain: A Historiographical Survey and Guide to Sources. In: Studies in History and Philosophy of Science 31 (2000), S. 559–612; Roland Wagner-Döbler/Jan Berg: Nineteenth-Century Mathe-matics in the Mirror of Its Literature: A Quantitative Approach. In: Historia Mathematica 23 (1996), S. 288–318.

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190 Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik

che und verlegerische, sondern auch staatliche Inter-essen miteinander verbinden.

Der Frage, welchen Entwicklungen und Verände-rungsprozessen die Beziehung zwischen einer Diszi-plin und ihren Verlegern in wirtschaftlichen Krisensi-tuationen ausgesetzt ist und welche Konsequenzen sich aus einer Veränderung der Produktionsbedingun-gen für die Wissenschaft einerseits und für die Verle-ger andererseits ergaben, gehen die folgenden Überle-gungen nach. Die Situation des wissenschaftlichen Verlags nach dem Ersten Weltkrieg Der ab der Reichsgründung 1871 durch schnell vor-anschreitende Forschungs- und Publikationstätigkeit aufblühende wissenschaftliche Buchmarkt mit konti-nuierlich steigenden Produktionszahlen im Buch- und Zeitschriftenbereich6 erlebte nach dem Ersten Welt-krieg einen rapiden Einbruch, von dem sich zahlrei-che Traditionsfirmen im Verlags- und Sortiments-buchhandel kaum oder nur schwer erholten.

Die Ursachen dafür waren vielfältig: Erstens wirk-ten sich die gegen die deutsche Wissenschaft gerich-teten internationalen Sanktionen der Siegermächte, aus denen eine Isolierung deutscher Wissenschaftler resultierte, auch auf die Verlage aus, denn besonders die auf Naturwissenschaften und Medizin speziali-sierten Verlage bedienten nicht nur den inländischen Absatzmarkt, sondern exportierten einen nicht gerin-gen Teil ihrer Produktion ins europäische Ausland und in die USA. Der Ausschluss deutscher Wissen-schaftler und wissenschaftlicher Gesellschaften aus Institutionen, Arbeitsgemeinschaften und Verbänden ließ internationale Kontakte nur unter schwierigen Umständen zu. Hauptträger des Boykotts der deut-schen Wissenschaft war der sog. Internationale For-schungsrat (Conseil international de recherches), die 1919 gegründete Nachfolgeorganisation der Inter-nationalen Assoziation der Akademien, die bis zum Weltkrieg als eine Art internationales Koordinie-rungsorgan der Wissenschaftsbeziehungen gedient hatte.7 Darüber hinaus trat der Effekt ein, wie Brigitte Schröder-Gudehus bemerkt hat, dass der Kriegs-schuldparagraph des Versailler Vertrags einen Keil zwischen die deutschen Wissenschaftler und ihre

——————— 6 Vgl. die Statistiken bei Barbara Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Georg Jäger in Verbindung mit Dieter Langewiesche und Wolfram Siemann. Band 1: Das Kaiserreich 1871–1918. Teil 2. Frankfurt a. M.: MVB 2003, S. 300–367. 7 Dazu am Beispiel der Physik: Gabriele Metzler: Internatio-nale Wissenschaft und nationale Kultur. Deutsche Physiker in der internationalen Community 1900–1960. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000.

Kollegen in den ehemaligen Feindstaaten trieb.8 Denn unabhängig von den möglichen Intentionen der Siegermächte nahmen viele Wissenschaftler außer-halb Deutschlands diesen Paragraphen sehr ernst und forderten sichtbare Zeichen der Reue und Sühne von ihren deutschen Kollegen. Im Laufe der 1920er Jahre normalisierte sich die Situation zwar, aber zum Bei-spiel konnten deutsche Mathematiker erst wieder 1928 in Bologna am Internationalen Mathematiker-Kongress teilnehmen.9

Zweitens verschärfte die Inflation die ohnehin komplizierte Situation. Eine angemessene staatliche Finanzierung von Forschung und Lehre war kaum zu leisten. Die Geldentwertung wirkte sich auch auf das Stiftungsvermögen von Akademien, wissenschaftli-chen Gesellschaften und Forschungsinstituten aus, die ihre Unterstützungsfunktionen nicht mehr auf-rechterhalten konnten. Betroffen waren außeruniver-sitäre Forschungseinrichtungen ebenso wie die Hoch-schulen und die wissenschaftlichen Bibliotheken, die zunächst mit Abbestellungen wissenschaftlicher Zeit-schriften reagierten.10 Der Kaufkraftschwund im stu-dentischen Publikum schlug sich vor allem auf dem Lehrbuchmarkt nieder. Trotz steigender Studieren-denzahlen unmittelbar nach dem Krieg,11 wodurch eine positive Stimulierung des Lehrbuchmarktes zu erwarten war, erfüllten sich die Hoffnungen der Ver-leger nicht. Die Nachfrage im Lehrbuchgeschäft war im Kaiserreich ein vergleichsweise gut zu kalkulie-render Bereich gewesen, dessen ökonomischer Ge-winn nicht selten zur Finanzierung spezialisierter Monographien diente. Der Verleger Friedrich Olden-bourg nannte noch 1931 verschiedene Gründe für die Erhöhung der Lehrbuchpreise gegenüber der Vor-kriegszeit: Umfangsvermehrung, bessere Ausstattung, geringere Auflagen, höherer Aufwand der Material-beschaffung.12 Von wissenschaftlicher Seite wurden angesichts der wirtschaftlichen Situation der Studie-——————— 8 Brigitte Schröder-Gudehus: Deutsche Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit 1914–1928. Ein Beitrag zum Studium kultureller Beziehungen in politischen Krisenzeiten. Genf: Dumaret & Golay 1966, S. 112f. 9 Vgl. Renate Tobies: Zur Unterstützung mathematischer Forschungen durch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissen-schaft im Zeitraum der Weimarer Republik. In: Mitteilungen der Mathematischen Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik (1981) 1, S. 82. 10 Vgl. Elke Behrends: Die Auswirkungen des Boykotts der deutschen Wissenschaft nach dem Ersten Weltkrieg auf das Refe-ratewesen: Die Reichszentrale für naturwissenschaftliche Bericht-erstattung. In: Fachschrifttum, Bibliothek und Naturwissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Christoph Meinel. Wiesba-den: Harrassowitz 1997, S. 58. 11 Vgl. Konrad H. Jarausch: Deutsche Studenten 1800–1970. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1984 (edition suhrkamp. 1258 = N.F. 258). 12 Vgl. Friedrich Oldenbourg: Zur Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Schrifttums. Sonderdruck aus dem Bbl. Nr. 81 vom 9.4.1931. Leipzig 1931, S. 11.

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Die Situation des wissenschaftlichen Verlags nach dem Ersten Weltkrieg 191

renden die Preiserhöhungen auf dem Lehrbuchmarkt besonders scharf kritisiert, und der Buchhandel wur-de aufgefordert, das Problem zu lösen.13 1922 wurde nach langen und überaus kontrovers geführten Dis-kussionen zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem Verlegerverein, dem Akademi-schen Schutzverein und dem Verband der Deutschen Hochschulen vereinbart, den so genannten »Hörer-schein« einzuführen, der es Dozenten erlaubte, auf der Grundlage von § 26 Verlagsrechtgesetz ihre Werke mit 25 Prozent Rabatt an ihre eigenen studentischen Hörer abzugeben.14

Im besonderen Fall der Mathematik kam folgen-des Problem als Drittes hinzu: Der schwierige ma-thematische Formelsatz, für den nur wenige deutsche Druckereien das erforderliche Typenmaterial besa-ßen, war besonders teuer und trieb so die Herstel-lungskosten nochmals in die Höhe. In der Denk-schrift über Die Not der deutschen Wissenschaft des Reichsministeriums des Innern für das Haushaltsjahr 1920 wurde festgestellt:

Für einen Band mathematischen Druckes z. B. verlangt heute ein Verleger 100 000 M Zuschuß, so daß der Forscher außer seiner Arbeit […] noch gewaltige Kosten aufzubringen hätte, wenn er die Ergebnisse seiner Forschung allgemein zugänglich machen wollte. Zeitschriften mathematischer Art bedürfen einer jährlichen Unterstützung etwa in derselben Höhe. […] In anderen Wissenschaften sind die erforderlichen Druckzuschüsse zwar nicht ganz so hoch, steigen aber auch ins Unerschwing-liche, besonders wenn etwa Zeichnungen und Ab-bildungen oder fremdsprachliche Typen den Gang der Untersuchungen erläutern müssen.15

Auch die Papierpreise waren nach dem Ersten Welt-krieg bis auf das 85-fache des Vorkriegsniveaus angestiegen, was sich sofort in Preiserhöhungen für Periodika niederschlug.16 Ebenso wie die Material-kosten stiegen die Lohntarife für Drucker und Setzer, gleichzeitig mangelte es aber an qualifizierten Ar-beitskräften:

——————— 13 Vgl. dazu ausführlich Ute Schneider: Der wissenschaftliche Verlag. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2: Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel. München: K. G. Saur 2007, S. 379–440. 14 Der »Hörerschein« existierte bis 2002. 15 Zitiert nach Kurt Zierold: Forschungsförderung in drei Epochen. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Geschichte – Ar-beitsweise – Kommentar. Wiesbaden: Franz Steiner 1968, S. 568. 16 Zur Entwicklung der Papierpreise bis 1922 vgl. die Anga-ben bei Silke Knappenberger-Jans: Verlagspolitik und Wissen-schaft. Der Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) im frühen 20. Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz 2001 (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft. 13), S. 410–413.

Für die Herstellung wissenschaftlicher Literatur sind nicht alle Werkdruckereien geeignet, ein ge-schultes Setzerpersonal mit mehrjähriger Erfah-rung muß vorhanden sein. Die Druckereien waren bis zum Sommer 1922 und sind es auch noch jetzt teilweise mit Aufträgen aus dem Auslande, beson-ders für Rußland, überhäuft; arbeitslose Setzer und Buchdrucker waren in den größeren Druckstädten wie Leipzig und Berlin und anderweitig nicht vor-handen.17

Eine Teillösung des Kapazitäts- und Personalpro-blems sollte die untertarifliche Beschäftigung von Setzern und Druckern für die Herstellung von Wer-ken und Zeitschriften sein, die von der Notgemein-schaft der Deutschen Wissenschaft gefördert wur-den.18 Den Einsatz von unerfahrenen Setzern lehnten wiederum die wissenschaftlichen Verleger ab, denn ein nicht exakt ausgeführter Satz führte zwangsläufig zu hohen Korrekturkosten und zur kaum vermeidba-ren Verärgerung auf Seiten der Autoren.19

Auch im Leipziger Verlag B. G. Teubner, der sich seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf ma-thematische Literatur spezialisiert hatte und seine Zeitschriften und Bücher in der für mathematischen Satz hervorragend ausgestatteten hauseigenen Dru-ckerei herstellte, stiegen die internen Kosten durch Lohnerhöhungen so an, dass er den Druck der Jahres-berichte der Deutschen Mathematiker-Vereinigung ohne Druckkostenzuschuss nicht fortsetzen konnte. Der Hallenser Mathematiker August Gutzmer (1860–1924) stellte im Februar 1919 hellsichtig fest, dies sei »bei Teubner nicht etwa allein so, sondern bei allen Verlegern und Druckern. Die Zustände drängen auf eine völlige Beseitigung des wissenschaftlichen Ver-lages hin; Deutschland, das Land der stärksten Bü-cherproduktion, kommt in der Kultur gewaltig zu-rück.«20 Gutzmer sprach hier bereits zwei Probleme im wissenschaftlichen Publikationswesen an, die in den folgenden Jahren zu zentralen Themen wurden: (1) die ökonomische Krise des wissenschaftlichen Verlags mit erheblichen Konsequenzen für die Wis-senschaftler und (2) der kulturelle Bedeutungsverlust des wissenschaftlichen Buches mit Konsequenzen für den Export deutscher Forschungsliteratur und damit deutscher Forschungsergebnisse ins Ausland.

——————— 17 Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit bis zum März 1922. Wittenberg: Herrosé & Ziemsen 1922, S. 23. 18 Bericht der Notgemeinschaft 1922, S. 22f. 19 Vgl. Zweiter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft umfassend ihre Tätigkeit vom 1. April 1922 bis zum 31. März 1923. Halle: Emil Wolff & Söhne 1923, S. 17. 20 August Gutzmer am 6.2.1919, Adressat ungenannt, ver-mutlich sein Kollege Adolf Krazer (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/20).

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192 Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik

Für die wissenschaftlichen Autoren wurde es zu-nehmend schwieriger, einen Verlag zu finden, dessen Finanzlage die Übernahme von hoch spezialisierten Manuskripten erlaubte. Die im Vergleich mit der Vorkriegszeit geringere Umschlagsgeschwindigkeit auf dem Gesamtmarkt führte zu einer stärkeren Kapi-talbindung im Verlagswesen, so dass »die Neigung der Verleger zu langsam absetzbaren oder sogar buchhändlerisch aussichtslos erscheinenden Werken, selbst beim besten Willen und bei allem Interesse für die Wissenschaft, nicht sehr groß sein kann.«21 Die Wissenschaft ist gerade bei Büchern, die keinen buchhändlerischen Erfolg versprechen, aber für die Forschung relevant sind, auf die Risikobereitschaft eines engagierten Verlegers angewiesen. Über den Erfolg oder Misserfolg eines wissenschaftlichen Werkes wird im Gegensatz zu belletristischen Wer-ken nicht auf dem Buchmarkt, sondern innerhalb der »scientific community« entschieden. Hohe Auflagen-zahlen sagen nicht zwangsläufig etwas über den wissenschaftlichen Wert eines Buches aus, hochprei-sige Werke, die in kleinen Auflagen nur in Fachbi- bliotheken zu finden sind, können für die Forschung bedeutender sein als gut verkäufliche Ware. Die spürbare Zurückhaltung der Verleger im Produkti-onsprozess hatte also zwangsläufig Auswirkungen auf die wissenschaftliche Kommunikation und damit auch auf den kollektiven Erkenntnisfortschritt. Den engen Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Kommunikation in Druckform und dem Gedeihen einer Disziplin betonten die Göttinger Mathematiker David Hilbert (1862–1943), Edmund Landau (1877–1938), Richard Courant (1888–1972) und Gustav Herglotz (1881–1953) 1930 ausdrücklich in ihrem Glückwunschschreiben an Ferdinand Springer zur Göttinger Ehrendoktorwürde:

Hätten Sie nicht nach dem Kriege in Ihrer gross-zügigen und weit ausblickenden Art sich in die Bresche gestellt, so wäre der mathematischen Lite-ratur in Deutschland durch das Versagen anderer Verleger ein tödlicher Schlag versetzt worden, der auch auf die Wissenschaft als solche unheilvolle Auswirkungen hätte haben müssen.22

Betroffen vom Produktionsrückgang bei der wissen-schaftlichen Literatur war insbesondere der wissen-schaftliche Nachwuchs, der sich mit Laufbahnschrif-ten wie Dissertationen oder Habilitationsschriften der öffentlichen Kritik von Fachkollegen unterziehen musste. Ein wenig florierendes Verlagswesen war für

——————— 21 Sechster Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft umfassend ihre Tätigkeit vom 1. April 1926 bis zum 31. März 1927. o. O. 1927, S. 16. 22 Hilbert, Courant, Landau und Herglotz an Springer, 30.1.1930 (Heidelberg, Verlagsarchiv Springer, FS 31.2).

den individuellen Wissenschaftler ebenso ein Pro-blem wie für die ganze Gemeinschaft:

Die Schichten unseres Volkes, welche den Zu-wachs zu dem deutschen Gelehrtenstande brach-ten, waren in den Jahren vor dem Krieg auch zu-meist in der Lage, hierzu die Mittel aufzubringen. Nachdem die Inflation die Grundlagen für solche Hilfen vernichtet hat, sind gerade die jungen Ge-lehrten sehr oft nicht mehr imstande, ihre Arbei-ten, mit denen sie den Nachweis ihres Könnens erbringen wollen, zu veröffentlichen, zumal auch die gegenüber den Vorkriegsjahren wirtschaftliche äußerst bedrängte Lage des wissenschaftlichen Verlagsbuchhandels es dem Verleger in der größ-ten Zahl der Fälle unmöglich macht, wissenschaft-liche Veröffentlichungen ohne Zuschuß herauszu-bringen.23

Reputationsverlust als Folge ökonomischer Probleme? Reputationsverlust als Folge ökonomischer Probleme? Die Ablösung B. G. Teubners durch Julius Springer auf dem mathematischen Buchmarkt Der anfangs zitierte Berliner Verleger Ferdinand Springer, der seine Verlagsproduktion ohne Druck-kostenzuschüsse finanzierte, war mit seinem Vetter Julius Springer d. J. (1880–1968) in dritter Genera-tion Inhaber der traditionsreichen und hoch angese-henen Verlagsbuchhandlung Julius Springer. Nach dem Tod des Verlagsgründers Julius Springer (1817–1877) hatten seine Söhne Fritz Springer (1850–1944) und Ferdinand Springer d. Ä. (1846–1906) den Ver-lag insbesondere auf den Gebieten der Ingenieurwis-senschaften ausgebaut. Sie galten seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts außerdem als hoch spezialisierte Verleger für Medizin. 1907 übernahmen ihre Söhne Ferdinand und Julius die Verlagsleitung.24 In der Weimarer Republik wurde der Verlag durch die Initi-ative von Ferdinand Springer d. J. zudem zum wohl bedeutendsten (internationalen) Verlagsunternehmen für Mathematik. Vor dem Krieg war der Leipziger Verlag B. G. Teubner nach der Anzahl der publizier-ten Titel ebenso wie nach der Reputation seiner Au-toren unangefochten der herausragende für Mathema-tik.25 Vor allem der Verlagsleiter Alfred Ackermann-

——————— 23 Achter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wis-senschaft umfassend ihre Tätigkeit vom 1. April 1928 bis zum 31. März 1929. o. O. 1929, S. 36. 24 Zur Verlagsgeschichte des Hauses Springer vgl. Sarkowski: Der Springer Verlag. 25 Vgl. Ute Schneider: Mathematik im Verlag B. G. Teubner – Strategien der Programmprofilierung und der Positionierung auf einem Teilmarkt während des Kaiserreichs. In: Wissenschaftsver-lage zwischen Professionalisierung und Popularisierung. Hrsg. von

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Reputationsverlust als Folge ökonomischer Probleme? 193

Teubner (1857–1940), der lange Jahre Schatzmeister des Berufsverbandes der Mathematiker, der Deut-schen Mathematiker-Vereinigung (DMV), gewesen war, hatte dieses Verlagssegment intensiv betreut und persönliche, teilweise freundschaftliche Kontakte zu den bedeutendsten Fachvertretern wie den Göttinger Mathematikern Felix Klein (1849–1925) und David Hilbert gepflegt. Ackermann-Teubners Engagement war zu verdanken, dass der Verlag die erste Adresse der Mathematiker war, wenn sie einen Publikations- ort suchten.26 Diese Position konnte und wollte der Verlag nach dem Krieg nicht mehr verteidigen. Schon 1916 war Alfred Ackermann-Teubner aus der Geschäftsleitung ausgeschieden. An seine Stelle trat sein Vetter Konrad Giesecke-Teubner (1878–1931), der den Verlag stärker als Schulbuchverlag profilieren wollte, schien doch dieser Programmzweig in wirt-schaftlich schwierigen Zeiten stabiler und damit luk-rativer zu sein als das Verlegen mathematischer und technischer Werke. Tatsächlich war die stetige Förde-rung der Mathematik durch Ackermann-Teubner verlagsintern bereits vor dem Krieg nicht ohne Wider-spruch geblieben, denn Gutzmer wusste im Oktober 1916 zu berichten, Ackermann-Teubner habe seit Jahren »mit seinen Vettern und Sozien eigentlich nur noch durch den Rechtsanwalt verkehren« können. So dürften die Mathematiker nicht »verhehlen, dass der Verlag sich mehr und mehr von der Mathematik ab-wenden wird; seit längerer Zeit ist nach dieser Seite schon abgebaut worden.«27

Um diese Lücke zu schließen, stand Ferdinand Springer bereit, der, wie auch die G. J. Göschen’sche Verlagshandlung,28 schon vor Kriegsausbruch ver-sucht hatte, seinen Einstieg ins mathematische Ver-lagssegment massiv voranzutreiben. Sein Vater und sein Onkel, Ferdinand d. Ä. und Fritz Springer, hat-ten schon seit den 1880er Jahren kontinuierlich, aber wenig aussichtsreich darauf hingewirkt, renommierte Mathematiker an ihr Haus zu binden.29 Die Affinität Monika Estermann und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2007, S. 129–145 (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens. 41). 26 Vgl. zur Verlagsgeschichte die Festschrift: B. G. Teubner 1811–1911. Geschichte der Firma, in deren Auftrag hrsg. von Friedrich Schulze. Leipzig: B. G. Teubner 1911, sowie zum ma-thematischen Programm auch: Friedrich Wille: Die Mathematik im Verlag B. G. Teubner. In: Wechselwirkungen. Der wissenschaftli-che Verlag als Mittler. 175 Jahre Teubner 1811–1986. Stuttgart: Teubner 1986, S. 29–72. 27 Gutzmer am 15.10.1916, Adressat ungenannt, vermutlich sein Kollege Adolf Krazer oder Ludwig Kiepert (Freiburg, Univer-sitätsarchiv, E4/17). 28 Seit 1911 war Walter de Gruyter Gesellschafter der Gö-schen’schen Verlagshandlung, ab 1919 firmierte sie unter dem Dach der Vereinigung Wissenschaftlicher Verleger, die 1922 in Verlag Walter de Gruyter umbenannt wurde. 29 Dazu siehe Peter Ullrich: Wie Karl Weierstraß und Her-mann Amandus Schwarz zum Springer Verlag kamen. In: DMV-Mitteilungen (2000) 1, S. 38–42.

Fritz Springers zur Mathematik basierte auf seinem Studium. Er hatte am Polytechnikum in Karlsruhe Maschinenbau studiert und dort Vorlesungen beim Mitbegründer des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), Franz Grashof (1826–1893), gehört. Über Grashof kam später auch der enge Kontakt des Verlags zum VDI zustande, dessen Zeitschrift lange Jahre bei Springer herauskam.30 Franz Grashof war der promi-nenteste Vertreter des theoretischen Maschinenbaus, der »besonders in der Mathematik die Leitdisziplin für die Entwicklung der Technik zur Wissenschaft sah«.31 Sein »methodisches Werkzeug war die analy-tische Rechnung, wobei er einen für die damalige Zeit großen mathematischen Aufwand betrieb. […] Wie in seinen literarischen Arbeiten setzte er auch in seinen Lehrveranstaltungen ganz auf die analytische, ma-thematische Behandlung des Maschinenbaus.«32 Fritz Springers Ambitionen auf mathematischem Verlags-gebiet entsprangen möglicherweise dieser wissen-schaftlichen Ausbildung und der Hoffnung, mit der Mathematik als Leitdisziplin zugleich ein prestige-trächtiges Gebiet zu erobern. Gegen die große, bereits etablierte Konkurrenz von B. G. Teubner und dem Berliner Georg Reimer Verlag, der seit 1886 Kom-missionsverlag der Preußischen Akademie der Wis-senschaften war und ebenfalls mathematische Bücher sowie bis 1896 den Jahresbericht der DMV heraus-brachte, hatte der Springer Verlag jedoch keinen durchschlagenden Erfolg und konnte nur wenige mathematische Titel verlegen.

Als Antrieb für den über Jahrzehnte konstant ver-folgten Plan, die Mathematik neben Medizin und Technik, insbesondere Elektrotechnik, zum weiteren Programmschwerpunkt aufzubauen, obwohl sie vor-dergründig – zum Beispiel im Vergleich mit der Medizin – ein niedrigpreisiges und nur einen kleinen Absatzmarkt umfassendes Segment war, mag für die nächste Generation auch folgende verlegerische Stra-tegie entscheidend gewesen sein: Im auf Technik und Ingenieurwissenschaften konzentrierten Verlagspro-gramm war zunächst die (angewandte) Mathematik eine willkommene Ergänzung, die den schon er-schlossenen und durch neue Berufssparten zukünftig sicher weiter expandierenden Absatzmarkt der Tech-niker und Ingenieure auch mit den erforderlichen mathematischen Büchern versorgen konnte. Hier-durch ließ sich also die Kundenbindung relativ ein-fach intensivieren.

Ferdinand Springer d. J. ging nun zielstrebig vor und gewann die tatkräftige Unterstützung des jungen, ——————— 30 Zu den weiteren VDI-Verlags-Beziehungen vgl. Sar-kowski: Der Springer Verlag, S. 96–99. 31 Wolfgang König: Künstler und Strichezieher. Konstrukti-ons- und Technikkulturen im deutschen, britischen und französi-schen Maschinenbau zwischen 1850 und 1930. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1999 (stw 1287), S. 35. 32 König: Künstler und Strichezieher, S. 30.

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bei Siemens tätigen Privatdozenten der Mathematik Leon Lichtenstein (1878–1933). Dieser initiierte eine neue Fachzeitschrift, die Mathematische Zeitschrift, brachte sie ab 1917 bei Springer heraus und beriet den Verleger auch bei der inhaltlichen Planung eines neu aufzubauenden mathematischen Programmbe-reichs.33 Mit Gründung der Mathematischen Zeit-schrift mitten im Krieg wurde nun ein neues Organ geschaffen, das der Mathematikergemeinschaft drin-gend benötigte Publikationsmöglichkeiten zur Verfü-gung stellte, zumal die zu dieser Zeit bedeutendste mathematische Zeitschrift in Deutschland, die 1868 gegründeten, bei Teubner erscheinenden Mathemati-schen Annalen, während des Kriegs nicht mehr re-gelmäßig herauskam.34

Ein deutliches Signal für den Positionsverlust Teubners im mathematischen Feld war in der Folge der Übergang der Mathematischen Annalen von Teubner an den Springer Verlag 1919/20. Dass der Kommunikationsprozess in einer Disziplin, gerade in wirtschaftlich brisanten Zeiten, in nicht geringem Maß vom Engagement des Verlegers abhängt, wird hier besonders gut deutlich. Unmittelbar nach Kriegs-ende wurde vom Herausgebergremium (Felix Klein, David Hilbert, Walther von Dyck und Otto Blumen-thal) die regelmäßige Fortführung dieser so wichti-gen Zeitschrift und zudem eine Umfangsvermehrung beim Teubner Verlag dringend eingefordert, zumal schon 1916/17 das Gerücht kolportiert wurde, Teub-ner wolle sich aus dem mathematischen Buchmarkt-segment zurückziehen, was zunächst durch die neue Geschäftsleitung vehement bestritten wurde.35 Tat-sächlich bestätigten sich die Gerüchte alsbald. Der Rückzug Teubners bedeutete in der wirtschaftlich prekären Lage des Verlagswesens für die Disziplin einen »empfindlichen Schlag«36, denn einen anderen Verleger zur Übernahme risikoreicher Verlagsprojek-te zu bewegen, hätte zumindest erhebliche Verzöge-rungen in der Publikationspraxis nach sich gezogen.

Ferdinand Springer hatte durch die Vermittlung der Physiker Max Born (1882–1970) und Arnold Berliner (1862–1942), der nicht nur Herausgeber der Springer-Zeitschrift Die Naturwissenschaften, son-dern auch sein Berater in Physik und Mathematik

——————— 33 Dazu siehe Volker R. Remmert/Ute Schneider: »Ich bin wirklich glücklich zu preisen, einen solchen Verleger-Freund zu besitzen.« Aspekte mathematischen Publizierens im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: DMV-Mitteilungen 14 (2006) 4, S. 196–205. 34 Bei Teubner erschien Band 77 im Jahr 1916, Band 79 erst 1919, Band 80 1921. Bereits 1920 erschien der 81. Band bei Springer. 35 Vgl. das Schreiben des Verlags an Friedrich Engel vom 5.9.1917 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120228). 36 Gutzmer am 15.10.1916, Adressat ungenannt, vermutlich sein Kollege Adolf Krazer oder Ludwig Kiepert (Freiburg, Univer-sitätsarchiv, E4/17).

war, neben Leon Lichtenstein einen weiteren jungen Mathematiker als Berater für seinen Verlag gewinnen können, nämlich Richard Courant (1888–1972), den jungen Göttinger Privatdozenten und Schwiegersohn des ebenfalls in Göttingen lehrenden Mathematik-Professors Carl Runge (1856–1927).37 Die Verbin-dung zu Courant und damit ins Göttinger Zentrum der Mathematik war für Springer besonders frucht-bringend, und er nutzte die Chancen, die sich aus der zögerlichen Haltung Teubners ergaben. Das Mathe-matische Institut der Universität Göttingen hatte es schon im 19. Jahrhundert durch eine Reihe illustrer Mathematiker wie etwa Carl Friedrich Gauß (1777–1855), P. G. L. Dirichlet (1805–1859) und Bernhard Riemann (1826–1866) zu Weltruhm gebracht. Doch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der 1886 nach Göttingen berufene, herausragende Geo-meter Felix Klein mit ungeheurem organisatorischen Geschick und großer Energie den systematischen Ausbau Göttingens zu einem nationalen Zentrum der Mathematik, das bald Berlin überstrahlte.38 Insbe-sondere die Berufung des überragenden Mathemati-kers und einflussreichen Lehrers David Hilbert im Jahr 1895 führte das Göttinger Institut zu ungeahnten Höhen, die seinen Ruf als internationales Mekka der Mathematik begründeten.39 Der Mathematiker Her-mann Minkowski (1864–1909) hat seinen Freund Hilbert im Juli 1900 in einem Brief als »Generaldi-rektor« bezeichnet, der »die Mathematik für das 20te Jahrhundert in Generalpacht genommen« habe.40 In Analogie dazu ist Klein von dem Historiker Herbert Mehrtens als »leitender Manager« charakterisiert worden.41

Courant, der in engem Kontakt zu Hilbert und Klein als führenden Repräsentanten der Göttinger Mathematik stand, hatte Ferdinand Springer 1919 auf die Probleme im Hause Teubner im Vertrauen auf-merksam gemacht:

Soweit ich unterrichtet bin, hat die Annalenredak-tion an Teubner eine Art von, allerdings nicht be-fristetem, Ultimatum gestellt, wonach Teubner

——————— 37 Vgl. Frank Holl: Produktion und Distribution wissenschaft-licher Literatur. Der Physiker Max Born und sein Verleger Ferdi-nand Springer 1913–1970. In: AGB 45 (1996), S. 61. 38 Vgl. David E. Rowe: Episodes in the Berlin-Göttingen Rivalry, 1870–1930. In: The Mathematical Intelligencer (2000), S. 60–69. 39 Dazu siehe Herbert Mehrtens: Moderne Sprache Mathema-tik. Eine Geschichte des Streits um die Grundlagen der Disziplin und des Subjekts formaler Systeme. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1990, passim; David E. Rowe: Making Mathematics on an Oral Culture: Göttingen in the Era of Klein and Hilbert. In: Science in Context 17 (2004), S. 85–129. 40 Minkowski an Hilbert, 28.7.1900, in: Lily Rüdenberg/Hans Zassenhaus (Hrsg.): Hermann Minkowski: Briefe an David Hil-bert. Berlin usw.: Springer 1973, S. 129–131, Zit. 130. 41 Mehrtens: Moderne Sprache Mathematik, S. 108 und 206.

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sich verpflichten sollte, die Annalen wieder mit einer festgesetzten Mindestzahl von Heften u.s.w. herauszugeben, widrigenfalls man sich einen an-deren Verlag suchen würde. Teubner hat sich Be-denkzeit erbeten. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen, meines Wissens ist auch noch keine Antwort von Teubner da. Ich glaube nicht, dass er so dumm sein wird, die Annalen aus der Hand zu geben. Sollte dies trotzdem geschehen, so wird es natürlich für Sie eine wichtige Frage sein, ob sie in die Krise aktiv eingreifen wollen oder nicht. Im ersteren Falle werde ich Ihnen hier gern behilflich sein, soweit dies angeht.42

Ferdinand Springer griff sofort ein und konnte sich dabei der Unterstützung der Göttinger Mathematiker gewiss sein. Durch Courants fruchtbare Vermittler-rolle hatte er Zugriff auf das ungeheure Göttinger Publikationspotential und konnte dadurch seinen lange gehegten Plan, die Mathematik in sein Ver-lagsprogramm einzubinden, endlich umsetzen.

Die Auseinandersetzungen zwischen Teubner und den Herausgebern der Annalen dokumentieren einer-seits die Abhängigkeit der Wissenschaft vom Verle-ger, andererseits aber auch die des Verlags von der Wissenschaft. Konrad Giesecke-Teubner hatte ge-genüber den Herausgebern der Annalen argumentiert, dass »wir in früheren Jahren immer wieder uns bereit gefunden, die Erträgnisse der philologischen Ver-lagsabteilung dem mathematischen Verlage zukom-men zu lassen, ohne die sein Fortbestehen schon längst nicht mehr möglich gewesen wäre.«43 Die Behauptung, nur der gute Absatz der philologischen Werke habe die kontinuierliche Pflege des mathema-tischen Programmteils durch Quersubventionierung möglich gemacht, ist wegen fehlenden Quellenmate-rials nicht zu überprüfen, aber dass die renommierten Annalen bereits vor dem Krieg keinen größeren Ge-winn abwarfen, wird durch ein Schreiben Alfred Ackermann-Teubners an David Hilbert aus dem Jahr 1910 bestätigt. Im Hinblick auf die Autorenhonorare erklärte der Verleger:

Wie ich Ihnen schon in Königsberg mitteilte, ba-lancieren die Annalen gerade, d. h. der eine Band bringt einen geringen Ueberschuss, der andere wieder Verluste. Ich dachte, mit dieser Auskunft sei diese Angelegenheit erledigt. Zufolge Ihres Schreibens macht es mir aber doch den Eindruck, dass Ihnen andere Hilfsmittel als die Verlagsbuch-handlung nicht zur Verfügung stehen und so muss ich mich wohl oder übel mit Ihrem Wunsche ein-verstanden erklären, im Hinblick darauf, dass die

——————— 42 Courant an Springer am 18.10.1919 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 43 Konrad Giesecke an Felix Klein am 4.4.1919 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120235A).

