Arne Friedrich Glaube Fussball Gott
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A R N E F R I E D R I C H
"Ich möchte lieber ohne Fußball lebenals ohne meinen Glauben"Wenn Arne Friedrich das Spielfeld betritt, dankt er Gott. ImKolumnengespräch erzählt er von gemeinsamen Gebeten derNationalelf und warum er nicht der Superchrist ist.VON Christian Spiller | 19. Februar 2013 - 15:37 Uhr
© Jochen Lübke/picture alliance/dpa
Arne Friedrich
ZEIT ONLINE: Herr Friedrich , gibt es einen Fußballgott?
Arne Friedrich: Es gibt wahrscheinlich viele Fußballer und Fußballfans, die das
unterschreiben würden. Ich glaube nicht, dass irgendeine höhere Instanz den Ausschlag
gibt. Die Mannschaft, die am härtesten trainiert, am besten vorbereitet ist und die beste
Tagesform hat, hat die größte Chance zu gewinnen. Ich glaube nur an einen Gott und das ist
nicht der Fußballgott.
ZEIT ONLINE: Sie sind religiös?
Friedrich: Ja, ich bezeichne mich definitiv als Christ. Ich war schon in meiner Jugend oft
in der Kirche, obwohl es da immer ziemlich langweilig war. Aber irgendetwas hat mich da
immer wieder hingezogen. Es hat sich im Laufe der Zeit intensiviert.
ZEIT ONLINE: Sie könnten ohne Stotterer das Vater Unser aufsagen?
Friedrich: Das könnte ich. Obwohl ich nicht weiß, ob es wirklich wichtig ist, ob man das
nun auswendig kann oder nicht. Ich habe durch den Glauben einen Anker im Leben, der
mir Ruhe gibt, vor allem in schwierigen Situationen. Dafür bin ich sehr dankbar. Obwohl
ich weit davon entfernt bin, ein Superchrist zu sein.
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ZEIT ONLINE: Superchrist?
Friedrich: Viele brüsten sich mit ihrem Glauben und denken, sie seien dadurch
automatisch bessere Menschen. Das möchte ich nicht. Ich sehe nicht auf andere Leute
herab, nur weil sie nicht glauben. Darum geht es nicht im Christentum. Nur weil ich Christ
bin, heißt das nicht, dass ich nicht in Versuchung geführt werden kann oder mal aus meiner
Haut fahre. Im Prinzip bauen wir alle Mist, ob Christ, Muslim oder was weiß ich. Es geht
um die Message des Glaubens, das ist mir sehr wichtig.
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ZEIT ONLINE: Der Papst hat in der vergangenen Woche seinen Rücktritt angekündigt.
Berührt Sie das?
Friedrich: Nicht wirklich. Es ist natürlich ein Weltereignis, weil es viele Katholiken gibt.
Ich bin aber keiner, deswegen kann ich dazu auch gar nicht so viel sagen.
ZEIT ONLINE: Beten Sie vor Fußballspielen?
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Friedrich: Ja, das tue ich. Ich knie nicht nieder oder so etwas, aber wenn ich auf das
Spielfeld marschiere, danke ich Gott für die Gelegenheit, dass ich Fußballspielen kann. Das
ist ja auch nicht selbstverständlich. Ich bete dafür, mein Bestmögliches geben und Spaß
haben zu können. Und dafür, dass alle Spieler gesund wieder vom Feld kommen. Für drei
Punkte bete ich nicht.
ZEIT ONLINE: Ist das verboten?
Friedrich: Ach was, jeder kann so viel und für was auch immer beten, wie er möchte. Ich
möchte auch Spiele gewinnen, aber es gibt wichtigere Dinge im Leben. Das weiß auch der
liebe Gott. Außerdem: Wenn alle 22 Spieler für einen Sieg beten würden, würde er ganz
schön durcheinander kommen.
ZEIT ONLINE: Miro Klose bekreuzigt sich nach seinen Toren, Jerome Boateng hat die
Jungfrau Maria auf dem Unterarm tätowiert. Auch Lukas Podolski , Mario Gomez , Bastian
Schweinsteiger , Per Mertesacker, Joachim Löw und Oliver Bierhoff sind religiös. Dazu
kommen mit Mesut Özil und Sami Khedira noch zwei praktizierende Muslime. Und das
alles in einem doch sehr säkularisierten Land. Sind Fußballer besonders religiös?
Friedrich: Das weiß ich nicht. Aber ich finde es gut, dass sich die Spieler dazu bekennen.
Glaube scheint ja nicht mehr modern. Wer spricht da schon noch drüber. Ich finde das sehr
schade.
