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Arm in einem reichen Land – Armut auch in Bayern Prof. Dr. Thomas Beyer Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt in Bayern Inhaltsübersicht Seite I. Leugnen der Realität – Armut auch in Bayern 3 II. Armut 4 1. Relative Armutsgefährdung 4 2. Die wichtigsten Begriffe 5 3. Armutsgefährdungsschwelle 6 III. Armut als versagte Teilhabe 6 1. Armut grenzt aus 6 2. Wesentliche Ergebnisse der AWO/ISS-Langzeitstudie zur Kinderarmut 6 IV. Kennzahlen zur Armut 8 1. Armutsgefährdungsquote 8 2. Armutsgefährdungsquote nach soziodemographischen Merkmalen 9 3. Armutsgefährdungsquote nach Erwerbsstatus, Qualifikationsniveau und Migrationshintergrund 10 4. Die Betroffenen 10 5. Überschuldung 12 6. Regionale Unterschiede 12

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Arm in einem reichen Land – Armut auch in Bayern

Prof. Dr. Thomas Beyer

Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt in Bayern

Inhaltsübersicht

Seite

I. Leugnen der Realität – Armut auch in Bayern 3

II. Armut 4 1. Relative Armutsgefährdung 4 2. Die wichtigsten Begriffe 5 3. Armutsgefährdungsschwelle 6

III. Armut als versagte Teilhabe 6 1. Armut grenzt aus 6 2. Wesentliche Ergebnisse der AWO/ISS-Langzeitstudie zur Kinderarmut 6

IV. Kennzahlen zur Armut 8 1. Armutsgefährdungsquote 8 2. Armutsgefährdungsquote nach soziodemographischen Merkmalen 9 3. Armutsgefährdungsquote nach Erwerbsstatus, Qualifikationsniveau und Migrationshintergrund 10 4. Die Betroffenen 10 5. Überschuldung 12 6. Regionale Unterschiede 12

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V. Familien- und Kinderarmut 14

VI. Staatliche Mindestsicherung 16 1. Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige 16 2. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 17

VII. Arm trotz Arbeit 18 1. Wenn der Lohn zum Leben nicht reicht 18 2. Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt 19 3. Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit 21 4. Die volkswirtschaftlichen Kosten 21

VIII. Altersarmut 22 1. Bayerns Ältere überdurchschnittlich von Armut bedroht 22 2. Rentnerinnen und Rentner als Wohlstandsverlierer 23 3. Ursachen von Altersarmut 25

IX. Bayerns neue Wohnungsarmut 27 1. Bayern gehen die Wohnungen aus 27 2. Wer wenig hat, zahlt mehr 28 3. Sozialer Wohnungsbau in Bayern – vom Aussterben bedroht 30 4. Wohnungslosigkeit – (k)ein Thema im reichen Bayern 31 5. Handlungsanforderung an die Politik in Bayern 32

X. Vermögen und Einkommen in Bayern immer ungleicher verteilt 33 1. Bayern ist ein reiches Land 33 2. Geld- und Immobilienvermögen in Bayern – extrem unterschiedlich verteilt 34 3. Oligarchie der Besitzenden – und das Betriebsvermögen ist noch unberücksichtigt 35 4. Wer hat, dem wird gegeben 36

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I. Leugnen der Realität – Armut auch in Bayern Bayern ist ein reiches Land. Doch auch in Bayern ist Armut in Familien, bei Kindern

aber auch im Alter längst Wirklichkeit. Die amtlichen Zahlen sprechen eine klare

Sprache. Die langjährige Weigerung der Bayerischen Staatsregierung, die Sozial-

berichterstattung nach dem 1999 veröffentlichten Bericht zur sozialen Lage in Bayern

wieder aufzunehmen, vermochte die Realität im Freistaat nicht dauerhaft zu leugnen.

Der im Frühjahr 2009 erschienene Zweite Bericht der Staatsregierung zur sozialen

Lage in Bayern erkannte erstmals ausdrücklich an, „dass bei allem hohen allge-

meinen Wohlstand auch in Bayern Menschen leben, die im Hinblick auf das Ideal der

Chancengerechtigkeit und Freiheit – insbesondere die Vermeidung von Armut –

unterstützungsbedürftig sind“1.

Der Dritte Bericht der Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern vom Sommer

2012 vermeldete dann zwar „Mindestsicherung, Überschuldung und Armutsgefähr-

dung: In Bayern unterdurchschnittlich“, räumte indes z.B. für Ältere oder Allein-

erziehende eine „höhere“ bzw. „sehr hohe Armutsgefährdung“ in Bayern ausdrücklich

ein2.

1 Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Zweiter Bericht

der Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern, München 2009 (im Folgenden: Sozialbericht Bayern 2009), S. 28.

2 Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Dritter Bericht zur sozialen Lage in Bayern, München 2012 (im Folgenden: Sozialbericht Bayern 2012), S. 32 ff., 36.

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II. Armut 1. Relative Armutsgefährdung Obwohl Armut sozialwissenschaftlich nicht mehr ausschließlich unter finanziellen

Aspekten betrachtet wird, ist doch die Messung monetärer Armut ein wesentlicher

Indikator für die Frage einer Eingliederung oder Ausgrenzung von Menschen in der

Gesellschaft3. Seit der Tagung des Europäischen Rates im Dezember 2001 in

Laeken ist es innerhalb der Europäischen Union gebräuchlich, monetäre Armut nicht

durch Festlegung einer absoluten Armutsgrenze, sondern in einer relativen Betrach-

tung zum durchschnittlichen Wohlstand in der Gesellschaft des jeweiligen Gebietes

zu definieren.

In diesem Konzept der „relativen Einkommensarmut“ wird die Armutsgefährdungs-

quote – auch: Armutsrisikoquote – ermittelt. Sie erfasst den Anteil der Personen,

die über weniger verfügen als 60 Prozent des „mittleren“ Einkommens (sog.

„medianes Äquivalenzeinkommen“). Darunter versteht man dasjenige Einkommen,

das von einer Hälfte der Bevölkerung unter- und von der anderen Hälfte über-

schritten wird.

Bei der Ermittlung des Äquivalenzeinkommens wird auf das Haushaltsnettoeinkommen ab-

gestellt. Dabei wird berücksichtigt, auf wie viele Personen sich dieses Haushaltsnettoein-

kommen verteilt. Nach der jetzt gebräuchlichen OECD-Skala wird davon ausgegangen, dass

Mehrpersonenhaushalte durch das gemeinsame Wirtschaften im Vergleich zu Einpersonen-

haushalten Kosten einsparen. Das Haushaltsnettoeinkommen wird deshalb nicht lediglich

durch die Zahl der Haushaltsmitglieder geteilt, sondern es erfolgt eine Gewichtung. Dabei

wird dem Haushaltsvorstand der Faktor 1, weiteren Personen ab 14 Jahren der Faktor 0,5

und Personen unter 14 Jahren der Faktor 0,3 zugewiesen. Das verfügbare Äquivalenzein-

kommen ermittelt sich demnach im Mehrpersonenhaushalt derart, dass das Haushaltsnetto-

einkommen durch den nach den vorstehenden Kriterien zu bildenden Gewichtungsfaktor ge-

teilt wird4.