›mathematischen Annalen‹ zu meinen vornehm- sten Verlagsunternehmungen gehören. In einem anderen Falle würde ich sonst gewiss nicht so ent- gegenkommen.44

Ackermann-Teubner war im Gegensatz zu seinem Nachfolger allerdings noch bereit, gewisse finanziel-le Opfer zu bringen, zumal die Annalen zu seinen prestigeträchtigsten Verlagsprojekten gehörten und es daher für den Verlag wichtig war, solche Publika-tionen auch ohne finanziellen Gewinn weiterzufüh-ren. Durch die damit verbundene Reputation konnte der Verlag Autoren gewinnen, die beispielsweise auch als Lehrbuchautoren zur Verfügung standen und so ökonomisch lukrativere Bücher schrieben. Nicht ohne Grund galt der Verlag Teubner kurz vor dem Ersten Weltkrieg als »Heimstätte der deutschen Ma-thematik«.45 Diese Mischkalkulation kam für Giesecke-Teubner nicht mehr in Frage. Er wandte der Mathematik den Rücken zu und fiel damit für neue mathematische Verlagsprojekte aus, womit un-mittelbar der Positionsverlust des Verlags im mathe-matischen Feld einherging. Altverleger Ackermann-Teubner stand die kommende Entwicklung ganz deutlich vor Augen: »Ich glaube fast, dass der Ver-lust dieses Ansehens dem Verlag viel teurer zu ste-hen kommt. Der Verlust der Annalen ist ein überaus beklagenswerter, der Firma Springer ist ein Geschenk des Himmels in den Schoss gefallen, sie ist über Nacht in der Tat zu einer Weltfirma geworden.«46

Dass Springer später zu einer Weltfirma wurde, ist nicht allein auf die Übernahme der Annalen zurück-zuführen, aber die andauernden Kontroversen zwi-schen Wissenschaftlern und Teubner waren doch zündend, denn Ferdinand Springer konnte schon im November 1919 an Courant berichten:

Zur Zeit weiss ich mich vor dem Ansturm an ma-thematischen Angeboten kaum zu retten, – kaum ein Tag vergeht ohne Angebot. Meist handelt es sich um Unternehmungen, die entweder bereits früher in mehreren Auflagen bei Teubner erschie-nen oder von diesem wenigstens vertraglich über-nommen waren. Zum Teil sind es auch sicher wert-volle, aber ganz schwere wissenschaftliche Mono-graphien mit kleinem Abnehmerkreis. Es ist sehr schwer, hier eine Stellung einzunehmen, die bei aller Rücksicht auf die ideelle Seite doch auch den materiellen Gesichtspunkt nicht ausser acht lässt.47

——————— 44 Ackermann-Teubner an Hilbert am 29.11.1910 (NSUB Göttingen, Cod. Ms. D. Hilbert 403, Nr. 23). 45 Aus der Grußadresse der DMV zum 100. Verlagsjubiläum; zitiert nach: Die Hundertjahrfeier der Firma B. G. Teubner. Leip-zig 3. und 4. März 1911, S. 26. 46 Ackermann-Teubner an Engel am 30.1.1920 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120245). 47 Ferdinand Springer an Richard Courant am 18.11.1919 (Hei-delberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I).

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Bei der kollektiven Enttäuschung der Mathematiker durch den Teubner Verlag werden die an den Verle-ger Springer gerichteten Erwartungen der Wissen-schaftler besonders gut deutlich, und zwar Erwartun-gen, die über seine reine Dienstleistungsfunktion weit hinausgehen.

Alfred Ackermann war als Schatzmeister ein ge-achtetes Mitglied der DMV, was ihm nicht nur Kon-takte, sondern auch Geschäftsvorteile einbrachte, und ein von der Mathematikergemeinschaft anerkannter Verleger gewesen. Sein Nachfolger Konrad Giesecke »erfreut sich aber gar keiner Sympathien in dem Kreise unserer Fachgenossen, weil man in ihm den neuen Geist der Firma erblickt, der sich von der alten Vornehmheit abwendet und in erster Linie das ge-schäftliche Interesse im Auge hat«.48 Der Hinweis auf die »alte Vornehmheit« in positiv konnotierter Abgrenzung zum »neuen Geist« der Verleger ist vor dem Hintergrund der deutschen verlegerischen Tradi-tion zu verstehen. Das tradierte Standesethos des bürgerlichen Verlegers verlangte, im Verlag nicht nur eine Firma, ein Geschäft, sondern vor allem eine Bildungsinstitution zu sehen, und diese Vorstellung vom idealen Verleger wurde auch und gerade in Wissenschaftskreisen des 19. Jahrhunderts aufge-nommen. Der Verleger gehörte zwar dem Unterneh-mertum an, teilte in seiner Wertorientierung jedoch meist bildungsbürgerliche Vorstellungen. Wie Helen Müller am Beispiel des Berliner Verlegers und Sprin-ger-Konkurrenten Walter de Gruyter (1862–1923) überzeugend belegen konnte, war die Vorstellung, dass ein Wissenschaftsverleger den Wert seiner Pro-duktion »lediglich an Marktchance und Kapitalrech-nung«49 maß, völlig ausgeschlossen. Die für beide Seiten erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Autor und Verleger gründete auf ähnlichen oder gemeinsa-men Überzeugungen von der (gesellschaftlichen) Bedeutung ihres Handelns, dies konnte bis hin zur politischen Einstellung reichen.50 Diese gemeinsame Basis, die Ackermann-Teubner mit seinen Autoren verband, wurde von seinem Nachfolger Giesecke nicht gepflegt, und so waren die Autoren nicht bereit, das notwendige Vertrauen auf ihn zu übertragen.

Springer hingegen nahm durchaus Rücksicht auf die »ideelle Seite« – aus verlegerischer Taktik oder aus derselben Überzeugung wie sein Onkel, mit der Mathematik eine wissenschaftliche Leitdisziplin in

——————— 48 Gutzmer am 13.12.1919, Adressat unbekannt (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/21). 49 Vgl. zu diesem Aspekt ausführlich Müller: Wissenschaft und Markt um 1900, hier besonders S. 61. 50 Vgl. Helen Müller/Gangolf Hübinger: Politische, konfessi-onelle und weltanschauliche Verlage im Kaiserreich. In: Geschich-te des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Band 1: Das Kaiserreich 1871–1918, Teil 1. Hrsg. von Georg Jäger in Verbindung mit Dieter Langewiesche und Wolfram Siemann. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 2001, S. 347–405.

sein Haus zu holen. Ferdinand Springer d. J. verkör-perte damit den Mathematikern gegenüber den ad-äquaten neuen Ansprechpartner, der der jungen Ma-thematikergeneration gleichaltrig war. Auch wenn Ferdinand Springer nicht mehr der alten bürgerlichen Verlegergeneration angehörte, die sich nach ihrem Standesethos primär eine Bildungsfunktion im geisti-gen Leben Deutschlands mit entsprechenden Wert-vermittlungsambitionen auf ihre Fahnen geschrieben hatte, so war er doch in einem liberal-bürgerlichen Familienunternehmen51 mit entsprechender Werte-orientierung sozialisiert worden und entwickelte daraus anscheinend ein Gespür auch für die irrationa-len Aspekte der Autor-Verleger-Beziehung.

Einerseits befanden sich die Autoren zwar in der Notlage, ihre Manuskripte zum Druck bringen zu wollen, denn die Eröffnung neuer, innerdisziplinärer Arbeitsfelder und damit die weitere Binnendifferen-zierung der Mathematik als akademischer Disziplin musste sich in adäquaten Lehrbüchern und anderen Publikationen niederschlagen. Andererseits musste Springer erst das Vertrauen der Autoren dauerhaft gewinnen, um zukünftig auch unter dem »materiellen Gesichtspunkt« erfolgreich zu wirtschaften. Zur »ideellen Seite« der Springerschen Verlagsstrategie zählte auch die Publikation von Felix Kleins Gesam-melten Abhandlungen, die Springer 1919 von dessen Neffen, dem Braunschweiger Mathematikprofessor Robert Fricke, angeboten wurden. Klein war, wie erwähnt, ein weit über die Grenzen Deutschlands hinaus anerkannter und tätiger Wissenschaftler, der sich zugleich als Wissenschaftsorganisator einen Namen gemacht hatte. Robert Fricke hatte Springer mitgeteilt, die »Göttinger Vereinigung zur Förderung der angewandten Mathematik und Physik« habe zugesagt, einen großzügigen Druckkostenzuschuss für die Abhandlungen zur Verfügung zu stellen. Zu-nächst war Springer trotz der in Aussicht gestellten Gelder außerordentlich skeptisch:

Grundsätzlich habe ich wohl große Neigung, Ih-rem Vorschlage zu folgen. Ich schätze jedoch die Herstellungskosten von 120 Bogen mathemati-schen Satz unter den heutigen Verhältnissen auf mehr als 100.000 Mark. Demgegenüber würde ein Zuschuß von M. 20.000.– noch keineswegs er-möglichen, den Preis für die Abhandlungen so niedrig zu halten, dass auch der minderbemittelte Mathematiker sich die Anschaffung leisten kann. Hierin sehe ich zunächst eine fast unüberwindliche Schwierigkeit [...].52

——————— 51 Zum Verleger als Bürger vgl. Georg Jäger: Die Verleger-persönlichkeit – ideelle Interessen, wirtschaftliche Erfolge, soziale Stellung. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1, Teil 1, S. 216–244. 52 Ferdinand Springer an Robert Fricke am 17.11.1919 (Heidel-berg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], K 121, I).

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Springer beriet sich darüber mit Leon Lichtenstein und nahm schließlich das Angebot an, und zwar auf sein »alleiniges Risiko«, denn die mit den Abhand-lungen für seinen Verlag verbundene Reputation schien ihm hoch: »Wenn ich als Verleger das Risiko alleine auf mich nehme, so nehme ich auch die Ehre hierfür nach außen hin in Anspruch und teile sie mit niemandem, der auf sie keinen berechtigten An-spruch erwerben kann.«53

Die Bemühungen Springers um die Mathematik, die mit der Übernahme der Annalen, der unter schwie-rigen Umständen begonnenen Publikation von Felix Kleins Gesammelten Abhandlungen und der Heraus-gabe der durch Richard Courant 1919/20 gegründe-ten Grundlehren-Reihe erste Erfolge brachten, trugen bald weitere Früchte, denn 1923 fragte Max Born bei Ferdinand Springer an, ob er die bis dahin bei Teub-ner erscheinende, noch nicht abgeschlossene Gauß-Ausgabe der Göttinger Akademie der Wissenschaften ebenfalls übernehmen wolle.54 Die zukünftige Aka-demie-Anbindung mit potentiell weiteren Publikati-onsaufträgen war für den Verleger sicherlich ein attraktives Argument bei der Übernahme, denn der Absatz der Ausgabe verlief eher schleppend. Der bis dahin zuständige Teubner-Verleger Konrad Giesecke hatte die »ideelle Seite« völlig außer acht gelassen und an Felix Klein geschrieben, dass die bereits vor-liegenden Bände der Gauß-Ausgabe »nach jetzigem Vorrat und dem Absatz der letzten Jahre noch mehre-re Jahrhunderte ohne Aussicht auf Verwendung«55 lagerten und man sie daher makulieren wolle. Die Entrüstung der Mathematiker über dieses verlegeri-sche Ansinnen führte geradewegs zu Konkurrenz, zu Springer, der sich nicht nur zur Weiterführung der Ausgabe bereit erklärte, sondern darüber hinaus auch prüfen wollte, ob er der Kaestner’schen Druckerei in Göttingen, die die Drucklegung ausführte, finanzielle Unterstützung zum Kauf von fehlendem Typenmate-rial für den mathematischen Satz gewähren könne.56 Ebenso bereitwillig ließ sich Springer auf die Hono-rarzahlungen für die an der Ausgabe beteiligten Ma-thematiker ein. Born hatte argumentiert, die wirt-schaftliche Situation der Autoren mache es erforder-lich, dass sie einen

beträchtlichen pekuniären Gewinn von ihrer Ar-beit haben, weil […] sonst von ihnen nicht erwar-tet werden [kann], daß sie die Arbeit an Gauß’ Werken vor anderen Arbeiten vorziehen. Bisher

——————— 53 Ferdinand Springer an Robert Fricke am 3.2.1920 (Heidel-berg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], K 121, I). 54 Dazu siehe Holl: Produktion und Distribution wissen-schaftlicher Literatur, S. 118f. 55 Konrad Giesecke an Felix Klein, 4.4.1919 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120235A). 56 Vgl. Ferdinand Springer an Max Born am 5.7.1923 (Hei-delberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], G 20).

zahlte die Gesellschaft der Wissenschaften die Ho-norare nachträglich aus dem Erlös des Verkaufs. Auf diese Weise bekamen die Autoren das Geld spät und entwertet in die Hände. Darin wäre es mir lieb, wenn jetzt die Honorarfrage gleich in dem Kontrakt mit Ihnen so geregelt würde, dass Sie vermöge Ihrer Kapitalkraft einen Teil des Hono-rars im Voraus auszahlen könnten.57

Springer akzeptierte in relativ kurzer Zeit alle Wün-sche und Vorgaben der Akademie. Durch die engen Kontakte zu Göttinger Mathematikern erschloss er sich, das finanzielle Risiko nicht scheuend, das Zent-rum im mathematischen Feld.

Als Begründung, weshalb die Firma Springer im Gegensatz zu vielen anderen Verlagen gleich nach dem Krieg stark expandieren konnte (sie kaufte auch etliche medizinische Zeitschriften von de Gruyter), führte Konkurrent Giesecke-Teubner die noch unbe-wiesene Behauptung an, dass »sie eben doch wäh-rend des Krieges infolge des starken Absatzes der technischen Literatur ausserordentliche Erträgnisse gehabt hat«58 und daher sei »die Einwendung, was die Firma Springer könne, müssten wir doch auch können, […] vollständig unhaltbar«.59 Unabhängig von den Gründen für die Springerschen Expansions-möglichkeiten, ob aufgrund von Kreditaufnahmen60 oder Profiten aus der technikwissenschaftlichen Buch-produktion während des Krieges, hat Thorsten Grie-ser errechnet, dass Springer im Vergleich mit der gesamtdeutschen Buchproduktion überdurchschnitt-lich viele Titel auf den Markt brachte.61 Selbst nach der Währungsreform im November 1923, als der deutsche Buchmarkt erneut einbrach, konnte Sprin-ger seine Gesamttitelproduktion noch leicht steigern und sein jährliches Volumen vor der Weltwirt-schaftskrise bis auf 500 Publikationen erhöhen. Die Spitzenstellung Springers im wissenschaftlichen Buch-markt zog allerdings im Laufe der 1920er Jahre auch mehr und mehr Kritik von Wissenschaftsseite mit sich.

——————— 57 Max Born an Ferdinand Springer am 15.7.1923 (Heidel-berg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], G 20). 58 Giesecke-Teubner an Otto Blumenthal am 15.9.1920, (Durchschlag des Briefes, NSUB Göttingen, Cod. Ms. D. Hilbert 403, Beilage 2/1). 59 Giesecke-Teubner an Friedrich Engel am 16.1.1920 (Gie-ßen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120244). 60 Dies vermutet vorsichtig Thorsten Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation. In: AGB 51 (1999), S. 161. 61 Vgl. die Tabelle, Abb. 14, bei Grieser: Inflation, S. 161.

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198 Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik

Die Förderpolitik der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im mathematischen Publikationswesen Die anscheinend relativ komfortable Lage des Sprin-ger Verlags darf über die grundsätzlichen Probleme des mathematischen Publikationswesens zu Beginn der 1920er Jahre nicht hinwegtäuschen. 1920 wurde unter staatlicher Bezuschussung von 20 Millionen Mark die Notgemeinschaft der Deutschen Wissen-schaft gegründet mit dem Ziel, durch finanzielle Un-terstützung »die der deutschen wissenschaftlichen For-schung durch die gegenwärtige wirtschaftliche Notla-ge erwachsene Gefahr völligen Zusammenbruchs ab-zuwenden«.62 Vertreten waren die deutschen Akade-mien der Wissenschaften, die Universitäten und Tech-nischen Hochschulen, die Kaiser-Wilhelm-Gesell-schaft, der Verband technisch-wissenschaftlicher Ver-eine und die Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte. Die Notgemeinschaft vergab Forschungsstipen-dien, unterstützte wissenschaftliche Einzelforschung sowie Forschergruppen, förderte Bibliotheksetats und vergab Druckkostenzuschüsse zu wissenschaftlichen Publikationen.

Die deutschen Mathematiker waren in der Notge-meinschaft gut repräsentiert, weil der Münchner Ma-thematiker Walther von Dyck (1856–1934), ein Schü-ler Felix Kleins, erster Stellvertreter des Präsidenten, des Staatsministers Friedrich Schmidt-Ott (1860–1956), war.63 Allerdings führte die unbeständige Lage im mathematischen Verlagswesen – es musste sich erst noch erweisen, ob Springer nach Teubners Rück-zug diese Lücke dauerhaft würde schließen können und wollen – zu vielen ungeklärten Fragen, etwa was die Weiterführung bestehender oder die Gründung neuer Zeitschriften betraf. Die Förderpolitik in Bezug auf mathematisches Publizieren lässt sich aufgrund der ungünstigen Quellenlage nur schwer rekonstruieren, da in den Akten der Notgemeinschaft für den Fachaus-schuss Mathematik, der zugleich für Astronomie und Geodäsie zuständig war, nur wenige aussagekräftige Dokumente überliefert sind. Es handelt sich dabei vor allem um den Etatvorschlag des Fachausschusses für das Jahr 1921/22, den der Berliner Mathematiker Issai

——————— 62 §1 der Satzung, vgl. Thomas Nipperdey/Ludwig Schmug-ge: 50 Jahre Forschungsförderung in Deutschland. Ein Abriß der Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1920–1970. Bonn-Bad Godesberg: DFG 1970, S. 108. Zur Notgemeinschaft vgl. auch Ulrich Marsch: Notgemeinschaft der Deutschen Wissen-schaft. Gründung und frühe Geschichte 1920–1925. Frankfurt a. M. usw.: Peter Lang 1994 (Münchner Studien zu neueren und neuesten Geschichte. 10); siehe auch Margit Szöllösi-Janze: Fritz Haber 1868–1934: Eine Biographie. München: C. H. Beck 1998, S. 528–547. 63 Zu Dyck siehe Ulf Hashagen: Walther von Dyck (1856–1934): Mathematik, Technik und Wissenschaftsorganisation an der TH München. Stuttgart: Steiner 2003.

Schur (1875–1941) in Vertretung des erkrankten Vor-sitzenden Felix Klein im Mai 1921 vorlegte.64

Tab. 1: Der Etat der Notgemeinschaft mit Förderanteil des Verlagswesens65 Jahr Verlagswesen Gesamtmittel %1922/23 14.913.853,40 858.543.440,29 1,741923/24 Keine Angabe Keine Angabe66 1924/25 1.031.372,00 ca. 3.000.000,00 ca. 34,381925/26 1.239.394,00 ca. 8.000.000,00 ca. 15,501926/27 1.219.040,77 5.098.977,74 23,911927/28 2.567.681,06 8.394.717,75 30,591928/29 1.116.201,64 8.718.329,70 12,801929/30 997.635,93 7.243.739,67 13,771930/31 1.164.386,72 7.622.246,64 15,281931/32 936.258,21 5.193.972,34 18,03

Bei der Unterstützung von Publikationen waren dabei zunächst lediglich Zeitschriften und Fortsetzungs-werke in Betracht gezogen worden. Monographien wurden nicht genannt, allerdings war vielen Autoren auch noch nicht bekannt, dass überhaupt eine För-dermöglichkeit durch die Notgemeinschaft bestand. Für die Mathematik schlug der Ausschuss vor, mit der Encyklopädie der mathematischen Wissenschaf-ten67 und der Gauß-Ausgabe zwei Langzeitprojekte mit je 100.000 Mark zu fördern. Zudem wurden für die Weiterführung des Referateorgans Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik, des, wie in einer Vorbesprechung betont worden war, »neutralen, die Mathematik mit ihren Anwendungen umfassenden Referierorgans«68, dringend 20.500 Mark gewünscht. ——————— 64 Etat des Fachausschusses V für das Jahr 1921/22, 14.5.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/140). 65 Die Zahlen beruhen auf den Angaben in den gedruckten Jahresberichten der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. 66 Im »Dritten Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft« für den Zeitraum April 1923 bis März 1924 wird der Etat nicht aufgeschlüsselt unter Hinweis darauf, dass eine »übersichtliche Rechnungslegung […] unter den Verhältnissen des letzten Geschäftsjahres unmöglich« sei (S. 5). 67 Die »Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften« kam seit 1898 bei Teubner heraus und war noch immer nicht mit allen Bänden fertig gestellt (in 1950er Jahren erschienen noch einige Bände). Vgl. dazu Renate Tobies: Mathematik als Bestand-teil der Kultur. Zur Geschichte des Unternehmens »Encyklopädie der Mathematischen Wissenschaften mit Einschluß ihrer Anwen-dungen«. In: Österreichische Gesellschaft für Wissenschaftsge-schichte. Mitteilungen 14 (1994), S. 1–90; Hashagen: Walther von Dyck, bes. S. 439–470; Hildegard Tombrink: Die Bedeutung der »Encyklopädie der Mathematischen Wissenschaften« im B. G. Teubner Verlag um 1900. Magisterarbeit am Institut für Buchwis-senschaft. Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2002. 68 Protokoll der ersten Tagung des Fachausschusses V am 7./8.2.1921 in Göttingen (NSUB Göttingen, Klein IV Notgemein-schaft [Reichsverband], Nr. 41–60).

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Die Förderpolitik der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im mathematischen Publikationswesen 199

Das zentrale Problem aber war das Überleben der mathematischen Zeitschriften.

Die mathematische Zeitschriftenlandschaft war bis nach dem Ersten Weltkrieg recht übersichtlich: Bei Teubner erschienen (1) das 1841 gegründete Archiv der Mathematik und Physik, das die Bedürfnisse der Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten berücksich-tigte (bis 1920), (2) die Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft, (3) die seit 1856 be-stehende Zeitschrift für Mathematik und Physik als Organ für die angewandte Mathematik (bis 1917), (4) die renommierten 1868 gegründeten Mathematischen Annalen, die fest in Göttinger Hand waren und seit 1921 im Springer Verlag veröffentlicht wurden, (5) die Zeitschrift für mathematischen und naturwissen-schaftlichen Unterricht (gegründet 1869) sowie (6) der Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, das offizielle Organ der Standesvertre-tung der Mathematiker in Deutschland. Die älteste und hochangesehene Zeitschrift Journal für die reine und angewandte Mathematik (Crelles Journal, ge-gründet 1828) war zunächst bei Reimer beheimatet und später bei de Gruyter. Springer hatte 1917 die Mathematische Zeitschrift aus der Taufe gehoben und war kurzzeitig Kommissionsverlag der Zeit-schrift für angewandte Mathematik und Mechanik (1921–1923, danach VDI-Verlag), die Richard von Mises 1921 gegründet hatte und die ab 1923 Ver-einsorgan der Gesellschaft für angewandte Mathema-tik und Mechanik war.

Zumindest das Fortbestehen des bei de Gruyter er-scheinenden Journals für die reine und die ange-wandte Mathematik (Crelles Journal), des bei Teub-ner erscheinenden Jahresberichts der Deutschen Mathematiker-Vereinigung sowie die Sitzungsberich-te der Berliner Mathematischen Gesellschaft war ohne finanzielle Unterstützung nicht gesichert. Die Schwierigkeit lag auch hier darin, dass die Abonnen-tenzahl kriegsbedingt zurückgegangen war, durch die steigenden Abonnementspreise weiter zurückging und aus dem Teufelskreis stetiger Preiserhöhung und abbestellender Bezieher kein Entkommen in Sicht war. Von Seiten der Mathematik wünschte man sich eine grundsätzliche Lösung des Problems unter Ein-beziehung der DMV. Das Protokoll der ersten Ta-gung des Fachausschusses V vom Januar 1921 hielt dazu fest, die DMV habe bereits »eine wesentliche Erhöhung des Mitgliederbeitrages und eine Neuorga-nisation des von der Vereinigung herausgegebenen Jahresberichts beschlossen. Aber, so hieß es weiter,

auch das Weiterbestehen der anderen deutschen mathematischen Zeitschriften und die Verbilligung der Preise, insbesondere für ausländische mathe-matische Literatur, bedarf weitgehender Fürsorge. Es wird daran gedacht, diesen ganzen Fragekom-plex durch Zwischentreten der Deutschen Mathe-

matikervereinigung zu ordnen. Die Vereinigung könnte als Grossbezieher der deutschen mathema-tischen Literatur auftreten und denjenigen ihrer Mitglieder, welche subskribieren wollen, einen bil-ligen Bezug der von ihnen gewünschten Bücher oder Zeitschriften sichern, indem sie mit den Ver-legern günstige Abmachungen trifft, ev. auch aus-ländische Werke im Austausch erwirbt, und dabei seitens der Notgemeinschaft durch einen Jahresbei-trag, der mindestens 100 000 M. betragen müsste, unterstützt wird. Dieser Betrag müsste auf sämtli-che Anschaffungen nach einem gleichen Prozent-satz verteilt werden, so dass das kaufende Publi-kum in der Hand hat, welche Veröffentlichungen es vor anderen bevorzugen will.69

Dieser Vorschlag wurde vom Fachausschuss im Mai 1921 an das Präsidium der Notgemeinschaft weiter-gereicht. Die Verbilligung der mathematischen Zeit-schriften für die Mitglieder der DMV erschien dem Ausschuss als

dringend notwendig und der geforderte Betrag als angemessen. Gerade die beiden größten Zeitschrif-ten (Mathem. Annalen und Mathem. Zeitschrift), die keine direkte Unterstützung verlangt haben, und das ebenso wichtige […] Jahrbuch, das seine Forderungen so sehr beschränkt hat, konnten sich bis jetzt nur durch eine exorbitant hohe Steigerung des Abonnementspreises halten. Der Gefahr, dass hierdurch die Verbreitung der Zeitschriften zu-rückgeht und ihr Fortbestand in Frage gestellt wird, muss unbedingt begegnet werden. Der ver-langte Kredit erscheint als gerechtfertigt.70

Felix Klein begleitete diese ungewöhnliche Initiative mit einem vermutlich an den Präsidenten Schmidt-Ott gerichteten Schreiben, das allerdings erkennen lässt, dass sich zumindest Klein eine gewisse Neu-ordnung des Zeitschriftenwesens, die er um 1900 schon einmal unter dem Dach des Teubner Verlages versucht hatte,71 von der Initiative versprach:

Es scheint mir dies der einzige Weg, um die Zahl der Zeitschriften, die zu gross ist, vielleicht zu re-duzieren: das Publikum wird selbst entscheiden, welche Zeitschriften es bevorzugen will. Jeder an-dere Weg führt dazu, schwache Zeitschriften zu stützen. Ich möchte also ein solches Verfahren

——————— 69 Protokoll der ersten Tagung des Fachausschusses V am 7./8.2.1921 in Göttingen (NSUB Göttingen, Klein IV Notgemein-schaft [Reichsverband], Nr. 41–60). 70 Etat des Fachausschusses V für das Jahr 1921/22, 14.5.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/140). 71 Dazu siehe Renate Tobies: Zu Veränderungen im deut-schen mathematischen Zeitschriftenwesen. In: NTM. Internationa-le Zeitschrift für Geschichte und Ethik der Naturwissenschaften, Technik und Medizin 23 (1986) 2, S. 19–33, und 24 (1987) 1, S. 30–49.

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auch für andere Wissenschaften, deren Vertreter sämtlich in einer führenden Gesellschaft vereinigt sind, empfehlen. Um aber bei der Mathematik zu bleiben: auch hier bitte ich, weil sonst die Unbe-stimmtheit der Lage alles verdirbt, um baldmög-lichste Entscheidung.72

Schmidt-Ott allerdings lehnte den Vorschlag als »sehr zweifelhaft« mit der Begründung ab, dass zu-nächst einmal das Weitererscheinen der Zeitschriften überhaupt sichergestellt werden müsse, bevor an eine Verbilligung der Preise gedacht werden könne. Zu-dem wollte er nicht die Kontrolle der Notgemein-schaft über die Einzelförderung aus der Hand geben, daher bevorzugte er eine Unterstützung auf direktem Wege und nicht »auf dem für die Notgemeinschaft ganz unkontrollierbaren Wege von Zuschüssen an die Bezieher«.73 Klein versuchte zwar noch einmal, auf das »traurige Kapitel der Mathematischen Zeitschrif-ten« zurückzukommen, in dem überhaupt nur Sprin-ger ein Lichtblick sei, denn »Teubner, der seit De-zennien unser Hauptverleger geworden ist, hat allen Mut verloren, fünf Zeitschriften weiter zu führen«. Auch bei Springer, der »vorläufig mit grossen Ver-lusten gearbeitet« habe, dürfe »man darf darauf ge-spannt sein, wie lange er das Tempo seines Vorge-hens einhalten wird. Kundige wollen schon jetzt eine unverkennbare Verlangsamung wahrnehmen.«74 Er-folg hatten Kleins Einwände allerdings nicht, denn die Notgemeinschaft blieb bei dem Prinzip der Ein-zelförderung. Präsident Schmidt-Ott ließ Felix Klein im März 1922 wissen, der Hauptausschuss sei zu der Überzeugung gekommen, »dass eine Bewilligung für die Mathematiker-Vereinigung zur Verbilligung der Zeitschriften Konsequenzen hätte, denen die Notge-meinschaft nicht gewachsen wäre«.75 Man hatte sich auch außerhalb der Mathematik für den vorgeschla-genen Modus, die Mittel zentral über eine wissen-schaftliche Gesellschaft zu verteilen, nicht begeistern können, wie aus einem Schreiben des Schriftführers der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) an Klein hervorgeht. Zwar begrüße der Vorstand der DPG die »Tendenz der Anträge von Herrn Geh. Klein« und wünsche »seit langem Einfluss auf die Verleger zu gewinnen«, halte dagegen den Fachaus-schuss der Notgemeinschaft für das geeignete Fo-

——————— 72 Auszug aus einem Schreiben ohne Adressat, vermutlich an Schmidt-Ott, von Klein, 28.5.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/ 140). 73 Schmidt-Ott an Klein, 3.6.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/140). 74 Auszug aus einem Schreiben ohne Adressat, vermutlich an Schmidt-Ott, von Klein, 5.6.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/ 140). 75 Schmidt-Ott an Klein, 20.3.1922 (NSUB Göttingen, Klein IV A, Nr. 296).

rum.76 Schmidt-Otts erster Stellvertreter Walther von Dyck sah als wichtigste Hindernisse bei der Durch-setzung des Vorschlags der DMV die »Hartnäckig-keit« des Präsidenten, aber ebenso »die nicht unbe-rechtigte Animosität gegen Springer, welcher der einzige Verleger ist, von allen, mit denen die Kom-mission verhandelt, welcher sich nicht in seine Bü-cher schauen lassen will!«77

Diese Episode mag zunächst banal erscheinen, zeigt aber in aller Deutlichkeit, dass es zumindest drei Interessengruppen gab, die zwar das gleiche Ziel verfolgten – die Aufrechterhaltung der wissenschaft-lichen Publikationskultur in Deutschland – aber sehr unterschiedlicher Meinung über den einzuschlagen-den Weg waren: die Fachwissenschaftler, die Verle-ger und die Notgemeinschaft.

Die Einzelförderung in der Mathematik im För-derzeitraum 1921/1922 (bis 31. März 1922) sah fol-gendermaßen aus:

2.000,– Sitzungsberichte der Berliner Mathemati-

schen Gesellschaft (B. G. Teubner Verlag) 35.000,– Jahresbericht der DMV (B. G. Teubner Verlag) 48.000,– Heffter, Lothar: Lehrbuch der analytischen

Geometrie (B. G. Teubner Verlag) 60.000,– Bachmann, Paul: Arithmetik der quadrati-

schen Formen (B. G. Teubner Verlag) 30.000,– Enzyklopädie der mathematischen Wissen-

schaften (B. G. Teubner Verlag) 37.500,– Gauß-Werke (Göttinger Akademie der Wis-

senschaften, B. G. Teubner Verlag, ab 1923 Springer)

20.000,– Neugebauer, Otto: Tafeln zur Astronomi-schen Chronologie (in dieser Form nie erschienen; Neugebauer publizierte später beim Springer Verlag)

20.500,– Jahrbuch über die Fortschritte der Mathe-matik Verlag (Verlag Walter de Gruyter)

20.000,– Abhandlungen aus dem Mathematischen Se-minar der Hamburgischen Universität (Universität Hamburg)

50.000,– Klein, Felix: Gesammelte Abhandlungen (Universität Göttingen, Springer Verlag)

Wie an dieser Aufstellung deutlich wird, profitierten von der Finanzierung durch die Notgemeinschaft vor allem Projekte aus dem Haus Teubner. Die Zuschüs-se erhielten allerdings die bearbeitenden Stellen, nicht die Verlage, so dass es sich hier um eine indi-

——————— 76 Schriftführer Rüchardt an Klein, 21.3.1922 (NSUB Göttin-gen, Klein IV A, Nr. 298). 77 Dyck an Klein, 24.3.1922 (NSUB Göttingen, Klein IV A, Nr. 299).

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Die Förderpolitik der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im mathematischen Publikationswesen 201

rekte Förderung handelt. Ebenso verhielt es sich mit der Herausgabe der Gesammelten Abhandlungen Felix Kleins: auch hier wurde die Unterstützung zur Finanzierung der Herausgeber verwendet, nicht für den Druck.

Von besonderem Interesse ist die Position, die der Springer Verlag in der Zeitschriftenfrage einnahm. Dabei ist wesentlich, dass der für die Sparte Mathe-matik verantwortliche Ferdinand Springer durch sei-nen mathematischen Hauptberater Richard Courant eingehend über alle Initiativen der DMV und des Verlagsausschusses unterrichtet wurde. Im Januar 1921 plante der Schatzmeister der DMV, der Karls-ruher Mathematiker Adolf Krazer (1858–1926), sich mit einem Rundschreiben an die DMV-Mitglieder zu wenden, in dem die Lage im Zeitschriftenbereich zusammengefasst und um Vorschläge zur Behebung der Misere gebeten wurde.78 Den Entwurf des Schrei-bens sandte er auch an die Verlage de Gruyter und Springer. Er enthielt schon den Vorschlag, die DMV solle bei der Notgemeinschaft den Antrag auf Mittel stellen, um ihren Mitgliedern den Bezug von Zeit-schriften zu ermäßigten Preisen zu ermöglichen. Konkret führte er aus, die Verlage Springer und de Gruyter sollten »den Mitgliedern der Vereinigung bei Bestellung der Zeitschriften durch diese 20 % Nach-lass […] gewähren; es ist beabsichtigt, weitere 30 % aus den Mitteln der Vereinigung zu bezahlen in der Erwartung, dadurch den Zeitschriften eine erhebliche Anzahl neuer Abonnenten zuzuführen.« Krazer for-derte darüber hinaus die Möglichkeit, dass Bibliothe-ken mehrere Exemplare einer Zeitschrift zum redu-zierten Preis beziehen können sollten, um diese gegen ausländische Zeitschriften zu tauschen. Der Bezug ausländischer Zeitschriften war für die mei- sten Seminare und Universitätsbibliotheken ein kaum zu bewältigendes Problem. Allein die Berliner Staats-bibliothek konnte 1920 statt der vor dem Krieg be-zogenen 2.300 ausländischen Zeitschriften nur noch 150 halten, insgesamt wurden an deutschen wissen-schaftlichen Bibliotheken überhaupt nur noch 300 ausländische wissenschaftliche Zeitschriften gehalten.79 Damit war eine kontinuierliche Partizipation an aus-ländischer Forschung kaum noch möglich.

