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Jahrgang 32 Heft 1/2 2006 meteorologische fortbildung Atmosphäre und Gebirge – Anregung von ausgeprägten Empfindlichkeiten

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Jahrgang 32 Heft 1/22006

meteorologische fortbildung

Atmosphäre und Gebirge –Anregung von ausgeprägten Empfindlichkeiten

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Meteorologische Fortbildung32. Jahrgang, Heft 1/2, 2006

Thema des Heftes:Atmosphäre und Gebirge – Anregung von ausgeprägten Empfindlichkeiten

Fachliche Redaktion: Hans Volkert, OberpfaffenhofenFachliche Durchsicht: Joseph Egger, München

Kapitel Seite

Zu diesem Heft 1-2(a) Hauptsächlich Beobachtungen (hin zu kleineren Skalen)

R. STEINACKER1 Alpiner Föhn – eine neue Strophe zu einem alten Lied 3-10

G. J. MAYR, A. GOHM2 Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte 11-17

A. DÖRNBRACK, R. HEISE, J. P. KUETTNER3 Wellen und Rotoren 18-24(b)Wirkung von Gebirgsketten (hin zu größeren Skalen)

C. KOTTMEIER, F. FIEDLER4 Vertikaler Austausch über Mittelgebirgen 25-33

P. WINKLER, M. LUGAUER, O. REITEBUCH5 Alpines Pumpen 34-42

J. EGGER6 Thermische Zirkulation von Hochplateaus:

Messung und Modellierung 43-47

J. EGGER, K.-P. HOINKA7 Austausch von atmosphärischem Drehimpuls

an Gebirgen 48-53(c) Experimente im atmosphärischen Labor

H. VOLKERT8 Fortschritt durch Feldkampagnen –

von ALPEX über PYREX zu MAP 54-60(d)Von der Dynamik zu physikalischen Prozessen –

wo der Regen fälltC. FREI, J. SCHMIDLI

9 Das Niederschlagsklima der Alpen:Wo sich Extreme nahekommen 61-67

(e) Gebirge in VorhersagemodellenD. MAJEWSKI, B. RITTER

10 Gebirgseinflüsse in operationellennumerischen Wettervorhersagemodellen 68-74

Blick nach draußenMeteoSchweiz 75-78

Institute stellen sich vorDie Forschungseinheit Maritime Meteorologie des IFM-GEOMAR an der Universität Kiel 79-82

L. BRIESE EUMETSAT: Erdbeobachtungen für Wetter, Klima und Umweltschutz 83-86

J. RAPPAuslösung von Starkschneefällen in Frankfurt/Main als mögliche Folge des Stadteffektes 87-90

A. HENSE, H. BAUER Zur Entwicklung und zum Stand der gestuftenStudiengänge Bachelor und Master 91-94

Buchbesprechungen 94-95

Nachruf auf Friedrich Wippermann 96

Anschriften der Autoren dieses Heftes 97

HerausgeberDeutscher Wetterdienst

HauptschriftleiterDr. H. D. Behr (Hamburg)

RedaktionsausschussDipl.-Met. W. Kusch (Offenbach a. M.)

Prof. Dr. G. Adrian (Offenbach a. M.)Prof. Dr. B. Brümmer (Hamburg)Prof. Dr. J. Egger (München)Prof. Dr. F. Fiedler (Karlsruhe)Prof. Dr. G. Groß (Hannover)Dr. J. Neisser (Lindenberg)Prof. Dr. C.-D. Schönwiese (Frankfurt a.M.)Prof. Dr. P. Speth (Köln)Prof. Dr. G. Tetzlaff (Leipzig)

Zum Titelbild:

Wolken modifiziert durch Alpenüber-strömung

Oben: Blick aus dem Flugzeug: Cirrus-schicht über Altocumulus lenticularisund stratiformer Bewölkung unterhalbder Kammhöhe.Foto: Samantha Smith, UK Met.Office,

© British Crown Copyright 2002

Unten: Die gleiche Situation als Quer-schnitt: Rückstreukoeffizient von La-serlicht (farbig) und durch Gebirgswel-len modifizierte Flughöhen dreier Flug-zeuge (schwarze Linien).

Aus: Smith et al.,J. Atmos. Sci. 59, 2073-2092

© American Meteorological Society 2002

Ausführlichere Erläuterung auf Seite 2unten

promet erscheint im Selbstverlag desDeutschen Wetterdienstes – Kaiserlei-straße 29/35, 63067 Offenbach am Main.Bezugspreis pro Jahrgang (4 Hefte) imAbonnement 22,50 €, Einzelheft 6,50 €,Doppelheft 13,– €, Dreifachheft 19,50 €zuzüglich MwSt. und Versandkosten.Für den Inhalt der Arbeiten sind dieAutoren verantwortlich. Alle Rechtebleiben vorbehalten.

Technische Herausgabe:Elke Roßkamp Deutscher Wetterdienst, HamburgDruck:Weppert Print & Media GmbH97424 SchweinfurtSilbersteinstraße 7ISSN 0340-4552

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 1-2 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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Thema des Heftes:Atmosphäre und Gebirge – Anregung von ausgeprägten Empfindlichkeiten

Zu diesem Heft

„Our atmosphere is exceedingly sensitive to vertical motion“Ronald B. Smith, 1979

Schon Felix Exner (1925) weist zu Beginn seines Lehrbuchs „Dynamische Meteorologie“ darauf hin, dass die Erde inguter Näherung eine Kugel von 6370 km Radius ist, wohingegen neun Zehntel der Atmosphärenmasse in einer Kugel-schale von nur 20 km Dicke darum herum enthalten sind. Daher „überzieht die Atmosphäre den Erdball wie eine ganzdünne Hülle, eine Vorstellung, die der naiven Anschauung zuwiderläuft.“ An ihr sei besonders festzuhalten, wenn manLuftströmungen über großen Gebirgen der Erde untersucht.

Gut fünfzig Jahre später nimmt Ronald Smith (1979) dieses Thema in der Einführung seiner Monographie „The in-fluence of mountains on the atmosphere“ wieder auf. Zuerst weist er darauf hin, dass der Globus trotz ausgeprägterHochgebirge in Relation zu einer Billardkugel deutlich glatter ist. Auch wenn die großen Gebirge von unten weit inden wetterwirksamen Teil des ,Luftmeers’ hineinragen, wird durch derlei rein geometrische Betrachtung der Gebirgs-einfluss auf die Atmosphäre unterschätzt. Die wesentliche physikalische Begründung für eine realistische Einschät-zung liegt in der Erkenntnis, dass die Atmosphäre auf von Gebirgen erzwungene Vertikalbewegungen äußerst emp-findlich reagiert – und dies aus zwei Gründen. Einmal widersetzt sich eine meist stabil geschichtete Atmosphäre ge-ringeren erzwungenen Vertikalbewegungen durch weit ausgreifende horizontale Umströmungen, wohingegen stärke-re Auslenkungen zur Überströmung und starken Fallwinden im Lee führen können. Zum anderen sorgt der oft hoheFeuchtigkeitsgehalt in bodennahen Schichten selbst bei geringer Anhebung zu Wolkenbildung oder gar orographi-schem Niederschlag.

Seit Mitte der 1990er Jahre stand die systematische Untersuchung der orographisch verursachten oder deutlich modifi-zierten Strömungsformen und Wetterereignisse im Zentrum der Forschungsarbeiten zahlreicher Arbeitsgruppen imdeutschen Sprachraum. Dieses Heft hat zum Ziel, die Bandbreite über verschiedene Skalenbereiche, die wachsende Ver-bindung zwischen Messung und Simulation sowie die zunehmende Anwendungsorientierung dieser Arbeiten exem-plarisch darzustellen. Das wichtigste Untersuchungsgebiet sind die Alpen; dazu kommen auch Mittelgebirge wie derSchwarzwald oder außereuropäische Hochgebirge wie die Anden. Die Beiträge gruppieren sich zwanglos in die Ab-folge:

a) Beobachtungen von atmosphärischen Phänomen an Gebirgen (hin zu kleineren Skalen)

Reinhold Steinacker ergänzt traditionelle Befunde zum alpinen Föhn mit Forschungsergebnissen aus dem letztenJahrzehnt; Georg Mayr und Alexander Gohm konzentrieren sich auf den Spezialfall, wenn eine Föhnströmung ei-nen Einschnitt passiert, wie etwa am Brennerpass; Andreas Dörnbrack, René Heise und Joachim Kuettner beleuch-ten die gerade für die Fliegerei wichtigen Gebirgseffekte von Gebirgswellen und Rotoren, indem sie Beobachtungenaus 70 Jahren mit maßgeschneiderten Simulationen kombinieren;

b) Wirkung von Gebirgsketten insgesamt (hin zu größeren Skalen)

Christoph Kottmeier und Franz Fiedler betrachten Vertikalzirkulationen über dem Schwarzwald, die in sommer-lichen Gewittern besonders stark ausgeprägt sind, und den dadurch bewirkten vertikalen Austausch; Peter Winkler,Matthias Lugauer und Oliver Reitebuch berichten über analoge Untersuchungen, die im alpinen Anteil der Mess-kampagne VERTIKATOR 2002 durchgeführt wurden und weisen auf die wichtige Rolle von Fernerkundungsme-thoden mit Lidargeräten hin; Joseph Egger schildert die Eigenheiten der Strömungsformen an ausgedehnten Hoch-plateaus in Tibet und Bolivien, wie sie kürzlich vermessen und anschließend modelliert wurden; Joseph Egger undKlaus-Peter Hoinka schließlich nehmen mit theoretischen Überlegungen und Analysen von Reanalysedaten den Ge-samteffekt unter die Lupe, den irdischen Gebirge auf die Bilanz des atmosphärischen Drehimpulses ausüben;

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c) ,Experimente’ im atmosphärischen Labor

Hans Volkert stellt heraus, welche Rolle international koordinierte Feldexperimente in der Umgebung von Gebirgenwie den Alpen und den Pyrenäen für den Fortschritt in der Atmosphärenphysik seit 1980 spielten;

d) Von der Dynamik zu physikalischen Prozessen – wo der Regen fällt

Christoph Frei und Jürg Schmidli konzentrieren sich auf länderübergreifend homogenisierte Niederschlagsdatenund arbeiten die räumliche Nähe von Extremen der Niederschlagverteilung im Alpenraum heraus;

e) Gebirgseinflüsse in operationellen Modellen für die Wettervorhersage

Detlev Majewski und Bodo Ritter erläutern, auf welche Weise Gebirge in den aktuellen Vorhersagemodellen desDeutschen Wetterdiensts berücksichtigt sind, und demonstrieren dabei die gewaltigen Skalenunterschiede zwischendem Global-Modell und dem Lokal-Modell.

Naturgemäß können die zehn Artikel dieses Heftes nur Schlaglichter werfen auf einige Fragestellungen, die innerhalbder ‚Gebirgsmeteorologie’ während der letzten Jahre von Belang waren. Ein synoptischer Blick auf ihre Gesamtheitunterstreicht jedoch überzeugend, dass sich im deutschen Sprachraum (und darüber hinaus) eine effektive Zu-sammenarbeit zwischen Universitätsinstituten, Forschungslabors der Helmholtzgemeinschaft und Wetterdiensten her-ausgebildet hat, die den großen Bogen spannt von grundlegender Forschung in der Strömungsdynamik über den Ein-satz neuartiger Messgeräte bis zur Weiterentwicklung von Vorhersageverfahren für die tägliche Anwendung. Die fürSommer 2007 geplante und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Messkampagne COPS (Convec-tion and Orographically-induced Precipitation Study) zwischen Vogesen, Schwarzwald und Schwäbischer Alb wird da-von von neuem profitieren können.

Die Wirkung von atmosphärischen Anregungen zeigt dieses Heft auch im übertragenen Sinn: alle Autoren kamen derBitte um Mitwirkung bereitwillig und zügig nach. Dadurch manifestiert sich das Ansehen, das sich die Zeitschriftpromet für die meteorologische Fortbildung über die Jahre erworben hat, nicht zuletzt durch die professionelle Be-treuung durch Hein Dieter Behr und Elke Roßkamp. Für die gute Zusammenarbeit bedanken sich

Hans Volkert und Joseph Egger

Erläuterung zum Titelblatt:

Bild oben:Menschliche Perspektive mit Blickrichtung Nordost im Lee des Mont Blanc während MAP-SOP am 2. November1999 aus dem Cockpit des Forschungsflugzeugs C-130 in 7,5 km Höhe: Cirrusschicht über Altocumulus lenticularisund stratiformer Bewölkung unterhalb der Kammhöhe der Westalpen.

Foto: Samantha Smith, © British Crown Copyright 2002

Bild unten:Die gleiche Situation als abstrakter Querschnitt durch die Alpen von Südwest (Mont Blanc Massiv; links) nachNordost (rechts) in etwa 6-facher Überhöhung: dimensionsloser Rückstreukoeffizient von Laserlicht, das an Wol-kenschichten zurückgestreut wird (farbig), und durch Gebirgswellen modifizierte Flughöhen dreier Forschungsflug-zeuge vor, während und nach dem Zeitpunkt des Fotos (schwarze Linien). Bei 11,5 km flog die DLR-Falcon mit demabwärts blickenden Lasersystem, bei 7,5 km die C-130 des UK Met.Office und zwischen 5,5 und 6,5 km die NCAR-Electra. Im Lee des Mont Blanc wurden stationäre Wellen unterschiedlicher Amplitude in allen drei Niveaus ge-funden, die durch zweidimensionale Laserschnitte und Modellrechungen eindrucksvoll bestätigt wurden.

Aus: Smith et al., J. Atmos. Sci. 59, 2073-2092, © American Meteorological Society 2002

Siehe auch Artikel 8, Abschnitt 3.5 auf Seite 58.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 3-10 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Einleitung

Die Föhnforschung gehört zu den traditionsreichstenThemen der alpinen Meteorologie. Dieses Phänomenbewirkt in manchen Gebieten der Alpen erheblicheAuswirkungen auf das Leben der Bevölkerung: Nebenpositiven Auswirkungen wie der Ermöglichung desAnbaus von wärmeliebenden Pflanzen bis in höhereTallagen der Nordalpen in Folge der Erhöhung derMitteltemperatur durch den Föhn („Türkenröster“ =Maisröster, s. FLIRI 1975) gibt es auch negative Aus-wirkungen: Durch die hohen Windgeschwindigkeitenund die Trockenheit der Luft steigt bei Föhn die Ge-fahr von Bränden stark an, was in der Vergangenheitwiederholt zu Brandkatastrophen geführt hat, indemganze Dörfer und große Waldflächen ein Raub derFlammen wurden (STIEGER und ZIMMERMANN1983). Auch die direkten Windeinwirkungen könnengelegentlich zu großen Waldschäden führen, was be-sonders im Zusammenhang mit Schutzwäldern eineBedrohung für den alpinen Lebensraum darstellt. Diephysiologischen und psychologischen Auswirkungendes Föhns sind ein weiteres Kapitel, das breites Inte-resse und die sprichwörtlichen Reaktionen in der vonFöhn beeinflussten Bevölkerung hervorruft (RICH-NER 1983, LECHNER et al. 1981). In jüngerer Zeithat der Föhn auch in anderen Wirtschaftszweigen einegewisse Bedeutung erlangt, wie z. B. in der Luftfahrt,wo die Turbulenz der Föhnströmung und das Auftretenvon extremen Windscherungen immer wieder kritischeSituationen hervorruft.

Durch die grundlegenden frühen Erkenntnisse derFöhnforschung war dieses meteorologische Phänomenin weiten Zügen schon vor Jahrzehnten physikalischerklärt. In kaum einem meteorologischen Lehrbuchfehlt eine Darstellung des Föhns als klassisches Bei-spiel für einen thermodynamischen Prozess in der At-

mosphäre. Dadurch bedingt gilt die Föhnforschungheute als nicht mehr prioritär. Um die noch offenenAspekte dieses Phänomens – z. B. das kleinräumigeStrömungsverhalten, dessen Verständnis essentiell fürdie lokale Föhnvorhersage ist, die Skaleninteraktion,die ausgeprägten Wellenregimes einschließlich Wellen-brechen bei Föhn, u. a. m. – weiter mit materiellerUnterstützung wissenschaftlich bearbeiten zu können,wird heute vielfach auf moderne neudeutsche Terminiwie „gap-flow“, „trans-Alpine flow“, „downslopewindstorms“ usw. ausgewichen.

Im folgenden Abschnitt wird ein Überblick über diehistorischen Ergebnisse der Föhnforschung („das alteLied“) gegeben, in Abschnitt 3 werden ausgewählteErgebnisse aus der Föhnforschung im Rahmen vonMAP diskutiert und im abschließenden Abschnitt wirdeine Synthese („neue Strophe“) versucht und in einemAusblick wird auf die in Zukunft noch zu klärendenFragen eingegangen.

2 Überblick über historische Ergebnisse derFöhnforschung

Von Anbeginn der wissenschaftlichen Föhnforschungstand die Frage nach dem Ursprung der „Wärme“ beiFöhn im Vordergrund (eine ausführliche Diskussiondarüber findet sich bei KUTZBACH 1979), weil beimFöhn nördlich der Alpen (Südföhn) besonders im Win-terhalbjahr oft ungewöhnlich hohe Temperaturen auf-treten. Zuerst waren advektive Prozesse als Ursacheangenommen worden – Wild, der führende SchweizerMeteorologe dieser Zeit, vermutete den Ursprung derFöhnluft in der Sahara, gestützt durch den GeologenEscher von der Linth. Letzterer stellte in seiner Eis-zeittheorie die Advektion von Saharaluft ins Zentrum,die zu Beginn und während der Eiszeit durch die hö-

Alpiner Föhn – eine neue Strophe zu einem alten Lied

Alpine foehn – a new verse to an old song

R. STEINACKER

1

ZusammenfassungNach einer kurzen historischen Darstellung der Föhnforschung werden aktuelle Ergebnisse der Untersuchungdieses Phänomens, die im Zuge der Arbeiten von FORM (FOehn study in the Rhine valley during MAP) ent-standen, diskutiert. Zum Abschluss werden der heutige Kenntnisstand zusammengefasst und noch offene Pro-bleme erläutert.

AbstractA brief historical resume on foehn related research is followed by a presentation of recent findings concerningthis phenomenon, which resulted from studies within project FORM (FOehn study in the Rhine valley duringMAP). Finally the current state of our knowledge is summarised and still open problem are discussed.

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here Feuchte wesentlich mehr Niederschläge zu denAlpen bringen sollte und damit ein Anwachsen derGletscher erklären konnte. Dove, der damalige führen-de deutsche Meteorologe, vermutete den Ursprung derFöhnluft hingegen in Westindien (Karibik), weil dies insein Konzept der Zwei-Strömungstheorie der Zyklo-nen passte. Kurz darauf publizierte HANN (1866) sei-ne „thermodynamische Theorie“ des Föhns. Interes-santerweise gelang ihm die endgültige Überzeugungseiner wissenschaftlichen Kontrahenten erst durch denNachweis von Föhn in Grönland, wo eine Advektionvon subtropischer Warmluft als Erklärung ausge-schlossen werden konnte. Das klassische Bild (Föhn-typus I oder Schweizer Föhntypus) eines Berges mitluvseitigem Aufsteigen, Kondensation und Ausregnenund leeseitigem trockenem Absteigen findet sich seit-her in den meisten meteorologischen Lehrbüchern(Abb. 1-1). In diesen und den folgenden Abbildungenbedeuten �: potentielle Temperatur, �e: äquivalentpo-tentielle Temperatur.

HANN, der die Beobachtungsdaten bei Föhn sehr sorg-fältig auf beiden Seiten der Alpen betrachtete, entdeck-te natürlich sehr bald, dass Südföhn auch ohne gleich-zeitigen Niederschlag im Luv auftreten kann. Währendbei Föhn in den Schweizer Alpen Niederschlag im Luvtypisch ist, fällt bei Südföhn über den österreichischenOstalpen zu weniger als 50 % der Fälle Niederschlag(SEIBERT 1990). Diesen zweiten Typus Föhn (Öster-reichischer Föhntypus, s.Abb. 1-2), der vor allem in jün-geren Lehrbüchern nur selten aufscheint, obwohl das

Wissen darüber seit weit über hundert Jahren vorliegt,kann man durch quantitative Auswertung von langzei-tigen Datenreihen als verantwortlich für den wesent-lichen Anteil der Föhnerwärmung ansehen. Tatsächlichist in vielen Fällen eine Mischung beider Typen vorhan-den, die Haupterwärmung ist dem Mechanismus II zu-zuschreiben, bei vorhandenem Niederschlag liefert Me-chanismus I einen kleinen zusätzlichen Beitrag.

Gehörte um 1900 die Kenntnis von der thermodyna-mischen Natur des Föhnprozesses zum meteorologi-schen Allgemeinwissen, so stellte sich nunmehr dieFrage, warum die warme Luft denn überhaupt die lee-seitigen Hänge bis in die Täler absteigt, obwohl sichdoch stabil geschichtete Luft einem vertikalen Aus-tausch widersetzt. Die meisten Arbeiten zu dieser Fra-gestellung stammen aus der ersten Hälfte des vergan-genen Jahrhunderts:

• Vertikale Aspirationstheorie nach STREIFF-BE-CKER (1931). Hierbei wird angenommen, dass eineHöhenströmung, die über eine potentiell kältere Luftstreicht, diese allmählich durch turbulente Erosionentfernt, wodurch die wärmere Höhenluft sukzessivenach unten vordringt (Abb. 1-3). Die grundsätzlicheIdee dazu findet sich bereits um 1870 bei WILD.

• Horizontale Aspirationstheorie („passive Ersatz-strömung“) nach von FICKER (1931). Hier wird einAbsaugen der bodennahen Luft durch die Annähe-rung eines Tiefs angenommen, wodurch sich sukzes-

R. Steinacker: Alpiner Föhn

Abb. 1-1: Klassisches Bild der thermodynamischen Föhntheo-rie nach HANN, mit beispielhaften Temperaturwer-ten unter Annahme von feucht- und trocken-isentro-per Bewegung (HANN I, „Schweizer Föhntypus“).

Abb. 1-2: Alternatives Bild der thermodynamischen Föhntheo-rie nach HANN mit beispielhaften Temperaturwer-ten unter Annahme von trocken-isentroper Bewe-gung (HANN II, „Österreichischer Föhntypus“).

Abb. 1-3: Schematische Darstellung der turbulenten Erosionim Lee eines Gebirges (Aspirationstheorie nachSTREIFF-BECKER (1931)).

Abb. 1-4: Schematische Darstellung des Absaugens von boden-naher Luft durch die Annäherung eines Tiefs (Aspi-rationstheorie nach v. Ficker). Die durchgezogenenLinien repräsentieren Isentropen vor, die strichlier-ten nach der Wirkung der Aspiration (Pfeile).W: Warmluft, K: Kaltluft.

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sive die potentiell warme Höhenluft bis zum Bodendurchsetzt (Abb. 1-4). Durch ein nach Norden wei-sendes Druckgefälle kommt bodennah eine von denAlpen weg gerichtete ageostrophische Strömungauf. Eine diesbezügliche Idee geht schon auf BILL-WILLER um 1900 zurück.

• Leewellentheorie: Erstmalig wurde ein Wellenan-satz von LYRA 1940 und QUENEY 1948 ange-wandt, um eine Gebirgsüberströmung zu beschrei-ben. Das leeseitige Absinken kann als Reaktion ei-ner erzwungenen Auslenkung von Luft aus demGleichgewichtszustand durch ein Hindernis erklärtwerden (Abb.1-5). Somit wird dieser Vorgang auchals erzwungenes leeseitiges Absteigen bezeichnet.

• Wasserfalltheorie nach ROSSMANN 1950. Hierwird angenommen, dass die Luft in der Föhnmauerkälter ist (eine höhere Dichte aufweist) als die wei-ter leeseitige Luft und somit eine Abwärtsbeschleu-nigung erklärt (Abb. 1-6).

• Solenoidtheorie nach FREY 1944. Hierbei wird an-genommen, dass sich im Gebirgsraum ein isobar-isentropes Solenoidfeld aufbaut, das nach dem Zir-kulationsgesetz eine beschleunigte Strömung inGang setzt. In der gezeigten Abbildung wäre dieZirkulationsbeschleunigung allerdings genau ge-genläufig zur Föhnströmung. FREY zeigt, dass derTemperaturgradient über den Alpen und im un-mittelbaren Lee umgekehrt zur Abb. 1-7 auftritt,analog Abb. 1-5, was zum richtigen Vorzeichen derZirkulationsbeschleunigung führt.

• Hydraulische Theorie des Föhns nach SCHWEI-ZER 1953. Analog einer flachen Wasserströmungüber ein Wehr hat Schweizer die niedertroposphäri-sche Föhnströmung in ihrem leeseitigen Verhaltenals schießende Strömung mit der Möglichkeit eineshydraulischen Sprungs interpretiert (Abb. 1-8).

Die größer werdende Bedeutung der korrekten Re-präsentation der Gebirge in numerischen Wetterprog-nosemodellen brachte es mit sich, dass während desinternationalen meteorologischen Alpinen Experi-ments 1982 (s. promet 3-4/1991 und 1/1992) der alpineFöhn wieder als ein Forschungsschwerpunkt aufgegrif-fen wurde. Leider trat während der Feldphase vonALPEX kein einziger brauchbarer Föhnfall auf. Aller-dings wurden kurz nach Ende der Feldphase mit be-achtlichem Erfolg mehrere exemplarische Südföhnfäl-le mit zusätzlichem Instrumentarium untersucht. Da-bei wurde klar, dass die alpine Föhnströmung nicht al-lein als Überströmung des Massivs sondern auch inForm einer „Durchströmung“ besteht. Zahlreiche Päs-se im Alpenmassiv lassen die Höhe des Hauptkammsmit einer beträchtlichen feinskaligen Varianz erschei-nen (Abb. 1-9).

Die rasante Entwicklung der numerischen Modellie-rung der Atmosphäre einerseits und die Verfügbarkeitvon neuartigen in situ und Fernerkundungsmethodenzur dreidimensionalen Erfassung des hochaufgelöstenMassen- und Windfeldes gaben der Föhnforschung imRahmen von MAP erneut eine Chance zur Beantwor-tung einer Reihe noch offener Fragen:

R. Steinacker: Alpiner Föhn

Abb. 1-5: Schematische Darstellung von Leewellen beim Über-strömen eines Gebirges. Die durchgezogenen Linienrepräsentieren Isentropen.

Abb. 1-6: Schematische Abbildung der Wasserfalltheorie nachROSSMANN (1950).

Abb. 1-7: Schematische Abbildung zur Solenoidtheorie.

Abb. 1-8: Schematische Darstellung des Föhns als schießendehydraulische Strömung mit hydraulischem Sprung.

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a) Welche Rolle spielt die turbulente Erosion der bo-dennahen Kaltluft beim Föhndurchbruch?

b) Lässt sich die bodennahe Föhnströmung mit der hy-draulischen Theorie (Flachwassergleichungen) hin-reichend beschreiben?

c) Was ist die Rolle der Passfurchen („gaps“) quer zumAlpenkamm?

d) Was ist die Rolle der Strömung in den Seitentälernbei Föhn?

e) Warum ist die bodennahe Föhnströmung so insta-tionär, warum gibt es Föhnpausen?

f) Wie organisiert sich die Föhnströmung bei signifi-kanten Änderungen der Talrichtung oder bei Tal-verzweigungen („flow splitting“)?

g) Wie gut sind die heutigen operationellen numeri-schen Prognosemodelle bzw. experimentelle hochauflösende Modelle in der Lage, das lokale Föhn-verhalten zu prognostizieren?

Anhand von ausgewählten Ergebnissen soll im näch-sten Abschnitt auf diese Fragen eingegangen werden.

3 Ausgewählte Ergebnisse derFöhnstudien im Rheintalwährend MAP

Die Fragestellungen zum gap-flowwurden hauptsächlich im BereichWipptal-Innsbruck durchgeführt,da dort die topographischen Ge-gebenheiten hinreichend einfachgestaltet sind. Im Rheintal wurden– bedingt durch die komplexeTopographie – zahlreiche zusätzli-che Messplattformen installiert.Neben einem Boden-Meso-Netzoperierten bis zu 9 zusätzliche Ra-diosondenstationen mit zum Teildreistündigen Messintervallen.Mehrere SODAR und Windpro-fileranlagen sowie im Bereich des„Flow-splittings“ bei Sargans einDoppler-LIDAR, Fesselsonden,Szintillometermessungen, ein ver-tikal gerichtetes Raman LIDAR,mobile Messplattformen und

nicht zuletzt Flugzeugmessungen erlaubten die Gewin-nung eines Datensatzes, der sowohl qualitativ als auchquantitativ noch nie auch nur annähernd für die Föhn-forschung zur Verfügung stand.

Um die Rolle der turbulenten Erosion (Frage a) zuuntersuchen, wurden im Bereich des Kaltluftsees imnördlichen breiten Alpenrheintal südlich vom Boden-see neben den Radiosonden und Fesselballonen einRASS-System betrieben, Flugzeugprofile mit einemMotorsegler durchgeführt sowie numerische Modell-rechnungen mit ultra hoher Auflösung erstellt.Abb. 1-10 zeigt einen Vergleich eines Föhndurch-bruchs, beobachtet mittels RASS und dem Ergebnisder Simulation mit dem MESO-NH Modell mit 625 mhorizontaler Auflösung. Der Vergleich zeigt eineaußerordentlich gute Übereinstimmung beim Föhn-durchbruch und selbst für die kurze Föhnpause. Aller-dings ist dieses Ergebnis nur dadurch so perfekt, weilder Kaltluftsee in der Anfangsbedingung bei der Mo-dellierung realistisch vorhanden ist, was bei Verwen-

R. Steinacker: Alpiner Föhn

Abstand in km

Höh

e in

m N

N

Abb. 1-9: Höhen-Profil längs des Alpenhauptkamms von denSeealpen (links) bis nach Wien (rechts). Die dickeLinie ist der tiefpassgefilterte Verlauf. Die Abkür-zungen geben markante Pässe an: CL: Col de Lar-che, CM: Col de Montgenevre, CE: Col de l’Echelle,MC: Mont Cenis, PB: Kleiner St. Bernhard, GB: Gro-ßer St. Berhard, SI: Simplon, G: St. Gotthard, L: Luk-manier, SB: San Berardino, M: Maloja, RS: Reschen-pass, B: Brennerpass, R: Radstätter Tauern, H: HoherTauernpass, S: Schoberpass. Markante Eintiefungensind das Rheintalfenster (RW), das Engadiner Fen-ster (EW) und die Brennersenke (BG).

Abb. 1-10: Vergleich von Messungen (oben) mit Ergebnissen des SimulationsmodellsMESO-NH (unten) für die potentielle Temperatur (links) und die Südwind-Komponente (rechts) vom 5. November 1999 00 UTC bis 6. November 12 UTC.Dargestellt sind die Bereiche zwischen Boden und 1500 m über Grund (nachVOGT und JAUBERT 2004).

Potentielle Temperatur in K S-Wind in m/s

Höh

e in

km

Höh

e in

km

Höh

e in

km

Höh

e in

km

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dung allein des konventionellen Beobachtungsnetzesunmöglich gewesen wäre.

Bei diesem und anderen Fällen zeigt sich sehr deutlich,dass zwar die turbulente Erosion effektiv ist, jedochadvektive Prozesse im Kaltluftsee dominieren. Somitist es äußerst wichtig, die Dynamik der leeseitigenKaltluftseen mit in die Betrachtung einzubeziehen.

Die Frage b) wurde schwerpunktmäßig im Wipptaluntersucht (vgl. MAYR und GOHM; Kapitel 2 in die-sem Heft). Auch im Rheintal zeigt sich typischerweiseeine signifikante thermische Schichtung, die zwischender Strömung im Tal und der Strömung in der darüberbefindlichen unteren Troposphäre unterscheiden lässt.Der Beginn einer Föhnepisode zeichnet sich durch ei-ne relativ flache im Tal kanalisierte Strömung (seichterFöhn) aus, die erst später in der Höhe eine Korrespon-denz findet. Speziell der seichte Föhn lässt sich in denGrundzügen mit der hydraulischen Theorie hinrei-chend genau beschreiben. Selbst das unterschiedlicheVerhalten bezüglich der Massenaufteilung beim „flow-splitting“ scheint durch diesen Ansatz erklärbar.(DROBINSKI et al. 2001).

Passfurchen (Frage c) erlauben der relativ kühlen luv-seitigen Luft bei Föhn ein Durchströmen in RichtungLee. Da das Rheintal zahlreiche Passübergänge auf-weist, führt dies durch die beständige bodennahe Kalt-luftadvektion zu relativ niedrigen (potentiellen) Tem-peraturen im oberen Alpenrheintal. Außerdem prägendie einzelnen Passübergänge die sehr spezifischeräumliche Verteilung der Föhnstriche.

Neben den Seitentälern vom Alpenhauptkamm inRichtung Haupttal, die als Lieferanten für luvseitigeLuft dienen, wurde beim Subprogramm FORM auchein weit leeseitig gelegenes Seitental näher untersucht(Frage d). Das Brandner Tal in Vorarlberg ist eines derbekanntesten Föhntäler mit der Besonderheit, dass derlang gezogene Hauptort Brand vom Föhn sehr unter-schiedlich betroffen ist. Während der Südteil (Inner-brand) bei Südföhn üblicherweise von heftigem Windbetroffen ist, ist im wenige km nördlich gelegenenOrtsteil Ausserbrand davon nichts zu spüren. DieUntersuchung des Verlaufes des horizontalen Druck-gradienten längs der Talsohle erbrachte bei Föhn prak-tisch immer ein ausgeprägtes Minimum bei Innerbrand(Abb. 1-11). Eine vergleichende Modellsimulation mitMESO-NH zeigt genau an dieser Stelle eine ausge-prägte Leewelle, mit der eine entsprechende Störungim Druck- und Windfeld einhergeht. Der Föhnsturm inInnerbrand läuft weiter nördlich gegen das Druckge-fälle an, wodurch sich auf kurze Distanz eine drasti-sche Abbremsung der Luft ergibt.

Die starke zeitliche Variabilität der Föhnströmung imRheintal (Frage e) kann dadurch erklärt werden, dassdie Strömung im Tal mit ihrem hydraulischen Charak-ter sensitiv auf geringfügige Veränderung der Stabi-

lität/Geschwindigkeit mit einer Verschiebung von Wel-len/hydraulischen Sprüngen reagiert. Die mehrfachenRichtungsänderungen des Rheintals führen weiter zuraschen Änderungen der Dicke der relativ kühlen(seichten) Föhnluft, die über die Passsenken ins Rhein-tal gelangt ist. Schließlich führt das obere Wellenregimezu einer Modulation des bodennahen Druckfeldes mitentsprechender Auswirkung auf das Windfeld.

Durch das im Rheintal während MAP installierte Me-so-Netz konnte das komplexe Druckfeld analysiert(Abb. 1-12) und mit Modellsimulationen verglichenwerden (Abb. 1-13). Das Druckbild bei Föhn(Abb. 1-12) spiegelt grob die Dickenverteilung der re-lativ kühlen (seichten) Föhnluft wieder. Dem Vorder-rheintal folgend nimmt der Druck (die Dicke) bis Churab, um vor dem Knick des Tales nach West ein sekun-däres Druckpolster (D) aufzuweisen. Dieses Druck-

R. Steinacker: Alpiner Föhn

Höh

e in

km

m

Ver

tikal

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in m

/s

Höh

e in

m

Abb. 1-11: Markante Leewelle im N-S Profil über dem Vorarl-berger Brandnertal nach einer Modellsimulation mitdem MESO-NH Modell. Gezeigt ist das Vertikalbe-wegungsfeld in m/s (oben, rechte Skala). Auf der Ab-szisse ist die Distanz in m vom südlichsten Punkt desAusschnitts, auf der Ordinate ist die Höhe in m überdem Meer angegeben. Die rote Kurve (unten) zeigtden horizontalen Druckverlauf längs der von Südennach Norden abfallenden Talsohle ausgedrückt als re-lative geopotentielle Höhe einer Druckfläche bezo-gen auf einen Referenzpunkt. Dieser Druckverlaufwurde durch die stückweise Zusammensetzung vonauf die jeweils mittlere Höhe der Talsohle reduziertenDruckdifferenzen zweier Nachbarstationen erzeugt(nach STEINACKER et al. 2003).

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 20068

polster, das auch vom Innsbrucker Föhn bekannt ist(VERGEINER et al. 1982) ist notwendig, um die Strö-mung nach Westen umzulenken (Frage f). Er ist übri-gens auch verantwortlich dafür, dass der Föhn im Prät-tigau (P) nicht in Erscheinung tritt. Des Weiteren dürf-te dieses Druckpolster auch die Überströmung des Rä-tikons (R) mit der sekundären Föhnwelle im BrandnerTal (B) begünstigen. Der Vergleich mit einer hochauf-lösenden Simulation mit dem MM5-Modell (ZÄNGLet al. 2004) zeigt, dass das Druckfeld insgesamt rechtgut getroffen wird. In Details, wie einem quer zum Talliegendem Druckgefälle im Rheintal bei Liechtenstein(L), das auch eine erhebliche Querkomponente derFöhnströmung in diesem Gebiet bewirkt (Abb. 1-13),sind jedoch Unterschiede feststellbar.

Bei der Beurteilung der Qualität der heute operatio-nellen mesoskaligen Prognosemodelle (Frage g) ist zuberücksichtigen, dass selbst die horizontale Auflösungvon knapp 10 km bei weitem nicht ausreicht, alle De-tails und lokalen Eigenheiten des Föhns zu wiederzu-spiegeln. Erst ab einer Maschenweite von rund 1 km istdie Topographie hinreichend aufgelöst, um realistischeDetails zu zeigen. Die Erhöhung der räumlichen Auf-lösung ist jedoch nicht das einzige Kriterium, um dielokale Föhnprognose in Zukunft erfolgreich modellba-siert in den Griff zu bekommen. Das Ergebnis ist in ho-hem Maß abhängig von der Qualität der Anfangsbe-dingung, vor allem der richtigen Inkorporation der lee-seitigen Kaltluftseen. Des Weiteren ist die korrekteWiedergabe des komplexen instationären dreidimen-sionalen oberen Wellenregimes mit der Möglichkeitvon brechenden Wellen und seine Auswirkung auf diebodennahe Föhnströmung essentiell. In der Skala derWellenbewegung bei Föhn ist auch die adäquate Aus-wertung von Daten sehr wichtig. Werden z. B. Radio-sondierungen konventionell als Vertikalprofil interpre-tiert, so kann sich das Bild deutlich von dem unter-scheiden, welches sich unter Berücksichtigung der Bal-londrift ergibt (Abb.1-14).

4 Synthese und Ausblick

Betrachtet man die vielen frühen Beiträge zur Föhn-theorie, die in Abschnitt 2 dargestellt sind, so kann manim Lichte des heutigen Wissens eine Wertung versu-chen. Die turbulente Erosion der bodennahen Kaltluftist ein durchaus relevanter Prozess beim Durchbruchdes Föhns, tritt allerdings gegenüber advektiven Pro-zessen im Kaltluftsee in den Hintergrund. Die hori-zontale Aspirationstheorie ist in vielen Fällen für denAufbau eines Temperatur- und damit auch Druckgefäl-les zwischen beiden Seiten des Gebirges verantwort-lich. Allerdings kann auch ein inverser Prozess, näm-lich das Aufstauen von luvseitiger Luft für eben den-selben Effekt verantwortlich sein. Die Leewellentheo-rie ist für die bodennahe Föhnströmung nur in Aus-nahmefällen als Erklärung zutreffend. Hier muss einGebirgszug in passender Ausdehnung vorhanden sein,

R. Steinacker: Alpiner Föhn

Abb. 1-12: Druckfeld in 550 m NN am 24. 10. 1999, 13 UTC,Isobaren im 0,5 hPa Abstand und Windpfeile. DasRaster der untergelegten Topographie entspricht demAnalyseraster von etwa 2 km. Die Schattierung gibtdie mittlere Höhe der Gitterzellen an. Die hellsteGraustufe entspricht einer Höhe von unter 600 m, diedunkelste von über 2600 m (nach CHIMANI 2002).

Abb. 1-13: Differenz zwischen analysiertem Druck in 550 m NNund simuliertem Druck mittels MM5-Modell am24.10.1999 um 13 UTC. Die Farbabstufung wechseltin 0,5 hPa-Stufen (gelb: Modell 1-2 hPa höher als Be-obachtung, grün-blau: Modell 1-2 hPa tiefer als Be-obachtung; nach ZÄNGL et al. 2004).

geogr. Länge

geog

r.B

reite

geogr. Länge

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wie dies z. B. im Brandnertal der Fall ist. Hingegen istin den alpinen Föhntälern die hydraulische Theoriemeist gut in der Lage, die Wesenszüge der Föhnströ-mung zu beschreiben. Die Wasserfalltheorie mag gele-gentlich ganz lokal bei zyklonalem Föhn mit Übergrei-fen des Niederschlags ins Lee einen Zusatzeffekt aus-machen, als isolierte Föhntheorie ist sie aber sichernicht zutreffend. Schließlich ist zur Solenoidtheorie zubemerken, dass dieser Ansatz, der sich bei thermischdirekt getriebenen Zirkulationen wie dem Talwind alsErklärung sehr bewährt, bei dynamischen Windsyste-men zu keiner kausalen Erklärung führt. Ist das Sole-noidfeld Ursache oder Folge der Föhnströmung?

Abschließend stellt sich die Frage, ob denn überhauptneue und wesentliche Erkenntnisse durch die Föhnfor-schung im Rahmen von MAP erzielt wurden. Dies

kann in zweierlei Hinsicht bejaht werden: erstenskonnte eindeutig gezeigt werden, dass der Föhn in allseiner räumlich-zeitlichen Komplexität mit hinrei-chend auflösenden Modellen erfolgreich prognosti-ziert werden kann, allerdings nur unter Berücksichti-gung der im vorigem Abschnitt erläuterten Vorausset-zungen. Zweitens konnte durch die dreidimensionaleErfassung des Massen- und Windfeldes sowohl imWipp- als auch im Rheintal die hydraulische Natur desFöhns in den unteren Schichten (seichter Föhn) klarbelegt werden. Hydraulisch kann sich aber nur ein ver-gleichsweise dichteres Fluid (kältere Luft) verhalten,das leeseitig oder jenseits einer Engstelle der Schwerefolgend nach unten strebt. Somit ist die Definition vonFöhn als „warmer leeseitiger Wind“ oder gar „warmerFallwind“ falsch oder zumindest irreführend. Meteoro-logisch korrekt handelt es sich beim Föhn um nichtsanderes als eine Bora, die eine vorher vorhandene,noch kältere Luft (Kaltluftsee) im Tal ersetzt, alsostreng genommen um eine „maskierte Bora“(Abb. 1-15). Diese kann natürlich auch wie die klassi-sche Bora, wo die Adria die Bildung eines Kaltluftseesverhindert, vom Wellenregime in den oberen Luft-schichten moduliert werden bzw. mit diesem in Wech-selwirkung treten. Auch wenn die alpine Bevölkerungwohl kaum – oder lediglich zu Karnevalszeiten – bereitsein dürfte, den Föhn in Hinkunft als „maskierte Bora“zu benennen, so sollte zumindest in der meteorologi-schen Fachliteratur eine korrekte Darstellung diesesfaszinierenden dynamisch-thermodynamischen Pro-zesses geboten werden.

Bietet die Föhnforschung auch in Zukunft noch einwissenschaftliches Betätigungsfeld? Beträchtliche Wis-senslücken bestehen einerseits in der Kenntnis derkleinräumigen Föhnverteilung im Alpenraum. Bisherfokussieren die relevanten Arbeiten lediglich auf weni-ge ausgewählte Föhntäler, eine flächendeckendeKenntnis dieses klimarelevanten Phänomens stehtnoch aus. Dasselbe gilt für die Erforschung vonFöhn/Boraerscheinungen in anderen Gebirgszügender Welt. Ein weiteres großes Betätigungsfeld gilt denWellenerscheinungen im Zusammenhang mit Föhn.Die von Segelfliegern geschätzten laminaren Wellenund von der Zivilluftfahrt gefürchteten Rotoren undbrechenden Wellen mit schwerer Turbulenz sind bisher

R. Steinacker: Alpiner Föhn

Abb. 1-15: Schematisches Bild einer Föhnströmung in einemvon Pässen durchsetzten Gebirge.

Höh

e in

m N

NH

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in m

NN

Entfernung von Masein nordwärts in km

Entfernung von Masein nordwärts in km

Abb. 1-14: Vergleich einer Querschnittsanalyse der potentiellenTemperatur im Rheintal bei Föhn ohne (oben) undmit (unten) Berücksichtigung der Ballondrift (nachTSCHANNETT 2003).

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200610 R. Steinacker: Alpiner Föhn

weder diagnostisch noch prognostisch hinreichend er-fasst. Vielleicht bleibt dies noch längere Zeit eine derNischen, wo sich die Natur nur schwer in die Kartenblicken lässt.

Danksagung

Für die finanzielle Unterstützung von FORM sei andieser Stelle den nationalen und internationalen För-derinstitutionen gedankt, in Österreich dem Fonds zurFörderung der wissenschaftlichen Forschung im Rah-men des Projekts P-12488-TEC. Ferner sei allen Mit-gliedern der FORM Working Group aus der Schweiz,Frankreich, Deutschland und Österreich für die lang-jährige fruchtbringende wissenschaftliche Kooperationgedankt.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 11-17 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1. Einleitung

Gebirgsketten sind selten glatte Rücken. Einschnitteunterschiedlicher Tiefen durchfurchen sie. Dadurchkann Luft von einer Seite auf die andere strömen, oh-ne den Umweg über den Gebirgskamm oder um dasGebirge herum nehmen zu müssen. Die Strömungwird dabei stark von den topographischen Details derGebirgslücken beeinflusst. Es kann zu asymmetrischenStrömungen kommen, mit einer langsam fließendenrelativ dickeren Schicht im Luv, die im Lee beschleu-nigt und dabei dünner wird. Vielerorts weisen dieseStrömungen Charakteristika von Föhn auf, wobei wirhier den Föhn entsprechend der WMO-Definition(WMO 1992) als starken böigen Wind bezeichnen, derdurch das Herabsteigen im Lee eines Gebirges er-wärmt und relativ ausgetrocknet wird. Dadurch ändertsich der Wasserdampfgehalt nicht, aber durch die Tem-peraturerwärmung sinkt die relative Feuchte.

Als Beispiel für die Durchfurchung der Alpen dientein Schnitt entlang des Hauptkamms zwischen Nord-und Südtirol (Abb. 2-1). Die Brennersenke besteht auseinem etwa 20 km breiten Einschnitt in etwa 2,1 kmMeereshöhe und einem engeren und tieferen (bis1,4 km Meereshöhe) Einschnitt, durch den nur wenigerals 10 % an Masse strömt. Das Wipptal, eine berühmteFöhnregion nördlich des Brenners, macht im unterenDrittel eine Kurve um etwa 20° und endet im querver-laufenden Inntal am etwa 2,2 km hohen Gebirgszugder Nordkette (vgl.Abb. 2-4). Zusätzlich münden meh-rere Seitentäler ein.

Auch andere bekannte alpine Föhngebiete wie dasReuss- und Rheintal liegen stromabwärts von Gebirgs-einschnitten. Die Schneisen mit starker Bora am Fuß

der Dinarischen Alpen liegen ebenso stromabwärts ei-nes Einschnitts (z. B. der Ort Senj im Lee des VratnikPasses) wie die Orte mit starken Windstürmen am Ost-abhang der Sierra Nevada, die in den 50er JahrenSchauplatz des Sierra Wave Projekts waren und wojetzt wieder eine Feldmesskampagne durchgeführt wird(vgl. DÖRNBRACK et al.; Kapitel 3 in diesem Heft).

Im Folgenden beschränken wir uns auf die meteorolo-gisch interessanteren asymmetrischen Strömungen mitrelativ hohen Windgeschwindigkeiten stromabwärtsvon Einschnitten. Diese Einschnitte können einen Ka-nal bilden, der nur seitliche Verengungen hat, dessen

Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte

Fast flows through mountain gaps

G. J. MAYR, A. GOHM

2

ZusammenfassungGebirgseinschnitte ermöglichen Luft den direkten Weg von einer Seite eines Gebirges auf die andere. Häufigtreten dabei hohe Windgeschwindigkeiten im Lee auf. Die Dynamik dieser kleinräumigen Strömungen wird miteinem einfachen Konzeptmodell erklärt und anhand von Messungen entlang der Brennersenke illustriert. Diesynoptischen Voraussetzungen für das Auftreten solcher Winde und daraus resultierende Möglichkeiten der sub-jektiven und objektiven Vorhersage werden beschrieben.

AbstractInstead of having to go around or over a mountain range, gaps and passes provide the direct route for air to flowfrom one side to the other. Frequently strong winds are observed downstream of these gaps. A conceptualmodel explains the dynamics of these small-scale gap flows. Measurements along the Brenner Pass in the centralAlps exemplify a gap flow. The necessary larger-scale conditions for such gap winds to occur along with ensuingpossibilities for forecasting them both subjectively and objectively are described.

Abb. 2-1: Alpenhauptkamm zwischen Nord- und Südtirol mitden deutlich sichtbaren Einschnitten. Der tiefste istdie als Doppeleinschnitt ausgeformte Brennersenke.Zwei Beispiele aus der Feldmessphase des Mesoska-ligen Alpinen Programms (MAP) zeigen die strom-aufwärtige Obergrenze einer reinen Einschnittströ-mung (20. Oktober 1999) bzw. einen Fall, wo die Strö-mung durch die Einschnitte und über den Haupt-kamm ging (21. Oktober 1999).

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200612

Boden also horizontal verläuft, einen gleichmäßig brei-ten Kanal, der in ein Gebirge eingeschnitten ist unddaher von unten her eine vertikale Verengung erfährt,oder (der häufigste Fall) eine Kombination aus seit-licher und vertikaler Verengung mit einem Gebirgs-pass an der engsten und höchsten Stelle. Im Gegensatzzu den Strömungen über Hindernisse gibt es relativwenige Untersuchungen zu Strömungen durch Ge-birgseinschnitte. PAN und SMITH (1999) geben eineZusammenfassung der Studien vor dem Mesoscale Al-pine Programme (MAP), bei dem ein Schwerpunkt ge-nau solche Strömungen durch Einschnitte waren(MAYR et al. 2004). Eines der beiden Föhngebiete, indem intensiv gemessen und numerisch simuliert wur-de, ist die Brennersenke in den Zentralalpen. Beispie-le in diesem Artikel stammen aus diesen MAP-Unter-suchungen.

2. Strömungsdetails

Strömt Luft auf ein Gebirge zu, hängt das Verhalten inerster Näherung von einer Kombination aus statischerStabilität (ausgedrückt über die Brunt-Väisälä Fre-quenz N), Gebirgshöhe H und Windgeschwindigkeit(quer zum Gebirge) U in der Form einer dimensions-losen Gebirgshöhe HN/U ab (z. B. SCHÄR 2002). Fürniedrige Werte, d. h. niedrige Gebirge, geringe Stabi-lität und/oder hohe Windgeschwindigkeit wird die Luftüber das Gebirge strömen, für hohe dimensionsloseGebirgshöhen um das Gebirge herum. Dabei könnenim Lee, stromabwärts der Gebirgsflanken, Wirbel mitvertikaler Achse entstehen. Ein Einschnitt hat eineniedrigere Höhe als der Gebirgskamm. Es wird alsoauch bei einer Situation, wo es für das Gebirge alsGanzes gesehen zu einer Umströmung kommt, durch-aus möglich sein, dass die Luft über den Einschnitt unddamit „durch“ das Gebirge fließt.

2.1 Hydraulisches Konzeptmodell

Konzeptmodelle für Gebirgsströmungen beruhen tra-ditionell auf den linearisierten Strömungsgleichungen.Schwerewellen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sieentstehen, wenn das Gebirge die Luft vertikal aus-lenkt. Ist die Atmosphäre stabil geschichtet, unter-scheidet sich die Dichte des ausgelenkten Luftpaketsvon seiner neuen Umgebung und es wird zurück zurAusgangshöhe gelenkt. Gleichzeitig mit dieser Vertika-loszillation transportiert der Umgebungswind dasLuftpaket auch horizontal weiter.

Wegen der Seichtheit der Einschnittströmung und demAuftreten von abrupten Übergangszonen („Sprünge“)bietet sich hingegen die Flachwasserapproximation(„hydraulische Theorie“) zum konzeptionellen Ver-ständnis an, siehe dazu auch Kapitel 1, Seite 5 sowieAbb. 1-8. An diesen Sprüngen geht die Geschwindig-keit abrupt und turbulent zurück und die Vertikalaus-

dehnung der Einschnittströmung nimmt zu. Vorausset-zung für die Anwendbarkeit der hydraulischen Theorieist, dass die Horizontalausdehnung der Strömung vielgrößer als deren Vertikalausdehnung ist und dass jedeSchicht von der darüber liegenden durch eine Stufeder potentiellen Temperatur (z. B. durch eine Inver-sion) getrennt ist.