3 Dazu Sozialbericht Bayern 2009, Abschnitt 1.2.2 und 1.3.2; Bayerisches Staatsministerium für

Arbeit und Soziales, Familie und Integration, Datenreport: Soziale Lage in Bayern 2013, München 2014 (Im Folgenden: Sozialbericht Bayern 2013), Abschnitt 2.1; Datenreport: Soziale Lage in Bayern 2014, München 2015 (Im Folgenden: Sozialbericht Bayern 2014), S. 11.

4 Beispiel: Ein Haushalt, in dem ein Ehepaar mit drei Kindern, die jünger als 14 Jahre sind, lebt, hat einen Gewichtungsfaktor von (1 + 0,5 + 0,3 + 0,3 + 0,3 =) 2,4. Bei einem Haushaltsnettoein-kommen von mtl. 2.400 Euro errechnet sich das Äquivalenzeinkommen auf 1.000 Euro.

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2. Die wichtigsten Begriffe Hier die zentralen Begriffe der Betrachtung der Armutsentwicklung im Überblick5.

� Äquivalenzeinkommen

Das Äquivalenzeinkommen ist eine fiktive Rechengröße, um das Einkommen von

Personen vergleichbar zu machen, die in Haushalten unterschiedlicher Größe und

Zusammensetzung leben. Dazu wird das Haushaltsnettoeinkommen auf die Personen

des Haushalts nach einem Gewichtungsschlüssel verteilt.

� Median/mittleres Einkommen

Der Median ist der Einkommenswert derjenigen Person, die die Bevölkerung in genau

zwei Hälften teilt. Das heißt, die eine Hälfte hat mehr, die andere weniger Einkommen

zur Verfügung.

� Armutsgefährdungsschwelle

Die Armutsgefährdungsschwelle ist der Betrag des Äquivalenzeinkommens, der die

Grenze für Armutsgefährdung bildet. Nach der gemeinsamen Festlegung der EU-

Mitgliedsstaaten liegt diese Grenze bei 60 Prozent des mittleren Äquivalenzeinkommens

(Medianeinkommen). Für Personen, deren Äquivalenzeinkommen unter dieser Grenze

liegt, wird eine Armutsgefährdung angenommen.

� Armutsgefährdungsquote

Die Armutsgefährdungsquote als Maß für die Häufigkeit der Armutsgefährdung ist

definiert als Anteil der Personen, die unter der Armutsgefährdungsgrenze liegen,

gemessen an der Gesamtbevölkerung in Privathaushalten.

5 Sozialbericht Bayern 2012, Glossar, S. 469 ff.

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3. Armutsgefährdungsschwelle Der Sozialbericht Bayern 2014 weist die sich danach ergebende Armutsgefähr-

dungsschwelle von 60 Prozent des jeweiligen „mittleren“ Einkommens für 2013 so

aus6:

� Bayern: 973 Euro

� Früheres Bundesgebiet (ohne Berlin): 923 Euro

� Bundesrepublik Deutschland gesamt: 892 Euro

III. Armut als versagte Teilhabe 1. Armut grenzt aus Armut lässt sich unter finanziellen Aspekten messen und berechnen. Erfahren und

oftmals erlitten wird sie als konkretes Ausgeschlossensein. Wer arm ist, wer über zu

geringe Mittel in materieller, aber auch in kultureller und sozialer Hinsicht verfügt,

dem stehen Chancen nicht offen, die die Gesellschaft anderen ermöglicht. Armut

grenzt aus.

2. Wesentliche Ergebnisse der AWO/ISS-Langzeitstudie zur Kinderarmut Die AWO/ISS-Langzeitstudie zur Kinderarmut von 20057 legt eine Kombination von

Ressourcen- und Lebenslagenansatz zugrunde und ermittelt neben der materiellen

Grundversorgung auch die Versorgung der begleiteten Kinder im sozialen, kulturellen

und gesundheitlichen Bereich.

6 S. 68. 7 Zukunftschancen für Kinder, Wirkung von Armut bis zum Ende der Grundschulzeit, Institut für

Sozialarbeit und Sozialpädagogik, im Auftrag des AWO Bundesverbandes, Frankfurt 2005.

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Zu ihren wesentlichen Ergebnissen gehören…

� 62 Prozent der Kinder wachsen ohne Armutserfahrungen auf

� 38 Prozent erleben familiäre Armut

� das Risiko arm zu bleiben ist 11,5 Mal höher als das Risiko arm zu werden

� Hauptrisikogruppen von kindbezogener Armut sind Kinder aus Familien

- mit Langzeitarbeitslosigkeit und/oder

- Migrationshintergrund und/oder

- nur einem Elternteil

Häufiger sind bei Kindern aus armen Familien…

� (zu) frühe Einschulungen

� sieben Mal häufigere Rückstellungen vom Schulbesuch wegen Defiziten im

Sprach- und Sozialverhalten, bei den feinmotorischen und Konzentrations-

fähigkeiten

� Sitzenbleiben

� schlechte Noten am Ende der Grundschulzeit

� geringere Übertritte ins Gymnasium (z. B.: bei gleichgutem Bildungsniveau von

nicht-armer und armer Mutter ist die Chance von nicht-armen Kindern, aufs

Gymnasium zu kommen vier Mal höher).

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IV. Kennzahlen zur Armut 1. Armutsgefährdungsquote Auf Grundlage des Mikrozensus ermittelt der Sozialbericht Bayern 2014 bezogen auf

die zu Recht für maßgeblich erklärten Armutsgefährdungsschwellen der jeweils

betroffenen Gebiete8 für 2013 folgende Armutsgefährdungsquoten9:

� Bayern: 14,6 Prozent

� Bundesrepublik Deutschland: 15,5 Prozent

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2014, S. 68.

8 Vgl. Sozialbericht Bayern 2013, S. 52, Fußn. 14; auch Sozialbericht Bayern 2014, S. 68; Sozialbe-

richt Bayern 2012, S. 206; Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Soziale Lage in Bayern 2011, München 2011 (im Folgenden: Sozialbericht Bayern 2011), S. 27.

9 Sozialbericht Bayern 2014, S. 68.

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2. Armutsgefährdungsquote nach soziodemographischen Merkmalen

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2014, S. 70.

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3. Armutsgefährdungsquote nach Erwerbsstatus, Qualifikationsniveau und Migrationshintergrund

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2014, S. 72.

4. Die Betroffenen Bereits der Sozialbericht Bayern 2011 lieferte einen alarmierenden Überblick über

die Zahl der Menschen, die seitens der Bayerischen Staatsregierung als armutsge-

fährdete Personen angesehen werden.