Die Antworten aus den beiden Verlagen fielen un-terschiedlich aus. Für de Gruyter bezog Wilhelm von Crayen mit Blick auf Crelles Journal und das Jahr-buch über die Fortschritte der Mathematik ausführ-lich Stellung, nicht ohne gegen Springers Preispolitik zu sticheln, weil doch »dessen jetzige Preise für seine beiden Zeitschriften [Mathematische Annalen und

——————— 78 Rundschreiben Krazers, 22.1.1921 (Freiburg, Universitäts-archiv, E4/22). 79 Vgl. die Angaben bei Eduard Wildhagen: Die Not der deutschen Wissenschaft. In: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 15 (1920) 1, S. 18.

Mathematische Zeitschrift] geradezu prohibitiv wir-ken müssen.«80 Von Crayen wandte sich mit nach-vollziehbaren Argumenten entschieden gegen den Aus-tausch deutscher gegen ausländische Zeitschriften:

Ein derartiger Modus würde uns Verlegern mehr oder weniger schnell den ganzen Absatz nach dem Ausland abgraben, auf die dabei erzielten höheren Preise können wir aber unmöglich verzichten, denn gerade die zwischen dem Inlands- und Aus-landspreise bestehende Differenz ermöglicht es uns, das betreffende Buch oder die Zeitschrift zu einem einigermassen noch erschwinglichen Preise an die Inlandskäufer abzugeben! Fällt diese Ein-nahme weg, so erhöht sich ganz automatisch der Inlandspreis und damit ist den deutschen Käufern, vor allen Dingen auch den Bibliotheken, doch ab-solut nicht gedient! Ich weiss nicht, wie die Fir-men Springer, Teubner usw. darüber denken, für uns aber möchte ich schon heute die Erklärung abgeben, dass wir auf den Valuta-Aufschlag für Lieferungen nach dem Ausland, gleichwie in wel-cher Form diese erfolgen, nicht verzichten können, denn wir würden damit das wesentlichste Funda-ment für unsere Zeitschriften vernichten.81

Ferdinand Springer, der wie von Crayen eine Kopie seiner Antwort Felix Klein zukommen ließ, eröffnete seinen Brief an Krazer mit grundsätzlichen Erörte-rungen über seinen mathematischen Verlag:

Ich möchte ganz allgemein vorausschicken, dass die mathematischen Zeitschriften, wie überhaupt die mathematischen Verlagswerke im allgemeinen, nicht als Unternehmungen aufgefasst werden kön-nen, die der Verleger aus materiellen Gründen be-treibt. Es empfiehlt sich für die Autoren, diese Tat-sache zu beachten, denn wenn der Verleger, trotzdem er sich uneigennützig in den Dienst der Wissenschaft gestellt hat, doch immer wieder auf die Meinung stösst, dass für ihn nur materielle Ge-sichtspunkte massgebend wären, so muss das auf die Dauer dahin führen, dass der Verleger der ja nun einmal offenbar doch nicht zu bekämpfenden Ansicht entsprechend handelt. Wie ich in Göttin-gen kürzlich hörte, ist von verschiedenen Herren sogar die Ansicht geäussert worden, dass meine Firma dahin strebe, ein Monopol auf dem Gebiete der Mathematik zu schaffen und nach Erlangung dieses Monopols die Autoren bezw. die Abnehmer der mathematischen Literatur auszubeuten. Ich möchte dazu bemerken, dass einmal im Verlage eine Monopolstellung überhaupt nicht möglich ist und dass insbesondere jeder Missbrauch eines Mo-

——————— 80 Crayen an Krazer, 3.2.1921 (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/22). 81 Crayen an Krazer, 3.2.1921.

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nopols zum Verlust der erworbenen Vormachtstel-lung führen würde. Sodann ist es aber doch klar, dass ein Verleger, der auf wirtschaftliche Ausbeu-tung ausgeht, sich nicht gerade die Mathematik als Gebiet seiner Tätigkeit aussuchen wird. Ich muss mich über diese Dinge aber einmal offen ausspre-chen, um danach mit etwas erleichtertem Herzen zu meiner Tätigkeit zurückkehren zu können.82

Rückblickend lässt sich feststellen, dass sich das Gebiet der Mathematik vielleicht nicht unbedingt zur »Ausbeutung« eignete, dass es aber im Hause Sprin-ger vermutlich seit Mitte der 1920er Jahre durchaus Profit abwarf (s. u. den Abschnitt »Lukrative Mathe-matik?«). In der Frage des Tausches mit dem Aus-land zeigte Springer sich formal offen, stellte aber ähnlich wie von Crayen fest, dass »das valutastarke Ausland einen Aufschlag von 100 % bei den Zeit-schriften zu zahlen hat und dass die Einnahmen aus diesem Aufschlag den Inlandspreisen zugute kom-men, nicht etwa vom Verleger als Gewinn betrachtet werden. Tritt infolge des Tauschverkehrs eine we-sentliche Verringerung der Zahl der mit Aufschlag gelieferten Exemplare ein, so muss die Folge eine entsprechende Steigerung des Inlandspreises sein«.

Wenn der Schriftführer der DMV, Ludwig Bie-berbach (1886–1982), diese Einschätzung Springers auch zunächst als entgegenkommend empfand83, so wurde dieser Aspekt des Planes später nicht weiter verfolgt. Wohl aber versuchte die DMV, allerdings ebenfalls ohne Erfolg, Mittel der Notgemeinschaft für ihr Subventionsprogramm zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist Springers Haltung zur Notge-meinschaft von Interesse. Zwar hat er 1927 im Rück-blick die Abschaffung des Verlagsausschusses gefor-dert und 1949, wie gesehen, seine grundsätzliche Ablehnung von Subventionen erklärt. Allerdings berichtet von Crayen in einem weiteren Brief an Krazer, es scheine »allerdings ein Irrtum vorzulie-gen«, wenn angenommen werde, dass »Springer für seine Zeitschriften keinerlei Unterstützung seitens der Notgemeinschaft haben wollte«. Vielmehr habe ihm ein »Vertreter der Firma Springer« im Gespräch mitgeteilt, Springer wolle

nicht direkt als Petent auftreten und als Verlag ei-nen Zuschuss haben, jede indirekte Förderung sei-ner Zeitschriften aber wäre ihm ausserordentlich erwünscht, sei es dergestalt, dass eine grössere An-zahl von Exemplaren seitens der Deutschen Ma-thematiker-Vereinigung, die die Mittel dazu von der Notgemeinschaft bekommen müsste, abgenommen

——————— 82 Springer an Krazer, 9.2.1921, zur Kenntnis an Klein (NSUB Göttingen, Klein IV Notgemeinschaft [Reichsverband], Nr. 81–100) 83 Bieberbach an Krazer, 10.2.1921 (Freiburg, Universitätsar-chiv, E4/22).

würde, womit sich eine Verminderung des Preises erzielen liesse, sei es in irgend einer anderen Form.

Von Crayen erwähnte schließlich auch noch den eigentlich problematischen Punkt, dass nämlich zum gegebenen Zeitpunkt noch völlig unklar sei, »wie die Notgemeinschaft eingreifen soll«.84 Tatsächlich führ-te diese Unklarheit gerade in der Zeitschriftenfrage bald zu einer Verstimmung zwischen Felix Klein, Richard Courant und Springer auf der einen und der Notgemeinschaft auf der anderen Seite, als es um die Förderung einer neu gegründeten mathematischen Zeitschrift ging, die Abhandlungen aus dem Mathe-matischen Seminar der Hamburgischen Universität. Durchsetzung partikularer Interessen und wissenschaftsinterne Kontroversen – Die »Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität« Das Mathematische Seminar der 1919 gegründeten Universität Hamburg zählte nach dem Krieg sogleich zu den hervorragenden Adressen in der Mathematik. Die Ordinarien Wilhelm Blaschke (1885–1962) und Erich Hecke (1887–1947) waren mathematisch äußerst produktiv. Zudem erwiesen sie sich gemeinsam mit dem Extraordinarius Johann Radon (1887–1956) als sehr einfallsreich in Bezug auf die praktischen Pro- bleme, die der Aufbau des Seminars mit sich brachte.

In diesen Zusammenhang ist die Gründung der Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität zu verstehen, deren er- stes Heft 1921 im Selbstverlag des Mathematischen Seminars erschien und die noch heute bestehen. Un-ter den schwierigen finanziellen Rahmenbedingun-gen wurden die Abhandlungen nicht gegründet, um ein eigenes Publikationsforum zu haben, denn Hecke verfügte über gute Verbindungen zu den Mathemati-schen Annalen und Blaschke gehörte dem wissen-schaftlichen Beirat der bei Springer 1917 neu ge-gründeten Mathematischen Zeitschrift an. Vielmehr verband sich mit der Gründung die Hoffnung auf einen Zeitschriftentausch mit dem Ausland, um eine wissenschaftlich adäquate Ausstattung der Seminar-bibliothek zu gewährleisten.

Die treibende organisatorische Kraft hinter den Ab-handlungen war Blaschke und schon der erste Band bestach dadurch, dass neben Hecke und Blaschke hochkarätige Mathematiker darin publizierten. Nicht nur die renommierten englischen Mathematiker God-frey H. Hardy und John E. Littlewood hatten in Zei-ten des Boykotts der Wissenschaft in Deutschland einen Aufsatz beigesteuert, sondern Hecke hatte auch

——————— 84 Crayen an Krazer, 5.2.1921 (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/22).

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Die »Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität« 203

seinen Lehrer Hilbert gewinnen können, der dem Unternehmen durch seinen Artikel über Neubegrün-dung der Mathematik seine Rückendeckung gab.85 Der Mathematiker Heinrich Behnke (1898–1979), ein Schüler Heckes, erinnerte sich später, dass es allerlei Schwierigkeiten gab, einen geeigneten Drucker zu finden – vom zweiten Band habe es etwa zehn Kor-rekturen gegeben. Besonders aber betonte Behnke die Leistung Blaschkes, »in dieser Zeit der allgemeinen Entwertung und Armut die zum Druck notwendigen Gelder zu beschaffen«. Behnke war es »völlig unver-ständlich, wie Blaschke in dieser Zeit größter Geld-knappheit diese Finanzierung gelungen ist«.86

Tatsächlich erfolgte die Anschubfinanzierung aus Mitteln der Notgemeinschaft, die – vermutlich am Fachausschuss für Mathematik vorbei – die Abhand-lungen im Haushaltsjahr 1921/22 mit 20.000 Mark und 1922/23 mit einem Betrag in unbekannter Höhe unterstützte.87 Diese Förderung wurde sowohl im Springer Verlag als auch bei Felix Klein, dem Vor-sitzenden des Fachausschusses für Mathematik, mit Verwunderung, ja Verärgerung aufgenommen.

Im März 1922 war die Angelegenheit Thema ein-gehender Diskussionen zwischen Richard Courant, der seit Oktober 1921 als Berater auf Springers Ho-norarliste stand,88 Ferdinand Springer, Felix Klein, Walther von Dyck und Friedrich Schmidt-Ott. Courant und Springer zeigten sich entrüstet, dass die Notge-meinschaft in Zeiten knapper Gelder die Neugrün-dung einer Zeitschrift finanziell unterstützte, die den bereits bestehenden Zeitschriften staatlich subventio-niert Konkurrenz machen werde. Courant wandte sich deswegen im März 1922 in enger Abstimmung mit Klein und Springer mit einer Protestnote an die Notgemeinschaft, die durch ein Schreiben von Klein begleitet wurde. Präsident Schmidt-Ott antwortete Klein in einem Brief, in dem er zunächst das Füll-horn der Notgemeinschaft für die Herausgabe der Gesammelten Abhandlungen von Felix Klein öffnete. Die Bewilligung von 50.000 Mark zu diesem Zwecke ging einher mit der Stellungnahme zu der Förderung der Hamburger Abhandlungen.89 Über »die Prinzipien, nach welchen die Höhe der Unterstützungsbeiträge für Publikationen in jedem Einzelfalle vom Verlagsaus-schuss der Notgemeinschaft festgesetzt« werden, habe

——————— 85 Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität 1 (1922). 86 Heinrich Behnke: Die goldenen ersten Jahre des Mathe-matischen Seminars der Universität Hamburg. In: Mitteilungen der Mathematischen Gesellschaft in Hamburg 10 (1976), S. 225–240, S. 237f. 87 Dazu siehe Bericht der Notgemeinschaft 1922, S. 68; Zweiter Bericht der Notgemeinschaft 1923, S. 34. 88 Dazu siehe Remmert/Schneider: »Ich bin wirklich glück-lich zu preisen, ...«, S. 196–205. 89 Schmidt-Ott an Klein, 20.3.1922 (NSUB Göttingen, Klein IV A, Nr. 296).

ihm Courant nach seiner Besprechung mit den zustän-digen Herren sicherlich schon berichtet. Klein werde einsehen, dass »die Notgemeinschaft bei Unterstüt-zung von Publikationen nicht gut anders handeln« könne. Insbesondere brauche er nicht zu befürchten, dass »andere wichtige Interessen der Mathematiker etwa deshalb unberücksichtigt bleiben« könnten. Zu den Hamburger Abhandlungen teilte er mit, ihre Un-terstützung sei »wesentlich mit der Absicht ins Auge gefasst worden, dadurch den Tauschverkehr des Ham-burger Seminars zu fördern. Bei Uebermittlung der Bewilligung werde ich nicht versäumen, darauf hin-zuweisen, dass die Bewilligung unter der Vorausset-zung erfolgt, dass die eingetauschten Exemplare aus-ländischer Literatur der Gesamtheit der deutschen Mathematiker zugänglich sein müssen.«90 Courant war über die Ablehnung seines Einspruches bei der Not-gemeinschaft sehr verärgert, sah er doch erhebliche Gefahren für die deutsche Zeitschriftenlandschaft. In einem Brief an Springer schilderte er die Situation Ende März 1922 mit deutlichen Worten:

Über die Notgemeinschaft habe ich mich sehr ge-ärgert; sie hat unseren sehr energischen Brief we-gen der Hamburger Zeitschrift freundlich, aber sachlich eigentlich ablehnend beantwortet, indem sie erklärt, dass es sich nur um Unterstützung des Austausches handele; wir haben dann strikte ver-langt, dass den Inlandszeitschriften keine Konkur-renz gemacht werden dürfe, indem im Inland die Zeitschrift umsonst abgegeben wird. Die Gefahr ist, dass andere Stellen das Hamburger Beispiel nachmachen; ich traue in dieser Hinsicht gerade solchen Hochschulen nicht, wo mehrere produktive Leute zusammen sitzen; blinder partikularistischer Egoismus ist ja ein berühmtes deutsches Zerset-zungselement; vielleicht liegt auch hierin der tiefe-re Grund für die laue Haltung der Notgemein-schaft. Jedenfalls muss man rechtzeitig überlegen, wie man gegen solche Möglichkeiten das Interesse der Wissenschaft sichern kann. Man muss diesen Unternehmungen den Boden entziehen, vielleicht indem man den mathematischen Seminaren von Berlin, Leipzig, Göttingen und vielleicht auch den physikalischen Instituten Göttingen und München anbietet, für Austauschzwecke zu Vorzugspreisen rasch erscheinende Sonderabdrücke von Abhand-lungen aus den Zeitschriften Ihres Verlages zu ver-kaufen, natürlich nur von solchen Autoren, die zu dem betr. Institut irgendwie gehören; diese Sonder-abdrücke könnten, unter Bezeichnung ihres Ur-sprungs, zusammengebunden als »Mitteilungen aus dem math. Institut soundso« erscheinen, würden nicht im Handel zu haben sein und natürlich nur in beschränkter Zahl ausdrücklich für Tauschzwecke

——————— 90 Schmidt-Ott an Klein, 20.3.1922.

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hergestellt werden. Lässt sich so etwas machen? Wenigstens zunächst einmal, solange die Gefahr derartiger Sonderaktionen besteht. Ich werde mit Klein sprechen, sobald ich eine Meinungsäusse-rung von Ihnen habe.91

Der schwere Vorwurf, die Hamburger Wissenschaft-ler verfolgten partikulare Interessen und verstießen damit gegen die Normen wissenschaftlichen Han-delns, muss natürlich insofern relativiert werden, als Courant auf Wissenschaftlerseite und darüber hinaus als Gehaltsempfänger des Berliner Verlags sowie Ferdinand Springer auf Verlegerseite durchaus auch nicht uneigennützig, also ebenfalls normverletzend, dachten, wenn sie das konkurrierende Hamburger Un-ternehmen verurteilten und sanktioniert wissen woll-ten. Die staatliche Verteilung von Forschungsgeldern und Druckkostenzuschüssen basierte in nicht gerin-gem Maß auf dem Erfolg konkurrierender Wissen-schaftler. Springer hielt Courants Vorschlag, die Grün-dung neuer Zeitschriften durch »Zusammenstellung von Separata« zu Austauschzwecken zu verhindern, für »durchaus vernünftig«, zumal bereits zahlreiche medizinische Institute entsprechend verfahren wür-den.92 Obschon Courant und Springer sich in ihrer Ablehnung der staatlichen Förderung der Hamburger Abhandlungen auch die Unterstützung von Dycks sicherten,93 wurde die neue Zeitschrift auch 1922/23 noch von der Notgemeinschaft gefördert. Als der Herausgeber Blaschke im April 1924 Springer an-trug, die Hamburger Abhandlungen in Verlag zu nehmen, bekräftigte Springer in einem Brief an Cou-rant, er halte »das Erscheinen der Hamburger Zeit-schrift für eine bedauerliche Zersplitterung der Lite-ratur«. Zudem sehe es »doch so aus, als wäre die Zeitschrift im Eingehen, und ich habe keine rechte Lust, ihr Leben zu verlängern«.94 Blaschke bedauerte zwar Springers diplomatische Ablehnung – Blaschke zählte zu den Autoren und Herausgebern seines Ver-lags, und Courant hatte Springer daher zu einer ge-mäßigten Reaktion geraten –, »die sich vom wirt-schaftlichen95 Standpunkt rechtfertigen« lasse, fand aber schon für 1924 in Teubner einen neuen Verlag.96

Im Sommer 1931 fragte Blaschke erneut an, ob Springer bereit wäre, den Kommissionsverlag der Ab-handlungen und der Einzelschriften des Hamburger Seminars zu übernehmen. Inzwischen genoss das ——————— 91 Courant an Springer, 28.3.1922 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 92 Springer an Courant, 29.3.1922 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 93 Courant an Springer, 5.4.1922 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 94 Springer an Courant, 29.4.1924 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 95 Im Original unterstrichen. 96 Blaschke an Springer, 10.5.1924 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], B 168 I).

Hamburger Mathematische Seminar mit seiner Zeit-schrift bereits einen so guten Ruf, dass Springer ihm nach Rücksprache mit Courant wenige Tage später schrieb, er stehe »sehr gern zur Übernahme des Kom-missionsverlages der Veröffentlichungen des Ham-burger Instituts zur Verfügung«. Ohnehin, so Sprin-ger, habe er »den Wunsch, meine Beziehungen zu Ihnen und Ihrem Kreise zu festigen.«97 Allerdings blieben die Hamburger Abhandlungen bei Teubner und es ist unklar, woran das Projekt gescheitert ist.

Das Beispiel der Hamburger Abhandlungen belegt nicht nur den Einfallsreichtum, mit dem der Literatur-knappheit in Zeiten geringer Bibliotheksetats begeg-net wurde, sondern wirft ein Schlaglicht auf die Aus-einandersetzungen um die richtige Förderpraxis der noch jungen Notgemeinschaft im Verlagswesen. Die Situation wurde noch dadurch erschwert, dass offen-bar verschiedene Instanzen über die Förderung von Publikationen entscheiden konnten. Die Förderung von Kleins Gesammelten Abhandlungen etwa wurde nicht aus den Mitteln des Fachausschusses Mathema-tik gezahlt, sondern aus einem Sonderfonds des Präsi-diums. Ebenso unübersichtlich war die Situation bei der Förderung der Hamburger Abhandlungen. Präsi-dent Schmidt-Ott stellte im Spätsommer 1922 in ei-nem Rundschreiben fest, dass die finanzielle Lage zur Konzentration der Mittel zwinge und ging speziell auf die Lage der Zeitschriften ein. Bei der Bewilligung von Mitteln seien strengste Maßstäbe anzulegen und insbesondere könnten »mehrere nebeneinander lau-fende Zeitschriften auf gleichen oder verwandten Gebieten nicht erhalten werden, wenn eine genügt. Parallelunternehmungen müssen überall zurücktreten, so wünschenswert sie für den wissenschaftlichen Wettbewerb sind.« Dies betraf nun auch ausdrücklich die Hamburger Abhandlungen, denn

unter den vom Verlagsausschuss in seiner letzten Sitzung behandelten Anträgen, die die Befürwor-tung der Fachausschüsse gefunden hatten, befin-den sich Arbeiten über Kölnische Bibliotheksge-schichte, […], Pilze aus Bayern, Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgi-schen Universität, […], Unternehmungen von de-ren Beanstandung für dieses Mal abgesehen wor-den ist, und deren Wert ich keineswegs verkenne, deren Unterstützung aber angesichts unserer Ver-mögenslage kaum vertretbar erscheint.98

——————— 97 Blaschke an Springer, 14.7.1931; Springer an Blaschke, 18.7.1931 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912– 1936], B 168 I) 98 Rundschreiben von Schmidt-Ott, 1.9.1922 (Bundesarchiv Koblenz, R73/156: Verlagsausschuss 1921–1942).

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Ferdinand Springers Kritik an der Förderpolitik der Notgemeinschaft 205

Ferdinand Springers Kritik an der Förderpolitik der Notgemeinschaft Ferdinand Springer stand den Aktivitäten der Not-gemeinschaft ausgesprochen skeptisch gegenüber, denn er befürchtete eine staatlich subventionierte Wettbewerbsverzerrung in der Branche und, wie am Beispiel der Hamburger Abhandlungen deutlich ge-worden ist, erwartete er nach Teubners Rückzug neue Konkurrenz. Einige seiner Verlagswerke, wie die Gauß-Ausgabe und die Gesammelten Abhandlungen Felix Kleins, wurden zwar von der Notgemeinschaft unterstützt, das Geld floss aber nicht direkt in den Verlag, sondern im Falle der Gauß-Ausgabe an die Akademie und im Falle der Werke Kleins an die Göttinger Mitarbeiter und Hilfskräfte, die mit der Edition seiner Abhandlungen beschäftigt waren.

Mitte der 1920er Jahre war der Springer Verlag durch die Etablierung einer neuen mathematischen Reihe, der 1921 gestarteten Grundlehren der mathe-matischen Wissenschaften, und als Verlag der beiden führenden mathematischen Zeitschriften zu einem attraktiven Publikationsort avanciert. Die Verbindun-gen zu Göttinger Mathematikerkreisen waren stabil. Das verlegerische Ziel musste die Verteidigung der nun eingenommenen Spitzenposition bleiben.

1927 schrieb Ferdinand Springer ein zwölfseitiges Memorandum über den Verlagsausschuss der Not-gemeinschaft, in dem er betonte, dass »der wissen-schaftliche Verlag nach den Gesetzen der Wirt-schaft«99 geführt werden müsse. Er hob hervor: »Den Vorteil von diesem freien Wettbewerb hat die Wis-senschaft und haben die Abnehmer. Das jetzige Sy- stem unterstützt Verknöcherung, Mangel an Wage-mut und sichert Monopole, die es bei dem wissen-schaftlichen Verlag nicht geben soll, ohne Rücksicht auf die Tüchtigkeit des Monopolinhabers.« Springer nahm Bezug auf den Fünften Bericht der Notgemein-schaft von 1926, in dem behauptet wurde, der Absatz der mathematischen Zeitschriften sei erfreulich ge-wesen, was Springer zurückwies. Aus dem Hause Springer liegen keine Angaben über den Absatz der Zeitschriften vor, allerdings zeigen die überlieferten Kalkulationen für Crelles Journal (de Gruyter), dass in den Jahren 1924 und 1925 die Deckungsauflage annähernd oder vollständig durch die Zahl der Abon-nenten beim Absatz erreicht wurde. Crelles Journal erschien in einer Auflage von jeweils 500 Exempla-ren. 1924 bestanden 332 Abonnements (Deckungs-auflage: 338 Ex.), 1925 existierten 340 Abonnements (Deckungsauflage: 340 Ex.).100 Über die Anzahl der

——————— 99 Ferdinand Springer über den Verlagsausschuss der Notge-meinschaft, zwölfseitiges Memorandum vom 5.8.1927 (Heidel-berg, Springer Verlagsarchiv, SA 1.20). 100 Vgl. Kalkulationen Abt. Göschen, 1922–1939 (Berlin, Staatsbibliothek, Dep. 42: 593).

evtl. über die Abonnements abgesetzten Exemplare hinaus geben die Quellen leider keine Auskunft. In den darauf folgenden Jahren bis 1932 blieb die Zahl der Abonnenten deutlich unter der Deckungsauflage, dennoch wurde die Gesamtauflage ab 1928 auf 525 Exemplare erhöht.

Als explizites Beispiel für verlegerisches Enga-gement ohne Aussicht auf ein kostendeckendes Ge-schäft führte Springer den Übergang der Annalen in seinen Verlag an:

In der Mathematik lag die Sache folgendermaßen: Die führende Zeitschrift waren die ›Annalen der Mathematik‹, die bei Teubner erschienen. Als die Inflation alle Berechnungen über den Haufen warf, zögerte Teubner von Heft zu Heft mehr mit der Herausgabe, so dass sich unhaltbare publizistische Zustände herausstellten. Darauf gründete eine Rei-he jüngerer Mathematiker in meinem Verlag die ›Mathematische Zeitschrift‹. Ihr strömte von vorn herein ein reiches und ausgezeichnetes Material zu, und sie hatte einen vollen moralischen Erfolg, förderte auch die Interessen des Verlages in erheb-licher Weise, indem sich um sie eine große Reihe von erfolgreichen mathematischen Buchpublikati-onen anschlossen. An eine Kostendeckung ist al-lerdings bis auf den heutigen Tag nicht zu denken. Die Zeitschrift erfordert vielmehr auch heute noch nicht unerhebliche Zuschüsse. Nun ergab sich aber aus der Lage noch eine weitere, besonders interes-sante Entwicklung: Die Herausgeber der ›Mathe-matischen Annalen‹ stellten, als sie die rasche Entwicklung der ›Mathematischen Zeitschrift‹ be-obachteten, die Firma Teubner vor die Entschei-dung, entweder die Herausgabe ohne schädliche Beschränkung des Umfanges und innerhalb ange-messener Zeit zuzusagen oder auf die Zeitschrift zu verzichten. Die Firma Teubner tat das letztere, und die ›Mathematischen Annalen‹ gingen eben-falls in meinen Verlag über. Die beiden Zeitschrif-ten gedeihen jetzt in einer Weise, die die Heraus-geber und die publizierenden Autoren wie auch die Abnehmer durchaus befriedigt. […] Man kann nicht jedem Buch eine Erklärung beigeben, dass sein Preis sich durch erhaltene oder nicht erhaltene Unterstützung der Notgemeinschaft erklärt. Insbe-sondere im Ausland verursacht die hierdurch her-vorgerufene Ungleichheit der Preise ein Mißtrauen gegen die Preispolitik der deutschen Verleger über-haupt.101

Von der Notgemeinschaft wurde Springers Kritik 1928 sofort zurückgewiesen. Es sei keineswegs so, dass sie die »Verlagsverhältnisse vergifte«, es beste-——————— 101 Ferdinand Springer über den Verlagsausschuss der Notge-meinschaft, zwölfseitiges Memorandum vom 5.8.1927 (Heidel-berg, Springer Verlagsarchiv, SA 1.20).

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he »aber die wunderliche Vorstellung, als wenn in Berlin ein großer Topf wäre, aus dem unentwegt, na-mentlich von den Verlegern, geschöpft werden kön-ne«.102 Die auch von Wissenschaftlerseite geübte Kritik an den Vergabemodalitäten führte allerdings dazu, dass die Anzahl der geförderten Titel nach 1927 rückläufig war. Im Falle der Mathematik bei-spielsweise war die für die Werke von Lothar Heffter und Paul Bachmann (siehe Förderungsübersicht oben) bewilligte Summe von Felix Klein und Ludwig Bie-berbach als zu hoch eingeschätzt worden, und es wurde bemängelt, dass die Vergabe auf nur einem einzigen Fachgutachten basierte.103

Zu verstehen sind Springers Monita vor dem Hin-tergrund der in den 1920er Jahren zunehmenden Kritik an den Preisen seiner Verlagsprodukte im Inland, besonders aber auch im Ausland. Selbst Courant hatte schon 1925 geschrieben: »jedesmal wenn ich den Preis von Gauss’ Werken sehe, erschrecke ich etwas.«104 Den Verzicht auf Subventionen kompensierte Springer mit der entsprechenden Gestaltung seiner Ladenpreise. Er hatte schon 1920 die Ladenpreise gegenüber dem Vorkriegsjahr 1913 um 468 % erhöht, im Vergleich da-zu waren die Preiserhöhungen bei de Gruyter (188 %) und Teubner (286 %) geradezu moderat.105 Mit einem Durchschnittsladenpreis von 44,64 Mark stand Sprin-ger 1920 an der Spitze aller deutschen wissenschaftli-chen Verlage (de Gruyter: 13,06 Mark, Teubner: 11,75 Mark)106, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass bei den Springerschen Durchschnittsladenpreisen auch hoch-preisige, aufwändig ausgestattete medizinische Werke zu Buche schlugen.

Besonders seine Zeitschriftenpreise wurden als viel zu hoch angesehen. Am 23. Juli 1928 veröffentlichte die schwedische Zeitung Svenska Dagbladet einen Bericht, in dem insbesondere die Bücher und Zeit-schriften aus dem Hause Springer als »maßlos teuer« gebrandmarkt wurden:

Sicherlich sind nicht nur deutsche Bücher teuer, aber einige der größten Verleger, darunter vor al-lem Julius Springer in Berlin, haben zweifellos in dieser Hinsicht einen Rekord geschlagen. Der au-ßerordentlich produktive Springersche Verlag über-schwemmt die wissenschaftliche Welt auf allen Forschungsgebieten. Der Inhalt ist oft von hoher

——————— 102 So der damalige Vorsitzende des Verlagausschusses Ernst Heymann, in: Deutsche Forschung. Aus der Arbeit der Notge-meinschaft der Deutschen Wissenschaft (Deutsche Forschungsge-meinschaft). Heft 7: Bericht über die Mitgliederversammlung vom 1. Dezember 1928. Berlin: Siegismund 1929, S. 23f. 103 Ludwig Bieberbach an den Schatzmeister der DMV, Adolf Krazer, 22.5.1922 (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/70). 104 Courant an die Hirschwaldsche Buchhandlung am 10.8. 1925, weitergeleitet an Springer am 14.8.1925 (Heidelberg, Sprin-ger Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], G 20). 105 Vgl. die Gegenüberstellung bei Grieser, Tabelle 9, S. 174. 106 Grieser.

Klasse, die Ausstattung von noch höherer, aber am allerhöchsten in der Reihe steht der Preis, der nicht selten phantastisch erscheint.107

Die Vielzahl der auf dem deutschen Markt konkurrie-renden wissenschaftlichen Zeitschriften wurde von den Wissenschaftlern jedoch meist als Vorteil emp-funden, auch wenn es schon seit der Jahrhundertwen-de in der mathematischen Disziplin Versuche gegeben hatte, das Zeitschriftenwesen zu reformieren.108 Die Bindung von Zeitschriften an (konkurrierende) aka-demische Schulen stand diesen Bemühungen oft ent-gegen wie auch die Gründung neuer Periodika für hochspezialisierte, kleine Forschungszweige dem Ver-leger den Vorteil brachte, Nischen zu besetzen und so auf längere Zeit Konkurrenten fernzuhalten.

Zu einer Einigung in der Zeitschriftenfrage zwi-schen Verlegern, Wissenschaftlern und Bibliothekaren kam es erst im August 1933 (Preisnachlass von 20 Prozent für Bibliotheken), auf internationaler Ebene im Oktober 1933 auf der Jahrestagung der American Library Association in Chicago, zu der der Börsenver-ein des Deutschen Buchhandels Ferdinand Springer und den Verleger des Verlags Chemie, Hermann De-gener, als deutsche Vertreter entsandt hatte.109 Wissenschaftliche und staatliche Interessen beim Buch- und Zeitschriftenexport Neben den grundsätzlichen Finanzierungsproblemen in den einzelnen Disziplinen und des Zeitschriften-imports bestand das zusätzliche Problem des fast völlig zum Erliegen gekommenen Buchexports.110 Von 1913 bis 1924 ging der Export auf dem gesam-ten deutschen Buchmarkt um 60 % zurück, wobei es sich dabei in erster Linie um wissenschaftliche Bü-cher und Zeitschriften handelte.111 Der Buchexport hatte nicht nur wirtschaftliche Bedeutung für die einzelnen Verlage und lag im Interesse der Wissen-schaftler, sondern war darüber hinaus ein kultur-——————— 107 Vgl. die deutsche Übersetzung des Artikels bei Ferdinand Springer: Die Preise der deutschen wissenschaftlichen Zeitschrif-ten und das Ausland. Nach einem am 9.11.1928 vor der Arbeits-gemeinschaft wissenschaftlicher Verleger gehaltenen Referat. Mit einem Anhang: Beiträge zur Psychologie des In- und Auslandes. Als Manuskript gedruckt 1928. Anlage 1, S. 25. 108 Dazu siehe Tobies: Zu Veränderungen im deutschen ma-thematischen Zeitschriftenwesen; Hashagen: Walther von Dyck (1856–1934). 109 Vgl. Georg Leyh: Die Zeitschriftenreform und das Ab-kommen von Chicago vom 18.10.1933. In: Zentralblatt für Biblio-thekswesen 51 (1934), S. 81–97. 110 Zum Buchexport und Auslandsbuchhandel vgl. Grieser, Inflation. 111 Vgl. die Angaben z. B. in Friedrich Schmitt-Ott: Denk-schrift über den Rückgang in der Verbreitung deutscher wissen-schaftlicher Werke und Zeitschriften im Auslande. Als Handschrift gedruckt. Berlin 1925, S. 4.