Die hydraulische Theorie ist ein integraler, nichtlinea-rer Ansatz. Die Atmosphäre wird in der Vertikalen injeweils homogene inkompressible Schichten (mit kon-stanter potentieller Temperatur) geteilt, die voneinan-der durch stabile Grenzflächen (Zunahme der poten-tiellen Temperatur) getrennt sind. Die Vereinfachungliegt also darin, dass über die Vertikale pro Schicht nurein integraler Mittelwert genommen wird. Was imGegensatz zum linearisierten Schwerewellenansatzbeibehalten wird, sind die nichtlinearen Terme, die beiden Einschnittströmungen eine zentrale Rolle spielen.Auch die integrale Auswirkung der Turbulenz in denSprüngen ist enthalten. Entlang der Grenzflächen zwi-schen den Schichten breiten sich interne Schwerewel-len mit einer Phasengeschwindigkeit von

(1)

in alle Richtungen aus. Je größer die Schichtdicke h,desto schneller die Welle; ebenso je stärker der poten-tielle Temperatursprung ∆� am Oberrand der Schicht(g ist die Schwerebeschleunigung). Diese Schwerewel-len werden hauptsächlich durch Unebenheiten im Ge-lände ausgelöst, die eine Verformung der Schicht be-wirken. Ist die Phasengeschwindigkeit größer als dieStrömungsgeschwindigkeit der Schicht („unterkri-tisch“), kann sich die Schwerewelle auch stromauf-wärts ausbreiten und die Strömung von der weiterstromabwärts liegenden Störung „informieren“. Isthingegen die Strömungsgeschwindigkeit größer als diePhasengeschwindigkeit („überkritisch“), kann sich kei-ne Störungsinformation mehr stromaufwärts ausbrei-ten. Wird eine unterkritische Strömung überkritischund somit schneller, so muss aus Massenerhaltungs-gründen die Schicht dünner werden. Die Stelle, wo diePhasengeschwindigkeit gleich der Strömungsge-schwindigkeit ist, liegt im Gebirge meist an Rückenoder Pässen. Diese Stelle kontrolliert die Strömung,d. h. sie bestimmt die Menge an durchströmender Mas-se für eine gegebene Schichtdicke am Kontrollpunkt.Weiterhin kann gezeigt werden, dass die Strömungüber dem Pass (Kontrollpunkt) nur etwa 2/3 so dick istwie weiter stromaufwärts. Am Boden fällt der Druckzufolge der Schichtdickenverringerung leicht.

Ein Beispiel für den Brennereinschnitt möge das illus-trieren. Bei seichtem (Süd)föhn findet man typischer-weise eine Inversion auf der Alpensüdseite in Kamm-niveau: als Beispiel in der Höhe von 2700 m NN undmit einem potentiellen Temperaturunterschied überdie Dicke der Inversion (= Grenzschicht) von 3 K. Am

0Θ∆Θ= hgc

G. Mayr, A. Gohm: Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 13

Kontrollpunkt Brennereinschnitt mit einer Höhe von2100 m NN liegt die Inversion dann in 2100 m + 2/3(2700–2100) m = 2500 m NN. Da die Geschwindigkeitdort gleich der Phasengeschwindigkeit sein muss, kön-nen wir Gl. (1) mit h=600 m und ∆�=3 K, �0= 300 K be-nutzen und erhalten für die Geschwindigkeit am Bren-nerkamm knapp 8 m/s.

Schießt die Strömung überkritisch leeseitig des Ein-schnitts hinunter, beschleunigt sie weiter und wird dün-ner. Der reduzierte Bodendruck entlang der Strömungwird geringer. Ein Übergang zurück in einen unterkri-tischen Zustand erfolgt abrupt und turbulent in einem„hydraulischen Sprung“, wodurch die Strömung wiederdicker und langsamer wird. Wo der Sprung liegt, hängtab von der Luftmasse im Lee, den topographischen Ei-genheiten und Details der Strömung selbst. Das Kon-zept des hydraulischen Sprungs kommt aus der Fluid-dynamik. Das Analogon dazu in einer stabil geschichte-ten Atmosphäre möchten wir im weiteren als „Atmo-sphärensprung“ bezeichnen, mit den Identifikations-merkmalen einer abrupten Verdickung und Verlangsa-mung der Schicht, eines Anstiegs des reduzierten Bo-dendrucks, von Turbulenz und (bei ausreichenderFeuchte) Wolkenbänken, die sich vor allem an derUnterseite und der stromaufwärtigen Seite rasch än-dern.

BeispielDie hydraulische Theorie kann selbst beim Verständniseiner komplexen Strömungssituation helfen. Messun-gen eines Forschungsflugzeugs, von Radiosonden andrei Standorten, eines instrumentierten Autos, einesDoppler-Sodars und mehrerer automatische Wetter-stationen sind in Abb. 2-2 zu einem Querschnitt ent-lang der Wipptalachse vereint. Die stromaufwärtigeLuft unterhalb der Höhe des breiten Einschnittsströmt nicht auf die andere Seite. Die Luft darübersteigt ins Lee hinab: etwa 5 km stromabwärts des Pas-ses erreicht Luft vom oberen Einschnitt erstmals denTalboden. Die Automessungen zeigen, dass die poten-tielle Temperatur innerhalb eines Kilometers um nahe-zu 3 K steigt. Durch das Absinken löst sich die Strato-cumulusbewölkung auf. Vom Lee zum Luv hin schau-end ist eine „Föhnmauer“ sichtbar.

Die stabile Grenzfläche zwischen der Einschnittströ-mung und der darüber liegenden Atmosphäre sinktnach Norden hin ab. Dieses generelle Absinken wirdmoduliert von mehreren abrupten Anstiegen der Isen-tropen, die immer mit Variationen der lokalen Topo-graphie zusammenhängen (vgl. die fett ausgezogenemittlere Topographie): die Strömung schießt einen Rü-cken hinunter und springt dann wieder in einen lang-sameren, vertikal ausgedehnteren Zustand zurück.

Der reduzierte Bodendruck(Abb. 2-2c) ist konstant bis etwa5 km stromaufwärts vom Ein-schnitt. Wie die Grenzfläche undim Einklang mit der generellenBeschleunigung und dem Seichter-werden der Strömung fällt auchder reduzierte Bodendruck biszum Inntal hin. Darüber moduliertgibt es leichte Druckanstiege imBereich der Atmosphärensprünge,z. B. bei km 7-8 und 16.

Bei der Interpretation vonAbb. 2-2 muss man berücksichti-gen, dass die Strömung auch querzum Tal variiert und dass die Flug-zeug- und Radiosondenmessun-gen, aus denen der Vertikalschnitthauptsächlich konstruiert wurde,nicht immer direkt über der Auto-messung (Abb. 2-2b und 2-2c)liegt. Nicht jeder Sprung im Verti-kalschnitt ist daher an genau dergleichen Stelle in der Bodenmes-sung auffindbar – und umgekehrt.Änderungen in der seitlich be-grenzenden Topographie modifi-zieren die Strömung ebenso wieÄnderungen des Unterrandes undkönnen gleichfalls Sprünge (auchin der Talmitte) verursachen.

G. Mayr, A. Gohm: Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte

Abb. 2-2: (a) Vertikalschnitt entlang des tiefsten Teils der Brennersenke mit Isentropen(ausgezogen in 2 K Abstand), Nordkomponente des Horizontalwindes (schat-tiert; siehe Balken und 2,5 m/s Isotache strichliert, Höhe der Autobahn (fettstrichliert), Föhnmauer (weiße Wellenlinie) und der mittleren Topographieüber die Wipptalbreite (fett ausgezogen). (b) Potentieller Temperaturverlaufaus der Automessung entlang der Autobahn und (c) der reduzierte Druck.

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Vor dem quer zum Wipptal verlaufenden Ge-birgszug der Nordkette tritt noch ein weitererAtmosphärensprung auf; der Bodendrucksteigt zum Fuß der Nordkette hin wiederleicht an.

Dieser allgemeine Druckfall stromabwärtsvom Einschnitt mit den kleinräumigen Mo-dulationen durch Atmosphärensprünge trittbei allen schnellen Einschnittströmungen aufund taucht daher auch im Mittel in längerenMessreihen (Abb. 2-3a und 2-3b) auf. DerSprung unmittelbar stromabwärts des Bren-nereinschnitts findet sich bei seichtem Föhn(Strömung nur durch die Einschnitte) undhochreichendem Föhn (Strömung auch überden Gebirgshauptkamm), ebenso wie derSprung ungefähr in der Mitte des Wipptals.Der Betrag des Druckfalls ist bei hochrei-chendem Föhn größer, da die Luft weiter(und aus größeren) Höhen herabsteigt.

Das hydraulische Konzept scheint das Wesent-liche der Strömung zu erfassen: numerische Si-mulationen mit einem hydraulischen Modellmit einer homogenen fließenden Schicht(Abb. 2-3c und 2-3d) zeigen einen qualitativähnlichen Verlauf wie die Bodendruckbeob-achtungen. Dabei ist die Änderung der Ober-grenze der fließenden Schicht im Modell pro-portional dem reduzierten Bodendruck.

Die hydraulischen Simulationen machenauch nochmals deutlich, wie sehr Topo-graphiedetails die Strömung bestimmen(Abb. 2-4). Die Strömung wird an vielen Lee-hängen der seitlich in das Wipptal hineinra-genden Rücken überkritisch, d. h. dünner undviel schneller. Und das für die unterschied-lichsten Dicken und Geschwindigkeiten derSchicht im Luv (und Lee). Je hochreichenderdie Luft über den Hauptkamm kommt, andesto größeren Bereichen der Leehänge desHauptkamms und der seitliche ins Tal mün-denden Rücken kommt es zu überkritischerStrömung. Bevor das Gelände wieder an-steigt bzw. enger wird, geht die Strömung ineinem Atmosphärensprung zurück in denlangsameren und dickeren unterkritischenZustand.

Die Lage der Sprünge in den Simulationenwird von Wolkenbeobachtungen bestätigt.Wenn die Luft abrupt wieder nach oben aus-gelenkt wird, erreicht sie bei typischen Feuch-teverhältnissen im Wipptal das Hebungskon-densationsniveau. Besonders an der Wolken-basis und der stromaufwärtigen Wolkenseitewird die Turbulenz sichtbar durch Wolkenele-mente, die sich rasch verändern.

2.2 Auswirkungen von Reibung, Turbulenz undStrömungsablösung

Bodenreibung wirkt auf Einschnittströmungen nichtnur von unten, sondern auch von den rauen seitlichenBegrenzungen her. Die dadurch erzeugten turbulenten

G. Mayr, A. Gohm: Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte

Abb. 2-3: Mittlerer Verlauf des reduzierten Drucks, gemessen an automati-schen Wetterstationen entlang der Brennersenke während MAPfür (a) seichten Föhn (=reine Einschnittströmung) und (b) hoch-reichenden Föhn (Einschnittströmung und Strömung über denHauptkamm); (c) und (d) enthalten die entsprechenden Ergeb-nisse von numerischen Simulationen der Höhenänderung der flie-ßenden Schicht in einem einschichtigen Flachwassermodell. Diestrichlierten Balken überdecken eine Standardabweichung (ausGOHM und MAYR 2004).

Abb. 2-4: Häufigkeit, mit der die Strömung in einer Vielzahl von numeri-schen Simulationen mit unterschiedlichen Anfangsbedingungenvon (a) seichtem und (b) hochreichenden Föhn in einem ein-schichtigen Flachwassermodell überkritisch wurde. Isolinien derHäufigkeit: 25 %, 50 % und 75 %. Gebiete, in denen die Strömungin mindestens 50 % aller Fälle überkritisch war, sind punktiert. DieOrte Innsbruck (I) und Brenner (B) sind markiert (aus GOHMund MAYR 2004).

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Grenzschichten in Verbindung mit der Seichtheit derStrömung beeinflussen diese durch die Verringerungder kinetischen Energie wesentlich. Entlang der seit-lichen Ränder wird Vorticity von entgegengesetztemVorzeichen erzeugt: zyklonale am (stromabwärtsschauend) linken und antizyklonale am rechten Rand.Man erhält Streifen von potentieller Vorticity, derenMagnitude um ein Vielfaches höher ist als in der Stra-tosphäre und durchaus 50 PVU erreichen kann. Nichtnur die Grenzschicht, sondern auch die Atmosphären-sprünge sind turbulent und Quellgebiete von poten-tieller Vorticity.

Reibung spielt auch eine Rolle, wenn die Stromliniennicht mehr dem Gelände zu folgen vermögen und sichvon diesem lösen („Strömungsablösung“). Schießt eineStrömung überkritisch einen (steilen) Hang hinunter,liegt außerhalb dieser schießenden Schicht auf gleich-er Höhe etwas weiter stromabwärts (potentiell) kälte-re Luft mit höherem Druck. Die daraus entstehendeDruckgradientkraft trägt zur Strömungsablösung bei.Je stärker die Reibung, desto weiter oben am Hang löstsich die Strömung ab. Ein weiterer Faktor ist die imLee in Bodennähe liegende Luftmasse. Ist sie sehr kalt,z. B. durch nächtliche Auskühlung, so wird sich dieschießende Strömung auch vom Hang lösen und darü-ber hinweggleiten.

Durch Strömungsablösung ist es am Talboden oft ru-hig, während etwas oberhalb der Föhn bläst. Abb. 2-5zeigt ein Beispiel am Ostrand des Wipptals (mit höhe-rer Topographie als über Talmitte) bei der Einmün-dung ins quergelegenen Inntal. Die Daten stammenvon einem flugzeuggetragenen Aerosollidar. Die Ein-schnittströmung (rot) hat im Gegensatz zur darüberliegenden Luft (blau) einen deutlich höheren Aerosol-gehalt. Die zuerst relativ dicke und langsame Strö-mung beschleunigt schon etwas vor dem Berggipfel(PAK) so stark, dass sie nur mehr wenige hundert Me-ter dünn den Leehang hinunter schießt und bei etwa9 km sich mit einem Atmosphärensprung vom Hangablöst. Die hohe Turbulenz im Sprung mischt darüberliegende Luft ein (gelbe und grüne Falschfarben). DieLuft mit dem hohen Aerosolgehalt im Inntal (IBK) istFöhnluft aus dem Wipptal, die an der Nordkette (NK)abgelenkt wurde.

2.3 Grenzen des Hydraulikkonzepts

Für eine exakte Anwendbarkeit des hydraulischenKonzepts muss die fließende Schicht homogen sein,d. h. neutral geschichtet sein und nur einen Dichte-bzw. potentiellen Temperaturwert aufweisen und vonder benachbarten Schicht durch eine Dichte“stufe“ ge-trennt sein. Das Fehlen dieser „Stufe“ in der potentiel-len Temperatur ist die häufigste Ursache, wieso dasHydraulikkonzept nicht angewandt werden kann, weildann keine Entkoppelung zur darüber liegenden At-mosphäre gegeben ist. Dass eine Einschnittströmung

in den seltensten Fällen neutral, sondern kontinuier-lich stabil geschichtet ist, beeinträchtigt die Anwend-barkeit des Hydraulikkonzepts weniger.

Für Strömungen, die in der Vertikalen nicht weit überden Gebirgskamm reichen, also hauptsächlich auf dieEinschnitte beschränkt sind, funktioniert die hydrauli-sche Theorie gut. Ein Beispiel dafür ist der seichteFöhn. Fließt Luft bis weit oberhalb des Gebirgskammsüber das Hindernis wie beim hochreichenden Föhn, istdie hydraulische Theorie auch wegen des Fehlens derstabilen Stufe am Oberrand nur mehr bedingt an-wendbar und als Konzeptmodell eignet sich die linea-risierte Schwerewellentheorie besser.

3 Vorhersage

In den Alpen, aber auch in anderen Gebirgszügen sindGebirgseinschnitte meist besiedelt. In Verbindung mitihrem häufigen Auftreten stellen schnelle Strömungendurch Einschnitte eine kleinräumige Vorhersage-herausforderung dar. Im Wipptal zum Beispiel gab eswährend der 70tägigen Feldmesskampagne von MAPim Herbst 1999 an manchen Orten bis zu etwa 1/3 derZeit Föhn (= schnelle Einschnittströmungen). Für denMeteorologen ist es wichtig zu erkennen, wann die Be-dingungen für eine Einschnittströmung gegeben sind.Die konkrete Beschreibung erfolgt zwar für die Bren-nersenke, lässt sich aber leicht an den jeweiligen Ein-schnitt in den Alpen bzw. anderen Gebirgszügen an-passen.

G. Mayr, A. Gohm: Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte

Entfernung in km

Relative Rückstreuung(in dB bei 532 nm)

Breite/Länge in Grad

See

höhe

in k

m

Abb. 2-5: Vertikalschnitt der Rückstreuintensität entlang desöstlichen Wipptalrandes vom 20.10.1999, 13:50 - 13:53UTC, gemessen von einem flugzeuggestützten Aero-sollidar. Die Strömung läuft dabei von links nachrechts. Rot: Einschnittströmung mit hohem Aerosol-gehalt, blau: darüber liegenden Atmosphäre. Der wei-ße Balken kommt daher, dass dort der Laserstrahlvon einer Wolke blockiert wurde. Weitere Einzelhei-ten im Text (aus GOHM und MAYR 2004).

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200616

3.1 Zeitliche Entwicklung der Einschnittströmung

Wie kommt es eigentlich zu einer schnellen Strömungdurch einen Einschnitt? Einmal, wenn zwei verschie-dene Luftmassen auf beiden Seiten des Gebirges lie-gen, so dass hydrostatisch bedingt ein Druckunter-schied entsteht bzw. die Isentropen auf der einen Seiteeinen Kaltluftdom bilden und auf der anderen eineWarmluft„schüssel“. Ein Druckgradient ist auch dannvorhanden, wenn die synoptische (geostrophische)Strömung parallel zum Gebirge weht (im Fall derBrennersenke also aus Westen kommt). Da das Gebir-ge aber diese geostrophische Strömung modifiziert,kann je nach Gebirgsform und Lage des Einschnitts,der mesokalige Druckgradient ganz anders ausschau-en (ZÄNGL 2002). Und natürlich kommt es zu einerEinschnittströmung bei einer Anströmung auf das Ge-birge in Richtung des Einschnitts.

Die typische synoptische Abfolge für die Strömungdurch die Brennersenke ist, dass zuerst eine Kaltfrontvom Norden der Alpen über und um diese herum aufdie Südseite gelangt, so dass auf der Nord- und Südsei-te Kaltluft liegt. Um den nachfolgenden Keil herumund auf der Vorderseite des nächsten Troges wird (re-lativ) warme Luft an der Westseite der Alpen vorbeinach Nordosten geführt, während auf der Südseite (inder Poebene) immer noch die Kaltluft liegt. Derhydrostatisch bedingte Druckunterschied reicht aus,um eine Strömung durch die Brennersenke in Gang zusetzen, während oberhalb des Alpenhauptkamms dieStrömung noch nicht auf Süd, sondern ungefähr paral-lel zu den Alpen weht. Dieses Stadium wird als „seich-ter Föhn“ bezeichnet, wie Abb. 2-1 für das Beispiel des20. Oktobers 1999 zeigt. Erst wenn sich der Trog weiterannähert, reicht die Queranströmung über den Kammbis in größere Höhen und die Luft fließt nicht mehrnur durch die Alpenpässe, sondern auch über denHauptkamm nach Norden: „hochreichender“ Föhn(vgl. 21. Oktober in Abb. 2-1).

3.2 Objektive Vorhersage

Örtliche, mit dem Phänomen vertraute Meteorologenliefern gute subjektive Vorhersagen. Eine objektiveVorhersage ist schwieriger, weil für globale Vorhersa-gemodelle ein Einschnitt wie die Brennersenke sub-skalig ist. Dabei ist zu bedenken, dass selbst in Regio-nalmodellen (typische Maschenweite 10 km) die Topo-graphie nur unzureichend aufgelöst ist. In der Modell-topographie gibt es oft nicht einmal eine Andeutungeines solchen Einschnitts. Die direkte Verwendung desModellwindes vom nächstgelegenen Gitterpunkt mussalso nicht aussagekräftig sein (und ist öfters so gar ent-gegen gerichtet). Die objektive Vorhersage könnteklassisch über Model Output Statistics (MOS) ge-macht werden. Ein reizvoller alternativer Weg ist, sichdie zugrunde liegenden Mechanismen zunutze zu ma-chen: Die Asymmetrie der Strömung (dick und lang-

sam im Luv, schnell und dünner im Lee) bedeutet, dassdie Isentropen in der (Föhn)schicht absteigen und dasshoher Druck im Luv und niedrigerer im Lee herrscht.Durch die Berechnung bedingter Häufigkeitsvertei-lung des Druckunterschiedes zwischen den beiden Sei-ten des Modellgebirges und des Absinkens der Isen-tropen vom Modellhauptkamm zum ersten leeseitigenGitterpunkt bei Föhn für einen mehrjährigen Daten-satz können nun probabilistische Föhnvorhersagen(Abb. 2-6) für das Wipptal gemacht werden (DRECH-SEL und MAYR 2005). Bei einem Druckunterschiedvon über 3 hPa zum Beispiel ist eine Einschnittströ-mung sehr wahrscheinlich. Aber auch bei geringerenDruckdifferenzen kann eine Einschnittströmung vor-hergesagt werden, wenn die Isentropen im Modell ent-sprechend stark absinken. Durch die bedingten Häu-figkeiten ist der Meteorologe imstande nicht nur eineJa/Nein-Aussage zu machen, sondern eine Eintritts-wahrscheinlichkeit anzugeben.

Für eine direkte Vorhersage der Einschnittströmungenmuss sich noch die horizontale und vertikale Auflö-sung der operationellen Vorhersagemodelle verfeinernund Parameterisierungen und die Initialisierung mussverbessert werden. Forschungsmodelle wie z. B. MM5mit Gittermaschenweiten unter 1 km waren in Kombi-nation mit den Feldmessdaten essentiell zum Ver-ständnis von Einschnittströmungen (z. B. ZÄNGL2003, GOHM et al. 2004). Die Beobachtungen wäh-rend MAP waren detailliert genug, um zu zeigen, dasssolch feinskalige Simulationen viele Details korrektwiedergeben, aber nicht perfekt sind. Nicht gut erfasstwurde die Inversion, welche die Föhnströmung nach

G. Mayr, A. Gohm: Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte

Abb. 2-6: Bedingte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten vonFöhn am Wipptalboden aus einer 48stündigen Vor-hersage des ECMWF T511 Modells in Abhängigkeitvon der Differenz des reduzierten Drucks zwischendem jeweils ersten Gitterpunkt südlich und nördlichdes Modellhauptkamms und der potentiellen Tempe-raturänderung entlang einer etwa 300 m über demModellgebirge gelegenen Modellfläche vom Haupt-kamm bis zum ersten nördlichen Gitterpunkt. Die ho-rizontale Maschenweite ist etwa 40 km.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 17G. Mayr, A. Gohm: Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte

oben hin begrenzt. Das ist wahrscheinlich eine Frageder korrekten mesoskaligen Anfangsbedingungen.Weiterhin braucht es verbesserte Turbulenzparamete-risierungen, die berücksichtigen, dass turbulente Rei-bung in einem Einschnitt auch auch durch die begren-zenden Hänge verursacht wird.

Literatur

DRECHSEL, S., G. J. MAYR, 2005: Objective forecasting offoehn for a subgrid-scale Alpine valley. Submitted to Weatherand Forecasting.

GOHM, A., G. J. MAYR, 2004: Hydraulic aspects of foehn windsin an Alpine valley. Quart. J. R. Meteorol. Soc. 130, 449-480.

GOHM, A., G. ZÄNGL, G. J. MAYR, 2004: South foehn in theWipp valley on 24 October 1999 (MAP IOP 10): Verificationof high-resolution numerical simulations with observations.Mon. Wea. Rev. 132, 78-102.

MAYR, G. J., L. ARMI, S. ARNOLD, R. M. BANTA, L. S. DAR-BY, D. R. DURRAN, C. FLAMANT, S. GABERSEK, A.GOHM, R. MAYR, S. MOBBS, L. B. NANCE, I. VERGEI-NER, J. VERGEINER, C. D. WHITEMAN, 2004: Gap flowmeasurements during the Mesoscale Alpine Programme. Me-teorol. Atmos. Phys. 86, 99-119.

PAN, F., R. B. SMITH, 1999: Gap winds and wakes: SAR Ob-servations and numerical simulations. J. Atmos. Sci. 56, 905-923.

SCHÄR, C., 2002: Mesoscale mountains and the larger-scaleatmospheric dynamics: A review. In: R. P. Pearce (Hrsg.), Me-teorology at the Millenium, Academic Press, San Diego, 29-42.

WMO, 1992: International meteorological vocabulary, 2nd edi-tion, WMO-Pub. 182, Genf, 784 S.

ZÄNGL, G., 2002: Stratified flow over a mountain with a gap: Li-near theory and numerical simulations. Quart. J. R. Meteorol.Soc. 128, 927-949.

ZÄNGL, G., 2003: Deep and shallow south foehn in the regionof Innsbruck: Typical features and semi-idelized numerical si-mulations. Meteorol. Atmos. Phys. 83, 237-262.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 18-24 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

18

1 Einleitung

Im Frühjahr 2006 wird in und über der Sierra Nevada(USA) das Terrain-Induced Rotor Experiment(T-REX) stattfinden. Diese Feldkampagne wird bo-dengebundene Messsysteme und Forschungsflugzeugezusammenführen, um die Struktur von Rotoren imLee der Sierra Nevada und die durch die Gebirgsüber-strömung angeregten Schwerewellen, deren Instabi-litäten und das Wellenbrechen bis hinein in die Strato-sphäre zu untersuchen. Der Ort im Owens Valley unddie Jahreszeit von T-REX sind identisch mit den in den50er Jahren des vorigen Jahrhunderts durchgeführtenSierra Wave Project und dem Mountain-Wave Jet Stre-am Project (GRUBIŠI und LEWIS 2004). Dieser Ar-tikel versucht, die heutigen wissenschaftlichen Frage-stellungen von T-REX aus den Ergebnissen vergange-ner Kampagnen und aktueller Anforderungen zu er-klären und dabei die Höhepunkte der Rotorforschungder vergangenen Jahrzehnte aufzuzeigen. Zuerst ein-mal gehen wir der Frage nach:

2 Was sind Rotoren?

Rotoren sind Wirbel mit horizontalen Rotationsachsenparallel zu einem Gebirgskamm, die sich in der unte-ren Atmosphäre bei der Überströmung im Lee vonGebirgen bilden. Rotoren, auch Wirbelwalzen ge-nannt, entwickeln sich nur, wenn die Anströmge-schwindigkeit senkrecht zum Hindernis hinreichendgroß ist. Die Struktur und Entwicklung von Rotorensind sowohl mit den über ihnen liegenden Leewellenals auch mit turbulenten Ablöseprozessen in derGrenzschicht verbunden.

Eine erste anschauliche Schilderung dieses gekoppel-ten Systems Welle-Rotor findet man in dem Buch „Die

hohe Schule des Segelfluges“ (Verlag Klasing & Co.,Berlin 1933), aufgeschrieben von W. HIRTH nach demSegelflug, der zur Entdeckung der Leewellen und derRotoren unter der Moazagotl-Wolke am Riesengebir-ge (Abb. 3-1) führte:„Als nach einer halben Stunde die Vorbereitungen beendet waren,folgte der aufregendste Schleppstart meines Lebens. Durch eineaußerordentlich verwirbelte Luft ging es in niedriger Höhe überBaumwipfel, Hochspannungsleitungen und Schornsteine. Kaumhatten wir uns 50 m erkämpft, warf uns eine Bö wieder auf 20 mherab. Die Motormaschine vor mir tanzte wie ein wildgewordenesPferd. Wohl zehnmal war ich nahe daran, die Verbindung zu lö-sen. Aber ein schwerer Sturz der Motormaschine, durch das her-abhängende Seil verursacht, hätte die Folge sein können. Alsohieß es die Zähne zusammenbeißen und aushalten. Endlich, nachfünf schweren Minuten, waren 100 m Höhe gewonnen. Nun folg-te eine Periode schnellen Steigens bis in 800 m Höhe ... Die Unru-he der Luft war auch in dieser Höhe außerordentlich, aber nichtmehr so gefährlich wie in der Nähe des Bodens.“

Wellen und Rotoren

Waves and rotors

A. DÖRNBRACK, R. HEISE, J. P. KUETTNER

3

ZusammenfassungDie Strömung über Gebirgskämme regt regelmäßig Wellenbewegungen über dem Gebirge und in seinem Leean, deren Kämme bei geeigneten Feuchtigkeitsverhältnissen durch stationäre Lenticularis-Wolken markiertsind. In Bodennähe können sich dabei auch Rotorströmungen mit einer horizontalen Achse parallel zum Ge-birgskamm ausbilden. Dieser Beitrag skizziert Meilensteine der Vermessung und numerischen Simulation dieserfür die Fliegerei sehr relevanten Phänomene aus einem Zeitraum von nicht weniger als 70 Jahren.

AbstractFlow across mountain ridges regularly induces wave motions above the mountains and on their lee side, thecrests of which are marked by lenticular clouds in suitable moisture conditions. Near the ground rotor flowsaround a horizontal axis parallel to the ridge are also possible. This contribution collects milestones for themeasurement and numerical simulations of these phenomena with direct relevance for aviation from a period ofno less than 70 years.

Abb. 3-1: Das Moazagotl des Riesengebirges, fotografiert am11. Dezember 1936. Blick von Grunau nach Südender Strömung entgegen (zur Orientierung sieheAbb. 3-8). Die mehrfache Schichtung und die lamina-re Wellenstruktur der Lenticularis-Wolke sind er-kennbar; darunter die Föhnmauer und die in der Wir-belwalze durch starke Turbulenz zerrissenen Cumulifracti (aus KÜTTNER 1938).

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Diese Schilderung legt eine ausgeprägte vertikaleZweiteilung der Atmosphäre nahe: eine bodennahe,turbulente Grenzschicht und darüber eine ruhigere, oftlaminare Schicht, in der Wellenflüge möglich sind. Ba-sierend auf zahlreichen Beobachtungen und theoreti-schen Untersuchungen wissen wir, dass das Auftretendieser Leewellen im wesentlichen durch zwei atmo-sphärische Parameter bestimmt wird: die thermischeSchichtung der Atmosphäre, charakterisiert durch dieBRUNT-VÄISÄLÄ Frequenz N (N2=g/�0 d�0/dz, mitder potentiellen Temperatur �0), und die horizontaleWindgeschwindigkeit U0, wobei der Index „0“ einenungestörten Zustand stromauf eines Hindernisseskennzeichnen soll.

Basierend auf der linearen Wellentheorie einer homo-gen Anströmung (konstantes N und U0) kleiner Bergeleiteten QUENEY (auf der f-Ebene) und LYRA (fürdie nichtrotierende Atmosphäre) in den 30er und 40erJahren des 20. Jahrhunderts Bedingungen ab, unter de-nen sich Wellen vertikal in die Atmosphäre ausbreitenkönnen (GILL 1982). Für die nicht-rotierende Atmo-sphäre muss die Bedingung k< (k=2π/λx ist die hori-zontale Wellenzahl des Hindernisses und ≈N/U0 istder SCORER-Parameter) erfüllt sein; nur unter diesenBedingungen erlauben die linearisierten Bewegungs-gleichungen vertikal propagierende Wellen (sieheauch: SMITH 1979). Schreibt man diese Bedingungk< (d. h. breitere Hindernisse, oder alternativ größereStabilität und geringere Windgeschwindigkeit) in derForm U0k<N auf, wird physikalisch sofort deutlich,dass propagierende Wellen vor allem bei starker stabi-ler Schichtung auftreten.

Löst ein Bodenhindernis bei stationärer AnströmungSchwerewellen aus, die in einer bodennahen Schichtdurch Totalreflexion gefangen werden, können hori-zontal mehrere Wellenzüge auftreten. Wegen ihrer Po-sition im Lee des Hindernisses werden diese als Lee-wellen bezeichnet. SCORER (1949) berechnete als er-ster Bedingungen für das Auftreten von Leewellen fürvertikal veränderliche Profile U0(z) und N(z). Für eineAtmosphäre, bestehend aus zwei übereinanderliegen-den Schichten mit jeweils konstanten SCORER-Para-metern U und O, leitete SCORER folgende Bedin-gung für das Auftreten von Leewellen ab: 2

U - 2O >

π2/4H2, wobei H die Dicke der unteren Schicht ist. Ne-ben dem Vorhandensein eines starken Horizontalwin-des ist das Auftreten von Leewellen also vor allem miteiner Veränderung der Dichteschichtung als Funktionder Höhe verbunden, was sich in der Abnahme desSCORER-Parameters (z) mit der Höhe widerspie-gelt.

Die zweidimensionale Überströmung eines breitenHügels wird für diese idealisierte Situation in Abb. 3-2dargestellt. Die Muster der Isentropen (Linien kon-stanter potentieller Temperatur �) lassen auf Leewel-len und Rotoren schließen. Die Rechnungen wurdenmit dem anelastischen, nichthydrostatischen Modell

EULAG durchgeführt (GRABOWSKI und SMO-LARKIEWICZ 2002).Wie man sich leicht überzeugenkann, sind für diese Rechnungen SCORER’s Bedin-gung gut erfüllt, und es bilden sich Wellen im Lee desHindernisses aus. Rotoren (charakterisiert durch diesich überschlagenden Isentropen – „reversed flow“ –in Bodennähe) entstehen jedoch nur, wenn die Simula-tionen mit innerer Reibung und einer Haftbedingungam Boden durchgeführt werden. Besonders eindrucks-voll ist zu erkennen, dass die reibungsbehaftete Strö-mung eine turbulente atmosphärische Grenzschichtausbildet, in der man vielleicht ähnliche Auf- und Ab-bewegungen erleben könnte, wie die von W. HIRTHgeschilderten.

In der Natur hängt die Entwicklung und Stärke vonRotoren u. a. sehr stark von der Bodenbeschaffenheitab. DOYLE and DURRAN (2002) untersuchten sys-tematisch die Stärke (charakterisiert durch den Betragder horizontalen Rückströmung) simulierter Rotorenfür variierende Impuls- und Wärmeflüsse am Boden.Die Stärke und Mächtigkeit des Rotors nimmt mit zu-nehmenden Impulsfluss (proportional der Oberflä-chenrauigkeit) ab, wohingegen eine Erhöhung des

A. Dörnbrack et al.: Wellen und Rotoren

Entfernung in km

Höh

e in

km

Entfernung in km

Höh

e in

km

(a)

(b)

Abb. 3-2: Potentielle Temperatur (∆�=1 K) nach 2 h Integra-tionszeit für eine idealisierte, trockene 2D-Simulationder Überströmung eines 600 m hohen Berges ohne(a) und mit (b) innerer Reibung. Die ungestörten An-fangsbedingungen U0 und �0 sind für beide Rechnun-gen identisch. Die thermische Schichtung ist durchschichtweise konstante Werte der BRUNT-VÄISÄ-LÄ Frequenz gegeben: NU=0,025 s-1 für z < H=3 kmund NO=0,01 s-1 darüber; der Horizontalwind U0 be-trägt 25 m/s für alle Höhen ab 600 m über Grund,darunter fällt U0 linear auf 0 m/s bis zum Boden ab.Die räumliche Auflösung beträgt ∆z=20 m und∆x=200 m; der Zeitschritt ist ∆t=0,5 s.

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Wärmeflusses zwar die vertikale Erstreckung des Ro-tors ausdehnt, aber deutlich die horizontale Rückströ-mung verringert (Abb. 3-3).

Aber auch andere Faktoren beeinflussen die vertikaleErstreckung von Rotoren. Basierend auf realitätsna-hen Anströmprofilen aus dem Sierra Wave Project ha-ben HERTENSTEIN und KUETTNER (2005) mittelsidealisierter 2D numerischer Simulationen herausge-funden, dass die vertikale Scherung des Horizontal-windes in einer Inversionsschicht bestimmt, ob sichRotoren ausbilden, die über die Höhe des Hindernis-ses hinausschießen oder unter der Gipfelhöhe bleiben(Abb. 3-4).

Numerische Simulationen von Rotoren sind sehr auf-wendig, da man die turbulenten Ablöseprozesse amBoden räumlich auflösen muss und die hohen Windge-schwindigkeiten durch das COURANT-FRIEDRICH-LEVY Kriterium einen kleinen Zeitschritt erzwingen.Eigene numerische Experimente während der Vorbe-reitung dieses Artikels zeigten zudem, dass die nume-rischen Lösungen sehr sensitiv auf minimale Änderun-gen in den ungestörten Anfangsbedingungen U0 und�0 reagieren; dies lässt die Vorhersage der Position,Stärke und Höhe von Rotoren zu einer großen He-rausforderung werden.

Bei passenden Feuchteverhältnissen weist die Anwe-senheit von flachen Altocumuli lenticulares am Himmelauf Wellen und Rotoren hin. Diese Wolken mit demglatten, abgerundeten oberen Rand und der konkavenWolkenbasis sind quasi-stationäre Erscheinungen imLee des Gebirges. Die Wolkenpartikel bilden sich kon-tinuierlich an der meist glatten Einströmkante und dieTröpfchen oder Eiskristalle verdampfen an der stromabgelegenen Seite. Unterhalb dieser Wolken beobachtetman aber auch häufig Cumuli fracti, die durch die star-ken Turbulenzen zerrissen werden (siehe Abb. 3-1).Abb. 3-5 zeigt ein Beispiel von zusammenhängendenWellenwolken, aufgenommen nach dem Durchgang ei-ner Kaltfront auf dem Flugplatz von Bilbao. Was es mitdiesem Foto auf sich hat, beschreiben wir im nächstenAbschnitt, der die Frage zu beantworten sucht:

A. Dörnbrack et al.: Wellen und Rotoren

Oberflächenrauigkeit z0 in m

Abstand in km

Abstand in km

Rot

orst

ärke

in m

/sH

öhe

in m

Höh

e in

m

Bodenwärmefluss in W/m2R

otor

mäc

htig

keit

in m

Rot

orst

ärke

in m

/s

Rot

orm

ächt

igke

it in

m

Abb. 3-3: Abhängigkeit der Rotorstärke(in m/s – durchgezogene Linie)und -mächtigkeit (in m – gestri-chelte Linie) als Funktion derOberflächenrauigkeit z0 und desWärmeflusses am Boden. DieErgebnisse stammen aus ideali-sierten 2D numerischen Simula-tionen von DOYLE und DUR-RAN (2002) mit ähnlicher Kon-figuration wie unsere Simulatio-nen in Abb. 3-2.

Abb. 3-4: Stromlinien aus einer idealisierten 2D-Simulation vonHERTENSTEIN und KUETTNER (2005), die dieHöhe von Rotoren in Abhängigkeit der vertikalenWindscherung dU0/dz in der Inversionsschicht zwi-schen 4,2 und 4,8 km zeigen. Oben: dU0/dz=10-2 s-1, un-ten: dU0/dz=0. Der Gipfel des Hindernisses liegt beix=0 in einer Höhe von 4000 m.

Abb. 3-5: Wellenwolken am 27. 10. 2004 um 10:30 UTC am Flughafen von Bilbao, Spanien, aufgenommen von Lufthansa-Pilot Schramme.Der Landeanflug der B737 erfolgte direkt durch die Rotorlinie und war durch extreme Turbulenz gekennzeichnet (siehe Text S. 21).

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3 Welche Auswirkungen hat das System Welle-Rotor auf die Luftfahrt?

In der kommerziellen und allgemeinen Luftfahrt sinddie Turbulenzen durch Rotoren und brechende Lee-wellen grundsätzlich bekannt; in der Ausbildung vonPiloten werden Rotoren jedoch nur kurz in der RubrikGebirgsmeteorologie erwähnt. Allerdings lassen zahl-reiche Unfallberichte darauf schließen, dass das Auf-treten und die Auswirkungen von Rotoren auf Luft-fahrzeuge häufig unterschätzt werden. Erfahrungenaktiver Piloten, Ausbilder und Vorhersager für denLuftverkehr unterscheiden folgende Konsequenzendes Systems Welle-Rotor für die kommerzielle, die all-gemeine und die militärische Luftfahrt:

Vertikal nach oben propagierende Wellen können imoberen Luftraum (in großer Höhe über dem auslösen-den orographischen Hindernis) brechen (s. Abb. 3-6).Brechende Leewellen werden im fliegerischen Sprach-gebrauch der Clear Air Turbulence (CAT) gleichge-setzt. Ein spektakuläres Beispiel ist die Beschädigungdes Tragflügels und der Verlust eines Triebwerks einerDC-8 Frachtmaschine im Lee der Rocky Mountains(CLARK et al. 2000). Intensive Leewellenaktivitätkann unter Umständen den Überflug hochreichenderGebirge (z. B. Anden, Himalaja) durch extreme Verti-kalwinde (bis zu 20 m/s) und welleninduzierte Turbu-lenzen stark behindern oder sogar unmöglich machen.

Im Bereich zwischen der optimalen Reiseflughöhe unddem höchsten aerodynamisch möglichen Fluglevelverringert sich das „fliegbare“ Geschwindigkeitsbandeines Flugzeuges. Für eine B737 mit 51 t Gewicht liegtin FL370 (37000 ft ≈ 11,1 km) der mögliche Geschwin-digkeitsbereich für den Geradeausflug zwischen 185und 260 kn. Diese „fliegbare“ Spanne von 75 kn(~38 m/s) reduziert sich bei leichten Ausweichmanö-vern (Kurven mit größerer Schräglage) weiter um55 kn auf 20 kn. Bei starken vertikalen Auf- und Ab-winden der Leewellen ist dann ein korrektes Haltender Flughöhe fliegerisch nicht möglich und kann zu

kritischen Flugzuständen führen. Schwach motorisier-te Luftfahrzeuge können eine zugewiesene Flughöhe(eine Notwendigkeit im mittlerweile stark frequentier-ten Luftraum der mittleren Troposphäre) unter Um-ständen überhaupt nicht halten.

Aber auch Turbulenzen in Rotoren können zu extre-mer Beeinflussung des Flugverkehres führen, wie fol-gendes jüngere Beispiel vom Lufthansa-Flug LH 4500von Frankfurt/Main nach Bilbao (Spanien) am27. Oktober 2004 verdeutlicht. Auf der Rückseite einerKaltfront (Abb. 3-7a) herrschte im Anflug der B737auf Bilbao eine straffe Südströmung mit 65–70 kn in3000 ft. Der Sinkflug auf die Landebahn 12 (Ausrich-tung auf 120°) erfolgte im Lee der umliegenden Bergedirekt durch eine Rotorlinie (Abb. 3-7b). Am Bodenwurde ein böiger Südostwind mit einem Mittelwert

A. Dörnbrack et al.: Wellen und Rotoren

Abb. 3-6: Turbulenzgefährdete Gebiete (�) im Lee eines Gebir-ges: in brechenden Wellen in der Höhe und an Rotorenin Bodennähe.

Abb. 3-7a: Hochaufgelöstes METEOSAT 8 Satellitenbild vom27. Oktober 2004 um 1430 UTC. Das Tief „Carolin“lag südwestlich von Irland und die Nord-Süd ausge-richtete Kaltfront über Spanien in der Mitte des Bil-des führte zu einer starken Südströmung im postfron-talen Bereich. Am Unterrand des Bildes erkennt manden nordwestlichen Teil von Afrika (Bildbearbeitungdurch Waldemar Krebs, DLR Oberpfaffenhofen).

Abb. 3-7b: In diesem Ausschnitt von Abb. 3-7a erkennt man inder Nähe von Bilbao streifenförmig angeordneteWolkenwalzen westlich des Cirrusschirmes (inner-halb der gestrichelten Ellipse). Die Wolkenlückendeuten auf welleninduzierte Absinkzonen im Lee deskantabrischen Gebirges hin.

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von 25 kn und Windspitzen bis zu 50 kn beobachtet.Die Schwankungen der Fluggeschwindigkeit der B737betrugen 20 bis 30 kn und die vom Flugkapitän beob-achtete Turbulenz wurde als extrem klassifiziert.

Der Pilot (er nahm das Photo in Abb. 3-5 auf) ist einrotorerfahrener Segelflieger. Er hat in seiner 30-jähri-gen Flugerfahrung diese ungewöhnlich starke Roto-renturbulenz bis zu diesem Ereignis noch nicht erlebt;ein eindrucksvolles Beispiel, dass heute Turbulenz inRotoren eine unmittelbare Gefahr auch für die kom-merzielle Luftfahrt mit großen Maschinen darstellenkann.

Viele Luftfahrzeugbesatzungen meiden im Normalfallbei solchen atmosphärischen Bedingungen exponierteFlughäfen in der Nähe von Gebirgen. Kommt man je-doch ungewarnt in eine solches Gebiet, werden uner-fahrene Piloten vom akustischen „WIND SHEAR“-Hinweis im Cockpit gewarnt und versuchen gemäßFlugbuchanweisung (windshear encounter) in niedri-ger Höhe ein „Durchstarten“ („GO AROUND“).Diese Verfahrensweise ist jedoch bei Bedingungen wiedenen in Bilbao gefährlich, weil dort ein Weiterflug imengen, ansteigenden Tal erfolgen müsste. Bei Ausfalleines Triebwerks ist durch Leistungsverlust und diestarken Abwinde der Rotoren ein Aufprall oder Flug-unfall sehr wahrscheinlich. Nur ein versierter, geschul-ter und rotorerfahrender Pilot ist in der Lage, die Auf-windbereiche der Rotoren zu nutzen und den Leis-tungsverlust des Flugzeugs zu kompensieren und somitdas Risiko zu minimieren.

Neben den direkten Auswirkungen auf das Flugzeugführen auch moderate Turbulenzen zu einer erschwer-ten Ablesbarkeit von Bordinstrumenten und zu erheb-lichen Einschränkungen im Komfort der Passagiere,die manchmal zu schweren Verletzungen von Passagie-ren und Kabinenpersonal führen.

Für die allgemeine Luftfahrt, wo der Betrieb der Luft-fahrzeuge vorwiegend nach Sichtflugregeln erfolgt,gilt: Bei Sonderlande- und kleineren Sportflugplätzenführt die fehlende Kenntnis des Rotorstandortes zukritischen Landeanflügen oder sogar zum Absturz desFluggerätes infolge Strömungsabriss. Für Gleitschirm-und Drachenflieger sowie für Ballonfahrer sind dieTurbulenzen in den Rotoren fliegerisch kaum be-herrschbar. Eine Belastung der Flugzeugzelle vonUltraleicht- und Leichtflugzeugen oberhalb der Zulas-sungsgrenzen kann zu Verlust der Tragflächen undSteuerruder führen.

Im Bereich der militärischen Luftfahrt, insbesondereim Tiefflug, ist bei Hubschraubern die starke vertikaleWindscherung in den Rotoren mit einer hohen mecha-nischen Belastung der Steuerelemente verbunden. EinAbscheren der Aufhängung von Rotorblättern bei be-stimmten Einsatzmustern kann dabei nicht ausge-schlossen werden. Das unkontrollierte Auf- und Ab-

pendeln (oszillierende Nickbewegungen) von Jets immilitärischen Tiefflug unter 1000 ft kann zu Bodenbe-rührungen mit fatalen Folgen führen. Verschiedene Ty-pen von großen Transportflugzeugen verfügen über ei-ne herstellerbedingte Limitierung bei Flügen in mäßi-ger und starker Turbulenz. Eine Flugmission in Regio-nen mit vorhergesagter Turbulenz dieser Stärke istflugausschließend, weil eine Veränderung des Schwer-punktes des Transporters durch nicht ausreichend be-festigten Güter und Fahrzeuge im Frachtraum zumAbsturz führen kann.

Im nächsten Abschnitt wollen wir uns kurz vor Augenführen, wie die wissenschaftliche Erforschung von Ro-toren und Wellen vor siebzig Jahren begann, deswegenein:

4 Historischer Rückblick: Die Entdeckung derLeewelle

Der 17. März 1933 war der Tag der Entdeckung derLeewelle. Über dem Hirschberger Tal in Schlesiensteht die dort wohlbekannte Lenticularis-Wolke, dieman im Volksmund „Moazagotl“ nennt (Abb. 3-1).Trotz des starken Südwindes bewegt sie sich nicht.Wolf Hirth – ein inzwischen weltbekannter Segelflug-pionier – beobachtet sie aufmerksam vom Hirschber-ger Flugplatz (zur geographischen Orientierung, sieheAbb. 3-8). Als er zu der 5 km entfernten Segelflug-schule Grunau, dessen Direktor er ist, hinüberblickt,sieht er ein Segelflugzeug in schier unglaublicher Hö-he über dem Südhang der Schule segeln. Zu dieser Zeitgalt (nach einer Faustregel), dass man im „Hangflug“höchstens die doppelte Hanghöhe erreichen könne, al-so über dem 200 m hohen Südhang höchstens 400 m.Dieses Segelflugzeug mit dem Piloten Hans Deutsch-mann aber flog weit über 1000 m hoch und schien nochweiter zu steigen. Hirth sprang in sein Segelflugzeugund ließ sich vom Hirschberger Flugplatz hoch schlep-pen. An diesem Tag entdeckte er nicht nur die Leewel-len, sondern auch die unter ihnen liegenden Rotoren.Er beschreibt seinen Schleppflug mit den eindrucks-vollen Worten, die wir im Abschnitt 2 zitierten, um denLeser bildlich in das gekoppelte System Welle-Rotoreinzuführen. Die beiden Segelflugzeuge stiegen auf1400 m. Von dieser Höhe konnten sie das 25 km weitersüdlich vorgelagerte, etwas 1500 m hohe Riesengebir-ge klar sehen. Hirth zog die korrekte Schlussfolgerung,dass die Aufwinde nicht durch den kleinen GrunauerHügel, sondern durch das Riesengebirge ausgelöstwurden.

Nach diesem Flug wurde beschlossen, das Stromfeldzwischen Riesengebirge und Grunau auf folgendeWeise zu erforschen: Sollte bei einem zukünftigenSegelflug-Wettbewerb (an dem gewöhnlich 20 bis 30Segelflugzeuge teilnahmen) eine Moazagotl-Wolke er-scheinen, werden alle Piloten verpflichtet, einen Baro-graphen mitzuführen und einen Flugbericht auszufül-

A. Dörnbrack et al.: Wellen und Rotoren

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len, der Vertikal-Bewegungsowie Höhe und Position überGrund registriert. Das Ereig-nis fand nach langem Wartenam 21. Mai 1937 statt. Es lie-ferte – ohne jegliche staatlich-finanzielle Unterstützung, diees damals für solche Zweckenoch nicht gab – ein umfas-sendes Material von 22 Flug-berichten und 66 Flugstundenim Stromfeld.

Die Kompression des Materi-als in einer maßstabsgetreuenAuf- und Seitensicht ohne dieheute übliche graphischenÜberhöhung (Abb. 3-8) zeig-te alternierende Auf- und Ab-windfelder von etwa 8 kmWellenlänge und Vertikalbe-wegungen von durchschnitt-lich 4 bis 5 m/s. Die Wolken-basis des Moazagotl’s lag bei5 bis 6 km Höhe. Damit wardie Wellennatur des Phäno-mens bewiesen. Nun galt es,seinen Höhenbereich zu be-stimmen und insbesondereder Frage nachzugehen, obsich die Wellenstruktur biszur Tropopause erstreckte.Diese Aufgabe nahm sichKÜTTNER selbst vor. Am14. September 1937 segelte erin der vordersten Welle desRiesengebirges auf knapp7000 m Höhe, musste aberden Flug wegen Sauerstoff-Mangels und Kälte abbre-chen. Der mitgeführte Meteorograph registrierte Hö-he, Feuchtigkeit, Aufstieg-Geschwindigkeit und Tem-peratur. In der Gipfelhöhe, die nur 2,5 km unterhalbder Tropopause lag, zeigte die Luft noch etwa 2 m/sAufwind. Damit war angezeigt, dass das Leewellensys-tem sich bis zur Tropopause erstreckt und dass ein ver-hältnismäßig kleines Gebirge von 25 km Länge und1,5 km Höhe die gesamte Troposphäre in Schwingungversetzen kann, wobei das Wellensystem auf einer rol-lenlagerähnlichen Rotorschicht von höchster Turbu-lenz ruht. Diese – der heutige Leser würde sagen: „ex-perimentellen“ – Ergebnisse veranlassten LYRA, ei-nen Schüler Ludwig PRANDTL’s, die erste Theorieder internen Leewellen zu entwickeln.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die phänomenologischeUntersuchung der Rotoren und Wellen durch die le-gendären und wegweisenden Projekte in der SierraNevada fortgeführt; einen guten Ein- und Überblickbekommt man durch den umfassenden Artikel vonGRUBIŠI and LEWIS (2004) und das spannende

Buch von WHELAN (2000). In den meisten der nach-folgenden Feldprogramme (z. B. ALPEX, MAP; vgl.VOLKERT; Kapitel 8 in diesem Heft) standen zwar ge-birgsinduzierte Schwerewellen und deren Brechen mitim Blickpunkt, die Entstehung und Morphologie vonRotoren und deren Wechselwirkung mit den Leewellenwurde jedoch nicht weiter erforscht. Das zeigt sich auchin der recht geringen Anzahl von wissenschaftlichenPublikationen, die sich den Rotoren widmen.