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Von Armut in Bayern waren danach betroffen10:

insgesamt 1.635.000 Personen

Frauen 899.000 Personen

Männer 736.000 Personen

unter 25 514.000 Personen

65 und älter 405.000 Personen

Einpersonenhaushalte 515.000 Personen

Mehr-Personen-Haushalte ohne Kind 458.000 Personen

Haushalte mit Kindern 662.000 Personen

Der Sozialbericht Bayern 201411 belegt seitdem einen Anstieg um über 120.000

armutsgefährdeter Menschen in Bayern und beziffert die Gesamtzahl der armuts-

gefährdeten Personen in Bayern auf 1.761.000 in 2013. Erneut bilden Einperso-

nenhaushalte die „mit Abstand größte Gruppe armutsgefährdeter Personen“, nämlich

601.000, darunter 240.400 Ältere ab 65 Jahren12. Der Bericht belegt wiederum für

einzelne Bevölkerungsgruppen ein zum Teil gravierend erhöhtes Armutsrisiko in

Bayern13.

Geschiedene 24,7 Prozent

Dauernd getrennt Lebende 25,1 Prozent

Rentnerinnen und Rentner 26,6 Prozent

Erwerbslose 68,0 Prozent

Personen mit Migrationshintergrund 23,3 Prozent

Personen ohne beruflichen Abschluss 35,5 Prozent

Haushalte mit Teilzeiterwerbstätigkeit des 30,4 Prozent

Haupteinkommensbeziehers (HEKB)

Haushalte mit ALG I-Bezug des HEKB 46,0 Prozent

Haushalte mit ALG II-Bezug des HEKB 82,2 Prozent

Haushalte mit Bezug von Grundsicherung im Al- 77,9 Prozent

ter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) des HEKB

10 Sozialbericht Bayern 2011, S. 47. 11 Sozialbericht Bayern 2014, S. 69. 12 Sozialbericht Bayern 2014, S. 71. 13 Sozialbericht Bayern 2014, S. 72, 73 f.

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5. Überschuldung

Im Jahr 2018 betrug die Schuldnerquote, d. h. der Anteil der Personen, bei denen die

zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben höher sind als ihre Einnahmen, im

Verhältnis zu allen Personen ab 18 Jahren für Bayern 7,43 Prozent nach 7,47

Prozent im Jahr 2017 (7,35 Prozent im Jahr 2016).

� Zahl der überschuldeten Privatpersonen in Bayern: (Quelle: Creditreform; Schuldner Atlas Deutschland 2010, 2012, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018) Bayern: 2009 690.000

2010 730.000

2011 710.000

2012 720.000

2013 720.000

2014 730.000

2015 750.000

2016 780.000

2017 800.000

2018 800.000

6. Regionale Unterschiede

Während sich die mittleren Einkommen preisbereinigt wenig unterscheiden, sind die

Armutsgefährdungsquoten in den Regierungsbezirken Bayerns deutlich unter-

schiedlich.

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entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2014, S. 76.

Auch unter Berücksichtigung des regionalen Preisniveaus belegt der Sozialbericht

Bayern 201414 ein höheres Armutsrisiko der größten Städte in Bayern.

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2014, S. 76.

14 S. 76.

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Auch der Blick auf die Verschuldungssituation zeigt große regionale Unter-

schiede.

Bayerische Kreise mit

niedrigster Schuldnerquote

Quote Bayerische Kreise mit

höchster Schuldnerquote

Quote

Eichstätt 3,67 Hof-Stadt 13,49

Erlangen-Höchstadt 4,76 Weiden/Oberpfalz Stadt 10,95

Schweinfurt-Land 4,92 Augsburg-Stadt 10,89

Neuburg-Schrobenhausen 5,04 Fürth-Stadt 10,88

Donau-Ries 5,16 Aschaffenburg-Stadt 10,57

eigene Darstellung nach tz München, 7. November 2014, S. 14.

V. Familien- und Kinderarmut Besonders bedrückend zeigt sich im Hinblick auf Familienarmut das Armutsrisiko

von Alleinerziehendenhaushalten15.

Alleinerziehende mit einem oder 42,0 Prozent

mehreren Kindern

Alleinerziehende mit 1 Kind 37,0 Prozent

Alleinerziehende mit 2 48,4 Prozent

oder mehreren Kindern

Bei Paarfamilien tritt eine wesentlich höhere Armutsgefährdung (19,5 Prozent) erst

bei Familien mit 3 oder mehr Kindern auf. Die Armutsgefährdungsquote liegt für

Paarfamilien sonst bei16:

2 Erwachsene mit 1 Kind 8,1 Prozent

2 Erwachsene mit 2 Kindern 9,3 Prozent

15 Sozialbericht Bayern 2014, S. 70, 77. 16 Sozialbericht Bayern 2014, S. 70.

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Nach dem Sozialbericht Bayern 2014 ist das Armutsrisiko von Alleinerziehenden-

haushalten weiter gestiegen. Es liegt nach 40,9 Prozent im Jahr 2012 jetzt (2013)

bayernweit bei 42,0 Prozent17. Dabei wird darauf verwiesen18, die Zahl der hiervon

betroffenen 170.000 Personen sei „nur halb so groß“ wie die Zahl der

armutsgefährdeten Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen und Kind(ern),

rund 343.000 Personen, trotz deren wesentlich geringerer Armutsgefährdungsquote

(10,8 Prozent).

Der Verweis auf eine folglich vermeintlich „quantitativ vergleichsweise geringe

Bedeutung“19 erscheint nicht nur sozialpolitisch als offensichtlich ungeeigneter

Versuch der Beschwichtigung.

Die Armutsgefährdungsquote bei Kindern und Jugendlichen ist im Länderver-

gleich niedriger, übersteigt jedoch deutlich den landesweiten Durchschnittswert20.

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2012, S. 274.

In der aktuellen Berichterstattung beschränkt sich die Staatsregierung auf die Anga-

be einer Armutsgefährdungsquote für Unter-18-Jährige ohne weitere Differenzierung.

Auch diese ist mit 15,6 Prozent indes überdurchschnittlich21.

Die Quote der Sozialgeldempfänger unter 15 Jahren bezogen auf die gleichaltrige

Bevölkerungsgruppe beträgt in 16 Landkreisen und Städten in Bayern 2013 mehr als

11,5 Prozent. Das Maximum erreicht dabei die Stadt Hof mit 23,8 Prozent.22

17 Sozialbericht Bayern 2014, S. 70 f. 18 Sozialbericht Bayern 2014, a.a.O; Hinweis: Die Angabe im Sozialbericht 2014, S. 70 muss korrek-

terweise 343.000 heißen. Die dort angegebenen 334.000 sind einem Zahlendreher geschuldet. 19 Sozialbericht Bayern 2014, S. 71. 20 Sozialbericht Bayern 2012, S. 207, 274 f. 21 Sozialbericht Bayern 2014, S. 70. 22 Sozialbericht Bayern 2014, Materialienband, S. 85.

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VI. Staatliche Mindestsicherung

Die bisher ausgewiesenen Armutsrisikoquoten errechnen sich unter Einbeziehung

staatlicher Sozialleistungen23. Ohne Sozialtransfers läge die Armutsrisikoquote

in Bayern deutlich höher. So gab der Sozialbericht Bayern 2009 das Armutsrisiko

für Kinder unter 15 Jahren vor Sozialtransfers mit 28,1 Prozent an, nach

Sozialtransfers noch mit 8,8 Prozent24.

1. Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige Besondere Betrachtung verdienen im Konzept der relativen Einkommensarmut

staatliche Transferleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem

Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Personen, die erwerbsfähig sind,

ihren Lebensunterhalt aber nicht aus eigenen Mittel finanzieren können, erhalten

Arbeitslosengeld II („Hartz IV“). Nicht erwerbsfähigen Personen, die mit ALG II-

Beziehern in einer sog. „Bedarfsgemeinschaft“ leben, wird Sozialgeld gewährt.

Dabei handelt es sich überwiegend um Kinder unter 15 Jahren. Die Grundsiche-

rungsleistungen, die gemäß SGB II zur Sicherung des soziokulturellen Existenz-

minimums seitens des Staates zur Verfügung gestellt werden, unterschreiten in der

Regel die Armutsgefährdungsschwelle25.

In Bayern erhalten zurzeit weit über 400.000 Menschen Leistungen nach dem SGB

II. In Deutschland sind es rund 6,1 Millionen.

� Leistungsempfänger nach SGB II:

(Dezember 2018; Quelle: Bundesagentur für Arbeit) Bayern: 422.287 Deutschland (März 2019): 5.916.907

23 Vgl. Sozialbericht Bayern 2014, S. 68. 24 Sozialbericht Bayern 2009, S. 141. 25 Sozialbericht Bayern 2009, S. 145 ff., 148; Sozialbericht Bayern 2012, S. 205; auch Sozialbericht

Bayern 2013, S. 36 in Fußn. 3 und S. 57.

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Vergleichszahlen : Bayern (November 2018): 424.454 Deutschland (November 2018): 5.890.063

� Kinder unter 15 Jahren in ALG II-Bedarfsgemeinschaften:

(Dezember 2018; Quelle: Bundesagentur für Arbeit) Bayern: 126.154 Deutschland: 1.699.413 Vergleichszahlen Juni 2018: Bayern: 118.517 Deutschland: 1.605.975

2. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Eine steigende Inanspruchnahme verzeichnen auch in Bayern die Leistungen der

Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung26. Für die Altersgruppe der

Personen mit 65 Jahren und älter stieg der Anteil der Grundsicherungsbezieher an

der Gesamtgruppe in Bayern von 1,8 Prozent im Jahr 2003 auf 2,6 Prozent im Jahr

201327. Bei Frauen ab 65 Jahren lag der Wert zum Jahresende 2013 bei 2,9 Prozent,

bei Männern bei 2,3 Prozent28.

� Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Bayern: (Quelle: Statistisches Jahrbuch für Bayern 2012 bis 2018) 31.12.2011 98.504

31.12.2012 106.008

31.12.2013 114.014

31.12.2014 117.148

31.12.2015 122.766

31.12.2016 122.019

31.12.2017 125.337 26 Sozialbericht Bayern 2012, S. 203 f. 27 Sozialbericht Bayern 2014, S. 216. 28 Sozialbericht Bayern 2014, S. 216.

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VII. Arm trotz Arbeit 1. Wenn der Lohn zum Leben nicht reicht Rund 1,08 Millionen Menschen waren im November 2018 in Deutschland „beschäf-

tigte Leistungsbezieher“ im Rahmen der Grundsicherung des SGB II. Dies bedeutet,

dass sie zum Leistungsbezug in der Grundsicherung berechtigt waren, obwohl sie

gleichzeitig in einem sozialversicherungspflichtigen oder geringfügig entlohnten Be-

schäftigungsverhältnis standen. Es kommt zu dem volkswirtschaftlich wie sozial-

politisch ebenso fragwürdigen wie für die Betroffenen entwürdigenden Zustand, dass

im Einzelfall selbst der Lohn aus einer Vollzeitberufstätigkeit ohne „Aufstockung“ mit

Leistungen nach „Hartz IV“ nicht ausreicht, das eigene Auskommen zu sichern.

� Zahl der erwerbstätigen Bezieher von SGB II-Leistungen (erwerbsfähige

Leistungsberechtigte) in Bayern: (Oktober 2018, soweit nicht anders gekennzeichnet; Quelle: Bundesagentur für Arbeit) Die Zahl dieser „Aufstocker“ beträgt für Bayern insgesamt: 79.091 Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Leistungsbezieher im Rahmen des SGB II sind in Bayern: 44.012 Von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Leistungsbeziehern sind Frauen 51,8 Prozent

unter 25-Jährige 17,8 Prozent

Ausländer 44,4 Prozent Ausschließlich geringfügig entlohnt sind beschäftigte Leistungsbezieher nach dem SGB II in Bayern: 30.716 Einer selbstständigen Erwerbstätigkeit gehen von den Leistungsbeziehern nach in Bayern: 4.958

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2. Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt Die sich verschärfende Problematik einer Armutsgefährdung trotz Erwerbstätigkeit

zeigt sich an den Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt in Bayern. Dieser ist von einer

stetigen Zunahme atypischer, jedenfalls zum Teil prekärer Beschäftigungsformen

gekennzeichnet29.

Die Zahl der atypisch Beschäftigten ist in Bayern zwischen 2001 und 2013 von 24

Prozent auf 36 Prozent gestiegen30.

Während das Normalarbeitsverhältnis durch eine abhängige, sozialversicherungs-

pflichtige und unbefristete Vollzeitbeschäftigung gekennzeichnet ist, werden unter

atypischer Beschäftigung solche Beschäftigungsformen bezeichnet, die hiervon ab-

weichen. Erfasst sind insbesondere befristete oder in Teilzeit erbrachte Beschäfti-

gungen, Leiharbeit und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse („Mini-Jobs“)31.

� Leiharbeit

Im Januar 2012 gab es in Bayern rund 163.000 Leiharbeiter. Dies entspricht einer

Steigerung von fast 20 Prozent im Vergleich zu Januar 2011. Der Anstieg war in

Bayern deutlich stärker als in anderen Regionen Deutschlands (durchschnittliche

Steigerung: 12,8 Prozent). In Bayern gab es damit im Januar 2012 rund 40.000

Leiharbeitnehmer mehr als vor der Wirtschaftskrise 200932.

� Befristete Arbeitsverhältnisse

Im Jahr 2012 hatten im Freistaat Bayern gut 12 Prozent der abhängig Beschäftigten

einen befristeten Arbeitsvertrag. Jeder achte bayerische Beschäftigte war deshalb in

einem befristeten Arbeitsverhältnis. Geradezu erschreckend ist, dass bei den 15- bis

unter 25-Jährigen knapp die Hälfte (48 Prozent) und ohne Berücksichtigung von

Ausbildungsverträgen, Praktika etc. noch etwa ein Viertel (knapp 23 Prozent) in

befristeter Beschäftigung standen33. Die Zahl der befristeten Beschäftigten ist im

Freistaat Bayern von 219.000 im Jahr 2001 auf 322.000 im Jahr 2010 gestiegen34.