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Wissenschaftliche und staatliche Interessen beim Buch- und Zeitschriftenexport 207

politischer Faktor, so dass diesem Thema auch von staatlicher Seite erhöhte Aufmerksamkeit zukam. Die Beantwortung der Frage »Welche Folgen hat das für das Reich?«112 eröffnete eine Diskussion, an de-nen sich Verleger, Wissenschaftler und Politiker betei-ligten. Im Februar 1920 formulierte Adolf von Har-nack (1851–1930), der Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (1911–1930), im Auftrag der Preußi- schen Akademie der Wissenschaften eine Eingabe an die Nationalversammlung in Weimar, in der es hieß:

Zu den vitalen Notwendigkeiten des Staates gehört auch die Erhaltung derjenigen großen Aktiv- posten, die er noch besitzt. Unter diesen Aktivpo- sten kommt der deutschen Wissenschaft eine her-vorragende Stelle zu. Sie ist die wichtigste Vor-aussetzung nicht nur für die Erhaltung der Bildung im Lande sowie für die Technik und Industrie Deutschlands, sondern auch für sein Ansehen und seine Weltstellung, von der wiederum Geltung und Kredite abhängen. Diese Tatsachen sind so be-kannt, dass sie einer näheren Darlegung nicht be-dürfen. Vor dem Kriege gründete sich das Anse-hen Deutschlands auf seine Militärmacht, seine Industrie (und Handel) und seine Wissenschaft; in der letzteren hatte es in einigen Hauptzweigen die Führung und stand nirgendwo an zweiter Stelle; unermeßlich ist der geistige und auch der materiel-le Einfluß, den es durch die Wissenschaft ausgeübt hat. Nun aber ist die Militärmacht vernichtet, und Industrie und Handel sind aufs äußerste ge-schwächt; die Wissenschaft aber, trotz des Ver- lustes von tausenden ihrer Träger, steht noch immer aufrecht, doch droht auch ihr der Untergang.113

Harnack gab der durchaus verbreiteten Auffassung Ausdruck, dass die Wissenschaft in Deutschland zu den wenigen Gebieten zählte, auf denen man noch ungeschlagen sei. Natürlich gehörte dieser rhetori-sche Kunstgriff zu den Standardargumenten, wenn es darum ging, der in finanzieller Hinsicht notleidenden Wissenschaft in Deutschland neue Ressourcen zu eröffnen oder doch zumindest die alten nach Mög-lichkeit zu erhalten.

Wie die Schwierigkeiten, die für die Verleger hin-sichtlich der Fortführung der wissenschaftlichen Zeit-schriften entstanden, auch an maßgebender Stelle beurteilt wurden, geht aus nachfolgender Äußerung des Unterstaatssekretärs Becker in den Verhandlun-gen des Staatshaushalts-Ausschusses hervor:

——————— 112 Vgl. die Angaben bei Eduard Wildhagen: Die Not der deutschen Wissenschaft, S. 1. 113 Zitiert nach Notker Hammerstein: Die Deutsche For-schungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur 1920–1945. München: C. H. Beck 1999, S. 33.

Die Achtung vor der deutschen Wissenschaft rührt nicht von den grossen Instituten und Museen her, sondern von der tiefgrabenden und emsigen Ge-lehrtenarbeit, die durch die deutschen wissen-schaftlichen Zeitschriften in der ganzen Welt ver-breitet werden. Die hierfür aufgewendeten Jahr- oder Hunderttausende bedeuten für das deutsche Ansehen viel mehr als die Millionen, die für Aus-landspropaganda von Seiten des Reiches ausgege-ben werden. Deshalb ist die Frage der wissen-schaftlichen Zeitschriften eine der brennendsten Fragen unserer ganzen Kulturpolitik überhaupt. Die Verleger können selbst die grossen wissen-schaftlichen Organe nicht mehr aufrecht erhalten. Auf diesem Gebiete droht die Gefahr, dass alles durch Konkurrenzgründungen des Auslandes tot gemacht wird. Deshalb muss hier etwas Grosszü-giges und zwar bald geschehen.114

Insgesamt kam der Reintegration der deutschen Wis-senschaftler in das internationale Beziehungsgeflecht nicht nur eine hohe Bedeutung für den Fortgang der Wissenschaft im Deutschen Reich zu – obwohl über das Ausmaß der tatsächlichen Boykottfolgen insbe-sondere im Vergleich zu den materiellen Engpässen kaum konkrete Daten in der historischen Literatur zu finden sind115 – sondern spielte auch eine wichtige Rolle in der offiziellen Außenpolitik. So hatte man im Auswärtigen Amt in den frühen 1920er Jahren großes Interesse daran, den Boykott schnellstmöglich zu beenden und sich als verlässlicher, aufrichtiger Partner zu profilieren.116

Die staatlichen Interessen am privatwirtschaftlich organisierten und finanzierten Buchexport und der damit ideell verbundenen »Weltgeltung des deut-schen wissenschaftlichen Buches«117 sind auch im Zusammenhang mit der gleichzeitig enorm anstei-genden Buchausfuhr Frankreichs zu verstehen. Auf der im Dezember 1923 vom Auswärtigen Amt einbe-rufenen Besprechung, an der Vertreter aus Wissen-schaft und Verlagsbuchhandel teilnahmen, wurde festgestellt, dass im gleichen Maß, wie der deutsche Export rückläufig war, der französische mit staatli-

——————— 114 Zitiert nach: Konrad Giesecke an Friedrich Engel, 16.1.1920 (Gießen, Universitätsarchiv, NE 120244). 115 Dazu Brigitte Schröder-Gudehus: Internationale Wissen-schaftsbeziehungen und auswärtige Kulturpolitik 1919–1933. Vom Boykott und Gegen-Boykott zu ihrer Wiederaufnahme. In: Rudolf Vierhaus/Bernhard vom Brocke (Hrsg.): Forschung im Spannungs-feld von Politik und Gesellschaft. Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. Stuttgart: DVA 1990, S. 85–885, 861f. 116 Dazu siehe Schröder-Gudehus: Deutsche Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit 1914–1928. 117 So der Titel bei Oldenbourg: Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Schrifttums. Vgl. auch Bruno Hauff: Die Aufgaben des wissenschaftlichen Verlages für die Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Buches. Leipzig: Thieme 1931.

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cher Unterstützung florierte. 1924 meldete der Jah-resbericht des Maison du Livre Français, dass sich der Umsatz im französischen Buchausfuhr gegenüber 1923 verdoppelt habe. Diese Entwicklung wurde von deutscher Seite als kulturpropagandistische Bedro-hung empfunden.118

In den Verhandlungen der Notgemeinschaft mit Vertretern des Börsenvereins des Deutschen Buch-handels und Verlagsbuchhändlern, u. a. mit de Gruy-ter-Verleger von Crayen, am 29. November 1924 wurde beschlossen, das Reichswirtschaftsministeri-um, das Reichsinnenministerium sowie das Auswär-tige Amt zu durchgreifenden Maßnahmen aufzufor-dern, da die Weltgeltung der deutschen Wissenschaft bedroht sei. Als Beispiel für eine fatale Entwicklung wurde neben Schweden und Ungarn auch Italien ge-nannt, wo »Bibliotheken die deutsche Literatur abbe-stellten, wenn sie gleichwertige französische umsonst oder zu niedrigeren Preisen erhalten können. Frank-reich habe jährlich 63 Millionen Frcs für Propagan-dazwecke zur Verfügung.«119 Auch die finanzielle Förderung von Gründungen französischer Buchhand-lungen im Ausland (Schweiz, Schweden, Niederlan-de, Norwegen und Dänemark) durch den französi-schen Staat wurde als Bedrohung gewertet.

Als Lösung des Export-Problems besonders auf dem Gebiet der Zeitschriften wurden von der Not-gemeinschaft und dem Börsenverein Leitsätze verab-schiedet, deren Kern aus der Forderung nach Einrich-tung eines staatlichen Zeitschriftenfonds aus Reichs-mitteln bestand. Dieser sollte wissenschaftliche Zeit-schriften, »die für die Verbreitung im Auslande von Bedeutung sind«, zur Herabsetzung des Verkaufs-preises unterstützen. Etwa 400 deutsche Zeitschriften seien betroffen. Man verständigte sich darauf, dass dieser Antrag streng vertraulich an das Wirtschafts-ministerium weitergeleitet werden sollte, »auch in die Presse dürfe die Sache erst später kommen, denn das Ausland dürfte nicht darauf aufmerksam gemacht werden«. Im März 1925 reagierte das Reichswirt-schaftsministerium mit einem vertraulichen Schrei-ben an das Innenministerium, in dem betont wurde, das von der Notgemeinschaft und dem Börsenverein angestrebte Ziel verdiene grundsätzlich jede Förde-rung »welche die Finanzlage des Reiches irgend zulässt«.120 Konkrete Vereinbarungen wurden aller-dings nicht getroffen.

——————— 118 Vgl. dazu Schmitt-Ott: Denkschrift über den Rückgang in der Verbreitung deutscher wissenschaftlicher Werke und Zeit-schriften im Auslande, S. 4. 119 Vgl. zum Folgenden Karl Siegismund: Niederschrift über Verhandlungen mit Vertretern des Vorstandes des Börsenvereins und der Verlags-Buchhandels am 29.11.1924 (Abschrift in: Berlin, Staatsbibliothek, de Gruyter-Archiv, Dep. 42, Mappe Nr. 86). 120 Vgl. das vertrauliche Schreiben des Reichswirtschaftsmi-nisters an das Reichsministers des Innern vom 24.3.1925 (Ab-

Nicht nur aus wissenschaftlicher und politischer Perspektive war ein florierender Absatz deutscher wis-senschaftlicher Publikationen im Ausland wünschens-wert, sondern auch aus Verlegerperspektive. Wilhelm von Crayen hatte der DMV gegenüber in seiner Ver-teidigung des Valuta-Aufschlags beim Export schon geäußert, dass der Gewinn aus dem Export von Bü-chern und Zeitschriften auch den Inlandspreisen zugu-te komme und für den Verlag von hoher ökonomi-scher Bedeutung sei (siehe oben). Als Beleg lässt sich Crelles Journal heranziehen: von den ersten beiden Heften des 153. Bandes dieser Zeitschrift setzte de Gruyter 1923 insgesamt 236 Exemplare im Inland ab und erzielte einen Erlös von rd. 3,47 Milliarden Mark, im Ausland hingegen wurden zwar nur 126 Exempla-re verkauft, der Erlös betrug allerdings rd. 4,63 Milli-arden Mark.121 Lukrative Mathematik? Die Grundlehren-Reihe bei Springer Giesecke-Teubner hatte als Argument für seinen weit-gehenden Rückzug aus dem mathematischen Buch-markt angeführt, Mathematik sei kein lukratives Ver-lagssegment und müsse durch andere Verlagsobjekte gestützt werden. Wie sich die Finanzsituation im Hause Teubner konkret darstellte, lässt sich kaum rekonstruieren. Dass die mathematischen Publikatio-nen aber durchaus kein defizitäres Geschäft bedeuten mussten, lässt sich am Erfolg der mathematischen Bändchen in der Sammlung Göschen ablesen, mit der sich der Verlag Walter de Gruyter auf dem Lehr-buchmarkt einen Namen gemacht hatte.122 Zwei Bei-spiele mögen dies belegen: 1. Vom 47. Bändchen der Sammlung Göschen wur-

den 1896 bis 1913 insgesamt 36.012 Exemplare verkauft. Der Gesamtgewinn lag bis 1911 bei 16.945,07 Mark (vgl. Tab. 2).

2. Vom 51. Bändchen der Sammlung Göschen wurden bis 1913 insgesamt 74.462 Exemplare verkauft. Der Gesamtgewinn bis 1911 betrug 12.840,30 Mark (vgl. Tab. 3).

schrift in: Berlin, Staatsbibliothek, de Gruyter-Archiv, Dep. 42, Mappe Nr. 86). 121 Vgl. Kalkulationen Abt. Göschen, 1922–1939 (Berlin, Staatsbibliothek, de Gruyter-Archiv, Dep. 42: 593). 122 Vgl. hierzu die positive Einschätzung in Paul Stäckel: Die Lehrbücher für Studierende des Ingenieurwesens. In: Abhandlun-gen über den mathematischen Unterricht in Deutschland. Hrsg. von Felix Klein. Band 4: Die Mathematik an den Technischen Schulen. Leipzig: B. G. Teubner 1915, S. 159: »Außerordentlich beliebt und verbreitet sind bei den Studierenden die Bändchen der Sammlung Göschen, die sich durch billigen Preis (90 Pf.) und hübsche Ausstat-tung auszeichnen. Daß bei einem Umfang von 150 bis höchstens 200 Seiten Kleinoktav nur eine beschränkte Auswahl des Stoffes geboten werden kann, ist selbstverständlich. Indessen hat die Ver-lagsbuchhandlung Mitarbeiter zu gewinnen gewußt, die mit Sach-kenntnis und anerkennenswertem Geschick gearbeitet haben.«

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Lukrative Mathematik? Die Grundlehren-Reihe bei Springer 209

Bereits seit 1899 wurde in der G. J. Göschen’schen Verlagshandlung parallel zur Sammlung Göschen die Sammlung Schubert, eine Sammlung mathematischer Lehrbücher publiziert, in die bis 1921 mehr als 60 Titel aufgenommen wurden. Sie wurde mit der aus-schließlich auf die Mathematik konzentrierten Reihe Göschens Lehrbücherei (Gruppe 1 – Reine Mathe-matik) weitergeführt, die 1921 mit Oskar Perrons Irrationalzahlen gestartet wurde. Noch im selben Jahr wurden drei weitere mathematische Titel auf den Markt gebracht, die alle mehrere Auflagen erlebten.

Auch Ferdinand Springer rechnete sich als erfah-rener Verleger sicher einen pekuniären Vorteil beim Aufbau und der weiteren Etablierung des neuen Ver-lagszweigs aus, da sein Unternehmen trotz der oben schon angesprochenen »ideellen Seite« der Verlags-tätigkeit die Aufnahme der Mathematik nicht vol-lends uneigennützig betreiben wollte.

Die in seinem Verlag ab 1921 auf den Markt ge-brachte Reihe Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, die bis heute als sogenannte »Gelbe Reihe« eine international bekannte Marke bei Sprin-ger darstellt, ging auf die Initiative Richard Courants zurück, kam also aus der Wissenschaft selbst, wurde aber von Springer sofort begrüßt, denn nach Grün-dung der Mathematischen Zeitschrift 1917 musste er weitere mathematische Titel folgen lassen, um als mathematischer Fachverlag von den Wissenschaft-lern wahrgenommen zu werden. Dies war mit Hilfe einer gut durchdachten, qualitativ überzeugenden Reihe, die auch in ihrer äußeren Gestaltung einen Wiedererkennungseffekt auf dem Markt hervorrufen konnte, am leichtesten zu erreichen. Die Herausgabe einer neuen (Lehrbuch-)Reihe lag auch im Interesse der Disziplin, denn »schon vor dem Kriege macht sich empfindlicher Mangel an Deutschen mathemati-schen Lehrbüchern fühlbar, welche weniger den Charakter von Monographien tragen, sondern den pädagogischen Zweck voranstellen«.123 Spätestens ab 1918 entwickelte Courant einen inhaltlichen Plan, der sich an den Bedürfnissen der universitären Lehre ausrichtete und moderne Strömungen der Göttinger Mathematik aufnahm. Neben der zielgruppengerech-ten Aufbereitung mathematischer Stoffe für Studie-rende sollte die Reihe auch für Wissenschaftler ge-dacht sein, die keine Mathematiker waren, aber mathematische Kenntnisse anwenden mussten, wie Physiker, Chemiker und Ingenieure. Courant gelang es, die bekanntesten deutschen Mathematiker als Mitherausgeber der Reihe und als Autoren zu gewin-nen, und am 28. November 1918 unterzeichneten Courant, Blaschke, Runge und Born den Herausge-bervertrag. Courant hatte durchaus solche Titel vor ——————— 123 Richard Courant, Entwurf eines Rundschreibens, Beilage zum Brief an Springer vom 30.1.1919 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I).

Augen, die »Aussicht auf buchhändlerischen Erfolg« versprachen, denn dies war »das wichtigste, für den Augenblick«. Das anhaltend angespannte Verhältnis der Mathematikergemeinschaft zum Teubner Verlag machte auch die Autorenakquisition »unter den au-genblicklichen Verhältnissen leicht«.124

Die Reihe lief gut an und entwickelte schnell Mar-kencharakter. Eine Übersicht der ersten neun Titel, die bis Ende 1923 herauskamen, zeigt, dass die je-weilige Deckungsauflage selbst in der Inflationszeit meist nach kurzer Zeit erreicht wurde. Der gute Ab-satz der Bände machte relativ schnell eine zweite oder dritte Auflage erforderlich und damit stellte die »Gelbe Reihe« kein defizitäres Geschäft dar (siehe Tabelle 4).125

Die Reihe nahm im Gefüge vergleichbarer Ver-lagsprodukte der Zeit (z. B. Göschens Lehrbücherei) in verschiedener Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die Themen wurden mit besonderer Sorgfalt ausge-wählt, denn Ziel war es nicht, zu wohlbekannten abgeschlossenen Teilgebieten der Mathematik den schon vorhandenen Darstellungen eine weitere hin-zuzufügen, sondern im Gegensatz dazu echte Lücken zu füllen und neue Ergebnisse erstmals in Form von Lehrbüchern zu präsentieren, z. B. Vorlesungen über allgemeine Funktionentheorie von Adolf Hurwitz und Richard Courant (Band 3, 1922), Die Theorie der Gruppen von Andreas Speiser (Band 5, 1923), Theorie der Differentialgleichungen von Ludwig Bie-berbach (Band 6, 1923), Vorlesungen über Topologie von Béla Kerékjárto (Band 8, 1923) und Der Ricci-Kalkül von Jan Arnoldus Schouten (Band 10, 1924). Dies hatte naturgemäß zur Folge, dass die Werke der Reihe inhaltlich häufig an aktuelle Forschungsfragen heranführten. Der Ehrgeiz vieler Autoren galt dar-über hinaus dem Ziel, das Maß an vorausgesetztem mathematischem Wissen möglichst gering zu halten, sodass auch junge Studierende von den Büchern profitieren konnten, wie die Rezensenten häufig betonten.126 Der Anspruch war allerdings meist inso-fern hoch gesetzt, als dass durch den stringenten und zielgerichteten Aufbau hohe Anforderungen an das abstrakte und strukturierte Denkvermögen gestellt wurden. Bisweilen war dies in der Rezeption auch Gegenstand von Kritik, da Studierende diese Fertig-keit erst im Verlaufe ihres Studiums erwerben könn-ten. Vergleichbare Bücher in Göschens Lehrbücherei waren nur Oskar Perrons Irrationalzahlen (1921) und Felix Hausdorffs Mengenlehre (1927; zuerst 1914 als Grundzüge der Mengenlehre bei Veit & Comp.). ——————— 124 Courant an Springer am 20.1.1919 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 125 Absatzstatistiken – auch weiterer Bände – befinden sich in der Korrespondenz von Richard Courant mit Ferdinand Springer (Heidel-berg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67). 126 Dazu etwa die Rezensionen der ersten beiden Bände in den Monatsheften für Mathematik 32 (1922), S. 30f., und 33 (1923), S. 9f.

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210 Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik

Schubert, Hermann: Arithmetik und Algebra. Leipzig: Göschen 1896. (Sammlung Göschen 47). 2. durchgesehene Auflage 1898, 2. Auflage Neudrucke 1900, 1903, 1906, 1907, 1911, 1914, 1917, 1918, 1919, 3. von Paul Fischer neubearbeitete Auf-lage 1923, 4. von Paul Fischer neubearbeitete und erweiterte Auflage 1926, weitere Auflagen mit verändertem Titel unter Fischers Namen Tab. 2: Absatz und Gewinn des Bandes 47127

1896 1896/97 1897/98 1898/99 1899/00 1900/01 1901/02 1902/03 1903/04 1904/05

Abgesetzte Ex. 210 1989 2310 2313 2641 2777 2913 3032 3559 2757 Gewinn in Mark 425.71 38.95 218.71 714.11 817.64 943.67 962.16 1021.27 1216.52 842.21

1905/06 1906/07 1907/08 1908/09 1909/10 1910/11 1911 1912 1913

Abgesetzte Ex. 2777 3154 3957 2954 3403 3388 1892 4189 2642 Gewinn in Mark 617.54 801.98 1329.16 967.31 1479.51 1088.63 654.57 k.A. k.A.

Bürklen, Otto Th.: Formelsammlung und Repetitorium der Mathematik. (Sammlung Göschen 51). Enthaltend die wichtig- sten Formeln und Lehrsätze der Arithmetik, Algebra, algebraischen Analysis, ebenen Geometrie, Stereometrie, ebenen und sphärischen Trigonometrie, mathematischen Geometrie, analytischen Geometrie der Ebene und des Raumes, der Differenti-al- und Integralrechnung. Leipzig: Göschen 1898, 2. Auflage 1898, 2. Auflage/2. Abdruck 1899, 2. Auflage/3. Abdruck 1901, 2. Auflage/4. Abdruck 1903, 3. durchgesehene Auflage 1904, 3. Auflage/2. Abdruck 1906, 3. Auflage/3. Abdruck 1907, 3. Auflage/4. Abdruck 1909, 3. Auflage/ durchgesehener Neudruck 1912, 3. Auflage/ durchgesehener Neudruck 1915, 3. Auflage/Neudruck 1918, 3. Auflage/Neudruck 1920, 3. Auflage/Neudruck 1922, 3. Auflage/Neudruck 1923; von F. Ringleb vollständig umgearbeitete Neuausgabe als Mathematische Formelsammlung 1927, 1. Auflage/Neudruck 1928, 2. verbesserte Auflage 1931, 3. Auflage/Neudruck 1936, 3. Auflage/Neudruck 1939. Tab. 3: Absatz und Gewinn des Bandes 51128

1896 1896/97 1897/98 1898/99 1899/00 1900/01 1901/02 1902/03 1903/04 1904/05

Abgesetzte Ex. 446 4112 (II) 4037 (I) 4555 (I) 5131 (I) 5318 (I) 5839 (I) 6016 (I) 7822 (I) 6480 (I)

Gewinn 368.62 779.48 159.02 740.13 1404.78 1541.77 1772.47 1760.96 2549.04 1727.72

1905/06 1906/07 1907/08 1908/09 1909/10 1910/11 1911 1912 1913

Abgesetzte Ex. 6354 (I) 7165 (I) 7644 (I) 7145 7645 7749 3143 9040 7065

Gewinn 1885.60 2176.86 2342.50 2091.09 2317.64 2262.43 908.20 k.A. k.A. 127 128 Für forschende und angehende Mathematiker bot die Reihe ein hohes Maß an Identifikationsmöglichkei-ten. Sie repräsentierte sowohl den neuesten Stand der Entwicklungen als auch die für die Mathematik der Zeit paradigmatische Strenge und Klarheit, welche im Idealfall verbunden war mit einer verständlichen Darstellung. Die Verbindung von »Strenge« und »Fasslichkeit« galt als eines der erstrebenswertesten ——————— 127 Absatz-, Gewinn- und Verlust-Statistik der Sammlung Gö-schen 1896–1915 (Berlin, Staatsbibliothek, Archiv de Gruyter, Dep.42, 314 und 315). 128 Absatz-, Gewinn- und Verlust-Statistik der Sammlung Gö-schen 1896–1915 (Berlin, Staatsbibliothek, Archiv de Gruyter, Dep.42, 314 und 315).

Ziele in der Diskussion um adäquate Lehrbuchlitera-tur nach 1900.129 Ein wichtiges Anliegen der Zeit war die angemessene Berücksichtigung der mathemati-schen Anwendungen. Dieses wurde in den Grundleh-ren nicht nur im Reihentitel, sondern auch in der Auswahl der Werke, von denen etwa 30 % der an-wandten Wissenschaft in der Mathematik zugerech-net werden können, umgesetzt.

——————— 129 Dazu siehe die Bemerkungen bei Susann Hensel: Die Aus-einandersetzungen um die mathematische Ausbildung der Ingeni-eure an den Technischen Hochschulen in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts. In: Susann Hensel/Karl-Norbert Ihmig/ Michael Otte: Mathematik und Technik im 19. Jahrhundert in Deutschland. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1989, S. 1–111, bes. S. 34–42: Zur Lehrbuchsituation. Eine genauere Untersuchung der mathematischen Lehrbuchliteratur ist im Rahmen unseres Projek-tes in Vorbereitung.

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Lukrative Mathematik? Die Grundlehren-Reihe bei Springer 211

Tab. 4: Titel- und Auflagenübersicht der Reihe »Grundlehren der mathematischen Wissenschaften«

Band Autor Titel Auflagen-höhe

Kosten-deckung erschienen

Deckung erreicht nach:

1 Blaschke Differentialgeometrie I 1500 770 1921 1 Jahr Differentialgeometrie I, 2. Aufl. 2000 896 1924 2 Jahren Differentialgeometrie I, 3. Aufl. 2000 1353 1929 4 Jahren

2 Knopp Unendliche Reihen 1200

750 (ab 1.7.22:

935) 1921

1 Jahr

Unendliche Reihen, 2. Aufl. 1750 990 1924 2 Jahren

Unendliche Reihen, 3. Aufl. 1500 1151 1931 mehr als 5 Jahren

3 Hurwitz/Courant Funktionentheorie 1500 1209 1922 1 Jahr Funktionentheorie, 2. Aufl. 1800 1382 1925 2 Jahren Funktionentheorie, 3. Aufl. 2000 1290 1929 2 Jahren

4 Madelung Mathematische Hilfsmittel des Physikers 2000 1044 1922

2 Jahren

Mathematische Hilfsmittel des Physikers, 2. Aufl. 2000 1523 1925

6 Jahren

Mathematische Hilfsmittel des Physikers, 3. Aufl. 2000 1182 1936

k.A.

5 Speiser Gruppentheorie 1200 611 1923 1 Jahr Gruppentheorie, 2. Aufl. 1500 1068 1927 5 Jahren Gruppentheorie, 3. Aufl. 1500 838 1937 1 Jahr 6 Bieberbach Differentialgleichungen 2000 1105 1923 1 Jahr

Differentialgleichungen, 2. Aufl. 2000 1527 1926

3 Jahren

Differentialgleichungen, 3. Aufl. 2500 1887 1930

mehr als 5 Jahren

7 Blaschke Differentialgeometrie II 3000 710 1923 1 Jahr 8 Kerékjártó Topologie (I) 1500 728 1923 1 Jahr 9 Fraenkel Mengenlehre (2. Aufl.) 1500 768 1923 1 Jahr Mengenlehre, 3. Aufl. 1500 1116 1928 4 Jahren

Die Grundlehren standen somit für das Selbstver-ständnis der Mathematik als lebendige, gleichzeitig axiomatisch strenge Wissenschaft mit hoher natur-wissenschaftlich-technischer Relevanz. Die Mehrheit der Einzelbände waren Produkte am Puls der Zeit, so dass ihr Verkaufserfolg rückblickend verständlich ist.

Trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen war die Mathematik in den Jahren der Weimarer Repu-blik ein potentiell lukrativer Publikationszweig, so-fern die Verleger die Produkte angemessen aufbereite-ten. Entscheidend für den ökonomischen Erfolg waren nicht zwingend die staatlichen Unterstützungsmaß-nahmen, sondern wichtiger war die Bindung renom-mierter Autoren an einen Verlag und die inhaltliche Ausgestaltung des Verlagsprogramms an den Bedürf-nissen der sich stets weiterentwickelnden und ausdiffe-renzierenden mathematischen Disziplin. Unter den

konkurrierenden Unternehmen auf dem mathemati-schen Markt waren de Gruyter mit der Sammlung Göschen und dem Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik sowie Springer mit der Grundlehren-Reihe, den Mathematischen Annalen und der Mathe-matischen Zeitschrift letztlich ökonomisch erfolgrei-cher und boten prestigeträchtigere Werke an als der stark subventionierte Verlag B. G. Teubner.

Für eine weitere Analyse der Entwicklung des ma-thematischen Publikationswesens – auch über den Zeitraum der Weimarer Republik hinaus – wird eine zentrale Frage sein, wie es zu einer adäquaten Gestal-tung mathematischer Publikationen kam. Die For-schungsliteratur geht in der Regel von einem fertigen Produkt, nämlich dem geschriebenen mathemati-schen Buch (oder im weitesten Sinne, einem bereits verfassten wissenschaftlichen Text) aus, das dann als

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212 Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik

solches auf einen »sich stetig differenzierenden Markt« kommt.130 Demgegenüber stellt sich die Fra-ge, wer entscheidet, welches Wissen in welcher Form zugänglich gemacht wird und an welches Publikum sich das Endprodukt richtet. Zwar wird in der Litera-tur Kommunikation häufig als definierendes Merk-mal von Bildung und Entwicklung wissenschaftlicher Disziplinen angeführt, gleichwohl sind wir über ei-nen zentralen Bereich wissenschaftlicher Kommuni-kation sehr unzureichend unterrichtet, nämlich den Prozess des kommunizierbar Machens von Wissen, der schließlich vom Gedachten und mündlich Mitge-teilten zu den Druckerzeugnissen führt. Es wäre eine Fehlhypothese, davon auszugehen, dass (mathemati-sches) Wissen per se kommunizierbar ist, dass es ohne weiteres lehrbar, lernbar und verwendbar bzw. benutzbar ist. Die Kommunizierbarkeit ist Ergebnis eines – häufig langwierigen – Prozesses. Für den wissenschaftlichen Verleger kommt es darauf an, Wissensbestände zu erschließen, die entweder bereits kommunizierbar sind oder kommunizierbar gemacht werden können, aus ihnen eine Auswahl zu treffen und abzuschätzen, welche Ziel- bzw. Käufergruppen erreicht werden können. Unterstützung erhält er da-bei durch die jeweils spezifischen Verlagsberater: Ohne Richard Courant wäre es Springer wohl trotz des Teilrückzugs des Verlages Teubner kaum gelun-gen, in den mathematischen Markt einzusteigen. Das Feld zwischen Wissenschaft, Verlagsberater und Verleger, in dem sich verschiedene Interessenlinien kreuzen, aber mit Blick auf ein mögliches Buch auch bündeln, ist der historischen Analyse aufgrund der Quellenlage schwer zugänglich, denn der schriftliche Austausch macht häufig nur einen Bruchteil des Kommunikationsnetzes aus, das zum Buch führt. Abkürzungen DMV Deutsche Mathematiker-Vereinigung DPG Deutsche Physikalische Gesellschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure

——————— 130 Müller: Wissenschaft und Markt um 1900, S. 6.

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213

KARSTEN JEDLITSCHKA

Die »Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums«

Zensurfelder und Arbeitsweise am Beispiel des Münchner Lektors Ulrich Crämer

Einleitung Literaturkontrolle und Zensur waren wesentliche Ele-mente nationalsozialistischer Herrschaftssicherung. Eine wichtige Rolle hierbei spielte die »Parteiamtli-che Prüfungskommission zum Schutze des national-sozialistischen Schrifttums« (PPK). Bislang haben sich die Untersuchungen zu dieser Zensurstelle – grund-legend hierzu die Studie von Jan-Pieter Barbian1 – v. a. auf institutionelle und organisatorische Aspekte konzentriert.2 Dies war u. a. eine Folge der schwieri-gen Quellenlage, denn der Aktenbestand der PPK ist bei der Zerstörung der Berliner Dienststelle im Jahr 1943 fast vollständig vernichtet worden, insbesonde-

1 Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im »Dritten Reich«. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, Frankfurt a.M.: Buchhändler-Vereinigung 1993, zur PPK S. 128–137, 231–233. 2 Die Beschäftigung mit der NS-Schrifttumspolitik ist erst relativ spät angelaufen. Volker Dahm hatte noch im Jahre 1983 das Fehlen einschlägiger quellengesättigter Studien zu dieser Thematik als ein »Skandalon deutscher Vergangenheitsbewältigung« be-zeichnet (Volker Dahm: Die nationalsozialistische Schrifttumspo-litik nach dem 10. Mai 1933. In: 10. Mai 1933. Bücherverbren-nung in Deutschland und die Folgen. Hrsg. von Ulrich Walberer. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1983 (Informationen zur Zeit), S. 36–83, S. 77). Aufbauend auf die Studie von Barbian sind seitdem einige Arbeiten entstanden. Vgl. Klaus-Peter Horn: Pädagogische Zeitschriften im Nationalsozialismus. Selbstbehaup-tung, Anpassung, Funktionalisierung. Weinheim: Deutscher Stu-dien-Verlag 1995 (Bibliothek für Bildungsforschung. 3); Jan-Pieter Barbian: Die vollendete Ohnmacht? Das Verhältnis der Schriftsteller zu den staatlichen und parteiamtlichen »Schrifttums-stellen« im »Dritten Reich«. In: IASL 20,1 (1995), S. 137–160; Volker Dahm: Nationale Einheit und partikulare Vielfalt. Zur Frage der kulturpolitischen Gleichschaltung im Dritten Reich. In: VfZ 43 (1995), S. 221–265; Otto Seifert: Die Große Säuberung des Schrifttums. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1933 bis 1945. Schkeuditz: GNN-Verlag 2000; Jan-Pieter Barbian: Der Börsenverein in den Jahren 1933 bis 1945. In: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1825–2000. Ein ge-schichtlicher Aufriss. Hrsg. von Stephan Füssel, Georg Jäger, Hermann Staub. Frankfurt a.M.: Buchhändler-Vereinigung 2000, S. 91–117; Jan-Pieter Barbian: Die Beherrschung der Musen. Kulturpolitik im »Dritten Reich«, in: Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus. Hrsg. von Hans Sarkowicz. Frankfurt a.M./Leipzig: Insel-Verlag 2004, S. 40–74.

re sind nur wenige Zensurakten überliefert.3 Hier möchte der vorliegende Beitrag ergänzend ansetzen. Ausgehend von einem neuen Aktenfund sollen Ge-genstände, Verfahren und Reichweite der von der PPK betriebenen Literaturkontrolle dargestellt und anhand charakteristischer Beispiele illustriert werden. Wie so oft, hat auch hier der Zufall die entscheidende Rolle gespielt.4 In der Personalakte des Münchner Historikers Ulrich Crämer (1907–1992), der zwischen 1937 und 1939 für die PPK als Gutachter arbeitete, fand sich dessen vollständige Korrespondenz mit der Zensurstelle. Besonderen Wert besitzt dieser Akten-fund, weil hier eine Kombination aus Sender- und Empfängerüberlieferung vorliegt. Von jedem fertig gestellten Gutachten behielt Crämer eine Kopie und heftete sie zur zugehörigen Anfrage. Die Unterlagen fanden aus ungeklärten Gründen ihren Weg in Crä-mers Personalakt der Universität, aus dem er nach dem Krieg in die Akten des Bayerischen Kultusmi-nisteriums übernommen wurde.5 Zusammen mit dem Berliner Restaktenbestand bilden diese Unterlagen die Grundlage der folgenden Untersuchung. Crämers Arbeit für die PPK ist zudem in besonderer Weise aufschlussreich, weil sie Einblicke in die Überwa-chung (geschichts-)wissenschaftlicher Literatur er-möglicht. Geschichtswissenschaftlichen Veröffentli-chungen galt neben volkstumspolitischem, außen-politischem und »rassepolitischem« Schrifttum das

3 Im Bundesarchiv (BA Berlin-Lichterfelde NS 11) ist ein im Jahr 1960 bei Aufräumarbeiten in Berlin aufgefundener kleiner Restbestand der ursprünglich sicherlich sehr umfangreichen Re-gistraturen überliefert. Vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 13, 231. 4 Siehe dazu die anregenden Überlegungen bei Arnold Esch: Überlieferungs-Chance und Überlieferungszufall als methodisches Problem des Historikers. In: HZ 240 (1985), S. 529–570. 5 Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA) MK 43500, Korrespondenz Crämer mit PPK (5.2.1937–5.9.1939). Grundlage der folgenden Darstellung sind die einschlägigen Passagen meiner Dissertation, die um einige Beobachtungen ergänzt wurden (Karsten Jedlitschka: Wissenschaft und Politik. Der Fall des Münchner Histo-rikers Ulrich Crämer (1907–1992). Berlin: Duncker & Humblot 2006 (Ludovico Maximilianea. Forschungen. 21), S. 139–160).