5 Wissenschaftliche Ziele von T-REX

Wie wir in den vorangegangenen Abschnitten gesehenhaben, stellt das gekoppelte System Welle-Rotor nochheute große Herausforderungen sowohl an die nume-rische Modellierung wie auch an eine akkurate Vor-hersage. Die Grunderkenntnisse über Wellen und Ro-toren und ihrer Eigenschaften wurden durch die erstenFlüge im Riesengebirge und bei den Feldmesskampag-nen in der Sierra Nevada gewonnen und dokumen-tiert. MAP führte diese Tradition 1999 fort. Während

A. Dörnbrack et al.: Wellen und Rotoren

Abb. 3-8: Erste dokumentierte dreidimensionale Struktur des gekoppelten Systems Welle-Ro-tor. Die Ergebnisse basieren auf simultan durchgeführten Messungen von 22 Segel-flugzeugen im Lee des Riesengebirges im Mai 1937 (KÜTTNER 1938). Der Quer-schnitt (oben) läuft längs der Strömungsrichtung von SSW (links) nach NNW (rechts)mit einem der Pilotenperspektive entlehnten Höhen-Längen-Verhältnis von 1:1.

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MAP allerdings waren die gemessenen und modellier-ten Wellen noch verwickelter aufgebaut und unmittel-bar beeinflusst durch das viel komplexere Alpenrelief.Die Ausbreitung von gebirgsinduzierten Wellen bishinein in die mittlere Atmosphäre wird in einem dervorangegangenen promet-Hefte illustriert (siehePREUSSE und DÖRNBRACK 2005).

Der regelmäßigere Aufbau der Kämme der Sierra Ne-vada (Quasi-Zweidimensionalität) lässt einfachereWellenstrukturen, Rotoren und Brechungsgebiete imLee entstehen. Dies erlaubt nicht nur eine verbesserteBeobachtung, sondern auch einen genaueren Vergleichder verschiedenen Modellvorhersagen.

Das Ziel von T-REX ist eine umfassende Untersu-chung des gekoppelten Systems Leewelle-Rotor-Grenzschicht. Dazu sollen insbesondere Dynamik undStruktur des Systems Welle-Rotor und ihrer Abhän-gigkeit von den Anströmbedingungen vermessen wer-den. In diesem Experiment möchte man die Entste-hung, interne Struktur und die zeitliche Entwicklungvon Wellen und Rotoren mit den modernsten Messge-räten in der Natur studieren. Neben drei Forschungs-flugzeugen wird es ein umfangreiches Bodennetz ge-ben. Es sollen Doppler-LIDARsysteme zur Ver-messung der Aerosolrückstreuung und vor allem desdreidimensionalen Windfeldes eingesetzt werden.Windprofiler und SODARs ergänzen die bodengebun-denen Fernerkundungsgeräte. Und natürlich wird esein umfangreiches meteorologisches Messnetz ausautomatischen Wetterstationen, Mikrobarographen,Strahlungsmessungen und Flussmessungen geben. DieWind und Temperaturprofile stromauf werden mittelsBallonmessungen bestimmt.

Die modernen und leistungsfähigen Rechner ermög-lichen es heutzutage außerdem, die Rotoren mit hoherräumlicher und zeitlicher Auflösung zu simulieren. In-wiefern das im echtzeitnahen Vorhersagemodus mög-lich sein wird, ist eine der spannenden Fragen des Ex-perimentes T-REX.

6 Ausblick

Neben der wissenschaftlichen Erforschung des Phäno-mens Welle-Rotor bei T-REX und der daraus zu er-wartenden Verbesserung ihrer numerischen Modellie-rung und Vorhersage ist sicherlich die Verbreitung mo-derner Erkenntnisse über die Wellen und Rotoren vonentscheidender Wichtigkeit. Die genaue Kenntnis desStrömungszustandes in der Nähe von Gebirgen ist not-wendig, um Flugunfälle in der allgemeinen und kom-merziellen Luftfahrt zu vermeiden. Die Mountain-Wa-ve Projektgruppe der OSTIV (http://www.mountain-wave-project.de), der erfahrene Sportpiloten undFlugmeteorologen angehören, nutzen Lehrbeispiele

bei ihren Fachvorträgen und Seminaren, um auf dieunmittelbaren Gefahren durch Wellen und Rotorenhinzuweisen. Basierend auf eigenen Erfahrungen emp-fehlen sie Alternativen und verweisen auf ihre routine-mäßig erstellte Turbulenzvorhersagen und die empiri-sche Rotorendatenbank. Die Einordnung und Klassifi-kation der Rotoren leistet somit einen unmittelbarenBeitrag zu Flugsicherheit.

Literatur

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DOYLE, J. D., D. R. DURRAN, 2002: The dynamics of moun-tain-wave induced rotors. J. Atmos. Sci. 59, 186-201.

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GRUBIŠI , V., J. M. LEWIS, 2004: Sierra wave project revisited– 50 years later. Bull. Amer. Meteorol. Soc. 85, 1127-1142.

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WHELAN, R. F., 2000: Exploring the monster. Mountain lee wa-ves: The aerial elevator. Wind Canyon Books, Inc., Niceville,Florida, USA, 196 S.

Internet-Links

Druckversion des Selbstlern-Kurses „Mountain waves anddownslope winds“:

http://meted.ucar.edu/mesoprim/mtnwave/print.htm#1

Mountain-Wave Projekt Gruppe der OSTIV:http://www.mountain-wave-project.de

Das Perlan-Projekt:http://www.firnspiegel.com/perlan/

NRL Mountain Wave Forecast Model:http://uap-www.nrl.navy.mil/dynamics/html/mwfm.html

DLR Aktivitäten im Rahmen von T-REX:http://www.pa.op.dlr.de/arctic/projects.html

T-REX Seite http://www.joss.ucar.edu/trex

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 25-33 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Einleitung

Mittelgebirgsregionen mit Gipfelhöhen bis etwa1500 m stellen neben den Tief-/Flachländern undHochgebirgen eine typische Landschaftsform dar.Trotz vielfältiger Unterschiede bezüglich Gebirgsfor-men, Gipfelhöhen, Landnutzung, Bodeneigenschaftenund makroklimatischer Einflüsse sind auch eine Reihevon Gemeinsamkeiten für Mittelgebirge gegeben. Die-se machen sie zu interessanten Gebieten für meteoro-logische Studien mit dem Ziel einer systematischen Er-weiterung der Kenntnisse über die Wechselwirkungzwischen Landoberflächen und der Atmosphäre, diebislang weitgehend aus Untersuchungen über ausge-dehnten ebenen Flächen stammen. So beeinflusst dieHangneigung und -orientierung in jeweils ähnlicherWeise die Verfügbarkeit solarer Strahlung für Energie-umsetzungen an der Oberfläche. Die damit verbunde-ne differentielle Erwärmung führt zur Ausbildung vonlokalen Hangwindsystemen oder Berg-/Talwindzirku-lationen. Die Geländeform bedingt auch typischeLandnutzungsunterschiede mit Siedlungs- und Indus-trieflächen sowie landwirtschaftlicher Nutzung in tie-feren und flacheren Regionen und Waldbeständen inhöheren Lagen. Daraus ergeben sich systematischunterschiedliche Auswirkungen auf die Verdunstungund den Strahlungshaushalt innerhalb einer Mittelge-birgslandschaft gegenüber dem Flachland oder einerHochgebirgsregion.

Der vertikale Austausch zwischen Erdoberfläche,Grenzschicht und der freien Troposphäre ist eine wich-tige Größe für den Wasserkreislauf, für das Regional-klima sowie für die Umverteilung von Spurenstoffen.In klimatologischen Niederschlagsverteilungen zeich-nen sich alle Mittelgebirge markant ab. Niederschlags-radar- und Blitzortungsdaten zeigen, dass hochreichen-de Konvektion bevorzugt über Mittelgebirgen ausge-löst wird. Die damit einhergehenden Ereignisse wieSturm, Hagel und Blitze mit entsprechenden Folgenfür Menschen und Sachwerte unterstreichen die Be-deutung der Konvektion über Mittelgebirgen. An Ber-gen induzierte konvektive Niederschläge machen dengrößten Teil des Sommerniederschlags aus und könnenlokal signifikant zur Auslösung von Hochwasser bei-tragen. Hochreichende Konvektionssysteme könnenauch einen sehr effektiven vertikalen Austausch vonSpurenstoffen innerhalb der Troposphäre verursachen.Ein entlastender Einfluss hinsichtlich der bodennahenSchadstoffkonzentration kommt dem vertikalen Aus-tausch in der atmosphärischen Grenzschicht zu.

Die Prozesse, die in Mittelgebirgsregionen einen verti-kalen Austausch bewirken, lassen sich grob in zwei Ka-tegorien unterteilen. Der dynamische Austausch stehtin enger Beziehung zur Strömungsmodifikation durchdie Orografie, bei der Auftriebseffekte nur modifizie-rend einwirken. Demgegenüber wird konvektiver Aus-tausch meist über aufgeheizten Oberflächen durch in-

Vertikaler Austausch über Mittelgebirgen

Vertikal exchange above low mountains

C. KOTTMEIER, F. FIEDLER

4

ZusammenfassungDer vertikale Austausch über Mittelgebirgen wird sowohl durch dynamische als auch thermisch induzierte Pro-zesse verursacht. Die dynamischen Vorgänge bei der Bergüberströmung werden kurz vorgestellt. Der konvekti-ve vertikale Austausch wurde bei zwei ausführlichen Messprogrammen (ESCOMPTE in Südfrankreich im Jahr2001 und VERTIKATOR in Südwestdeutschland im Jahr 2002) untersucht. Von beiden Programmen stehen bo-dennahe Messungen der turbulenten Flüsse sowie aerologische wie auch flugzeuggebundene Messungen zurVerfügung. Der Einfluss des Berglands wirkt sich vor allem durch die intensivere Strahlungserwärmung höhererund exponierter Flächen mit der Folge aus, dass sich (a) sekundäre Windsysteme ausbilden, die zur Auslösungvon Gewitterkonvektion beitragen, und (b) höhere konvektive Grenzschichten entwickeln. Die Modelldarstel-lung der Konvektionsauslösung und des konvektiven Niederschlags erfordert eine Maschenweite, die 3 km nichtüberschreiten sollte.

AbstractThe vertical exchange above low mountains is induced by both dynamical and thermo-dynamical processes. Thedynamical mechanisms acting in flow across mountains are briefly introduced.The convective part of vertical ex-change was studied during two intensive measuring campaigns (ESCOMPTE in southern France in 2001 andVERTIKATOR in south-western Germany in 2002). Near surface measurements of the turbulent fluxes as wellas aerological and airborne data are available from the campaigns. The influence of the mountainous terrain ismainly acting through more intense radiative heating of higher and more exposed surfaces. This leads (a) to theformation of secondary flow systems, which contribute to the generation of thunderstorms, and (b) to anincrease of the boundary layer depth. Realistic simulations of the generation of convection and of convectiveprecipitation requires horizontal grid sizes below 3 km.

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duzierte Auftriebskräfte verursacht. Dieser Austauschentwickelt sich auch ohne mittleren Grundstrom, stehtdann aber in Rückkopplung mit auftriebsinduziertenStrömungseffekten, z. B. Hangwindsystemen (ADRI-AN und FIEDLER 1991; BARTHLOTT et al. 2005).Beide Typen sind mit unterschiedlichsten Phänomenenverbunden, die von der orografischen Beinflussung derMikroturbulenz bis zur Ausbildung von Gebirgszirku-lationen reichen. Solche Zirkulationen bewirken imMittel über Gebiete von etwa 100 km2 und mehr undZeiträume von mehreren Stunden einen effektivenVertikaltransport von Eigenschaften der bodennahenLuftmassen in die mittlere und obere Troposphäre undumgekehrt. Der konvektive Vertikaltransport steht imfolgenden im Vordergrund und wird anhand der Er-gebnisse der Feldexperimente ESCOMPTE im Jahr2001 und VERTIKATOR im Jahr 2002 eingehenderbehandelt.

2 Dynamischer Austausch

Bergiges Gelände lässt sich strömungsdynamisch alseine Grenzfläche mit sehr großen Strömungshinder-nissen in unregelmäßiger Größe und Abfolge auffas-sen. Bereits bei ebenem Gelände bilden sich stromab-wärts von Rauigkeitsänderungen interne Grenzschich-ten aus, die mit anwachsender Schichtdicke den an dieneue Rauigkeit angepassten Bereich umfassen. Auchdurch unterschiedlich warme Erdoberflächen entste-hen in ähnlicher Weise interne Grenzschichten, in de-nen die Austauschintensität durch Auftriebsproduk-tion von Turbulenzenergie an der Erdoberfläche ge-kennzeichnet ist. Der mittlere turbulente Vertikaltran-sport übertrifft dabei im allgemeinen den Wert über ei-ner ausgedehnten homogenen Fläche der gleichenmittleren Oberflächentemperatur oder Rauigkeit(MAI et al. 1996; VON SALZEN et al. 1996). Es wur-den verschiedene Verfahren entwickelt, um für ideali-sierte oder reale Inhomogenitäten mittlere Flüsse zuberechnen (VON SALZEN et al. 1996; BALDAUFund FIEDLER 2003).

Es ist schwierig abzuschätzen, wie groß der mittleredynamische Austausch über einer bergigen Region ist.Das Konzept der internen Grenzschichten ist nicht un-begrenzt weiter anwendbar, da die Hebungsvorgängenicht mehr durch die Geschwindigkeitsskala turbulen-ter Wirbel bestimmt werden, sondern durch die Über-strömung der Hindernisse. Für eine Folge von Hügelnkonnte gezeigt werden (HUNT und SNYDER 1980),dass das Windprofil sich dabei einem Profil annähert,das über einer raueren Grenzfläche unter Berücksich-tigung einer Verdrängungsdicke zu beobachten ist.Falls die Vertikalauslenkungen über dem Hindernishöher als die Grenzschichtdicke h selbst sind, folgt dieGrenzschicht deshalb mehr oder weniger den mittle-ren Geländehöhen H, was im Vergleich zum Flachlandzu einem turbulenten Austausch bis zur Höhe h + Hführt.

Das Verhalten der Strömung über Bergen wird nebender Hindernishöhe H und -breite L sowie der An-strömgeschwindigkeit U auch von der Dichteschich-tung der unteren Atmosphäre bestimmt. Das Verhältnisvon Trägheitskräften zu Auftriebskräften bei stabilerSchichtung lässt sich durch die sogenannte interneFroudezahl Fr1 = π U / (N L) oder in modifizierter FormFr2 = U / (N H) ausdrücken. Dabei ist die Brunt-Väisä-lä-Frequenz N die natürliche Schwingungsfrequenzausgelenkter Luftvolumina bei eine stabilen Schich-tung. Eine Verlagerung der Oszillation mit U führt zurAusbreitung einer Welle mit der Wellenlänge 2πU/N.Da die „Wellenlänge“ der Orografie 2 L ist, kann Fr1

als das Verhältnis der natürlichen Wellenlänge der Luft-bewegung zur Wellenlänge der Orografie aufgefasstwerden. Demzufolge kommt es froudezahlabhängig zuunterschiedlichen Strömungszuständen, wie sie auchdurch Messungen bestätigt wurden (z. B. DAVID undKOTTMEIER 1986; KUNZ und KOTTMEIER 2006).Für den Idealfall eines einzelnen Bergs dominiert beiFroudezahlen Fr1 << 1 die Umströmung des Hindernis-ses mit Ausbildung eines Stagnationsbereichs und Strö-mungstrennung auf der Luvseite. Bei anwachsenderFroudezahl (Fr1 ~ 0,4) werden Berge z. T. auch über-strömt und auf der Leeseite bilden sich Wellen aus. DerResonanzfall Fr1 ~ 1,0 ist mit der Bildung von stehen-den Leewellen großer Amplitude verbunden, die sichunter Umständen durch die ganze Troposphäre aus-breiten können. So wurden von Segelfliegern überMittelgebirgen von nur 350 m Höhe (Deister und Elmin Niedersachsen) schon Höhen bis 8 km erreicht, wasfür den Segelflug ausreichende Vertikalwinde von 1 m/svoraussetzt. Die Wellen zeigen oft eine luvwärtige Pha-senverschiebung mit der Höhe. Der Resonanzfall istgleichzeitig derjenige mit größtem Wellenwiderstandund damit verbundenem Entzug von mittlerem Impuls.Abhängig von der aktuellen thermischen Schichtungund der vertikalen Windscherung kann es in bestimm-ten Höhen zur Dämpfung oder zum Brechen von inter-nen Wellen kommen, z. B. durch Kelvin-Helmholtz-In-stabilität, so dass in diesen Höhen der turbulente Aus-tausch erheblich verstärkt wird. Im Lee der Hinder-nisse bilden sich bei Fr1 ~ 1,0 in niedrigen Höhen trans-versale Rotoren mit heftiger Turbulenz (vgl. DÖRN-BRACK et al.; Kapitel 3 in diesem Heft). Bei noch län-geren natürlichen Wellen bzw. größeren Froudezahlenkommt es leeseits der Gipfel u. U. zu einer Ablösungder Grenzschichtströmung über eine typische Entfer-nung von = L und einer bodennahen Rückströmung.Bei annähernd neutraler Schichtung bzw. sehr hohenWindgeschwindigkeiten (Fr1 >> 1) wirken sich die Hin-dernisse nur über geringe Entfernungen von bis zu et-wa drei Hindernishöhen aus. Über dem Hinderniskommt es zu einer Geschwindigkeitserhöhung, hinterdem Hindernis zunächst zu einer Ruhezone und weiterstromab zu einer turbulenten Nachlaufströmung bis zueiner Entfernung von mehreren Hindernisbreiten.

Auch bei komplexer Orografie lassen sich die Grund-typen der Hindernisüberströmung oft wiederfinden.

C. Kottmeier, F. Fiedler: Vertikaler Austausch über Mittelgebirgen

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Hinzu kommen aber Phänomene, die durch Kanalisie-rung in Längstälern und der Beschleunigung der Strö-mung bei Querschnittsverengung wie beispielsweiseüber Sattellagen zwischen zwei Bergen geprägt sind.Die Querüberströmung von Tälern unterschiedlicherGeometrie kann sowohl talparallele Winde (WIPPER-MANN 1984) wie auch Querzirkulationen hervorru-fen. Ist die Grenzschichtströmung durch eine Inver-sionsschicht in der Höhe hi nach oben begrenzt, wirkensich die Hindernisse vor allem in der Grenzschichtselbst aus und der vertikale Austausch ist höhenmäßigdurch hi begrenzt. Anstelle der Berghöhe H kann jetztdie Schichtdicke der Strömung bis zur Inversionshöheals charakteristisches Längenmass in die Froudezahleingesetzt werden. Ähnlich wie bei einer Wasserströ-mung mit geringer Dicke kommt es zu den Strömungs-zuständen fließender Strömung (AnströmfroudezahlFran = U / (N (hi - H)) << 1) oder schießender Strö-mung (Fran >> 1). Große Froudezahlen Fran bewirkeneine gleichmäßige Überströmung mit annähernd sym-metrischem Stromlinienbild ohne Bildung von Schwe-rewellen. Bei luvseitigen Froudezahlen Fran < 1 wirddie Strömung stromab des Gipfels beim Übergangvom unterkritischen zum überkritischen Zustand starkbeschleunigt und schießt mit hoher Geschwindigkeit(Fr > 1) in geringer Schichtdicke bis zu einem stromabgelegenen hydraulischen Sprung. Hier erfolgt abrupteine Zunahme der Schichtdicke und Abnahme der Ge-schwindigkeit und damit ein Übergang in den unter-kritischen Zustand. Sehr flache Grenzschichten(hi < H) sind mit Hindernisumströmung und Ausbil-dung von ablösenden Wirbeln auf der Leeseite ver-bunden.

Die Bedeutung der Froudezahl für den Strömungszu-stand hat, wie KUNZ und KOTTMEIER (2006) zei-gen konnten, auch für die orografisch beeinflussteNiederschlagsbildung bei der Bergüberströmung einenwichtigen Einfluss. Für niedrige Froudezahlen Fr ≈ 1ist demnach aufgrund der dominierenden Bergumströ-mung die orografisch bedingte Niederschlagszunahmeerheblich geringer als im Fall hoher Froudezahlen. DaNiederschlag ebenfalls mit einer vertikalen Umvertei-lung von Wasser in verschiedenen Phasen verbundenist, folgt hieraus ein weiterer Mechanismus des verti-kalen Austauschs mit deutlichen Unterschieden zuebenem Gelände.

3 Konvektiver Austausch

Konvektiver Austausch ist im allgemeinen deutlich ef-fizienter als dynamischer Austausch und erstreckt sichbei Wolkenbildung und insbesondere hochreichenderKonvektion auch bis in die mittlere und obere Tropo-sphäre.

Für die Entwicklung von Konvektion und konvektivenNiederschlägen sind drei wesentliche Voraussetzungennotwendig: ein Auslöseprozess durch Erhitzung der

Erdoberfläche oder Hebung der entsprechenden Luft-masse, eine ausreichende Feuchte in der Atmosphäreund eine Dichteschichtung in der freien Atmosphäre,welche die Hebung bis in ausreichende Höhen zulässt.Die Bereitstellung der Feuchte und die Hebung vonLuftmassen erfolgt sowohl durch synoptische Systememit einer Ausdehnung von d ≈ 1000 km, durch regio-nale Systeme (d ≈ 50 km) als auch durch kleinräumigeAustauschvorgänge auf der Skala von nur einigen Ki-lometern. Den regionalen und lokalen Systemenkommt bei konvektiven Wetterlagen häufig eineSchlüsselrolle zu, da durch sie die Konvektion nur anbestimmten Stellen ausgelöst wird, auch wenn diegroßräumigen Bedingungen für eine Konvektionsent-wicklung weitgehend ähnlich sind.

Wichtig für die Auslösung, die zeitliche Entwicklungund die Intensität der regionalen Systeme ist es, wiesich die verfügbare Strahlungsenergie am Erdbodenauf den fühlbaren bzw. latenten Wärmestrom verteilt.Ersterer führt zu einer Erhöhung der Lufttemperatur,der zweite zu einer Erhöhung der Feuchte in der At-mosphäre. Die Aufteilung der Strahlungsenergiewiederum hängt von den Erdboden- und Oberflächen-eigenschaften ab. Regionale, thermisch induzierteWindsysteme entstehen besonders in Verbindung mitder Orografie. Dabei kommt es häufig über den Berg-rücken zu Konvergenz mit starken Aufwinden und zurAuslösung von Konvektion.

Zwei umfangreiche Messprogramme, die sich u. a. mitdem konvektiven Vertikaltransport über Mittelgebir-gen befassten, waren die Vorhaben ESCOMPTE (Ex-périence sur site pour contraindre les modèles de pol-lution atmosphérique et de transport d' émissions;CROS et al. 2004) und VERTIKATOR (VertikalerAustausch und Orografie im Atmosphärenforschungs-programm des BMBF AFO 2000; FIEDLER et al.2005). Beide Projekte gaben die Möglichkeit, den kon-vektiven Vertikaltransport durch boden- und flugzeug-gestützte Messungen detailliert zu untersuchen.

3.1 Konvektiver Austausch von Spurenstoffen überMittelgebirgen bei ESCOMPTE 2001

Das unter französischer Koordination durchgeführteForschungsvorhaben ESCOMPTE diente der Gewin-nung eines geeigneten Datensatzes zur Überprüfungund Verbesserung von Modellen, mit denen der Trans-port und die chemischen Umwandlungen von Luft-schadstoffen über komplexer Orografie in Küstenre-gionen realistisch dargestellt werden können. Es warZiel des Programms, die dreidimensionalen Verteilun-gen atmosphärischer und chemischer Größen sowiederen zeitliche Variationen zu erfassen. Das Messpro-gramm fand unter Beteiligung des Instituts für Meteo-rologie und Klimaforschung (IMK) Karlsruhe im Juniund Juli 2001 im Großraum Marseille statt. In diesemGebiet treten in den Sommermonaten regelmäßig Si-

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tuationen mit großer Belastung der Atmosphäre mitSpurenstoffen auf, die ihre Ursache in den Emissionender Millionenstadt Marseille und ihrer industrialisier-ten Umgebung haben. Die turbulente Diffusion undder Transport erfolgen in dieser Region unter demEinfluss verschiedener komplexer Windsysteme: derregionalen Strömungskanalisierung im Rhônetal (Mis-tral) (CORSMEIER et al. 2005), dem tagesperiodi-schen Land-Seewindsystem und einem überlagertenGebirgswindsystem über den französischen Seealpen.Das IMK (Bereich Troposphäre) beteiligte sich unteranderem mit dem Forschungsflugzeug DO-128, zweiRadiosondenstationen und verschiedenen Boden-messstationen an ESCOMPTE. Insgesamt kamen sie-ben Flugzeuge, 23 Bodenstationen, 20 Fernerkun-dungssysteme und zwei Schiffe zum Einsatz.

Ein Ziel war es, den Vertikalaustausch von Spurenstof-fen durch Konvektion in der Region zu untersuchen.Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung und der rela-tiv trockenen Erdoberfläche entwickelt sich an Som-mertagen über den voralpinen Mittelgebirgen desESCOMPTE-Gebietes regelmäßig intensive Konvek-tion. Die Messungen am 17. Juni 2001 dokumentiereneine solche Situation bei nordwestlichem Wind undGrenzschichthöhen von 2000 m. In diesem Fall tratenkeine hohen Spurenstoffkonzentrationen auf, da dieemittierten Spurenstoffe über das Mittelmeer ver-frachtet wurden. Die Messungen eignen sich aber sehrgut für Untersuchungen der Turbulenzstruktur und derGrenzschichtentwicklung (HASEL et al. 2005). Bei ei-nem Messflug über dem Randbereich der Alpen amNachmittag wurden in Höhen von etwa 950 m, 1700 mund 3000 m identische Flugmuster geflogen. Dabei tra-ten sehr intensive Auf- und Abwinde mit bis zu 8 m/süber den Gebirgszügen des Mt. St. Victoire (1011 m)und Luberon (1125 m) sowie dem Durancetal auf(Abb. 4-1). Die Aufwinde waren mit deutlich erhöhtenNO2-Werten verbunden, da sie die bodennah emittier-

ten Stoffe aufwärts transportierten (HASEL et al.2005). Dagegen waren die ebenfalls sehr heftigen Ab-winde trockener als die Umgebungsluft, was auf dieEinmischung trockener Luft aus Höhen oberhalb von2 bis 3 km zu erklären ist.

Eine Photosmogsituation war während ESCOMPTEzwischen dem 24. und 27. Juni 2001 gegeben.Am 25. Ju-ni 2001 setzte in den Vormittagsstunden an der Küsteder Seewind ein, der die von Marseille und seinen um-gebenden Industriegebieten emittierten Stoffe landein-wärts transportierte. Gleichzeitig erfolgte bei zuneh-mender Sonneneinstrahlung photochemische Ozonbil-dung, durch die die Stickoxidkonzentration in der be-lasteten Luftmasse reduziert wurde. Während an die-sem Tag an den Küstenstationen maximale Konzentra-tionen von knapp 140 µg/m3 gemessen wurden, traten50 km landeinwärts über den Mittelgebirgen am Alpen-rand fast 300 µg/m3 auf. Die aus Radiosondendaten ab-geleiteten Durchmischungstiefen (Abb. 4-2) differierenum bis zu +1000 m zwischen den Randbergen der Al-pen (Vinon) und dem Rhônetal (St. Remy und Aix-lesMilles). Die Unterschiede sind im Wesentlichen auf diestärkere Erwärmung und die verstärkte Konvektion imBergland zurückzuführen. Die größere Durchmi-schungstiefe bewirkt einen Verdünnungseffekt für dieadvehierten und lokal emittierten Schadstoffe.

Am 25.6.2001 wurden mit mehreren Messflugzeugenzu verschiedenen Zeiten auf jeweils ähnlichen Flug-mustern die räumlichen Verteilungen der Spurenstoffeund meteorologischen Größen erfasst. Der Flug derDO-128 in einer Höhe von 800 m bis 900 m zeigt, dassdie bodennah gemessenen Ozonwerte den Werten inder Grenzschicht in erster Näherung entsprechen(Abb. 4-3; KALTHOFF et al. 2005a). Dies dokumen-tiert ebenfalls die Vermischungsvorgänge, die durchkonvektive Wirbel erfolgen und tagsüber effizient diegesamte Grenzschicht beeinflussen. Hierbei erreicht in

C. Kottmeier, F. Fiedler: Vertikaler Austausch über Mittelgebirgen

Abb. 4-1: Vertikalgeschwindigkeiten auf den FlugabschnittenI bis IV (dick ausgezogen) in einer Höhe von 950 mam Nachmittag des 17. Juni 2001.

ZeitJuni Juli

Höh

e in

m ü

ber

Grim

d

Abb. 4-2: Grenzschichthöhen über dem Rhônedelta (St. Remy,Aix-les Milles) und dem Bergland (Vinon) währendder Intensivmessphasen (grau hinterlegt) desESCOMPTE-Experiments. Die Festlegung erfolgtanhand von Temperatur- und Feuchteprofilen aus Ra-diosondenaufstiegen an den Stationen.

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Aufwindgebieten bodennahe stickoxidbelastete Luftinnerhalb von wenigen Minuten die obere Grenz-schicht. Bei den hier untersuchten Photosmogsituatio-nen dominieren aufwärtsgerichtete turbulente Stick-oxidflüsse. Der konvektive Ozontransport ist dagegenteils aufwärts und teils abwärts gerichtet. Dies ist durchdie quellferne Bildung von Ozon aus den Vorläufer-gasen zu erklären. Das Maximum des Ozons liegt da-bei abgehoben vom Boden innerhalb der Grenzschichtund der sich ausbildende Vertikalgradient des Ozonsführt zu einem konvektiven Abwärtstransport des Ga-ses zur Erdoberfläche. Die Abwinde dagegen beziehenoft Luft aus der schadstoffarmen Luft oberhalb derGrenzschicht mit ein. Die verstärkte Konvektion be-wirkt infolgedessen auf zweifache Weise eine Reduk-tion der hohen Schadgaskonzentrationen in Bodennä-he durch Ausdehnung des Durchmischungsraums unddurch Entrainment unbelasteter Luft aus der freienAtmosphäre. Auch in 800 m sind noch deutlich klein-räumige Variationen zu erkennen, da die Aufwindesehr unterschiedlich mit bodennah emittierten Stoffen,vor allem durch Verkehrsemissionen, beladen sind.Dagegen bleibt die Atmosphäre in 2800 m Höhe unbe-einflusst.

3.2 Auslösung flacher und hochreichender Konvek-tion über Mittelgebirgen bei VERTIKATOR

Das Messprogramm VERTIKATOR wurde im Maiund Juni 2002 im Schwarzwald und unmittelbar darananschließend am nördlichen Alpenrand durchgeführt.Ziele war es dabei, den orografischen Einfluss auf dieAuslösung von Konvektion und die mit ihr verbunde-nen Vertikaltransporte von Energie und Wasser zuuntersuchen. Die Messungen sollen vor allem zur ver-besserten Darstellung der Prozesse in numerischenModellen genutzt werden.

Hierbei erfolgten an Bodenstationen Mes-sungen aller Komponenten der Energiebi-lanz am Erdboden (Abb. 4-4). Mit Ferner-kundungssystemen (Dopplersodar, Wind-Temperatur-Radar) wurde die Vertikal-struktur der regionalen Windsysteme ver-messen. Um die zeitliche Entwicklung undräumliche Struktur konvektiver Elementezu verfolgen, wurden Fallsonden von obenin die Konvektionszellen (Cumuluswolken)abgeworfen. Die Messungen der fünf einge-setzten Messflugzeuge erfassten die räumli-che Verteilung von Wind, Temperatur undFeuchte im gesamten Messgebiet sowieinnerhalb und außerhalb konvektiver Zel-len. Mit Hilfe von Radiosonden wurde derVertikalaufbau der Troposphäre erfasst. In-frarotmessungen der Satelliten METEO-SAT und NOAA wurden genutzt, um Ta-gesgänge der Landoberflächentemperatur(LST) für das gesamte Messgebiet zu be-stimmen (SCHROEDTER et al. 2003).

Während der Messkampagne im Nordschwarzwaldkonnte ein breites Spektrum unterschiedlicher kon-vektiver Wettersituationen von flacher Kumuluskon-vektion (z. B. 31. Mai, 1. und 3. Juni 2002) bis zu hoch-reichender Konvektion (19. und 20. Juni 2002) vermes-sen werden. Die Unterschiedlichkeit der Fälle lässtsich durch die Werte der „konvektiv verfügbaren po-tentiellen Energie“ (CAPE) kennzeichnen. Die CAPEist ein Konvektionsindex, der durch die Temperatur-

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Abb. 4-3: Verteilung der Ozonkonzentration aus bodennahen Messungen desAIRMARAIX-Messnetzes und aus Messungen der DO-128 mit dengemessenen Windvektoren (Referenzpfeil 5 m/s) am Nachmittag des25. Juni 2001 in 920 m Flughöhe. Die Einzelpunkte geben die am Bo-den gemessenen Stundenmittelwerte von Ozon an.

Abb. 4-4: VERTIKATOR-Messgebiet (ca. 100 km x 70 km, rotgestrichelte Linie) und projizierter Flugweg des For-schungsflugzeugs DO128 (blaue Linie). Die Boden-,Radiosonden- und Fernerkundungsstationen warenüberwiegend entlang der Linie 1-4-7 installiert. DieFlugmuster zweier weiterer Messflugzeuge sind ingrün (Hornisgrindegebiet) und violett (Murgtalaus-gang zum Rheintal) eingezeichnet.

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und Feuchtestruktur der Troposphäre bestimmt wirdund die Bereitschaft zu hochreichender Konvektionangibt, nachdem die Auslösetemperatur am Boden er-reicht ist. Die CAPE liegt beispielsweise am 19. Junideutlich über den Werten am Anfang des Monats(Abb. 4-5). Die räumlichen Unterschiede zwischendem Rheingraben (Freistett, 120 m NN) und dem öst-lichen Nordschwarzwald (Horb, 515 m NN) an den ein-zelnen Tagen sind aber vergleichsweise gering. Kon-vektion trat dann allerdings fast ausschließlich überdem Nord- und Südschwarzwald und über den Voge-sen auf (Abb. 4-6; KALTHOFF et al. 2005b). AmNachmittag des 19. Juni entstand über dem oberenMurgtal eine Gewitterzelle mit Niederschlägen bis 20mm, wie das Radarbild (Abb. 4-7) des KarlsruherNiederschlagsradars zeigt (BERTRAM et al. 2004). ImRheingraben fiel dagegen bis zum späten Abend keinNiederschlag.

Mit Hilfe der umfassenden VERTIKATOR-Datenwurde eine Detailanalyse vorgenommen, die die Ursa-chen für die Auslösung der Konvektion über demSchwarzwald liefert. Konvektion kann dadurch ausge-löst werden, dass die bodennahe Lufttemperatur die sogenannte Auslösetemperatur erreicht oder überschrei-tet, so dass bodennahe Luftmassen aufsteigen können.Mit Satellitenmessungen lassen sich die Temperatur-verhältnisse kontinuierlich und flächendeckend über-wachen und räumliche Strukturen quantitativ erfassen.Temperaturunterschiede von mehr als 5 °C sind häufigschon über unterschiedlicher Landnutzung anzutref-fen (Abb. 4-8). Für den 19. Juni wurde die Differenzzwischen der bodennahen Temperatur und der Auslö-setemperatur, ∆T, zu verschiedenen Zeiten als Funk-tion der Stationshöhe berechnet (Abb. 4-9).

Diese Bedingung für die Auslösung von Konvektion istum 10 und 12 UTC nur an Stationen oberhalb von et-wa 850 m NN erfüllt. Außerdem zeigt die räumlicheVerteilung von ∆T um 12 UTC, dass dieses Gebiet imWesentlichen die Hornisgrinde und das obere Murgtalumfasste (Abb. 4-4). Für die Auslösung von Konvek-tion stellte sich die Kombination mehrerer fördernderEinflüsse als wesentlich heraus. Die frühere Erwär-mung in den Hochlagen ist auch dadurch zu erklären,dass die nachts gebildete Kaltluft durch die Täler in dietieferen Lagen abfließen konnte. Die nächtlichenBergwinde sind im Schwarzwald sehr typisch und ha-ben zum Teil eigene Namen erhalten, z. B. als „Höllen-täler“ im Südschwarzwald bei Freiburg.

Am späten Vormittag des 19. Juni traten im Bereichdes mittleren Nordschwarzwaldes über dem Gipfel derHornisgrinde und ostwärts davon auf Teilabschnittendes Flugweges der DO-128 sehr hohe vertikale Feuch-tetransporte auf (Abb. 4-10), was zu einer Anreiche-rung von Feuchte in der Grenzschicht führte. ImRheingraben dagegen waren die vertikalen Feuchte-transporte in der entsprechenden Höhe über Grundnahezu vernachlässigbar.

C. Kottmeier, F. Fiedler: Vertikaler Austausch über Mittelgebirgen

Abb. 4-5: Konvektiv verfügbare potentielle Energie (CAPE)an verschiedenen VERTIKATOR-Messtagen imRheingraben (Freistett, 120 m NN) und im östlichenSchwarzwald (Horb, 515 m NN).

Abb. 4-6: NOAA-Satellitenaufnahme vom Oberrheingrabenam 19. Juni 2002 um 12:26 UTC. Der rote Kreis kenn-zeichnet den Bereich, in dem sich am Nachmittag eineGewitterzelle mit Niederschlag bildete (s. Abb. 4-7).

Abb. 4-7: Niederschlagssumme von 0 bis 15 UTC am 19. Juni2002, gemessen mit dem Niederschlagsradar am For-schungszentrum Karlsruhe.

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Des Weiteren resultierten aus höheren Temperaturenüber hochgelegenen Flächen im Vergleich zu den Tem-peraturen in der freien Atmosphäre thermisch indu-zierte Windsysteme wie Hang- und Talwinde. Diesesind am 19. Juni im Bereich des Schwarzwaldes deut-lich nachweisbar (Abb. 4-11). Dabei kommt es überdem Schwarzwaldkamm zur Bergventilation; sie kann,bei ausreichender Feuchte in der Atmosphäre, hochreichende Konvektion über den Bergkämmen auslö-sen. Der Bereich starker Bergventilation ist inAbb. 4-11 durch die rote Linie (Konvergenzlinie) ge-kennzeichnet. Zusätzlich zu diesen Hangaufwindenwerden außerdem über die Talwinde des südlich gele-genen Kinzigtals und des nördlich gelegenen Murgtalsfeuchtwarme Luftmassen in das Zentrum des Nord-schwarzwaldes geführt. Die Messungen erlauben eineBerechnung der mit dem Windsystem verbundenenFeuchte- und Wärmeflüsse und einen Vergleich mit ho-rizontal homogenen Regionen wie dem Rheingraben.Die Windsysteme bilden den Nachschub für die verti-kalen turbulenten Feuchtetransporte, die über demSchwarzwald beobachtet werden (Abb. 4-10).

4 Modellrechnungen zur Konvektion

Modellrechnungen für die VERTIKATOR-Messkam-pagne wurden mit dem operationellen Lokal-ModellLM des Deutschen Wetterdienstes durchgeführt(MEISSNER et al. 2005). Da aus den Beobachtungenhervorgeht, dass die Bedingungen für die Auslösungvon Konvektion nur in den Hochlagen des Schwarz-waldes (> 850 m NN) gegeben sind (Abb. 4-9), wurdezunächst die im LM verwendete Orografie mit der

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Zeit in UTC

Obe

rflä

chen

tem

pera

tur

in °

C

Abb. 4-8: Verlauf der Oberflächentemperatur über Agrarland(blau) und Wald (rot) am 31. Mai und 1. Juni 2002 imRheingraben; abgeleitet aus METEOSAT-Daten.

Höhe in m NN

Abb. 4-9: Differenz der bodennahen Temperatur (T2m) und derAuslösetemperatur (∆T) zu verschiedenen Zeiten am19. Juni 2002 an Messstationen in unterschiedlicherGeländehöhe im VERTIKATOR-Messgebiet.

Abb. 4-10: Turbulente Feuchteflüsse (Pfeile) über dem Nord-schwarzwald am späten Vormittag des 19.06.2002.Dargestellt ist eine Ansicht von Südwesten auf denNordschwarzwald. Die turbulenten Flüsse latenterWärme sind für Teilabschnitte der überflogenen Oro-grafie dargestellt. Die Maximalwerte bis 607 W/m2

(orange und rot) treten über der Hornisgrinde undostwärts davon bis Horb auf. Im Rheingraben undKinzigtal (grün) sind die Feuchteflüsse dagegen sehrgering.

Ost in km UTM

Nor

d in

km

UT

MAbb. 4-11: Windvektoren am 19.6.2002, 12 UTC an den Boden-

stationen des erweiterten VERTIKATOR-Boden-messnetzes im Bereich des Nordschwarzwaldes. Dierote Linie kennzeichnet eine bodennahe Konvergenzwestlich des Murgtals.

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realen Orografie verglichen. Abb. 4-12 zeigt die Diffe-renz zwischen der realen Orografie und der Modell-orografie des LM in 7 km Auflösung. Die markantenGeländestrukturen des Nordschwarzwaldes, die alsentscheidend für die Auslösung von Konvektion iden-tifiziert worden sind, werden durch Verwendung einerAuflösung von 7 km stark eingeebnet. Die Auslöse-mechanismen für Konvektion (Strahlungsmodifika-tion, lokale Windsysteme und Bergventilation) könnensich somit im Modell nicht oder zumindest nicht zurrichtigen Zeit an den richtigen Stellen entwickeln. ImModell wird die Auslösung von Konvektion in diesemFall für einen großen Teil der Gesamtfläche des Nord-schwarzwalds oberhalb der Modellgeländehöhe von600 bis 700 m nach 10 UTC prognostiziert (Abb. 4-13).In der Realität entwickelte sich gegen 14 UTC jedochnur eine einzige eng begrenzte Konvektionszelle überdem oberen Murgtal mit einer Lebensdauer von etwa90 Minuten (Abb. 4-7).

Eine Verbesserung der Vorhersagemodelle kann außerdurch Verwendung eines höher aufgelösten Modellgit-ters nur durch systematische Vergleiche von Beobach-tungen und Modellvorhersagen erfolgen, um die Bei-träge der Prozesse zu bestimmen, die im Modell für ei-ne Fehlvorhersage verantwortlich sind. Dies umfasstdie Energieumsetzung am Boden, die Parameterisie-rung der kleinskaligen Konvektionsprozesse und dieErfassung der höchst inhomogenen Verteilung der at-mosphärischen Parameter Temperatur, Feuchte undWind sowie die turbulenten Flüsse im Bereich der un-teren Troposphäre. Diese Untersuchungen und Ver-gleiche sind das Ziel der weiteren VERTIKATOR-Auswertungen und geplanter zukünftiger Forschungs-programme, vor allem des Messprogramms COPS(Convective and Orographically induced PrecipitationStudy) als Teil des 2004 von der Deutschen For-schungsgemeinschaft eingerichteten Schwerpunktpro-gramms „Quantitative Niederschlagsvorhersage“.

Danksagung

Der Beitrag wurde unter Mitwirkung oder Nutzungvon Ergebnissen von Dr. C. Barthlott, Dr. F. Braun,Dr. U. Corsmeier, Dipl.-Met. M. Hasel, Dr. N. Kalthoff,Dr. M. Kunz, Dipl.-Met. C. Meissner und Dipl.-Met.J. Thuerauf verfasst. Hierfür ist ihnen ebenso zu dan-ken wie allen Beteiligten an den MessprogrammenESCOMPTE 2001 und VERTIKATOR 2002.

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östliche Länge in °

nörd

liche

Bre

ite in

°

Abb. 4-12: Differenz zwischen der Modellorografie des LM(7 km Auflösung) und der realen Orografie. Maxima-le Unterschiede mit bis zu 300 m treten speziell im Be-reich des Nordschwarzwaldes auf. Das LM bewirkt indieser Auflösung eine deutliche Glättung des hierstark strukturierten Geländes.

östliche Länge in °

nörd

liche

Bre

ite in

°

Abb. 4-13: Überschreiten der Auslösetemperatur im LM (7 km)als Indikator für Konvektionsauslösung am 19. Juni2002 um 11 UTC innerhalb der roten Isolinie. Es wirdzwar Konvektionsauslösung prognostiziert, jedoch imVergleich zur Beobachtung 1 bis 2 Stunden zu frühund für das Gebiet des gesamten Nordschwarzwalds.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 34-42 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Einleitung

Die tageszeitliche Entwicklung der Strömungen zwi-schen Gebirgsregionen und dem Umland ist vergleich-bar zur Land-Seewind-Zirkulation. Während bei letz-terer die thermischen Unterschiede aufgrund derunterschiedlichen Wärmekapazitäten von Land undWasser entstehen, treten in Hochgebirgsräumen ande-re Effekte auf:1. im Vergleich zur vorgelagerten Ebene hat die zu er-

wärmende Luftsäule in den Gebirgstälern ein gerin-geres Volumen und erwärmt sich bei gleicher Ener-giezufuhr durch Sonnenstrahlung rascher (STEIN-ACKER 1984);

2. die geneigten, zur Sonne exponierten Hänge erwär-men sich und die angrenzende Luft rascher wegendes günstigeren Einfallswinkels;

3. der geringere Luftdruck in höher gelegenen Regio-nen bewirkt ebenfalls eine raschere Erwärmung derdarüber befindlichen Luft, da bei gleicher Energie-zufuhr eine geringere Masse erwärmt werden muss(hochgelegene Heizfläche);

4. in der Nacht kühlt sich die Luft im Alpenraum ra-scher ab, es bildet sich ein Kältehoch, welches einennächtlichen Abfluss von Luft ins Umland bewirkt.

Die in Abb. 5-1 gezeigten Geländeschnitte veranschau-lichen die Unterschiede zwischen Alpen und Vorland.Übersichten zu klassischen und neueren Arbeiten ge-ben WHITEMAN (2000) und EGGER (1990) zurTheorie thermischer Störungen.

Thermisch angetriebene Zirkulationen beschränkensich also nicht nur auf Hangzirkulationen, sondern be-wirken regionale Zirkulationsphänomene. GlobaleZirkulationsmodelle, die den Vertikalaustausch para-meterisieren, unterschätzen wegen der großen Gitter-abstände Phänomene wie das Alpine Pumpen und diedamit einhergehenden Transporte. HochauflösendeModelle geben die Phänomene besser wieder (GANT-NER et al. 2003). Der Transport von Luftbeimengun-gen aus urbanen Regionen im Alpenvorland führt zueiner Zusatzbelastung für die empfindlichen alpinenÖkosysteme. Im Rahmen der VOTALP (Vertical Ozo-ne Transports in the Alps)-Studie wurde die Ozonbe-lastung auf der Alpensüdseite durch Luftmassen ausder Po-Ebene untersucht (PREVOT et al. 2000, WO-TAWA et al. 2000).

Untersuchungen zur räumlichen Verteilung der Kon-vektionsbewölkung (KÄSTNER und KRIEBEL 2001,KÄSTNER et al. 2004) und der Blitzhäufigkeit (FIN-KE und HAUF 1996) weisen den Alpennordrand alsbesonders gewitterträchtig aus – auch im Vergleich mitdem inneralpinen Raum. Es ist naheliegend, dass demAlpinen Pumpen bei der Entwicklung konvektiverZellen eine Schlüsselrolle zukommt. Eine bessere Be-urteilung bedarf jedoch Kenntnisse über folgende Zu-sammenhänge:• Häufigkeit des Alpinen Pumpens und jahreszeitli-

che Verteilung,• Kenntnis der Antriebe des Alpinen Pumpens in Ab-

hängigkeit von der solaren Einstrahlung,

Alpines Pumpen

Alpine Pumping

P. WINKLER, M. LUGAUER, O. REITEBUCH

5

Zusammenfassung„Alpines Pumpen“ ist ein regionales Zirkulationsphänomen, das sich tagsüber zwischen Gebirge und Vorlandbei hoher Sonneneinstrahlung und schwachen Druckgradienten ausbildet. Die Luft im Alpenraum erwärmt sichtagsüber rascher als im Vorland, es bildet sich ein Hitzetief und die bodennahe Luft wird konvektiv nach obenverfrachtet. Aus dem Alpenvorland strömt Luft in einer Einströmschicht zu den Alpen und ersetzt die dort kon-vektiv gehobene Luft. Luftbeimengungen in der Einströmschicht gelangen so vom Alpenvorland in die freie Tro-posphäre bis über die Alpengipfel. Semivolatile Luftbeimengungen rekondensieren bei den niedrigen Tempera-turen in den Hochalpen und reichern sich dort an. Für dieses häufige Transportphänomens, das durch intensive-ren Vertikalaustausch über dem Hochgebirge ausgelöst wird, wurde die Bezeichnung „Alpines Pumpen“ ge-wählt. Es wird in diesem Beitrag näher beschrieben.

Abstract„Alpine Pumping“ designates a regional circulation pattern which is generated during day time between a moun-tain range and its foreland in conditions of high solar radiation and weak synoptic pressure gradients. The airabove the Alps is heated quicker during the day than above the foreland. A heat low is generated and near-sur-face air gets convectively transported to higher levels. Air constituents can therefore be transported from the in-flow boundary layer above the foreland right into the free troposphere high above the summits. Semi-volatilepollutants may re-condense at the low temperatures there and get enriched. This frequent transport phenome-non, which is induced by the more intense vertical exchange above high mountains, was termed „Alpine pum-ping“ and is described in this contribution.

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• mittlere Ausformung des Bodenwindfeldes in derEinströmschicht in Abhängigkeit von der Großwet-terlage (Höhenströmung),

• tageszeitliche Entwicklung und Erstreckung vomAlpenrand und Entwicklung der Bewölkung,

• Abschätzung von Massenströmen und den damitverbundenen Spurenstofftransporten.

Es ist unmittelbar einleuchtend, dass das Phänomendes Alpinen Pumpens zahlreiche Modifikationen jenach Wetterlage erfährt, wobei weitere meteorologi-sche Parameter wie atmosphärische Stabilität, Jahres-gang der Bodentemperatur, Schneebedeckung in hö-heren Lagen und synoptischer Druckgradient hinein-spielen. Die thermischen Antriebskräfte zwischenAlpen und Alpenvorland konkurrieren und überla-gern sich mit diesen anderen Antriebskräften, was in-folge der komplexen Wechselwirkungen zu vielfältigenDetailausprägungen führt.

2 Untersuchungsgebiet und Datenmaterial

Untersuchungen liegen für das Gebiet zwischen Do-nau und Nordalpen und in Ost-West-Richtung vomBodensee bis Passau vor (LUGAUER und WINK-LER 2002, 2005). Dieses Gebiet (Abb. 5-1) weist ne-ben dem allmählichen Geländeanstieg von der Donauzum Alpenrand auch Neigungen in Ost-Westrichtungauf mit einem Höhenmaximum im Allgäu, welches dieeuropäische Wasserscheide zwischen Rhein und Do-nau bildet. Das der Untersuchung zugrunde liegendeDatenmaterial umfasst den Zeitraum 1996–2000.

Als wichtige Voraussetzung wurde nachgewiesen, dassbei Wetterlagen mit Alpinem Pumpen das Strahlungs-feld großräumig weitgehend homogen ist, abgesehenvon der verstärkten Konvektionsbewölkung über denAlpen. In diesem Gebiet ist außer im Winter der Wol-kenbedeckungsgrad um 10–20 % höher als im Vorland.

Eine jahreszeitliche Analyse der Häufigkeit der Strah-lungsklassen ergab, dass in der Zeit April bis August Ta-gessummen mit einer Einstrahlung von mehr als20 MJ/m2 etwa konstant häufig an 42 % der Tage auftre-ten. Wettersituationen mit geringerer Einstrahlung(10–20 MJ/m2) kommen von Februar bis Oktober vormit einer mittleren Häufigkeit von 45 %. Die Vorausset-zung für das Entstehen von Alpinem Pumpen im Gebietvon Oberbayern für April - August ist also an 42 % derTage sehr günstig und im Zeitraum März bis Oktober anweiteren 45 % der Tage noch günstig. Das Phänomen Al-pines Pumpen tritt demnach relativ häufig auf.

2.1 Tagesgänge der horizontalen Druckgradienten

Nach WHITEMAN (1990) sind die horizontalenDruckgradienten ausschlaggebend für die Ausprägungdes oberflächennahen Windfeldes. NICKUS undVERGEINER (1984) zeigten für sonnige Tage, dass,abgesehen vom Winter, zu allen Jahreszeiten eine re-gelmäßige tägliche Umkehr des DruckgradientenMünchen – Innsbruck auftritt. Legt man die Tagessum-me der eingestrahlten Sonnenenergie als Antrieb zu-grunde, dann ergeben sich die in Abb. 5-2 dargestelltentäglichen Druckvariationen (normiert auf NN) für dieStationspaare Innsbruck–München (97 km) und Gar-misch–München (80 km).

P. Winkler et al.: Alpines Pumpen

Abb. 5-1: Schematische Darstellung der Strömung bei AlpinemPumpen im Alpenvorland für zwei Großwetterlagenim 500 hPa Niveau: Südlagen (durchgezogene Linien)und Nordlagen (gepunktete Linien). Nord-Süd-Schnitt (oben) etwa auf der Linie Garmisch - Augs-burg und Ost-West-Schnitt (unten) parallel zumAlpenrand; man beachte die großräumigen Neigun-gen im Vorland. Man beachte die unterschiedlicheÜberhöhung beider Schnitte.