2011 lag die Zahl bereits bei 373.00035. Seit 2012 „schwanken die Werte auf hohem

Niveau“ und liegen 2015 bei 400.000 – gegenüber 2013 fast verdoppelt.36

29 DGB Bayern (Hrsg.), Report Prekäre Beschäftigung in Bayern, Jung, Weiblich, Alt, München 2012,

S. 11 ff. 30 Sozialbericht Bayern 2014, S. 141. 31 Sozialbericht Bayern 2012, S. 314; Sozialbericht Bayern 2013, S. 107 f. 32 Mitteilung des DGB Bayern vom 31. Januar 2012 unter Berufung auf die Arbeitnehmerüberlassung-

Statistik der BA. 33 Mitteilung des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung vom 29. Juli 2014. 34 DGB Bayern (Hrsg.), Prekäre Beschäftigung in Bayern, S. 14. 35 Sozialbericht Bayern 2012, S. 315. 36 Inifes, Beschäftigungstrends im Freistaat Bayern 2015 – Teil I, Stadtbergen 2016, S. 33.

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� Minijobs Die Zahl der Minijobber ist in Bayern von 10 Prozent der Beschäftigten im Jahr 2001

auf 12 Prozent der Beschäftigten im Jahr 2010 angestiegen37. Im Mai 2012 erreichte

die Zahl der Minijobber in Bayern den Rekordwert von 1.231.000. 743.000 Menschen

übten ihren Minijob als Haupterwerb aus38. Bei diesen ausschließlich geringfügig ver-

dienenden Personen liegt das Verhältnis von Frauen und Männern bei 70:3039. 2015

wurden 72 Prozent der Minijobs in Bayern von Frauen ausgeübt. Der Anteil an den

Beschäftigungsverhältnissen insgesamt betrug unverändert 15 Prozent.40

� Teilzeit Der Sozialbericht Bayern 2014 gibt eine Teilzeitquote für Bayern von 25,7 Prozent im

Jahr 2013 (gegenüber rund 16 Prozent in 2003/2004) wieder.41 Nach einer Erhebung

der Hans-Böckler-Stiftung ist nahezu eine Verdopplung der Teilzeitbeschäftigten von

690.548 in 2003 auf 1.266.080 in 2014 für Bayern zu verzeichnen42. Nach dem IAB-

Betriebspanel beträgt die Teilzeitquote (inkl. Auszubildende) für Bayern 2015 29

Prozent.43

Der Sozialbericht Bayern 2014 gibt einen aktuellen Überblick über die Anteile

„besonderer Beschäftigungsformen“ an der Gesamtbeschäftigung in Bayern und

zeigt dabei deren Veränderungen, insbesondere Zuwächse seit 200144.

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2014, S. 142.

37 Sozialbericht Bayern 2011, S. 128. 38 Mitteilung des DGB Bayern vom 2. Mai 2012. 39 Sozialbericht Bayern 2012, S. 317. 40 Inifes, Beschäftigungstrends im Freistaat Bayern 2015 – Teil I, S. 30. 41 Sozialbericht Bayern 2014, S. 143. 42 Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Atypische Beschäftigung in Bayern, Düsseldorf 2015, S. 2. 43 Inifes, Beschäftigungstrends im Freistaat Bayern 2015 – Teil I, S. 28. 44 Sozialbericht Bayern 2014, S. 142.

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3. Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit

Nach einem Rückgang in der „Phase des allgemeinen Beschäftigungszuwachses in

Deutschland in den Jahren 2008 bis 2012“45 war mit 2013 ein Ansteigen der

Langzeitarbeitslosigkeit, d.h. einer längeren Beschäftigungslosigkeit als ein Jahr, in

Bayern zu verzeichnen.46

Im April 2019 waren 45,4 Prozent (92.573) der Arbeitslosen in Bayern Bezieher von

Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II47. Davon waren nach Angaben der

Regionaldirektion Bayern48 44.208 Personen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen.

Im Februar 2013 lag die Zahl bei 51.877 Personen49.

Die Bezieher von Leistungen aus dem Rechtskreis SGB II leiden entweder unter

einer sich verstetigenden Langzeitarbeitslosigkeit oder sie verfügten vor dem Eintritt

der Arbeitslosigkeit über eine so kurze Beschäftigungsdauer, dass sie keine

Berechtigung auf Leistungen des Arbeitslosengeldes I erworben hatten.

4. Die volkswirtschaftlichen Kosten Für die Aufstockungsleistungen von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die einer

Beschäftigung nachgehen, sind erhebliche Mittel aufzuwenden. Nach Angaben des

DGB summierten sich die Ausgaben für Hartz IV-Aufstocker mit sozialversicherter

Beschäftigung in Bayern im Jahr 2010 auf knapp 300 Millionen Euro50. Alleine für die

Aufstockung des Lohnes von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten

waren im Jahr 2010 etwa 175 Millionen Euro im Freistaat aufzuwenden51.

45 Rolf Holtzwart, Chancen für Langzeitarbeitslose, Bayerische Sozialnachrichten 2/2014, S. 10;

Sozialbericht Bayern 2013, S. 168. 46 Holtzwart a.a.O. 47 Arbeitsmarktbericht Regionaldirektion Bayern, April 2019. 48Arbeitsmarktbericht Regionaldirektion Bayern, April 2019. 49 Holtzwart, Bayerische Sozialnachrichten 2/2014, S. 10. 50 Mitteilung des DGB Bayern vom 28. Juni 2012. 51 Mitteilung des DGB Bayern vom 29. Februar 2012.

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VIII. Altersarmut 1. Bayerns Ältere überdurchschnittlich von Armut bedroht Der Sozialbericht Bayern 2014 zeigt, dass Ältere in Bayern überdurchschnittlich von

Armut betroffen sind52. So beträgt die Armutsgefährdungsquote (jeweils 2013) für

Bevölkerung insgesamt 14,6 Prozent

65-Jährige und älter 22,4 Prozent

65-Jährige und älter, Frauen 25,1 Prozent

65-Jährige und älter, Männer 19,0 Prozent

Rentnerinnen und Rentner 26,6 Prozent

Der Vergleich mit den Zahlen des Sozialberichts Bayern 2012 für 2010 bestätigt eine

Verschärfung der Situation der Rentnerinnen und Rentner53.

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2012, S. 348.

52 Sozialbericht Bayern 2014, S. 70, 73 . 53 Sozialbericht Bayern 2012, S. 92, 348; Materialienband, S. 55 f.

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2. Rentnerinnen und Rentner als Wohlstandsverlierer Rentnerinnen und Rentner gehören zu denjenigen, an denen die positive Ent-

wicklung in Bayern bereits vor der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 wie kaum an

einer anderen Bevölkerungsgruppe vorbei gegangen war.

Seit 2004 führten erhöhte Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung,

gestiegene Sozialversicherungsbeiträge und Kaufkraftverlust infolge unterbliebener

Rentenerhöhungen zu drastischen Mehrbelastungen der Rentnerinnen und

Rentner. Für den Zeitraum 2000 – 2012 betrug der Kaufkraftverlust neuer

Altersrenten in Bayern ca. 19 Prozent54.

Bereits die Höhe der derzeit bezogenen staatlichen Rente (sog. „Bestandsrente“)

erweist sich in vielen Fällen nicht als armutsfest. Bayern verzeichnet hier bei der

Altersrente nach wie vor einen Rückstand gegenüber dem westdeutschen Durch-

schnitt und liegt deutlich unter den Werten des Bundesdurchschnitts55.