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214 Karsten Jedlitschka: Die »Parteiamtliche Prüfungskommission«

besondere Interesse der PPK,6 die sich wegen be-schränkter Ressourcen auf bestimmte Kernbereiche konzentrieren musste.7 Crämers Tätigkeit kann damit zugleich cum grano salis als beispielhaft für diese politische Kontrollarbeit durch Historiker gelten, für die bislang kein Quellenmaterial vorlag. Zensurtätig-keiten sind beispielsweise auch für den Königsberger Historiker Theodor Schieder und den Münchner Dekan der Philosophischen Fakultät und Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Karl Alexander von Müller, belegt.8 Es wird sich zudem zeigen, dass auch für die PPK, wie in fast allen Be-reichen von Verwaltung, Wirtschaft und Wissen-schaft im »Dritten Reich«, das Phänomen polykrati-schen Kompetenzstreites als prägendes Element zu konstatieren ist, sowohl auf institutionell-organisato-rischer als auch auf fachlich-gutachterlicher Ebene.9 6 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/12, Aktennotiz betreffs »Zu-ständigkeit der Dienststelle« 14.7.1941. Vgl. auch das ausführliche Exposé »Zusammenfassung über den Aufgabenkreis der Parteiamtli-chen Prüfungskommission, der für sie gemäß der augenblicklich geltenden Arbeitsgrundlagen und Richtlinien in Betracht kommt« vom 15.9.1939 [7 S.], S. 4 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/6). 7 Jürgen Soenke: Studien über zeitgenössische Zensursyste-me. Frankfurt a.M.: Diesterweg 1941 (Zeitung und Zeit. N.F., Reihe A. 20), S. 69. Soenke war Leiter der Abteilung »Führerre-den« der PPK. Vgl. dazu Barbian: Literaturpolitik, S. 137, 393; Michael Knoche: Wissenschaftliche Zeitschriften im nationalso-zialistischen Deutschland. In: Von Göschen bis Rohwolt. Beiträge zur Geschichte des deutschen Verlagswesens. Festschrift für Heinz Sarkowski zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Monika Estermann und Michael Knoche. Wiesbaden: Harrassowitz 1990 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen. 30), S. 260–281, hier: S. 275–280. 8 Theodor Schieder (1908–1984) wurde anlässlich seiner Königsberger Hausberufung 1942 auf den Lehrstuhl von Rothfels Lektor der PPK (Hans-Ulrich Wehler: Historiker und Nationalso-zialismus. In: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Hrsg. von Winfried Schulze und Otto Gerhard Oexle. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1999, S. 306–339, hier: S. 321). Für den Fall Karl Alexander von Müllers (1882–1964) ließ sich nicht eindeutig klären, ob es sich bei seiner Zensurarbeit um eine einma-lige Begutachtung oder ständige Mitarbeit gehandelt hat (UAM E-II-2517, Telegramm PPK an v. Müller 31.8.1943). Zu von Müller, der sich bereits früh auf die Seite des Nationalsozialismus gestellt hatte, siehe Jedlitschka: Wissenschaft und Politik, S. 107–130, 343–348, 397; Ferdinand Kramer: Der Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte von 1917 bis 1977. In: Im Dienst der Bayeri-schen Geschichte. 70 Jahre Kommission für bayerische Landesge-schichte und 50 Jahre Institut für bayerische Geschichte. Hrsg. von Wilhelm Volkert und Walter Ziegler. 2. Aufl. München: C.H. Beck 1999, S. 351–406, hier: S. 365–378. 9 Während die ältere Forschung von der Schrifttumsbürokra-tie als einem totalem Erfassungsinstrument ausgegangen war (so stellvertretend Dieter Strothmann: Nationalsozialistische Litera-turpolitik. Ein Beitrag zur Publizistik im Dritten Reich. 4. Aufl. Bonn: Bouvier 1985 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. 13), S. 15–21), hat die neuere Forschung übereinstimmend den Konkurrenzkampf der verschiedenen schrift-tumspolitisch ambitionierten Staats- und Parteistellen herausgear-beitet (Barbian: Literaturpolitik, S. 128–137, 366f.; Volker Dahm: Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer. Die »Berufsge-meinschaft« als Instrument kulturpolitischer Steuerung und sozia-ler Reglementierung. In: VfZ (1986), S. 53–84; Norbert Frei:

Professor von Hitlers Gnaden – Der Münchner Historiker Ulrich Crämer (1907–1992) Der Neuzeithistoriker Ulrich Crämer war Ende des Jahres 1939 auf das Münchner Ordinariat für Mittlere und Neuere Geschichte berufen worden.10 Damit hatte er mit erst 32 Jahren das höchste Amt einer akademi-schen Karriere erlangt, noch dazu an einer der re-nommiertesten Hochschulen des Deutschen Reiches. Dies hatte der Jungwissenschaftler vor allem seinem frühen und steten Engagement für den Nationalsozia-lismus zu verdanken. Schon als Student an den Uni-versitäten Heidelberg, Königsberg, Wien und Rostock war er mit völkisch-nationalistischem Gedankengut in Kontakt gekommen. An der »Grenzlanduniversität« Königsberg hatte er sich der »Deutsch-Akademischen Gildenschaft« angeschlossen, einer bündisch verfass-ten Korporation mit volkstumspolitischer Ausrich-tung, in der auch die jungen Historiker Ernst Anrich, Werner Conze oder Theodor Schieder aktiv waren.11 In Wien begeisterte sich Crämer für die ständestaat-lich-autoritären Gedanken seines dortigen Lehrers Othmar Spann (1878–1950), in Rostock folgte der Eintritt in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund, bevor sich Crämer im Februar 1930 der NSDAP anschloss. Nach der Promotion, die er bei Willy Andreas mit einer Arbeit über die Ge-schichte Straßburgs im 16. und 17. Jahrhundert ab-legte,12 ging Crämer nach Weimar, um dort die Grundlagen für seine weitere Karriere zu legen. Zum einen konnte er sich durch eigene Forschungen im Rahmen seiner Mitarbeit im »Carl-August-Werk«, eines von seinem Lehrer Andreas geleiteten Großpro-jekts über den Weimarer Herzog und Freund Goethes Carl August von Weimar, die Basis für die ersehnte akademische Laufbahn schaffen. Andererseits zeigte er durch den Beitritt in SA und SS Ende des Jahres 1930, wie ernst es ihm mit dem Engagement für den

Nationalsozialistische Eroberung der Provinzpresse, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1980, S. 12f.). 10 Im Folgenden nach Jedlitschka: Wissenschaft und Politik. Siehe auch knapp Karsten Jedlitschka: Professor von Hitlers Gna-den: Der Münchner Neuzeithistoriker Ulrich Crämer (1907–1992). In: Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. Hrsg. von Elisabeth Kraus. München: Herbert Utz-Verlag 2006 (Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1), S. 299–344. 11 Zur jugendbewegt-bündischen »Deutsch-Akademischen Gil-denschaft«, die sich als Avantgarde einer neuen völkischen Ge-meinschaft verstand, vgl. Karl-Eckhard Hahn: Geschichte der Deutschen Gildenschaft. In: Schriften der Deutschen Gildenschaft. Sonderheft 3 (1998), S. 23–65; Ingo Haar: »Revisionistische« Historiker und Jugendbewegung. Das Königsberger Beispiel. In: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945. Hrsg. von Peter Schöttler. Frankfurt a.M.: Shurkamp 1997, S. 52–103, hier: S. 54–69. 12 Ulrich Crämer: Die Verfassung und Verwaltung Straßburgs von der Reformationszeit bis zum Fall der Reichsstadt (1521–1681). Frankfurt a.M.: Elsaß-Lothringen Institut 1931.

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Politische Zweckmäßigkeit statt ideologischer Fanatismus: Kontrollverfahren und Zensurpolitik der PPK 215

Nationalsozialismus war. Damit dürfte er innerhalb der Historikerschaft an erster Stelle stehen. Selbst gegenüber der Gruppe der sog. »Gegnerforscher« des SD steht Crämer besonders exponiert da. So trat etwa der Bauernkriegsforscher Günther Franz der NSDAP und SA erst 1933, der SS sogar erst 1935 bei. Auch Historiker, die für den SD arbeiteten – wie Rudolf Levin, Hermann Löffler, Hans Schick oder Walter Wache – schlossen sich erst später der Partei und ihren Gliederungen an.13 Dieser frühe und engagierte Einsatz – Crämer diente in den ersten Monaten nach der sog. »Machtergreifung« auch als Hilfspolizist und Schulungsleiter im »Rasse- und Siedlungsamt« der SS und sekundierte dem Regime publizistisch durch die Verherrlichung des Nationalsozialismus14 – zahlte sich auch bald aus. Im Frühjahr 1934 wurde Crämer, der sich bereits im Jahr 1932 durch eine 150-seitige Denkschrift zur »Reichsreform«, also zur Frage einer territorialen Neugliederung des Deutschen Reiches, profiliert hatte,15 als kommissarischer Refe-rent ins Reichsministerium des Innern nach Berlin bestellt. Parallel konnte er sich, gestützt auf seine guten Beziehungen zur Partei, im Jahr 1934 an der betont nationalsozialistisch ausgerichteten Universi-tät Jena mit einer Studie zur politischen Korrespon-denz von Carl August von Weimar habilitieren.16 Als Ende 1935 alle Arbeiten an der »Reichsreform« ein-gestellt werden mussten, konnte der »Politikberater« Crämer problemlos wieder in die akademische Lauf-bahn wechseln. Nicht zuletzt die Unterstützung des Reichsinnenministers Wilhelm Frick und des Thürin-gischen Gauleiters Fritz Sauckel verhalfen ihm zu-nächst zu einem bezahlten Lehrauftrag an der Jenaer Universität. Ab dem Sommersemester 1936 durfte er den Lehrstuhl des gerade emeritierten Alexander Cartellieri vertreten.

13 Zu den Personen im Einzelnen Joachim Lerchenmüller: Die Geschichtswissenschaft in den Planungen des Sicherheits-dienstes der SS. Der SD-Historiker Hermann Löffler und seine Denkschrift »Entwicklung und Aufgaben der Geschichtswissen-schaft in Deutschland«. Bonn 2001, S. 30–50, 53–57. 14 Nationalsozialismus und Philosophie. Eine Auseinander-setzung mit den Problemen von heute. Von Dr. phil. Ulrich Crä-mer und Dr. med. Dankmar Hauert. In: Reclams Universum 50 (1933), S. 234f.; Ulrich Crämer: Führer und Gefolgschaft in der deutschen Geschichte. In: Almanach der Deutschen Beamten. Hrsg. vom Reichsbund der Deutschen Beamten, o.O. u. o.J. [Ber-lin, Weihnachten 1934], S. 136–139. 15 Das Manuskript ist nicht überliefert, die Argumentation lässt sich aber anhand einer späteren Publikation analysieren (Ulrich Crämer: Das Problem der Reichsreform. Jena: Frommann 1935). 16 Das Werk ist nie publiziert worden und nach Crämers Aussage im Krieg verloren gegangen. Erst drei Jahrzehnte später hat Crämer dann eine Arbeit vorgelegt, die wohl in weiten Teilen auf diesen Vorarbeiten aufbaute (Ulrich Crämer: Carl August von Weimar und der deutsche Fürstenbund 1783–1790. Wiesbaden: Hardt u. Hauck 1961).

Der u. a. durch sein Konzept einer »volkstumsge-schichtlichen Geopolitik«17 profilierte Jungwissen-schaftler erhielt dann bereits ein halbes Jahr später den Ruf an die Münchner Universität. Parteiinterne Rivalitäten brachten Crämer allerdings arg in Be-drängnis, so dass er sich drei Jahre lang mit der Ver-tretung des ihm angetragenen Lehrstuhls zufrieden geben musste. Wegen Bedenken gegenüber seiner angeblichen »jüdischen Versippung« hatte er zeitwei-lig sogar das Ende seiner Karriere zu befürchten. Doch vor dem Hintergrund seines großen Einsatzes für den Nationalsozialismus beschied Hitler, was nur in ganz wenigen Fällen geschah, ein von Crämer eingereichtes Gnadengesuch positiv und machte so den Weg für die Berufung auf das Ordinariat im Jahr 1939 frei.18 Eine wesentliche Rolle dabei spielten die im Zuge des Verfahrens eingeholten positiven Stel-lungnahmen, u. a. von Parteigrößen wie Frick, Sau-ckel oder Rudolf Heß. Unisono tönte aus ihren Beur-teilungen das große Lob für den Einsatz Crämers für das neue Regime. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Einschätzung hatte sicher auch seine Gutachtertätig-keit für die PPK geleistet. Politische Zweckmäßigkeit statt ideologischer Fanatismus: Kontrollverfahren und Zensurpolitik der PPK Mitte März 1934 wurde die PPK gegründet, um »na-tionalsozialistisches Konjunkturschrifttum« zu be-kämpfen.19 Darunter verstand man Bücher und Schrif-ten, die sich in welcher Art auch immer mit dem Wesen und den Zielen der nationalsozialistischen Bewegung befassten. Die PPK sollte die zunehmende Kommerzialisierung dieser Literatur eindämmen und der Gefahr einer Verfälschung ideologischer Inhalte entgegentreten. Sie stand hier in Konkurrenz zu Ro-senbergs »Amt für Schrifttumspflege« und dem Leiter des Zentralverlages der NSDAP »Franz Eher Nachf.«, Max Amann. Durch geschicktes Taktieren, der Pro-tektion durch Hitler und ein Arbeitsabkommen mit

17 Crämer suchte hier, die Ansätze der Volkstumshistorie mit den v. a. mit dem Namen Karl Haushofers verbundenen Fragestel-lungen der Geopolitik zu verknüpfen. Siehe Jedlitschka: Wissen-schaft und Politik, S. 199–232. 18 Dazu John M. Steiner/Jobst Freiherr von Cornberg: Will-kür in der Willkür. Befreiungen von den antisemitischen Nürnber-ger Gesetzen. In: VfZ 46 (1998), S. 143–187, hier: S. 147–149. 19 Barbian: Literaturpolitik, S. 128–137, hier: S. 128. Vgl. weiter Peter Longerich: Hitlers Stellvertreter. Führung der Partei und Kontrolle des Staatsapparates durch den Stab Heß und die Partei-Kanzlei Bormann. München u. a.: Saur 1992, S. 30f., und Jeremy Noakes: Philipp Bouhler und die Kanzlei des Führers. Beispiel einer Sonderverwaltung im Dritten Reich. In: Verwaltung contra Menschenführung. Studien zum politisch-administrativen System. Hrsg. von Dieter Rebentisch und Karl Teppe. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1986, S. 208–236.

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Rust war es dem PPK-Vorsitzenden und Leiter der »Kanzlei des Führers« Philipp Bouhler20 gelungen, das Gewicht zu Gunsten der PPK zu verlagern. So konnten hier die Zensurkompetenzen bald auf das »gesamte wissenschaftliche, erzieherische und volks-bildnerische Schrifttum« ausgedehnt werden. Damit wurde nicht mehr nur die Vorlage von Parteischrift-tum und politischer Fachliteratur zur Pflicht, sondern die Zensur wurde darüber hinaus auf Lexika, Kalen-der, aber auch Romane und Lyrik ausgeweitet. Ab Kriegsbeginn versuchte man zudem, ausgewählte unselbständige Veröffentlichungen und Zeitschrif-tenartikel, später auch Schulbücher in die Überwa-chung einzubeziehen.21

Seit der Verselbständigung im Jahr 1936 stieg der Bedarf der PPK an Lektoren deutlich an. Bei der Rekrutierung stützte man sich vor allem auf die Mit-arbeiter aus Rosenbergs Schrifttumsamt. Es ist zu vermuten, dass auch der dort seit 1934 tätige Crämer Anfang 1937 auf diese Weise von der PPK geworben wurde.22 Eine Mitarbeit in dieser Zensurinstitution war angesichts der Machtverlagerungen taktisch klug. Zudem ist zu vermuten, dass Crämer in jener Zeit in besonderer Weise darum bemüht war, seine nationalsozialistische Überzeugung unter Beweis zu stellen. Denn, wie erwähnt, seit 1937 hatte – als Fol-ge einer Denunziation, mit der ihn ein Konkurrent um die Münchner Professur zu Fall zu bringen suchte – die Reichsstelle für Sippenforschung ein Verfahren wegen »nichtarchischer Abstammung« eingeleitet. Die Abstammung einer Großmutter war nicht zwei-felsfrei zu klären gewesen. Seine harschen Zensuren, die mitunter sogar deutlich über den Erwartungshori-zont der Dienststelle hinausgingen, sollten wohl auch den »Blutsmakel« vergessen machen. Auch sonst erwies sich Crämer als sehr eifrig. Mitte Juli 1937 schloss die PPK mit dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) ein Arbeitsabkommen, das dieser die Überwachung wissenschaftlichen Schrifttums übertrug.23 Hierfür wurden nun dringend neue Lektoren gesucht. Crämer schlug seinen Trauzeugen Dipl. Ing. Paul-Reinmar Geibel und seinen Freund Hauert, mit dem er bereits 1933 das Loblied auf den Nationalsozialismus ange-

20 Zur Ämter- und Kompetenzagglomeration Bouhlers vgl. Hans-Walter Schmuhl: Philipp Bouhler – Ein Vorreiter des Mas-senmordes. In: Die Braune Elite II. 21 weitere biographische Skizzen. Hrsg. von Ronald Smelser u. a. Darmstadt: Wissenschaft-liche Buchgesellschaft 1993, S. 39–50. 21 Martin Kröger/Roland Thimme: Die Geschichtsbilder des Historikers Karl Dietrich Erdmann. Vom Dritten Reich zur Bun-desrepublik. München: Oldenbourg 1996, S. 67–76; Barbian: Literaturpolitik, S. 104f., 131–136. 22 Horn: Pädagogische Zeitschriften, S. 66 Anm. 107; Barbi-an: Literaturpolitik, S. 128–130. 23 Barbian: Literaturpolitik, S. 104.

stimmt hatte,24 als »weltanschaulich sehr sicher und vor allem in der Philosophie beschlagen« vor.25

Für die Ausweitung von Macht und Zensurkompe-tenzen der PPK ist eine sich fortwährend verstärken-de Dynamik zu beobachten, wie sie allgemein ein Charakteristikum der nationalsozialistischen Verwal-tungsrealität war.26 Sie ging mit heftigen Auseinan-dersetzungen zwischen Max Amann und dem »Amt Rosenberg« einher.27 Für die im Zuge dieses Konkur-renzkampfes erstrittenen neuen Zensuraufgaben be-nötigte man mehr Personal. Auch hier wurde wieder Crämer um gern gewährte Mithilfe gebeten, um neue Lektoren »vor allem für Deutsch, Erdkunde, Biologie (Botanik, Zoologie, Somatologie usw.), Latein, Grie-chisch, Englisch, Mathematik, Physik und Chemie« zu gewinnen.28 Der Expansionsprozess nahm immer radikalere Ausmaße an, wie ein Dossier zur Kontrolle der Geisteswissenschaften aus dem Jahr 1944 zeigt. Die darin entwickelten Vorstellungen einer Steuerung wissenschaftlicher Veröffentlichungen über ein Mit-spracherecht bei der Auswahl und Vergabe von Dis-sertations- und Habilitationsthemen hätten wohl tat-sächlich eine lückenlose Kontrolle ermöglicht.29 Dazu ist es allerdings unter den Bedingungen des totalen Krieges nicht mehr gekommen. Dennoch hatte sich die PPK bis Kriegsbeginn zur mächtigsten Institution parteiamtlicher Zensur entwickelt. Im Mai 1942 arbei-teten hier immerhin 692 Außenlektoren, auch wenn 165 von ihnen zu diesem Zeitpunkt im Wehrdienst standen.30 Die PPK hielt durch »Verbindungsmänner« vor Ort und die Veranstaltung verschiedener Tagun-gen Kontakt zu ihren Lektoren.31

24 Nationalsozialismus und Philosophie. 25 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 15.7.1937; Crämer an PPK 31.8.1937. 26 Michael Ruck: Führerabsolutismus und polykratisches Herrschaftsgefüge – Verfassungsstrukturen des NS-Staates. In: Deutschland 1933–45. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Hrsg. von Karl Dietrich Bracher u. a. 2. Aufl. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 1993 (Studien zur Geschich-te und Politik. 314), S. 32–56, hier: S. 44–56; Ulrich von Hehl: Nationalsozialistische Herrschaft. 2. Aufl. München: Oldenbourg 2001 (Enzyklopädie deutscher Geschichte. 39), S. 60–66. 27 Vgl. dazu die verbalen Attacken von Amann auf Bouhler und dessen Reaktion (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/9, Amann an Bouhler 10.12.1938, Bouhler an Amann 19.12.1938). Zum Macht-kampf zwischen Bouhler und Rosenberg siehe die Korrespondenz vom Dezember 1939 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/10, 23). Dazu Barbian: Literaturpolitik, S. 120/121, 130–132. 28 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 11.2.1938. 29 Dossier betreffs »NSB. und Lenkung der Geisteswissen-schaften« des PPK-Mitarbeiters Coulon 10.5.1944 [5 Bl.] (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/40). 30 Barbian: Literaturpolitik, S. 130–132, 232/233. Dazu kam nochmals eine ansehnliche Zahl hauptamtlich angestellter Sachbe-arbeiter in der Verwaltung, auch wenn das Personal ab 1943 kriegs-bedingt verringert werden musste. Siehe dazu die Aufstellung der Mitarbeiter vom 30.6.1944 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/39). 31 Vgl. die Aufforderung der PPK an Crämer, mit seinem »Verbindungsmann« in München Kontakt aufzunehmen und die

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Zensurfeld Außenpolitik 217

Bei der Zensur bestanden grundsätzlich zweierlei Arten der Kontrolle: Die Überprüfung bereits er-schienener Veröffentlichungen, also eine Nachzen-sur, und die Präventivzensur noch vor Erscheinen einer Publikation. Bestanden nach der Auffassung der PPK keine Bedenken, wurde ein »Unbedenklich-keitsvermerk« erteilt und die Schrift mit einer knap-pen Zusammenfassung in die seit 1936 beim »Zent-ralverlag Eher Nachf.« erscheinende »Nationalsozia-listischer Bibliographie« aufgenommen. Dieser Ein-trag war für die Verleger wirtschaftlich sehr wichtig, bedeutete dies doch eine Empfehlung zur Anschaf-fung in Parteibüchereien und zum Einsatz bei Schu-lungen. Die Verweigerung dieser parteiamtlichen Förderung zog zwar nicht ein Verbot nach sich, aber angesichts von Papierkontingentierungen wurde sie bald zur Überlebensnotwendigkeit für die Verlage. Die PPK konnte schließlich auch eine Abänderung bestimmter Passagen oder im äußersten Fall auch Verbote aussprechen bzw. bei der Gestapo beantra-gen.32 Dem Propagandaministerium wurde zwar innerhalb von drei Wochen ein Einspruchsrecht ein-geräumt, das jedoch keine aufschiebende Wirkung hatte. Auch dies unterstreicht die erstarkte Stellung der PPK gegenüber den anderen schrifttumspolitisch ambitionierten Stellen.33 Um die Kontrolle so effek-tiv wie möglich zu gestalten, ging die PPK weitge-hend im Verborgenen vor. Alle Gutachten durften ausdrücklich nur parteiintern verwendet werden, Mitteilungen an die Öffentlichkeit waren strengstens untersagt. Auch Zahl und Namen der Lektoren unter-lagen der Geheimhaltung.34

Im Folgenden soll nun anhand des überlieferten Berliner Restbestandes die Bandbreite der Zensurar-beit der PPK dargestellt werden, um dann in einem zweiten Schritt dieses Bild durch Crämers Zensurtä-tigkeit zu ergänzen. Wie sich zeigen wird, war die Literaturkontrolle der PPK erstaunlich pragmatisch. Es ging nicht um eine Förderung möglichst ideolo-giekongruenten Schrifttums, sondern um die Kontrol-le nach Maßgabe der augenblicklichen außen- und innenpolitischen Notwendigkeiten der Staatsräson. Dabei wurde möglichst umfassend überwacht, in jedem Einzelfall jedoch die Verhältnismäßigkeit der Mittel genau abgewogen und entsprechend abgestuft sanktioniert. Einige charakteristische Beispiele mö-gen das verdeutlichen.

Anfrage Crämers bezüglich der Teilnahme an einer Münchner Tagung der PPK vom 4.–6.11.1938 (BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 11.12.1937 bzw. Crämer an PPK 2.11.1938). 32 Barbian: Literaturpolitik, S. 132–137; Horn: Pädagogische Zeitschriften, S. 64–66. 33 Schreiben Lammers an Goebbels 2.4.1941 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/17). 34 Bekanntmachung des Reichsleiters Bouhler 11.4.1935 (zitiert in: BA Berlin-Lichterfelde R 58/1106, SD-Leitheft Schrift-tumswesen und Schrifttumspolitik, S. 54/55).

Zensurfeld Außenpolitik Der Bereich der Außenpolitik erforderte je nach Frontverlauf und Bündniskonstellation wechselnde Rücksichten. So verweigerte die PPK nach einem entsprechend negativen Gutachten der Wehrmacht der Arbeit Erwin Haudans über Das Motorisierungs-potential der Sowjetunion den gewünschten Empfeh-lungsvermerk, da sie die technische Entwicklung der »Roten Armee« als »zu günstig« darstellte. Das Buch wurde allerdings nicht verboten.35 Die scharfen Ur-teile über die Volksmusik Ungarns und Rumäniens in dem Werk von Peter Gericke Anteil der volksdeut-schen Musikarbeit am gesamtdeutschen Werden36 konnten von der PPK trotz inhaltlicher Zustimmung nicht toleriert werden. Die Bündnispartner sollten nicht vor den Kopf gestoßen werden. Nachdem die Passagen geglättet worden waren, wurde dem Werk umgehend das wichtige Prädikat verliehen.37 Dass die PPK ihre Zensurarbeit ohne Scheu auch gegen die Parteiprominenz durchzusetzen in der Lage war, zeigt ein anderer Fall. Der Gauleiter und Reichsver-teidigungskommissar von Magdeburg-Anhalt, Rudolf Jordan, wollte eine im Februar 1943 in Magdeburg gehaltene Rede zum Thema des »totalen Krieges« als Broschüre herausbringen. Doch die PPK lehnte eine Drucklegung ab, da viele Passagen zwar »fortgeris-sen durch den Impuls der Rede« gesagt werden könn-ten, aber aus »propagandistischen Gründen« besser nicht gedruckt würden. Jordans Ausfälle gegen die mangelnde Arbeitswilligkeit der weiblichen Angehö-rigen der »höheren Kreise« würden im In- und Aus-land das Bild der Geschlossenheit der deutschen »Volksgemeinschaft« beeinträchtigen und »Klüfte« im »lebendigen Zusammenhang des völkischen Or-ganismus« aufreißen. Im Übrigen schien es der PPK im Hinblick auf den Verbündeten Japan »nicht op-portun«, vom »Ansturm des asiatischen Ostens« zu sprechen. Schließlich sei Jordans Ankündigung von »letzten radikalen Maßnahmen«, um die Juden »ein für allemal zur Strecke zu bringen«, zu eindeutig und spiele der »feindlichen Agitation« in die Hände; eine überraschende Feinfühligkeit Anfang des Jahres 1943, als die die planmäßige Vernichtung des euro-

35 Die Wehrmacht kritisierte, dass Haudan zwar den techni-schen Stand der »Roten Armee« weitgehend zutreffend schildere, aber zu wenig Zweifel an den russischen Angaben äußere (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23, Oberkommando der Wehrmacht an PPK 29.3.1939). Vgl. den fehlenden Vermerk in Erwin Haudan: Das Motorisierungspotential der Sowjetunion. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt 1937 (Veröffentlichungen des Instituts für allgemeine Wehrlehre der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. 1). 36 Hermann Peter Gericke: Der Anteil der volksdeutschen Musikarbeit am gesamtdeutschen Werden. Eine Berichtfolge aus einem unbeachteten Arbeitsgebiet der deutschen Musikpflege. Berlin: Verlag Grenze und Ausland 1942. 37 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23, PPK an Verlag Voggen-reiter 5.2.1942 und 28.2.1942.

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päischen Judentums längst angelaufen war. Insge-samt kam die PPK zum Schluss, dass eine Veröffent-lichung der Rede nur nach einer umfassenden Über-arbeitung unter dem Gesichtspunkt »politischer Zweckmäßigkeit« möglich wäre.38 Dazu ist es dann aber nicht mehr gekommen. Zensurfeld Innenpolitik Auch im Bereich der Innenpolitik dominierten Moti-ve der Herrschaftssicherung und politischer Raison gegenüber der Verbreitung möglichst reiner national-sozialistischer Ideologie. Das zeigt sich besonders deutlich an dem Vorgang um Eberhard Froweins Buch Ich klage an, das sich mit der von den Natio-nalsozialisten stark propagierten »Euthanasie« von »lebensunwertem Leben« befasste. Das Werk war die erweiterte Fassung eines Drehbuches, das schließlich nach verschiedenen Überarbeitungen als Grundlage für den im Jahr 1941 gedrehten gleichnamigen Pro-pagandafilm Ich klage an gedient hatte. Der Film war als Reaktion auf den öffentlichen Protest gegen das auf Befehl Hitlers seit 1939 angelaufene Euthanasie-programm produziert worden, um die Unterstützung der Bevölkerung für die Tötung unheilbar Kranker zu gewinnen.39 Das ›Buch zum Film‹ hatte Eberhard Frowein dann 1942 nachgereicht. Das Werk sollte den nächsten Schritt zur publizistischen Vorbereitung einer »endgültigen Regelung« des »Problems der Euthanasie« darstellen. Bei der PPK wurde es, da die Meinungen über den Film innerhalb des Amtes ge-teilt gewesen waren, verschiedenen Lektoren vorge-legt. Zudem wandte man sich an Viktor Brack, Chef des Hauptamtes II der Kanzlei des Führers und zu-ständig für das Euthanasieprogramm, der auch für die Produktion des Kinofilms verantwortlich gewesen war.40 Das Urteil fiel vernichtend aus. Sowohl stili-

38 »Stellungnahme zur Rede des Gauleiters und Reichsstatt-halters Rudolf Jordan am 9. Februar 1943 in Magdeburg« 22.3.1943 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23). 39 Ernst Klee: »Euthanasie« im NS-Staat. Die »Vernichtung lebensunwerten Lebens«. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1985, S. 342f.; Hans-Walter Schmuhl: Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie. Von der Verhütung zur Vernich-tung »lebensunwerten Lebens« 1890–1945. Göttingen: Vanden-hoeck & Ruprecht 1987, S. 285–287; Winfried Süß: Krankenmord. Forschungsstand und Forschungsfragen zur Geschichte der natio-nalsozialistischen »Euthanasie«. In: NS-Diktatur, DDR, Bundesre-publik. Drei Zeitgeschichten des vereinigten Deutschland. Werk-stattberichte. Hrsg. von Theresia Bauer und Winfried Süß. Neuwied: Friedrich-Ebert-Stiftung 2000, S. 47–86. 40 Vgl. das Schreiben Bracks an PPK vom 23.4.1942 und die knappe Darstellung des Sachverhalts in einer Aktennotiz vom 30.5.1942 über ein Gespräch zwischen einem PPK-Mitarbeiter und Brack (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23). Zur Entstehungsge-schichte des Filmes »Ich klage an« vgl. Karl Heinz Roth: »Ich klage an«. Aus der Entstehungsgeschichte eines Propaganda-Films. In: Aktion T 4 1939–1945. Die »Euthanasie«-Zentrale in

stisch als auch inhaltlich verdiene das Werk »restlose Ablehnung«41. Das Ziel einer »Popularisierung der Euthanasie« werde mit diesem in »primitiver Offen-herzigkeit«, durchzogen mit »naiv-dummen Reflexi-onen« und »Plattheiten« verfassten »Machwerk« konterkariert. Was der Film an Vorsicht und Ge-schick bei dem Umgang mit dem sensiblen Thema gezeigt habe, fehle dem Buch vollkommen. Die of-fensichtlichen Schwächen dieser so »oberflächlich« gehaltenen Werbung wären eine gefährliche Waffe in den Händen der Gegner der Euthanasie. Auch Ver-besserungen könnten diese grundlegenden Mängel nicht beseitigen, deswegen komme ein Erscheinen dieses Werkes nicht in Betracht.42 Dementsprechend wurde von einer Publikation abgesehen.43 Zensurinstrument der »Damnatio Memoriae« Neben den bisher geschilderten Bereichen der Vor- und Nachzensur war die PPK auch auf einem im Laufe der Jahre immer wichtigeren Gebiet totalitärer Literaturkontrolle tätig. Auf Weisung sorgte sie dafür, dass in Ungnade gefallene Repräsentanten des Re-gimes oder des öffentlichen Lebens so bald als mög-lich aus dem Bewusstsein getilgt wurden. Für diese Art der aus der Antike bekannten »Damnatio Memo-riae«, also einer gezielten und umfassenden Auslö-schung der proskribierten Person, finden sich einige Beispiele in den Unterlagen der Zensurstelle. Nach-dem der früher in der Partei-Kanzlei zuletzt als Amts-leiter für Kulturfragen tätige Literaturwissenschaftler und Privatgelehrte Ernst Schulte-Strathaus in Ungna-de gefallen und auf Weisung Hitlers aus der Partei ausgeschlossen worden war, ließ man seinen Eintrag in Kürschners Deutschem Literaturkalender lö-schen.44 Damit war der Wissenschaftler praktisch aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Auch den prominenten Industriellen Fritz Thyssen traf der Bannstrahl des öffentlichen Vergessens. Im Februar 1941 wurde die PPK vom RSHA angewiesen, dessen Nennung in Konversationslexika zu unterbinden.45

der Tiergartenstraße 4. Hrsg. von Götz Aly. 2. Aufl. Berlin: Editi-on Hentrich 1989 (Stätten der Geschichte Berlins. 26), S. 93–120; Klee: Euthanasie, S. 86–95. 41 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23, Gutachten der PPK vom 8.6.1942. 42 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23, PPK an Brack 14.7. 1942. 43 In den Beständen des Deutschen Filmmuseums ist lediglich ein maschinenschriftlicher Durchschlag des 285-seitigen Manu-skripts überliefert, eine Kopie befindet sich im Institut für Rechts-medizin der Universität Erlangen-Nürnberg. 44 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, Partei-Kanzlei an PPK 17.11.1942. Vgl. den fehlenden Eintrag in Kürschner Deutscher Literaturkalender, Berlin 1943. Zur Biographie siehe Barbian: Literaturpolitik, S. 393; Barbian: Börsenverein, S. 100. 45 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, RSHA an PPK 14.2.1941.