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Abb. 5-2: Mittlere horizontale Druckgradienten (a) Innsbruck – Mün-chen (97 km), (b) Garmisch–München (80 km), für dreiStrahlungsklassen (Tagessummen der Globalstrahlung,Gebietsmittel).

(a) (b)

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Nachts ist der Druck in den Alpen höher als im Vor-land, tagsüber dagegen niedriger und zwar für alleStrahlungsklassen. Tagsüber nimmt der Druckgra-dient mit steigender Strahlungsenergie zu. Bemer-kenswert ist, dass am Nachmittag sich über den Nord-alpentälern ein schwaches bodennahes Hitzetief ent-wickelt, selbst unter Bedingungen mit geringer Strah-lung (<10 MJ m-2 Tag-1), was Winterbedingungen ent-spricht. In Garmisch wird das Druckminimum etwa2 Stunden früher erreicht als in Innsbruck. Der Grunddürfte auf den Volumeneffekt (STEINACKER 1984)zurückzuführen sein, da im Loisachtal ein geringeresVolumen zu erwärmen ist als im breiteren Inntal. AmNachmittag besteht zwischen München und Garmischein deutlich höherer Druckgradient als zwischen Gar-misch und Innsbruck. Der Druckgradient zwischenAlpenvorland und den Nordalpen ist also größer alsder Druckgradient in den Alpen, was bedeutet, dassdie Luft tags zu den Alpen strömt, aber innerhalb derAlpen selbst nur schwache, druckbedingte Strömun-gen zu finden sind.

2.2 Analyse des Windfeldes bei Alpinem Pumpen

Die mittlere thermisch induzierte Strömung im Alpen-vorland wurde für 340 Tage des Zeitraumes 1996–2000anhand stündlicher Werte des Windes ausgewertet, undzwar für Tage mit hoher Einstrahlung (>20 MJ m-2 Tag-1).In Abb. 5-3 ist die mittlere skalare Windgeschwindig-keit und mittlere N-S-Komponente im Tagesgang für

die Stationen Augsburg, Vilgertshofen, Hohenpeißen-berg und Zugspitze dargestellt, die ungefähr auf einerNord-Süd-Linie senkrecht zum Alpenrand liegen. DerHohenpeißenberg überragt als Inselberg das umgeben-de Hügelgelände um 300–400 m, die Zugspitze mit2960 m liegt oberhalb der Einströmschicht.

An den Flachlandstationen Augsburg und Vilgertshofenist nachts die skalare Windgeschwindigkeit gering, dabeide unter der Bodeninversion liegen. Die Bergstatio-nen Hohenpeißenberg (977 m) und Zugspitze (2960 m)weisen nachts höhere Windgeschwindigkeiten auf alstags, da sie über der Bodeninversion liegen und rei-bungsentkoppelt sind. Ab etwa 9 Uhr MEZ gleichensich die Windgeschwindigkeiten von Hohenpeißenberg,Vilgertshofen und Augsburg bis 18 Uhr MEZ weitge-hend an, da nun alle 3 Stationen in der konvektiv ge-mischten Einströmschicht des Alpinen Pumpens liegen.Mit dem Aufbrechen der Bodeninversion und dem Ein-setzen stärkeren Vertikalaustausches beginnt an derZugspitze die Windgeschwindigkeit abzunehmen, umam Nachmittag zur Zeit der stärksten Entwicklung desImpulsaustausches ein Minimum zu erreichen.

Für Tage mit geringerer Strahlung (10–20 MJ/m2 und<10 MJ/m2) ist der Tagesgang der Windgeschwindig-keit weniger ausgeprägt als bei hoher Einstrahlung, be-sonders an den höheren Stationen Hohenpeißenbergund Zugspitze, wo die Windgeschwindigkeit ganztägighöher bleibt. An diesen Tagen ist der vertikale Impuls-austausch schwächer ausgebildet.

An der Zugspitze ist die dominante WindrichtungWest, an den tiefen Stationen der Einströmschichtnimmt die Nordkomponente mit wachsendem Ab-stand vom Alpenrand ab. Mit zunehmender Einstrah-lung, d. h. Verstärkung des inneralpinen Hitzetiefs wei-tet sich die Einströmschicht weiter nach Norden aus.Oberhalb der Einströmschicht mit einer Nordkompo-nente tritt an der Zugspitze eine Südkomponente auf,die sich dem synoptischen Wind aufprägt. Die thermi-sche Zirkulation mit einer bodennahen Einström-schicht und einer kompensierenden Gegenströmung inder Höhe ist daran gut erkennbar.

Es sei angemerkt, dass die Rückströmung in der Höhekeine geschlossene Zirkulationslinie bedeutet, sonderndass die Luft wegen der hohen zonalen Windkompo-nente im und oberhalb des Gipfelniveaus wegen derdort höheren Windgeschwindigkeit in Hauptwindrich-tung weggeführt wird.

2.3 Mittleres Strömungsfeld in der Einströmschicht

Abb. 5-4 zeigt mittlere Windvektoren in der bodenna-hen Schicht an Tagen mit ausgeprägtem Alpinem Pum-pen. Dabei wurde für die Einströmphase von8–20 MEZ gemittelt und für die Ausströmphase von20–8 MEZ. Die Stationen 20, 23, 29 und 35 liegen auf

P. Winkler et al.: Alpines Pumpen

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Abb. 5-3: Mittlere Tagesgänge der Windgeschwindigkeit undder meridionalen Windkomponente für die 4 Statio-nen Augsburg (82 km nördlich vom Alpenrand), Vil-gertshofen (30 km), Hohenpeißenberg (13 km) undZugspitze (32 km südlich von einer als nördlicherAlpenrand gedachten Linie). Mittel über 340 Tagedes Zeitraumes 1996–2000 mit einer Tagessumme derGlobalstrahlung ≥ 20 MJ/m2.

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Bergen, die aber im Tagesverlauf noch von der nachoben wachsenden Einströmschicht erfasst werden.

Das Windfeld im gesamten Alpenvorland ist im Mitteldurch eine nordöstliche Strömung gekennzeichnet,wobei die Nordkomponente mit zunehmender Nähezum Alpenrand größer wird. Die Mittelgebirge nörd-lich der Donau entwickeln eigene, schwächer ausgebil-dete lokale Windsysteme. Die tagsüber im Alpenvor-land vorherrschende Nordostkomponente entsteht ausder Überlagerung der Druckgradienten, die aus denWärmetiefs der Nordalpen und über dem Allgäu ent-stehen. So zeigen Stationen westlich der Linie Mem-mingen-Kempten eine Nordwestkomponente, d. h.über dem Allgäu entsteht tags eine Konvergenz, ent-lang der die Luft aufsteigen muss. Damit findet auchdie häufigere Entstehung von Gewittern im Allgäu ei-ne Erklärung, wie sie anhand von Blitzstatistiken vonFINKE und HAUFF (1996) dokumentiert wurden.Die schwachen Geländeneigungen im Alpenvorlandsind also ausreichend zur Bildung solcher lokaler Kon-vergenzen.

In der Nacht fließt die in den Alpen sich bildende Kalt-luft aus. Die Strömung ist schwächer als am Tag undkomplexer, da Kaltluftbildung überall stattfindet, derKaltluftabfluss der lokalen Geländeneigung folgt undsich auch örtlich Kaltluftseen in Senken oder an Strö-mungsbarrieren bilden. Trotzdem ist die Strömung zurDonau hin klar erkennbar, wo sich die Kaltluft letztlichsammelt.

Das Windfeld weist in den Talöffnungen des Alpen-nordrandes wie Isartal, Loisachtal oder dem Oberst-dorfer Taleinschnitt hohe Werte auf, da die Talrichtungeine Windführung vorgibt und sich besonders am Tagdurch den Bernoulli-Effekt eine zusätzliche Beschleu-nigung ergibt.

Die Bedeutung der schwachen Hangneigungen imVorland wird wiederum im Allgäu deutlich, in dessenWesten die Luft nachts zum Bodensee drainiert. DerBodensee selbst entwickelt in Ufernähe vom Land-Seewind geprägte Zirkulationsmuster.

3 Modifikation der bodennahen Strömung durchdie großräumige Höhenwetterlage

Wie eingangs erwähnt, spielen andere Luftmassen-eigenschaften wie Stabilität und Wasserdampfgehalt(Wolkenbildung) eine Rolle bei der Ausprägung desAlpinen Pumpens. Aus Norden großräumig anströ-mende Luft dürfte z. B. eine vergleichsweise höhereStabilität der Schichtung als Luftmassen bei anderenWetterlagen aufweisen, damit hohe Einstrahlungssum-men erreicht werden können. Manchmal können auchLuv- und Leeeffekte entstehen, die bei hinreichendstarken synoptischen Druckgradienten zu geschlosse-ner Staubewölkung oder zu Föhn (HOINKA 1980)führen.

Zwischen großräumiger Wetterlage und thermisch ge-triebenen Phänomenen wie dem Alpinen Pumpen tre-ten immer Überlagerungen und Wechselwirkungenauf. Zur Veranschaulichung derartiger Wechselwirkun-gen wurden mit Hilfe der Schweizer Alpenwettersta-tistik (SCHÜEPP 1979, METEOSCHWEIZ 1985) Si-tuationen der Klassen Nord und Süd ausgewählt undmittlere Bodenwindfelder dargestellt (Abb. 5-5).

Nordwind in 500 hPa: Die Nordlage prägt sich auchdem bodennahen Windfeld auf. Bemerkenswert ist,dass sich sogar eine divergente Strömung ausbildet, beider westlich von 11,5° E die Strömung eine einheitli-che NE-Komponente trägt; östlich dieser Linie ent-steht eine NW-Komponente, d. h. infolge einer Strö-mungsdivergenz werden die Alpen in Bodennähewestlich bzw. östlich umströmt.

Südwind in 500 hPa: Das bodennahe Windfeld istschwächer ausgebildet als bei der Nordlage, da die süd-liche Grundströmung von der thermisch induzierten

P. Winkler et al.: Alpines Pumpen

Abb. 5-4: Mittleres Windfeld an Tagen mit Alpinem Pumpen(340 Fälle). Oben: Windvektor für die Einströmpha-se 8–20 MEZ; unten: mittlere Windvektoren für dieAusströmphase von 20–8 MEZ. Der Wind an derZugspitze ist durch ein ausgefülltes Dreieck hervor-gehoben.

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Strömung kompensiert bzw. überkompensiert werdenmuss. Die Zugspitze und Bergstationen wie Wank oderWendelstein weisen bereits eine starke Südwindkompo-nente auf, da sie noch überwiegend von der synopti-schen Strömung in der Höhe erfasst werden. Im Allgäubildet sich bei der Südlage eine deutliche Konvergenz-linie aus. Bei diesen Wetterlagen treten Gewitter häufi-ger auf, da der Feuchtigkeitsgehalt der Luft höher ist alsbei Nordlagen. FINKE und HAUFF (1996) zeigten,dass sich im Allgäu ein Häufigkeitsmaximum in derBlitzaktivität befindet. Schwache Geländeneigungen(wie in Abb. 5-1 in O-W-Richtung) regen bei bestimm-ten Bedingungen Sekundärzirkulationen an, die sich derHauptzirkulation des Alpinen Pumpens überlagern.

4 Alpines Pumpen und Konvektionsbewölkung

Hohe Einstrahlung, die Alpines Pumpen auslöst, führtzur Bildung von Konvektionsbewölkung. AlpinesPumpen bewirkt aber kompensierendes Absinken im

Vorland und die Windströmung schert auch Konvek-tionsblasen ab, wodurch die Organisation größererWolkenkomplexe behindert wird.

Eine Analyse der tiefen Bewölkung (bis etwa 2000 müber Grund) für Augsburg, Hohenpeißenberg undZugspitze an Tagen mit hoher Einstrahlung ergibt diein Abb. 5-6 dargestellten Tagesgänge. Die Stationen lie-gen wieder auf einer Nord-Südlinie, wobei Augsburgetwa am Nordrand und Hohenpeißenberg im Zentrumder Einströmschicht liegt und die Zugspitze in derHauptkonvektionszone.

Unabhängig von der Großwetterlage ist an der Zug-spitze ein klarer Tagesgang der Bewölkung mit einemausgeprägten Nachmittagsmaximum (16–17 MEZ)festzustellen, wie für Strahlungstage zu erwarten ist.Zu dieser Zeit hat sich die tiefe Bewölkung gegenüberdem Vormittag verdoppelt bis verdreifacht. Die beidenanderen Stationen weisen keinen so deutlichen Tages-gang auf. Mit beginnendem Einströmen muss gleich-zeitig Absinken einsetzen, was die Wolkenbildung inVorland hemmt. Am Nachmittag ist das Absinken amstärksten, wenn die Konvektionsanregung am größtenist. Bei den Südlagen kommt ein gewisser Leeeffektoder ein geringer Föhneffekt hinzu, da die Luft nachdem Überströmen der Alpen ebenfalls absinken muss.Die Unterdrückung der Konvektionswolken scheint

P. Winkler et al.: Alpines Pumpen

Abb. 5-5: Mittleres Bodenwindfeld bei Alpinem Pumpen fürdie Einströmphase 8–20 MEZ für Bedingungen mithoher Einstrahlung ≥ 20 MJ/m2. Oben: Nordlage im500 hPa-Niveau über den Alpen (Mittel über 61 Ta-ge). Unten: Süd (Mittel über 86 Tage). Die Stations-nummern sind mit Abb. 5-4 identisch.

MEZ MEZ

500 hPa: Nordwind 500 hPa: Südwind

Abb. 5-6: Mittlere Tagesgänge der Quellbewölkung (Bede-ckungsgrad in % bis 2000 m ü. G.) an Tagen mit Alpi-nem Pumpen (hohen Tagessumme der Einstrahlung)der Stationen Augsburg, Hohenpeißenberg und Zug-spitze. Linke Säule: Nordlagen in 500 hPa (61 Fälle);rechte Säule: Südlagen in 500 hPa (86 Fälle).

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am Hohenpeißenberg ausgeprägter als in Augsburg, daHohenpeißenberg im Zentrum der Einströmschichtliegt und das kompensierende Absinken hier stärkersein muss als am Nordrand der Einströmschicht. Die-ses Zusammenspiel erklärt das häufige Auftreten desoft weiß-blauen Himmels in Oberbayern.

5 Fallstudie zum Alpinen Pumpen am 8.7.2002

Für eine Abschätzung der mit Alpinem Pumpen ver-bundenen Massenflüsse wurden Daten eines Feldex-perimentes ausgewertet, in dem Sondierungen, Fern-messverfahren, luftchemische Messungen sowie Flug-zeuge eingesetzt waren. An dem Tag herrschte eineHochdrucklage mit schwachem Wind am Boden undSüdwind in der Höhe. Um 00 UTC lag ein Höhen-hochkeil über dem Untersuchungsgebiet, doch hattesich um 12 UTC zwischen dem Hochkeil und dem Trogim Westen eine SW-Strömung mit massiver Warmluft-advektion entwickelt. Alpines Pumpen konnte sich gutausbilden.

Abb. 5-7 zeigt im oberen Teil den Tagesgang der Tem-peraturdifferenz zwischen Isartal und Oberschleiß-heim als Funktion der Höhe, abgeleitet aus Radioson-dierungen. Unterhalb von 100 bis 1300 m über Grundist das Isartal während der Einströmphase wärmer alsdie weit vom Alpenrand entfernte Station Ober-schleißheim. Oberhalb dieser Grenze ist es nachts überden Alpen wärmer als im Vorland, tagsüber dagegenetwas kühler. Man erkennt außerdem, dass die Erwär-mung morgens unmittelbar am Talboden einsetzt unddann rasch vertikal fortschreitet. Am Abend beginntdie Auskühlung am Talboden ebenfalls früher als inder Höhe.

Im unteren Teil von Abb. 5-7 ist die vertikale Windver-teilung an der Messstation Isartal aufgetragen. Man er-kennt das Anwachsen der Einströmschicht mit der Hö-he und das Maximum der Nordkomponente am spätenNachmittag. Das Windmaximum ist in einigen 100 mHöhe zu finden. Das Umschlagen der Meridionalkom-ponente erfolgt am Vormittag um 10 Uhr MEZ und amAbend um 20–21 Uhr MEZ.

Aus dem Vergleich beider Teilbilder ist weiter ersicht-lich, dass die Windrichtung im Isartal am Vormittag zudiesem Zeitpunkt von Süd auf Nord wechselt, kurznachdem (etwa eine Stunde) die TemperaturdifferenzIsartal - Oberschleißheim das Vorzeichen gewechselthat. Es sind demnach keine sehr großen Temperatur-differenzen erforderlich, um in den größeren Talöff-nungen des Alpenrandes das Einströmen zu bewirken.

Eine wichtige Frage ist, in welchem Gebiet die Luft derEinströmschicht konvektiv nach oben gemischt wird:Umfasst dieses Gebiet den ganzen Raum bis zum Al-penhauptkamm oder nur die Nordalpenkette bis zumInntal? Obwohl diese Frage nur durch Messungennicht gut beantwortet werden kann, sprechen viele Ar-gumente für das Inntal als Südgrenze, zumindest fürdie Situation des 8.7.2002:• die Nordflanke des Inntales wird von der Sonnen-

strahlung sehr gut erwärmt und erzeugt daher star-ken Vertikalaustausch;

• die inneralpinen Druckgradienten sind schwachgegenüber dem Gradienten im Vorland;

• Horizontalschnitte der LM-Simulation (BRAUN2003, persönliche Mitteilung) zeigen, dass dieHauptkonvektionszone nur die Nordalpen umfasst.

Südlich vom Inntal bis zum Alpenhauptkamm dürftesich ein zweites, aber schwächeres thermisches Zirku-lationsmuster ausbilden, das vom Zirkulationsmusterdes Alpinen Pumpens getrennt ist.

Die große horizontale Erstreckung des Alpinen Pum-pens wird deutlich an einem 200 km langen Ost-WestSchnitt des Horizontalwindes bis 6 km Höhe vom Bo-densee bis zum Chiemsee südlich des Hohenpeißen-berg parallel zum Alpenrand (Abb. 5-8). Die Messun-gen wurden am frühen Nachmittag des 8.7.2002 mit ei-

P. Winkler et al.: Alpines Pumpen

Abb. 5-7: Oben:Tagesgang der Temperaturdifferenz Isartal-Ober-schleißheim: die zweigeschichtete Temperaturstrukturbei Alpinem Pumpen ist gut zu erkennen. Unten: Ta-geszeitliche und vertikale Entwicklung des Talwindsys-tems im Isartal: Talaufwind in roter und Talabwind inblauer Tönung, Einströmphase von 10–21 MEZ.

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nem neuartigen Doppler-LIDAR (Light Detectionand Ranging, ein optisches Laser-Fernerkundungsin-strument) an Bord des Forschungsflugzeuges DLRFalcon 20 vorgenommen (REITEBUCH et al. 2003a,2003b, 2004). Die Windgeschwindigkeit entlang diesesSchnittes weist nur sehr geringe Werte bis 4 m/s(Abb. 5-8 oben, blaue Farbkodierung) mit einer deut-lichen Nordkomponente (Abb. 5-8 unten, gelbe Farb-kodierung) in einer Schicht bis etwa 2 km NN auf. Ins-besondere in der Windrichtung ist eine Einström-Schicht von etwa 1 km vertikaler Mächtigkeit überGrund mit einer nördlichen Windkomponente und da-rüber liegendem südwestlichem Wind deutlich zu er-kennen. Die Höhe dieser Schicht nimmt zum Osten imBereich des Inntals und Chiemsees leicht ab. Die Ab-nahme der vertikalen Mächtigkeit mit größerer Entfer-nung zu den Alpen in Nord-Süd-Richtung konnte ananderen Tagen mit flugzeuggetragenen Doppler-LidarMessungen gezeigt werden (WEISSMANN et al. 2005).Eine Abschätzung des Massenflusses aus diesen Mes-sungen ergab, dass innerhalb eines Tages das kompletteLuftvolumen der Ansaugschicht bis aus einer Entfer-nung von 100 km zu den Alpen transportiert wird.

Bei labiler Schichtung können leicht hochreichendeQuellwolken entstehen, die Tagessumme der Einstrah-lung ist dann geringer. Bei genügend hohem Grad derLabilität entwickeln sich auch Schauer oder Gewitter.Das Auslösen kann dabei durch schwache Konvergen-zen erfolgen, wie sie sich am Alpennordrand oder über

dem Allgäu ausbilden. Eine derartige labile Situationwar am Folgetag, den 9.7.2002 gegeben, bei der sich amAusgang des Loisachtals ein kräftiges Gewitter bildete.

6 Transporte von Luftbeimengungen am 8.7.2002

Zur Abschätzung von Spurenstofftransporten dientein Boxmodell (Abb. 5-9). Schicht 1 repräsentiert da-bei den mittleren Massenfluss, wie er sich aus den Mes-sungen an verschiedenen Punkten im Alpenvorlandergab. Der in Abb. 5-9 angegebene Fluss stellt denMittelwert für die gesamte Dauer der Einströmphasedar, also für den Zeitraum 12–20 Uhr MEZ. Dieses Vo-lumen wird konvektiv in die Box 2 (Mischungsbox) zu-gemischt, deren südliche Begrenzung im Inntal und de-ren Nordrand an den Beginn der Alpen gelegt wurde,wo die Berggipfel eine Höhe von ~1800 m überschrei-ten. Die Obergrenze von Box 2 konnte anhand vonFlugzeugmessungen festgelegt werden. Der nordwärtsgerichtete Massenstrom in der Höhe ergab sich ausden Windmessungen an der Zugspitze und von Flug-zeugen aus. Über dem Wetterstein- bzw. dem Karwen-delmassiv ist der Massenfluss wegen der Überströ-mung am höchsten und nimmt nach Norden hin wegendes Absinkens ab. Verschiedene Abschätzungen habenergeben, dass das Volumen der Einströmschicht amTag komplett ersetzt wird.

Vergleicht man die mit dem Boxmodell berechnetenKonzentrationen mit vom Flugzeug gemessenen Wer-ten, so ergibt sich gute Übereinstimmung anhand vonBenzol- und Toluoldaten. Die Messungen in der Mi-schungszone bestätigten die berechneten Werte gut, dasBoxmodell erweist sich daher als brauchbarer Ansatz.

Vom Hochgebirge gibt es eine Reihe von Berichtenüber eine Zunahme der Schadstoffbelastung von Seen

P. Winkler et al.: Alpines Pumpen

Entfernung in km

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Höh

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Entfernung in km

Abb. 5-8: West-Ost-Schnitt parallel zum Alpenrand vom Bo-densee bis Chiemsee mit Messungen der horizontalenWindgeschwindigkeit (oben) und -richtung (unten)mit einem flugzeuggetragenen Doppler-Lidar am8.7.2002, 13:10–13:27 MEZ.

Abb. 5-9: Boxmodell zur Abschätzung der Massenströme undkonvektiven Mischungsvorgänge. Ausführliche Er-klärung siehe Text.

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und Böden mit Zunahme der Höhe. Dabei handelt essich um semivolatile Substanzen wie polyzyklische aro-matische Kohlenwasserstoffe (PAH) oder persistenteorganische Schadstoffe (POP’s; WEISS 2002) oderQuecksilber. Von diesen Substanzen nimmt man an,dass sie in Gebieten mit niedriger Temperatur stärkerkondensieren und sich anreichern, wofür die Voraus-setzungen in polaren Breiten oder in den Hochalpenbestehen. So wurde in kalten Alpenseen eine hundert-fache Anreicherung von PCB-180 gegenüber warmenSeen nachgewiesen (GRIMALD et al. 2001). AuchFichtennadeln oder Waldböden zeigen eine Höhenzu-nahme vieler Schadstoffe. Ähnliche Beobachtungenzur Höhenzunahme liegen auch aus Kanada vor(BLAIS et al. 1998; BANIC et al. 2003).

Alpines Pumpen ist als einer der Prozesse zu verste-hen, die den Stoffeintrag in die Hochlagen von Gebir-gen erheblich verstärken. Während für viele Substan-zen Alpines Pumpen nur einen verstärkten Vertikal-transport bedeutet, kondensieren und akkumulierensich semivolatile Substanzen über diesen Mecha-nismus in den Hochlagen.

7 Schlussfolgerungen

An Tagen mit hoher Einstrahlung entwickelt sich einethermisch angetriebene Zirkulation zwischen Alpenund Alpenvorland. Das Phänomen tritt von April bisAugust an 42 % der Tage in ausgeprägter Form und anweiteren 45 % der Tage von März bis Oktober in mä-ßiger Ausprägung auf. Die angesaugte Luft wird überden Nordalpen (zwischen Alpenrand und Inntal) kon-vektiv nach oben gemischt und von der synoptischenStrömung der freien Troposphäre weiter verfrachtet.Alpines Pumpen erfasst auch Gebiete wie die hochin-dustrialisierte Po-Ebene, deren Emissionen somitebenfalls verstärkt in die freie Troposphäre gelangen.Globale Chemie-Transport-Modelle, die eine Gitter-weite von etwa 300 km haben, unterschätzen diese Ver-stärkung des Vertikalaustausches durch Gebirgsräume,weshalb die globalen Budgets von Spurenstoffen im-mer noch unbefriedigend sind (SCHULZ und BEY2004).

Die mit Alpinem Pumpen entstehenden Druckgra-dienten sind im Prinzip geeignet, die numerischen Wet-terprognosemodelle zu verbessern. In diesen Modellenist die Orographie stark geglättet, Erwärmungseffekteauf das in alpinen Tälern reduzierte Luftvolumen wer-den damit zwangsläufig unterschätzt. Dies wirkt sichauch auf Flüsse von Impuls, Feuchte und Wärme undsomit auf den Vertikalaustausch aus, mit entsprechen-den Folgen in der Wolkenbildung und für die Strah-lungsumsetzung in der Atmosphäre. DiesbezüglicheParameterisierungen im Modell können mittels derhier bestimmten Druckgradienten so modifiziert wer-den, dass eine bessere Übereinstimmung mit den be-obachteten Gradienten erreicht wird.

Mit dem Alpinen Pumpen werden Luftbeimengungenaus bodennahen Emissionsgebieten in den Alpenraumverfrachtet. Insbesondere semivolatile, toxische Sub-stanzen können bei niedrigen Temperaturen in denHochlagen wieder kondensieren und tragen hier zurBelastung des Ökosystems bei. Solche Substanzen ak-kumulieren sich in den Hochlagen und bewirken daheroft eine Zunahme der Belastung mit zunehmenderHöhe.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 43-47 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Einleitung

Wer sich den großen Hochplateaus der Erde, demtibetischen Hochland oder dem Altiplano der Anden,durch die zuführenden Täler nähert, wird fast immerdurch die Intensität der Talwinde beeindruckt sein, diesich untertags entwickeln und zu den Hochebenen ge-richtet sind. Nachts ist der gegenläufige Talauswind nurschwach ausgeprägt. Eine naheliegende Erklärung fürdieses Phänomen ergibt sich aus der Einsicht (z. B.FLOHN 1953), dass diese Hochebenen den Tag überals hochgelegene Wärmequellen fungieren. Folglichsollten sie dann relativ niedrigen Bodendruck haben,der solches Einströmen begünstigt. FLOHN (1968) hatRadiosondendaten und Talwindbeobachtungen heran-gezogen, um diese Idee zu quantifizieren (Abb. 6-1). Inseiner schematischen Darstellung in Abb. 6-1 gebendie Pfeile die Differenz der Windrichtung zwischen6:00 h und 18:00 h Ortszeit an. Demnach müsste amMorgen Einströmen zum Plateau herrschen, wobei

Flohn auch auf die Rolle der Pässe hingewiesen hat.Der Zustrom von außen erfolgt auch unterhalb desPlateaus über die „Hänge“. Der Rückstrom findet sichin der Höhe. Gegen Abend dreht die Strömungsrich-tung um. Flohn war sich bewusst, dass Radiosondenda-ten für diese Aufgabe nur bedingt geeignet sind, wiedenn auch das Resultat in Abb. 6-1 der Erfahrung nichtso recht entspricht. Man würde ja eher Ausströmen amMorgen und Einströmen gegen Abend erwarten. Den-noch hat Flohn hier als erster die Zirkulation von Tibetanhand von Daten abgeschätzt.

Erstaunlicherweise hat sich an der Datenlage seitFlohn’s Tagen bis in die 1990er Jahre nur wenig geän-dert. Die seitdem vorliegenden Analysen und Reanaly-sen bringen bezüglich dieser Thematik nur bedingt ei-nen Fortschritt, da ihnen keine Messungen vor Ort zu-grunde liegen und ihre räumliche Auflösung für die Er-fassung von Tal- und Passwinden nicht ausreicht. Fel-der, wie sie MURAKAMI (1981) für Tibet produzierthat, geben sicherlich Aufschluß über die großräumigeUmströmung von Tibet, aber kaum über deren Tages-gang. Andererseits liegen jetzt immerhin relativ detail-lierte Messungen für das Tal des Kali Gandaki vor, ei-nes Flusses, der auf der Südseite des Hochlands von Ti-bet entspringt, südwärts strömend die Himalayakettedurchbricht und schließlich das Tiefland von Nepal er-reicht (EGGER et al. 2002). Dieses Tal zeichnet sichdurch besonders starke Taleinwinde aus. Ferner wurde2003 eine Messkampagne im bolivianischen Altiplanounternommen, bei der der Tagesgang der Winde ansechs Pässen und in einem Tal untersucht wurde(EGGER et al. 2005). Die Ergebnisse dieser Unterneh-mungen werden im folgenden dargestellt und mit denResultaten von Modellrechnungen verglichen, die pa-rallel zu den Messungen durchgeführt wurden(ZÄNGL et al. 2001; ZÄNGL und EGGER 2005).

Thermische Zirkulation von Hochplateaus: Messungund Modellierung

Thermal circulation of grand plateaus: Observations and modelling

J. EGGER

6

ZusammenfassungAn den großen Hochplateaus der Erde bildet sich nahezu täglich eine thermische Zirkulation. Der Zustromwährend des Tages erfolgt vor allem durch die Pässe, die das Hochland mit dem umgehenden Tiefland verbin-den. Beobachtungen dieser Zirkulation werden beschrieben ebenso wie die Ergebnisse entsprechender numeri-scher Rechnungen.

AbstractAt the grand mountain plateaus of the earth thermal circulation patterns form almost daily. The inflow duringthe day occurs through passes which link the plateau with the surrounding low-lands. In this contribution obser-vations of such circulations are described as well as accompanying calculations.

Abb. 6-1: Anhand von Beobachtungen geschätzte thermischeZirkulation des Hochlands von Tibet. Die Pfeile sindals Differenz der Strömung zwischen 06:00 h und18:00 h in cm/s zu verstehen. Die strichlierten Pfeiledeuten Strömungen durch Pässe an (nach FLOHN1968).

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Entscheidend für den Erfolg dieser Messkampagnenwar der Einsatz von ferngesteuerten Modellflugzeugen,die von W. Schäper und S. Lämmlein eigens für dieSituation im Hochgebirge mit Starthöhen von mehr als4000 m über NN entwickelt worden waren. GeringerEnergiebedarf, bzw. geringer Bedarf an Füllgas und ge-ringes Gewicht sind Grundvoraussetzungen für Mess-systeme, die unter so extremen Bedingungen eingesetztwerden sollen. Radiosonden oder Fesselballone schei-den damit aus. Dagegen haben sich die batteriebetrie-benen Flugzeuge mit ~1,30 m Länge und 2,10 m Spann-weite und einem Gewicht von 3 kg ausgezeichnet be-währt (Abb. 6-2). Sie können Sensoren für Druck,Tem-peratur und Feuchte tragen, steigen im Durchschnitt biszu 2000 m Höhe über den Startplatz und kommen nach15 min zurück. Damit sind stündliche Sondierungen gutmöglich. Eine gewisse Einschränkung besteht darin,dass der Flugbetrieb im Hochgebirge hohe Anforde-rungen an die Piloten stellt. Bei der Energieversorgungüber Windgeneratoren kann es gelegentlich zu Engpäs-sen kommen. Diese geringen Nachteile werden mehrals wettgemacht durch die hohe Mobilität und Verläss-lichkeit dieses Messträgers.

2 Messungen im Kali Gandaki

Das Tal des Kali Gandaki (schwarzer Fluß) verbindet,Tibet mit dem tiefer gelegenen Teil von Nepal (Abb. 6-3). Der Fluß durchströmt zunächst das Becken von Mus-tang, einen Einbruchgraben von 15–20 km Breite undgeringer Neigung, und trifft bei Marpha auf die Kettedes Himalaya, die er in einer gut begehbaren Schluchtdurchquert. Der Taleinwind setzt am späten Vormittagsowohl in der Schlucht als auch in Marpha und Jomsomein. Messungen mit Pilotballonen zeigen (Abb. 6-4), dasssich die Winde zunächst in Bodennähe entwickeln, dannstärker werden und eine immer tiefere Schicht erfassen.Am Nachmittag sind Geschwindigkeiten von 15 m/s dieRegel. Durch das Aufstellen von Dauerstationen längsdes Tals gelang es nachzuweisen, dass das Talwindregimeumso später einsetzt, je näher man sich bei Tibet befin-det. Die zugehörige Geschwindigkeit des Vormarschesdes Talwindregimes beträgt ~5 m/s. Dieser Befund liefertbereits einen Hinweis darauf, dass diese Talwinde primärnicht durch etwaigen tiefen Druck über Tibet hervorge-rufen werden, das ~100 km weiter im Norden liegt. Indiesem Falle wäre eine südwärts gerichtete Ausbreitungdes Talwindsystems zu erwarten.

Die erste Messkampagnen von 1998 musste ohneMessflugzeuge auskommen, so dass nur Windprofilevermessen werden konnten (EGGER et al. 2000).

J. Egger: Thermische Zirkulation von Hochplateaus

Abb. 6-2: Der Prototyp Kali mit dem Konstrukteur W. Schäper(oben). Der Pilot benutzt während des Fluges spe-zielle Ferngläser, um das Flugzeug bei Höhen vonmehr als 1000 m gut verfolgen zu können (unten).

Abb. 6-3: Karte des Kali-Gandaki-Tals mit Höhenlinien (m).Flugzeugaufstiege wurden bei den schwarzen Punk-ten durchgeführt. Dauerstationen waren bei denKreuzen eingerichtet. Die Grenze zu Tibet befindetsich nahe dem nördlichen Kartenrand.

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Simulationen mit dem Modell MM5 (ZÄNGL et al.2001) ergaben eine erstaunlich gute Übereinstimmungder Rechenergebnisse mit diesen Messungen. Fernerlegten die Simulationen nahe, dass man am Taleingangbei Marpha mit einer schießenden Strömung zu rech-nen hat. Abb. 6-5 zeigt die Situation am Nachmittag,wo sich bei Jomsom ein bodennahes Starkwindbandbildet. Die Isentropen verlaufen in der Schlucht (Tu-kuche-Marpha) halbwegs bodenparallel und steigendann ab mit entsprechenden Beschleunigungen. In derSchlucht ist eine Art Inversion zu finden, nördlich von

ihr ist die Talwindschicht stabil geschichtet. Eine ent-sprechende Vertikalsondierung vor Ort ist in Abb. 6-6zu sehen, die Profile der potentiellen Temperatur undder spezifischen Feuchte für einen Nachmittagsterminin Jomsom zeigt, der sich gut mit Abb. 6-4 vergleichenlässt. Die Talwindschicht ist den untersten 1000 m na-hezu neutral geschichtet. Von einer Inversion ist nichtszu sehen, wiewohl in Jomsom auch Profile mit ausge-prägter Inversion gefunden wurden. Die Windmessun-gen ergaben ähnliche Profile wie in Abb. 6-4. Auchzeigte sich, dass die Windgeschwindigkeit in derSchlucht deutlich geringer ist als in Marpha und Jom-som. Insofern wird Abb. 6-5 durch die Messungenhalbwegs bestätigt, auch wenn die Simulation derStruktur des Temperaturfeldes zu wünschen übriglässt. Doch ergibt sich klar, dass die Hauptbeschleuni-gung der Talwinde beim Übergang aus der Schlucht indas Mustangbecken entsteht. Entsprechend muss derdurch die Erwärmung des Mustangbeckens hervorge-rufene Druckunterschied etwa zwischen Jomsom undder freien Atmosphäre südlich der Schlucht einHauptgrund für das Einsetzen der Talwinde sein. Ganzreicht diese Erklärung aber nicht hin, da die Simula-tionen gezeigt haben, dass für gute Rechenergebnissedie Berücksichtigung der Feuchte südlich des Hima-layas wichtig ist.

Insgesamt folgt aus der Messkampagne, dass die star-ken Taleinwinde zwar Teil des thermischen Zirkula-tionssystems des riesigen Gebirgskomplexes von Tibetsamt angrenzender Regionen sind, sich aber nicht der

J. Egger: Thermische Zirkulation von HochplateausH

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Abb. 6-5: Isentropen (Isolinienabstand 1 K) und Windvektorenin einem von Südwesten nach Nordosten orientiertenQuerschnitt längs des Kali-Gandaki-Tals um 15:00 hin einer numerischen Simulation von ZÄNGL et al.(2001). Schattierung: Windgeschwindigkeit in Schrit-ten von 5 m/s, wobei das dunkle Feld Geschwindig-keiten > 20 m/s beinhaltet. Zur Lage der Ortschaftenvgl. Abb. 6-3.

Abb. 6-4: Profile des Taleinwindes v (in m/s) in Marpha zu ver-schiedenen Zeiten am 25.9.1998.

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Gru

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Mischungsverhältnis in g/kg

Abb. 6-6: Profile der potentiellen Temperatur (K; Aufstieg dun-kle Linie; Abstieg punktiert) und des Mischungsver-hältnisses (g/kg; Dreiecke mit Spitze nach oben/un-ten) am 19.3.2001 um 14:00 h in Jomsom.

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Existenz der Hochebene selbst verdanken. Dieses Er-gebnis wird durch weitere Rechnungen gestützt(ZÄNGL et al. 2001), in denen die Topographie bis zurGrenze von Tibet realistisch vorgegeben, die Hochebe-ne von Tibet selbst aber entfernt wurde. Diese drasti-sche Änderung hatte fast keinen Einfluss auf die Tal-winde bei Marpha und Jomsom.

3 Messungen im Altiplano

Anders als beim Kali Gandaki haben sich im Altiplanodie Messungen auf Passwinde konzentriert, um so diethermische Zirkulation einer Hochebene zu erfassenund nicht die von zuführenden Tälern. Auch wenn die-se Messungen nicht immer unter einem günstigenStern standen – Schneefälle, politische Unruhen undstarke Überströmung haben die Messungen an dreiPässen behindert – so gelang es doch, erstmalig dieseZirkulation direkt nachzuweisen. Abb. 6-7 zeigt dasGelände an einem Pass im Süden Boliviens, jenseitsdessen das Gelände nach Westen um gut 2000 Meterzur Atacamawüste abfällt. Der Startpunkt des Ballonsebenso wie die nördlich gelegene Laguna Ramaditaliegen auf dem Altiplano, einer erstaunlich flachenHochebene von etwa 200 km Ost-Westerstreckungund einer Ausdehnung von etwa 1000 km in nordsüd-licher Richtung. Die Geländehöhe liegt durchweg über4000 m. Am Morgen befand sich eine ausgeprägte In-version über dem Becken. Am Vormittag des Messta-ges entwickelte sich zunächst östlicher Hangaufwind inRichtung des Passes zwischen den Vulkanen. AmNachmittag setzte sich die thermische Zirkulation desAltiplano durch mit Westwinden bis in eine Höhe vonetwa 800 m über Grund. Die Hangwinde werden durchdas Einströmen vom Pass her unterdrückt. Der Ballongeriet über dieser Westwindschicht in eine Zone öst-licher Winde, die vermutlich dem auswärts gerichtetenAst der thermischen Zirkulation der Hochebene (sie-he Abb. 6-1) zuzuordnen ist. Darüber traf der Ballonerneut auf eine westliche Strömung, die dem schwa-chen großräumigen Windfeld angehört.

Das Profil der potentiellen Temperatur zeigt, dass diekonvektive Grenzschicht mehr als 2000 m mächtig istund somit die das Altiplano begrenzenden Bergkettenübersteigt. Die begleitenden Rechnungen haben erge-ben, dass die thermische Zirkulation des Altiplano anden Pässen ihren Ausgang nimmt und der Zustrom vonaußen, nicht unähnlich einem Land-Seewind-System,allmählich ins Innere der Hochebene fortschreitet. Eszeigt sich aber auch, dass die Hangwindzirkulationenan den Abhängen des Altiplano sowohl nach Osten alsnach Westen auf den Zustrom in die Hochebene fastkeinen Einfluss haben. Dies entspricht dem Befund,dass die Winde im Tal des Kali Gandaki durch die Exis-tenz des Plateaus von Tibet kaum beeinflusst werden.

Die Erstellung von Massenbilanzen aufgrund vonMessungen, wie sie FLOHN (1968) vorschwebte, ist

angesichts der komplizierten Topographie des Altipla-no kaum möglich, doch bieten die Simulationen vonZÄNGL und EGGER (2005) einen gewissen Ersatz.Die errechneten Windprofile für die einzelnen Pässe

J. Egger: Thermische Zirkulation von Hochplateaus

Abb. 6-7: Terrainhöhe (m über NN) und TheodolitenbasisT1 - T2 in der Nähe des Laguna Ramadita (LR) imsüdwestlichen Teil des Altiplano. Die Punkte gebendie Trajektorie eines Ballons an, der am 8. August um14:56 Lokalzeit gestartet wurde. Der Stern bezeichnetden Endpunkt in 8126 m Höhe über dem Startpunkt.

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Massenfluss in kg m2 s-1

Abb. 6-8: Massenfluss in das Altiplano als Funktion der Höheüber Grund für verschiedene Tageszeiten. Die Mas-senflüsse in kg m2 s-1 sind mittlere Werte, die für dieHöhe des Altiplano mit einem Faktor 0,8 auf Ge-schwindigkeiten in m/s umgerechnet werden können(nach ZÄNGL und EGGER 2005).

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liegen immerhin so nahe an der gemessenen, dass eineMassenbilanz für das Altiplano aufgrund der numeri-schen Resultate als vernünftige Schätzung der wahrengelten kann. Abb. 6-8 zeigt den Zustrom in den bolivi-anischen Teil des Altiplano als Funktion der Höheüber dem Altiplano und der Tageszeit. Man sieht, dassum 9:00 h morgens, also drei Stunden nach Sonnenauf-gang, leichtes Ausströmen in Bodennähe zu finden ist.Gegen Mittag wird das Einströmen in einer etwa 1 kmmächtigen Schicht deutlich, wobei, was aus Abb. 6-8nicht direkt zu ersehen ist, das Gros des Zustromsdurch die Pässe erfolgt. Um 15:00 h ist auch der Rück-strom gut entwickelt. Der Zustrom ist nicht mehr aufdie Pässe beschränkt. Der abendliche Abbau der Zir-kulation schreitet zügig voran.

4 Schlussbemerkung

Die thermische Zirkulation der großen Hochebenenist mit dem Phänomen des alpinen Pumpens (WINK-LER et al; Kapitel 5 in diesem Heft) verwandt, bei demman ja auch am Tage Einströmen in die Gebirgsregionhat, wobei die Täler bevorzugte Pforten des Zustromssind. Doch sieht man den entscheidenden Unterschiedsofort anhand eines Gedankenexperiments. Man ver-setze das Altiplano samt seinen Randgebirgen undPässen auf Meereshöhe und lasse es von einer großenEbene umgeben sein. Diese Struktur würde tagsüberkeinerlei großräumige thermische Zirkulation auslö-sen, während das Alpine Pumpen auch in der Poebeneseine Wirkung zeigt, die fast auf Meereshöhe liegt.

Die Erforschung des Tagesgangs der thermischen Zir-kulation von Hochebenen hat auch ihre angewandteSeite. Verlässliche und kräftige Windsysteme eignensich für den Einsatz von Windgeneratoren. Ein ent-

sprechender Versuch in Kagbeni vor etwa 15 Jahren istzwar fehlgeschlagen, wohl wegen der extremen Ver-hältnisse in puncto Böigkeit und Staub. Doch darf manvermuten, dass die Gewinnung von Windenergie inBolivien bald etabliert sein wird.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 48-53 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Das Problem

Die Atmosphäre tauscht an Gebirgen Drehimpuls mitder Erde aus. Dieser Austausch spiegelt sich nicht nurin der Um- und Überströmung der Gebirge, sondernbeeinflusst auch die globale Zirkulation. Dabei ist

m = ρ ( u + � a cos � ) a cos � (1)

der Beitrag einer Volumeneinheit zur axialen Kompo-nente des Drehimpulses, wobei ρ die Dichte, u dieWindgeschwindigkeit in zonaler Richtung, a der Erd-radius, � die Breite und � = 2�/Tag. Ein Austauschvon atmosphärischem Drehimpuls mit der Erde kannals Änderung von u zu Buche schlagen, also als Be-schleunigung oder Abbremsung der Zonalwinde, magaber auch zu Änderungen der Massenverteilung füh-ren.

Zur Einführung in die Austauschvorgänge betrachtenwir einen meridional orientierten Berg der Höheh = 1000 m, der Länge Dy = 1000 km und der Breite100 km, dessen Wände senkrecht von einer Hochebe-ne nach allen Seiten abfallen (Abb. 7-1). Der Berg wirdvon Westen mit der Geschwindigkeit U angeströmt.Der Luftdruck pw an der Westwand sei um 10 hPa hö-her als der an der Ostwand po. Die Atmosphäre suchtsomit den Berg nach Osten zu beschleunigen und soll-te umgekehrt eine Beschleunigung nach Westen erfah-ren. Um diese zu bestimmen, ziehen wir zunächst dieverstümmelte Gleichung für zonalen Impuls

(2)

heran, wo ρS = 1 kg/m3 als konstant angenommen sei.Die Erdrotation ist in Gl. (2) vernachlässigt. Integra-tion von Gl. (2) über ein Kontrollvolumen V(V = H Dx Dy; H = 10 km; Höhe der Atmosphäre) der

Breite Dx = 200 km, das gemäß Abb. 7-1 den Berg ein-schließt, liefert

, (3)

wobei p1 (p2) der Druck am rechten (linken) Gebiets-rand ist. Die Druckdifferenz (p1 - p2) verschwindeoberhalb des Gebirges und hänge unterhalb nicht vonder Höhe ab. Wir schätzen die Masse der Luft in V aufM L ~ 104 Dx Dy ~ 2 x 1015 kg. Somit wird über denDruckunterschied am Berg eine Kraft von 1012 N aufdiese Masse ausgeübt, der einer Abbremsung

~ – 5 x 10-4 m/s2 entspricht. Diese würde in einemdt

dU

( ) ( ){ } ywoL Dhppppdt

dUM 21 −−−=

x

p

dt

dUS ∂

∂−=ρ

Austausch von atmosphärischem Drehimpulsan Gebirgen

Mountain-induced transfer of atmospheric angular momentum

J. EGGER, K.-P. HOINKA

7

ZusammenfassungAn Gebirgen tauscht die Atmosphäre Drehimpuls mit der Erde aus. Die zugehörigen Prozesse werden an einemeinfachen Beispiel diskutiert und anhand von Beobachtungen illustriert. Weiter wird die Bedeutung dieses Aus-tauschs für die globale Zirkulation kurz beleuchtet.

AbstractAlong mountain ranges the atmosphere exchanges angular momentum with the solid earth. The acting mecha-nisms are discussed for a simple example and become illustrated through observations. Furthermore the rele-vance of the exchange for the global atmospheric circulation is mentioned.

Abb. 7-1: Schematische Darstellung zur Entstehung von oro-graphischen Drehmomenten. Gezeigt ist ein kubi-sches Hindernis in einem Kontrollvolumen (gestri-chelt). Der Druck beträgt po, pw an den Bergwändenund p1, p2 an der Berandung des Kontrollvolumens,das bis in die Stratosphäre reicht.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 49

Tag eine Verminderung von U um 43 m/s im Kontroll-gebiet hervorrufen. Dies ist ein enorm hoher Wert,wiewohl der angenommene Druckunterschied von10 hPa keineswegs unrealistisch ist. Man mag einwen-den, dass der Druckunterschied (p1 - p2) an der Beran-dung von V diesen Effekt zumindest teilweise aufhe-ben kann. Doch auch dann können erstaunlich starkeAbbremsungen übrig bleiben, Grund genug, um sichum den Einfluss von Druckunterschieden an Bergenauf den Impuls der Atmosphäre zu kümmern.

Das genannte Beispiel wirft sofort folgende Fragenauf:1. Ist die Berechnung des Bergeffekts gemäß Gl. (3)

allgemein richtig?2. Ist Gl. (2) adäquat? Darf man die Erddrehung ver-

nachlässigen? Spielen Impulsflüsse eine Rolle?3. Wodurch entstehen die Druckunterschiede am

Berg?4. Ist die Wahl des Kontrollgebiets wichtig?

Auch wenn eine eingehende Behandlung dieser Punk-te im Rahmen dieses Hefts unmöglich ist, so wird dochim folgenden Abschnitt versucht auf die Fragen 1 bis 4zu antworten. Diese Antworten werden im dritten Ab-schnitt anhand von Beobachtungen illustriert. Derletzte Abschnitt behandelt die globale Bedeutung derGebirgseffekte.

2 Antworten

Zur ersten Frage lässt sich sagen, dass die vorgenom-mene Berechnung des Druckeffekts auch bei realisti-schen Berghöhen h(x, y) halbwegs richtig ist. Man hatden Druckgradienten über das Volumen des Kontroll-gebiets zu integrieren und erhält anstelle des Aus-drucks {(p0 - pw) h Dy} in Gl. (3) die Kraft

(4)

mit Bodendruck pB und S als Bodenfläche des Kon-trollvolumens. Fällt der Bodendruck über den Bergennach Osten hin ab, so wird einer nicht rotierenden At-mosphäre zonaler Impuls entzogen. Analog kann mandie zweite Bewegungsgleichung heranziehen. Dann istTλ durch eine Kraft

(5)

zu ersetzen, die in die meridionale Richtung weist.Auch Meridionalimpuls kann an Bergen ausgetauschtwerden.

Die zweite Frage ist zu verneinen. Man mag die Erdro-tation vernachlässigen, wenn es sich um Hügel oderkleine Gebirgsstöcke handelt, doch spielen Impulsflüs-se in der Bilanz immer eine Rolle. Impuls wird in das

Kontrollgebiet hinein transportiert und ebenso auchheraus. Dieser Transport kann mit Massenflüssen ver-bunden sein, doch können auch Wellen Impuls trans-portieren. Die Flüsse können sowohl die seitlichen Be-randungen nutzen als auch den Deckel des Kontroll-volumens. So zielen viele der Arbeiten zum Impul-stransport durch Schwerewellen auf vertikale Wellen-ausbreitung (BOUGEAULT et al. 1993).

In der Regel ist auch die Erdrotation zu berücksichti-gen. Im rotierenden Koordinatensystem wird derKraftvektor durch den Drehmomentvektor („torque“)ersetzt und der Impulsvektor geht entsprechend in denDrehimpulsvektor („angular momentum“) über. Ins-besondere bietet Gl. (1) den Beitrag eines Einheitsvo-lumens zur axialen Komponente des Drehimpulses inRichtung der Erdachse.

In Gl. (1) ist (u + � a cos �) die Zonalgeschwindigkeitin einem nicht rotierenden Absolutsystem und derFaktor (a cos �) gibt den Abstand zur Erdachse an. Esgilt

(6)

(�3 Nablaoperator auf der Kugel; v Geschwindigkeits-vektor), wobei auf die Repräsentation subskaliger Tur-bulenz- und Reibungseffekte verzichtet sei. Der ver-traute Coriolisterm – f v, mit f = 2 � sin �, ist in Gl. (6)enthalten.

Die Gl. (6) bildet die Grundlage für alle Studien zuraxialen Komponente der globalen Drehimpulsbilanz.Die Form des Terms Tλ in Gl. (4) ändert sich beimÜbergang zur Gl. (6) nur geringfügig, indem die

Druckableitung durch zu ersetzen und die Flä-

chenintegration auf der Kugel auszuführen ist. Diesergegenüber Tλ modifizierte Term ist dann ein Drehmo-ment und wird gewöhnlich mit der Einheit Had-ley = 1018 kg m2 s-2 = 1018 J angegeben. Setzt man fürdas Beispiel in Abb. 7-1 Verhältnisse in mittleren Brei-ten an, so ergibt sich nach Multiplikation von Tλ mitdem Abstand (a cos �) von der Erdachse ein Drehmo-ment von 4 bis 5 Hadley.

Es gibt noch zwei weitere Komponenten des Dre-himpulsvektors, die in der Äquatorialebene einge-bettet sind, die sog. „äquatorialen“ Komponenten.Diese erfassen den Drehimpuls von Meridionalbe-wegungen und haben Bilanzgleichungen, die etwaskomplizierter sind als Gl. (6). Sie werden im Folgen-den nur streifend behandelt, da ihre Diskussion nichtergiebig ist.