ZEIT ONLINE: War der Glaube in der Nationalmannschaft auch mal Thema?
Friedrich: Auf alle Fälle. Wir haben auch damals zum Beispiel mit Cacau des Öfteren
zusammen gesessen und darüber gesprochen. Wir haben in der Bibel gelesen und
füreinander gebetet. Auch bei der WM 2010.
ZEIT ONLINE: Gab es auch Konflikte zwischen den Konfessionen?
Friedrich: Überhaupt nicht. Da gab es überhaupt keine Konfrontation. So sollte es auch
sein. Jeder soll daran glauben, woran er möchte. Jeder sollte jeden in Frieden leben lassen.
Da geht es um Toleranz und Respekt. Wenn man überlegt, wie viele Kriege wegen des
Glaubens geführt wurden und werden. Das ist das Schlimmste, was passieren kann. Auch
für den Glauben selbst, weil er dadurch in Verruf kommt.
ZEIT ONLINE: Was ist Ihnen wichtiger: Der Fußball oder der Glaube?
Friedrich: Das ist eine ziemlich harte Frage, aber ich lege mich da gerne fest: Ich möchte
lieber ohne Fußball leben als ohne meinen Glauben.
ZEIT ONLINE: Fußballer gehören zu den abergläubischsten Menschen, die es gibt. Dabei
schließen sich Aberglaube und Religion doch eigentlich aus, oder?
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Friedrich: Ich finde schon. Das widerspricht sich. Ich habe auch keine Rituale, muss nicht
immer mit dem rechten Fuß zuerst das Feld betreten. Aber es gibt viele Fußballer, die sehr,
sehr abergläubisch sind.
ZEIT ONLINE: Welcher Tick von welchem Spieler ist Ihnen besonders in Erinnerung?
Friedrich: Ich habe mal mit einem Torwart zusammengespielt, der hat in jedem Spiel das
gleiche T-Shirt drunter getragen. Da war ein Tiger drauf. Wirklich bei jedem Spiel. Aber
ich möchte keine Namen nennen.
ZEIT ONLINE: Es gab eine Zeit, da hoben viele Torschützen ihr Trikot und auf dem Shirt
darunter stand so etwas wie: "Gott liebt dich." Das hat die Fifa irgendwann verboten. War
das richtig?
Friedrich: Ich finde es völlig okay, wenn man sich bekennt oder eine Message
weitertragen möchte. Ich persönlich habe das noch nicht gemacht. Aber ich würde es auch
nicht verbieten.
ZEIT ONLINE: In den USA wurde vor einiger Zeit der Footballer Tim Tebow berühmt,
weil er direkt auf dem Platz in voller Montur kniete und betete. Wäre das was für Sie?
Friedrich: Nein, das bin ich nicht. Glaube ist eine sehr persönliche Sache. Wenn ich dazu
gefragt werde, so wie jetzt, oder mich mit Menschen unterhalte, bekenne ich mich dazu.
Aber ich muss das nicht jedem auf die Nase binden.
ZEIT ONLINE: Aber in den USA ist es als Sportler schon populärer, seinen Glauben
auszuleben.
Friedrich: Hier in der Liga ist der Glaube sehr verbreitet. Es gibt Pastoren, die vom
Heimteam gestellt werden und mit den Spielern kurz beten, wenn die möchten. Da kommt
es sogar vor, dass man dann mit dem anderen Team vor dem Spiel zusammensitzt und eine
kleine Andacht hält. Das habe ich in Deutschland noch nie erlebt.
ZEIT ONLINE: Dafür wird bei uns der Fußball zur Ersatzreligion. Es gibt
Wissenschaftler, die erkennen große Parallelen. Der regelmäßige Gang ins Stadion,
gemeinsame Gesänge, bestimmte Rituale, das Wort "Fan" stammt von "fanaticus" was
"göttlich inspiriert" bedeutet.
Friedrich: Fußball hat bei uns eine große Kraft und wahrscheinlich auch religiöse Züge.
Für viele ist Fußball der Anker im Leben. Ich finde das schwierig, würde das ungern mit
echtem Glauben gleichsetzen. Zumal es beim Fußball ja um Erfolge geht, ums Gewinnen
oder Verlieren. Das ist bei Gott nicht so. Da steht jedes Leben, also der Mensch an sich, im
Mittelpunkt. Die Message ist eine andere.
ZEIT ONLINE: Was denken Sie, wenn Sie hören: "Arne Friedrich, Fußballgott!"
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Friedrich: Solche Sprüche sollte man nicht so ernst nehmen. Da halte ich überhaupt nichts
von. Aber ich bin auch nicht böse.
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