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Zensurinstrument der »Damnatio Memoriae« 219

Thyssen, der anfangs zu einem der wichtigsten Förde-rer Hitlers gehört hatte, war im September 1939 aus Enttäuschung über die nationalsozialistische Kirchen- und Judenpolitik in die Schweiz geflohen und hatte dort in seinem Buch I paid Hitler mit dem »Dritten Reich« abgerechnet.46 Als Folge war sein Vermögen eingezogen und seine Familie ausgebürgert worden. Thyssen war 1940 im unbesetzten Teil Frankreichs verhaftet, an Deutschland ausgeliefert und bis Kriegs-ende in verschiedenen KZs in Haft gehalten worden.47

Noch strikter ging man gegen in Ungnade gefalle-ne Repräsentanten des Regimes vor. Der erste Fall betrifft den engen Freund und frühen Förderer Hitlers Ernst Franz Hanfstaengel. Dieser, der Hitler nach dem misslungenen Putschversuch bis zur Verhaftung in seinem Uffinger Haus versteckt gehalten hatte, war seit 1931 Auslandspressechef der NSDAP und seit 1935 im Stab von Heß Leiter des Amtes Aus-landspresse gewesen. Aus Furcht vor einer Intrige floh Hanfstaengel dann 1937 nach England. Später beriet er die USA in der psychologischen Kriegsfüh-rung gegen das »Dritte Reich«.48 Von Hanfstaengel stammten bekannte Kompositionen wie der Marsch Deutscher Föhn, der Volkschoral Hymne an die deutsche Erde und die Filmmusik zu einschlägigen Produktionen wie Horst Wessel oder Mussolinis Leinwand-Epos Hundert Tage.49 Der Verrat eines so bekannten Paladins brachte das Regime in große Verlegenheit. Man entschied sich für eine rasche »Damnatio Memoriae«. Die PPK wurde angewiesen, »absolut parteiintern« dafür zu sorgen, dass »in Ver-öffentlichungen aller Art« Hanfstaengel nicht mehr erwähnt werde. Weiter wurde um Vorschläge gebe-ten, wie man »in unauffälliger Weise« Bücher und Kompositionen Hanfstaengels – »ohne Aufsehen zu erregen« – aus dem Handel ziehen könne. Die PPK sicherte die lückenlose Auslöschung Hanfstaengels in künftigen Publikationen und den unauffälligen Ein-zug seiner Veröffentlichungen aus dem Handel zu.50

Die PPK stellte ihre Fähigkeiten aber auch noch für einen weit prominenteren Fall unter Beweis. Am zehnten Mai 1941 hatte Heß seinen spektakulären Schottlandflug unternommen und damit die Führung des »Dritten Reiches« in Erklärungsnot gebracht. Um

46 Fritz Thyssen: I paid Hitler. London: Hodder and Stough-ton 1941. 47 Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Hrsg. von Hermann Weiß. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1998, S. 459f. 48 Vgl. David G. Marwell: Ernst Hanfstaengel – Des »Füh-rers« Klavierspieler. In: Die Braune Elite II. 21 weitere Biographi-sche Skizzen. Hrsg. von Ronald Smelser u. a. Darmstadt: Wissen-schaftliche Buchgesellschaft 1993, S. 137–149. 49 Helmut Heiber: Walter Frank und sein Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands. Stuttgart: Deutsche Ver-lags-Anstalt 1966, S. 24. 50 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, Stab SdF Bormann an PPK 26.7.1937; PPK an Bormann 7.8.1937.

die Angelegenheit Heß schnell zu bereinigen, hatte Hitler seinen Stellvertreter kurzerhand zum Psycho-pathen erklärt. Ob Heß Friedensverhandlungen mit Großbritannien anbahnen wollte, wie vermutet wur-de, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt.51 Die Fra-ge des weiteren Umgangs mit Heß war nicht leicht zu beantworten, denn eine restlose Tilgung war ange-sichts seiner zentralen Rolle in der »Geschichte der Bewegung« schlichtweg nicht realistisch. Die PPK erarbeitete umgehend entsprechende Richtlinien. Dabei orientierte man sich an den Vorschriften, die man seinerzeit nach der blutigen Niederschlagung des »Röhm-Putsches« erlassen hatte. Hatte man im Falle Röhms jegliche namentliche Erwähnung und alle Bildberichte verboten, fokusierte man bei Heß auf das Amt als Stellvertreter des Führers. Während bei allen Schriften allgemeinen Charakters und der Presse- und Zeitschriftenveröffentlichungen eine Nennung in jedem Falle unterbleiben musste, blieb sie in solchen Fällen erlaubt, in denen von Anord-nungen und Maßnahmen berichtet wurde, an denen Heß durch sein Parteiamt beteiligt gewesen war. Ge-wohnt zügig setzte die PPK diese neuen Richtlinien um.52 Damit war ab Herbst 1941 die Person Heß’ nahezu vollständig aus den verschiedenen Druckme-dien verschwunden. Wie alarmiert man über den Fall Heß war, zeigt der Umstand, dass der Bannstrahl auch dessen Lehrer und Freund, den Münchner Geo-politikprofessor Karl Haushofer, traf. Nach dem Schottlandflug seines Schülers – in diesem Zusam-menhang war Haushofer kurzzeitig verhaftet und von der Gestapo vernommen worden – geriet der General a.D. zunehmend in Isolation.53 Auf Weisung des SD wurde die Verbreitung seiner Schriften stark einge-schränkt und die Besprechung seiner Veröffentli-chungen untersagt. Jede »Herausstellung« in der Öffentlichkeit sollte vermieden werden.54

Ein recht ungewöhnlicher Fall einer »Damnatio Memoriae« soll abschließend die Breite des Zensur-spektrums verdeutlichen. Im November 1941 wies Hitler das REM an, die Behandlung von Friedrich Schillers Wilhelm Tell in den Schulen zu untersagen. Da das Werk dem Kanon deutschen Literaturerbes angehört, musste dies natürlich unter höchster Ge-heimhaltung erfolgen.55 Über die Gründe erfährt man

51 Vgl. Dietrich Orlow: Rudolf Heß – ›Stellvertreter des Füh-rers‹. In: Die Braune Elite I. 22 Biographische Skizzen. Hrsg. von Ronald Smelser und Rainer Zitelmann. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 3. Aufl. 1994, S. 84–95, hier vor allem S. 91–93. 52 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, PPK an Bormann 30.7. 1941; Bormann an PPK 14.8.1941; PPK an Bormann 17.9.1941. 53 Hans-Adolf Jacobsen: Karl Haushofer. Leben und Werk, Bd. 1: Biographie und ausgewählte Texte zur Geopolitik, Boppard 1979, S. 224–258. 54 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, Chef des SD an PPK 20.5.1942 und 4.11.1942; Partei-Kanzlei an PPK 7.12.1942. 55 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/25, REM an PPK 6.11.1941.

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nichts. Hitler wird wohl vor allem das Generalthema des Widerstandsrechts gegen ungerechte Herrschaft beunruhigt haben. Entsprechend Hitlers Weisung bat das REM die PPK auch, auszuloten, inwieweit die in Schulbüchern enthaltenen Zitate und Kernsätze aus dem Wilhelm Tell »eliminiert« werden könnten. Denn ohne eine solche »Ausmerze« könne nicht garantiert werden, dass die Dichtung weiterhin ihre »in mehrfacher Hinsicht schiefe Auswirkung« zeiti-ge. Doch selbst hier, wo es um eine Weisung Hitlers persönlich ging, zeigte die PPK ihren pragmatischen Sinn für das Realisierbare. Da eine sofortige Tilgung aus Lese- und Geschichtsbüchern nicht praktizierbar war, schlug sie vor, lediglich bei Neuauflagen ent-sprechende Passagen zu streichen und das Verbot damit unauffällig und ohne Aufheben umzusetzen.56 Jenseits des hier interessierenden Rahmens zeigt der Vorgang die zunehmend psychopathische Züge an-nehmende Angst Hitlers vor möglicher Opposition und Widerstand.

Wie deutlich wurde, war das Instrument der »Dam-natio Memoriae« ein wichtiges Element der national-sozialistischen Literaturpolitik. Wenn sich auch das Ausmaß und die Reichweite auf Grund der schwieri-gen Quellenlage nicht exakt bestimmen lässt, so legt doch die thematische Streuung der überlieferten Gut-achten angesichts der Tatsache, dass es sich dabei nur um einen sehr kleinen Teil der einst umfangreichen PPK-Registraturen handelt, eine solche Vermutung nahe. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass die PPK ihre Instrumente der Präventiv- und Nach-zensur, wie auch der »Damnatio Memoriae« ausge-sprochen pragmatisch und mit nüchternem Blick nach Maßgabe politischer Zweckmäßigkeiten ein-setzte. Im Zuge ihrer Kompetenzexpansion konnte sie ein beachtenswert breites Gebiet abdecken. Wenig Lob und harsche Rügen – Die Gutachtertätigkeit Crämers Wenig Lob und harsche Rügen – Die Gutachtertätigkeit Crämers Die PPK wandte sich vornehmlich mit Anfragen zu historischen Veröffentlichungen des 18. und des 19. Jahrhunderts an Crämer. Neben der Begutachtung von Monographien fiel ihm auch zu, ausgewählte Zeitschriften laufend zu überwachen. Außerdem hat Crämer im Auftrag der PPK einige weltanschaulich besonders relevante Lexikonartikel verfasst.

Die populäre kirchliche Kalenderliteratur, ein in beiden Kirchen weit verbreitetes Genre der Erbau-ungsliteratur, war der PPK ein Dorn im Auge. Man argwöhnte, die Kirchen würden hier versteckt Sy- stemkritik üben. Aus diesem Grunde überwachte man

56 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/25, Chef der Reichskanzlei Lammers an REM 12.12.1941.

dieses Medium besonders kritisch.57 Jede potentiell verdächtige Bemerkung fand die Aufmerksamkeit der Zensurbehörde. In diesem Zusammenhang wand-te man sich beispielsweise an Crämer mit der Bitte, eine im Kalender des Bistums Bamberg abgedruckte Episode aus dem Leben Friedrichs des Großen wis-senschaftlich zu falsifizieren. In der fraglichen Schil-derung hieß es, nach der Verhaftung eines Paters hätten katholische Soldaten Tumulte verursacht, vor denen sich der Preußenkönig ängstlich versteckt ge-halten hätte.58 Eine solche herabsetzende Darstellung des in der nationalsozialistischen Propaganda als Ahn-herr deutscher Großmacht gepriesenen Preußenherr-schers konnte nicht toleriert werden. Crämer lieferte umgehend einen Beleg, dass diese Darstellung wis-senschaftlich absolut unhaltbar sei.59

Wie ein anderer Zensurauftrag zeigt, versuchte die PPK auch, ausgewählte wissenschaftliche Zeitschrif-ten zu überwachen.60 Crämer wurde gebeten, die 1936 neu ins Leben gerufenen Blätter für deutsche Lan-desgeschichte laufend zu begutachten.61 Hier konnte der Landeshistoriker Crämer sowohl sein Fachwissen als auch seine politische Zuverlässigkeit unter Beweis stellen. Wie das Crämer zugesandte vorgefertigte For-mular vermuten lässt, bestimmte die PPK zur Über-wachung ausgewählter Zeitschriften einzelne Lekto-ren, die diese dann kontinuierlich überwachten. An-gesichts des 1936 ideologisch neu ausgerichteten Profils der landesgeschichtlichen Zeitschrift ist das fast unbeschränkt positive Urteil Crämers nicht über-raschend.62 Den Jahrgang 1937 beurteilte Crämer insgesamt als »einwandfrei«. Besonders freute er sich

57 Barbian: Literaturpolitik, S. 135. 58 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 27.2.1937. 59 BayHStA MK 43500, Crämer an PPK 28.2.1937. Crämer führte als Beweis den Artikel in der ADB, Bd. 27, Leipzig 1888, S. 180f. an. 60 Für den Bereich einer juristischen Fachzeitschrift hat Lothar Becker die Kontrolle des »Archivs des öffentlichen Rechts« durch die PPK anhand der im Archiv des Verlags Mohr Siebeck überlieferten Korrespondenzen dargestellt (Lothar Becker: »Schritte auf einer abschüssigen Bahn«: Das Archiv des öffentli-chen Rechts (AöR) und die deutsche Staatsrechtswissenschaft im Dritten Reich, Tübingen: Mohr Siebeck 1999 (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts. 24), S. 33–38). 61 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 12.7.1937. 62 Die Blätter für deutsche Landesgeschichte waren 1936 aus dem vom Berliner Professor Hoppe herausgegebenen Korrespon-denzblatt des »Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Alter-tumsvereine« hervorgegangen, das sich mit der Namensänderung auch nach dem »starken Rhythmus« der neuen Zeit ausrichtete. Vor allem Fragen der Siedlung und der »Bevölkerungsverschie-bung« rückten nun in den Mittelpunkt, um die Bedeutung der Landschaft und des »heimatlichen Bodens« für die Geschichte des Volkes angemessen würdigen zu können. Wie es im Vorwort der neuen Ausgabe heißt, sei von den deutschen Geschichtsvereinen der »Zusammenklang« von »Blut und Boden« zu lange vernach-lässigt worden, nun sei es an der Zeit, umzudenken (Geleitwort zur ersten Ausgabe, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 83 (1936/37), S. 3–5).

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darüber, dass die Landesgeschichtsschreibung nun »die Ziele des neuen Staates erkennt und auch inner-lich eine neue Zielsetzung vollzogen hat«. Ein Arti-kel von Wilhelm Grau, in Franks Reichsinstitut stell- vertretender Leiter der Abteilung »Judenfrage«,63 fand seinen besonderen Beifall. Endlich könnten die Gesichtspunkte der Sippen- und Judenforschung in der notwendigen »Tiefe und Breite« behandelt wer-den. Hierfür leiste die Zeitschrift einen vorbildlichen Beitrag.64 Auch der nächste Jahrgang fand die Billi-gung des PPK-Lektors, besonders ein Aufsatz über Siedlungsformen in Österreich65 schien Crämer ange-sichts des im Frühjahr erfolgten »Anschlusses« Österreichs als »willkommener Beitrag« auf dem We-ge des erstarkenden »Großdeutschlands«. Sein Urteil über diese landesgeschichtliche Zeitschrift lautete daher auch auf »in ihrer politischen Tendenz ein-wandfrei« und »in gewisser Weise unentbehrlich«.66 Gleichlautend fiel sein Urteil über den Jahrgang 1939 aus, lediglich einige »törichte und gedankenlose Re-densarten« vom »österreichischen Menschen« fanden Kritik, da dieses »Gespenst« doch bereits seit einem Jahr verscheucht worden sei.67

Neben der Überwachung der Zeitschrift bestanden die meisten Aufträge in Begutachtungen historischer Monographien zur deutschen und österreichischen Geschichte. Die Urteile Crämers zeigen eine tiefe Aversion gegen jede positive Darstellung der öster-reichischen Geschichte, da der Reichsreformer hier sofort partikularistische Motive unterstellte. Eine Arbeit Hans-Wilhelm Büchsels über Das Volk im Staatsdenken Friedrichs des Großen,68 in dem dieser Friedrich als ersten »völkisch« denkenden Monar-chen darzustellen suchte, fand dagegen eine ausge-zeichnete Beurteilung.69 Im Kontrast hierzu stehen Crämers Rügen neuerer Erscheinungen aus der Feder österreichischer Historiker. Das zeigt sich beispiels-weise in Crämers negativer Besprechung der im Jahr 63 Wilhelm Grau: Die Geschichte der Judenfrage und ihrer Erforschung. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 83 (1936/37), S. 163–173. Zu Graus Bedeutung bei der Erforschung der »Juden-frage« in Franks Reichsinstitut vgl. Heiber: Walter Frank, S. 422–435; Patricia von Papen: Schützenhilfe nationalsozialistischer Juden-politik. Die ›Judenforschung‹ des »Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschland« 1935–1945. In: »Beseitigung des jüdischen Einflusses ...«. Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus. Hrsg. vom Fritz Bauer Institut. Frankfurt a.M./New York: Campus-Verlag 1999 (Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, 1998/99), S. 17–42. 64 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 22.9.1937. 65 Adalbert Klaar: Die Siedlungsformen in Österreich. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 84 (1938), S. 108–118. 66 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 8.10.1938. 67 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 18.3.1939. 68 Hans-Wilhelm Büchsel: Das Volk im Staatsdenken Fried-richs des Großen. Breslau: Priebatsch's Buchhandlung 1937 (Bres-lauer historische Forschungen. 2). 69 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 1.2.1938; Gutachten Crämers vom 2.3.1938.

des »Anschlusses« erschienenen Maria Theresia-Biographie des österreichischen Historikers Heinrich Kretschmayr.70 Crämer verurteilte scharf die positive Zeichnung der Geschichte des österreichischen Viel-völkerstaates – nach Meinung des Zensors eine ver-hängnisvolle »Fehlentwicklung« – als »echt habsbur-gisch«.71 Noch deutlicher zeigt sich die Abneigung in Crämers Beurteilung des Wiener Historikers von Srbik. Dessen Anliegen war die Ablösung einer staat-lich-konfessionsbezogenen Historiographie, konkret der preußisch-protestantischen, aber auch der öster-reichisch-katholischen durch eine »gesamtdeutsche« Geschichtsauffassung, die insbesondere die Geschich-te Österreichs als einen vollberechtigten Teil der deutschen Geschichte anerkennen sollte.72 Dieses Konzept, das von Srbik vor allem im Vorfeld des »Anschlusses« durch verschiedene Vortragsreihen und Publikationen einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln gesucht hatte, wurde von Crämer heftig angegriffen. Dies zeigt sich anlässlich eines positiven Gutachtens Crämers über ein Buch des Österreichers Victor Bibl, der ebenfalls gegen die »gesamtdeutsche Geschichtsbetrachtung« von Srbiks zu Felde zog. Crämers Stellungnahme zu Bibls Werk Metternich. Der Dämon Österreichs stellt darüber hinaus ein Lehr-stück über das Ausfechten wissenschaftlicher Kon-troversen und persönlicher Feindschaften unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Diktatur dar. Es sei aus diesem Grunde etwas ausführlicher wie-dergegeben.

Hintergrund ist die Auseinandersetzung zwischen von Srbik und Bibl um die Beurteilung des österrei-chischen Staatskanzlers Metternich.73 Von Srbik, als Vertreter einer »gesamtdeutsch« ausgerichteten Ge-schichtsschreibung, hatte Metternich viele positive Züge abgewonnen. Bibl dagegen, der schon früh mit den Zielen des Nationalsozialismus sympathisiert hatte, stieß der Stratege einer dezidiert übernationa- 70 Heinrich Kretschmayr: Maria Theresia. Leipzig: Staack-mann Verlag 1938. 71 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 15.3.1939. Zu Heinrich Kretschmayr (1870-1939) vgl. NDB, Bd. 13, Berlin 1982, S. 13f. 72 Vgl. Heinrich Ritter von Srbik: Zur Gesamtdeutschen Geschichtsauffassung. Ein Versuch und sein Schicksal. In: HZ 156 (1937), S. 229–262. Dazu Helmut Reinalter: Heinrich Ritter von Srbik. In: Deutsche Historiker. Hrsg. von Hans-Ulrich Wehler. Bd. 8. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1982, S. 78–95, hier: S. 86f.; Karen Schönwälder: Heinrich von Srbik. »Gesamtdeut-scher« Historiker und »Vertrauensmann« des nationalsozialisti-schen Deutschland. In: Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Hrsg. von Doris Kaufmann. Göttingen: Wallstein Verlag 2000, S. 528–544, hier: S. 532–540. 73 Zu Bibl siehe Siegfried Nasko: Viktor Bibl (1870-1947). Studien zu seinem Leben und Werk. Wien Diss. 1970; ders.: Bibl contra Srbik. Ein Beitrag zur historiographischen Polemik um Metternich. In: Österreich in Geschichte und Literatur 15 (1971), S. 497–513.

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len europäischen Friedensordnung Metternich zu-tiefst ab. Ein extrem negatives Metternich-Bild in seinen Publikationen war die Folge, was Bibl bereits in den zwanziger Jahren in eine Konfrontation mit von Srbik getrieben hatte. Von Srbik war jedoch nicht bereit gewesen, Bibls Angriffe auf das eigene Werk zu tolerieren.74 Da umgekehrt Bibl sich nicht dem Führungsanspruch des einflussreichen, aber auch jüngeren von Srbik hatte unterordnen wollen und dessen Metternich-Interpretation weiterhin scharf angegriffen hatte, war die Auseinandersetzung Ende der zwanziger Jahre eskaliert. Dabei hatte Bibl von Srbik sogar zum Duell gefordert, nur die Intervention befreundeter Kollegen hatte Schlimmeres verhindern können.75 Von Srbik warf Bibl mangelnde Sorgfalt und Quellenkenntnis, kurz fehlende fachliche Quali-fikation und Professionalität vor, umgekehrt waren Bibls Bücher im wesentlichen Angriffe auf von Srbik. In seinem 1936 erschienenen Werk Metter-nich. Der Dämon Österreichs76 verstärkte Bibl noch-mals seine Angriffe auf den verhassten Wiener Kol-legen. Von Srbik warf daraufhin Bibl platte Polemik, Neid und Epigonentum vor. Da aber Bibls Attacken von den meisten österreichischen und reichsdeut-schen Kollegen nicht gutgehießen wurden, geriet Bibl in der Zunft immer mehr in Isolation.77 Dagegen wurde die große Metternich-Biographie von Srbiks von prominenten Historikern wie Friedrich Meinecke oder Wilhelm Mommsen überschwänglich gelobt.78 Sein wissenschaftliches Renommee führte schließ-lich dazu, dass von Srbik im Jahr des »Anschlusses« Österreichs zum Präsidenten der Wiener Akademie der Wissenschaften gewählt und Mitglied des Deut-schen Reichstags wurde.79

Gerade dieser Erfolg und die vielfachen Ehrungen von Srbiks waren dem jungen Rezensenten Crämer ein Dorn im Auge. Sein Gutachten für die PPK setzte zunächst mit einem »sachlichen« Vergleich der Wer-ke Bibls und von Srbiks ein.80 Nach der Schilderung der verschiedenen Stadien des Konfliktes resümierte er, dass von Srbiks Versuch einer »großartigen Eh-renrettung« Metternichs angesichts der Widerlegun-gen Bibls als »gescheitert« angesehen werden müsse. Dann verließ er die Ebene der Werkinterpretation 74 Zu den autokratischen Neigungen von Srbiks vgl. Nasko: Bibl contra Srbik, S. 499. Helmut Reinalter spricht von »egozent-rische[n] Zügen« von Srbiks (Reinalter: Heinrich Ritter von Srbik, S. 83). 75 Nasko: Bibl contra Srbik, S. 500. 76 Viktor Bibl: Metternich. Der Dämon Österreichs, Leipzig/ Wien: Günther-Verlag 1936. 77 Nasko: Bibl contra Srbik, S. 507. 78 Heinrich Ritter von Srbik: Metternich. Der Staatsmann und der Mensch. 3 Bde. München: F. Bruckmann 1925–1954. Vgl. dazu Nasko: Bibl contra Srbik, S. 508. 79 Reinalter: Heinrich Ritter von Srbik, S. 81f. 80 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 18.10.1938. Hier auch alle Zitate im Folgenden.

und wandte sich der Bewertung der Personen zu. An Bibl sei der »nicht nur einwandfreie, sondern hervor-ragende Charakter« hervorzuheben, der es ihm un-möglich gemacht habe, den »katholisch-legitimistisch-habsburgischen Kurs« der österreichischen Regierung mit zu tragen. »Mutig« habe er alle Konsequenzen seines Bekenntnisses zum »Nationalsozialismus und zum Führer« in Kauf genommen. Darin unterscheide er sich grundlegend von seinem Gegenspieler, der sich zu einer solchen »geraden und männlichen Hal-tung« nicht hatte durchringen können und sich statt-dessen »alle Türen« offen gehalten habe. Mit seinem Werk Die Deutsche Einheit sei von Srbik zu einem »Rattenfänger von Hameln« geworden. Wie »Fliegen« seien Studenten, Laien und Gelehrte in sein »Irrlicht« hineingetaumelt. »Mit allen Mitteln echt jesuitischer Verdrehungskunst« mache von Srbik »aus Schwarz Weiß«. Sein Buch sei recht besehen genau das Gegen-teil der »deutschen Einheit«, nämlich eine Ehrenret-tung Habsburgs, über das die Geschichte doch längst ein vernichtendes Urteil gefällt habe. Umso mehr sei die erneute Karriere von Srbiks im »Dritten Reich« erstaunlich. Empört ereifert sich Crämer:

Genug! Seitdem durch die Ereignisse des Frühjahrs 1938 die Türe zu einem Ministerposten in einem wiederhergestellten Habsburgerstaat endgültig zu-geschlagen war, galt es den anderen offengehalte-nen Weg zu beschreiten. Nach bewährtem Muster war man ja eigentlich schon immer Nationalsozia-list gewesen; die Mitgliedschaft im Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands galt als vollgültiger Ausweis; insgeheim, aber an einfluss-reicher Stelle hatte man ja immer schon im Grunde für reichsdeutsche Politik am Ballhausplatz ge-wirkt – wie hätte man das verkennen können? Ein nun nicht mehr kompromittierendes Hakenkreuz legte jetzt auch äußerlich den Beweis dafür ab, und bereits ein halbes Jahr nach der Rückgliederung war eine neue weithin sichtbare Stufe erklommen: Heinrich Ritter von Srbik glänzt heute als Mitglied des Reichstags!

Scharf fährt der Zensor Crämer fort, der »kleine Metternich« von Srbik habe es als »Meister der Intri-ge und Verstellung« offenbar verstanden, »selbst den Führer« zu täuschen. Signifikant ist nun die Reaktion der PPK auf die Tirade ihres Lektors. Denn diese letzte Passage war ihr zu brisant. Obgleich nur für den internen Gebrauch bestimmt, musste Crämer nach einer Rücksprache mit dem zuständigen Reichs-amtsleiter der PPK Gerhard Krüger (1902–1970), auch er ein Historiker, diesen Abschnitt streichen.81

81 Im Gutachten ist dieser Absatz mit dem Vermerk »von Krüger gestrichen, 21.10.« versehen. Wahrscheinlich wurde Crä-mer telephonisch von dieser Streichung in Kenntnis gesetzt (BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 18.10.1938).

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Wenig Lob und harsche Rügen – Die Gutachtertätigkeit Crämers 223

Immerhin blieb der vorausgegangene Teil unverän-dert und auch der im Anschluss folgende Ausfall gegen den Historiker Arnold Oskar Meyer wurde nicht zensiert. Sehr abfällig heißt es da, Meyers in einem Beitrag für die Historische Zeitschrift geäußer-te Kritik an Bibls Metternich-Interpretation82 verstär-ke nur den »Eindruck der Senilität« dieses Histori-kers, der sich offenbar mit dem mächtigen von Srbik gut stellen wolle. Es müsse sichergestellt werden, dass Meyer mit solchen »Stücklein und Tücklein und spitzigen Grifflein«, so Crämer mit einem Ausdruck Luthers, nicht länger durchkomme. Es schmerzte den jungen Rezensenten ganz offensichtlich, dass die Exponenten einer noch aus der Zeit der Weimarer Republik stammenden Geschichtswissenschaft auch im neuen Staat reüssierten, während er als ein Mann der ersten Stunde so lange auf eine Professur warten musste. Crämers Beurteilung schließt mit einer anti-thetischen Gegenüberstellung Metternichs und Hit-lers: »Metternich kann von unserer Weltanschauung aus weder als Mensch noch als Staatsmann bejaht werden, ebensowenig wie der Habsburgerstaat und die Habsburgerdynastie. Er ist in allen Stücken das Gegenteil eines Staatsmanns, wie er uns vorschwebt und wie wir das Glück haben, ihn zu besitzen.«

Dieses Gutachten und die Reaktion der PPK dar-auf machen einmal mehr deren pragmatische Aus-richtung deutlich. Kritik an prominenten und vom Regime aus welchen Gründen auch immer protegier-ten Autoren wurde, so berechtigt sie unter ideologi-schen Aspekten auch sein mochte, nicht weiterver-folgt. Man nahm Rücksicht auf ihr wissenschaftliches und gesellschaftliches Renommee, wobei die Erbitte-rung »alter Kämpfer« in Kauf genommen wurde. Das Gutachten wurde von Seiten der PPK modifiziert und führte zudem, trotz Crämers massiver Kritik, für den österreichischen Historiker zu keinerlei Konsequen-zen. Freilich muss man auch die Seite des von Srbik-schen Werkes in Rechnung stellen, die sich durchaus in wohlgesetzten Worten zum Nationalsozialismus bekannte. Seine Schriften waren außerdem keines-falls frei von antisemitischen Tönen. Da sich von Srbik zudem im Sinne des Regimes als Kommentator des politischen Geschehens und ›Leitartikler‹ für die Tagespresse betätigte, zahlte sich seine Rücksicht letztlich aus.83 Und auch in Meyers Werke hatten

82 Es handelt sich um eine Rezension Meyers über das Biblsche Werk, in der eine Vielzahl sachlicher Fehler nachgewie-sen wird, die Polemik gegen von Srbik scharf verurteilt und ein-dringlich vor den Gefahren für die Wissenschaft gewarnt wird, wenn der »Hass« als »Ratgeber« wirke (Arnold Oskar Meyer: Der Streit um Metternich. In: HZ 157 (1938), S. 75–84). 83 Zur völkisch-antisemitischen Passagen in von Srbiks Werk vgl. Reinalter: Heinrich Ritter von Srbik, S. 88f.; Karen Schön-wälder: »Lehrmeisterin der Völker und der Jugend«. Historiker als politische Kommentatoren 1933 bis 1945. In: Geschichtsschrei-bung als Legitimationswissenschaft 1918–1945. Hrsg. von Peter

völkisch-rassistische Elemente Eingang gefunden.84 Das Gutachten zeigt schließlich auch Crämers politi-sche Heimat, bewegt er sich mit seiner Einschätzung des österreichischen Historikers doch genau auf der Linie des SD, wie sie der SD-Historiker Löffler 1941 formuliert hatte.85 Auch andere Parteistellen teilten diese Einschätzung.86 Andererseits war der Wiener Historiker zu einflussreich. Sein »gesamtdeutsches« Konzept konnte in vielerlei Art und Weise zur Legiti-mierung nationalsozialistischer Expansionsziele ver-wendet werden. Man schätzte von Srbik als gesamt-deutsche Integrationsfigur. Taktischen Erwägungen wurde also der Vorzug vor ideologischer Linientreue gegeben. Puristisch eingestellte Zensoren wie Crämer hatten da das Nachsehen.

Abschließend soll am Beispiel Crämers noch ein besonderes Kapitel der parteiamtlichen Zensurtätig-keit dargestellt werden. Denn die PPK begnügte sich nicht damit, nur präventiv oder nachträglich zu zen-sieren. In besonderen Fällen griffen die PPK-Lektoren selbst zur Feder. Zwei Beispiele sind für den Fall Crämer belegt. So wurde er auf Vermittlung der PPK gebeten, ein Geschichtsbuch für den Zeit-raum 1648–1789 zu verfassen, da die geplante Schul-reform eine Überarbeitung aller Unterrichtswerke notwendig machte. Obgleich ihm dieses Angebot »ebenso ehrenvoll wie verlockend« schien, lehnte Crämer unter Hinweis auf seine Münchner Lehrver-pflichtungen ab.87 Ein anderes Angebot nahm er hingegen an. Der Geist der neuen Zeit hatte eine Überarbeitung von Lexika und Nachschlagewerken notwendig gemacht. Die Schrifttumsämter hatten hier wegen ihrer weiten Verbreitung vor allem die Kon- Schöttler. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997, S. 128–165, hier: S. 141–143; Schönwälder: Heinrich von Srbik, S. 533–538. 84 Helga Grebing: Zwischen Kaiserreich und Diktatur. Göt-tinger Historiker und ihr Beitrag zur Interpretation von Geschichte und Gesellschaft (M. Lehmann, A.O. Meyer, W. Mommsen, S.A. Kaehler). In: Geschichtswissenschaft in Göttingen. Hrsg. von Hartmut Bookmann und Heinrich Wellenreuther. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987 (Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften. 2), S. 204–238, hier: S. 221–223. 85 Für Löffler war von Srbik »untragbar«, da seine Ge-schichtsauffassung latent »universal« und »katholisch« ausgerich-tet sei und daher so schnell als möglich durch eine »volksdeutsche Geschichtsauffassung« überwunden werden müsse (Hermann Löffler: Die Lage in der deutschen Geschichtswissenschaft. Vor-trag gehalten am 17.3.1941 auf der Tagung der Kulturreferenten des Amtes III C des Reichssicherheits-Hauptamtes. In: Lerchen-müller: Geschichtswissenschaft, S. 240–261, hier: S. 256f.). 86 Vgl. Schönwälder: Heinrich von Srbik, S. 542–544. Auch die Dozentenschaft der Wiener Universität stand von Srbik äußerst kritisch gegenüber (vgl. Gernot Heiß: Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe. Die Wiener Schule der Geschichts-wissenschaft und der Nationalsozialismus. In: Willfährige Wissen-schaft. Die Universität Wien 1938–1945. Hrsg. von Gernot Heiß u. a. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1989 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik. 43), S. 39–76, hier: S. 55). 87 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 9.8.1937; Crämer an PPK 11.8.1937.