Die Frage nach der Herkunft der Druckunterschiedeam Berg (Frage 3) ist einerseits trivial. Das Boden-druckfeld weist überall auf der Welt Gradienten auf

λ∂∂p

( )λ∂

∂−=⋅∇+∂∂ p

mmt

v3

∫ ∂∂=

S

B hdxdyy

pTϕ

∫ ∂∂=

S

B hdxdyx

pTλ

J. Egger, K.-P. Hoinka: Austausch von atmosphärischem Drehimpuls an Gebirgen

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200650

und so auch in Bergregionen. Damit hat man automa-tisch Drehmomente. Doch können Berge Schwerewel-len, Trägheitsschwerewellen und Rossbywellen anre-gen, die ihrerseits das Druckfeld beeinflussen undDrehimpuls durch die Ränder des Kontrollgebietstransportieren. Obendrein erzwingen die Berge eineUmströmung, die nahezu automatisch Drehimpuls-transporte vollführt. Entsprechend spiegelt sich in denbeobachteten Werten der Drehmomente auch die Um-strömung der Berge.

Die Wahl des Kontrollgebietes (Frage 4) ist frei. Aller-dings muss man, um die Tendenz des Drehimpulses ab-zuschätzen, die Flüsse durch die Berandung ebensokennen, wie die Druckverteilung an der Berandungdes Integrationsgebiets. Das war bei unserer anfäng-lichen Abschätzung nicht der Fall. Die errechnete star-ke Impulsentnahme aus dem Kontrollvolumen ist Fol-ge der Vernachlässigung der Flüsse über die Beran-dung des Kontrollvolumens und der Drücke p1, p2. Fürdie Wahl eines globalen Kontrollgebiets spricht, dassman dann die Transporte nicht zu kennen braucht.Auch ist dann p1 = p2.

3 Beobachtungen

Die vielleicht genaueste und umfassendste Impulsbi-lanz wurde im Rahmen des Projekts PYREX (BOU-GEAULT et al. 1993; vgl. auch VOLKERT; Kapitel 8 indiesem Heft) erstellt für ein Kontrollvolumen, das denöstlichen Teil der Pyrenäen überdeckt. Die Pyrenäensind west-östlich orientiert. Entsprechend beeinflussensie den Impuls der meridionalen Windkomponentemehr als den der zonalen, so dass Gl. (5) heranzuziehenist. An sich müsste sich eine Bilanzierung dann auf dieErhaltungsgleichungen für die äquatorialen Kompo-nenten des Drehimpulses stützen. Doch sind die Ab-messungen der Pyrenäen so geartet, dass eine lokaleBetrachtungsweise ausreicht und Gl. (5) herangezogenwerden kann. Abb. 7-2 zeigt eine Schätzung von T�, dieauf Druckmessungen längs einer nord-südlich orien-tierten Mess-Strecke beruht. Die Werte sind in Pa an-gegeben und müssten mit der Gesamtfläche der Pyre-näen multipliziert werden, um T� gemäß Gl. (5) zu ent-sprechen. Das führt bei Spitzenereignissen auf Werte,die etwa ein Zehntel des im Zusammenhang mitAbb. 7-1 genannten Beispielwerts betragen. PositiveWerte in Abb. 7-2 zeigen an, dass positiver meridiona-ler Drehimpuls auf die Atmosphäre übertragen wird.Diese Übertragungsraten schwanken mit der synopti-schen Entwicklung. Relativer Tiefdruck in Spaniengegenüber Frankreich entspricht positiven Werten.

Die Impulsbilanzierung für die Pyrenäen wurde vonBOUGEAULT et al. (1993) nicht in Drehimpulsformvorgenommen, sondern für die meridionale Impuls-gleichung. Dies führt dazu, dass in der Bilanz das oro-graphische Drehmoment fast ausschließlich durch denCoriolisterm ausgeglichen wird. Das ist nicht sonder-

lich überraschend. Erweitert man Gl. (2) um den Co-riolisterm zu

(7)

und spaltet

v = vg + vag

in einen geostrophischen und einen ageostrophischenAnteil auf, so liefert eine angenäherte Integration derDefinitionsgleichung

(8)

über das Kontrollvolumen die Beziehung

, (9)

wobei wieder angenommen wird, dass oberhalb desBerges die Druckdifferenz (p1 – p2 ) verschwindet undunterhalb nicht von der Höhe abhängt. Wenn die Dif-ferenz der Randdrücke relativ klein ist, so gleicht derCoriolisterm allein schon fast das orographische Dreh-moment aus. BOUGEAULT et al. (1993) haben somitnachgewiesen, dass ein großer Anteil des orographi-schen Drehmoments durch Transporte von Drehimpulsmit der synoptischen Strömung ausgeglichen wird. Dieverbleibende Tendenz der meridionalen Windkompo-nente ist relativ klein. Es konnte ferner gezeigt werden,dass durch die Pyrenäen angeregte Schwerewellen beieinzelnen Ereignissen Meridionalimpuls zu den Pyre-näen heruntertransportieren. Insgesamt unterstützendie Ergebnisse von PYREX die Sicht, dass sich derTransfer von Drehimpuls an Gebirgen nur bedingt inÄnderungen der Windgeschwindigkeit niederschlägtund hauptsächlich durch Transporte aufgefangen wird.

( ) ( ){ }∫ −−−= ywogS hDppppdvfv 21ρ

x

pvf gS ∂

∂−=ρ

x

pvf

dt

dUSS ∂

∂−=− ρρ

J. Egger, K.-P. Hoinka: Austausch von atmosphärischem Drehimpuls an Gebirgen

Abb. 7-2: Abschätzung des durch den östlichen Teil der Pyre-näen ausgeübten meridionalen Drehmoments. Dieangegebenen Werte in Pa müssen mit der Grundflä-che multipliziert werden, um T� zu erhalten. Die ein-zelnen Punkte repräsentieren die Schätzung, die sichausschließlich auf Messungen des Bodendrucks inPau (Frankreich) und Zaragossa (Spanien) stützen(aus BOUGEAULT et al. 1993).

Dru

ckw

ider

stan

d in

Pa

Tage

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 51

Die Entstehung von Situationen mit orographischenDrehmomenten wird gut durch Abb. 7-3 (c, d) beleuch-tet, wo die berechnete Regression des Bodendrucks inder Umgebung von Grönland auf das zonale Drehmo-ment von Grönland für zwei zeitliche Verschiebungen �gezeigt ist. Ist � = 0 wie in Abb. 7-3c, so sieht man einBodendruckmuster, das typisch ist für gleichzeitigenpositiven Drehimpulsaustausch an Grönland. Es findetsich ein Tief in der Nähe der Südspitze und ein Hochim Nordosten. Nach Gl. (4) ist klar, dass bei dieserDruckverteilung Drehimpuls auf die Atmosphäreübertragen wird. Zwei Tage nach dem Austauschereig-nis (� = 2 Tage) hat sich das Hoch nach Osten verlagertund befindet sich über dem Nordatlantik, aber mit ver-ringerter Stärke. Der Austausch von Drehimpuls hatfast aufgehört. Die entsprechenden Druckfelder in ei-ner Höhe von 5,5 km (Abb. 7-3a, b) zeigen bei Ver-schiebung � = 0 einen Hochkeil über Grönland, dergegenüber dem Bodenhoch in Abb. 7-3c nach Westenverschoben ist. Zwei Tage später findet sich der Keilebenfalls weiter im Osten.

Die Bilanzierung des Drehimpulses für das in Abb. 7-3gezeigte Kontrollgebiet ergibt, dass der Drehimpulsbei Verschiebung 0 ein Minimum hat. Der bis dahinübertragene Drehimpuls ist aus dem Kontrollgebietheraus transportiert worden. WEICKMANN (2003)hat ähnliche Analysen schon früher durchgeführt. Erhat Bodendruckfelder und Höhenkarten mit täglichenDaten des durch den eurasischen Gebirgsstock ausge-übten Drehmoments korreliert. Drei Tage vor dem Er-eignis eines negativen Drehmoments findet man nie-deren Druck nördlich von Tibet und hohen Drucknördlich des Kaspischen Meeres. Zum Termin selbsthat sich das Bodentief auf die Ostseite des Plateausverlagert und das Hoch findet sich im Westen. Wir ha-

ben also gerade die mit in Abb. 7-1 angesprochene Si-tuation, wo der Druckgradient über dem Gebirge ne-gativ ist. Nach weiteren drei Tagen ist das Tief nachSüdosten abgezogen, das Hoch hat sich aufgespalten.In der 200 hPa-Fläche zieht eine zyklonale Störungüber Tibet hinweg, die zunächst mit dem Bodentief ge-koppelt zu sein scheint, dann sich aber davon trennt.Man muss die gezeigte Entwicklung wohl auch hier sodeuten, dass barokline Rossbywellen über Tibet hin-wegziehen.

4 Globale Effekte

Mögen die oben gezeigten Beispiele für sich auch ganzeindrucksvoll sein, so werfen sie doch die Frage auf, wodenn der übertragene Drehimpuls geblieben ist. EinGroßteil, so zeigen es die Analysen, wird ja aus demGebiet heraustransportiert, doch muss er der globalenZirkulation erhalten bleiben. Dies lässt sich durch Bil-anzierung des globalen Drehimpulses nachweisen, wo-bei hier wieder nur die axiale Komponente betrachtetwerden soll

, (10)

mit V als Volumen der Erdatmosphäre. Da Transportein der globalen Bilanz keine Rolle spielen, gilt

(11),

wobei wir das durch Bodenreibung erzeugte zonaleDrehmoment Fλ weiter nicht diskutieren wollen. Wel-che Bedeutung hat nun Gl (11) in der globalen Bi-lanz? In den obigen Betrachtungen haben wir uns aufdie axiale Komponente Mz (vereinfacht M) des Dreh-impulsvektors M beschränkt. Eine Variation der axia-len Komponente in Gl. (11) ist verbunden mit einerÄnderung der Rotationsgeschwindigkeit der Erdeund damit einer Schwankung der Tageslänge, die um10-3 s betragen kann. Eine zonale Überströmung vonGrönland, wie im Abschnitt 3 diskutiert, kann dazubeitragen. Variationen der äquatorialen Komponen-ten von M sind an Polbewegungen geknüpft. Ereig-nisse, wie die oben geschilderte Überströmung der Py-renäen und die von Grönland tragen zu Polbewegun-gen bei.

Im Folgenden wird die Entwicklung des globalenDrehimpulses und dessen Abhängigkeit vom globalenorographischen Drehmoment betrachtet. Die Auto-korrelation des Drehmoments M, also die Korrelationder Zeitreihe des Drehmoments mit sich selbst, abereine Zeitreihe um das Zeitintervall � verschoben, gibtAuskunft, wie lange das Drehmoment im Durchschnittwirkt. Die Kreuzkorrelation zwischen Drehmoment Mund Drehimpuls Tλ beschreibt das gegenseitige Wech-selspiel.

λλ FTdt

dM +=

dVmMv∫=

J. Egger, K.-P. Hoinka: Austausch von atmosphärischem Drehimpuls an Gebirgen

Abb. 7-3: Regression in hPa zwischen dem Druck auf Meeres-höhe (c, d) sowie in 5,5 km Höhe (a, b) und zonalemorographischem Drehmoment von Grönland für Ver-schiebungen von � = 0 (a, c) und � = 2 Tagen (b, d);Isolinienabstand 1 hPa. Die Regression wurde mitHilfe von ERA40-Daten für alle Wintertage (DJF)der Periode 1958–2001 bestimmt. Gebiete mit Höhenüber 500 m sind schwarz gezeichnet. Die grauen Zo-nen enthalten negative Werte.

V

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200652

Die in Abb. 7-4 vorgestellte Autokorrelationsfunktionvon Tλ zeigt, dass globale orographische Drehmomen-te rasch zerfallen. Das ist nicht überraschend, da jaAbb. 7-2 bis 7-4 schon belegen, dass das Drehmomenteinzelner Gebirgsstöcke nach ein paar Tagen stark ab-geklungen ist. Die Kreuzkovarianzfunktion von Dreh-moment (Tλ) und Drehimpuls (M) zeigt dann deutlich,dass der globale Drehimpuls nach der Aktion eines po-sitiven orographischen Drehmoments zunimmt, umnach etwa drei Tagen ein Maximum zu erreichen. Et-was verblüffend sind die doch recht deutlichen negati-ven Werte der Korrelation für negative Verschiebun-gen. Demnach hat der globale Drehimpuls etwas ge-ringere Werte als normal ein paar Tage vor einem Er-eignis mit positivem orographischem Drehmoment.Eine schlüssige Erklärung für dieses Phänomen gibt esbisher nicht.

Was lokal unmöglich war, nämlich die Änderungen deslokalen Impulses aus den Drehmomenten zu bestim-men, das ist global möglich. Dabei gilt die Regel, dassder Großteil der Drehmomente auf Änderungen derzonalen Windfelder entfällt. Wirkt ein Drehmomentvon 10 Hadley für zehn Tage auf die Atmosphäre undhat man dort das zonale Windprofil uo cos �, so ändertsich uo um 1 m/s. Typische Ereignisse von globalemDrehimpuls haben Werte von ~ 20 Hadley, dauern abergemäß Abb. 7-3 nur ein paar Tage. Dementsprechendwürde sich uo bei so einem Ereignis um etwa ± 0,5 m/sändern.

Schließlich sei noch auf die Frage eingegangen, bis zuwelchen Höhen der Einfluss der Gebirge zu spüren ist.Die Darstellung in Abb. 7-5 gibt dazu eine Antwort inVektorform. Die Horizontalkomponente eines Vektors

misst die Kovarianz des globalen orographischenDrehmoments mit dem globalen Drehimpuls für eineSchicht von 1000 m Tiefe in der angegebenen Höhe.Die Vertikalkomponente gibt die Kovarianz des Verti-kalflusses von Drehimpuls mit dem Drehmoment. DieAbszisse gibt die Verschiebung τ an, wie sie in den Ko-varianzfunktionen auftritt. Dann sagt Abb. 7-5 zumBeispiel, dass 5 Tage vor dem Ereignis eines Drehim-pulseintrags die Störung des globalen Drehimpulses inder unteren Troposphäre negativ ist, man wenigerDrehimpuls hat als normal. Ferner ist der Vertikalflussschwach, da ja der Vektor nahezu exakt nach links ge-richtet ist. Wir nehmen an, dass für die Verschiebungτ = 0 positiver Drehimpuls übertragen wird. Man siehtdann sehr gut, dass nahe τ = 0 deutlich positive Flüsseeinsetzen, die den Impuls nach oben tragen und min-destens bis zu Höhen von 15 km für Zunahmen desDrehimpulses sorgen, wie sie dort durch die Drehungnach rechts angezeigt werden. Für diesen Transport-vorgang können wohl nur Rossbywellen die Hauptver-antwortung tragen. Anschließend zerfällt dieser Effektwieder. Die Pfeillängen nehmen mit zunehmendem τab. Die Pfeile bekommen eine abwärts gerichteteRichtung. Die Dynamik dieser Zerfallsvorgänge wur-de bisher kaum untersucht.

Ein gewisses Gefühl für die Horizontaltransporte, diemit orographischen Drehmomenten verbunden sind,wird durch Abb. 7-6 vermittelt. Dieses Bild wurdemittels Drehimpulsbilanzen von zonalen Gürteln einerNord-Süd-Erstreckung von 1000 km gewonnen. Für je-den dieser Gürtel gibt Abb. 7-6 die Kreuzkovarianz-funktion zwischen orographischem Drehmoment unddem Drehimpuls in diesem Gürtel wieder. Wenn hori-zontale Flüsse keine Rolle spielen würden, dann müs-sten alle Kovarianzfunktionen parallel zu der globalenin Abb. 7-4 verlaufen, d. h. nach einer negativen Phasefür τ < 0 müsste es zu einem raschen Anstieg für τ > 0

J. Egger, K.-P. Hoinka: Austausch von atmosphärischem Drehimpuls an Gebirgen

Abb. 7-4: Autokorrelationsfunktion des globalen orographi-schen Drehmoments in Hadley2 als Funktion der po-sitiven Verschiebung (�) in Tagen und Kreuzkorrela-tionsfunktion von globalem orographischem Drehmo-ment und globalem Drehimpuls für – 20 ≤ � ≤ 20 Tagein Hadley2 s1 (nach EGGER und HOINKA 2002).

Abb. 7-5: Darstellung der Reaktion der globalen Atmosphäreauf orographische Drehmomente T als Funktion derHöhe (km) und der Verschiebung τ (Tage). Die hori-zontale Komponente eines Vektors bezeichnet die Ko-varianz von T mit dem Drehimpuls in der angegebe-nen Höhe. Die Vertikalkomponente steht für den ver-tikalen Fluss (nach EGGER und HOINKA 2004).

Höh

e in

km

τ (Tage)

Verschiebung in Tagen

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 53J. Egger, K.-P. Hoinka: Austausch von atmosphärischem Drehimpuls an Gebirgen

kommen mit einem Maximum bei 3–4 Tagen. Die deut-lichste Abweichung von diesem Muster findet sich inden mittleren Breiten der Nordhemisphäre, wo der An-stieg des Drehimpulses zu positiven Werten für τ > 0teilweise ganz entfällt. Das ist nur möglich, wenn dieFlüsse den über das Gebirge gewonnenen Drehimpulsin andere Gürtel schaffen. So belegt Abb. 7-4 die großeBedeutung der meridionalen Flüsse des Drehimpulses.

5 Schlussbemerkungen

Es hat sich gezeigt, dass der Drehimpulsaustausch anGebirgen normalerweise nicht zu dramatischen Im-pulsänderungen in der Gebirgsregion führt. Dem ste-hen die Drehimpulstransporte entgegen, die im Rah-men der synoptischen Strömungsentwicklung stattfin-den. Durch sie wird der am Gebirge gewonnene Dreh-impuls verteilt, so dass sich der Gewinn gut an globa-len Drehimpulsänderungen ablesen lässt. Das Auftre-ten der Rossbywellen etwa bei Grönland weist jaschon darauf hin, dass die Umverteilung des Drehim-pulses in der Atmosphäre ein Vorgang von globalerDimension ist.

Literatur

BOUGEAULT, P. und 30 Co-Autoren, 1993: The atmosphericmomentum budget over a major mountain range: First resultsof the PYREX field experiment. Ann. Geophys. 11, 395-418.

EGGER, J., K.-P. HOINKA, 2002: Covariance analysis of theglobal atmospheric axial angular momentum budget. Mon.Wea. Rev. 130, 1063-1070.

EGGER, J., K.-P. HOINKA, 2004: Axial angular momentum:Vertical fluxes and response to torques. Mon. Wea. Rev. 132,1294-1305.

EGGER, J., K.-P. HOINKA, 2005: Torques and the related meri-dional and vertical fluxes of angular momentum. Mon. Wea.Rev. 133, 621-633.

WEICKMANN, K., 2003: Mountains, the global friction torqueand the circulation over the Pacific-North American region.Mon. Wea. Rev. 131, 2608-2622.

Abb. 7-6: Kovarianzfunktion von orographischem Drehmo-ment und dem Drehimpuls je in zonalen Gürteln von1000 km. Isolinienabstand 5 x 105 Hadley2 s1.Wiewohldie Werte diskret nur pro Gürtel gelten, wird hier ei-ne Darstellung mit Isolinien vorgezogen (nachEGGER und HOINKA 2005).

τ (Tage)

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 54-60 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

54

1 Einleitung

Die moderne Meteorologie betrachtet sich als einePhysik der Atmosphäre. Da sich die zahlreichen dortgleichzeitig ablaufenden Prozesse nicht im Labornachstellen und isoliert untersuchen lassen, wird im-mer wieder versucht, die reale Atmosphäre zeitlichund räumlich dichter zu vermessen als es routinemäßigmöglich ist. Die Atmosphärenphysiker begeben sichins Freie und führen Feldkampagnen durch, die in denletzten Jahrzehnten sehr umfangreich wurden und lan-ge Vorbereitung erforderten.

Schon BERGERON (1928) zeigte in seiner umfang-reichen Monographie zur dreidimensionalen Wetter-analyse die starke Beeinflussung, die die mitteleuropä-ischen Gebirgsstöcke als Ganzes auf atmosphärischeStörungen ausüben können. So werden bei Westwet-terlagen Kaltfronten am Boden an den Pyrenäen, denAlpen und den weiter östlich liegenden Gebirgen zu-rückgehalten, während sie zwischen den Gebirgen zü-gig nach Südosten vorstoßen. (Abb. 8-1).

Dieser Beitrag streift zuerst die GebirgskampagnenALPEX und PYREX und zeigt dann ausführlicher Ar-

beitsweise und Ergebnisse zu MAP.Einige grundsätzliche Erwägungenschließen ihn ab.

2 Die Kampagnen ALPEX undPYREX

Das Alpine Experiment (ALPEX)war das letzte in einer Reihe interna-tionaler Feldkampagnen im Rahmendes Global Atmospheric ResearchProgramme. Innerhalb einer allge-meinen Beobachtungsperiode überein Jahr wurden März und April 1982als besonderer Messzeitraum defi-niert, innerhalb dessen zwölf Inten-sivphasen ausgerufen wurden, diesich über 35 Tage erstreckten. Die La-ge der Alpen zwischen 5º und 16º E

Fortschritt durch Feldkampagnen – von ALPEXüber PYREX zu MAP

Progress by help of field campaigns – from ALPEX via PYREX to MAP

H. VOLKERT

8

ZusammenfassungGroße Feldkampagnen nutzen die reale Atmosphäre als natürliches Labor, in dem eine Vielzahl gleichzeitig ab-laufender Prozesse möglichst umfassend vermessen werden. Strömungsformen und Wetterereignisse über denAlpen wurden 1982 im Rahmen von ALPEX detailliert untersucht, die Überströmung der Pyrenäen 1990 wäh-rend PYREX. Die neueste Generation von Messmethoden und Simulationsmodellen kam während und nachder Feldphase von MAP im Herbst 1999 zum Einsatz. Dieser Beitrag stellt typische Ergebnisse vor und versuchtdie allgemeinere Frage zu beleuchten, wie derartige Unternehmungen zum Fortschritt in der Atmosphärenphy-sik und zur Verbesserung der täglichen Wettervorhersage beitragen.

AbstractLarge field campaigns use the real atmosphere as natural laboratory to quantify the multitude of simultaneousprocesses as well as possible. Flow patterns and weather events around the Alps were studied in 1982 during theconduct of ALPEX, the flow across the Pyrenees in 1990 during PYREX. The latest generation of measuringtechniques and simulations systems was applied during and after the special observing period of MAP in the au-tumn of 1999. This contribution presents exemplary results and addresses the question how and to what extentsuch undertakings contribute to progress in atmospheric science and the improvement of the day-to-day weatherprediction.

Abb. 8-1: Störungen durch mitteleuropäische Gebirge im Bodendruck- und Strö-mungsfeld sowie auf eine lange Kaltfront bei Westwetterlage (BERGE-RON 1928, S. 27).

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 55

sowie 44º und 48º N mit dem gekrümmten, etwa1000 km langen Hauptkamm von San Remo bis kurzvor Wien und dem komplizierten Nebeneinander vonGebirgsstöcken und langen Tälern macht eine detail-lierte Satellitenaufnahme ohne Wolken plastisch an-schaulich (Abb. 8-2).

Die Bildung und Entwicklung von Zyklonen im Golfvon Genua bei Nordwestanströmung war ein Schwer-punkt der Untersuchungen. Dazu kamen Messung undModellierung von Föhn- und Borasituationen undVersuche den Strömungswiderstand der Alpen alsGanzes zu bestimmen. Einzelheiten sind in WMO(1986) ausführlich dargelegt und in den promet-Ausga-ben ALPEX I und II (Hefte Nr. 3/4, 1991 und Nr. 1,1992) auch in deutscher Sprache zugänglich.

Inspiriert durch ALPEX begannen Forschungsgruppender Wetterdienste in Frankreich und Spanien 1987 mitder Planung einer internationalen Messkampagne überden Pyrenäen, dem ziemlich linienförmig angeordnetenHochgebirge zwischen den beiden Ländern (Abb. 8-3).Die wesentliche Aufgabe bestand in der experimentel-len Bestimmung der Impulsbilanz über einem Gebirgeals Ganzem, die sich für eine zuverlässige Berechnungder Strömungsvorgänge in Wettervorhersage- und Kli-mamodellen als sehr wesentlich erwiesen hatte (vgl.EGGER und HOINKA; Kapitel 7 in diesem Heft). Da-zu kam die Untersuchung der atmosphärischen Grenz-schicht am Gebirgsfuß und die sich dort häufig ausbil-denden regionalen Windsysteme wie Tramontana undAutan in Frankreich sowie Cierzo in Spanien.

Die Kampagne PYREX fand im Oktober und Novem-ber 1990 statt und umfasste zehn Intensivphasen, diesich zusammen über 15 Tage erstreckten. Ihre systema-tische Nachrechnung mit verschiedenen mesoskaligenWettervorhersagemodellen gehörte zu den weiterenZielen des Projekts. Ein großangelegtes Vergleichs-rechnen mit 15 verschiedenen, teilweise operationellenModellen ergab klare Indizien für systematische Mo-dellfehler, wie die durchwegs zu kleine Bremswirkungder diskretisierten Modellorographie auf die Modell-

atmosphäre und die damit einhergehende Überschät-zung von Wellenamplituden bei Gebirgsüberströmung(GEORGELIN et al. 2000). Details zur Durchführungvon PYREX mit einer zusammenfassenden Wertungder Kampagne und der Datenauswertung geben BOU-GEAULT et al. (1997).

3 MAP-Feldphase und typische Ergebnisse

Im Herbst 1994 organisierten Schweizer Wissenschaft-ler aus Wetterdienst und Universität eine Bestandsauf-nahme zu Kenntnissen und Wissenslücken beim Al-penwetter und den es steuernden Prozessen. Besonde-res Augenmerk schenkte man dem unteren Teil derMesoskala, die Erscheinungen mit 2 bis 200 km Aus-dehnung enthält, wie Föhnstürme, große Gewitterzel-len oder Starkregengebiete. Man kam überein, das Me-soscale Alpine Programme (MAP) durchzuführen. Esbaute auf den Erfahrungen von ALPEX und PYREXauf und sollte eine neue große Feldkampagne enthal-ten. Wesentlich war dabei die enge Verzahnung der ex-perimentellen Möglichkeiten mit realitätsnahen undauch idealisierten Modellrechnungen, die letztlich aufdie Verbesserung der regionalen Wettervorhersagezielten. Der organisatorische Kern lag von Beginn anin Zürich mit dem Programme Office bei Meteo-Schweiz und dem MAP Data Centre an der ETH. Dortsind auch die 20 Ausgaben des newsletter abrufbar(http://www.map.meteoswiss.ch/map-doc/newsletter.htm),die den Ablauf von Planungsphase (1995–1998), Feld-phase (1999; mit special observing period [SOP] vonSeptember bis November) und Auswertephase(2000–2005) begleiten.

Das umfangreiche Spektrum an relevanten Aspektenwurde in acht Teilprojekte einsortiert: P1 – Mechanis-men bei orographischem Niederschlag; P2 – Obertro-posphärische Anomalien; P3 – Hydrologische Messun-gen zur Überschwemmungsvorhersage; P4 – Strömungdurch Pässe; P5 – Föhn im Hochrheintal; P6 – Dreidi-mensionale Gebirgswellen; P7 – Niedertroposphäri-sche Windscherungszonen (PV banners); P8 – Grenz-schichtstruktur über steilem Gelände. Die TeilprojekteP4–P8 betreffen im Wesentlichen Wettersituationen

H. Volkert: Fortschritt durch Feldkampagnen

Abb. 8-2: Komplexe Struktur der Alpen mit verschneiten Mas-siven und schneefreien Tälern am 02.02.2002; Satelli-tenbild vom MODIS-Sensor in Wetterkartenprojek-tion; geographisches Gradnetz schwach punktiert.

Abb. 8-3: Die Pyrenäen als einigermaßen linienförmige Barrie-re zwischen Frankreich und Spanien; Satellitenbild(12.02.2004; MODIS) mit frischem Schnee alsKontrastmittel.

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ohne Regen (dry MAP); sie erweitern Messungen beiALPEX und PYREX. Die Untersuchung von starkemNiederschlag und möglichen Überflutungen (wetMAP) wurde durch die südalpinen Überschwemmun-gen im Herbst der Jahre 1991, 1992 und 1994 nachhal-tig motiviert.Aus allen Projekten erwähnen wir im Fol-genden einige Befunde, die der Fülle von bislang über160 Artikeln in begutachteten Fachzeitschriften (VOL-KERT 2005) entnommen sind.

3.1 Orographischer Niederschlag

Die klimatologischen Niederschlagsmaxima im Herbstliegen auf der Alpensüdseite (vgl. FREI und SCHMID-LI; Kapitel 9 in diesem Heft). Im Bereich des LagoMaggiore wurden zwei Wetterradare installiert, dieüber die Dopplerverschiebung den Wind in Regenge-bieten und über polarimetrische Messungen die Art desNiederschlags zu bestimmen gestatten. Der Einsatz ei-nes flugzeuggetragenen Radars ergänzte die experi-mentelle Ausstattung. Die Struktur der Strömung vonSüdosten gegen des Gebirge unterhalb der Kammhöhelässt sich damit erfassen (Abb. 8-4), ebenso wie das Ein-dringen in die Täler in niedrigeren Niveaus.

Während neun der insgesamt 18 Intensivmessperiodenwurden innerhalb des Alpenraums Niederschlags-ereignisse genauer untersucht (BOUGEAULT et al.2001) und anschließend mit hochauflösenden Model-len nachgerechnet. Zu diesen neu entwickelten For-schungsinstrumenten zählt das nichthydrostatische Si-mulationssystem Meso-NH, dessen Entwicklung inFrankreich von mehreren Institutionen seit 1995 be-trieben wird. Abb. 8-5 zeigt die berechnete Intensität

und die räumliche Ausdehnung des heftigen Regenswährend Messperiode IOP-2b (über 200 mm in 27 h)und gleichzeitig den farbkodierten Vergleich mit Mes-sungen an routinemäßigen Regenmessern.

3.2 Obertroposphärische Anomalien

Die synoptische Erfahrung, dass starke Niederschlägebesonders an der Vorderseite von aus (Nord-)Westenin Richtung die Alpen ziehenden Trögen im Höhen-druckfeld auftreten, und der neuere Befund, dass indiesen Bereichen die Tropopause stark abgesenkt ist,legte die detaillierte Vermessung des bandartigen Ein-dingens stratosphärischer Luft in die obere Troposphä-re nahe. Einzelheiten im Feuchtefeld und seinen Gra-dienten sowie Bänder mit erhöhten Werten der poten-tiellen Vorticity (PV streamer) sollten dokumentiertwerden. Als neuartige Beobachtungssysteme standenein nach unten schauendes, in ein Flugzeug montiertesDIAL-Gerät bereit in Kombination mit Fallsonden zurkonventionellen Messung von Druck, Temperatur,Feuchte und Horizontalwind (über die Verdriftung derSonde während des Falls).

Ein Querschnitt entlang des 45. Breitengrads von Bor-deaux über die Westalpen bis Venedig am Nachmittagdes 6. November 1999 ist Abb. 8-6 dargestellt. Die ge-messenen geringen Feuchten zwischen 5 und 200 ppmv(unteres Bild), für höhere Werte ist der Laser bei dengewählten Laserwellenlängen nicht energiereich ge-nug, treten auch in einer mesoskaligen Episodensimu-lation auf, wenn auch weniger ausgeprägt.

H. Volkert: Fortschritt durch Feldkampagnen

Geo

gr.L

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Geogr. Breite

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ZAbb. 8-4: Windvektoren und Radarreflektivität im 2,5 km Hö-

he aus flugzeuggetragenen Dual-Doppler-Messungenam 21.10.1999, 0917–0954 UTC über dem Lago Mag-giore-Gebiet; jeder 4. Vektor ist dargestellt; blaue Li-nie: Flugzeugkurs; rote Linie: Grenze Italien-Schweiz;grau unterlegt: Topographie über 500 m in 1000 m-Intervallen dunkler werdend [aus BOUSQUET undSMULL in BOUGEAULT et al. (2003; S. 395)].

Niederschlagssumme in mm

Abb. 8-5: 27-std. Niederschlagsmenge während MAP IOP-2b.Modellrechnung mit Meso-NH in 2 km x 2 km-Gitterund Messung an Regenmessern (Rauten) sind mitden gleichen 50 mm-Farbabstufungen dargestellt;Landesgrenzen zwischen F, I, CH schematisch; detail-lierte Linie: Einzugsgebiet des Toce; L: Radar MonteLema; R, S: Forschungsradare Ronsard und S-Pol.Bild: E. Richard, Toulouse.

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3.3 Hydrologische Messungen

Interdisziplinäre Pionierleistungen erbrachte MAP-SOP bei der Kombination von Niederschlagserfassung,gemessen oder vorausberechnet, und nachgeschalteterWasserstandsvorhersage für das mittelgroße Einzugs-gebiet des südalpinen Flusses Toce oberhalb des PegelsCandoglia (1532 km2). Diese gekoppelten Rechnungenwurden echtzeitnah durchgeführt.

Abb. 8-7 fasst die Ergebnisse für die 60-stündige Peri-ode vom 19.–21. September 1999 zusammen, in derenersten Hälfte es anhaltend geregnet hat. Die Wasser-standsberechnung mit vorausgerechneten Regendatenzeigt den beobachteten klaren Anstieg des Abflusses,jedoch etwas überschätzt und um 6 Stunden verfrühtgegenüber dem beobachteten Wert. SystematischeTests mit verschiedenen Atmosphären- und Flussmo-dellen erhärteten die Machbarkeit derartiger gekop-pelter atmosphärisch-hydrologischer Vorhersagen, be-sonders jedoch für größere Flusseinzugsbereiche. Biszu einer routinemäßigen Anwendung ist es jedochnoch ein längerer Weg.

3.4 Föhn und Strömung durch Pässe

Der alpine Föhn kann auf eine sehr lange Forschungs-geschichte zurückblicken; trotzdem wird er häufignach einem allzu vereinfachten Schema erklärt, daseinmal die Alpen als einheitlichen Gebirgsblock be-trachtet und weiterhin Strömungsformen voraussetzt,die im Luv, über dem Kamm und im Lee stets nahe derErdoberfläche liegen. Während MAP-SOP richtetesich das besondere Interesse einmal auf das komplexe

Hochrheintal zwischen Chur und dem Bodensee (vgl.STEINACKER; Kapitel 1 in diesem Heft) und zumanderen auf kleinräumige Ausgleichsströmungendurch die Brennerlücke im Alpenhauptkamm unddurch das Wipptal hinunter nach Innsbruck (gap flow;vgl. MAYR und GOHM; Kapitel 2 in diesem Heft).

Wie in den anderen MAP-Projekten gelang eine engeKopplung zwischen einer Vielzahl von Messträgern undhochaufgelösten, realitätsnahen Simulationen mit einerhorizontalen Maschenweite bis zum einem Kilometer.

Längs eines Querschnitts von Innsbruck nach Veronaund zurück kam bei MAP-SOP erstmals die Flugzeug-version eines rotierenden Aerosol-Lidars zum Einsatz,das es erlaubt, vertikale Profile des Horizontalwindesabzuleiten.Abb. 8-8 zeigt für die Schwachwindlage vom11. Oktober 1999 eine systematische Zunahme desWindes einmal mit der Höhe und andererseits von Südnach Nord. Ein Vergleich mit einer Simulation mit pas-sender horizontaler (10 km) und vertikaler Auflösung(250 m) bestätigt auch das lokale Windmaximum in Bo-dennähe bei Bozen. Eine verbesserte Version des Ge-räts kam knapp 3 Jahre später während der KampagneVERTIKATOR auch nördlich der Alpen zum Einsatz(vgl. WINKLER et al.; Kapitel 5 in diesem Heft, S. 40).

3.5 Dreidimensionale Gebirgswellen

Wie DÖRNBRACK et al. (Kapitel 3 in diesem Heft)darlegen, erzeugt eine hinreichend kräftige Strömungüber ein Gebirge in der meist stabil geschichteten At-mosphäre darüber und im Lee die regelmäßige Abfol-ge von Auf- und Abwindzonen, die etwa Segelfliegerbeim Wellenflug ausnutzen und die in starker Ausprä-gung eine Gefährdung für den Flugverkehr darstellenkönnen. Die Dokumentation des mehrstündigen Le-benszyklus’ solcher Gebirgswellen bis hin zu ihremBrechen mit starker turbulenter Vermischung gehörteauch zu den Zielen für die MAP-SOP.

H. Volkert: Fortschritt durch FeldkampagnenH

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Abb. 8-6: Querschnitt durch eine Zone deutlicher reduzierterWasserdampfwerte im Bereich einer stratosphäri-schen Intrusion am 06.11.1999. Simulation mit Meso-NH (oben), Messung mit flugzeuggetragenem Laserunten; Farbstufen in Volumenanteilen pro Million(ppmv). Schwarze Isolinien für stratosphärische Wer-te der potentiellen Vorticity [aus HOINKA et al. inBOUGEAULT et al. (2003; S. 618)].

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Zeit in UTC

Abb. 8-7: Flächenmittel der Regenintensität (Säulen von oben;rechte Achse) und Abfluss (Punkte; linke Achse) je-weils gemessen (orange) und berechnet (blau) für ei-ne 60 h-Periode im Einzugsbereich des Toce oberhalbvon Candoglia [aus RANZI et al. in BOUGEAULTet al. (2003; S. 664)].

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200658

Sieben Wellen-Situationen verteilt zwischen West-,Zentral- und Ostalpen wurden mit bis zu drei For-schungsflugzeugen vermessen, die meist koordiniert inunterschiedlichen, doch für mehrere Traversen festge-haltenen Flugniveaus längs der Hauptwindrichtunghin- und herpendelten (S1.1 in GRISOGONO et al.,2005).

Die Situation im Lee des Mont Blanc am 2. November1999 ist auf der Titelseite dargestellt. Abb. 8-9 zeigt in33-facher Überhöhung die Überströmung der HohenTauern von Süden (links). Die stärkste Welle liegt inStrömungsrichtung direkt hinter dem Hauptkamm; sieist in allen Flugtraversen, die nacheinander erflogenwurden, enthalten; dies belegt die Stationarität des Wel-lenereignisses. In der Umgebung des Großglocknerhindern teilweise Wolken das Durchdringen der gepul-sten Lidarenergie bis zum Boden. Die sehr regelmäßi-gen Wellenmuster bilden sich im kohärenten Band derhohen Aerosolrückstreuung ab (Bereich schwarz bisrot). Begleitende Simulationen mit genesteten Model-len mit Maschenweiten bis unter einen Kilometer er-leichtern die Interpretation der Situation zum besserenVerständnis des Zusammenspiels von Grenzschicht-effekten am Boden und Wellenausbreitung darüber.

3.6 Niedertroposphärische Windscherungszonen

Während der Planung von MAP fielen in zahlreichendetaillierten Simulationen ausgeprägte Bänder ins Au-ge, die von Gebirgsstöcken aus stromab liegen und anderen Grenzen der Horizontalwind auf kurze Streckein Stärke und Richtung stark variiert. Es blieb unklar,inwieweit solche Windscherungszonen, die sehr unter-schiedliche Werte der potentiellen Vorticity (PV) auf-weisen – daher der englische Name PV banner – in derrealen Atmosphäre auftreten.

Während fünf Intensivmessphasen wurden die Nach-laufströmungen von Teilen der Alpen mit mehrerenFlugzeugen vermessen; je nach Strömungslage überdem Ligurischen Meer südlich von Nizza (Westalpen),über der Poebene (Zentralalpen bei Strömung vonNorden), über dem deutschen Alpenvorland (Zentral-alpen bei Strömung von Süden) und über der Adria(dinarische Alpen bei Strömung von Nordosten). DieAuswertung der Daten in Flugniveau, meist unterhalbder Kammhöhe, und von Fallsonden ergab eine Hie-rarchie von primären und sekundären Bannern, diesich durch Vergleich mit hochaufgelösten Simulatio-nen auf größere Gebirgsstöcke beziehungsweise mar-kante Einzelgipfel zurückführen lassen. Auf dieseWeise fanden umfangreiche theoretische Vorarbeitenzur Entstehung und Umverteilung der potentiellenVorticitiy, einer strömungsdynamischen Erhaltungs-größe, ihre experimentelle Bestätigung.

H. Volkert: Fortschritt durch Feldkampagnen

Höh

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km

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Abstand in km

Abb. 8-8: Querschnitt des Horizontalwinds zwischen Innsbruck(I) und Verona (V) am 11.10.1999 um 14 UTC: ge-messen mit einem nach unten blickenden, von einemFlugzeug getragenen Doppler-Lidar (oben: Hinflug;Mitte: Rückflug) und berechnet (Meso-NH Modell)[aus REITEBUCH et al. in BOUGEAULT et al.(2003; S. 721)].

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Höh

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Abstand in km

Abb. 8-9: Süd-Nord-Schnitt der atmosphärischen Rückstreu-ung über dem Großglockner am 20.09.1999,1330–1400 UTC (in Farbe) und Stromlinien aus Flug-traversen in 4 Höhen (schwarze Linien). Der Kastenin der Mitte ist rechts unten vergrößert dargestellt[aus DOYLE und SMITH in BOUGEAULT et al.(2003; S. 806)].

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 59H. Volkert: Fortschritt durch Feldkampagnen

3.7 Grenzschicht in steilem Gelände

Ein nahezu gerader Abschnitt des tiefen Tals nördlichvon Bellinzona mit ziemlich gleichförmigen Hängen,die so genannte Tessiner Riviera, wurde mit mehrerenTranssekten von Bodeninstrumenten bestückt und beiStrahlungswetterlagen mit einem Motorsegler syste-matisch in Längs und Querrichtung erflogen.

Die Datenanalyse legte eine Modifikation der üb-lichen Skalierungsmethoden nahe, mit deren Hilfe dieHöhenprofile verschiedener Größen an unterschied-lichen Positionen im Tal vergleichbar gemacht werdenkönnen. Auch in diesem Teilprojekt erwiesen sich sehrhochaufgelöste Simulationen, die als realitätsnahe Lar-ge-Eddy-Rechnungen zu bezeichnen sind, als nützlichund notwendig für eine konsistente Interpretation derverschiedene Messungen.

4 Fortschritt durch Feldkampagnen

Der momentane Stand der Ernte aus dem MesoscaleAlpine Programme ist in den Übersichtsartikeln (S1.1,S1.2, S4.1, S4.2, S5.1, S8.1, S8.2, S9.1, S14.1, S14.2,S15.1) des auch online verfügbaren Tagungsbands derICAM-MAP Konferenz im Mai 2005 enthalten (GRI-SOGONO et al. 2005). Hier wird nun versucht, einigeallgemeine Befunde zum Beitrag von Feldkampagnenzum Fortschritt in der Meteorologie aufzuzeigen.

Die vorhergehende Abschnitte verdeutlichen die Fül-le von Einzelbefunden, die während einer großen

Feldkampagne im natürlichen Labor der Atmosphärein der Umgebung eines Hochgebirges gewonnen wer-den können. In Europa erwies sich die Folge ALPEX-PYREX-MAP als besonders fruchtbar, auch weil anihr teilweise dieselben Institutionen und Personen be-teiligt waren. LEMONE (2003) zeichnet nach 30-jäh-riger allgemeiner Kampagnenerfahrung und mitreichlich Selbstironie den typischen Ablauf derartigerMessunternehmungen mit einer umfangreichen Pla-nungsphase, der vergleichsweise kurzen Durchfüh-rung und einer oft nicht ausreichend koordiniertenAuswertephase. ALPEX dient als Beispiel für denWiderstreit zwischen den Interessen Einzelner und ei-nem erhofften gemeinsamen Vorgehen (Abb. 8-10).Zusammenfassende Darstellungen in einigem Ab-stand nach Feldkampagnen können dieses Dilemmalindern. Für PYREX liegt eine Veröffentlichung vor,die den Stand der Forschung sechs Jahre nach derFeldphase darlegt (BOUGEAULT et al. 1997). FürMAP wurde eine umfangreiche Dokumentation derFeldphase als Sonderheft im Quarterly Journal derRoyal Meteorological Society erstellt (BOUGEAULTet al. 2003); VOLKERT (2005) gibt eine erste Zu-sammenstellung dessen, was unter Kollegen locker alsMAP harvest bezeichnet und derzeit abgeschlossenwird. Wenn wir uns in einigen Jahren daran gewöhnthaben werden, Wetterberichte zu bekommen, die fürRegionen der Alpen drei Tage im Voraus etwa Vor-mittag und Nachmittag deutlich unterscheiden kön-nen oder die verlässliche Warnungen vor Starkregengeben, dann haben die skizzierten Feldkampagnen da-bei ihren Anteil.

An anderer Stelle in diesem Heft sind weitere Feldex-perimente erwähnt. KOTTMEIER und FIEDLER(Kapitel 4) und WINKLER et al. (Kapitel 5) erläuternErgebnisse der international organisierten Kampag-nen ESCOMPTE (2001) und VERTIKATOR (2002),die neben anderen Fragen den orographisch modifi-zierten Transport von Luftbeimengungen untersuch-ten. Aber auch weniger umfangreiche Experimentebringen oft wichtige Erkenntnisse wie der Segelflug-wettbewerb 1937 am Riesengebirge (vgl. DÖRN-BRACK et al.; Kapitel 3) oder die meteorologischenExpeditionen eines Universitätsinstituts nach Nepalund Bolivien (vgl. EGGER; Kapitel 6).

Zusammenfassend macht ein langer Blick über einJahrhundert Atmosphärenforschung folgende Punktedeutlich, die leider nicht ausreichend im allgemeinenBewusstsein verankert scheinen:1) die chaotisch erscheinenden, durch Gebirge massiv

gestörten hydro-thermodynamischen Strömungenenthalten ein gerüttelt Maß an Vorhersagbarkeit;

2) langer Atem und ein fernes Ziel, wie die Sterne nachdenen man navigieren kann, ohne sie erreichen zuwollen, erleichtern die Arbeit (BJERKNES 1938);

Abb. 8-10: Nach der ALPEX-Feldphase: der Programmkoordi-nator wird irre bei dem Versuch, die principal investi-gators davon abzuhalten, Datenhäppchen zur persön-lichen Verwendung zu erbeuten [aus LEMONE(2003); nach einer Anregung von Joachim Kuettner].

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200660 H. Volkert: Fortschritt durch Feldkampagnen

3) Feldkampagnen sind ein wichtiger Baustein für dieGewinnung von Eichdatensätzen zur Erprobungverbesserter Generationen von Vorhersagemodellen(vgl. MAJEWSKI und RITTER; Kapitel 10, S. 69);

4) der Einsatz neuartiger Messverfahren bringt regel-mäßig vereinigenden Schwung in Kampagnen;

5) der Fortschritt geschieht meist allmählich und nurselten durch eine überraschende Entdeckung (vgl.DAHLSTRÖM 1981);

6) ohne enge Verzahnung mit Modellrechnungen beiPlanung und Auswertung bleiben Feldmessungennur Stückwerk; und

7) die Wirkung von partnerschaftlicher Zusammenar-beit und ausreichend Humor (LEMONE 2003) istauch im ernsten Wissenschaftsbetrieb kaum zuüberschätzen.

Literatur

BERGERON, T., 1928: Über die dreidimensional verknüpfendeWetteranalyse. Erster Teil: Prinzipielle Einführung in das Pro-blem der Luftmassen- und Frontenbildung. Geof. Publ. 5,no. 6, 111 S.

BJERKNES, V., 1938: Leipzig-Bergen. Festvortrag zur 25-Jahr-feier des Geophysikalischen Instituts der Universität Leipzig.Zeitschrift für Geophysik 14, Heft 3/4, 49-62.

BOUGEAULT, P., B. BENECH, P. BESSEMOULIN, B. CA-RISSIMO, A. JANSA CLAR, J. PELON, M. PETITDIDIER,E. RICHARD, 1997: PYREX: A summary of findings. Bull.Amer. Meteorol. Soc. 78, 637-650.

BOUGEAULT, P., P. BINDER,A. BUZZI, R. DIRKS, R. HOU-ZE, J. KUETTNER, R.B. SMITH, R. STEINACKER, H.VOLKERT, 2001: The MAP special observing period. Bull.Amer. Meteorol. Soc. 82, 433-462.

BOUGEAULT, P., R.A. HOUZE, R. ROTUNNO, H.VOLKERT(Hrsg.), 2003: Sonderheft mit 25 Arbeiten zum Mesoscale Alpi-ne Programme. Quart. J. R. Meteorol. Soc. 129, 341-895; Inhalts-verzeichnis online unter http://www.ingentaconnect.com/content/0035-9009

DAHLSTRÖM, B., 1981: Insight into the nature of precipitation –Some achievements by T. Bergeron in retrospect. Pure Appl.Geophys. 119 (Bergeron Memor.Vol.), 548-557 (plus 3 Karten).

GEORGELIN, M., P. BOUGEAULT und 24 Koautoren, 2000:The second COMPARE exercise: A model intercomparisonusing a case of typical mesoscale orographic flow, the PYREXIOP 3. Quart. J. R. Meteorol. Soc. 126, 991-1029.

GRISOGONO, B, H. VOLKERT, B. IVANCAN-PICEK, A.BAJIC (Hrsg.), 2005: Proceedings of the 28th InternationalConference on Alpine Meteorology and the annual MAPmeeting. Croat. Meteorol. J. 40, Zagreb, ISSN 1330-0083, 721 S.;online unter: http://meteo.hr/ICAM2005/proceedings.html

LEMONE, M. A., 2003: What we have learned about field pro-grams. In: W.K. Tao (ed.), Cloud Systems, Hurricanes, and theTropical Rainfall Measuring Mission (TRMM). Meteorol.Monogr. 29, no. 51,Amer. Meteorol. Soc., ISBN 1-878220-54-3,25-35.

VOLKERT, H., 2005: The Mesoscale Alpine Programme(MAP): A multi-facetted success story. Croat. Meteorol. J. 40,Zagreb, ISSN 1330-0083, 226-230; online verfügbar unterhttp://meteo.hr/ICAM2005/pdf/sesion-15/S15-01.pdf

WMO, 1986: Scientific results of the Alpine Experiment (AL-PEX). Genf, WMO Technical Document No. 108 (2 volumes),710 S.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 61-67 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

61

1 Einleitung

In kontinentalskaligen Klimakarten des Niederschlagserscheinen die Alpen als „Halbmond“ mit Jahresnie-derschlagsmengen, die mehr als doppelt so groß sindwie im umgebenden Flachland. Die Alpen werden des-halb oft als „Wasserschloss Mitteleuropas“ bezeichnet.Tatsächlich sind sie die Quellregion von vier großenFlusssystemen, die alle einen überproportionalen Ab-flussbeitrag aus den Alpen bekommen. An der Mün-dung des Rheins zum Beispiel stammen etwa 44 % deslangjährigen mittleren Abflusses aus den Alpen, einemGebiet, das nur 15 % der Einzugsgebietsfläche aus-macht (VIVIROLI und WEINGARTNER 2004). DasWasserschloss Alpen trägt damit überregional zur Si-cherung von Wasserressourcen bei. Zudem wirken sei-ne hochgelegenen Schneefelder und Gletscher als tem-poräre Wasserspeicher, die die jahreszeitlichen Varia-tionen im Abfluss der Flusssysteme ausgleichen.

Aber die Sicht der Alpen als verlässlichen Wasserspen-der greift zu kurz für eine Beschreibung ihrer hydrolo-gischen und klimatologischen Vielfalt. Man trifft nichtnur große mittlere Niederschlagsmengen an, vielmehrtreffen sich hier die Extreme. Im Jungfraumassiv in derSchweiz, zum Beispiel, werden im Mittel mehr als4000 mm Jahresniederschlag gemessen, während Brigim Wallis nur 750 mm aufweist. Eine Distanz von we-niger als 30 km umspannt hier das Spektrum zwischender Westküste von Schottland und dem Peloponnes.Dazu kommt eine besonders große Häufigkeit von

Starkniederschlägen, die sich in den letzten Jahren ineiner Reihe schadenreicher Überschwemmungsereig-nisse manifestiert hat (Vaison-la-Romaine 1992; Brig1993; Piemont 1994; Aare, Rhein, Donau 1999; Wallis,Tessin, Aostatal 2000, Zentralschweiz, Arlberg undBayern 2005, usw.). Viele dieser Ereignisse haben sichin bekanntermaßen sonnenreichen Gegenden entlangdem Alpensüdrand zugetragen. Dies ist nur scheinbarein Widerspruch.

Die Vielfalt des alpinen Klimas ist ein Abbild der kom-plexen Wettersysteme und Niederschlagsprozesse indieser Gegend (siehe z. B. SCHÄR et al. 1998). Sie istmitverantwortlich für die landschaftliche und die öko-logische Vielfalt der Alpen, aber sie stellt auch eineRandbedingung dar für die Nutzung dieses Gebiets alsLebens- und Wirtschaftsraum.

