Auch Teilzeitanwälte können unab · 2016-01-04 · Auch Teilzeitanwälte können unab Die...

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BERUFSALLTAG 66 plädoyer 3/15 D ie Vereinbarkeit von Fa- milie und Beruf wird be- sonders in der jüngeren Generation immer mehr zum Thema. Davon bleibt auch der klassische Anwaltsberuf nicht un- berührt. Folge dieser Entwicklung ist zwangsläufig ein erhöhtes Be- dürfnis nach Flexibilität in der Ausgestaltung des Berufes. An- wälte müssen in der Lage sein, den Anwaltsberuf unabhängig auszu- üben. 1 Sie können Angestellte nur von Personen sein, die ihrerseits in einem kantonalen Register einge- tragen sind. Die bundesgerichtliche Recht- sprechung lässt es indes zu, dass auch Angestellte von Personen, die ihrerseits eben nicht im kantona- len Register eingetragen sind, sich unter gewissen Voraussetzungen ins Register eintragen lassen kön- nen. Ein solches Bedürfnis besteht vor allem bei teilzeitangestellten Anwälten, aber auch bei solchen, die in ihrer Freizeit der klassischen Anwaltstätigkeit nachgehen wol- len. Im Zentrum steht hier bei der Beurteilung über die Zulässigkeit zum Eintrag in ein kantonales An- waltsregister die Frage der Unab- hängigkeit. Zweck der Unabhängigkeit «Von herausragender Bedeutung» und «als Berufspflicht weltweit an- erkannt»: So bezeichnete das Bundesgericht den Grundsatz der anwaltlichen Unabhängigkeit in einem seiner Leitentscheide. 2 Da- mit bringt das Bundesgericht zum Ausdruck, wie wichtig die anwalt- liche Unabhängigkeit ist, um das Vertrauen in die Anwaltschaft und in die Justiz zu gewährleisten. Bereits in der Botschaft zum BGFA vom . April wurde die bundesgerichtliche Rechtspre- chung zusammengefasst und fest- gehalten, dass eine (freiberufliche) Anwaltstätigkeit nicht vollzeitlich sein müsse und eine zusätzliche Er- werbstätigkeit im Angestelltenver- hältnis zulässig sei. Unmissver- ständlich schloss bereits die Bot- schaft einen Registereintrag von angestellten Anwältinnen und An- wälten nicht aus, solange kein Konflikt zwischen den Interessen des Arbeitgebers und den Interes- sen der Klientschaft entstehen könne. Mit der Lösung in Art. Abs. lit. d BGFA wollte man die Entwicklung des Begriffs der Un- abhängigkeit weiter den kantona- len Aufsichtsbehörden und Ge- richten überlassen. 3 Die Unabhängigkeit als Berufs- pflicht umfasst dabei sowohl die Unabhängigkeit gegenüber dem Staat als auch gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern und Drit- ten. Obwohl historisch betrachtet wohl eher die Unabhängigkeit ge- genüber dem Staat von Bedeutung war, stellt heute vermehrt die Un- abhängigkeit gegenüber Dritten ein Problem dar. 4 Einerseits be- steht in der heutigen Gesellschaft vermehrt ein Bedürfnis nach Teil- zeitstellen und flexiblen Arbeitszei- ten, um eine möglichst gute «Life- Work-Balance» zu erlangen. Ande- rerseits gehen Anwälte auch aus wirtschaftlichen Motiven vermehrt Bindungen zu Dritten ein, die sich mit der Berufspflicht der Unab- hängigkeit als problematisch dar- stellen könnten. Das BGFA befasst sich in zwei Bestimmungen mit der Unabhän- gigkeit. Art. Abs. lit. d BGFA regelt die institutionelle Unabhän- gigkeit, indem die Unabhängigkeit eine persönliche Voraussetzung für den Registereintrag darstellt. Art. lit. b BGFA umschreibt die Unabhängigkeit als Berufspflicht. Ein Anwalt hat bei der Ausübung des Berufes im Einzelfall abzu- schätzen, ob ein Interessenkonflikt vorliegt. Diese Berufspflicht führt dazu, dass an die institutionelle Unabhängigkeit im Sinne von Art. Abs. lit. d BGFA gemäss dem Bundesgericht nicht allzu hohe Anforderungen gestellt wer- den dürfen. Bei der Beurteilung der Unabhängigkeit als persönli- cher Voraussetzung für den Regis- tereintrag steht damit bei einem (Teilzeit-)Angestellten die Ausge- staltung des Arbeitsverhältnisses im Zentrum. Bedürfnis der Eintragung Ein angestellter Anwalt wird sich insbesondere dann ins kantonale Anwaltsregister eintragen lassen wollen, wenn er neben einer Teil- zeitanstellung als unabhängiger Anwalt tätig werden will. Im Zuge der Debatte über mehr Teilzeitar- beitsstellen und flexible Arbeits- zeitmodelle wird dieses Bedürfnis unter Anwälten zwangsläufig wei- ter anwachsen. Abgesehen vom Fall der Teilzeit- anstellung könnte es aber auch sein, dass vollzeitlich bei einer Un- ternehmung angestellte Anwälte in ihrer Freizeit gelegentlich einer un- abhängigen Anwaltstätigkeit nach- gehen möchten. Hier stellt sich nebst der Frage der Unabhängig- keit auch die Frage, wie der voll- zeitlich bei einer Unternehmung angestellte Anwalt die Erreichbar- keit für seine Klienten sicherstellen möchte. Flexible Arbeitszeiten oder ein Sekretariat in einer Kanz- leigemeinschaft könnten hier Ab- hilfe schaffen. Grundsätzlich gilt Auch Teilzeitanwälte können unab Die Unabhängigkeit ist Voraussetzung für einen Eintrag im Anwaltsregister des Kantons. Ist auch unabhängig, wer von einem Unternehmen angestellt ist und nur teilzeitlich als Anwalt arbeitet? Nicht unbedingt. Die Unabhängigkeit muss dann näher belegt werden. Tobias Brändli Rechtsanwalt, Landquart