Der Sozialbericht Bayern 2014 gibt den durchschnittlichen monatlichen Zahlbe-

trag bei den Altersrenten im Rentenbestand in Bayern für das Jahr 2013 mit 752

Euro an, bei einem Durchschnittswert in Westdeutschland von 773 € (Deutschland

gesamt: 800 €)56.

Der Bericht beziffert die durchschnittlichen Zahlbeträge neuer Versichertenrenten57

bei den Altersrenten 2013 in Bayern auf 740 Euro sowie in Westdeutschland auf

758 Euro (Bundesrepublik Deutschland: 774 Euro). Dabei zeigt sich eine deutliche

regionale Differenzierung der Zahlbeträge. 58

54 Sozialbericht Bayern 2013, S. 92. 55 Sozialbericht Bayern 2013, S. 87 f; Sozialbericht 2014, S. 101. 56 Sozialbericht Bayern 2014, S. 101 und Materialienband S. 50. 57 Brutto (d.h. ohne Berücksichtigung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung) ausbe-

zahlte Rente für solche Rentenempfänger, die im jeweiligen Jahr erstmals eine Rente bezogen haben (vgl. Sozialbericht Bayern 2010, S. 98).

58 Sozialbericht Bayern 2014, S. 101 und Materialienband S. 57; vgl. auch DGB Bayern, Rentenreport Bayern 2014, München 2014, S. 16 ff.

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entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2014, Materialienband, S. 57.

Die nachfolgende Übersicht belegt – neben der überaus prekären Situation der

Bezieher von Erwerbsminderungsrenten – die unverändert greifbaren Differen-

zierungen der Zahlbeträge zwischen den Geschlechtern in Bayern (alle Angaben

für 2013).

Rentenarten Frauen Männer

Bestandsrenten wg. Erwerbs-

minderung

686 754

Bestandsrenten wg. Alters 539 1.035

Rentenzugang wg. Erwerbs-

minderung

595 692

Rentenzugang Altersrente 529 949

eigene Darstellung nach Sozialbericht Bayern 2014, S. 104 und Materialienband S. 56, M 2.64, S. 57,

M 2.65.

Altersarmut ist also auch in Bayern überwiegend weiblich.

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3. Ursachen von Altersarmut Die Hauptursachen für Armut im Alter sind leicht zu benennen. Sie liegen zum

einen in der von der Politik mit Hinweis auf „die demographische Entwicklung“

bewusst herbeigeführten Absenkung des Renteniveaus (im Jahr 2030 auf ein

Nettorentenniveau vor Steuern von nur noch 43 Prozent)59. Hinzu treten Fort-

wirkungen der Verwerfungen des Arbeitsmarktes und der Beschäftigungsverhält-

nisse.

Niedrige Altersrenten sind eine Folge

- zunehmender Einkommensarmut in den Zeiten der Berufstätigkeit wegen niedriger

(Real-)Löhne

- der Abdrängung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in sozialversicherungsfreie

bzw. geringfügig entlohnte Beschäftigungsformen

- einer hohen Arbeitslosigkeit allgemein

- individuell vermehrt auftretender Zeiten ohne Beschäftigung; waren „gebrochene

Erwerbsbiographien“ bislang typisch für Frauen, werden sie immer mehr zum allge-

meinen Phänomen des „modernen“ Arbeitslebens.

Altersarmut entsteht aber auch durch unzureichende Leistungen der Pflegever-

sicherung.

Hatte die Einführung der Pflegeversicherung 1995 die Sozialhilfebedürftigkeit er-

heblich reduziert, so ist infolge der bis Mitte 2008 unterbliebenen und im Übrigen

nicht ausreichenden Anpassung der Versicherungsleistungen wieder eine steigende

Tendenz festzustellen.

In den Altenhilfeeinrichtungen der Arbeiterwohlfahrt in Bayern spiegelt sich die Lage wider.

So waren zum 15. Dezember 2016 in den Einrichtungen der AWO in Bayern über 35 Prozent

der Bewohnerinnen und Bewohner auf den Bezug von Hilfe zur Pflege angewiesen. Den

höchsten Wert erreicht der Regierungsbezirk Oberbayern mit fast 42 Prozent.

59 AWO-Bundesverband e.V., Rentenkürzungen stoppen, Altersarmut verhindern, Lebensstandard

sichern! Forderungen der Arbeiterwohlfahrt nach mehr Solidarität in der Alterssicherung, Berlin 2014, S. 5 f.; der Sozialbericht Bayern 2009, S. 537, errechnet ein 10 Prozent niedrigeres Renten-niveau bis 2021 im Verhältnis zu 2007.

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� Empfänger von Hilfe zur Pflege in Bayern: (Quelle: Statistische Jahrbücher für Bayern 2009 – 2018)

31.12.2007 35.131

31.12.2008 35.294

31.12.2009 36.830

31.12.2010 37.907

31.12.2011 39.769

31.12.2012 40.230

31.12.2013 40.557

31.12.2014 41.611

31.12.2015 42.332

31.12.2016 41.912

31.12.2017 38.259

Die steigende Sozialhilfebedürftigkeit belastet nicht nur die Sozialhilfeträger. Davor

steht die Inanspruchnahme der Angehörigen.

So führen steigende Aufwendungen für Pflegeleistungen nicht nur zu zunehmender

Altersarmut sondern sind ein ernst zu nehmendes Thema auch in Bezug auf die fi-

nanzielle Situation der Familien in Bayern. Mit der Altersarmut droht die Familien-

armut.

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IX. Bayerns neue Wohnungsarmut 1. Bayern gehen die Wohnungen aus Zu einer Achillesferse des Sozialen Bayerns hat sich die Wohnraumsituation ent-

wickelt. Im Sozialbericht Bayern 2012 räumt die Staatsregierung die Probleme bei

der Wohnraumversorgung in Bayern ein60.

Die Ausführungen belegen, dass eine Entlastung des Wohnungsmarktes aufgrund

des demografischen Wandels in Bayern in absehbarer Zeit nicht in Sicht ist.

Aufgrund zurückgehender Haushaltsgrößen geht die Staatsregierung bis 2029 von

einer Zunahme der Zahl der Haushalte um 6% aus, während die Bevölkerungszahl

nur um 0,3% zunehmen soll61.

„Damit sich die Wohnungsmarktanspannungen nicht noch weiter verstärken“ legt der

Dritte Bayerische Sozialbericht (bezogen auf Ende 2011) einen Neubaubedarf bis

zum Jahr 2029 von 833.000 Wohnungen in Bayern zugrunde62.

Weil auch in der Vergangenheit die Neubautätigkeit stets unter dem tatsächlichen

Bedarf lag, gibt der Dritte Bayerische Sozialbericht darüber hinaus einen Nach-

holbedarf von rund 282.000 Wohnungen an63.

Die Staatsregierung hält damit bis 2029 einen Gesamtbedarf von 1.115.000

Wohnungen für gegeben.