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224 Karsten Jedlitschka: Die »Parteiamtliche Prüfungskommission«

versationslexika im Auge. Um politische Schwierig-keiten von Anfang an zu vermeiden, hatte daher der »Brockhaus Verlag« für die Neuauflage des Großen Brockhaus der PPK von sich aus die Überprüfung und Überarbeitung von 100 Stichworten übertragen. Das »Deutsche Bibliographische Institut« war sogar noch weiter gegangen. Die achte Auflage von Meyers Konversationslexikon wurde im Wesentlichen von den Mitarbeitern der Bouhler-Kommission gestaltet.88 Einer von ihnen war Crämer. Ende Februar 1937 erhielt er den Auftrag, den Artikel »Föderalismus«, an dessen »politischer Ausrichtung« die NSDAP ein besonderes Interesse hatte, »vom politischen Stand-punkt aus« zu verfassen.89 Der Grund für die Wahl Crämers lag auf der Hand. Der ehemalige Ministeri-alreferent war ausgewiesener Experte für Neugliede-rungsfragen. Gerne nahm Crämer die Chance wahr, seine Qualifikation unter Beweis zu stellen. Er bot auch sogleich an, »der einheitlichen Fassung wegen« den Artikel »Unitarismus« zu übernehmen, was dank-bar angenommen wurde.90 Im Sinne seiner Denk-schrift zur »Reichsreform« und seiner Jenaer An-trittsvorlesung beginnt der Artikel:91

Das Wesen des F[öderalismus] beruht auf der schon seit langem wiss[enschaftlich] als irrig erwiesenen, in Deutschland seit 1933 auch weltanschaul[ich] überwundenen Lehre vom Gesellschaftsvertrag, die mit der Fr[anzösischen] Revolution 1789 und dann vor allem im 19. Jahrhundert mit der Gedankenwelt des Liberalismus, der Demokratie und des Marxis-mus zur polit[ischen] Auswirkung kam.

Über die Schilderung der Versuche der Schaffung föderaler Gebilde in der deutschen Geschichte und deren »kurzer Dauer« – er nennt den »Rheinbund«, den »deutschen« und »Norddeutschen Bund«, das »Deutsche Reich 1871–1933« und »Österreich-Ungarn« – gelangt Crämer dann zu den »Begleiter-scheinungen« des Föderalismus:

Geradezu als eine arteigene Begleiterscheinung des F[öderalismus] kann man den Partikularismus (»Kantönligeist«) bezeichnen, hinter dem sich ver-meintlich zu kurz gekommene völkische Sonder-

88 Heinz Sarkowski: Das Bibliographische Institut. Verlagsge-schichte und Bibliographie 1826–1976. Mannheim u. a.: Bibliogra-phisches Institut 1976, S. 156–158; Barbian: Literaturpolitik, S. 136. 89 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 28.2.1937. 90 BayHStA MK 43500, Crämer an PPK 30.5.1937; PPK an Crämer 31.5.1937. 91 Da die Veränderungen zwischen dem von Crämer einge-reichten vierseitigen Manuskript (BayHStA MK 43500) und dem gedruckten Lexikonartikel nur in sprachlicher Straffung und Ver-dichtung bestehen, wird für die folgenden Ausführungen die ge-druckte Endfassung herangezogen: Artikel »Föderalismus«. In: Meyers Lexikon. Achte Auflage in völlig neuer Bearbeitung und Bebilderung, Bd. 4, Leipzig: Bibliographisches Institut 1938, Sp. 351–353. Hier auch im Folgenden.

bildungen zu sammeln pflegen. Der Partikularis-mus bildet nicht nur für sein Gegenteil, den Uni- tarismus, sondern, wenn übertrieben, auch für den F[öderalismus] eine Gefahr, da er dazu neigt, in Separatismus überzugehen (z. B. Bayerische Volks- partei).

Auch hier zeigt sich in der Negativklimax Föderalis-mus – Partikularismus – Separatismus der Konnex zu Crämers Forschungsfeld, wie er es in seiner Jenaer Antrittsvorlesung skizzierte.92 Der letzte Abschnitt beginnt mit der Feststellung:

Das Deutsche Reich ist seit der nat[ional]-soz[iali- stischen] Revolution 1933 theoretisch ein Einheits-staat: die Länder haben auch ihre restlichen Ho-heitsrechte auf das Reich übertragen und stellen im staatsrechtlichen Sinn nur noch Gebietskörperschaf-ten dar. Doch ist der F[öderalismus] praktisch noch nicht ganz überwunden.

Die Ländergrenzen und das geltende Verwaltungs-recht würden noch der »föderalistischen Zeit« ent-stammen und mithin ihrer »Vereinheitlichung« durch die »Reichsreform« harren. War die Verwirklichung der »Reichsreform« auf Hitlers Weisung hin bis auf weiteres unterbunden worden, so konnte der ehema-lige Referent am Reichsministerium des Innern we-nigstens hier die Notwendigkeit einer grundlegenden Neugliederung des Reichsgebietes fordern.

Crämer hatte die PPK und die Verlagsredaktion überzeugt und man setzte weiterhin auf seine Mitar-beit. Ende des Jahres begutachtete Crämer den von einem auswärtigen Autor erstellten Artikel »Gegen-reformation«, an dem er jedoch nichts auszusetzen hatte.93 Eigentlich sollte Crämer im Jahr 1940 auch noch den Artikel »Reformation« erarbeiten, aber dieser Auftrag fiel wie auch der geplante Artikel zum »Unitarismus« dem Wehrdienst des jungen Histori-kers zum Opfer.94 Allerdings zeigte sich, dass die PPK mit dieser Art einer umfassenden Vorzensur zu weit gegangen war. Der Absatz im Inland war schlecht, da die Handschrift der Partei zu deutlich zu Tage trat. Die Resonanz im Ausland war so verhee-rend, dass die Verlagsleitung im Juli 1944 mit Ein-verständnis der Partei um eine Entbindung von der Zusammenarbeit mit der PPK ersuchen musste.95

92 Crämer: Reichsreform, S. 9. 93 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämer vom 11.12.1937. 94 BayHStA MK 43500, Anfrage des Bibliographischen Insti-tuts an Crämer 13.11.1940 und bedauernde abschlägige Antwort Crämers 24.11.1940. 95 Sarkowski: Das Bibliographische Institut, S. 158.

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Resümee 225

Resümee Die PPK legte bei ihrer Arbeit eine überraschend pragmatische Einstellung hinsichtlich der ideologi-schen Ausrichtung der von ihr kontrollierten Litera-tur an den Tag. Wie die ausgewerteten Gutachten zeigen, hatte die PPK versteckte Kritik oder falsche Interpretation der nationalsozialistischen Ideologie kaum zu fürchten. Im Gegenteil musste sie eingrei-fen, um außen- wie innenpolitisch sensible Bereiche vor übereifrigen Autoren in Schutz zu nehmen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel sind die Einwän-de gegen die Rede des Gauleiters Jordan oder die Abschwächung der Tirade Crämers gegen von Srbik. Diese erstaunlich abwägende Haltung der Zensurbe-hörde aus machttaktischen Erwägungen heraus, de-nen im Zweifelsfalle der Vorrang vor ideologischer Kongruenz eingeräumt wurden, ist bemerkenswert. Außen- oder innenpolitisch Inopportunes – gleich ob Publikation oder Zensurgutachten – wurde abgemil-dert oder gestrichen. Gefragt war pragmatisches Kal-kül und nicht linientreue Ideologieproduktion. Die Beispiele der »Damnatio Memoriae« zeigen auf der anderen Seite, dass man dort, wo es aus machttakti-schen Überlegungen heraus geboten war, auch rasch und mit aller Härte zuschlug. Personae non gratae aus Partei, Wissenschaft und Wirtschaft sollten mit büro-kratischer Perfektion aus dem öffentlichen Bewusst-sein getilgt werden. Diese Herangehensweise der PPK erinnert an das nüchterne Ethos des SD, der fern von ideologischer Borniertheit die Effizienz von Kontrolle und damit letztlich von Herrschaftssiche-rung optimierte.96 Es ist daher auch nicht verwunder-lich, dass die PPK von allen Schrifttumsstellen am engsten mit dem SD zusammenarbeitete, sogar zu jeder Kommissionssitzung einen Vertreter des RSHA hinzuzog. Schrifttum galt dem SD als nachrichten-dienstliche Quelle »ersten Ranges«, um »Krankheits-herde« frühzeitig erkennen und »gegnerische Strö-mungen« bekämpfen zu können. Dabei wurden neben den Veröffentlichungen auch die Verlage und Autoren in die Überwachung mit einbezogen.97

96 Jens Banach: Heydrichs Elite. Das Führerkorps der Sicher-heitspolizei und des SD 1936–1945. Paderborn u. a.: Schöningh 1998, S. 94–97, 325–335; Meldungen aus dem Reich. Auswahl aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS 1939–1944. Hrsg. von Heinz Boberach. Neuwied/Berlin: Deutscher Taschenbuch Verlag 1965 (dtv-dokumente. 477), S. IX–XXVIII; Wolfgang Dierker: Himmlers Glaubenskrieger. Der Sicherheits-dienst der SS und seine Religionspolitik 1933–1941. Paderborn u. a.: Schöningh 2002, S. 15–29. 97 Vgl. dazu den Abschnitt »Die Aufgaben und Möglichkei-ten des Sicherheitsdienstes in der Schrifttumsüberwachung« in einem als »geheim« eingestuften Dossier des SD 1937 (BA Berlin-Lichterfelde R 58/1106, SD-Leitheft Schrifttumswesen und Schrifttumspolitik, März 1937 [73 S.], S. 64–73, hier: S. 69f.). In dieser Darstellung werden die unterschiedlichen Zensurstellen des

Die Zensurarbeit Crämers hat zudem die in der Li-teratur konstatierte Ausweitung der Kompetenzen der PPK als Element der typischen Dynamik nationalso-zialistischer Verwaltungsrealität bestätigt. Ein kon-kretes Beispiel für das polykratische Wuchern der PPK ist die erwähnte Anfrage an Crämer zur Abfas-sung eines Schulbuches 1937, obgleich die Zensur-behörde offiziell erst 1940 damit beauftragt wurde, sich auch um den Bereich der Schulbuchproduktion zu kümmern.98 Damit unterstreicht die Entwicklung der PPK auch für den Bereich der Literaturpolitik die in der Forschung allgemein für das »Dritte Reich« konstatierte »enorme Dynamik des Wandels«, die als »Stabilisierung durch Bewegung« die Grundlage dafür bildete, dass sich das ausgesprochen heterogene Machtgebilde des nationalsozialistischen Staates bis zur vollkommenen militärischen Niederlage halten konnte, ohne etwa zuvor von innen heraus auseinan-der zu brechen.99

Mit dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches« fand im Übrigen auch die Karriere Crämers ein jähes Ende.100 Nach der von der Besatzungsmacht verfüg-ten Amtsenthebung und längeren Internierung musste der ehemalige Professor beruflich völlig neu begin-nen. Trotz verbissener Versuche, die Crämer sogar zu einer Klage gegen die Münchner Universität führten, blieb er auf Dauer von einer Rückkehr ins akademi-sche Lehramt ausgeschlossen. Auch die Unterstüt-zung durch alte Seilschaften oder den »Verband der nicht-amtierenden (amtsverdrängten) Hochschulleh-rer«, in dem sich die wegen ihrer NS-Belastung amts-enthobenen Professoren zusammengeschlossen hat-ten,101 brachten Crämer der ersehnten Wiedererlan-gung seines Lehrstuhls nicht näher. Nachdem er sich und seiner Familie in Kempten zuerst als Töpfer, später als Versicherungsvertreter den Lebensunter-halt verdient hatte, fand er schließlich eine Anstel-lung beim Brockhaus Verlag. Dort war er von 1950 bis 1976, seit 1965 als Redaktionsmitglied, für die historischen Inhalte der Brockhaus-Enzyklopädie zuständig. Crämer starb 1992 in Wiesbaden.

Regimes kurz dargestellt und nach ihrem Wert für den SD beur-teilt; zur PPK siehe S. 53–64. 98 Kröger/Thimme: Geschichtsbilder, S. 67–76; Barbian: Li-teraturpolitik, S. 104/105, 136. 99 Ruck: Führerabsolutismus und polykratisches Herrschafts-gefüge, S. 45. Zur polykratischen Kompetenzanarchie im national-sozialistischen Verwaltungsalltag bilanzierend S. 44–56. 100 Jedlitschka: Wissenschaft und Politik, S. 233–370. 101 Zu dieser Lobbyvereinigung, deren besonders aktiver bayerischer Landesverband mit Sitz in Erlangen in den 1950er und 1960er Jahren lautstark die Interessen der amtsenthobenen Hoch-schullehrer gegenüber den Universitäten und dem Bayerischen Kultusministerium vertrat, siehe Jedlitschka: Wissenschaft und Politik, S. 252–291.

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226 Karsten Jedlitschka: Die »Parteiamtliche Prüfungskommission«

Abkürzungen BA Bundesarchiv Berlin BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv München HZ Historische Zeitschrift KZ Konzentrationslager NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-

partei PPK Parteiamtliche Prüfungskommission zum

Schutze des nationalsozialistischen Schrift-tums

REM Reichsministerium für Wissenschaft, Er-ziehung und Volksbildung

RSHA Reichssicherheitshauptamt SA Sturmabteilung SD Sicherheitsdienst SS Schutzstaffel UAM Universitätsarchiv München VfZ Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte

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Rezensionen

Buchgeschichte populärwissenschaftlich

Marion Janzin/Joachim Güntner: Das Buch vom Buch. 5000 Jahre Buchgeschichte. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsanstalt 2006. 512 S. Leinen. ISBN 978-3-89993-805-0. Euro (D) 88,–

Wer interessiert sich eigentlich für Bücher? Wer ein Interesse an Büchern artikuliert, meint meist die Buch-inhalte, die seinen Wissensdurst stillen und seine Lese-lust befriedigen sollen. Aber da gibt es auch bibliophi-le Neigungen, und eine dritte Auflage binnen elf Jahren dokumentiert immerhin so viel Aufmerksam-keit des allgemeinen Publikums, dass der Verlag das Risiko einer erweiterten Neuausgabe, als die das re-zensierte Werk bei präziser Terminologie bezeichnet werden muss, einzugehen bereit ist.

Das Buch vom Buch hat Tradition. Es geht zurück auf ein von Helmut Presser verfasstes Werk gleichen Titels,1 das 1978 eine zweite Auflage bei der Schlüter-schen Verlagsanstalt erlebte. 1995 kam die erste Auf-lage des zu rezensierenden Werks von Janzin und Güntner heraus, gegenüber Presser ein praktisch neu geschriebenes Buch. Ein Rezensent2 zählte seitenlang Mängel auf, von schlampigen Formulierungen wie z. B. »zweiseitig bedruckte Seite« bis zu sachlichen Fehlern beispielsweise bei den Erscheinungsjahren und Herausgebern der Monatsunterredungen (nicht 1641/42, sondern 1663 bis 1671; Johann Rist gab sie nicht gemeinsam mit Erasmus Francisci heraus, son-dern war als Herausgeber dessen Vorgänger). In der zweiten Auflage 1997 waren diese Mängel weit ge-hend beseitigt. Eine weitere Bearbeitung hat das Buch, das in der dritten Auflage Text, Illustration und Layout der zweiten Auflage unverändert beibehält und des-halb komplett in alter Rechtschreibung steht, fast nicht erfahren (im Text ist allerdings auf das Buchpreisbin-dungsgesetz von 2002 verwiesen, andererseits sind veraltete Bezeichnungen wie z. B. »Deutsche Staats-bibliothek« unverändert stehen geblieben), so dass seine Herstellung kostengünstig war. Hinzugefügt ist in der vorliegenden dritten Auflage ein Schlusskapitel »An der Wende zum 21. Jahrhundert«.

Der Gesamtcharakter des Werks blieb erhalten: Es will nicht – und das kann es auch nicht – ein Beitrag 1 Presser, Helmut: Das Buch vom Buch. Bremen: Schüne-mann 1962. 2 Meyer, Horst: Das Buch vom Buch [Rezension online]. In: Informationsmittel für Bibliotheken 4 (1996) 1 [zitiert am 13. Aug. 2007]. Im World Wide Web: http://www.bsz-bw.de/depot/media/ 3400000/3421000/3421308/96_0017.html.

zur Buchwissenschaft sein, weder hinsichtlich der Präsentation neuer Erkenntnisse noch einer hand-buchartigen Zusammenfassung des Forschungsstands. Es richtet sich an interessierte Laien: »Unsere Buch-geschichte will dem Buchfreund Einblicke geben, vor allem aber soll sie Zusammenhänge aufzeigen und einen Überblick verschaffen«, heißt es im Vorwort (S. 11), und diesem Anspruch wird Das Buch vom Buch mit kleinen Einschränkungen gerecht.

Es folgt einem breiten Ansatz, der weit über die Fragestellungen der Buchwissenschaft hinausgeht. Das macht es für ein breiteres Publikum interessant. In weiten Teilen erzählen die Autoren Kulturgeschichte rund ums Buch bis hin zu Literaturpreisen und Schrift-stellervereinigungen (nicht von den Gewerkschaften der Buchbranche, deren Einfluss via Lohnkosten auf die Entwicklung des Buches womöglich bedeutsamer ist). Es handelt sich um ein illustriertes populäres Sachbuch im guten Sinn des Worts. Deshalb können die Autoren auf die Behandlung von Forschungsme-thoden weit gehend verzichten. Nur vereinzelt, z. B. im Zusammenhang mit der Bestimmung von Inkuna-beln (Typenanalyse, S. 159) oder der Datierung von Papieren anhand der Wasserzeichen (S. 97), kommen sie auf Forschungsmethoden zu sprechen.

Die Autoren präsentieren ihren umfangreichen Stoff – Das Buch vom Buch hat einschließlich Literaturver-zeichnis und Register über 500 großformatige und zweispaltige, deshalb gut lesbare Seiten – in kurzen, teils thematischen, teils chronologischen Kapiteln unter manchmal sachlichen (»Organisationsstrukturen in Verlag und Buchhandel«), mitunter eingängigen Überschriften (»Als der Buchdruck noch in der Wiege lag«). Sie wollen, und das gelingt ihnen überzeugend, zu nicht-linearem Lesen, zum Blättern und Schmö-kern, zum Nachschlagen – gutes Register mit rund 5.000 Eintragungen bis hin zu Buchtiteln – und Ge-nießen einladen. Das große Format erlaubt Illustratio-nen mit aussagefähigen Bildunterschriften fast auf jeder Seite (Beispiele für Schriften, einzelne Buchsta-ben besonders aus den Schriften der Renaissance und des Barocks, Buchseiten, Bucheinbände, Doppelseiten aufgeschlagener Bücher, Buchillustrationen, Wasser-zeichen, Druckerzeichen u.v.a.m.). Freilich hätte man

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228 Rezensionen

sich nicht nur Ansichten von Druckwerkstätten der frühen Neuzeit in schönen Stichen gewünscht, sondern auch ein Foto eines modernen Druckereibetriebs. Und nicht immer zeigen die Bilder den Buchtitel oder die Schrifttype, die der Text erwarten lässt. Schön ist der Druck auf mattem, ziemlich starkem Papier, wodurch zwar die Farben weniger kontrastreich sind, die Abbil-dungen aber spiegelfrei bleiben und der Druck der Rückseite nicht durchschlägt.

Und die Autoren präsentieren die Stoffmassen nicht nur klar gegliedert und sauber erschlossen, sondern auch sprachlich durchweg flüssig, eingängig, elegant. Das Buch vom Buch zu lesen macht Spaß.

Janzin und Güntner beginnen, wie etwa auch Fritz Funke3 in seiner längst als wissenschaftliches Stan-dardwerk etablierten, staubtrockenen Buchkunde mit der Schriftgeschichte. Es folgt wie bei Funke die Ge-schichte der Beschreibstoffe von den Tontafeln über Papyrus und Pergament bis zum Papier. Dann kommt die Entstehung des Codex als der bis heute üblichen Form des Buches.

Von da an holen Janzin und Güntner viel weiter aus als die buchwissenschaftliche Fachliteratur. Es folgen Kapitel nicht zur Buchgeschichte, sondern zur Geschichte der Textüberlieferung, soweit man beides trennen kann, am Beispiel der Bibel und anderer antiker Texte. Bei den Bibelübersetzungen geht es seitenlang, sehr berechtigt, um Sprachgeschichte.

Vom 16. Jahrhundert an schieben die Autoren immer wieder Kapitel über Lieblingslektüren, über verbreitete und populäre Lesestoffe ein; sie schreiben auch eine Geschichte des Lesens. Sehr gelungen ist in dem Zusammenhang das Kapitel über die Bedeu-tung der kommerziellen Leihbibliotheken als »Groß-mächte des literarischen Lebens«.

Über weite Strecken erzählen die Autoren Kultur-geschichte, etwa der Emblembücher und ihrer Bedeu-tung für Redensarten bis heute (»Krokodilstränen«, S. 222), referieren Literatur- und Kunstgeschichte, z. B. den Inhalt von Heinrich von Veldekes Eneit (S. 86), die Ikonografie der Stundenbücher (S. 91) oder die Po-litisierung der Literatur in den 1960er Jahren (S. 442), befassen sich ausführlich mit ebenso schönen wie für das Buchgewerbe marginalen Bereichen wie der Buch-kunst (z. B. der Officina Bodoni, S. 368–370, einzelnen Buchillustratoren, etwa Gerhart Kraaz, HAP Griesha-ber, Josef Hegenbarth, Werner Klemke, S. 431–435) und den Privatpressen (S. 361–368), legen detailliert die Entwicklung der Einbandgestaltung und des Lay-outs dar – sie liefern den Stoff, für den sich ein gebil-deter Zeitgenosse, behaglich im Sessel bei Tee oder Rotwein vor der wohlsortierten Bücherwand schmö-kernd, interessiert und der im Buchhandel ein schmü-ckendes Zusatzgeschäft bildet.

3 Funke, Fritz: Buchkunde. 6. Aufl. München: Saur 1999.

Sie würdigen einige Buchgattungen, die für die Verbreitung von Büchern eine herausgehobene Bedeu-tung haben, besonders Kinderbücher (S. 254) und Rei-seführer (S. 297) oder Taschenbücher (S. 422). Sie sprechen von literatursoziologischen Zusammenhän-gen, beispielsweise hinsichtlich der Stellung der Schrift-steller im 18. Jahrhundert (S. 247): »Bis weit über die Jahrhundertmitte hinaus sah sich der deutsche Schrift-steller in einer ungünstigen Situation: die früheren Gönner, die das Interesse an poetischer Verherrlichung ihres Standes verloren hatten, ernährten ihn nicht mehr, und der Buchhandel tat dies noch nicht.«

Umgekehrt interessieren sich die Autoren nur mar-ginal (S. 321f.) für die Sozialgeschichte des Buch-gewerbes von den frühen Buchdruckerverordnungen, mit denen die Städte um 1600 auf Streiks der Gesellen reagierten, bis zu den modernen Berufsbildern wie Mediengestalter oder Flexograf. Die Ethnologie der Buchberufe – Rituale und Zeremonien wie Deposition und Gautschen – bleibt anekdotisch und kursorisch.

Es entsteht tatsächlich ein Buch vom Buch für den Buchliebhaber, das nahezu alle Facetten des Themas beleuchtet, von der Inkunabel bis zur elektronischen Zeitschrift, vom Egbert-Codex bis zu Rainer Lang-hans’ und Fritz Teufels provokativer 68er-Agitations-broschüre Klau mich, von der Bibliothek von Ale-xandria bis zu Google Book Search. Dass dabei nicht alle Aspekte durch die Jahrhunderte mit derselben Aufmerksamkeit, sondern teils je nach vorliegender Fachliteratur, teils subjektiv verfolgt werden, das mag man den Autoren zugestehen, die ihre Schwerpunkte durchaus nach wohl berechtigt vermuteten Interessen ihrer Zielgruppen gesetzt haben.

Leider ist Das Buch vom Buch wie wohl viele po-puläre Sachbücher von einer Fülle von kleineren Un-genauigkeiten durchzogen, die der Zielgruppe nicht nur nicht auffallen, sondern für diese wohl unerheb-lich sind, die es aber für Buch- und Bibliothekswis-senschaftler unerträglich machen. Einige Unschärfen sollen beispielhaft genannt werden:

– S. 34–35 heißt es über die Runen: »Seit dem 13. Jahrhundert wurde das traditionelle Runenalpha-bet von der Lateinschrift völlig verdrängt.« Das ist so richtig wie unscharf, denn die Norweger verwendeten Runen noch im 14. Jahrhundert als Gebrauchsschrift für alltägliche Mitteilungen, Frachtbriefe u. dgl. Dass die neuere Forschung das Etymon »rūn« nicht als »Mysterium, Ge-heimnis« deutet, sondern als »geschriebene Mit-teilung« wird nicht erwähnt.

– S. 46 wird richtig festgestellt, dass die Regula Benedicti nicht vom »Bücherkopieren und von der Bewahrung der Literatur« spricht. Dennoch wird der entscheidende Zusammenhang nicht recht deutlich, denn Benedikt schreibt seinen Mönchen neben Gottesdienst und körperlicher

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Buchgeschichte populärwissenschaftlich 229

Arbeit die Lesung vor, individuell wie das Vorle-sen zu jeweils festgesetzten Zeiten. Und gerade diese Vorschrift erzwang in einer Zeit, in der, wer ein Buch lesen wollte, erstmal eines der raren Exemplare beschaffen und für den eigenen Ge-brauch abschreiben musste, eben das »Bücherko-pieren«. Schreibstube und Bibliothek begründen sich unmittelbar aus der Benediktinerregel.

– S. 94 steht über die Bedeutung der Erfindung des Buchdrucks: »Bisher war jedes Buch einmalig, zwar in Abschriften, aber doch individuell und für einen ganz bestimmten Auftraggeber gefer-tigt worden. Nunmehr war es möglich, […] für einen anonymen Markt zu produzieren, für Ab-nehmer, die man zum Zeitpunkt der Herstellung noch gar nicht kannte.« Das stimmt in der hier formulierten Ausschließlichkeit nicht, denn be-reits in der Antike gab es einen Buchhandel mit auf Vorrat »für einen anonymen Markt« herge-stellten Rotuli.

– S. 449: Der Photosatz wurde nicht 1946 erfun-den, sondern bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Erst der praktische Einsatz dieser Erfindung kam nach dem Zweiten Weltkrieg.

– S. 473: Wer die Druckausgabe der dreißigbändi-gen Brockhaus-Enzyklopädie in der Ausgabe 2006 erwarb, erhielt »zusätzlich« zwar zwei DVDs mit Bild- und Tondokumenten, aber kei-neswegs »das ganze Werk noch einmal auf ei-nem kleinen Datenträger (einem USB-Stick)«. Vielmehr wird die Brockhaus Enzyklopädie digi-tal separat mit eigenem Preis vertrieben.

– S. 475: »Books on Demand« kann keineswegs »wahlweise« für »Print on demand« verwendet werden, sondern ist die Bezeichnung für die Toch-terfirma des Barsortiments Libri, die ein Print-on-demand-System betreibt. Möglicherweise haben Janzin und Güntner auch Konkurrenzunternehmen wie book-on-demand, die Print-on-demand-Linie einer Berliner Digitaldruckerei, im Auge gehabt.

– S. 475: Das Konzept des Buchdrucks nach Bedarf wurde keineswegs erst 1997 entwickelt, sondern hat in der wissenschaftlichen Publizistik eine jahr-zehntelange Tradition, wenn auch auf Basis der Fo-tokopiertechnik. Die Ende der 1990er Jahre ent-wickelten Print-on-Demand-Technologien machen das Konzept für den Massenmarkt tauglich.

– S. 475 liest man: »Internet-Veröffentlichungen sind flüchtig, lassen sich leicht korrigieren, ma-nipulieren oder fortschreiben, ohne daß für den Nutzer erkennbare Spuren davon zeugen.« Diese Eigenschaft können Internet-Publikationen ha-ben – oder dank Authentifizierungs-Technolo-gien ebenso beständig und zitierfähig wie Print-Veröffentlichungen sein. Darauf weisen die Au-toren mit keinem Wort hin.

– S. 480 steht, dass der Terminus »Hörbuch« 1987 von der Deutschen Grammophon eingeführt wur-de. Tatsächlich wurde der Terminus erstmals 1954 von der Deutschen Grammophon und der Deutschen Blindenhörbücherei verwendet.

Für Angehörige in der Buchbranche vom Verleger über den Buchhändler bis zum Bibliothekar mit ei-nem Bedarf an aktueller Information über Trends der Buchbranche ist Das Buch vom Buch zu unpräzise. Auch dies soll an Beispielen gezeigt werden: – S. 480 erfährt man, dass Frauen und Männer

ungefähr gleich häufig zum Hörbuch greifen. Bei der Aussage fehlt die Unterscheidung zwischen Nutzung und Kauf, eine Unterscheidung, die für den Buchhandel von zentraler Bedeutung ist.

– S. 474 heißt es, dass bei den wissenschaftlichen Zeitschriften – oder bei den naturwissenschaftli-chen Zeitschriften, der Bezug wird nicht ganz klar – »die reinen E-Journale, also die ausschließlich online zu beziehenden wissenschaftlichen Perio-dika, die Oberhand« gewannen. Das trifft nicht zu; die Zahl der wissenschaftlichen und naturwis-senschaftlichen Online-Zeitschriften, die eine pa-rallele Print-Ausgabe haben, ist noch immer er-heblich größer als die freilich wachsende Zahl der E-only-Titel. Vor allem wäre in diesem Zusam-menhang die Aussage wichtig gewesen, dass der verbreitende Buchhandel am Online-Geschäft mit Zeitschriften keinerlei Anteil hat.

– S. 474 gehen die Autoren auf Open-Access-Publikation ein und stellen sie als Reaktion der Wissenschaftler auf drastische Preiserhöhungen bei den wissenschaftlichen Zeitschriften dar. Das ist einseitig, denn dem Open-Access-Modell, wie es 2001 in der (im Buch vom Buch nicht erwähn-ten) Budapest Open Access Initiative (BOAI) formuliert4 wurde, liegen nicht nur die Preisent-wicklung bei Zeitschriften, mehr noch die Erfah-rung restriktiver Autorenverträge und restriktiver Geschäftsmodelle zugrunde, die den bisher zeit-lich unbefristeten Zugriff auf früher bezahlte Publikationen bei elektronischen Verlagspubli-kationen unterbinden. Ferner fehlt in dem Zu-sammenhang die Aussage, dass die Verlage ih-rerseits mit einer Palette von Open-Access-Geschäftsmodellen reagiert haben.

– S. 474–481 wird der Terminus »Copyright« wie umgangssprachlich üblich auch für Deutschland synonym mit Urheberrecht bzw. Verwertungs-recht gebraucht; die Differenzen zwischen dem US-amerikanischen Copyright und dem deut-schen Urheberrecht werden ignoriert.

4 (In World Wide Web:) http://www.soros.org/openaccess/g/ index.shtml.

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230 Rezensionen

– S. 474–481 befassen sich die Autoren mit elek-tronischem Publizieren. Dabei behandeln sie die eigentlich interessante Entwicklung nicht, näm-lich den Vertrieb von Büchern in Form von pdf-Dateien mit Digital-Rights-Management via Download, obwohl diese Entwicklung wohl am besten die Überschrift »Das Buch verläßt den Buchkörper« illustriert hätte.

– Im Schlusskapitel S. 464–482 fehlt der Gedanke – der nach Auffassung des Rezensenten die be-deutendste Veränderung im Zusammenhang mit WWW-basierter Publikation ist –, dass die Onli-ne-Publikation die bisherige lineare Publikati-onskette vom Autor über Verlag und Distributi-onsinstanzen zum Konsumenten sowohl im populären (Wikipedia) wie im wissenschaftli-chen Sektor in eine Netzstruktur umwandeln kann und im Wissenschaftsbetrieb die Integrati-on von internen und externen Informationsres-sourcen mit Rohdaten der Forschung sowie mit elektronischen Instrumenten zur Diskussion der Auswertungsergebnisse und der Schlussfolge-rungen via Internet (»Collaboratory« aus »colla-boration« für Internet basierte Zusammenarbeit und »laboratory« für Labor) erlaubt.

– Während die Autoren historische Technologien von Satz und Druck (etwa Königs Schnellpresse, S. 318–320, die Linotype und der Weg dahin, S. 322–324) ausführlich und anschaulich behan-deln, streifen sie aktuelle Satz- und Drucktechno-logien nur essayistisch und oberflächlich (»Digita-le Bildbearbeitungssysteme erlauben die reinste Zauberei.«, S. 451). Die Differenz zwischen pro-fessionellen DTP-Systemen und verbreiteten Bü-ro-Anwendungsprogrammen wird nicht deutlich. Unklar bleibt ebenso der Unterschied zwischen dem Pixel-Raster der digitalen Bildverarbeitung und dem Punktraster der Druckform.

Es handelt sich eben um ein Sachbuch, das nicht als Fachbuch gelesen werden will. Freilich fehlen ihm auch als Sachbuch einige Qualitäten, die man längst von einem wirklich guten Sachbuch erwarten kann: Es soll seinen Stoff an ein nicht fachspezifisches Publikum vermitteln, dabei aber sachlich genau und terminologisch präzise sein. Eben dies leistet Das Buch vom Buch nicht durchgängig.

Dass ein Sachbuch sich auf Fachliteratur stützt, ist selbstverständlich; dass es Absätze auf Absätze Fach-literatur in einer für Laien rezipierbaren Sprache referiert und sich dabei nicht scheut, lange Passagen bloß umzuformulieren, ist legitim. Aber diese Quel-len müssen ausgewiesen sein. Auch im Sachbuch müssen Zitate belegt sein. Die Mittel, um dies auch ohne Fußnoten zu leisten, die nach einer verbreiteten Auffassung im Sachbuch stören, sind bekannt (Quel-lenangaben im Anhang nach Seiten usw.). Davon machen Janzin und Güntner keinen Gebrauch.