Dieser Artikel illustriert die Vielfalt des alpinenNiederschlagsklimas anhand von verschiedenen Ana-lysen aus den Daten der operationellen Pluviometer-Messnetze im Alpenraum. Unser Blick auf den gesam-ten Alpenraum macht interessante mesoskalige Struk-turen sichtbar, die aus den verschiedenen nationalenKlimatologien allein nur schwer erkennbar sind. DieAnalysen umfassen verschiedene Klimagrößen vommittleren Niederschlag bis zur Häufigkeit von Stark-niederschlägen und Trockenperioden. Am Ende desArtikels werden wir schließlich die im Alpenraum be-obachteten Veränderungen des Niederschlags im20. Jahrhundert diskutieren.

Das Niederschlagsklima der Alpen: Wo sich Extremenahe kommen

The precipitation climate of the Alps: Where extremes come close

C. FREI, J. SCHMIDLI

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ZusammenfassungDie komplexen Einflüsse der Topographie hinterlassen in den Alpen einen vielfältigen Charakter im Nieder-schlagsklima. Hier treffen sich extreme Bedingungen über kurze Distanzen. Wir illustrieren diese Vielfalt mitAnalysen von Daten der operationellen Niederschlagsmessnetze der Alpenländer. Der mittlere Niederschlagund die Häufigkeit von Starkniederschlägen und Trockenperioden weisen markante mesoskalige Strukturen auf,die mit dem hier angewendeten gesamtalpinen Blickwinkel gut sichtbar werden. Rekonstruktionen und Trend-analysen zeigen zudem, dass sich gewisse Größen des alpinen Niederschlagsklimas im Verlauf des 20. Jahrhun-derts markant verändert haben.

AbstractThe complex influence of topography results in a highly diverse character of the Alpine precipitation climate.Different extremes are met over short distances. Here we illustrate the manifold patterns by means of analysesof data from operational precipitation (rain gauge) networks of Alpine countries. Mean precipitation and the fre-quency of heavy precipitation and dry spells exhibit pronounced mesoscale structures, which become particular-ly evident with the Alpine-wide viewpoint. Moreover, reconstructions and trend analyses show that certain cha-racteristics of the Alpine precipitation climate have undergone remarkable changes during the 20th century.

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2 Daten

Die Alpenländer unterhalten umfangreiche Nieder-schlags-Messnetze konventioneller Pluviometer-Sta-tionen (Abb. 9-1a). Mit einem typischen Stationsab-stand von 10–20 km gehören diese Netze zu den dich-testen weltweit, und es gibt unseres Wissens keinHochgebirge von der Größe der Alpen mit einer ver-gleichbaren Beobachtungsdichte.

In den vergangenen Jahren hat die ETH Zürich einenländerübergreifenden Datensatz für den gesamten Al-penraum zusammengetragen, der die Pluviometerda-ten aus den operationellen hochauflösenden Messnet-zen vereint. Heute enthält dieser Datensatz mehr als7500 Zeitreihen in Tages-Auflösung, die mindestens ei-nen Teil des Zeitraums 1966–2000 abdecken. Die imStichjahr 1973 verfügbaren Stationen sind in Abb. 9-1adargestellt. Zum Vergleich zeigt Abb. 9-1b die Vertei-lung der im Alpenraum betriebenen rund 270 SYNOP-Stationen, deren Daten automatisch über GTS inter-national ausgetauscht werden. In vielen Gebirgsregio-nen der Erde wird nicht einmal diese äußerst grobeStationsdichte erreicht. Die ausgezeichnete Beobach-tungsdichte in den Alpen erlaubt also eine Beschrei-bung des Niederschlagsklimas, wie dies wohl für keinanderes Hochgebirge der Erde möglich ist.

Die Daten für den länderübergreifenden Datensatzwurden uns freundlicherweise von neun nationalenund regionalen Wetterdiensten und hydrologischen

Zentren der Alpenländer zur Verfügung gestellt. Um-fassende Angaben über Beobachtungsstrategien, dieDatenquellen sowie eine ausführliche Beschreibungdes Datensatzes und der angewendeten Qualitätsprü-fung sind in FREI und SCHÄR (1998) zu finden. DieAnalysen in diesem Artikel beruhen auf Pluviometer-messungen, die nicht für systematische Messfehler kor-rigiert wurden.

3 Mittlere saisonale Niederschläge

Abb. 9-2 stellt die Verteilung des mittleren Nieder-schlags in den vier klimatologischen Jahreszeiten dar.Die Analysen beruhen auf einer hochaufgelöstenInterpolation der Stationswerte mit dem PRISM Cli-mate Mapping Verfahren von DALY et al. (2002).PRISM schätzt regionale Beziehungen zwischen demNiederschlagsklima und verschiedenen lokalen Eigen-schaften der Topographie (Meereshöhe, Neigung, Ex-position) und nutzt diese für die Interpolation mit ei-nem digitalen Höhenmodell. PRISM wurde speziellfür den Alpenraum kalibriert und hochauflösendeAnalysen (auf einem 2 x 2 km Gitter) sind großforma-tig im Hydrologischen Atlas der Schweiz publiziert(SCHWARB et al. 2001). Für die Verteilungen inAbb. 9-2 wurden die Originalanalysen auf ein Gittervon etwa 15 x 15 km aggregiert.

Das räumliche Muster des mittleren Niederschlags(Abb. 9-2) lässt sich grob beschreiben als zwei langge-zogene Feuchtzonen, die sich entlang dem nördlichenund dem südlichen Alpenrand erstrecken. In deninneralpinen Gebieten dazwischen findet man trocke-nere Bedingungen. Das allgemeine Muster stimmt gutmit früheren grob aufgelösten gesamtalpinen Klimato-logien überein (z. B. FLIRI 1974). Die einzelnen Ele-mente der allgemeinen Struktur sind je nach Jahreszeitunterschiedlich ausgeprägt. Im Winter findet manfeuchte Bedingungen entlang dem Alpennordrand undvor allem im Westen, währendem im Sommer sich dasNiederschlagsgeschehen in die zentralen und östlichenBereiche der Alpen verschiebt. Die feuchte Anomalieentlang dem Südhang ist in zwei Zentren aufgeteilt(Südschweiz/nördlicher Piemont und Julische/Karni-sche Alpen nördlich der Adria), die sich vor allem inden Übergangsjahreszeiten von ihrer Umgebung deut-lich abheben. Die beiden Zentren lassen sich plausibeldurch den kanalisierenden Effekt der topographischenEinbuchtungen bei Südanströmung und mit der Nähezur Küste verstehen.

Die Alpine Klimatologie zeigt auf, wie die Nieder-schlagsverstärkung durch die Topographie offenbarstark von den Dimensionen des Gebirges abhängt. BeiGebirgen größerer Skala wie den Alpen (auch sichtbaram Zentralmassiv) wirkt die Verstärkung vor allementlang dem Gebirgsrand (jeweils den Strömungsrich-tungen zugewandt). In den Ostalpen (siehe Nord-Süd-Querschnitt in Abb.9-3a) kommen die größten mittle-

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Abb. 9-1: a) Stationen im länderübergreifenden, alpinenNiederschlagsdatensatz (Stichjahr 1973, FREI undSCHÄR 1998). b) Verteilung der rund 270 SYNOP-Stationen im Alpenraum.

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ren Niederschläge bereits auf einer Meereshöhe vonetwa 1000 m vor und nehmen danach gegen die inne-ren Alpen trotz zunehmender Meereshöhe ab. ImSommer reicht die nordalpine Feuchtzone weiter insGebirgsinnere und weiter ins nördliche Vorland als imWinter. Letzteres dürfte insbesondere auf die häufigbeobachtete Bewegung von Gewittern aus ihrer Ge-

burtsstätte an den Alpen ins Vorland zurückgehen. ImGegensatz zu den Alpen findet man bei den Mittelge-birgen (Schwarzwald, Vogesen und Jura) die Nieder-schlagsmaxima etwa über der maximalen Erhebung(siehe West-Ost-Querschnitt in Abb. 9-3b). Aber esgibt auch hier (zumindest bei den Vogesen) eine leich-te Asymmetrie mit feuchteren Bedingungen stromauf-wärts (nach Westen) und starker Abschattung in derRheinebene, besonders im Winter.

Die grundlegenden Unterschiede in der Struktur desNiederschlagsklimas zwischen dem alpinen Hochge-birge und den Mittelgebirgen können zum Teil mitUnterschieden in den vorherrschenden Niederschlags-prozessen erklärt werden (siehe dazu SMITH 1979).Am Hochgebirge dürften Strömungssituationen mitblockierten bodennahen Luftmassen und damit einerweiter stromaufwärts reichenden Niederschlagsver-stärkung häufiger vorkommen als an den Mittelgebir-gen. Kommt dazu, dass die Geburtsstätten von größe-ren Gewittern eher am Rand der Alpen vorgefundenwerden, wo das atmosphärische Feuchtereservoir desVorlandes zur Verfügung steht. Bei den niedrigerenMittelgebirgen dürfte dagegen die Niederschlagsver-stärkung durch den Seeder-Feeder Mechanismus(Tropfenwachstum beim Fallen durch eine Wolke) miteiner über dem Gebirge (Hügel) zentrierten Nieder-

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Abb. 9-3: Querschnitte des mittleren Niederschlags (blau: Win-ter, rot: Sommer): a) in Nord-Süd Richtung durch dieAlpen um 12° E, b) in West-Ost Richtung durch Vo-gesen, Rheinebene und Schwarzwald um 48° N. Da-ten aus der 2 x 2 km-Klimatologie von SCHWARB etal. (2001). Ausgezogene Linien zeigen das Mittel, ver-tikale Linien das Inter-Quartil der Variationen übereinen Bereich von 50 km senkrecht zur Querschnitts-achse. Mittlere Meereshöhe in schwarz.

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geogr. Breite

geogr. Länge

Abb. 9-2: Mittlerer saisonaler Niederschlag (in mm pro Tag) für dievier klimatologischen Jahreszeiten. Nach SCHWARB etal. (2001), aber in einer Auflösung von 15 km.

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schlagsverstärkung eine Rolle spielen. Auch wenn die-se klassischen Vorstellungen gewisse Muster des alpi-nen Niederschlagsklimas plausibel machen können, soist die Wirkung der Alpen auf die mesoskalige Dyna-mik und damit auf die Niederschlagsprozesse im All-gemeinen wesentlich komplexer. Im Mesoscale AlpineProgramme wurde diese Komplexität an Fallbeispielenintensiv untersucht (vgl. VOLKERT; Kapitel 8 in die-sem Heft, S. 56/57). Die Niederschlagsverteilung in denAlpen dürfte deshalb das Resultat vieler Einflussfak-toren sein, von den großskaligen Klimaregimen, überdie dynamischen Effekte des Gebirges auf die Wetter-systeme, bis zur Geographie des Gebirges und derLand-Meer Verteilung in der Region.

4 Starkniederschläge und Trockenperioden

Im Alpenraum treten Starkniederschläge hauptsäch-lich in Verbindung mit Gewittern (Konvektion) oderim Zusammenhang mit quasi-stationären Wetterlagenmit Staueffekten auf. Die Zeitauflösung der konven-tionellen Messnetze (1 Tag) ist sicher zu grob für eineaussagekräftige Klimatologie über konvektive Stark-niederschläge. Aber Analysen der täglichen Nieder-schlagsvariationen erlauben trotzdem interessanteEinblicke in die Verteilung von Starkniederschlägenim Alpenraum. Abb. 9-4 zeigt drei statistische Größendieser Variationen, welche die Häufigkeit von starkenTagesniederschlägen, von langandauernden Nieder-schlagsepisoden und von Trockenperioden charakteri-sieren. Diese Analysen (auf einem Gitter von15 x 15 km) wurden mit einer modifizierten Form desShepard Algorithmus aus den entsprechenden Statisti-ken der Stationen hergeleitet (Details in FREI undSCHÄR 1998).

Intensive Tagesniederschläge (Abb. 9-4a) kommen vorallem im südlichen Alpenraum vor. Vier Gebiete anden Cevennen (Zentralmassiv), an der LigurischenKüste, in der Südschweiz/Norditalien sowie nördlichder Adria sind besonders ausgeprägt. Der maximale40-tägige Eintagesniederschlag ist hier mehr als drei-mal größer als über dem deutschen Flachland. In die-sen Gebieten treten Starkniederschläge vor allem imHerbst auf, wenn feuchtwarme Luftmassen aus demMittelmeerraum gegen die Alpen geführt werden. Oftsind diese Wetterlagen mit charakteristischen Höhen-strukturen verbunden und der Niederschlag kann stra-tiform oder konvektiv sein (z. B. MASSACAND et al.1998). Neben diesen ausgezeichneten Starknieder-schlagszonen weist der gesamte Alpenbogen und dieMittelgebirge eine gegenüber dem Flachland höhereStarkniederschlagshäufigkeit auf, allerdings zu je nachRegion unterschiedlichen Jahreszeiten. Entlang demnördlichen Alpenrand und in Süddeutschland findetman die größten Häufigkeiten im Sommer.

Im Gegensatz zu den intensiven Tagesniederschlägenkommen langandauernde Regenfälle vor allem im

nördlichen Alpenraum vor (Abb. 9-4b). Sie treten vor-wiegend im Winterhalbjahr (Winter und Frühling) auf.Am zentralen und östlichen Alpenrand gibt es aberauch im Sommer kontinuierliche Regenperioden von10 und mehr Tagen. Deutlich weniger häufig als imNorden sind langandauernde Niederschlagsphasen imsüdlichen Rhônetal, in der Po-Ebene, im Osten vonÖsterreich, und in inneralpinen Tälern (Südtirol, En-gadin, Aostatal).

Die durchschnittliche Länge der längsten jährlichenTrockenperiode (Abb. 9-4c) variiert zwischen etwa 20Tagen nördlich des Alpenhauptkamms und über 40 Ta-

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Abb. 9-4: Starkniederschläge und Trockenperioden im Alpen-raum 1971–1990: (a) Das 95 %-Quantil (in mm proTag) der Tagesniederschläge (Niederschlagstage mitmindestens 1 mm pro Tag); dies entspricht etwa ei-nem Niederschlag, der im Mittel alle 40 Tage über-schritten wird. (b) Die durchschnittliche Länge (Me-dian in Tagen) der längsten ununterbrochenenNiederschlagsepisode im Jahr. (c) Die durchschnittli-che Länge (Median in Tagen) der längsten ununter-brochenen Trockenperiode im Jahr.

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gen entlang der Mittelmeerküste. Der ausgeprägteGradient über die Alpen und das Zentralmassiv zeigtdie Abschirmung des unteren Rhônetals und der Po-ebene von den synoptischen Wettersystemen im Nor-den. Lange Trockenperioden können im Norden in al-len Jahreszeiten auftreten, im Süden (Mittelmeerküsteund Poebene) dagegen bevorzugt im Sommer.

Es ist interessant, dass die klassischen Starknieder-schlagsgebiete im Süden der Alpen gleichzeitig auchvon längeren Trockenperioden betroffen sind. Im Nor-den dagegen korrelieren Starkniederschlagshäufigkeit,lange Regenphasen und kurze Trockenperioden sogarauf der Skala einzelner Gebirgsmassive. Dies demon-striert die Komplexität der Niederschlagsstatistik imAlpenraum.

5 Trends

Verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre habenfür Europa langfristige Niederschlagstrends festge-stellt (z. B. SCHÖNWIESE et al. 1994). Zwar existie-ren heute wertvolle länderübergreifende Langzeit-Da-tensätze für Trendanalysen (z. B. Klein Tank et al.2002), aber eine Beschreibung der regionalen Strukturder Trends im Alpenraum wird erschwert durch die imVergleich zur Topographiestruktur sehr groben Sta-tionsdichte in diesen Datensätzen.

Eine Rekonstruktion von regionalen Strukturen istaber möglich, wenn die vorhandenen Langzeitreihenmit Information aus den dichten aktuellen Messnetzenverknüpft werden. Eine Methode für diese Kombina-tion wurde von SCHMIDLI et al. (2002) für monatli-che Niederschläge in den Alpen entwickelt, ähnlich zuden Verfahren bei der Rekonstruktion von Meeres-oberflächentemperaturen. Dabei wird aus dem dichtenaktuellen Messnetz der letzten Jahrzehnte eine statisti-sche Beschreibung der raumzeitlichen Kovarianz imNiederschlagsfeld gewonnen, die schließlich mit denLangzeitreihen kombiniert wird. Gegenüber einerAnalyse aus Langzeitreihen allein weisen diese Re-konstruktionen wesentlich realistischere Feinstruktu-ren auf. Bedingung für dieses Verfahren ist, dass sichdie Kovarianzstruktur im Laufe der Zeit nicht verän-dert hat. In den Alpen, wo räumliche Kovarianz haupt-sächlich von der Topographie bestimmt ist, ist dieseAnnahme gut erfüllt.

Mit Hilfe von 140 Langzeitreihen im gesamten Alpen-raum haben SCHMIDLI et al. (2002) monatliche me-soskalige Niederschlagsfelder für den gesamten Al-penraum rekonstruiert. Die Rekonstruktion erstrecktsich über das 20. Jahrhundert und erlaubt deshalb diebisher räumlich detaillierteste Beschreibung derNiederschlagstrends in den Alpen. Die Trends dermittleren saisonalen Niederschläge sind in Abb. 9-5dargestellt. Die markantesten Signale einer Nieder-schlagsänderung im 20. Jahrhundert werden im Winter

und im Herbst gefunden. Im Winter hat der Nieder-schlag über einem größeren zusammenhängenden Ge-biet im Norden und Westen des Alpenraums zugenom-men. Die Zunahme beträgt zwischen 20 und 30 % undist statistisch signifikant. In derselben Jahreszeit wirdeine Niederschlagsabnahme im Südosten der Alpen

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Abb. 9-5: Trends des mittleren saisonalen Niederschlags1901–1990 (in % pro 100 Jahren). AusgezogeneStrich-Punkt Linien bezeichnen Gebiete in denen derTrend auf dem 90 %-Niveau statistisch signifikant ist(aus SCHMIDLI et al. 2002).

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gefunden, welche allerdings nicht statistisch signifikantist. Schließlich, im Herbst wird für ein größeres Gebietim Südwesten und Südosten der Alpen eine markanteNiederschlagsabnahme ebenfalls im Bereich von20–30 % gefunden. Die Veränderungen in den anderenJahreszeiten sind geringer, weniger kohärent und meiststatistisch nicht signifikant.

Die beobachtete Niederschlagszunahme im Winter istkonsistent mit verschiedenen nationalen und konti-nentalskaligen Untersuchungen und sie scheint Teil ei-ner größerskaligen systematischen Veränderung überMittel- und Nordeuropa zu sein. In weitergehendenAnalysen von täglichen Niederschlagsreihen zeigt sichzudem, dass die Zunahme im Mittel das Resultat einerZunahme sowohl der Niederschlagshäufigkeit als auchder Niederschlagsintensität ist, und dass parallel dazudie Häufigkeit von intensiven Niederschlägen deutlichzugenommen hat (Abb.9-6). Mehr intensive Nieder-schläge werden auch im Herbst beobachtet und in Re-gionen, wo der mittlere Niederschlag keinen Trendaufweist.

Zur Zeit kann nicht abschließend beurteilt werden, obdie beobachteten Veränderungen des Niederschlags imAlpenraum eine Folge der anthropogenen Klimaände-rung sind. Dies ist aber denkbar. So wird erwartet, dassdie globale Erwärmung zu einer Intensivierung desWasserkreislaufs führen könnte, die sich in einer Zu-nahme der mittleren Niederschläge und der Häufigkeitvon Starkniederschlägen äußern könnte, insbesonderein mittleren und hohen geographischen Breiten (IPCC2001). Viele Klimaszenarien mit globalen und regiona-len Klimamodellen zeigen in diese Richtung. Es kom-men aber auch natürliche Langzeit-Klimavariationenals mögliche Ursache für die Trends in Frage. Zum Bei-spiel könnten sie eine Folge der Änderungen in dergroßskaligen atmosphärischen Strömung über demNordatlantik sein (WANNER et al. 2001), deren Ursa-che im Moment nicht geklärt ist.

6 Schlussbemerkungen

Das Beispiel der Alpen macht deutlich, wie komplexdie räumlichen und jahreszeitlichen Muster desNiederschlagsklimas in komplexer Topographie seinkönnen. Die zum Teil verbreitete Vorstellung einerNiederschlagszunahme mit der Meereshöhe liefert, zu-mindest für den Alpenraum, ein mangelhaftes Bild derVerhältnisse. Zudem weichen die räumlichen und jah-reszeitlichen Verteilungen von Extremereignissen zumTeil wesentlich von der Verteilung des mittlerenNiederschlags ab.

Im Zuge der Erforschung von regionalen Auswirkun-gen der erwarteten globalen Klimaänderung bekom-men mesoskalige Klimaanalysen wie die hier vorge-stellte eine zunehmende Bedeutung. Die mesoskaligenProzesse und die damit verbundenen Muster im Klimakönnen in globalen Klimamodellen nicht repräsentiertwerden. Hier müssen Methoden der Klimaregionali-sierung wie regionale Klimamodelle oder statistischeRegionalisierungsmethoden angewendet werden. Zuderen Validierung und Kalibrierung braucht es Kli-maanalysen, die diese feinen Skalen auflösen. Für er-steres hat die außergewöhnliche Datendichte im Al-penraum bereits wertvolle Dienste geleistet (FREI etal. 2003). Trotzdem sind weitere Entwicklungen not-wendig. Zur Kalibrierung von statistischen Methodensowie für Untersuchungen der Klimavariationen sindweiter zurückreichende und möglichst homogene Ana-lysen in Tagesauflösung notwendig. Wie gut sich tägli-che Analysen mit statistischen Rekonstruktionsverfah-ren aus den weniger dichten Beobachtungen erstellenlassen, ist nicht klar.

Danksagung

Diese Arbeit entstand am Institut für Atmosphäre undKlima der ETH Zürich, Forschungsgruppe Prof.C. Schär. Wir bedanken uns bei den nationalen und re-gionalen Diensten für die Benützung von Nieder-schlagsdaten: Deutscher Wetterdienst Offenbach, Mé-téoFrance Toulouse, Ufficio Centrale di EcologiaAgraria Rom, Servizio Idrografico e Mareografico Na-zionale Rome, ARPA Bologna, Meteorologischer undHydrologischer Dienst Zagreb, HydrographischesZentralbüro Wien, Bundesamt für Meteorologie undKlimatologie MeteoSchweiz Zürich, das SlovenischeHydrometeorologische Institut Ljubljana.

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C. Frei, J. Schmidli: Das Niederschlagsklima der Alpen

Abb. 9-6: Änderung in der Häufigkeit intensiver Winter-Niederschläge (Überschreitungen des 90 %-Quanti-les) in der Schweiz 1901–2000 (aus SCHMIDLI undFREI 2005).

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 68-74 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Einleitung

Die Atmosphäre erhält ihre kinetische Energie durchdie Freisetzung verfügbarer potentieller Energie undverliert sie hauptsächlich durch den Reibungs- oderOberflächenwiderstand. Die Energiedissipation wirddurch einen Druckgradienten an der Erdoberflächebewirkt, der dann entsteht, wenn der Druck auf gleich-er Höhe im Luv und Lee eines Berges oder Hügelsverschieden ist. Dieser Druck- oder Formwiderstandkann durch drei niedertroposphärische Prozesse(LOTT 1995) erzeugt werden: Erstens durch das Auf-treten eines starken Fallwindes (z. B. Föhn, Bora) imLee des Gebirges; zweitens durch eine luvseitige Blo-ckierung von bodennaher Kaltluft; drittens durch dieErzeugung von Nachlaufwirbeln. Alle drei Prozesseführen dazu, dass im Luv des Berges höherer Druckherrscht als im Lee.

Werden zum anderen durch die Berge Schwerewellenin der Atmosphäre angeregt, die sich vertikal ausbrei-ten, so bewirken diese Wellen einen sehr effizientenvertikalen Impulstransport. Dieser Prozess wird Wel-lenwiderstand genannt. Im Unterschied zur Oberflä-chenreibung in der atmosphärischen Grenzschicht, beider die Impulsflussdivergenz (und damit die Abbrem-sung der Strömung) üblicherweise auf die untersten1000 m über Grund beschränkt ist, kann beim Wellen-widerstand die Impulsflussdivergenz in 10 bis 15 kmüber Grund ihren Extremwert erreichen. Der Wellen-

widerstand ist deshalb in der Lage, die Winde im Be-reich der Strahlströme (jet streams) wirksam abzu-bremsen. Am Boden manifestiert sich auch der Wel-lenwiderstand durch einen höheren Luftdruck auf derLuvseite des Hindernisses.

Der Druckunterschied zwischen Luv und Lee einesBerges bewirkt eine Beschleunigung des Berges (unddamit natürlich der ganzen Erde) in die Richtung desniedrigeren Druckes, und der dazu notwendige Impulswird der Atmosphäre im Niveau der maximalen Im-pulsflussdivergenz entnommen (vgl. EGGER undHOINKA; Kapitel 7 in diesem Heft).

Numerische Wettervorhersagemodelle (NWV-Model-le) müssen die Wirkung der Orographie (Abb. 10-1)auf allen räumlichen Skalen, seien sie vom Modell ex-plizit erfasst oder seien sie subskalig, beinhalten. Dabeistellt die Orographie zunächst einmal nur die untereBerandung des Modellgebietes dar. Hier gilt die physi-kalische Randbedingung, dass kein Transport von tro-ckener Luft über die Grenzfläche Boden - Atmosphä-re stattfinden soll. In den meisten NWV-Modellen, soauch im Globalmodell GME (MAJEWSKI et al. 2002)und Lokalmodell LM (DOMS und SCHÄTTLER2003) des DWD, werden die Modellgleichungen in eingeländefolgendes Koordinatensystem transformiert.

Wie alle Eingangsgrößen eines NWV-Modells mussauch die Orographie als räumlicher Mittelwert hoch-

Gebirgseinflüsse in operationellen numerischenWettervorhersagemodellen

On the influence of orography in operational numerical weatherprediction models

D. MAJEWSKI, B. RITTER

10

ZusammenfassungGebirge beeinflussen die Atmosphäre auf allen Zeit- und Raumskalen: Die großskaligen stationären Stö-rungen (Wellen) der Westwindzone der mittleren Breiten wie auch die räumlichen Details der mittlerenNiederschlagsverteilung im Schwarzwald sind wesentlich durch den orographischen Antrieb erklärbar. Nu-merische Wettervorhersagemodelle müssen deshalb die Wirkung der Orographie auf die Strömung (Form-und Wellenwiderstand, Oberflächenreibung) beinhalten. Dabei wird zwischen dem explizit auflösbaren Ein-fluss, der der raum-zeitlichen Skala des betreffenden Modells entspricht, und den subskaligen Prozessen, dieparameterisiert werden müssen, unterschieden.

AbstractMountain ranges influence the atmosphere on all temporal and spatial scales. Large-scale stationary distur-bances (waves) within the mid-latitude westerlies are determined to a large degree by orographic forcingjust like the regional details of the mean precipitation distribution around a low mountain chain like theBlack Forest. Numerical weather prediction models must therefore contain the orographic influence on theatmospheric flow (like form drag, wave drag and surface friction). In this context we have to distinguish be-tween influences that can be explicitly resolved, i.e. which fit to the spatio-temporal scale of the model inquestion, and subscale processes, which need to be parameterized.

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aufgelöster Daten über die Gitterelemente des Mo-dells bestimmt werden. Aus numerischen Gründenwerden die Flächenmittelwerte der Orographie häufignoch einer räumlichen Filterung unterzogen, um sehrkleinräumige Strukturen, deren Wellenlänge nur derzwei- bis dreifachen Gitterweite des NWV-Modellsentspricht, zu entfernen. Die gefilterten Flächenmittel-werte der Orographie sind der wichtigste orographi-sche Eingangsparameter für ein NWV-Modell. Je nachAuflösung (Maschenweite) stellt die Modellorogra-phie aber nur eine sehr grobe Beschreibung der wirk-lichen Berge und Täler dar, so dass lokal große Hö-hendifferenzen zwischen realer und flächengemittelterOrographie bestehen können. Diese Differenzen müs-sen bei der Interpretation der Modellvorhersagendurch den Synoptiker oder bei statistischen Anschluss-verfahren natürlich berücksichtigt werden.

Die Parameterisierung der durch die subskalige (d. h.vom NWV-Modell nicht explizit „skalig“ erfassten)Orographie bedingten turbulenten Oberflächenrei-bung in der atmosphärischen Grenzschicht erfordertdie Bestimmung einer orographischen Rauigkeitslän-ge. Sie wird in GME und LM aus der Varianz der sub-skaligen Orographie berechnet.

Wenn die Auflösung des NWV-Modells ausreichendhoch ist, so dass der durch die Orographie erzeugteForm- und Wellenwiderstand explizit erfasst wird, kann– wie im LM – auf eine Parameterisierung dieser Pro-zesse verzichtet werden. Reicht dagegen die Modellauf-lösung – wie im GME – nicht aus, so werden Form- undWellenwiderstand mittels einer SSO-Parameterisie-rung (subgrid scale orography) berücksichtigt. ImGME basiert die SSO-Parameterisierung auf LOTTund MILLER (1997). Internationale Feldexperimentewie PYREX (Pyrenean Experiment; BOUGEAULT etal. 1990) und MAP (Mesoscale Alpine Programme;BOUGEAULT et al. 2001) trugen in den letzten Jahrensehr wesentlich zur Weiterentwicklung der SSO-Para-meterisierungen in NWV- und Klimamodellen bei.

Im Rahmen von MAP lenkte besonders der Teil ‚wetMAP’ den Blick verstärkt auf den Einfluss, den dieOrographie auf die detaillierte Niederschlagsverteilungim Gebirgsbereich hat (vgl. VOLKERT; Kapitel 8 indiesem Heft). Selbst bei sehr hoch auflösenden NWV-Modellen wie dem LM besteht hier einiges Verbesse-rungspotential, das noch nicht völlig ausgeschöpft ist.

2 Geländefolgendes Koordinatensystem

Der Einfluss der Orographie als unterer Berandungder Modellatmosphäre lässt sich in den Gleichungenbesonders einfach berücksichtigen, wenn die Orogra-phie mit einer Koordinatenfläche des Modells zu-sammenfällt. Dazu wird die geometrische Höhe (z) inden Modellgleichungen durch eine neue, von den dreiOrtkoordinaten (x, y, z) und der Zeit (t) abhängigenVertikalkoordinate η(x, y, z, t) ersetzt. PHILLIPS(1957) schlug die so genannte σ-Koordinate vor.

η = σ = p/ps (1)

mit dem Druck p und dem (unreduzierten) Boden-druck ps.

Am Oberrand des Modells (d. h. für p = 0) ist σ = 0,und es gilt dort die Randbedingung für die Vertikalbe-wegung im σ-System dσ/dt = 0, weil die Atmosphärekeine Masse mit dem Weltraum austauscht.Am Unter-rand (für p = ps) ist σ = 1, und es gilt dort ebenfallsdσ/dt = 0, weil kein Transport von trockener Luft überdie Grenzfläche Boden - Atmosphäre stattfindet. DerVorteil eines solchen geländefolgenden Koordinaten-systems liegt also in der einfachen Berücksichtigungder Orographie als unterer Berandung des Modellge-bietes, die über die mathematische Randbedingung fürdie Vertikalbewegung erfolgt.

Allerdings haben solche geländefolgenden Koordina-tensysteme einen Nachteil: Der Druckgradienttermbesteht im Unterschied zum z-System aus zwei Antei-len, die im Gebirgsbereich groß sind und entgegenge-setzte Vorzeichen haben.

(2)

mit der Dichte ρ, den Gradientoperatoren (∇z, ∇σ) aufz- bzw. σ-Flächen, dem Geopotential φ, der Gaskon-stante R und der virtuellen Temperatur Tv.

Wenn ∇σ ln ps ≠ 0 ist, so wird ein Anteil des vertikalenDruckgradienten auf jeden der beiden Terme auf derrechten Seite von Gl. 2 abgebildet. Dieser vertikaleAnteil kompensiert sich wegen unvermeidbarer Dis-kretisierungsfehler nicht exakt zwischen beiden Ter-men. Deshalb kann das fehlerhafte Residuum in derGrößenordnung des wahren horizontalen Druckgra-dienten liegen, weil in der Atmosphäre der vertikale

svzpp RT ln

1 ∇∇∇ +=σσ

φρ

D. Majewski, B. Ritter: Gebirgseinflüsse in Wettervorhersagemodellen

Abb. 10-1: Subskalige orographische Effekte in NWV-Modellen:Blockierung der Strömung und vertikaler Impuls-transport durch Wellen (Form- und Wellenwider-stand).

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200670

Druckgradient viel größer als der horizontale ist. Wird– wie im GME – ein hybrides Koordinatensystem(BURRIDGE 1981) verwendet, bei dem ein gelände-folgendes σ-System in Bodennähe mit einem quasi-ho-rizontalen p-System darüber kombiniert (Abb. 10-2)wird, so kann der Fehler bei der Berechnung desDruckgradientterms in der oberen Atmosphäre deut-lich reduziert werden.

Die SLEVE-Koordinate (SCHÄR et al. 2002) stellt ei-nen alternativen Ansatz zur Reduktion dieses Fehlersdar. Bei diesem geländefolgenden Koordinatensystemist die Transformation durch einen skalenabhängigen,exponentiellen vertikalen Abfall der Geländestruktu-ren charakterisiert. Das Orographiefeld des Modellswird dazu in zwei Komponenten zerlegt, die die grö-ßer- und kleinerskaligen Variationen der Höhenwertebeschreiben. Der Einfluss der kleinerskaligen Kompo-nente auf die Höhenlage der Koordinatenflächen sollmöglichst rasch abfallen, so dass höher gelegene Mo-dellschichten nur die großskalige Orographie wider-spiegeln. Testrechnungen mit dem LM (LEUENBER-GER 2002) belegen, dass mit der SLEVE-Koordinatekleinskaliger numerischer Lärm im Alpenbereichdeutlich verringert werden kann.

3 Orographiedatensätze und Flächenmittelwerteder Orographie

Zur Bestimmung der Modellorographie als unteremRand des atmosphärischen Modells müssen hochauf-gelöste Datensätze der orographischen Höhenvertei-lung aufbereitet und auf die Modellgitterelemente pro-jiziert werden. Derartige Rohdatensätze stehen sowohlfür globale als auch regionale Gebiete in verschiede-nen Auflösungen zur Verfügung. Extrem hochauflö-sende Datensätze mit globaler Überdeckung existie-

ren zwar (z. B. der sogenannte DTED-1 Datensatz derDefense Mapping Agency der USA mit einer Auflö-sung von 90 m), stehen der Allgemeinheit aber nichtzur Verfügung. Im DWD wird daher der GLOBE-Da-tensatz (GLOBE task team 1999), der in einem regu-lären geographischen Gitter eine nominelle Auflösungvon 1 km aufweist, zur Bestimmung der Modellorogra-phie verwendet. Die mittlere Höhe der Modellgitter-punkte wird durch einfache arithmetische Mittelungaller Rohdatenpunkte, die innerhalb des jeweiligenGitterelements liegen, bestimmt. Zusätzlich zu denMittelwerten werden subskalige Eigenschaften (u. a.mittlere Standardabweichung der Höhen innerhalbder Gitterelemente) als Eingangsgrößen für verschie-dene Parameterisierungsverfahren gespeichert, die dieWirkung der nicht explizit erfassbaren orographischenStrukturen auf die Atmosphäre beschreiben.

4 Orographische Rauigkeitslänge undOberflächenreibung

In den Grenzschichtparameterisierungen von GMEund LM wird der Einfluss der subskaligen Orographieauf die Oberflächenreibung durch eine orographischeRauigkeitslänge z0, oro berücksichtigt. Sie berechnetsich aus der Varianz der subskaligen Orographie underreicht in den Alpen beim GME fast 10 m(Abb. 10-3). Rauigkeitslängen dieser Größenordnungführen in der Turbulenzparameterisierung zu einerdeutlichen Abbremsung der Strömung in Bodennähe.Beträgt bei neutraler Temperaturschichtung beispiels-weise die Windgeschwindigkeit in 60 m über Grund20 m/s, so wird sie im Niveau 10 m für z0, oro = 0,05 mauf 14,9 m/s, für z0, oro = 0,5 m auf 12,5 m/s und fürz0, oro = 5 m sogar auf 5,6 m/s abgebremst. Durch dieOberflächenreibung in der atmosphärischen Grenz-schicht kann es also in stark gegliedertem Gelände zueiner drastischen Reduktion der bodennahen Windge-schwindigkeit im NWV-Modell kommen.

Vergleicht man den vom Modell vorhergesagten Windin 10 m über Grund mit Messungen von nahe gelege-nen Bergstationen, so stellt man häufig fest, dass dasModell die beobachtete Windgeschwindigkeit deutlichunterschätzt. Bei der Interpretation dieser Ergebnisseist aber zu beachten, dass die Modellvorhersage als

D. Majewski, B. Ritter: Gebirgseinflüsse in Wettervorhersagemodellen

Dru

ck in

hP

a

Abb. 10-2: Das hybride Vertikalkoordinatensystem des GMEmit 40 Schichten vom Erdboden bis zur Obergrenzeder Atmosphäre.

Abb. 10-3: Orographische Rauigkeitslänge (Einheit: m) für dasGME im Bereich der Alpen.

Rauigkeitslänge in m

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Flächenmittelwert über ein Gitterelement des NWV-Modells definiert ist, während die Beobachtung einelokale Messung darstellt, deren räumliche Repräsenta-tivität im Gebirgsbereich sehr gering ist. Deshalb kön-nen sich die Rauigkeitslänge im Modell, die für dasGitterelement repräsentativ sein soll, und der lokaleWert am Ort der Beobachtung durchaus um eine Grö-ßenordnung (z. B. von 5 m auf 0,5 m) unterscheiden, sodass große Differenzen in der bodennahen Windge-schwindigkeit zwischen Modellvorhersage und Be-obachtung zu erwarten sind.

5 Subskalige Orographie-Parameterisierung imGME

Der von Gebirgen auf die Strömung ausgeübte Druck-und Wellenwiderstand (LOTT 1995) kann von der ska-lig in operationellen globalen NWV-Modellen aufge-lösten Orographie nicht vollständig erfasst werden.Abb. 10-4 illustriert die Feinstruktur der orographi-schen Höhe in der Nachbarschaft des Mont Blanc aufder Basis des für die Bestimmung der mittleren Mo-dellorographie benutzten Rohdatensatzes. Die Dar-stellung ist auf den GME-Gitterpunkt, der den MontBlanc enthält, und seine Nachbargitterpunkte be-schränkt. Innerhalb dieses Kollektivs von Gitterpunk-ten treten auf der 1 km-Skala des Rohdatensatzes Hö-henwerte von 428 bis 4570 m auf; die Standardabwei-chung der Höhen liegt bei 743 m.

Durch die Projektion (Mittelung) der Rohdaten aufdie horizontale Skala des GME (Flächenelemente vonetwa 1384 km2, Abb. 10-5) geht die Feinstruktur voll-kommen verloren, so dass das GME im Wesentlichennur noch den in dieser Region vorhandenen Anstiegder mittleren Höhen von Nordwest nach Südost expli-zit erfasst. Das LM mit Gitterflächenelementen vonnur 49 km2 (Abb. 10-6) beschreibt dagegen näherungs-weise die wesentlichen Höhenkämme und Täler in die-sem Gebiet.

Folglich kann das GME nur einen Teil des durch Ge-birge ausgeübten Strömungswiderstandes explizit er-fassen. Die Wirkung der nicht explizit beschriebenensubskaligen (mesoskaligen) orographischen Hinder-nisse, die noch nicht in der Rauigkeitslänge berück-sichtigt wurden, muss durch eine geeignete Paramete-risierung beschrieben werden. Im GME wird zu die-sem Zweck das Verfahren von LOTT und MILLER(1997) verwendet. Dieses berücksichtigt zwei Mecha-nismen der Wirkung der subskaligen orographischenHindernisse. Zum einen ist dies die blockierende Wir-kung auf die Strömung in bodennahen Modellschich-ten (Gl. 3), die von den subskaligen Hindernissen ganzoder teilweise durchdrungen werden. Zum anderen er-fasst das Schema die bei geeigneter Anströmung undvertikaler Schichtung der Atmosphäre stattfindendeAnregung von Schwerewellen und deren Dissipationin höheren atmosphärischen Schichten (Gl. 4):

D. Majewski, B. Ritter: Gebirgseinflüsse in Wettervorhersagemodellen

Höh

e in

m

geogr. Breitegeogr. Länge

Abb. 10-4: Rohdaten der Orographie (Einheit: m) mit einer Auf-lösung von 1 km2 in der Nachbarschaft des MontBlanc (schwarzes Dreieck).

Höh

e in

m

geogr. Breitegeogr. Länge

Abb. 10-5: Wie Abb. 10-4, aber Mittelwerte für GME-Gitterele-mente der Grundfläche von 1384 km2.

Höh

e in

m

geogr. Breitegeogr. Länge

Abb. 10-6: Wie Abb. 10-5, aber Mittelwerte für LM-Gitterele-mente der Grundfläche von 49 km2.

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(3)

mit dem Widerstand durch die Blockierung Dblk alsFunktion der Windgeschwindigkeit U, der Höhe z, derBrunt-Väisälä-Frequenz (stabilitätsabhängig) σ, demWinkel ψ zwischen Anströmrichtung und der Orogra-phieausrichtung, der Höhe Zblk, bis zu welcher Blo-ckierung auftritt und den Parametern B und C, dieFunktionen der Anisotropie γ der subskaligen orogra-phischen Hindernisse sind, sowie

(4)

mit dem Impulsfluss (τ1, τ2) durch Schwerewellen, derStandardabweichung der subskaligen Orographie µ,der mittleren Hangneigung σ und der geographischenOrientierung .

Für die Aktivierung und Wirkung des Schemas sindneben den atmosphärischen Gegebenheiten (Anströ-mungsgeschwindigkeit und -richtung; vertikale Schich-tung) natürlich auch die Eigenschaften der subskaligenOrographieelemente relevant. Dazu wird für jedenGitterpunkt des Modells die Standardabweichung dersubskaligen Orographie (Abb. 10-7), eine mittlereHangneigung (Abb. 10-8), ein horizontaler Anisotro-

piefaktor und die mittlere Ausrichtung der subskaligenorographischen Hindernisse verwendet. Die beidenletztgenannten Größen erlauben eine grobe Beschrei-bung der Abhängigkeit der orographischen Einflüssevon der Anströmungsrichtung relativ zur Orientierungder Hindernisse. Die grundsätzlich dominierendenKenngrößen sind jedoch die Varianz der Höhen unddie charakteristische Hangneigung.

Die Bedeutung der Parameterisierung subskaligerorographischer (SSO) Effekte für die Gesamtqualitätder Vorhersage wird durch Abb. 10-9 verdeutlicht. Siezeigt die Anomaliekorrelation des vorhergesagtenGeopotentials 500 hPa für die operationelle GME-Vorhersage (mit SSO-Parameterisierung) vom24.11.2004 12 UTC im Vergleich mit einer experimen-tellen Vorhersage ohne SSO-Parameterisierung. Ohnedie Berücksichtigung der Wirkung subskaliger Hinder-nisse im Vorhersagemodell tritt schon nach zwei bisdrei Vorhersagetagen ein deutlicher Qualitätsverlustauf.

Da die Wirkung subskaliger Effekte u. a. von der at-mosphärischen Situation abhängt, ist der Einfluss aufdie Modellprognose sowohl räumlich als auch zeitlichsehr variabel. Dies erschwert die optimale Anpassungder freien Parameter des Parameterisierungsverfah-rens, die zusätzlich von der Auflösung des skaligen Mo-dells abhängen können. Mit zunehmender Verfeine-rung der horizontalen Maschenweite der NWV-Mo-delle ist allerdings für die Zukunft grundsätzlich eineMinderung der Bedeutung subskaliger orographischerProzesse zu erwarten. Zur Zeit kann auf ihre Parame-terisierung in operationellen globalen Wettervorhersa-gemodellen mit Maschenweiten von 40 bis 100 km je-doch nicht verzichtet werden.

Hochauflösende Regionalmodelle wie das LM mit Ma-schenweiten von 5 bis 10 km sind dagegen in der Lage,den orographisch induzierten, mesoskaligen Druck-und Wellenwiderstand weitgehend explizit aufzulösen,wie die Simulation einer idealisierten Leewelle(Abb. 10-10) belegt.

D. Majewski, B. Ritter: Gebirgseinflüsse in Wettervorhersagemodellen

( )µ

σρ 0,1

2max22 r

UUz CD dblk ⎟

⎠⎞⎜

⎝⎛ −=

( )ψψµ

222

1

sincos CBz

zZ blk +⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

( ) µσρττ ,21

GNU=

( ) }{ ψψψψ cossin,sincos 22 CBCB −+S

tandardabweichung in m

Abb. 10-7: Subskalige Standardabweichung der Orographieinnerhalb der GME-Gitterelemente im Bereich derAlpen.

Hangneidung in R

adian

Abb. 10-8: Mittlere subskalige Hangneigung der Orographieinnerhalb der GME-Gitterelemente im Bereich derAlpen.

Abb. 10-9: Anomaliekorrelation der Vorhersage des Geopoten-tials 500 hPa in der Nordhemisphäre als Funktion derVorhersagezeit mit (schwarz) und ohne (rot) Parame-terisierung subskaliger orographischer Effekte. Start-zeitpunkt der Vorhersage: 24.11.2004 12 UTC.

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6 Niederschlagsverteilung im Gebirgsbereich

Die hochauflösenden operationellen NWV-Modelleder Wetterdienste haben den Anspruch, für die Hydro-logie detaillierte Niederschlagsvorhersagen bereitzu-stellen, die als Eingabefelder für hydrologische Model-le dienen können. Da im Gebirgsbereich die Flussein-zugsgebiete häufig eng begrenzt sind und heftigerNiederschlag rasch zu einem starken Anstieg derFlusspegel in engen Tälern führen kann, stellt die Mo-difikation der Niederschlagsfelder durch die Orogra-phie eine besondere Herausforderung an die Model-lierung dar. SMITH (1979) unterscheidet drei wesent-liche Einflüsse der Orographie auf Bewölkung undNiederschlag (Abb. 10-11): Verstärkung des Nieder-schlags auf der Luvseite und am Gipfel durch großska-liges Aufgleiten und das „Impfen“ von niedrigen Wol-ken über dem Berg durch Niederschlagspartikel, dieaus höheren Wolken fallen („Seeder-Feeder“-Mecha-nismus), sowie die Auslösung von hochreichender Kon-vektion durch orographisch induzierte Windsysteme.

Ein Vergleich (Abb. 10-12a) der gemessenen mit denmodellierten Niederschlägen im Bereich Schwarzwaldund Schwäbische Alb für ein winterliches Starknieder-

schlagsereignis mit westlicher Anströmung zeigt einsehr ernüchterndes Ergebnis. Mit einer Reduktion derMaschenweite im LM von 28 auf 7 km (Abb. 10-12 bund c) wird nicht die erwartete Verbesserung der vor-hergesagten Niederschlagsverteilung erzielt, sondernim Gegenteil, eine deutliche Verschlechterung. Dreicharakteristische Fehler in der räumlichen Verteilungim hochauflösenden LM sind offensichtlich: DieNiederschlagsmaxima sind deutlich zu hoch undstromauf verschoben, und im Lee der Berge bildet sicheine unrealistische Trockenzone, in der kaum Nieder-schlag fällt. Die Defizite in der modellierten Nieder-schlagsverteilung sind aber nicht hauptsächlich aufProbleme des LM bei der Simulation der orographischbedingten Modifikation der Strömung zurückzufüh-ren, sondern auf die für diese Auflösung fehlerhafteModellannahme, dass der Niederschlag in der vertika-len Säule ausfällt, in der er erzeugt wurde. Vor allemSchnee kann wegen der geringen Fallgeschwindigkeit(1 bis 2 m/s) um bis zu 40 km horizontal verdriftet wer-den, bis er den Boden erreicht. Deshalb wurde das LMum eine prognostische Behandlung der Hydrometeore

D. Majewski, B. Ritter: Gebirgseinflüsse in Wettervorhersagemodellen

Abb. 10-11: Mechanismen des orographisch bedingten Nieder-schlags nach SMITH (1979).

Abb. 10-12: a) Beobachteter Niederschlag (Einheit: l/m2 in24 Stunden) in Baden-Württemberg für den Zeitbe-reich 20. bis 21.02.2002 06 UTC. b) VorhergesagterNiederschlag mit dem LM, Maschenweite 28 km,Starttermin der Vorhersage: 20.02.2002 00 UTC.c) wie Abb. 10-12 b), aber Maschenweite 7 km.d) wie Abb. 10-12 c), aber mit prognostischer Be-handlung der Hydrometeore, die u. a. die horizonta-le Verdriftung von Regen und Schnee berücksichtigt.

24-stündiger Niederschlag in l/m2

Höh

e üb

er G

rund

in m

Ver

tikal

bew

egun

g in

m/s

Horizontale Entfernung x in km

Abb. 10-10: Idealisierte Simulation einer Leewelle im LM beiAnströmung eines 100 m hohen Berges der Halb-wertsbreite 15 km bei x = 100 km.Vertikalbewegung(Farbflächen, Einheit: m/s) und Windpfeile.

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(Regen und Schnee), die den dreidimensionalen Trans-port dieser Größen einschließt, erweitert. Die Vorher-sage des Niederschlags mit dieser verbesserten LM-Version (Abb. 10-12d) zeigt mit einer Maschenweitevon 7 km eine fast perfekte Vorhersage für diese win-terliche Wetterlage. Diese Modellversion ist seit dem19. April 2004 im operationellen Einsatz und führte zueiner deutlichen Verbesserung der räumlichen Vertei-lung der Niederschläge in orographisch gegliedertemGelände.

7 Ausblick

Die Modellentwicklung beim DWD (LM-Kürzestfrist:LMK) und anderen Wetterdiensten in Europa konzen-triert sich in den nächsten Jahren auf sehr hochauflö-sende Regionalmodelle mit Maschenweiten von 2 bis3 km. Ziel dieser Modellentwicklung ist es vor allem,hochreichende Konvektion in den NWV-Modellen ex-plizit zu beschreiben, um so die Organisation der Zel-len zu Gewitterkomplexen oder Böenlinien vorher-zusagen. Der DWD wird dabei von begleitenden For-schungsprogrammen, vor allem dem Schwerpunktpro-gramm SPP1167 „Quantitative Niederschlagsvorher-sage“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft, profi-tieren können. Im Rahmen des SPP1167 wird im Jahr2007 ein großangelegtes Messexperiment in Süd-deutschland (COPS: Convection and Orographic Pre-cipitation Study) stattfinden, um die Wirkung derMittelgebirge auf konvektive Zellen zu erforschen.

Literatur

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MAJEWSKI, D., D. LIERMANN, P. PROHL, B. RITTER, M.BUCHHOLD, T. HANISCH, G. PAUL, W. WERGEN, J.BAUMGARDNER, 2002: The operational global icosahe-dral-hexagonal grid point model GME: Description and highresolution tests. Mon. Wea. Rev. 130, 319-338.

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 75-78 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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Man schreibt den 28. Januar 2005.Am Alpensüdhang der Schweizschneit es seit zwei Tagen praktischununterbrochen. Der Verkehr istlahm gelegt, und selbst in tief gele-genen Städten wie Lugano liegt derSchnee bis 90 cm hoch. Derweilherrscht auf der Alpennordseite ei-ne typische Inversionslage. Im dichtbevölkerten Schweizer Mittellandbewegen sich die Menschen untereiner kalten Hochnebeldecke; diekleineren Seen gefrieren. Der Fein-staub erreicht in den Zentren hoheKonzentrationen. Glück haben die-jenigen, die über der Nebeldeckeden strahlenden Sonnenschein undmilde Temperaturen genießen.

Den Prognostikern im täglichenEinsatz stellt sich die Aufgabe, dieWetterentwicklung in einem flä-chenmäßig kleinen, aber topogra-phisch komplexen Land zu überbli-cken. Wie ein gewaltiger Riegelschieben sich die Alpen diagonaldurch die Schweiz. Der Wetterchar-akter kann sich von Nord nach Süd,von Ost nach West an ein und dem-selben Tag vollkommen unter-schiedlich präsentieren.

Der nationale Wetterdienst istinternational vernetzt

MeteoSchweiz steht heute, wie vielenationale Wetterdienste, im Span-nungsfeld zwischen hoheitlichenAufgaben, Spardruck und Markt-öffnung. Die Antwort darauf ist ei-ne hohe Flexibilität, die konsequen-te Orientierung an den Bedürfnis-sen der Kunden, die Ausrichtung al-ler Prozesse auf hohe Qualität undEffizienz. 2004 erhielt Meteo-Schweiz als Gesamtunternehmen

die Zertifizierung ISO 9001:2000.Damit wurde auch eine wesentlicheVoraussetzung erfüllt, dass sie iminternationalen Wettbewerb (imRahmen von Single European Sky)um die Vergabe von Flugwetter-diensten mithalten kann.

Wie sieht ihre Zukunftsvision aus?MeteoSchweiz will ihr Engagementfür eine sichere, prosperierendeGesellschaft pflegen und ihre hoheKompetenz in Fragen der alpinenMeteorologie und Klimatologieweiter steigern.