Der Sozialbericht Bayern 2012 unterstellt damit eine erforderliche Anzahl neu

fertig gestellter Wohnungen in Bayern von rund 62.000 (61.944) pro Jahr. Ange-

sichts der Entwicklung der letzten Jahre, die der Bericht einräumt, erscheint dies

illusorisch.

60 Sozialbericht Bayern 2012, S. 162 f. 61 Sozialbericht Bayern 2012, S. 163. 62 Sozialbericht Bayern 2012, S. 163. 63 Sozialbericht Bayern 2012, S. 163.

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Die Staatsregierung gibt an64:

Neubaubedarf Bayern 2010 41.000 - 48.000 Wohnungen

Tatsächliche Baufertigstellungen 2010 33.137 Wohnungen

Tatsächliche Baufertigstellungen 2011 42.204 Wohnungen

Die Wohnungsbauprognose der empirica AG im Rahmen des Wohnungsmarktbe-

richts 2014 beziffert den jährlichen Neubaubedarf für Bayern für die Jahre 2012

bis 2016 sogar auf 72.000 Wohnungen p.a.65

2. Wer wenig hat, zahlt mehr Die zunehmende Wohnungsknappheit verschärft die negativen Wirkungen der

Wohnkosten gerade für Gering- und Mittelverdiener.

Der Sozialbericht Bayern 2012 ermittelt die Wohnkostenbelastung für die Warmmiete

im Landesdurchschnitt für Bayern auf 27% des Netto-(äquivalenz-)einkommens.

Dabei zeigt sich, dass gerade Geringverdiener unter einer extrem höheren an-

teiligen Kostenbelastung beim Wohnraum leiden. So beträgt die Einkommensbe-

lastung für das Wohnen bei Geringverdienern mit einem Nettoeinkommen unter

1.000,00 Euro pro Monat 43% des Nettoeinkommens, d. h. 60% mehr als im

Landesdurchschnitt.

Im Vergleich mit Einkommensbeziehern zwischen 2.500,00 bis 3.000,00 Euro pro

Monat (Wohnkostenbelastung bei 16%) müssen Geringverdiener mehr als den

doppelten Anteil ihres Einkommens für ihren Wohnraum aufwenden, im Vergleich zur

Einkommensgruppe ab 3.000,00 Euro (13%) mehr als das Dreifache66.

64 Sozialbericht Bayern 2012, S. 163. 65 Bayerische Landesbodenkreditanstalt (Hrg.), Wohnungsmarkt Bayern 2014, München 2015, S. 153. 66 Sozialbericht Bayern 2012, S. 243.

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� Wohnkostenbelastung für Mieter in Bayern 2008

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2012, S. 243.

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Insbesondere Gering- und Mittelverdienende, Alleinlebende Frauen und Allein-

erziehende mit Kindern und Ältere sind damit die Verlierer der Bayerischen

Wohnungspolitik. Sie können sich immer öfter keine angemessene Wohnung

leisten.

3. Sozialer Wohnungsbau in Bayern – vom Aussterben bedroht Angesichts dieser Entwicklungen besonders dramatisch ist die Entwicklung im

Bereich Sozialwohnungen.

Die Staatsregierung räumt im Sozialbericht Bayern 2012 ein, dass sich „der Bestand

der sozial gebundenen Mietwohnungen … kontinuierlich (vermindert)“67.

Nach den Angaben bewohnen 5% aller bayerischen Haushalte bzw. 9% der Mieter-

haushalte eine Sozialwohnung. Die Staatsregierung gibt den Bestand an Sozial-

wohnungen 2010 mit 160.000 Wohnungen an68.

Aufgrund des Auslaufens der Bindungen erwartet sie „ohne Berücksichtigung des

Zugangs neu geförderter Wohnungen“ bis 2020 einen Rückgang der Zahl der

Sozialwohnungen um 30%, d. h. auf nur noch 112.000.

Dem gegenüber hat aktuell das Pestel Institut den Bedarf an Mietsozialwohnungen

in Bayern auf 569.000 beziffert. Selbst unter Herausrechnen des Bedarfs in länd-

lichen Räumen wegen der dort zu verzeichnenden grundsätzlich niedrigeren Miet-

höhe sieht das Pestel Institut für Bayern einen wirksamen Bedarf von 391.000

Sozialwohnungen69.

67 Sozialbericht Bayern 2012, S. 163. 68 Sozialbericht Bayern 2012, S. 163. 69 Pestel Institut, Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland, Untersuchung im Auftrag der Woh-

nungsbauinitiative, Hannover August 2012 (S. 9 ff.)

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4. Wohnungslosigkeit – (k)ein Thema im reichen Bayern Bis heute fehlt in Bayern eine amtliche Statistik über Wohnungslosigkeit. Die

Sozialberichterstattung in Bayern war deshalb auf Schätzungen bzw. punktuelle

Zahlen von Städten und aus dem Kreis der Freien und Öffentlichen Wohlfahrtspflege

angewiesen. Bereits danach zeigte sich, dass auch im reichen Bayern das Thema

Wohnungslosigkeit existiert, aber noch zu wenig politische Konsequenzen nach

sich zieht.

So war allein für die Verdichtungsräume München, Nürnberg-Fürth-Erlangen und

Augsburg dem Sozialbericht Bayern 2012 eine Zahl von zumindest 5.000

wohnungslosen Menschen zu entnehmen70.

Auf das Drängen der Wohlfahrtsverbände – insbesondere der Arbeiterwohlfahrt71 –

hin, kam es für den Sozialbericht 2014 zu einer ersten „flächendeckenden

Piloterhebung“ zur Wohnungslosigkeit in Bayern72. Dabei wurde zum Stichtag

30.09.2014 eine Befragung von 2.056 bayerischen Kommunen, 312 Verwaltungsge-

meinschaften und 166 Einrichtungen Freier Träger der Wohnungslosenhilfe in

Bayern durchgeführt. Laut dem Sozialbericht Bayern 2014 seien Rückäußerungen

von kommunaler Seite erfolgt, die 98,9 Prozent der Bevölkerung auf sich vereinen73.

Andererseits erfasst die Abfrage ausdrücklich nur Personen, die zum Stichtag „in

(Not-)Unterkünften untergebracht waren. Obdachlose Personen, die keine

Notunterkunft nutzen“, wurden erfasst, soweit sie bei Freien Trägern „anderweitige

Dienste in Anspruch nahmen“. Nicht erfasst wurden indes „Personen in

unzumutbaren Wohnverhältnissen oder mit drohender Wohnungslosigkeit, denen der

Verlust der derzeitigen Wohnung bevorsteht“74.

Trotz dieser folglich engen Bestimmung des Personenkreises zählt der Sozialbericht

Bayern 201475 noch 12.053 wohnungslose Personen in Bayern zum 30.06.2014.

70 Sozialbericht Bayern 2012, S. 164, 247 f. 71 Vgl. Beschluss Nr. 1.3 der AWO Landeskonferenz 2012. 72 Sozialbericht Bayern 2014, S. 262 ff. 73 Sozialbericht Bayern 2014, S. 263. 74 Sozialbericht Bayern 2014, S. 262. 75 Sozialbericht Bayern 2014, S. 265.