Sie geben Fachliteratur oft fast wörtlich ohne An-führungszeichen wieder, formulieren aber journali- stisch um und steigern so die Verständlichkeit – das sollte man beim Sachbuch gutheißen: Bei Reinhard Wittmann5 steht: »Ähnlich machte eine bei Metzler in Stuttgart ab 1827 lieferungsweise erscheinende Übersetzungsbibliothek griechischer und römischer Klassiker in 729 Bändchen die Schätze humanisti-scher Bildung einem breiten Publikum zugänglich.« Janzin und Güntner formulieren (S. 303): »Vorerst allerdings hielt sich Metzler an humanistisches Bil-dungsgut. 1827 begann er, eine Bibliothek mit Über-setzungen griechischer und römischer Klassiker in 729 kleinen Bändchen herauszubringen.« – bis auf die missglückten »kleinen Bändchen« eine Verbesse-rung der Lesbarkeit.

Freilich zitieren sie auch immer wieder wörtlich in Anführungszeichen, nennen dann den Autor, oft auch den Titel des zitierten Werks, aber nicht die exakte Quelle. Und das ist auch im Sachbuch nicht akzepta-bel. Mitunter ist das zitierte Werk im Literaturver-zeichnis der dritten Auflage gar nicht mehr enthalten (so der S. 86 wörtlich in Anführungszeichen zitierte Literaturhistoriker Bernd Lutz), denn das Literatur-verzeichnis wurde gegenüber der zweiten Auflage erheblich gekürzt.

Immerhin führen sie darin wichtige Fachliteratur auf, erwähnt seien Fritz Funkes Buchkunde6 (in der 5. Auflage 1992, während die 6. Auflage sieben Jahre vor der hier rezensierten dritten Auflage des Buchs vom Buch erschien), Rudolf Schendas Lesewelten der kleinen Leute7, die Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur8, um die dem Stoff des Buchs vom Buch entsprechende Spann-weite anzudeuten. Nur am Rande sei angemerkt, dass nicht ganz nachvollziehbar ist, weshalb die Autoren das Wörterbuch des Buches von Hiller und Füssel auflisten und nicht das sehr viel qualitätsvollere Rec-lams Sachlexikon des Buches9 von Rautenberg.

Insgesamt ist das Buch vom Buch ein vorzügli-ches, preislich angemessenes Coffeetable-Book, das den Haushalt jedes Buchliebhabers bereichert und schmückt (außer wenn ein Buch- und Bibliotheks-wissenschaftler zu Besuch kommt).

Konrad Umlauf

5 Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhan-dels. München: C. H. Beck 1991, S. 219. 6 Funke: Buchkunde. 7 Schenda, Rudolf: Die Lesestoffe der kleinen Leute. Mün-chen: Beck 1976. 8 Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelal-terlichen Literatur. Von Herbert Hunger, Karl Langosch u. a. 2 Bde. Zürich: Atlantis 1961–1964. 9 Reclams Sachlexikon des Buches. Hrsg. von Ursula Rau-tenberg. 2. Aufl. Stuttgart: Reclam 2003.

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Frühdruck in Straßburg 231

Frühdruck in Straßburg

Oliver Duntze: Ein Verleger sucht sein Publikum. Die Straßburger Offizin des Mat-thias Hupfuff (1497/98–1520). München: K. G. Saur 2007 (Archiv für Geschichte des Buchwesens. Studien. Bd. 4) Im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. hrsg. von Monika Estermann und Ursula Rautenberg, 508 S. Gebunden. ISBN 978-3-598-24903-7. Euro (D) 128,–

Monographs on a single printer or publisher from the first century of printing (apart from Gutenberg and Caxton) are not unknown since Oscar Hase’s 1885 work on Anton Koberger, but they remain a rarity, comprising perhaps no more than a few dozen titles. Oliver Duntze’s dissertation (Erlangen 2006) on Matthias Hupfuff, the most prolific publisher of German-language works in pre-Reformation Stras-bourg, serves as a reminder that much more remains to be done in this area, and that research on early printers can have a significant impact on many fields of inquiry into the early modern period.

Oscar Hase was able to draw on a wealth of cor-respondence and official documents for his study of the Kobergers, but much of Hupfuff’s biography remains a mystery, including the precise dates of his birth in the second half of the fifteenth century and death before 1522. Of the competing theses concer-ning Hupfuff’s origin, Duntze shows that Hupfuff did not acquire Strasbourg citizenship in 1484 and that he probably did not come from Reutlingen, but was rather more likely born in Strasbourg. The most im-portant basis of Duntze’s analysis is formed not by archival documents, however, but by the products of Hupfuff’s workshop. For this type of analysis, it is essential that Hupfuff’s editions have a sound biblio- graphical footing, but one of the significant challen-ges in achieving this is that the method of Proctor and Haebler, whereby typefaces are attributed to a particular printer according to a characteristic majus-cule letter and the measured height of 20 lines of text, is of uncertain reliability for the sixteenth century, when type standardization and trade in typefaces make attribution difficult. One of Duntze’s conside-rable accomplishments in Ein Verleger sucht sein Publikum is to face the challenge head-on with a critical reconsideration of the Proctor-Haebler me-thod for the early sixteenth century. Duntze shows that a method developed for fifteenth-century prin-ting is nevertheless applicable to sixteenth-century editions as one criterion among others for attributing an unsigned print to a particular printer and time period based on the entire variety of a work’s various types, woodcuts, illustrated initials, and other decora-tive material in the context of contemporary print editions. On the basis of a solid methodological

foundation, Duntze is able to establish a list of 253 editions attributable to Hupfuff for the years 1497–1520 (compared to the 210 currently found in VD16), as well as to identify 32 editions falsely attributed to Hupfuff and 33 probable ghost editions (appendices A–C, pp. 357–486).

Establishing a sound bibliography of Hupfuff edi- tions requires painstaking attention to what appear to be very minor details of typefaces and woodcuts, but the effort is rewarded by a clear glimpse of Hupfuff’s career in publishing and his role in the early modern marketplace for printed books. The considerable chan-ges in output, both in terms of number of editions and of printed quires, demonstrate that Hupfuff’s estab-lishment of his print shop from 1497/98 to 1504 was followed by a marked expansion in 1505–1507 before a dramatic decline from 1508 to 1509. After rebuilding the business in 1510–1511, Hupfuff was able to ex-pand again to become one of the most productive publishers in Strasbourg between 1512 and 1516, at which time Hupfuff likely made use of 6–8 presses to attain print runs of 750–1000 copies. Except for a single edition commissioned from the press of Hein-rich Knoblochtzer in the year 1520, however, Hupfuff disappeared from the world of print after 1516.

The greater part of Ein Verleger sucht sein Publi-kum examines the titles printed by Hupfuff and their contents, which Duntze categorizes as technical/ad-visory, religious, or secular literature, politics and current events, and schoolbooks, with each genre further divided into appropriate subcategories. Thus chapter 8 on secular literature (pp. 183–221), for example, addresses separately works of the high and late middle ages, contemporary literature of the late fifteenth and sixteenth centuries, and printed songs. The detail presented in this and other chapters make Ein Verleger sucht sein Publikum essential reading for the study of early modern German literature and the reception of medieval literature in print, and the same is true for the study of other genres printed by Hupfuff. The titles and their relation to earlier and later editions or to manuscript traditions are not only important data for literary history, but they also tell a story of a printer’s hopes, ambitions, and disap-pointments. A recurrent pattern in the chapters ad- dressing particular genres is the shift from an initial

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232 Rezensionen

preponderance of popular booklets in smaller formats to the inclusion of more substantial or learned works. Particularly the medieval literature frequently printed in Hupfuff’s early years later disappears from his publishing program.

Hupfuff’s publication program is the key to un-derstanding his place in the ecosystem of pre-Reformation German printing. For any genre or type of literature, Hupfuff’s editions were nearly always focused on the everyday needs of practitioners, rather than on theoretical considerations. With few excep- tions, Hupfuff chose to print works that had already appeared in print, often based on previous Augsburg editions, or works that were already popular in ma-nuscript. At the same time, Hupfuff’s editions were often the first to be printed in Strasbourg. It seems quite clear that Hupfuff discovered an effective mar-ket strategy in producing small vernacular works for local and regional book markets less expensively than they could be imported from more distant publishing centers.

As can be expected from any contribution to scho-larship, Ein Verleger sucht sein Publikum raises as many questions for further research as it answers, not least among them how we are to think of the early modern book market. We understand ›market‹ in terms of producers and customers, supply and de-mand, and other concepts not formulated in their modern sense until centuries after the early publi-shers flourished. Although not addressing the topic directly, Duntze adduces several examples of early printing involving Hupfuff that make printing in Stras-bourg seem less a competitive arena than a coopera-tive network. The case of Hupfuff also raises ques- tions about the customers for printed works. Hupf-uff’s wares, typically illustrated popular works in small formats, appear to have been less expensively produced than contemporary editions; but this is less a matter of Hupfuff seeking a particular audience than of his seeking a particular price point. Did Hupfuff try to serve the needs of one market seg-ment, or to dominate the entire market with wares that could still be sold profitably at an incomparably low price? Whether lower-priced editions primarily served less wealthy readers, or whether readers of all classes pre-ferred less expensive books to more care-fully crafted wares, remains a question requiring further attention.

The data Duntze gathers from the record of printed editions are subject to competing interpretations. In the expansion of printed editions and publication formats, do we see a printer’s triumphal rise from humble beginnings, or a failure born of excessive ambition and poor business acumen? Duntze sug-gests that the setback of 1508–1509 was the result of an ill-considered overexpansion, but Hupfuff’s whole career appears marked by an aspiration towards more

prestigious projects than the mass-market vernacular booklets of his beginning years; Hupfuff’s publica- tion program becomes most Latinate in 1506–1507, just prior to the caesura, and then in 1515–1516 (although to a smaller degree), just prior to the con- clusion. If a successful edition in the fifteenth and sixteenth centuries was one that was later reprinted, what are we to make of Hupfuff’s many editions that mark the end of a work’s edition history? Hupfuff either discovered a way to profit from selling end-of-life products – or he did not.

Ein Verleger sucht sein Publikum also contains valuable material for the study of early modern authorship. Hupfuff’s numerous measures to reduce production costs also raise the question as to why he did not dispense with illustration altogether in his editions. One can say that illustrations in vernacular works were traditional or expected by the customers, but what functions did woodcuts serve that made them essential? One provocative example is Hupf-uff’s 1512 edition of Sebastian Brant’s Narrenschiff, which made use of the woodcuts from the original 1494 Basel edition. Duntze suggests that the wood-cuts were brought to Strasbourg by Sebastian Brant himself. If this is correct, it represents a case where an author maintained control over images associated with his work, and where their use in a later edition was perhaps intended to authenticate the reprinted text. Hupfuff had contact with and published works by other leading intellects of pre-Reformation Stras-bourg, including Thomas Murner, Johannes Geiler and Jakob Wimpheling. In an incident significant for the history of authorship and of censorship, Hupfuff paid Murner four gulden for the manuscript of the satirical Geuchmatt, a sum that Hupfuff later deman-ded back from Murner after the city of Strasbourg had forbidden the work’s publication. The transaction does not necessarily point to the author’s particular power in his relationship to the printer, however. The Geuchmatt edition printed in 1519 by Adam Petri is a quarto volume of 128 leaves and thus the manuscript was a significant investment in time and material on the part of its author; the four gulden Hupfuff paid to Murner for it in 1514 is dwarfed by the 1.984 gulden owed to Hupfuff by the elder Johann Knobloch in 1516.

Compared to the number of scholarly volumes de-voted to early modern intellectual figures such as Brant, Murner, and Wimpheling, it is striking how few scholarly monographs address the printers and publishers who brought their works into circulation. Ein Verleger sucht sein Publikum not only represents a significant contribution to print history and several other fields, but it also offers demonstrates the value of integrating print and intellectual history.

Jonathan Green

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Register 233

Register

Ackermann, Alfred 196 Ackermann-Teubner, Alfred 193, 195 Aesop 65, 90, 128 Albert von Brixen 74 Albertus Magnus 45, 121, 124, 128 Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz 167 Alexander Calcedonius 94 Alexander de Villa Dei 28, 52, 78, 81, 120, 122, 130, 139 Alvise, Alberto 30, 38 Alvise, Giovanni 30, 38 Amann, Max 215f. Amerbach, Johannes 15, 74, 78, 82 American Library Association 206 Amersford, Eberhard von 121 Andreae, Hieronymus 156f., 162 Andreas, Willy 214 Anrich, Ernst 214 Antoninus Florentinus 38, 45 Antonius Turchetus 30 Anwykyll, John 92 Apian, Georg 166, 169 Apian, Peter 166, 169 Aristoteles 115, 121, 128, 136, 142 Armandus de Bellovisu 142 Arndes, Stephan 52 Arnold ter Hoernen 28, 51, 92, 107, 109, 111f., 114, 116,

118 Arnoldi, Bartholomaeus 157f. Arnoldus de Tungern 122 Augustinus, Aurelius 30, 38f. Ayrer, Marx 13, 86 Azoguidus, Balthasar 38 Bac, Govaert 89 Bachmann, Paul 200 Baldacchini, Lorenzo 10 Bämler, Johann 10 Bammes, Reinhold 5, 6 Baptista de Tortis 52 Barberi, Francesco 9f., 39 Barbian, Jan-Pieter 213 Barker, Nicolas 16 Bartholomäus von Unkel 111, 127 Baumann, Hans 161 Bär, Hans 172 Beck, Fritz 178 Beeck, Heinrich von 132 Beham, Sebald 157 Bellaert, Jacob 11, 28, 66, 68, 81, 83

Bembo, Pietro 39 Benedikt von Nursia 228 Benzing, Josef 154f., 159, 161 Bergmann von Olpe, Johann 51 Berliner, Arnold 194 Bernardinus Benalius 83, 90 Bernhard von Clairvaux 63, 72f. Bibl, Victor 221–223 Bibliographisches Institut, Mannheim 224 Bieberbach, Ludwig 202, 206, 209 Birgittenmeister 157 Blaschke, Wilhelm 202–204, 209 Blumenthal, Otto 194 Bodoni, Giambattista 228 Bogeng, Gustav Adolf Erich 6–8, 14, 22 Bonaventura 45, 63, 65, 90, 92 Boner, Ulrich 35 Bonetus Locatellus 39 Bopp, Melchior 161, 180–184 Borchling, Conrad 108 Born, Max 194, 197, 209 Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Leipzig 191,

206, 208 Bosman, Arent 68f. Bouhler, Philipp 216, 224 Brack, Viktor 218 Brandenburg, Albrecht von, Hochmeister des Deutschen

Ordens 174 Brant, Sebastian 232 Braun, Konrad 158 Breda, Jacob van 52, 78, 81, 92f. Brelochs, Anton 179 F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig 224f. Brugman, Jan 64 Buchner, Berthold 177 Büchsel, Hans-Wilhelm 221 Bühler, Curt F. 90 Bumgart, Hermann 82, 92, 122, 125 Buppe, Hans 161 Calixtus III., Papst 27 Capcasa, Matteo 94 Carl August, Herzog von Weimar 214f. Cartellieri, Alexander 215 Caxton, William 57, 66, 231 Celerius, Bernardinus 30 Chalybs, Peter 154 Chartier, Roger 22f. Chrisman, Miriam Usher 117

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234 Register

Christoph, Herzog von Württemberg 155 Christophorus de Pensis 42 Chrysostomos, Johannes 123 Claus, Helmut 155 Claussen, Bruno 108 Coelde, Dirk 64, 71 Conway, William Marten 68 Conze, Werner 214 Cordus, Euricius 170 Cornelis de Zierickzee 115–118 Corsten, Severin 5f. 12, 107 Courant, Richard 192, 194f., 197, 201–204, 206, 209, 212 Crämer, Ulrich 213–217, 220–225 Crayen, Wilhelm von 201f., 208 Creussner, Friedrich 78, 88, 92, 139 Cristoforo de’ Pensi 94 Cuijpers, Peter M. H. 11f., 61 David de Augusta 52 Degener, Hermann 206 Deleuze, Gilles 22 Deutsch-Akademische Gildenschaft 214 Deutsche Blindenhörbücherei 229 Deutsche Grammophon 229 Deutsche Mathematiker-Vereinigung 193, 199f., 201f. Deutsche Physikalische Gesellschaft 200 Deutscher Verlegerverein, Leipzig 191 Deuchler, Florens 136 De Vinne, Theodore Low 5 Dicke, Gerd 128 Dierbach, Kaspar 160, 176, 179 Dirichlet, P. G. L. 194 Dorici, Gebrüder 39 Drach, Peter 45 Driver, Martha W. 13 Drucker der Flores Sancti Augustini 28, 115 Dupré, Jean 10 Dürer, Albrecht 9, 172 Dyck, Walther von 194, 198, 200, 203f. Eberlin von Günzburg, Johann 156f. Eck, Johannes 157 Eckert, Hendrik 60 Eco, Umberto 34 Emerich, Johann 93 Erasmus von Rotterdam 81, 94, 98 Erlinger, Georg 158, 162 Etzlaub, Erhard 157, 166, 168, 171f. Eyb, Albrecht von 78 Fabri, Giovanni 52 Fabri, Johannes 157, 164 Folz, Hans 12f., 28, 38, 42, 51, 82, 84, 86, 97 Foucault, Michel 22 Francisci, Erasmus 227

Franciscus de Mayronis 28, 114 Franciscus Mataratius 78 Frank, Walter 221 Franz, Günther 215 Frick, Wilhelm 215 Fricke, Robert 196 Friedrich (II.) der Große, König von Preußen 220f. Friedrich, Graf von Fürstenberg 160 Fries, Lorenz 155, 161 Froben, Johannes 20f., 42, 94f., 98 Frowein, Eberhard 218 Frundsberg, Georg von 155 Funke, Fritz 228, 230 Furter, Michael 78, 92 Fust, Johann 27f., 31f., 51, 111 Fyner, Conrad 28 Gauß, Carl Friedrich 194 Gazzadini, Tommaso 90 Geibel, Paul-Reinmar 216 Geiler von Kaysersberg, Johannes 232 Geldner, Ferdinand 6, 9, 30 Georg, Herzog von Sachsen 158, 165, 168 Gerardus de Lisa 38 Gerard de Harderwyck 123 Gerhard van Harderwijk Siehe Gerard de Harderwyck Gerhard von Schwarzenberg, Bischof von Würzburg 160 Gericke, Peter 217 Gerlach, Johannes 71 Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte 198 Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik

199 Gestapo 217, 219 Ghemen, Govaert van 56, 76, 82 Giesecke, Konrad 196f. Giesecke-Teubner, Konrad 193, 195, 208 Giunta, Luca Antonio d. Ä. 93 Goethe, Johann Wolfgang von 214 G. J. Göschen’sche Verlagshandlung, Leipzig 193, 209 Gotfrid van Os 142 Göttinger Akademie der Wissenschaften 197, 200 Götz, Nikolaus 109 Graf, Urs 95 Grashof, Franz 193 Grau, Wilhelm 221 Gregor (I.) der Große, Papst 93, 137 Grien, Hans Baldung 8 Grieshaber, HAP 228 Grieser, Thorsten 197 Grimaldi, Giambattista 171 de Gruyter, Walter, Verlag, Berlin 196f., 199–201, 205f.,

208, 211 Guilelmus de Gouda 144

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Register 235

Guillaume de Degullevilles 68 Guldenschaff, Johann 109, 115f., 118, 127 Gummlich-Wagner, Johanna Christine 16, 18 Gutenberg, Johannes 31, 231 Gutknecht, Jobst 154, 173 Gutschaiff, Hermann 90 Gutzmer, August 191, 193 Haebler, Konrad 4–6, 12, 14f., 36, 39, 96 Hanfstaengel, Ernst Franz 219 Hardy, Godfrey H. 202 Harnack, Adolf von 207 Hase, Oscar 231 Haselberg, Johann 160, 175 Haudan, Erwin 217 Hauert, Dankmar 216 Hausdorff, Felix 209 Haushofer, Karl 219 Hecke, Erich 202 Heffter, Lothar 200, 206 Hegenbarth, Josef 228 Heijting, Willem 56 Heinick, Wolff 162 Heitz, Paul 73, 107, 136 Hellinga, Lotte 57, 83 Hellinga, Wytze 57 Henricus de Hassia 28 Henricus de Piro 115 Herglotz, Gustav 192 Hergot, Hans 162 Hermes Trismegistus 38 Hess, Jodocus 158, 165, 174 Heß, Rudolf 215, 219 Hieronymus de Paganini 93 Hieronymus de Vallibus 115 Hilbert, David 192–195, 203 Hirsch, Rudolf 10, 12, 15, 18, 38, 49, 111 Hist, Konrad 78 Hitler, Adolf 214f., 218f., 220, 223f. Hoffmann, Hans 86 Holbein, Ambrosius 95 Holbein, Hans 95 Höltzel, Hieronymus 162 Hupfuff, Matthias 78, 231 Hurwitz, Adolf 209 Ibrahim Pasha, Großwesir des Osmanischen Reiches 172 Jacob Jacobszoon van der Meer 28, 56, 60, 68f., 71, 73,

76, 81f. Jacobis, Johannes 66 Jacobus de Cessolis 69, 71, 82, 88 Joachim von Brandenburg, Kurfürst 158 Johann von Sachsen, Kurfürst 183f. Johannes de Garlandia 120

Johannes, Eck 166 Jacobus de Voragine 123 Johannes, Graf zu Nassau-Dillenburg 31 Johannes Tacuinus 42 Johannes von Hildesheim 89 Johannes von Nürtingen 121 Johnson, Alfred Forbes J. 4, 6f., 39, 41 Jordan, Peter 174 Jordan, Rudolf 217, 225 Jordanus von Quedlinburg 63 Juvencus Presbyter 115 Kachelofen, Konrad 78, 88 Kaestner’sche Druckerei, Göttingen 197 Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 198, 207 Kanz, Gabriel 162 Karl V., röm.-dt. Kaiser 160f., 167, 169, 173, 180 Keller, Hans Will 174 Kerékjárto, Béla 209 Keyerslach, Petrus 125 Kienitz, Werner 6 Kiessling, Gerhard 8f., 15 Klein, Felix 193f., 196–206 Klein, Jan Willem 6, 12, 14, 18 Klemke, Werner 228 Knoblochtzer, Heinrich 65, 68, 78, 82, 231 Koberger, Anton 231 Koch, Simon 88 Koelhoff, Johann d. Ä. 45, 82, 88, 106, 109, 112, 115f.,

118, 120, 123, 127–130, 132f. Koelhoff, Johann d. J. 89, 107f., 118, 120f., 127f., 130,

133, 135 Koelner de Vanckel, Johannes 133 Kok, Ina 56, 58, 66, 68f., 72, 74, 76, 78, 92 König, Friedrich 230 Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg 180 Konrad von Hochstaden, Erzbischof von Köln 128 Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg 158–160,

163, 165f., 168–171, 174–178 Koppitz, Hans-Joachim 11 Kraaz, Gerhart 228 Krazer, Adolf 201f. Kretschmayr, Heinrich 221 Kruffter, Servas 89 Krüger, Gerhard 222 Künast, Hans-Jörg 117 Kunze, Horst 6 Labarre, Alfred 10, 91 Lambertus de Monte 106 Landau, Edmund 192 Landen, Johann 89, 116 Lang, Matthias, Erzbischof von Salzburg 170 Langhans, Rainer 228

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236 Register

Leeu, Claes 66 Leeu, Gerard 13, 20, 28, 30, 53, 56–61, 63–67, 69, 71–74,

76, 78, 81–83, 86, 97, 146 Lefèvre, Raoul 66 Lehmann-Haupt, Hellmut 27, 32 Leonardus Brunus Aretinus 115 Levin, Rudolf 215 Libri, Barsortimenter, Hamburg 229 Lichtenstein, Leon 194, 197 Littlewood, John E. 202 Lobmeyer, Johann 153–155, 162, 166, 173 Löffler, Hermann 215, 223 Lorenz von Bibra, Bischof von Würzburg 153, 155 Löslein, Peter 30 Lotter, Melchior d. Ä. 78 Ludolf von Sachsen 64, 71 Ludwig von Renchen 115f., 118 Luther, Martin 157f., 165, 172, 174, 183 Maison du Livre Français 208 Maler, Bernhard 30 Maler, Matthes 162, 167 Manfredus de Bonellis 15, 90 Manutius, Aldus 20, 94f., 98 Marchant, Guy 10 Maria Theresia, Kaiserin 221 Marius, Augustinus, Weihbischof von Würzburg 158 Matthias van der Goes 28, 92 Maximilian I., röm.-dt. Kaiser 67 McKerrow, Roland B. 13 Mechter, Paul 52 Meinecke, Friedrich 222 Meister des Ulmer Boccaccio 8 Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg

180–184 Mentelin, Georg 158 Metternich, Clemens Fürst von 222f. Meyer, Arnold Oskar 223 Meyerpeck, Wolfgang 162, 177 J. B. Metzler'sche Buchhandlung, Stuttgart 230 Michael Francisci de Insulis 61 Michault, Pierre 60 Minkowski, Hermann 194 Mises, Richard von 199 Molitoris, Ulricus 115 Mommsen, Wilhelm 222 Monogrammist H. 162 Mülich, Heinrich 82 Müller, Balthasar 153f., 156–163, 165–179 Müller, Helen 196 Müller, Karl Alexander von 214 Mure, Conrad von 38 Murner, Thomas 133, 232

Mylius, Hans 161 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)

219, 224 Nationalsozialistischer Deutschen Studentenbund 214 Nausea, Friedrich 174 Needham, Paul 114 Neugebauer, Otto 200 Neuß, Heinrich von 89 Nolt, Anastasius 170 Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 189, 198–

200, 202–205, 208 Octavianus Scotus 39 Oldenbourg, Friedrich 190 Os, Gotfrid van 76, 78 Os, Peter van 52, 56, 60, 68, 71–73, 81–83 Osiander, Andreas 156f. Otinus de Luna 94 Otmar, Silvan 174 Ott, Norbert H. 125 Ovidius Naso, Publius 42 Pachel, Leonardo 30 Paffraet, Richard 28, 56, 78, 81f., 89, 92, 142 Paganinus de Paganinis 94 Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des

nationalsozialistischen Schrifttums (PPK) 213–215, 217f., 220, 223, 225

Patavinus, Clemens 30 Paul III., Papst 178 Paulus Pellantinus 72 Perron, Oskar 209 Persius Flaccus, Aules 42 Petreius, Johann 180 Petri, Adam 232 Petri, Johann 51 Petrus Cameracensis 89 Petrus de Alliaco 64 Petrus Dorlandus 122 Petrus Hispanus 74, 125, 137 Peypus, Friedrich 173, 175 Peypus, Friedrich Nachfolger 177 Pfister, Albrecht 35 Philipp, Landgraf von Hessen 168, 184 Piccolomini, Aeneas Sylvius Siehe Pius II., Papst Pierce, Charles S. 34, 44 Pius II., Papst 27, 69, 115 Pleij, Herman 56, 67 Pollard, Alfred W. 4–6, 13–15, 34, 49 Pommersfelden, Lorenz Truchseß von 174 Preußische Akademie der Wissenschaften 193, 207 Presser, Helmut 227 Prüß, Johann d. Ä. 45, 78, 88 Pseudo-Bernardus 65

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Register 237

Quentell Erben 90 Quentell, Heinrich 45, 106f., 109, 112, 115–118, 121f.,

124f., 127f., 130, 133, 136f., 139, 142, 144, 146 Rabbi Samuel 58 Radon, Johann 202 Ragazzo, Giovanni 90, 94 Ramminger, Narziss 184 Rasch, Johannes 174 Ratdolt, Erhard 30, 114 Rath, Erich von 9 Rautenberg, Ursula 12, 107 Ravenstein, Albert 38 Regiomontanus, Johannes 30 Reichsministerium des Innern 215, 224 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda

217 Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und

Volksbildung (REM) 216, 219f. Reichssicherheitshauptamt (RSHA) 218, 225 Reimer, Georg Ernst, Verlag, Berlin 193, 199 Reinhart, Marcus 92 Repgow, Eike von 71 Retro Minores, Druckerei (Martin Werden?) 125, 142 Reyser, Georg 153, 159 Rhau, Georg 173 Rhode, Franz 155, 170 Riemann, Bernhard 194 Rist, Johann 227 Rocociolus, Domenicus 89 Rödinger, Christian d. Ä. 162 Röhm, Ernst 219 Rolevinck, Werner 51, 111, 114 Rosenberg, Alfred 215f. Rosso, Giovanni 93 Rothe, Arnold 16 Rüdem, Henning 162 Rudolf von Scherenberg, Bischof von Würzburg 159 Runge, Carl 194, 209 Ruppel, Bertold 38 Rust, Bernhard 216 Sallustus, Crispus Gaius 42 Sam, Konrad 166 Sauckel, Fritz 215 Schatzgeyer, Kaspar 156f. Schenda, Rudolf 230 Schick, Hans 215 Schieder, Theodor 214 Schiller, Friedrich 219 Schilling, Johann Siehe auch Drucker der Flores Sancti

Augustini 28, 236 Schlüter, Theodor C. 234 Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 227

Schmidt-Ott, Friedrich 198–200, 203f. Schmitt, Anneliese 10 Schmitz, Wolfgang 107 Schobser, Johann 88 Schöffer, Ivo 174 Schöffer, Johann 167, 170 Schöffer, Peter d. Ä. 20, 27f., 31f., 51, 92, 96, 111 Schöffer, Peter d. J. 163 Schöller, Bernadette 132 Schöner, Johannes 175 Schönsperger, Johann d. Ä. 10 Schott, Martin 78, 88 Schottenloher, Karl 6, 9, 156, 161 Schouten, Jan Arnoldus 209 Schreiber, Wilhelm Ludwig 73, 107, 136 Schröder-Gudehus, Brigitte 190 Schulte-Strathaus, Ernst 218 Schubart, Martin 153f. Schur, Issai 198 Schwarzenberg, Johann von 157 Scinzenzeler, Ulrich 30 Seraphinus de Cennis 90 Sessa, Johannes Baptista 94 Shevlin, Eleanor F. 8, 15, 17, 48 Sibylle von Cleve, Kurfürstin von Sachsen 161 Sicherheitsdienst (SD) 215, 223, 225 Simon de Luere 90 Smith, Margaret M. 4, 6, 13–15, 18, 36, 39, 59, 97, 107 Snellaert, Christiaen 56, 60, 68f., 71, 73, 76, 81f. Sondheim, Moriz 6 Sorg, Anton 10, 38 Spann, Othmar 214 Speiser, Andreas 209 Spirito, Lorenzo 52 Sprenger, Jacob 61 Springer, Julius, Verlag, Berlin 192, 194, 197–203, 205f.,

211 Springer, Ferdinand d. Ä. 192f. Springer, Ferdinand, d. J. 189, 192f., 195–197, 201–206,

209 Springer, Fritz 192f. Springer, Julius d. J. 192 Srbik, Heinrich Ritter von 221, 223, 225 Staiber, Lorenz 172 Steiner, Heinrich 177, 184 Steinhöwel, Ulrich 128 Stephanus Fliscus 45 Stöckel, Wolfgang 168, 183 Stuchs, Johann 173 Sturm, Kaspar 173 Stuchs, Nikolaus 235 Stürmer, Wolfgang 178

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238 Register

Süleimann (II.) der Prächtige, Sultan 166 Sumau, Hieronymus Schenck von 153 Symmen, Henric 57 Synthen, Johannes 120 Tabor, Stephen 15 B. G. Teubner Verlag, Leipzig 191f., 194–200, 204, 206,

208f., 211 Teufel, Fritz 228 Thomas de Celano 65 Thomas von Aquin 45, 82, 128, 136f., 142, 146 Thomas von Cantimpré 73 Thomas, Gerhard 52 Thomas von Kempen 125 Thyssen, Fritz 218f. Trepérel, Jean 91 Ulhart, Philipp 173 Usuardus 123 Van der Vorst, Peter 160 Veit, Moritz, Verlagsbuchhandlung, Berlin 209 Veldeke, Heinrich von 228 Veldener, Johann von 72 Velke, Wilhelm 27 Veneziani, Paolo 10 Venns, Dirk 132 Vérard, Antoine 46 Verband der Deutschen Hochschulen 191 Verband der nicht-amtierenden (amtsverdrängten)

Hochschullehrer 225 Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine 198 Verein Deutscher Ingenieure 193 Vergilius Maro, Publius 121

Verlag Chemie, Leipzig 206 Vermeulen, Yves G. 11f., 61 Versor, Johannes 106 Voulliéme, Ernst 107f., 118, 120, 142 Wache, Walter 215 Wagner, Peter 13, 86, 139 Wehde, Susanne 22f., 34, 42 Weigel, Bernhard 154 Weinreich, Hans 173 Weißenburger, Johann 154 Weißenhorn, Alexander 172 Werden, Martin von 90 Westval, Joachim 38, 88 Widmann von Eger, Johannes 88 Wiener Akademie der Wissenschaften 222 Wimpheling, Jakob 232 Winters de Homborch, Conrad 111, 115f., 118 Wirecker, Nigellus 88 Woensam, Anton 107 Wolff, Jacob 92 Wolkenhauer, Anja 94 Wynkyn de Worde 13 Yemantszoon, Maurice 69 Zainer, Günter 8, 128 Zell, Ulrich 12, 35, 45, 89, 92, 106, 109, 115f., 118, 122,

125 Zenders de Wert, Wilhelm 81, 142 Zentralverlag der NSDAP »Franz Eher Nachf.«, München

215, 217 Zwolle-Meister 72

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239

ANSCHRIFTEN DER HERAUSGEBER UND VERFASSER HERAUSGEBER Dr. Monika ESTERMANN, Historische Kommission, Großer Hirschgraben 17–21, 60311 Frankfurt a.M. Prof. Dr. Ursula RAUTENBERG, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Buchwissenschaft, Harfenstr. 16, 91054 Erlangen AUTOREN Dr. Jonathan GREEN, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Buchwissenschaft, Harfenstr. 16, 91054 Erlangen Dr. Johanna GUMMLICH-WAGNER, Am Kuxenberg 2, 53639 Königswinter-Thomasberg Dr. Karsten JEDLITSCHKA, BStU Berlin, Referat AR 1, Karl-Liebknecht-Straße 31–33, 10178 Berlin Dr. Gisela MÖNCKE, Bayerische Staatsbibliothek, Handschriften und Alte Drucke, Ludwigstraße 16, 80328 München Prof. Dr. Volker R. REMMERT, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Mathematik, Staudinger Weg 9, 55099 Mainz Prof. Dr. Ute SCHNEIDER, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Buchwissenschaft, Welderweg 18, 55099 Mainz Prof. Dr. Konrad UMLAUF, Humboldt Universität zu Berlin, Bibliothekswissenschaft, Dorotheenstraße 26, 10099 Berlin

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