Als Vertreterin eines Landes, dasaußerhalb der Europäischen Unionsteht, aber doch mitten in Europaliegt, bemüht sich MeteoSchweizbesonders um die internationaleZusammenarbeit der Wetterdien-ste. Zurzeit präsidiert der Direktorder MeteoSchweiz die Regionalve-reinigung Europa der WMO und istMitglied im Exekutivrat der WMO.MeteoSchweiz setzt sich in ver-schiedenen Gremien und Arbeits-gruppen der WMO ein, sie liefertsignifikante Beiträge zu den COST-und EUMETNET Programmen,um nur einige zu nennen.

Ein Expertenteam unter der Lei-tung von Prof. Hartmut Graßl vomMax-Planck-Institut für Meteorolo-gie in Hamburg hat den SchweizerBeitrag zum GAW (Global Atmos-phere Watch) Programm der WMO2005 mit Bestnoten bedacht. DiePrüfer erwähnten speziell die welt-weit längste Ozonmessreihe in Aro-sa sowie das Weltstrahlungszentrumin Davos. Ebenfalls 2005 wurde diehochalpine Forschungsstation Jung-fraujoch in den Kreis der globalenGAW- Stationen aufgenommen.

125 Jahre MeteoSchweiz

2006 feiert der nationale Wetter-dienst MeteoSchweiz sein 125jähri-ges Bestehen. Was im Mai 1881 ineinigen Räumen der Sternwarte inZürich begann, hatte bereits eineVorgeschichte. Ein Messnetz von 88Wetterbeobachtungsstationen exis-tierte seit 1863, regelmäßige Wet-terberichte in der Presse seit 1878.

MeteoSchweiz – mitten in Europa

Blick nach draußen

Abb. 1: Prognostiker in der Wetterzen-trale Zürich diskutieren die Mo-dellvorhersagen.

Abb. 2: Die hochalpine Forschungssta-tion Jungfraujoch ist seit 2005globale GAW-Station.

Wettervorhersage und Klimabeobachtung im alpinen Umfeld

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Mit der Gründung der damaligen„Meteorologischen Centralanstalt“schuf die Landesregierung eine trag-fähige Struktur, um den wachsendenAnforderungen der Industriegesell-schaft genügen zu können. Eine derersten Einrichtungen, welche derjunge Wetterdienst schuf, war dasBerg-Observatorium auf dem Sän-tis. Dieses liefert ununterbrochenseit 1887 Beobachtungsdaten.

Ein weiterer Meilenstein war dieGründung eines Flugwetterdienstesin den 20er Jahren – für unsere deut-schen Leser vielleicht interessant zuwissen, dass dort 1935 die Nachtar-beit eingeführt wurde, da die Luft-hansa begonnen hatte, die Schweizauf ihrer Strecke nach Rio de Janei-ro zu überfliegen. Ende der 1960erJahre wurde der erste Rechner fürForschungszwecke angeschafft. DasInformationszeitalter war angebro-chen.

Arbeiten mit Leistungsauftrag

Seit ihrer Gründung im Jahr 1881ist MeteoSchweiz organisatorischdem Eidgenössischen Departementdes Innern zugeteilt, einem Minis-terium, das so unterschiedliche Ge-biete wie Gesundheit, Sozialversi-cherung, Kultur, Bildung und For-

schung und eben auch die Meteoro-logie und Klimatologie unter sei-nem Dach vereint. MeteoSchweizzählt heute rund 290 Mitarbeiten-de. Sie schließt mit der Landesre-gierung alle vier Jahre einen Leis-tungsauftrag ab, der Art und Um-fang der hoheitlichen Leistungenumschreibt, die MeteoSchweiz indiesem Zeitraum erbringen muss.Innerhalb dieses Rahmens hat sieunternehmerische Freiheiten, da siemit einem Globalbudget operierenkann. Rund 55 % des Budgets vonrund 70 Mio. CHF (entspricht un-gefähr 46 Mio. €) werden durch dieöffentliche Hand gedeckt, 45 %durch Einnahmen aus Gebührenund durch die Vermarktung kom-merzieller Produkte.

Kundenbedürfnisse und Partner-schaften

Laut Rangliste gehört die Webpagevon MeteoSchweiz zu den zehnmeistbesuchten im Land. Mit derErneuerung ihrer Website Ende2005 wurde das Internet nicht nurals Haupt-Informationskanal fürdas ganze Spektrum der Aktivitä-ten aufbereitet, sondern auch miteinem elektronischen Shop verse-hen, mit dem die verschiedenstenKundengruppen die von ihnen be-nötigten Dienstleistungen einfachund schnell beziehen können. Me-teoSchweiz hat auch eine ganze Pa-lette von Produkten geschaffen,welche über die Mobiltelefonie ab-rufbar sind. Dazu gehören 5-Tages-Wetterprognosen für die ganzeSchweiz oder bestimmte Regionen,Radar- und Satellitenanimationen.

Die zentrale Marketingabteilungder MeteoSchweiz kümmert sichzusammen mit den zuständigenProduktionseinheiten um großeKunden, für die maßgeschneiderteProdukte geschaffen werden: zunennen sind hier etwa verschiedeneMedien, die Telekommunikation,die Bahn, der Flugverkehr, Stra-ßenwetterdienste, Tourismus, derAgrarsektor, die Energiewirtschaft,das Militär. Innovation ist derSchlüssel zu einer erfolgreichenMarktbearbeitung – damit können

Kunden gehalten und neue Märkteerschlossen werden.

Die Kooperation mit Hochschulenist eng. Durch die Nähe zur Univer-sität und zur ETH Zürich ergebensich manche Berührungspunktefachlicher und personeller Art: sowirken Mitarbeitende der Meteo-Schweiz als Dozenten am Lehrbe-trieb mit, und Absolventen derHochschulen schreiben bei uns ihreDoktorarbeit oder belegen einePostDoc-Stelle.

Verschiedene Standorte und ihre„Spezialitäten“

Die Schweiz ist bekannt für ihreausgeprägten föderalistischenStrukturen. Dies spiegelt sich auchin der relativ großen Autonomieder verschiedenen Regionalzentrenvon MeteoSchweiz wider. An dreiStandorten werden die Wettervor-hersagen für den jeweiligen Lan-desteil erstellt: In Zürich für dieDeutschschweiz, in Genf für diefranzösischsprachige Westschweizund in Locarno für die italienisch-sprachige Südschweiz sowie für dieSüdtäler Graubündens. In Payernebefindet sich die einzige aerologi-sche Station der Schweiz.

Auf den Flughäfen Zürich-Klotenund Genf-Cointrin ist Meteo-Schweiz mit Beobachtungspostenund Beratungsdienst anwesend.Neben ihren operativen Tätigkei-ten haben alle Standorte auch spe-zifisches Know-how entwickelt. Soist in Locarno seit 40 Jahren einhoch qualifiziertes Radar-Team amWerk, während in Payerne Spezia-

promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200676 MeteoSchweiz – mitten in Europa

Abb. 4: Tag der offenen Tür an der aero-logischen Station in Payerne,September 2002.

Abb. 3: Erster Wetterbericht in der Neu-en Zürcher Zeitung, 1. Juni 1878.

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listen für Messtechnik arbeiten.Ebenfalls in Payerne, wie auch inZürich, wirken Bio- und Umwelt-meteorologen, welche sich mit denThemenkreisen Phänologie, Pollen-erfassung, UV- und Ozonmessun-gen befassen. In Zürich konzen-triert sind die klimatologischenDienstleistungen, das Aufbereitenund Publizieren von Klimadaten,das Erstellen von Expertisen undvielem mehr.

Alpen(rand)gebiete: anfällig für ex-treme Wetterereignisse

Die stark besiedelten Gebiete amAlpenrand bieten viele Angriffsflä-chen für wetterbedingte Schaden-ereignisse wie Überschwemmun-gen, Erdrutsche und Schlammlawi-nen. Eine kritische Zeit ist der Win-ter, der in hohen Lagen lange dau-ert; auch kann es auf der Höhe derPassübergänge das ganze Jahr zu„Wintereinbrüchen“ kommen. DieSituation in den Alpentälern mitsehr unterschiedlichen Schneefäl-len und Schneehöhen, Schneever-frachtungen durch Wind oder Tau-wetter muss aufmerksam beobach-tet werden. Auch Föhnwinde mitSturmstärke können sehr plötzlicheinsetzen; sie sind eine Gefahr fürden sicheren Betrieb von Seilbah-nen oder für die Schiffe und Was-sersportler auf den Alpenrandseen.Umso wichtiger ist der wachsameUmgang mit kritischen Wetterent-wicklungen. MeteoSchweiz arbeitetim 24-Stunden-Betrieb, im engenKontakt mit den Behörden, welcheentsprechende Maßnahmen ergrei-fen, so etwa mit der Landeshydro-logie, dem Amt für Umwelt unddem Institut für Schnee- und Lawi-nenforschung.

Nach dem Wintersturm „Lothar“,der Ende 1999 großflächige Ver-wüstungen anrichtete, wurde dasKonzept für die Alarmierung derzuständigen Stellen grundsätzlichüberarbeitet und optimiert. Heuteverbreitet MeteoSchweiz Wetter-warnungen flächendeckend undrund um die Uhr über geschützteelektronische Kanäle an die Ein-satzbehörden.

Natürlich will auch die breite Öf-fentlichkeit informiert sein. Das ge-schieht über die Medien; zudem istauf unserer Website jederzeit eineaktuelle Landkarte aufgeschaltet,die mögliche Wettergefahren miteinem Farbcode detailliert aufzeigtund Verhaltensempfehlungen ab-gibt.

Dank neusten Entwicklungen inder Radartechnologie hat das Now-casting in den letzten Jahren großeFortschritte erzielt. So kann dasSystem TRT (Thunderstorm RadarTracking) aufgrund von Radar-daten konvektive Zellen automa-tisch aufspüren und ihre Zugbahnextrapolieren. Auf dieser Basis be-ruht das Produkt für Gewitterwar-nungen, Gewitterflash genannt, derseit dem Sommer 2005 in der gan-zen Schweiz operationell verwen-det wird.

Radar im schwierigen Gelände

MeteoSchweiz betreibt drei Dopp-lerradargeräte, welche zuverlässigeAussagen über das Niederschlags-geschehen erlauben. Das gebirgigeGelände verlangt nach besonderenStrategien, um nicht-meteorologi-sche Echos wie zum Beispiel Refle-xionen von Bergen zu vermeiden.Schon 1993 wurde ein Algorithmusimplementiert, der 93 % der Stör-signale eliminierte, ein Prozentsatz,der mit weiteren Verbesserungenund Filtern heute annähernd 100 %beträgt. Die schweizerischen Ra-dargeräte wenden ein Verfahrenmit 20 Elevationen in fünf Minutenan: Durch diese Abtaststrategiekommen trotz der räumlichen Hin-dernisse aussagekräftigen Informa-tionen zustande. Zurzeit arbeitendie Entwickler an einer Methode,welche die Erzeugung eines En-sembles (Schwarm) von Radarbil-dern ermöglicht. Das Ensemble isteine elegante Lösung, um die kom-plexe Fehlerstruktur in der Mes-sung einfach verständlich zu kom-munizieren. Es soll beim Risk-Ma-nagement, insbesondere bei hydro-logischen Fragen, zur Anwendungkommen. Weitere Entwicklungenhaben die Kürzestfristvorhersagen

von Starkniederschlägen und Ge-witterzellen im Blick. Unter ande-rem werden diese im ProgrammMAP D-PHASE (siehe weiter un-ten) getestet.

Modellvorhersage für das Alpenge-biet

Das Prognostikerteam der Meteo-Schweiz verwendet für die mittel-fristige Vorhersage die Produktedes EZMW in Reading, das GFS(USA) und das GME (DWD).

Die Kurzfristwetterprognosen (1–3Tage) basieren hauptsächlich aufdem Modell aLMo (Alpine Model)sowie auf den Ensemble-Vorhersa-gen LEPS und PEPS. aLMo ist dieschweizerische Variante des Lokal-Modells, das unter Führung desDWD und im Rahmen der interna-tionalen Zusammenarbeit COSMO(Consortium for Small-Scale Mo-delling) entwickelt wurde. COSMOist eine Partnerschaft der Wetter-dienste von Deutschland, Griechen-land, Italien, Polen und der Schweiz.

Das Modellgebiet von aLMo um-fasst ganz West- und Mitteleuropamit einer horizontalen Maschen-weite von 7 km und 45 Höhen-schichten. Es wird zweimal täglichauf einem Hochleistungscomputerdes Schweizer Zentrums für wis-senschaftliches Rechnen (CSCS)der ETH Zürich gerechnet und as-similiert Daten kontinuierlich miteinem Nudging-Relaxationsverfah-ren. Zahlreiche Produkte werdenauch von Kunden der Meteo-Schweiz genutzt, so etwa von der

promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 77MeteoSchweiz – mitten in Europa

Abb. 5: Das Radargerät auf dem MonteLema erfasst die Alpensüdseitebis weit nach Norditalien.

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Landeshydrologie und -geologie,dem Institut für Schnee- und Lawi-nenforschung, der SchweizerischenFlugsicherung (skyguide) und ver-schiedenen Unternehmen im Ener-giesektor. Zusammen mit der For-schergruppe von COSMO wird dasModell ständig weiter entwickelt.Die nächste Modell-Generationmit einer noch höheren Auflösung(ungefähr 2,2 km, 60 Höhenschich-ten) ist in Vorbereitung und wird2008 operationell. Es wird mehrDaten assimilieren und detaillierte-re Wetterprognosen im Kürzest-fristbereich (bis 18 h) im komple-xen alpinen Terrain ermöglichen.

Auf einer engen Zusammenarbeitmit dem DWD beruht die Entwick-lung eines leistungsfähigen Visuali-sierungstools für Prognostiker:NinJo. Diese in Java geschriebeneSoftware erlaubt den gleichzeitigenEinsatz und die Überlagerung vonmehreren Darstellungsebenen,auch von Animationen. Die Dar-stellungsform ist nahezu völlig freikonfigurierbar.

Erneuerung der Infrastruktur

Die Datenbanksysteme erfuhren inden letzten Jahren eine grundlegen-de Modernisierung: Ein meteorolo-gisches Echtzeit-Data Warehouselöste Mitte 2004 das 30jährigeComputer-System METEOR ab.Etwa sechs Milliarden digitale Da-ten bis zurück ins Jahr 1864 sind ge-speichert. Das System unterstützt –basierend auf einem unterneh-mensweiten Bauplan – sämtlicheAufgaben vom Empfang über dieAufbereitung bis zur Abfrage derDaten und ist offen für den laufen-den weiteren Ausbau.

Das umfangreichste Projekt, dasMeteoSchweiz zurzeit vorantreibt,ist eine vollständige Erneuerung derMessstationen. Aus dem ANETZund dem ENET wird das SwissMet-Net. Die historisch gewachsene In-frastruktur der Messnetze ist sehrunterschiedlich aufgebaut und da-her zeit- und kostenintensiv imUnterhalt. Bis im Jahr 2010 wird einmodernes, standardisiertes meteoro-logisches Bodenmessnetz mit 130Stationen fertig gestellt sein. Es um-fasst drei Stationstypen: klimatolo-gisches Basisnetz, Ergänzungsnetzund kostengünstige Stationen miteiner kleinen Anzahl Sensoren fürdie Prognose. Ein Augenbeobach-tungsnetz mit 60 Standorten sowieein automatisches Kameranetz mit25 Stationen liefern zusätzlich wert-volle Informationen.

Ein Beispiel für die Kooperation mitPartnern im Bereich der meteorolo-gischen Messungen ist die Installa-tion eines neuen Messnetzes fürKernkraftwerke. Zusammen mit denBehörden, die für die Sicherheit derBevölkerung bei radioaktiven Zwi-schenfällen zuständig sind, entwi-ckelt MeteoSchweiz ein Verfahrenzur Wind- und Temperaturerhebungmittels Profilern. Die so gewonne-nen Daten werden direkt in das Pro-gnosemodell aLMo eingespeist.

Forschungstätigkeit rund um alpi-nes Wetter und Klima

Das alpine Klima mit seinen Be-sonderheiten ist der Ausgangs-punkt für mehrere Forschungspro-jekte bei MeteoSchweiz. Ziel ist es,die meteorologischen Bedingungenim Alpenraum noch besser zu ver-stehen und für die Wetterprognosesowie für die Klimaanalyse nutzbarzu machen (vgl. Kapitel 9).

Stellvertretend für die verschiede-nen Vorhaben sei hier die führendeRolle im internationalen MesoscaleAlpine Programme (MAP) er-wähnt. Dieses nahm vor rund zehnJahren als erstes Projekt des Welt-wetterforschungsprogramms derWMO seinen Anfang. Höhepunktwar ein großes Feldexperiment im

Jahr 1999. Während 10 Wochen,vom 7. September bis zum 15. No-vember, setzte das Programmteamzusätzliche Beobachtungsgeräte(Radiosonden, Lidar, Windprofiler,Forschungsflugzeuge) ein. Auf die-se Weise gelangte es zu umfangrei-chen Datensätzen über die Vertei-lung von Niederschlägen, über dieräumliche Struktur des Föhns, überdas Verhalten der bodennahenGrenzschicht im komplexen Gelän-de und über das Brechen der durchdas Gebirge verursachten Schwere-wellen (vgl. Kapitel 8, S. 55-59). Seit2005 beherbergt MeteoSchweiz dieMAP-Datenbank. Mittlerweile be-findet sich das MAP-Programm inseiner vierten Phase, der MAPD-PHASE (Demonstration of Pro-babilistic Hydrological and Atmo-spheric Simulations of flood Eventsin the Alps). Dabei handelt es sichum ein so genanntes Forecast De-monstration Project der WMO, dasden Nutzen von MAP für die Vor-hersage von intensiven Niederschlä-gen und den damit verbundenenGefahren wie Erdrutsche undÜberschwemmungen aufzeigensoll. Die Federführung in diesemProjekt liegt bei MeteoSchweiz.

Eine Verpflichtung

Die WMO hat ihren Sitz in Genf.Die Schweiz beherbergt somit dieweltweit höchste Instanz für Wetterund Klima auf ihrem Boden. Das istfür MeteoSchweiz Verpflichtung.Sie sieht die Zusammenarbeit aufallen Ebenen als eine Investition indie Zukunft, bei der alle Beteiligtennur gewinnen können. Dem Aus-tausch mit den benachbarten Al-penländern kommt dabei eine zen-trale Bedeutung zu.

Anschrift der Autorin:

Brigitta KlinglerMeteoSchweizInformation und KommunikationStab UKrähbühlstraße 58CH - 8044 ZürichTel. +41 44 256 91 11http://www.meteoschweiz.ch

promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200678 MeteoSchweiz – mitten in Europa

Abb. 6: SwissMetNet-Station in Glarus.

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Institute stellen sich vor

promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 79-82 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

1 Geschichte der MaritimenMeteorologie in Kiel

Die „Maritime Meteorologie“ isteine Forschungseinheit im For-schungsbereich „Ozeanzirkulationund Klimadynamik“ des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften(IFM-GEOMAR). Traditionell be-schäftigt sich die Maritime Meteo-rologie in Kiel mit den Austausch-prozessen zwischen Ozean und At-mosphäre. Während früher die Zu-sammenarbeit mit den ozeanogra-phischen Abteilungen im Vorder-grund stand, werden heute ver-mehrt meereschemische, meeres-biologische und paläoozeanogra-phische Aspekte mit eingebunden.Das Institut für Meereskunde (heu-te IFM-GEOMAR) wurde 1937 ge-

gründet. Die Abteilung „MaritimeMeteorologie“ wurde 1961 unterLeitung von Friedrich Defant (sie-he Abb. 1), Sohn des bekanntenOzeanographen und MeteorologenAlbert Defant, eingerichtet und be-schäftigte sich hauptsächlich mitFragen der Energetik der großräu-migen Zirkulation. 1980 übernahmLutz Hasse die Abteilung und rich-tete die wissenschaftlichen Arbei-ten auf die Wechselwirkungspro-zesse zwischen Ozean und Atmo-sphäre aus. Später kam als weitererSchwerpunkt die Erfassung desNiederschlags hinzu. HartmutGraßl konnte 1981 für die neu ein-

gerichtete zweite Professur der Ab-teilung gewonnen werden und er-schloss das Gebiet der Fernerkun-dung. Eberhard Ruprecht erweiter-te seit 1985 diese Thematik in Rich-tung Mikrowellenfernerkundungund widmete sich später der statis-

Die Forschungseinheit Maritime Meteorologie des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR an derUniversität Kiel

The Research Unit Marine Meteorology at the Leibniz Institute of MarineSciences at the University of Kiel (IFM-GEOMAR)

ZusammenfassungDie aktuelle thematische Ausrichtung der Maritimen Meteorologie trägt dem Sachverhalt Rechnung, dass derZustand der Atmosphäre durch komplexe Wechselwirkungen mit dem Ozean, Land, Meereis und der Vegeta-tion sowie durch den Einfluss äußerer Faktoren bestimmt wird. Zu letzteren gehören u.a. die Vulkane, die Son-ne, aber auch anthropogene Faktoren wie etwa der Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre. Die Inten-sität der Wechselwirkungen hängt stark von den betrachteten zeitlichen und räumlichen Skalen ab. Die Klima-modellierung unter Leitung von Mojib Latif bildet den Rahmen für die weiteren interagierenden Themenberei-che, die in der Maritimen Meteorologie bearbeitet werden. Hierzu gehören der globale und regionale Energie-und Wasserkreislauf (Andreas Macke), die Analyse der Klimavariabiliät aus Modell und Beobachtung (Eber-hard Ruprecht, Dietmar Dommenget) sowie die Rolle der ozeanischen Deckschicht (Dietmar Dommenget) undder mittleren Atmosphäre (Kirstin Krüger) im Wechselspiel mit Ozean und Atmosphäre.

Abstract

Present fields of research are based on the recognition that the current state of the atmosphere is a result of com-plex interactions with ocean, land surface, vegetation, and external influences such as volcanoes, the sun or an-thropogenic factors, like the increasing atmospheric content of CO2, on all temporal and spatial scales. Climatemodelling, headed by Mojib Latif, links all the Marine Meteorology research areas together. Andreas Macke isleading the working group of energy and water cycle, which comprises both, global and regional aspects. Clima-te variability is investigated on the basis of analyses and observations (Eberhard Ruprecht and Dietmar Dom-menget).The role of the ocean’s mixed layer (Dietmar Dommenget) and of the middle atmosphere (Kirstin Krü-ger) on air-sea interaction are also subjects of research.

Abb. 1: Friedrich Defant übernahm die er-ste Meteorologie-Professur am da-maligen Institut für Meereskunde.

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tischen Analyse des Klimasystems.Dessen Nachfolge trat 2004 Andre-as Macke an, der die Rolle der Be-wölkung im gekoppelten SystemOzean/Atmosphäre untersucht.1995 übernahm Peter Lemke dieLeitung der Abteilung von LutzHasse und brachte die Modellie-rung und Beobachtung des Meer-eises ein. Seit 2003 leitet dessenNachfolger Mojib Latif das Ar-beitsgebiet Klimamodellierung.Die zwei früheren Assistenturenkonnten in Juniorprofessuren um-gewidmet werden und sind seit2003 von Dietmar Dommenget(Klimadynamik) und seit 2005 vonKirstin Krüger (Mittlere Atmo-sphäre) besetzt.

2 Klimamodellierung

Die Rückkopplungen zwischen denverschiedenen Klimasubsystemenund die Variabilität des Klimas aufverschiedenen Zeitskalen sind im-mer noch nicht hinreichend gut ver-standen. Hier stellen Klimamodelle

geeignete Werkzeuge dar, die nochoffenen Fragen in einer systemati-schen Art und Weise zu untersu-chen. Die Modellgüte bzw. ihreSensitivität kann an Hand von Be-obachtungen überprüft werden. Inder Arbeitsgruppe Klimamodellie-rung wird ein großes Spektrum vonKlimaschwankungen untersucht,das von interannualen bis zu paläo-klimatologischen Zeitskalen vonJahrtausenden reicht.

Das Hauptaugenmerk liegt auf derWechselwirkung Ozean-Atmo-sphäre. Als Beispiel ist in Abb. 2 dieSimulation der Anomalien des Jah-resganges der Meeresoberflächent-emperatur (engl.: sea surface tem-perature, SST) längs des Äquatorsim Pazifik mit dem Kieler Klima-modell (KCM, Kiel Climate Mo-del) gezeigt. Längs des Äquatorserwartet man eigentlich keinen Jah-resgang, da die Sonne den Äquatorzweimal im Jahr überstreicht. DieBeobachtungen zeigen aber dieExistenz eines ausgeprägten Jah-resganges, der auf komplexe Wech-

selwirkungen von Ozean und At-mosphäre zurückzuführen ist. Diemeisten Modelle haben Schwierig-keiten diesen Jahresgang zu simu-lieren. Das KCM aber bildet denJahresgang gut ab, da hier Wechsel-wirkungsprozesse realistischer dar-gestellt sind.

3 Energie- und Wasserkreislauf

Die bewölkte Atmosphäre beein-flusst über Strahlungsflüsse, Flüsselatenter und fühlbarer Wärme so-wie Frischwassertransporte maß-geblich den Energie- und Wasser-haushalt unseres Planeten. Zentra-le Arbeitsgebiete sind die Simula-tion des Strahlungstransports, dieWolkenfernerkundung, die Erfas-sung der Energie- und Massenflüs-se an der Grenzfläche Ozean/At-mosphäre sowie die Analyse vonWolkenprozessen im gekoppeltenKlimasystem Ozean/Atmosphäre.

Monte-Carlo Strahlungstransport-modelle dienen der Berücksichti-gung möglichst realistischer Wol-kenstrukturen in der Berechnungdes Strahlungshaushaltes am Bo-den und am Oberrand der Atmo-sphäre sowie der Entwicklung vonAlgorithmen zur satellitengetrage-nen Fernerkundung von Wolkenpa-rametern. Boden- bzw. schiffsge-bundene Langzeitmessungen derabwärts gerichteten solaren undthermischen Strahlung sowie desBewölkungszustandes (s. Abb. 3)werden gemeinsam mit satelliten-gestützten Messungen der Strah-lungsbilanz am Oberrand der At-mosphäre zur Entwicklung moder-ner Strahlungstransport-Parametri-sierungen für den Einsatz in Klima-modellen genutzt.

Die Messung der Niederschläge er-folgt mit Schiffsregenmessern undoptischen Disdrometern, die eigensfür den Einsatz auf fahrendenSchiffen entwickelt wurden. Diesehaben im Rahmen verschiedenerProjekte einzigartige Messreihendes Niederschlags über der Ostseegeliefert und werden unter ande-rem zur Validierung von numeri-schen Modellen genutzt.

80 promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006Die Forschungseinheit Maritime Meteorologie des Instituts für Meereswissenschaften an der Universität Kiel

Abb. 2: Ausbreitung hoher Temperaturanomalien (in K), nach Westen. Beobachtungs-zeitraum ist 1975–2000 (links). Im Modell (rechts) wurde über 70 Jahre ge-mittelt.

Beobachtungen

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Modell

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Ergänzt werden die Arbeiten zumEnergie- und Wasserkreislaufdurch Messungen der Flüsse fühl-barer und latenter Wärme auf See.Diese Arbeiten liefern einen wich-tigen Beitrag zur Bestimmung derEnergie- und Wasserbilanz derOstsee.

4 Dynamik des Klimasystems

Klimaschwankungen auf Zeitskalenvon Monaten bis Jahrhunderten ent-stehen aus der Wechselwirkung zwi-schen unterschiedlichen Klimasub-systemen und organisieren sich oft-mals in bestimmten räumlichenoder zeitlichen Mustern, wie etwaim Falle der Nordatlantischen Oszil-lation (NAO), der El Niño-SouthernOscillation (ENSO) im tropischenPazifik (siehe Abb. 4), oder der Qua-si Biennial Oscillation (QBO) dertropischen Stratosphäre.

Interessanterweise sind alle dieseMuster zuerst aus statistischenAnalysen von Beobachtungsdatenentdeckt und nicht aus Analysenvon dynamischen Modellen vor-hergesagt worden. Des Weiterengibt es für die meisten Klimamo-den oft nur eine unzureichende dy-namische Beschreibung, die mandirekt auf den elementaren Grund-gleichungen der Systeme zurück-

führen könnte. DieAuswirkung dieserMuster auf die At-mosphäre ist Ge-genstand zahlrei-cher Untersuchun-gen innerhalb derKieler Meteorolo-gie.

Das Verhalten desKlimasystems stehtim engen Zusam-menhang mit denmeridionalen Ener-gietransporten inder Atmosphäreund dem Ozean.Für Änderungenauf der interdekadi-schen Skala zeich-nen vor allem derOzean und speziell

für die letzten 100 Jahre die Indus-trialisierung verantwortlich. Mitder Analyse dieser Schwankungenwurden Einflüsse auf den europä-isch-asiatischen Kontinent und aufdie Bahnen der Tiefdruckgebietenachgewiesen.

5 Die mittlere Atmosphäre

Änderungen des troposphärischenKlimas und der chemischen Zu-sammensetzung der Erdatmosphä-re beeinflussen auch das Klima der

mittleren Atmosphäre, wie regel-mäßige Beobachtungen seit denspäten 1950er Jahren zeigen. Deut-lich wird dies am Beispiel des stra-tosphärischen Ozons. Neben demantarktischen Ozonloch, das seitMitte der 1980er Jahre regelmäßigauftritt, und dem winterlichen che-mischen Ozonverlust über der Ark-tis ist seitdem auch ein globalerRückgang zu verzeichnen.

Die zukünftige Entwicklung derstratosphärischen Ozonschicht istweltweit ein aktueller Forschungs-schwerpunkt. Durch die Tempera-turabhängigkeit des chemischenOzonabbaus ist das Verständnis derVariabilität der Temperatur in derStratosphäre eine wichtige Voraus-setzung für die Zuverlässigkeit derOzonprognose. So genannte gekop-pelte Klima-Chemie-Modelle un-tersuchen diese komplexen Vor-gänge. Am unteren Rand dieserModelle werden bisher jedoch dieMeeresoberflächentemperaturen,die für die Variabilität in der Win-terstratosphäre eine entscheidendeRolle spielen, vorgeschrieben. Zieldieser neu gegründeten Arbeits-gruppe am IFM-GEOMAR sollsein, die komplexen Wechselwir-kungen des Ozeans mit der Mittle-ren Atmosphäre zu untersuchenum Unsicherheiten in der Strato-sphären-Variabilität besser ein-grenzen zu können.

81promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 Die Forschungseinheit Maritime Meteorologie des Instituts für Meereswissenschaften an der Universität Kiel

Abb. 4: Muster des El Niño Klimamodes in der Meeresoberflächentemperatur. Darge-stellt ist die Korrelation der Meeresoberflächentemperatur im äquatorialen Ost-pazifik mit der in allen anderen Meeresregionen.

Abb. 3: Kameras erfassen den Zustand des bewölktenHimmels zur Interpretation der Strahlungsmes-sungen.

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82 promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006Die Forschungseinheit Maritime Meteorologie des Instituts für Meereswissenschaften an der Universität Kiel

Als ein Beispiel für Kopplungenzwischen Ozean und mittlerer At-mosphäre zeigt Abb. 5 die Mini-mumtemperatur (als Maß für denstratosphärischen Wasserdampfge-halt) in der tropischen Tropopaus-enregion (engl.: tropical tropopau-se layer, TTL). Zum Vergleich isthier der Einfluss von ENSO auf dasTransportverhalten in der TTL dar-gestellt.

6 Lehre

Die Forschungseinheit MaritimeMeteorologie bietet in Kiel den Di-plom-Studiengang Meteorologiean. Dieser wird zur Zeit von zwei

Professuren, zwei Juniorprofessu-ren und mit Beteiligung festange-stellter Wissenschaftler getragen.Zusätzlich gibt es gemeinsame Ver-anstaltungen mit dem Diplomstu-diengang Ozeanographie. Bis zumVordiplom werden in Kiel die Stu-diengänge Meteorologie, Physik,Geophysik und Ozeanographie alsgleichwertig anerkannt. Im Haupt-studium bietet Kiel die Besonder-heit, dass als 1. Nebenfach an Stelleder Physik auch die Ozeanographiebelegt werden kann, was die Aus-richtung des Institutes auf die Mee-reswissenschaften unterstreicht.Zum Studium gehört auch das Me-teorologische Fortgeschrittenen-praktikum, eine 5-tägige Ausfahrt

mit dem Forschungsschiff ALKORzur Messung und Beobachtung derWechselwirkung Ozean-Atmo-sphäre. In der Regel beginnen inKiel jedes Jahr zwischen 10 und 20Erstsemester das Studium der Me-teorologie. Hinzu kommen nochStudenten der Geographie, Physikund weiterer Fachrichtungen, dieMeteorologie als Nebenfach bele-gen.

Im Rahmen der Umwandlung vonDiplom- in Bachelor/Masterstu-diengänge ist für die UniversitätKiel ein gemeinsamer Bachelor inMeteorologie, Ozeanographie undGeophysik (voraussichtlicher Na-me: Physik des Erdsystems) ge-plant. Hieran werden sich Master-bzw. Promotions-Studiengänge dereinzelnen Disziplinen anschließen.

Anschrift der Autoren:

Dr. Karl Bumke,Prof. Dr. Dietmar Dommenget,Dr. Noel Keenlyside,Prof. Dr. Kirstin Krüger,Prof. Dr. Mojib Latif,Prof. Dr. Andreas Macke,Dr. Thomas Martin,Prof. Dr. Eberhard RuprechtLeibniz-Institut für Meereswissen-schaften (IFM-GEOMAR)FB1 - Maritime MeteorologieDüsternbrooker Weg 20 / Dienst-gebäude Westufer24105 KielTel. (0431) 600-4051Fax (0431) 600-4052E-Mail (Sekretariat):[email protected]

Abb. 5: Eintragungsort und Auftreten von Minimumtemperaturen (K) in der TTL, diedie Luftpartikel während ihrer 3-monatigen Rückwärtsreise vom 1. März biszum 1. Dezember für die Winter (a) 1997/98: El Niño und (b) 1998/99: La Niñadurchlaufen haben. Die Trajektorienberechnungen basieren auf ERA40 Datenund wurden am AWI Potsdam durchgeführt.

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83promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 83-86 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

Einleitung

EUMETSAT (European Organisation for the Exploi-tation of Meteorological Satellites), eine 1986 gegrün-dete internationale Organisation mit Sitz in Darmstdt(Abb. 1), hat den Auftrag, europäische operationellemeteorologische Satellitensysteme zu entwickeln, zuunterhalten und zu nutzen. Sie liefert den europäischenBeitrag zum globalen System meteorologischer Satelli-ten und hat europäischen Wetterdiensten seit ihrerGründung eine Fülle zuverlässiger Daten hoher Qua-lität für Wetterbeobachtungen aus dem All zur Verfü-gung gestellt. EUMETSATs zweiter Auftrag beinhaltetdie Unterstützung von Anwendungen in der Klimabe-obachtung mit dem Ziel der globalen Klimaüberwa-

chung, beziehungsweise der Entdeckung von globalenKlimaänderungen. Da die Bedeutung von und der Be-darf an Daten zur Unterstützung von sowohl Wetter-als auch Klimabeobachtung ständig zunimmt, arbeitetEUMETSAT fortlaufend an der Verbesserung ihrerSatellitensysteme und deren Anwendungen.

In der Darmstädter Zentrale sind außer dem Satelli-tenbetriebszentrum, auch Kontrollzentrum genannt,die Bereiche Projektmanagement und Entwicklungneuer Satellitenprogramme (Programme Develop-ment) sowie die Erstellung neuer meteorologischerDienste und Produkte (Operations) untergebracht.Hinzu kommen die Service- und Verwaltungsabteilun-gen der Organisation (Administration). Derzeit sindrund 219 (Jan. 06) feste Mitarbeiter und etwa gleich-viele Consultants aus verschiedenen europäischenLändern tätig, dabei stellt Deutschland mit 28 % dengrößten Anteil. Derzeitiger Direktor ist Dr. LarsPrahm, ehemaliger Präsident des Dänischen Meteoro-logischen Instituts.

An der Gründung von EUMETSAT waren 16 Mit-gliedsstaaten beteiligt: Belgien, Dänemark, Deutsch-land, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritan-nien, Irland, Italien, die Niederlande, Norwegen, Portu-gal, die Schweiz, Spanien, Schweden und die Türkei.Heute sind es 19 Mitgliedsstaaten und 11 Koopera-tionsstaaten. Die aktuelle Liste der Mitgliedsstaatenkann dem Punkt „Member States“ auf der Homepage

EUMETSAT: Erdbeobachtungen für Wetter, Klima undUmweltschutz

EUMETSAT: Monitoring Weather, Climate and the Environment

L. BRIESE

ZusammenfassungEUMETSATs zuverlässiger meteorologischer Satellitenservice liefert eine der Grundvoraussetzungen für unserLeben heute in Europa. Besonders im Kontext von extremen Wettersituationen oder wetterbedingten Natur-katastrophen sind die von EUMETSAT gelieferten Bilder und Daten unentbehrlich. Das EUMETSAT Daten-material ermöglicht es Meteorologen, extreme Wettersituationen zeitgenau zu überwachen und gegebenenfallsWarnungen herauszugeben. Diese Warnungen sind wiederum wichtig, um Menschenleben wie auch Besitz imKontext solcher Ereignisse schützen zu können. Aber selbst unter ,normalen’ Wetterbedingungen sind die vonden europäischen Wettersatelliten gelieferten Informationen unerläßlich für den modernen Flug-, Schiffs- undStraßenverkehr, und auch die Land- und Bauwirtschaft sowie zahlreiche andere Industriezweige stützen sich inihrem Tagesgeschäft auf die von EUMETSAT gelieferten Satellitendaten.

AbstractModern life as we know it would be almost unthinkable without the reliable operational service delivered by theEUMETSAT system of satellites. The high-quality data and images are especially relevant in the context of se-vere weather situations and weather related natural disasters. Based on the input that EUMETSAT satellitesprovide, forecasters have the capability to monitor situations of severe weather and can subsequently issue war-nings, which in turn can help to save lives and property. But even in more ,normal’ conditions the informationgathered by EUMETSAT satellites is critical for the safety of air, shipping and road traffic – also farming, con-struction and many other industries heavily rely on them as they go about their daily business.

Abb. 1: Hauptquartier von EUMETSAT in Darmstadt.

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von EUMETSAT entnommen werden. Das heutigeManagement Board setzt sich zusammen aus: Dr. LarsPrahm (Generaldirektor, Dänemark), Ernst Koene-mann (Director of Programme Development,Deutschland), Mikael Rattenborg (Director Opera-tions, Dänemark) und Angiolo Rolli (Director Admi-nistration, Italien).

Die Aufgabe von EUMETSAT hat sich von der reinenUnterstützung der operationellen Wettervorhersageentsprechend den politischen Forderungen gewandeltund umfasst nunmehr ein weiteres Gebiet, das zuneh-mend an Bedeutung gewinnt: Erforschung des Klimasund dessen Veränderung sowie deren Anwendungen,beispielsweise im Bereich der Ozeanographie und derHydrologie. EUMETSAT unterstützt zudem das soge-nannte „Global Monitoring for the Environment andSecurity“ (GMES) Projekt, eine Initiative der Europä-ischen Gemeinschaft und der ESA zur Einrichtung ei-nes Erdbeobachtungssystems mit dem Ziel, innerhalbEuropas das Verständnis verschiedener Umweltphä-nomene, besonders im Kontext gefährlicher Wettersi-tuationen, voranzutreiben.

Wetter und Klima kennen keine Grenzen: Erfolgrei-che Klimaüberwachung erfordert demzufolge nichtnur ein globales System, sondern auch internationaleZusammenarbeit. EUMETSAT und damit auch derDeutsche Wetterdienst – als eines seiner ersten Mit-glieder (1986) und Hauptförderer (knapp 23 % desHaushalts von EUMETSAT werden vom DWD getra-gen) ist ein ,global player’ in der meteorologischen Ge-meinschaft. Mit dem erfolgreichen Start von MSG-2am 21. Dezember 2005 steht nun ein weiterer Satellitder zweiten Generation zur Verfügung. Sein operatio-neller Betrieb ist für den Sommer 2006 vorgesehen.Die Meteosat-Programme (erster und zweiter Genera-tion) sind Teil eines weltweiten Systems, das die Be-reitstellung wichtiger Daten auf globaler Basis sicher-stellt. Der wesentliche Unterschied zwischen den Sa-telliten der ersten und der zweiten Generation bestehtin der technischen Leistungsfähigkeit der mitgeführtenInstrumente: GERB (http://www.ssd.rl.ac.uk/ gerb/)und SEVIRI (http://www.astrium.eads.net/corp/prod/00000842.htm). Ferner trägt die neue Satellitengenera-tion zu internationalen Projekten wie dem GlobalenBeobachtungssystem der WMO und dem von derCGMS (Co-ordination Group for Meteorological Sa-tellites, http://www.wmo.int/web/sat/CGMShome. html)geleiteten Globalen Meteorologischen Satellitenbeob-achtungssystem bei.

EUMETSATs derzeit entstehendes Polares System(EPS) – der Start des ersten Metop-Satelliten (Métop:satellite opérationnel météorologique, http://www.esa.int/esaME/) dieser Dreier-Serie ist für Juni 2006 geplant –ist ein Zeichen für die wachsende internationale Zu-sammenarbeit. Zum einen wurden die Satelliten undderen Instrumente in Zusammenarbeit mit der euro-päischen und der französischen Raumfahrtagentur

(ESA, European Space Agency und CNES, Centre Na-tional d’ Etudes Spatiales), entwickelt, zum anderenteilen sich EUMETSAT und NOAA (National Ocea-nic and Atmospheric Administration), die US-ameri-kanische Agentur, die Aufgabe, die Abdeckung der po-laren Umlaufbahn zu gewährleisten.

EUMETSAT leistet auch Unterstützung für Partner,die noch an der Entwicklung ihrer meteorologischenKapazitäten arbeiten. Die von der EU und der WMOunterstützte PUMA-Initiative (Preparation for Use ofMeteosat Second Generation in Africa), die im Sep-tember 2005 zu Ende geführt wurde, gewährt einemNetz von 53 afrikanischen Staaten und vier regionalenZentren Unterstützung auf den Zugriff zu Meteosat-Daten. Damit werden afrikanische Wetterdienste erst-mals in der Lage sein, Anwendungen zu entwickeln,die von Überschwemmungsvorhersagen über Früh-warnungen bei Extrem-Wetterlagen bis hin zur Nah-rungssicherung und Pestüberwachung reichen.

Programme

Das Meteosat-Programm ist Europas operationellesSystem geostationärer meteorologischer Satelliten undhat seit seinem Beginn im Jahre 1977 sehr zuverlässigwertvolle Daten geliefert. Bislang waren sieben nahe-zu baugleiche Satelliten aus der ersten Meteosat-Rei-he im Umlauf. Meteosat-5, -6 und 7 dieser Reihe sindweiterhin in Betrieb. Dabei ist zu beachten, dassMeteosat-5 bereits 1991 gestartet wurde. Mit der Inbe-triebnahme von Meteosat-8 im Januar 2004 nahm dererste einer beträchtlich verbesserten Generation vonMeteosat-Satelliten die Arbeit auf (Abb. 2). Doppeltso schnell wie seine Vorgänger der ersten Generation,übermittelt Meteosat-8 alle 15 min Bilder von überra-gender Qualität (erstellt aus 12 statt bislang 3 Spek-tralkanälen) an Nutzer in Europa, Afrika und Latein-amerika. Sowohl die verbesserte Genauigkeit als auchdie Vielfalt der nunmehr gelieferten Daten ist unver-zichtbar für die Weiterentwicklung der Wettervorher-sagen wie auch für die Entwicklung neuer meteorolo-gischer Produkte und Anwendungen.

Für die Zukunft hat EUMETSAT noch ehrgeizigerePläne. Die Vorbereitungen für eine Beteiligung an demweltweiten System von polarumlaufenden Satelliten,die bislang nur von den USA, Russland und China be-trieben werden, sind im vollen Gange. Anders als beiden Meteosat-Satelliten, die in ihrer geostationärenUmlaufbahn 36 000 km über der Erde wachen, umkrei-sen diese Satelliten auf einer polarer Umlaufbahn dieErde in einer Höhe von etwa 850 km. Damit sind sieviel näher am Wettergeschehen und können somit we-sentlich genauere Daten sammeln als geostationäre Sa-telliten, die wiederum den globalen Überblick liefern.

Die Metop-Satelliten (Abb. 3) des EUMETSAT PolarSystems (EPS) werden als Teil eines polarumlaufenden

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europäischen Satellitensystems sehr präzise Informatio-nen für mittelfristige Wettervorhersagen und langfristi-ge Klima- und Umweltforschung liefern, beispielsweisedie Ozonverteilung in der Atmosphäre messen sowiedie Konzentration anderer Atmosphärenbestandteile,die zur Klimaüberwachung genutzt werden können. Ih-re Daten und Bilder leiten eine neue Dimension globa-ler meteorologischen Beobachtungen ein. Der ersteMetop-Satellitenstart ist für Juni 2006 vorgesehen.

Die Palette der EUMETSAT-Satellitenprogrammewird seit Sommer 2003 noch um ein weiteres ergänzt:Jason-2 (Abb. 4). Für die Entwicklung des Klimas spie-len vor allem die großen Wasseroberflächen der Ozea-ne eine wesentliche Rolle: 71 % der Erdoberfläche istvon Ozeanen bedeckt. Um Meeresstömungen undPhänomene wie El Niño deuten zu können, ist es not-wendig, die Ursachen des allgemeinen Klimawandelsbesser zu verstehen. Abb. 5 zeigt beispielhaft eine Kar-te der signifikanten Wellenhöhen. Der Jason-1 Satellit– eine Zusammenarbeit der französischen Raumfahrt-behörde CNES mit der amerikanischen NASA – isthier bereits im Einsatz. Sein Nachfolger Jason-2 wirddie notwendige Mission zur Überwachung der Topo-graphie der Ozeanoberflächen erfüllen. Gemeinsammit NOAA übernimmt EUMETSAT die Verantwor-tung für den Betrieb von Jason-2, dem Eckpfeiler in ei-nem wachsenden System globaler Meeresüberwa-chung. EUMETSAT und NOAA werden als die bei-den operationellen Organisationen Bodenstationenbereitstellen und unterhalten sowie operationelle Da-ten erzeugen und verbreiten. Die Standorte der Bo-denstationen sind Usingen, Wallops Island/Virginiaund Fairbanks/Alaska.

Die Jason-2 Mission kam im November 2005 mit derInstallation des Radoms und der Antenne in der Bo-denstation in Usingen/Deutschland einen Schritt vo-ran. Usingen wurde als Standort für die Jason-2-Bo-denstation von EUMETSAT ausgewählt, da dort einehervorragende Telekommunikations-Infrastruktur zurVerfügung steht und auch die primäre Bodenstationfür die Satelliten der Meteosat Zweiten Generation(MSG) beherbergt ist.

EUMETSAT ist einer von vier Partnern im Jason-2-Programm zur Gewinnung globaler Meeresoberflä-chendaten, mit deren Hilfe Wissenschaftler die Kräfte,die zum globalen Klimawandel führen, besser verste-hen lernen und saisonale Wetteränderungen präziservorhersagen können. Die anderen Partner der Jason-2-

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Abb. 2 (links): Satellit der zweiten Generation Meteosat: MSG – Das von EADS Astrium gebaute Radiometer SEVIRI (Spinning En-hanced Visible and Infra-Red Imager) an Bord von MSG, Erststart 2002, liefert Daten für Wettervorhersagen mit bisherunerreichter Genauigkeit.

Abb. 3 (Mitte): Der Wettersatellit Metop wird von einem Konsortium europäischer Industrieunternehmen unter Leitung des Hauptauf-tragnehmers EADS Astrium entwickelt. Astrium übernimmt die Gesamtverantwortung für die abschließende Integra-tion und Vorbereitung des Starts der drei Metop-Satelliten.

Abb. 4 (rechts): Der Satellit Jason-2 (Skizze), © CNES – Juni 2003, Autor: D. Ducros.

Abb. 5: Signifikante Wellenhöhen der Zeitspanne 13.11. bis23.11.2005, gewonnen mit Jason-1, Quelle:http://www.jason.oceanobs.com/html/calval/validation_report/j1/j1_calval_bulletin_142_fr.html

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Mission sind das französische Raumfahrtforschungs-zentrum Centre National d’Etudes Spatiales (CNES),die US-amerikanische Wetterbehörde NOAA sowiedie US-amerikanische Weltraumbehörde NationalAeronautics and Space Administration (NASA).

Das SAF Netzwerk

Das Konzept der Satelliten-Auswertezentren (SAF –Satellite Application Facilities) wurde 1992 entwickelt,als die Mitgliedsstaaten von EUMETSAT beschlossen,den Bedarf an speziellen meteorologischen Anwen-dungsbereichen mit den Daten der neuen Satelliten zudecken. Sie stellen ein neues Konzept für die Betrach-tung der meteorologischen Satellitendaten dar. Für dieerste Generation der Meteosat-Satelliten legteEUMETSAT noch die meteorologischen Produkte(wie beispielsweise Wind, Wolkenbewegungen oderTemperaturen der Wolkenobergrenzen) fest. ImGegensatz hierzu werden mit den zusätzlichen Mög-lichkeiten der EUMETSAT-Satellitensysteme Produk-te aus den SAFs auch für andere spezielle Anwen-dungsbereiche wichtig. Damit entsteht ein Freiraum,den die Forschung für innovative und kreative Ansät-ze in der Datenforschung nutzen kann.

SAFs sind spezialisierte Zentren für die Verarbeitunganwendungsspezifischer Satellitendaten. Als Teil vonEUMETSATs dezentralem Anwendungs-Bodenseg-ment wird jedes SAF von einem anderen nationalenWetterdienst in Europa geleitet und ist auf ein eigenesThema spezialisiert. Gegenwärtig konzentrieren sichsieben SAFs auf Klimaüberwachung, Nowcasting undäußerst kurzfristige Vorhersage, Meeres- und Treibeis,Ozonüberwachung, Numerische Wettervorhersage,GRAS-Meteorologie und Landoberflächenanalyse.Ein neues SAF Thema „Operationelle Hydrologie“wurde im Sommer 2005 ins Leben gerufen.

Satelliten sind für Meteorologie und Forschung bei dergegebenen spärlichen Verteilung der Stationen für dieBodenbeobachtung unverzichtbar. SAFs wirken alsMultiplikatoren, da sie Hunderten von Wissenschaft-lern den Zugang zu wichtigen Daten ermöglichen undeine neue Nutzung dieser Daten stimulieren. SAFsnutzen die Informationen sowohl der geostationärenals auch der polarumlaufenden meteorologischen Sa-telliten und bieten unter anderem folgende Nutzungs-möglichkeiten:

• Verbesserung der Kurzfristvorhersage von Unwet-terereignissen,

• Nutzen für die Luftfahrt, die Landwirtschaft, dieBauwirtschaft, die Energie- und Wasserwirtschaft,

• Besseres Verständnis für die Ursachen und Auswir-kungen der Luftverschmutzung in der oberen At-mosphäre und des Ozonabbaus,

• Frühwarnung vor Katastrophen,• Bessere Daten für die Klimaüberwachung,

• Verbesserte Informationen über Landnutzung,Ökologie, Katastrophen-Monitoring und Vorhersa-gen für die Landwirtschaft,

• Nutzen für die Seeschifffahrt, die Fischereiwirt-schaft und die Offshore-Industrie,

• Verbesserte Eingangsdaten für die numerische Wet-tervorhersage und die Verfügbarkeit von Software-Modulen für operationelle Anwendungen,

• Verbesserte Software-Module und Echtzeit- sowieOffline-Produkte.

EUMETSAT ist verantwortlich für die Entwicklungund Koordination des SAF-Netzwerks und entscheidetüber die politischen und finanziellen Angelegenheiten.Die Organisation leitet und koordiniert die Schnittstel-len zwischen den einzelnen SAFs sowie zwischen denSAFs und anderen EUMETSAT-Systemen. Fernerüberwacht EUMETSAT die Integration der SAFs indie Infrastruktur des gesamten Anwendungs-Boden-segments, zu dem auch die zentralen Verarbeitungs-und Archivierungssysteme in Darmstadt gehören.

Jedes SAF wird von dem nationalen Wetterdienst ei-nes Mitgliedsstaats in Zusammenarbeit mit einemKonsortium von angeschlossenen Institutionen ausMitglieds- und Kooperationsstaaten verwaltet. Da-durch, dass die Stränge des gesamten Netzwerks beiEUMETSAT zusammenlaufen, können Dienste kos-teneffektiv und effizient bereitgestellt werden. Diesgilt gleichermaßen für zentrale wie auch für verschie-dene von den SAFs verteilte Dienste.

Das CM-SAF, dessen mehrjährige Entwicklungsphaseim Dezember 2003 abgeschlossen wurde, wird Nutzerneine Reihe von Datensätze liefern, welche langfristighomogene Langzeitreihen bilden und somit Wissen-schaftler bei der Untersuchung von Klimaveränderun-gen unterstützen.