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Angesichts der Nichterfassung unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedrohter

Menschen ist hervorzuheben, dass laut der „Piloterhebung“ zum Stichtag weitere

3.716 Klientinnen und Klienten sich in einem laufenden Beratungsprozess bei

Einrichtungen der Freien Träger der Wohnungslosenhilfe befanden76.

Schon 2011 berieten und betreuten die bayernweit 13 Präventionsstellen zur Ver-

meidung von Obdachlosigkeit in Trägerschaft der Verbände der Freien Wohlfahrts-

pflege 5.176 Ein- und Mehrpersonenhaushalte77. Sie trugen durch ihre erfolgreiche

Arbeit in vielen Fällen zu Vermeidung des Wohnungsverlustes bei, minderten da-

durch persönliches Leid und Existenzängste und reduzierten zudem die Folgekosten

von Kündigungen von Mietverhältnissen für Mieter, Vermieter und Kommune erheb-

lich.

Die Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit (FOL), die der Kreisverband

München Land der Arbeiterwohlfahrt im Auftrag des Landkreises München betreibt,

meldet in ihrem Jahresbericht 2014 mehr als 7.400 betreute Haushalte seit ihrer

Gründung 200778, und das im sogenannten „Speckgürtel“ der Landeshauptstadt.

5. Handlungsanforderung an die Politik in Bayern • Die Bayerische Staatsregierung muss sich in Umkehr ihrer bisherigen Politik zur

Förderung des Sozialen Wohnungsbaus bekennen und dafür die erforderlichen

Rahmenbedingungen schaffen.

• Es bedarf Anreizen, die Neubautätigkeit im Mietwohnungsbau in Bayern zu

erhöhen, ohne dass dies zu noch stärker steigenden Mietpreisen führen darf.

• Die Wohnungspolitik muss sich gezielt für eine Verbesserung der Chancen

bislang sozial und wirtschaftlich benachteiligter Haushalte und Personen-

gruppen auf dem Wohnungsmarkt einsetzen.

• Angebote an präventiven Hilfen zur Verhinderung des Verlusts der Wohnung

sind auszubauen und flächendeckend zu entwickeln.

76 Sozialbericht Bayern 2014, S. 265. 77 Sozialbericht Bayern 2012, S. 165. 78 Wohnungsnotfallhilfe/FOL, Jahresbericht 2014, München 2015, S. 6.

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• Eine aussagekräftige landesweite Wohnungsnotfallstatistik ist endlich einzu-

führen. Dabei sind die Kommunen und die Verbände der Freien Wohlfahrts-

pflege mit ihren Einrichtungen und Diensten einzubeziehen.

X. Vermögen und Einkommen in Bayern immer ungleicher verteilt 1. Bayern ist ein reiches Land Der Sozialbericht Bayern 2012 zeigt: Bayern ist ein reiches Land – reicher noch als

der Durchschnitt der Bundesländer.

Das Nettovermögen an Geld, d. h. nach Abzug der Verbindlichkeiten, beträgt

danach79:

� Bayern 61.200 Euro

� Westdeutschland 54.400 Euro

� Bundesrepublik Deutschland 49.100 Euro

Kennzeichnend für die Situation in Bayern ist weiterhin, dass hier mehr Haushalte

Immobilienvermögen in Form selbstgenutzten Wohneigentums besitzen80.

� Haushalte Bayern 47,3 Prozent

� Haushalte Bundesrepublik Deutschland 44,8 Prozent

79 Sozialbericht Bayern 2012, Materialienband, S. 62, Durchschnittsbeträge über alle Haushalte. 80 Sozialbericht Bayern 2012, Materialienband, S. 60.

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2. Geld- und Immobilienvermögen in Bayern – extrem unterschiedlich verteilt Die Verteilung des Nettogesamtvermögens (Geld- und Immobilienvermögen, ohne

Betriebsvermögen) in Bayern zeigt extreme Unterschiede81.

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2012, S. 213.

Die Übersicht belegt auch, dass in den Jahren 2003 – 2008 gerade die Gruppe der

niedrigeren Vermögensinhaber überproportional am realen Wert ihres Vermögens

verloren hat bzw. deren Verschuldung noch gewachsen ist.

Die Verteilung des Vermögens in Bayern hat sich also in diesem Zeitraum weiter zu

Lasten der kleinen Vermögen und deutlich zugunsten der großen Vermögen ungleich

entwickelt. Der Sozialbericht Bayern 2012 spricht82 selbst von einer „zunehmende(n)

Ungleichheit der Vermögensverteilung“.

81 Sozialbericht Bayern 2012, S. 212 f., Angaben jeweils bezogen auf die Person. 82 Sozialbericht Bayern 2012, S. 213.

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entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2012, S. 213. 3. Oligarchie der Besitzenden – und das Betriebsvermögen ist noch unbe- rücksichtigt Demnach besitzt also eine kleine Minderheit die Mehrheit des Gesamtvermögens im

Freistaat: Die vermögendsten 10 Prozent der Bevölkerung verfügen mit 46,7 Prozent

fast über die Hälfte des Gesamtvermögens in Bayern, die „oberen“ 20 Prozent

gemeinsam sogar über rund zwei Drittel des gesamten Vermögens in Bayern83.

Die bittere Kehrseite der Bilanz: 30 Prozent der Haushalte in Bayern haben

zusammen nicht einmal 1 Prozent des Gesamtvermögens im Freistaat in Händen.

Dabei vermittelt der Sozialbericht Bayern 2012 sogar noch ein beschönigendes

Bild der wirklichen Lage.

So bleibt in der der Auswertung zugrundeliegende Methodik der Einkommens- und

Verbrauchsstichprobe (EVS) das Betriebsvermögen, d. h. der Besitz von bzw. die

Beteiligung an Betriebsvermögen unberücksichtigt84.

83 Sozialbericht Bayern 2012, S. 212 f. 84 Sozialbericht Bayern 2012, S. 210.

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4. Wer hat, dem wird gegeben Indem der Sozialbericht Bayern 2012 festhält85, die Nettogesamtvermögen (ohne

Betriebsvermögen) seien „sehr viel ungleicher verteilt … als die Einkommen“,

vermag er die Diskrepanz der Einkommenssituation nicht zu überspielen.

Zwar erreicht das unterste Einkommensdezil einen Anteil am Nettogesamtein-

kommen von knapp 4 Prozent, obwohl das unterste Vermögensdezil einen negativen

Anteil am Nettogesamtvermögen aufweist. Dass demgegenüber dem obersten

Vermögensdezil einem Anteil von 46,7 Prozent „nur“ ein Einkommensdezil von 23

Prozent entspricht, die 10 Prozent der Bezieher mit dem höchsten Einkommen auf

sich folglich fast ein Viertel des Nettogesamteinkommens vereinigen, belegt die

These einer zunehmenden Ungleichheit auch der Einkommen vielmehr nach-

drücklich.

entnommen aus: Sozialbericht Bayern 2012, S. 212.

Stand: Mai 2019

85 Sozialbericht Bayern 2012, S. 212.