Das CM-SAF, welches unter der Leitung des Deut-schen Wetterdienstes (DWD) steht, ist eine Einrich-tung von EUMETSAT, deren Ziel es ist, Wissenschaft-ler aus allen europäischen Mitgliedsstaaten einzubin-den und der Klimatologie weltweit wichtige Produktean die Hand zu geben. Weitere Informationen dazu:http://www.cmsaf.dwd.de.

Anschrift der Autorin:

Livia Briese EUMETSAT Communications and InformationDivisionCommunications ManagerAm Kavalleriesand 3164295 Darmstadt Tel.: 06151/807 839 Fax: 06151/807 7221E-Mail: [email protected]://www.eumetsat.int

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87promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 87-90 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

1 Einführung

Während sich die meteorologische Forschung in denvergangenen Jahrzehnten bei weitem stärker mit demEinfluss von Stadtgebieten auf die Lufttemperatur undandere meteorologische Elemente beschäftigte (zuden Gründen siehe LOWRY 1998), wurde die Wirkungurbaner Verdichtungsräume auf die Niederschläge,wohl aufgrund ihrer schwieriger zu fassenden zeit-lichen und räumlichen Variabilität, deutlich selteneruntersucht. Dabei beschäftigten sich Forschungspro-jekte (insbesondere METROMEX, siehe CHAN-GNON 1980) oder Einzelanalysen (zum Beispiel SHE-PHERD et al. 2002; MÖLDERS und OLSON 2004)meist nur mit konvektiven Niederschlagsprozessen imSommerhalbjahr, während Studien für das Winterhalb-jahr die Ausnahme blieben (CHANGNON et al. 1991).In einer früheren Arbeit (CHANGNON 1973) er-wähnt der Autor eine mittlere Zunahme des winter-lichen Niederschlages in ausgewählten US-amerikani-schen Städten von 10 % (Schneefall) bzw. 13 % (Re-gen) im Vergleich zu ihrem Umland.

Dieser Trend wird von einer bemerkenswerten Wetter-situation, die am 23. Februar 2005 im mittlerenDeutschland auftrat, beispielhaft veranschaulicht. Sieführte sehr wahrscheinlich zu einem Starkschneefallauslösenden bzw. verstärkenden Effekt im Stadtgebietvon Frankfurt am Main, während es im ganzen Um-land der Stadt keine derartigen Niederschläge gab. Zu-nächst als Artefakte gedeutete Radaraufnahmenkonnten bei genauerer Analyse als wichtiges Indiz fürein Resultat dieses „Stadteffektes“ herangezogen wer-den, wenn auch die Ursachenfrage nicht abschließendbeantwortet werden kann.

2 Synoptische Situation

Die Großwettersituation am 23. Februar 2005 wurdevon einem ausgedehnten Höhentief bestimmt, das fastganz Europa überdeckte und das Wetter zyklonal ge-staltete. Korrespondierend hierzu lag ein Hoch über Is-land und Nordskandinavien. Das Zentrum des Höhen-tiefs (Maximum der Vorticity) befand sich im 500 hPa-Niveau mittags recht exakt über dem Rhein-Main-Ge-biet (Abb. 1). Die Temperatur betrug in diesem Niveauhier nur –38 °C. Die untere Troposphäre (700 hPa)wies gleichzeitig ein klar abgegrenztes Feuchtemaxi-mum auf, mit einem Betrag der relativen Luftfeuchtig-keit über 90 % (Abb. 2). Nennenswerte synoptische

Auslösung von Starkschneefällen in Frankfurt/Main alsmögliche Folge des Stadteffektes

Triggering of heavy snowfall in Frankfurt/Main as a possible result ofurban effects

J. RAPP

ZusammenfassungRadaraufnahmen vom 23. Februar 2005 zeigen, beschränkt auf das unmittelbare Stadtgebiet vonFrankfurt/Main, ungewöhnlich starke und einige Stunden andauernde Schneefälle. Sie zeigen die mögliche Wir-kung des sogenannten „städtischen Wärmeinseleffektes“ auf das Wetter, wie sie bisher selten in der Literatur do-kumentiert wurde.

AbstractRadar images from February 23rd, 2005, show heavy and continuous snowfall in Frankfurt/Main, a phenomenon,which was restricted to the urban area only. Probably, the situation illustrates the effect of urban-enhanced pre-cipitation resulted from increased heating, which was rarely described in the meteorological literature so far.

Abb. 1: Radiosondenaufstiege (Stationssymbol mit Windpfeil,Temperatur, Windrichtung und Taupunkt in °C) sowievom GME-Modell assimilierte Temperatur in 500 hPa(Isolinien 2 zu 2 °C) am 23.02.2005, 12 UTC.

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Antriebe für Niederschlag (großskalige Hebung) gabes allerdings nicht.

Zum Höhentief korrespondierte ein Tiefdruckgebietam Boden, das sich vom östlichen Mitteleuropa bisnach Italien erstreckte (Abb. 3). Auf seiner Nord- undWestseite wurde kalte und relativ feuchte Luft heran-geführt. Zeit- und gebietsweise schneite es, jedochmeist nur mit geringer Intensität. Die Temperaturenstiegen tagsüber auf maximal –3 bis 0 °C. Aufgrund derNähe zum Tiefdruckzentrum herrschte über demRhein-Main-Gebiet zu Beginn der Starkschneefällenur schwache Luftbewegung, sowohl in unmittelbarerBodennähe (nördliche Winde mit einer Geschwindig-keit von 1 bis 3 m/s), als auch in größerer Höhe.

3 Beschreibung des Phänomens

Bei starker Bewölkung begann es in den Mittagsstun-den des 23. Februar im Frankfurter Stadtgebiet zu-

nächst nur leicht, ab etwa 14 UTC verstärkt zuschneien. Bei Temperaturen, die etwas unter dem Ge-frierpunkt lagen, blieb der Schnee auf den Straßen lie-gen. Die mäßigen bis starken Schneefälle dauerten ei-nige Stunden an und ließen erst zwischen 17 und18 UTC spürbar nach. Sie lieferten Neuschneehöhenzwischen 3 (Bergen-Enkheim, nordöstlicher Stadt-rand) und 7 cm (Eschersheim, Stadtteil im NordenFrankfurts). Im unmittelbaren Umland gab es dage-gen nur wenig Schneefall, so zum Beispiel am Flugha-fen 1 cm. Die gemessenen Niederschlagshöhen betru-gen im Taunus, Spessart und Odenwald meist nur we-nige Zehntel Millimeter, in Ausnahmefällen bis zu1 mm.

Die Radarbilder zeigen dieses, sich offenbar auf dasFrankfurter Stadtgebiet beschränkende, stationäreSchneefallgebiet sehr deutlich (Abb. 4a und 4b). So-wohl auf dem 15 UTC- als auch auf dem 16.30 UTC-Bild sind die stärksten Echos (blaue Farbe) überFrankfurt zu erkennen. Im weiteren Verlauf wurdedann das Niederschlagsgebiet langsam nordostwärts

promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006J. Rapp: Starkschneefälle in Frankfurt/Main

Abb. 2: Vom GME assimilierte relative Luftfeuchte in % (Iso-linien alle 15 %) in 700 hPa vom 23.02.2005, 12 UTC.

Abb. 3: Bodenanalyse des DWD vom 23.02.2005, 12 UTC.Abb. 4: Radarreflektivitäten im Rhein-Main-Gebiet vom

23.02.2005, (a) 15 UTC und (b) 16.30 UTC.

(a)

(b)

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verdriftet, wobei es sich gleichzeitig abschwächte. Ins-gesamt hatte dieses mesoskalige Phänomen eine Le-bensdauer von rund fünf Stunden.

Mit Einsetzen der Starkschneefälle drehte der Windim Osten Frankfurts von Nord (360°) auf Südsüdwest(200°), im Westen der Stadt dagegen von Nord aufWest (260°; Messwerte der Hessischen Landesanstaltfür Umwelt und Geologie, HLUG 2005). Zusammenmit den nachmittags am Flughafen (im Südwesten),auf dem Kleinen Feldberg/Taunus (im Nordwesten)und in Hanau (im Osten des Rhein-Main-Gebiets ge-legenen Stationen) registrierten Windrichtungen wur-de eine zwar nur schwache, aber offensichtlich konver-gente, zur Stadt bzw. zum Schneefallgebiet hin gerich-tete Luftströmung erkennbar.

4 Interpretationsversuch

Ganz allgemein sind niederschlagsverändernde Fakto-ren durch Stadtgebiete nach SCHÜTZ (1996) im We-sentlichen:• die Beeinflussung der Wolkendynamik durch den

Wärmeinseleffekt und die städtische Oberflächen-rauigkeit,

• Eingriffe in wolkenphysikalische Prozesse durchPartikelemission aus verschiedenen Quellen und

• die Modifizierung der Grenzschichtprozesse durchrauhigkeitsbedingte Tropfenablenkung im bodenna-hen Windfeld.

Der angesprochene Wärmeinseleffekt, der vermutlichein wichtiger Grund für die Auslösung der Nieder-schläge war, ist in den vorliegenden Messdaten gut aus-zumachen. Mit Beginn der Starkschneefälle lag die bo-dennahe Temperatur im Stadtbereich von Frankfurtnoch rund 1 K über der Umlandtemperatur, währendsie sich im weiteren Verlauf den Temperaturverhältnis-sen im übrigen Rhein-Main-Gebiet annäherte (Tab. 1).Diese Temperaturerhöhung führte zu einer zusätz-lichen Labilisierung der unteren Atmosphäre. Sie warvermutlich groß genug, konvektive Niederschlagsbil-dung in Gang zu bringen, solange die Temperatur inder mittleren Troposphäre (500 hPa, siehe oben) nie-drig genug und genügend Feuchte vorhanden war. Fürdie Niederschlagsentstehung können daneben natür-lich auch wolkenphysikalische Prozesse bzw. modifi-zierte Grenzschichtprozesse nicht ausgeschlossen wer-den. Eine signifikante, tief liegende Inversion lag je-

doch nicht vor (siehe Radiosondenaufstieg in Abb. 5aund b); Industrieschneefall (siehe HARLFINGER etal. 2000) war es daher nicht. Auch ein möglicher Effektdurch ein mesoskaliges Tief im Lee des Taunus istwegen der generell schwachen Strömungsdynamik,aber auch aufgrund der gemessenen Luftdruckwerte(HLUG-Messnetz) eher unwahrscheinlich.

Neben dem Wärmeinseleffekt lieferte die dargestelltegroßräumig-synoptische Konstellation die notwendi-gen Voraussetzungen für die Bildung von konvektiv in-itiierten Starkschneefällen:• Höhenkalte Luft im Bereich eines über Deutsch-

land befindlichen Höhentiefs, die zu einer Labilisie-rung der entsprechenden Luftschicht führte, die je-doch allein noch nicht ausreichte, um Nieder-schlagsprozesse zu initiieren.

• Zufuhr ausreichender Feuchte in der entscheiden-den, niederschlagsbildenden Luftschicht (etwa 1 bis 3Kilometer Höhe). Die Radiosondenaufstiege von 12und 18 UTC der Station Idar-Oberstein zeigen eineFeuchtezunahme in 1 bis 2 km Höhe (Abb. 5a und b).

• Schwacher Boden- und Höhenwind, um Quasista-tionarität und damit räumliche Konzentration desNiederschlagsprozesses zu gewährleisten.

promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 J. Rapp: Starkschneefälle in Frankfurt/Main

UTC 12 13 14 15 16Frankfurt-Höchst- Wiesbaden Süd 0,6 0,7 1,1 0,3 0,2Frankfurt-Ost- Riedstadt 1,1 0,9 1,2 0,3 -0,8

Tab. 1: Differenz der Lufttemperatur in °C am 23.02.2005 zwi-schen Frankfurter Stadt- und Umland-Messstationen(Daten: HLUG, 2005).

Abb. 5: Radiosondenaufstiege von Idar-Oberstein vom23.02.2005, (a) 12 UTC und (b) 18 UTC.

(a)

(b)

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90 promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006J. Rapp: Starkschneefälle in Frankfurt/Main

Literatur:

CHANGNON, S. A., 1973: Urban-industrial effects on cloudsand precipitation. In: Wooldridge, G. L., Peterson, D. F.: Inad-vertent weather modification, a workshop. Utah State Univ.,111-139.

CHANGNON, S. A., Hrsg., 1980: METROMEX. A review andsummary. Meteor. Monogr. 40, 181 S.

CHANGNON, S. A., T. R. SHEALY, R. W. SCOTT, 1991: Preci-pitation changes in fall, winter, and spring caused by St. Louis.J. Appl. Meteorol. 30, 126-134.

HARLFINGER O., W. KOBINGER, G. FISCHER, H. PIL-GER, 2000: Industrieschneefälle – ein anthropogenes Phäno-men. Meteorol. Z., N. F. 9 (4), 231-236.

HLUG (2005): Messwerte im Internet. Fachgebiet Luftreinhal-tung, Hessische Landesanstalt für Umwelt und Geologie,Wiesbaden, http://www.hlug.de/medien/luft/messnetz/index.htm

LOWRY, W. P., 1998: Urban effects on precipitation amount.Prog. Phys. Geog. 22 (4), 477-520.

MÖLDERS, N., M. A. OLSON, 2004: Impact of urban effects onprecipitation in high latitudes. J. Hydrometeorol. 5, 409-429.

SCHÜTZ, M. , 1996: Anthropogene Niederschlagsmodifikatio-nen im komplex-urbanen Raum. Geowissenschaften 14,249-252.

SHEPHERD, J. M., H. PIERCE, A. J. NEGRI, 2002: Rainfallmodification by major urban areas: Observations from space-borne rain radar on the TRMM satellite. J. Appl. Meteorol. 41,689-701.

Anschrift des Autors:

Dr. Jörg RappDeutscher WetterdienstVorhersage- und BeratungszentraleKaiserleistr. 4263067 Offenbach am MainE-Mail: [email protected]

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 91-94 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Einleitung

Ende der 1990er Jahre wurde eine Initiative gestartet, dasHochschulwesen in Europa zu harmonisieren. Auf derGrundlage einer Vereinbarung des Jahre 1998 (Sorbonne-Erklärung) zwischen den Bildungsministern Frankreichs,Deutschlands, Italiens und Großbritanniens erwuchs einJahr später die Erklärung der Bildungsminister, die vonVertretern aus 29 europäischen Ländern am 19. Juni 1999in Bologna unterzeichnet wurde. Die Vorbereitung undUmsetzung dieser Erklärung wird als Bologna-Prozessbezeichnet.

Die Ziele des Bologna-Prozesses lassen sich in drei großeThemen zusammenfassen: Die Förderung von (1) Mobi-lität, (2) internationaler Wettbewerbsfähigkeit und (3)Beschäftigungsfähigkeit. Dies umfasst als Unterziele un-ter anderem:• die Schaffung eines Systems leicht verständlicher und

vergleichbarer Abschlüsse, auch durch die Einführungdes Diplomzusatzes (Diploma Supplement);

• die Schaffung eines zweistufigen Systems von Stu-dienabschlüssen (konsekutive Studiengänge, under-graduate/graduate, derzeit insbesondere Bachelorund Master);

• die Einführung eines Leistungspunktesystems, demEuropean Credit Transfer System (ECTS), und einerModularisierung;

• die Förderung der Mobilität durch Beseitigung vonMobilitätshemmnissen; dies meint nicht nur räumlicheMobilität, sondern auch kulturelle Kompetenzen, Mo-bilität zwischen Hochschulen und Bildungsgängenoder lebenslanges und lebensbegleitendes Lernen;

• Qualitätsentwicklung der Hochschulausbildung durchFakultätsentwicklung, Akkreditierung der Studiengän-ge, Förderung der europäischen Zusammenarbeit beider Qualitätsentwicklung;

• die Förderung der europäischen Dimension in derHochschulausbildung;

• das lebenslange bzw. lebensbegleitende Lernen;• die studentische Beteiligung;• die Förderung der Attraktivität des europäischen

Hochschulraumes;• die Verzahnung des europäischen Hochschulraumes

mit dem europäischen Forschungsraum, insbesonderedurch die Eingliederung von Promotionsstudiengän-gen in den Bologna Prozess.

Auf Grund der somit anstehenden Umstrukturierungender Diplomstudiengänge für Meteorologie in gestufte

Studiengänge auf der Basis des Bologna-Prozesses habendie bislang mit der Durchführung der Diplomstudiengän-ge betrauten Organisationseinheiten an deutschen Hoch-schulen (hier kurz meteorologische Institute genannt) inKooperation mit der Deutschen Meteorologischen Ge-sellschaft (DMG) im Sommer 2004 eine Gruppe (dieKonferenz der für den Diplom-Studiengang in Meteoro-logie ausbildenden Hochschulinstitute, KFM) beauftragt,Empfehlungen für die Umstrukturierung und das ge-meinsame Vorgehen zu erarbeiten. Der Deutsche Wetter-dienst wurde stellvertretend für die Arbeitgeberseite be-ratend hinzugezogen. Zur gleichen Zeit wurde eine ent-sprechende Empfehlung der Deutschen PhysikalischenGesellschaft DPG mit dem gleichen Ansinnen veröffent-licht.

Zweck der Empfehlungen ist es, das Wegfallen der Rah-menprüfungsordnung im Diplomstudiengang Meteorolo-gie zu kompensieren. Im Rahmen des Bologna Prozessesmuss jeder neue Studiengang durch ein Akkreditierungs-verfahren einen gewissen inhaltlichen Standard erfüllen,die zuständigen Akkreditierungsagenturen sind jedochauf die Zuarbeit der entsprechenden wissenschaftlichenGesellschaften angewiesen, diese Standards vorher fest-zulegen. Konsequenterweise sind deshalb die DeutscheMeteorologische Gesellschaft und der Deutsche Wetter-dienst seit 2005 Mitglieder der bundesweit größten Ak-kreditierungsagentur ASIIN (http://www.asiin.de) in Düs-seldorf, wobei die Studiengänge Meteorologie im Fach-ausschuss 11 Geowissenschaften angesiedelt sind. Ge-meinsamer Vertreter von DMG und DWD in diesem Aus-schuss ist der Autor.

2 Übergeordnetes Ziel gestufter Studiengänge inMeteorologie

Ziel des Studiums im Fach Meteorologie ist die Erlan-gung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die zur Ausübungdes Berufs des Meteorologen befähigen. Diese umfassenim weitesten Sinne die Fähigkeit zu einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Betrachtung, Analyse und Vor-hersage von Umweltveränderlichkeiten, die in oder mitder Atmosphäre einhergehen. In der Ausbildung müssenbesonders die Fähigkeit zur selbstständigen Lösung stetswechselnder Probleme und zur flexiblen Reaktion aufveränderte Herausforderungen und zur Innovation ver-mittelt werden. Das kann nur erfolgreich geschehen,wenn einerseits umfangreiche, spezielle Kenntnisse überdie vielfältigen Phänomene in der Atmosphäre erworben

Zur Entwicklung und zum Stand der gestuften StudiengängeBachelor und Master

Studienfach Meteorologie an den deutschen Universitäten

A. HENSE

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werden, andererseits die Methoden beherrscht werden,mit denen im Atmosphärensystem zukünftige Entwick-lungen prognostiziert werden können. Besonders hervor-zuheben ist das Erwerben der Fähigkeit zur Weiterent-wicklung von Methoden und Verfahren zur Beobachtungund Prognose.

Die Meteorologieausbildung an deutschen Universitätenist international auf höchstem Niveau. Die Absolventenhaben nachweislich bei nationalen und internationalenForschungseinrichtungen sowie bei einem breiten Spek-trum von sonstigen Arbeitgebern, das von den staatlichenund so genannten privaten Wetterdiensten in verschiede-nen europäischen Ländern über Organisationen zur Um-weltüberwachung und Versicherungen bis zur Industriereicht, beste Einstiegschancen.Auf der Grundlage der ho-hen Qualität der vermittelten Qualifikationen findet eingroßer Teil der Absolventen forschungsnahe Arbeitsplät-ze. Das Spezifikum der Meteorologieausbildung bestehtin der Fähigkeit zur umfassenden Systembehandlung aufrigoroser mathematisch-physikalischer Grundlage undunter Verwendung exakter Methoden.

3 Empfehlungen für den Bachelor-StudiengangMeteorologie

Der BSc-Studiengang (Bachelor of Science) vermitteltdie Grundlagen der Meteorologie, gleichzeitig aber auchdie Anwendung und Umsetzung wissenschaftlicher Er-kenntnisse. Die Meteorologie ist eine hoch spezialisierteFachrichtung, mit einer starken Ausrichtung auf For-schungsaspekte. Um in einem zweistufigen System dendafür erforderlichen und auch nachgefragten Qualitäts-standard zu erreichen, muss der BSc-Studiengang zentra-le meteorologische Inhalte und Befähigungen in mindes-tens 50 % der Studienleistungen vermitteln. Komplemen-tär ist es erforderlich, die benötigten allgemeinen mathe-matischen und physikalischen Grundlagen zu vermitteln.Dies erfolgt durch Lehrimport aus diesen beiden Fä-chern.

Der BSc-Studiengang legt im Fach Meteorologie die the-oretischen und experimentellen Grundlagen und stelltden Erwerb der erforderlichen mathematisch-physikali-schen Grundlagen für das nachfolgende MA-Studium si-cher. Die im BSc-Studiengang erworbenen Kenntnisseund Fähigkeiten zielen nicht auf die Qualifikation zu wis-senschaftlicher Tätigkeit. Der BSc-Studiengang bietetaber eine hinreichend breite, fachliche Grundlage und er-laubt es so, die erforderliche Berufsbefähigung zu errei-chen.

Die Ausbildungsinhalte werden in Module zusammenge-fasst werden, die sich jeweils über ein bis zwei Semestererstrecken und die studienbegleitend geprüft werden. DieInhalte der Module bauen grundsätzlich aufeinander auf.In der Prüfung können deshalb auch Kenntnisse abge-fragt werden, die Voraussetzung für die Teilnahme am je-weiligen Modul sind.

Folgenden Studienbereiche und Fächer sollen im BSc-Studiengang Meteorologie enthalten sein:- Grundlagen der Meteorologie,- theoretische Meteorologie,- Synoptik und Wettervorhersage,- angewandte Meteorologie,- meteorologische Beobachtungssysteme und -verfahren,- experimentelle Physik,- theoretische Physik,- Mathematik.

Es wird empfohlen, Module und Studienplan so zu gestal-ten, dass bis zum Ende des dritten Semesters die Durch-lässigkeit zwischen der Meteorologie und anderen physi-kalischen Fachrichtungen wie Physik, Geophysik undOzeanographie zumindest grundsätzlich erhalten bleibt,um Fachwechsel ohne großen Zeitverlust zu ermöglichen.Weitere Ausführungen zu den Ausbildungsinhalten sinddem Anhang zu entnehmen, der auch Angaben zu denECTS-Punkten enthält. Die Bachelor-Arbeit soll zeigen,dass der Studierende bei entsprechender Anleitung wis-senschaftliche Methoden sicher anwenden kann. Sie hateine Dauer von maximal 2,5 Monaten und soll eine the-matische Präsentation einschließen.

Nach sechs Semestern wird den Studierenden mit derVerleihung des Grads ,Bachelor of Science’ der Erwerbder meteorologischen Kenntnisse und Fähigkeiten sowieder dafür erforderlichen mathematisch-naturwissen-schaftlichen Grundkenntnisse bestätigt. Aus dem mit derUrkunde ausgehändigten „Supplement“ mit Nennungder abgeprüften Fächer und der Zensuren gehen die De-tails der erbrachten Studienleistungen hervor.

4 Empfehlungen für den Master-StudiengangMeteorologie

Der Master-Studiengang führt die Studierenden an mo-derne Methoden der Forschung heran. Zentrales Ziel istneben der Vertiefung des meteorologischen Fachwis-sens, die durch das wissenschaftliche Profil der Univer-sität und/oder des jeweiligen meteorologischen Institutsmitbestimmt wird, die Befähigung zur wissenschaft-lichen Tätigkeit. Diese Qualifikation wird formal durchdas erfolgreiche Absolvieren des MSc-Abschlusses, in-haltlich durch die MSc-Arbeit, nachgewiesen. Eingangs-voraussetzung ist ein abgeschlossenes BSc-Studium inMeteorologie oder ein gleichwertiger Abschluss. DieZulassung von Bewerbern mit anderen mathematisch-naturwissenschaftlichen Abschlüssen bzw. Qualifikatio-nen wird durch die MSc-Prüfungsordnung, die Eig-nungsprüfungen enthalten kann, geregelt. Es muss si-chergestellt sein, dass BSc-Absolventen mit andererfachlicher Ausrichtung das für den MSc-Abschluss er-forderliche meteorologische Wissen erwerben; imGegenzug sollen ihnen dafür Teile des bisherigen Studi-ums als Nebenfach anerkannt werden. Entsprechendesgilt für die Anerkennung von Studienleistungen aus Di-plom-Studiengängen.

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Der MSc-Studiengang gliedert sich in zwei jeweils etwaeinjährige Abschnitte, die fachliche Vertiefungsphase unddie Forschungsphase. In der fachlichen Vertiefungsphasewird meteorologisches Spezialwissen vermittelt, das aufden in der BSc-Phase gelegten Grundlagen aufbaut. Hin-zu kommt ein weiteres, das Meteorologiestudium sinnvollergänzendes Modul, das der Studierende in Absprachemit dem Studienfachberater wählt (Nebenfach). Die For-schungsphase dient dem Erlernen selbständigen wissen-schaftlichen Arbeitens. Neben der Bearbeitung eines Pro-jektes im Rahmen eines Forschungspraktikums ist ihrzentrales Element die MSc-Arbeit im Umfang von sechsMonaten. In der MSc-Arbeit ist der Nachweis zur Befähi-gung zu wissenschaftlicher Forschung untrennbar verbun-den mit dem Erwerb von Schlüsselqualifikationen wiezum Beispiel Projektmanagement,Teamarbeit sowie Dar-stellung und Präsentation wissenschaftlicher Ergebnisse.Weitere Ausführungen zu den Ausbildungsinhalten sinddem Anhang zu entnehmen, der auch Angaben zu denECTS-Punkten enthält.

Nach vier Semestern wird mit der Verleihung des Grads,Master of Science in Meteorology’ bestätigt, dass die Stu-dierenden mathematisch-naturwissenschaftliche Grund-kenntnisse sowie meteorologische Spezialkenntnisse er-worben haben und zur selbständigen Anwendung wissen-schaftlicher Methoden auf dem Gebiet der Meteorologiebefähigt sind. Aus dem mit der Urkunde ausgehändigten„Supplement“ gehen die abgeprüften Fächer und dieZensuren hervor. Ferner wird der Titel der MSc-Arbeitaufgeführt und damit ein Hinweis auf die im Masterstu-dium erfolgte Spezialisierung gegeben.

5 Empfehlungen für den PromotionsstudiengangMeteorologie

Das Ziel der Promotion ist der Nachweis der Befähi-gung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeitendurch die eigenständige und erfolgreiche Bearbeitungeiner wissenschaftlichen Fragestellung. Die Promotionist in der Regel die Voraussetzung für eine Anstellungim akademischen Bereich und in anderen leitenden wis-senschaftlichen Arbeitsbereichen. In der Vergangenheithat stets ein erheblicher Anteil der Diplomabsolventenin Meteorologie promoviert. Daher ist die Promotions-phase integraler Bestandteil der Lehre an meteorologi-schen Hochschulinstituten und sollte als dritte Stufe beineuen gestuften Studiengängen berücksichtigt werden.Einschlägige MSc-Abschlüsse qualifizieren grundsätz-lich zur Promotion im Fach Meteorologie. Die Zulas-sung zum Promotionsstudium wird in einer Promotions-ordung geregelt.

6. Der gegenwärtige Stand der Einführung gestufterStudiengänge

Im Februar 2006 wurde eine Anfrage bei allen Fachberei-chen Meteorologie an den deutschen Universitäten ge-

startet. Um den gegenwärtigen Stand der Einführung zudokumentieren, ist danach eine Einteilung in drei Kateg-orien möglich:

(1) Vorbereitungsphase: Erstellung der Studienpläne inForm von Modulen (Abprüfbare Lehrveranstaltun-gen), Formulierung der Anforderung an die Studie-renden gemäß des ECTS, Erstellung von Modulbe-schreibungen, Prüfungsordnungen, Studienordnun-gen, Koordination mit Nachbarfächern;

(2) Akkreditierungsphase: Erstellung der Antrags aufAkkreditierung, Antrag bei einer Akkreditierungs-agentur, Begehung des Fachbereichs durch eine Gut-achterkommission der Agentur, Akkreditierung mitoder ohne Auflagen;

(3) Beginn der Studiengänge (dies kann u. U. auch be-reits vor der Akkreditierung erfolgen).

Die folgende Tabelle gibt nun den Stand an den entspre-chenden Universitätsstandorten wieder:

Literatur

Die Einleitung zitiert aus:

Artikel Bologna-Prozess. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.Bearbeitungsstand: 5. Februar 2006, 00:34 UTC. URL:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bologna-Prozess&oldid=13387463 (Abgerufen: 7. Februar 2006, 10:13 UTC)

Abschnitte 2 bis 5 wurden durch die KFM zusammen-gestellt unter Federführung von Prof. Clemens Sim-mer, Meteorologisches Institut Universität Bonn.

Anschrift des Autors:

Prof. Dr. Andreas HenseMeteorologisches Institut der Universität BonnAuf dem Hügel 2053121 BonnE-Mail: [email protected]

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Freie Universität Berlin Beginn des BSc-Studiengangs(seit WS 05/06), vor Akkreditierung

Universität Hannover Akkreditierungsphase(Beginn Studiengänge WS 06/07)

Universität Leipzig Akkreditierungsphase(Beginn Studiengänge WS 06/07)

Universität Bonn VorbereitungsphaseUniversität zu Köln VorbereitungsphaseUniversität Kiel Vorbereitungsphase (mit

Ozeanographie und Geophysik)Universität München Vorbereitungsphase (mit Physik,

Beginn WS 06/07)Universität Mainz VorbereitungsphaseUniversität Karlsruhe VorbereitungsphaseUniversität Hamburg VorbereitungsphaseUniversität Frankfurt Vorbereitungsphase (mit Physik)

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Rundgespräche der Kommission für Öko-logie, Band 28: Klimawandel im 20.und 21. Jahrhundert: Welche Rollespielen Kohlendioxid, Wasser undTreibhausgase wirklich? Herausge-ber: Bayerische Akademie der Wis-senschaften, Verlag Dr. Friedrich

Pfeil, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-051-1, 2005, 136 Seiten, 22 Farb- und36 Schwarzweiß-Abbildungen, 6 Ta-bellen, 24 x 17 cm. Buchausgabe in-zwischen vergriffen, aber als CD-ROM bzw. pdf-Datei weiterhin er-hältlich.

„Wir hoffen, einen Beitrag zur Versachli-chung der Diskussion zum Thema »Kli-mawandel und Klimamodellierung« zuleisten.“ Das haben sich die Organisato-ren eines am 17. Mai 2004 in Münchendurchgeführten Rundgesprächs der Baye-rischen Akademie der Wissenschaften

Buchbesprechungen

promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 200694

Seit 1979 bildet die Fachhochschule des Bundes für öf-fentliche Verwaltung (kurz „FH Bund“) Beamtennach-wuchs des gehobenen nichttechnischen Dienstes aus. In10 Fachbereichen werden die zur Erfüllung ihrer Aufga-ben erforderlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse undMethoden, aber vor allem berufspraktische Fähigkeitenund Kenntnisse vermittelt. Professoren und hauptamt-lich Lehrende des Deutschen Wetterdienstes (DWD)und des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr(GeoInfoDBw) unterrichten gemeinsam im Fachbereich„Wetterdienst“.

Obwohl grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, wird an derFH Bund derzeit intensiv über die durch den Bologna-Prozess geforderte Umstrukturierung der Studiengängenachgedacht. Eine erste Weichenstellung wird von der Ku-ratoriumssitzung im Mai 2006 erwartet.

Das einsemestrige Grundstudium der insgesamt dreijäh-rigen Ausbildung soll künftig aus fünf interdisziplinärenModulen der Fachgebiete Dienstrecht, Verwaltungsrecht,Zivilrecht, Staatsrecht, BWL, Öffentliche Finanzen undPSP (Pädagogik-Soziologie-Psychologie) bestehen. Hin-zu kommen allgemeine Fertigkeiten wie Sprachen(„Internationalisierung der Lehre und des Lernens“),Verwaltungsinformatik und die sog. Schlüsselkompeten-zen (Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz), für dieLeistungspunkte im Optionalbereich der „ZentralenEinrichtung“ (Brühl) erworben werden können.

Anzahl und Inhalte der Module des sich anschließendenfünfsemestrigen Hauptstudiums (einschließlich der Ba-chelor-Arbeit) legt der Fachbereich Wetterdienst fest. DieModule sollen zum großen Teil denjenigen der meteoro-logischen Institute entsprechen (s. Beitrag von Prof. Dr.Hense), jedoch mit sehr viel stärkerer Praxisorientierungund vorrangiger Ausrichtung auf das Berufsbild des Wet-terberaters im DWD.

Die Strategie des DWD sieht die Übertragung einiger derderzeit noch von Beamten des höheren Wetterdienstes

wahrgenommenen Aufgaben auf den gehobenen Wetter-dienst vor. Dem wird die Einstellungspraxis des DWDkünftig verstärkt Rechnung tragen müssen.

Für spezielle Fachaufgaben in Verwaltung, IT und For-schung können die Bewerber gezielt aufgrund der neuenuniversitären Bachelor (BSc)- und Master (MSc)- Ab-schlüsse eingestellt werden. Die auch im Hinblick aufmögliche Organisationsänderungen benötigte große Ver-wendungsbreite der Beamten des gehobenen Wetter-dienstes spricht jedoch auch für die Beibehaltung des be-währten dreijährigen FH Bund-Studiums.

Bei Einführung eines Bachelor-Studienganges an derFachhochschule des Bundes stünde weiterhin ein eigen-ständiger berufsqualifizierender Bildungsweg zur Verfü-gung, den der DWD zur bedarfsorientierten Ausbildungseines Nachwuchses weitgehend selbst gestalten kannund der die Fortführung der gemeinsamen Ausbildungmit dem GeoInfoDBw ermöglicht.

Literatur

Eckpunkte zur Einführung modularisierter Bachelorstudiengän-ge der FH-Bund, Empfehlungen der Studienplankommission,23.11.2005

Weitergehende Informationen können der Homepageder FH-Bund entnommen werden:http://www.fhbund.de

Anschrift des Autors:

Dipl.-Met. Hans BauerDeutscher WetterdienstBildungs- und TagungszentrumAm DFS-Campus 463225 LangenE-Mail: [email protected]

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H. BAUER

Bachelorstudiengänge an der Fachhochschule des Bundes

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(Kommission für Ökologie) gewünscht.Und in der Tat leistete es einen nennens-werten Beitrag hierzu, zumal es einigeführende Vertreter der deutschsprachigenKlimaforschung, unter anderem Prof. Dr.Hartmut Graßl, Prof. Dr. Jost Heintzen-berg, Prof. Dr. Heinz Wanner und Prof.Dr. C.-D. Schönwiese, an den „rundenTisch“ zu einem Gedankenaustauschführte. Schließlich galt es dabei auch, dieFolgerungen zu diskutieren, die sich ausdem aktuellen Kenntnisstand für die Poli-tik wie für jeden Einzelnen ergeben. Da-bei standen auch die kritischen Stimmen,die einen Zusammenhang der derzeit ab-laufenden Klimaänderung mit dem An-stieg der Treibhausgase negieren, nichtaußen vor.

Nun dokumentiert ein neu erschienenesBuch aus dem Pfeil-Verlag in Münchendiesen überaus interessanten Meinungs-austausch. Von besonderem Reiz und indieser Ausführlichkeit eher ungewöhnlichist die Dokumentation der Diskussions-beiträge zu den einzelnen Vorträgen. Die-se sind mit Literaturzitaten und durch denAbdruck der Abschlussdiskussion sowieeiner lesenswerten Zusammenfassung desRundgesprächs angereichert. Die Aus-stattung der Einzelbeiträge mit Abbildun-gen ist meist instruktiv und ausgewogen.Bedauerlicherweise sind die Beiträge zurregionalen Klimamodellierung und zuden gesellschaftlichen Aspekten des Kli-mawandels sehr kurz geblieben, so dassder Leser prinzipiell keine umfassendeWiedergabe der rezenten Klimadiskus-sion hierzu erwarten darf.

Dennoch: Der Band bietet einen gelunge-nen, insbesondere für den nichtmeteorolo-gischen Fachmann und den interessiertenLaien geeigneten Überblick über wichtigeBereiche der aktuellen Klimadiskussion.Bedauerlicherweise ist der Papierdruckvergriffen. Immerhin hat sich der Verlagdazu entschlossen, eine elektronische Ver-sion der Rundgespräche zu veröffent-lichen (http://www.pfeil-verlag.de).

J. Rapp, Offenbach/Main

SIEVERS, U.: Das Kaltluftabfluss-Mo-dell KLAM_21. Theoretische Grund-lagen, Anwendung und Handhabungdes PC-Modells. Berichte des Deut-schen Wetterdienstes 227, 2005, 101 S.In der Anlage: CD „Das Kaltluftab-fluss-Modell KLAM_21. PC-Demon-strationsversion“, Preis: 30,-- € zuzüg-lich MwSt u. Versandkosten.

Die Bewertung von Kaltluftflüssen undKaltluftansammlungen in orographischgegliedertem Gelände gehört zu den re-gelmäßigen Bestandteilen amtlicher Gut-achten für die Standort-, Stadt- und Re-

gionalplanung. Die früher verwendetenVerfahren der Abschätzung dieser Grö-ßen mittels Informationen über die topo-graphische Struktur des Beratungsraumsund empirisch gefundener Beziehung zwi-schen Hangneigung, Rauigkeit der Ober-fläche und meteorologischer Situation,wie sie in der Arbeit von King 1973 be-reitgestellt wurden, ist inzwischen durchentsprechende numerische Modelle abge-löst worden.

Das hier vorgestellte KLAM_21 ist einzweidimensionales mathematisch-physi-kalisches Simulationsmodell zur Berech-nung von Kaltluftflüssen und Kaltluftan-sammlungen, das auch die Strömungsge-schwindigkeit und die Mächtigkeit abströ-mender Kaltluft abzuschätzen gestattet.

In den ersten drei Kapiteln wird das Mo-dell in seinen theoretischen Grundlagenübersichtlich vorgestellt. Es basiert aufden Bewegungsgleichungen in der atmo-sphärischen Bodenschicht einschließlichder Einflüsse der Bodenreibung und derlokalen Energiebilanz. Die numerischeLösung dieses Modells erfolgt für einrechteckiges Modellgebiet, in dem dieBodenparameter wie Bodenhöhe, Rauig-keitslänge, die Schichtdicke und derKälteinhalt der vertikalen Kaltluftsäulesowie die horizontalen Geschwindigkeits-komponenten u und v berechnet werden.Für jede Gitterzelle sind Bodenparameteranzugeben, die zur Bestimmung derEnergiebilanz der Erdoberfläche verwen-det werden. Die räumliche Auflösung desModells und die Zeitschritte sind amCFL-Kriterium orientiert. Für die seit-lichen Randbedingungen werden modell-typische Randbedingungen definiert. InKapitel 4 und 5 folgt die Beschreibungdes Modellablauf und der Modellerweite-rung hinsichtlich wandartiger Hinder-nisse, die die Ausbreitungsbedingungenund Strömungsverhältnisse signifikantbeeinflussen und des Nesting. Die Leis-tungsfähigkeit des aus der einfacherenVersion KLAM weiterentwickelten Mo-dells KLAM_21 zeigt der Autor im sech-sten Kapitel (unter Mitwirkung vom M.Kossmann).

Weil die Größenordnungen der berechne-ten Kaltlufthöhen sowohl für den Antriebder simulierten Kaltluftabflüsse als auchfür die Überströmungen von Geländeer-hebungen, Gebäuden und anderen Strö-mungshindernissen von entscheidenderBedeutung sind, werden die berechnetenKaltlufthöhen mit Beobachtungsdatenverglichen. In den ersten Stunden nachBeginn eines Kaltluftabflusses zeigen sichgute Übereinstimmungen, während nachlängerer Simulationszeit sich deutlich nie-drigere simulierte Kaltlufthöhen ergeben.Im Verglich von mit Radiosonden gemes-senen und mit den vom KLAM_21 be-rechneten, normierten Vertikalprofilen

der Lufttemperatur an drei Messpunktenzeigt sich, dass die berechneten Kaltluft-höhen eine für die planerische Anwen-dung ausreichende Genauigkeit aufwei-sen. In einer Fallstudie wurde die simu-lierte Stärke und Richtung von nächt-lichen Kaltluftabflüssen mit Messungendes bodennahen Windes während Strah-lungsnächten in einer Mittelgebirgsregionverglichen. Auch hier zeigte sich eine be-friedigende Übereinstimmung. In einemweiteren Experiment wurden anhand vonvisualisierten Rauchverlagerungen diemit dem KLAM_21 flächendeckend be-rechneten Strömungs- und Konzentra-tionsfelder überprüft. Abschließend folgteine Studie zur Modellierung einer Kom-bination von lokalen Kaltluftabfluss-Sys-temen mit gleichzeitig auftretenden ther-misch induzierten Windsystemen wieFlurwinden und Landwinden. In einer Si-mulationsrechnung in der Region derneuseeländischen Stadt Christchurchwurde diese Wechselwirkung ausführlichuntersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dassdie Möglichkeit des Modells KLAM_21zum Nesting eine solche Kombinationvon Windsystemen in unterschiedlichenSkalenbereichen gut zu modellieren ge-stattet.

Abschließend wird in einem als Sonder-kapitel bezeichneten Abschnitt das Hand-buch zur „Handhabung des ModellsKLAM_21“ vorgestellt, das im Einzelnendem potentiellen Anwender Antwort aufdie praktischen Fragen der Anwendungdes Modells gibt. Dabei erfährt man nunnäher, mit welchem Betrag z. B. die nächt-liche langwellige Strahlungsbilanz alsFunktion von Landnutzung, Bedeckungs-grad mit Wolken und Bebauungsdichte indie Rechnung eingeht. Diese Angaben so-wie auch eine Diskussion der Abhängig-keit der effektiven Ausstrahlung von derJahreszeit, von den Bodeneigenschaftenund von der Anwesenheit einer Schnee-decke hätte man bereits in den ersten Ka-piteln erwartet, die auch dort kaum Ver-weise auf die entsprechende Literaturenthalten.

Das in der gutachterlichen Praxis desDeutschen Wetterdienstes verwendeteModell ermöglicht, wie an den zahlrei-chen Beispielen gezeigt, die Simulationvon Kaltluftabflüssen im komplexen Ge-lände mit einer für die Anwendung aus-reichenden Genauigkeit.

Der Publikation liegt eine Demonstra-tionsversion mit zahlreichen Beispielenauf CD bei, die gegenüber der Vollversioneine eingeschränkte Funktionalität be-sitzt. Zur Demonstration der Arbeits-weise des Modells sind beispielhafte Ein-gabedateien und Simulationsresultate aufder CD vorhanden.

A. Helbig, Trier

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Nachruf auf Friedrich Wippermann

Im letzten Jahr, am 22. Mai 2005, ist Professor Dr. Friedrich Wippermann am Beginn seines 84. Lebensjahres gestorben. Mit ihmhat die Meteorologie in unserem Land einen der herausragendsten Kollegen verloren, der in einem weiten Feld, in der Forschung,in der Lehre, in der Forschungspolitik, im Bereich der Meteorologischen Gesellschaft, die Geschicke über viele Jahre entschei-dend mit beeinflusst und vorangetrieben hat. Sein Lebenswerk wurde bereits an anderer Stelle gewürdigt (Günter Groß und Die-ter Etling, Mitteilungen der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft, Heft 3/4, 2005, S. 42). Die Zeitschrift promet ist jedoch oh-ne Friedrich Wippermann nicht zu denken, so dass eine kurze Würdigung hier besonders angebracht ist.

Geboren wurde Friedrich Wippermann in Stotzheim (21. April 1922) in der Eifel und somit fiel seine Studienzeit mit den erstenKriegsjahren zusammen. Sein Studium der Meteorologie absolvierte er im Rahmen der damals durchgeführten „Kurzaktion“, zuder die Studierenden in Gruppen zusammen gezogen und von den besten Lehrern in kürzester Zeit im Rahmen von drei Jahrenzum Studienabschluss geführt wurden. So hat Fritz Wippermann bereits mit 21 Jahren, nach Studienjahren in Prag und Leipzig,im Jahr 1944 sein Diplom erworben. Der enge Kontakt der Beteiligten während dieser Studienjahre untereinander hat dazu ge-führt, dass der Kreis der „Jungmeteorologen“ bis ins Pensionärsalter kameradschaftlich eng verbunden blieb. Die Jüngeren konn-ten von Fritz Wippermann beim abendlichen Glas Wein manch lustige Geschichte aus dieser Zeit hören.

Wie etliche seiner Kollegen (u. a. Karlheinz Hinkelmann und Günther Hollmann) hat er nach dem Kriegsdienst das Studium er-neut aufgenommen bzw. hat sich der wissenschaftlichen Weiterbildung gewidmet. So hat er neben der Tätigkeit als Wetterdienst-techniker im Wetterdienst der „französischen Zone“ bei Fritz Möller, der zu dieser Zeit noch als Dozent an der Universität Frank-furt/M. tätig war, seine Promotion 1948 abgeschlossen.

Anschließend wechselte er nach Bad Kissingen, wo der Wetterdienst in der „US-Zone“ seinen zentralen Sitz hatte. Hier erlebteer in der Forschungsabteilung gemeinsam mit anderen, die dann einen ähnlichen Weg wie er aus dem Wetterdienst zurück zurUniversität als Hochschullehrer fanden, eine sehr fruchtbare Zeit der Beschäftigung mit den Grundlagen der Numerischen Wet-tervorhersage.

Fritz Wippermann gehörte noch zu jenen Lehrstuhlinhabern, die zunächst im praktischen Dienst mit der täglichen Wettervor-hersage, anschließend in der Forschungsabteilung mit der Schaffung der Grundlagen für die numerische Wettervorhersage reicheErfahrung mit den Phänomenen des aktuellen Wetters sich erworben haben, bevor sie dann als Hochschullehrer tätig wurden.Diese Grunderfahrung spiegelte sich besonders im Wirken seiner späteren Forschungsarbeiten wieder, die für ihn nicht reine aka-demische Übungen waren, sondern das Streben, möglichst frühzeitig auch Lösungen für die Anwendung bereitzustellen, stand imVordergrund. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass er, nachdem er im Jahr 1963 den Lehrstuhl für Meteorologie an der Tech-nischen Hochschule Darmstadt übernommen hatte, ein sehr erfolgreiches Verfahren für die Behandlung der turbulenten Aus-breitung von Luftverunreinigungen ausarbeitete, das bei der Bemessung von Schornsteinhöhen in seinen Grundzügen bis heuteim Bereich der Luftreinhaltung angewandt wird.

Das Bemühen der Verknüpfung von Forschung, akademischer Lehre und Anwendung stand auch Pate bei der Gründung einerneuen Zeitschrift für Meteorologen. Als Leitbild stand ihm eine Zeitschrift vor Augen, die nicht zu sehr überfrachtet ist von lan-gen theoretischen Ableitungen oder von zu sehr ins einzelne gehenden technischen Details, die aber dennoch Beiträge auf derHöhe des Wissensstandes aus den einzelnen, sich rasch entwickelnden Teilgebieten bereitstellt. Es sollte, wie er es gelegentlichformulierte, eine Zeitschrift sein, die ein im Beruf stehender und interessierter Meteorologe abends im Fernsehsessel mit Begei-sterung liest und die ihn anregt zu eigener Beschäftigung mit der Thematik. So hat er in der Zeit, als er Vorsitzender des Zweig-vereins Frankfurt der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft war, zuerst ein „Nullheft“ unter dem Titel Meteo herausge-bracht. Nach der Schaffung der finanziellen Voraussetzungen für die Herausgabe dieser Schriftenreihe im Deutschen Wetter-dienst hat er dann unter Mitwirkung anderer – von ihm vorwiegend aus dem Hochschulbereich – angesprochener Autoren daserste Heft unter dem Namen promet zum Thema Turbulenz veröffentlicht. Seit dieser Zeit dient dieses Heft als Leitschnur für dieArt der Behandlung unterschiedlichster Themen der Meteorologie in dieser als Fortbildung gedachten Zeitschrift.

Sich mit Fritz Wippermann unterhalten zu können, war stets ein großer Gewinn. Er hatte klare Vorstellungen zu den wissen-schaftlichen Themen, die vor allem aus dem Bereich der atmosphärischen Grenzschicht, der Turbulenz, der großräumigen Dyna-mik und der Wettervorhersage stammten. Er war ein hochgebildeter Mann, dessen reiches Wissen jeden Abend nach den Sitzun-gen des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Wetterdienstes, nach mancher Zusammenkunft zur Vorbereitung von For-schungsprojekten oder bei Tagungen immer zu einem Genuss werden ließen.

Friedrich Wippermann gebührt Dank, dass er so viel zum Ansehen und zur Förderung unserer Wissenschaft beigetragen hat.

F. Fiedler, Karlsruhe

96 promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 96 (März 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006

Anschriften der Autoren dieses Heftes

DR. ANDREAS DÖRNBRACKDeutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)DLR OberpfaffenhofenInstitut für Physik der Atmosphäre82234 WeßlingE-Mail: [email protected]

PROF. DR. JOSEF EGGERUniversität MünchenMeteorologisches InstitutTheresienstraße 3780333 MünchenE-Mail: [email protected]

PROF. DR. FRANZ FIEDLERUniversität KarlsruheInstitut für Meteorologie und KlimaforschungKaiserstrasse 1276128 KarlsruheE-Mail: [email protected]

PD DR. CHRISTOPH FREIBundesamt für Meteorologie und KlimatologieMeteoSchweiz, KlimadienstePostfach 514CH-8044 ZürichE-Mail: [email protected]

DR. ALEXANDER GOHMUniversität InnsbruckInstitut für Meteorologie und GeophysikInnrain 52A-6020 InnsbruckE-Mail: [email protected]

DIPL.-MET. RENÉ HEISE Einsatzführungskommando der BundeswehrDezernat GeoinformationsdienstPostfach 60 09 5514409 PotsdamE-Mail: [email protected]

DR. KLAUS-PETER HOINKADeutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)DLR OberpfaffenhofenInstitut für Physik der Atmosphäre82234 WeßlingE-Mail: [email protected]

PROF. DR. CHRISTOPH KOTTMEIERUniversität KarlsruheInstitut für Meteorologie und KlimaforschungsowieForschungszentrum Karlsruhe/IMKPostfach 364076021 KarlsruheE-Mail: Christoph.Kottmeier @imk.uka.de

DR. JOACHIM P. KUETTNERUniversity Corporation for Atmospheric Research (UCAR)Joint Office for Science Support (JOSS)Distinguished Chair for Atmos. Sciences and Internat. ResearchBoulder, CO 80307-3000 USAE-Mail: [email protected]

DR. MATTHIAS LUGAUERDeutscher WetterdienstGB Forschung und EntwicklungMeteorologisches Observatorium HohenpeißenbergAlbin-Schwaiger-Weg 1082383 Hohenpeißenbergjetzt:Maria-Ward-Realschule MindelheimLuxenhoferstraße 387719 MindelheimE-Mail: [email protected]

DIPL.-MET. DETLEV MAJEWSKIDeutscher WetterdienstGB Forschung und EntwicklungPostfach 10 04 6563004 Offenbach/MainE-Mail: [email protected]

PROF. DR. GEORG MAYRUniversität InnsbruckInstitut für Meteorologie und GeophysikInnrain 52A-6020 InnsbruckE-Mail: [email protected]

DR. OLIVER REITEBUCH Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)DLR OberpfaffenhofenInstitut für Physik der Atmosphäre82234 WeßlingE-Mail: [email protected]

DIPL.-MET. BODO RITTERDeutscher WetterdienstGB Forschung und EntwicklungPostfach 10 04 6563004 Offenbach/MainE-Mail: [email protected]

DR. JÜRG SCHMIDLIETH ZürichInstitut für Atmosphäre und KlimaUniversitätsstraße 16CH-8052 Zürich E-Mail: [email protected]

PROF. DR. REINHOLD STEINACKERUniversität WienInstitut für Meteorologie und GeophysikAlthanstraße 14A-1090 WienE-Mail: [email protected]

DR. HANS VOLKERTDeutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)DLR OberpfaffenhofenInstitut für Physik der Atmosphäre82234 WeßlingE-Mail: [email protected]

DR. PETER WINKLERDeutscher WetterdienstGB Forschung und EntwicklungMeteorologisches Observatorium HohenpeißenbergAlbin-Schwaiger-Weg 1082383 Hohenpeißenbergjetzt:Hechenbergstraße 982362 WeilheimE-Mail: [email protected]

Beilagenhinweis: Diesem Heft ist ein Korrekturblatt für folgende Ausgabe von promet beigefügt: Jahrg. 29, Nr. 1-4, S. 77.Bitte tauschen Sie die fehlerhafte Seite aus.