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BERUFSALLTAG

66 plädoyer 3/15

Die Vereinbarkeit von Fa-milie und Beruf wird be-sonders in der jüngeren

Generation immer mehr zum Thema. Davon bleibt auch derklassische Anwaltsberuf nicht un-berührt. Folge dieser Entwicklungist zwangsläufig ein erhöhtes Be-dürfnis nach Flexibilität in derAusgestaltung des Berufes. An -wälte müssen in der Lage sein, denAnwaltsberuf unabhängig auszu-üben.1 Sie können Angestellte nurvon Personen sein, die ihrerseits ineinem kantonalen Register einge-tragen sind.Die bundesgerichtliche Recht-sprechung lässt es indes zu, dassauch Angestellte von Personen, dieihrerseits eben nicht im kantona-len Register eingetragen sind, sichunter gewissen Voraussetzungenins Register eintragen lassen kön-nen. Ein solches Bedürfnis bestehtvor allem bei teilzeitangestelltenAnwälten, aber auch bei solchen,die in ihrer Freizeit der klassischenAnwaltstätigkeit nachgehen wol-len. Im Zentrum steht hier bei derBeurteilung über die Zulässigkeitzum Eintrag in ein kantonales An-waltsregister die Frage der Unab-hängigkeit.

Zweck der Unabhängigkeit«Von herausragender Bedeutung»und «als Berufspflicht weltweit an-erkannt»: So bezeichnete das Bundesgericht den Grundsatz deranwaltlichen Unabhängigkeit ineinem seiner Leitentscheide.2 Da-mit bringt das Bundesgericht zumAusdruck, wie wichtig die anwalt-liche Unabhängigkeit ist, um dasVertrauen in die Anwaltschaft undin die Justiz zu gewährleisten.Bereits in der Botschaft zumBGFA vom 28. April 1999 wurde

die bundesgerichtliche Rechtspre-chung zusammengefasst und fest-gehalten, dass eine (freiberufliche)Anwaltstätigkeit nicht vollzeitlichsein müsse und eine zusätzliche Er-werbstätigkeit im Angestelltenver-hältnis zulässig sei. Unmissver-ständlich schloss bereits die Bot-schaft einen Registereintrag vonangestellten Anwältinnen und An-wälten nicht aus, solange keinKonflikt zwischen den Interessendes Arbeitgebers und den Interes-sen der Klientschaft entstehenkönne. Mit der Lösung in Art. 8Abs. 1 lit. d BGFA wollte man dieEntwicklung des Begriffs der Un-abhängigkeit weiter den kantona-len Aufsichtsbehörden und Ge-richten überlassen.3Die Unabhängigkeit als Berufs-pflicht umfasst dabei sowohl dieUnabhängigkeit gegenüber demStaat als auch gegenüber anderenWirtschaftsteilnehmern und Drit-ten. Obwohl historisch betrachtetwohl eher die Unabhängigkeit ge-genüber dem Staat von Bedeutungwar, stellt heute vermehrt die Un-abhängigkeit gegenüber Drittenein Problem dar.4 Einerseits be-steht in der heutigen Gesellschaftvermehrt ein Bedürfnis nach Teil-zeitstellen und flexiblen Arbeitszei-ten, um eine möglichst gute «Life-Work-Balance» zu erlangen. Ande-rerseits gehen Anwälte auch auswirtschaftlichen Motiven vermehrtBindungen zu Dritten ein, die sichmit der Berufspflicht der Unab-hängigkeit als problematisch dar-stellen könnten. Das BGFA befasst sich in zweiBestimmungen mit der Unabhän-gigkeit. Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFAregelt die institutionelle Unabhän-gigkeit, indem die Unabhängigkeiteine persönliche Voraussetzung für

den Registereintrag darstellt.Art. 12 lit. b BGFA umschreibt dieUnabhängigkeit als Berufspflicht.Ein Anwalt hat bei der Ausübungdes Berufes im Einzelfall abzu-schätzen, ob ein Interessenkonfliktvorliegt. Diese Berufspflicht führtdazu, dass an die institutionelleUnabhängigkeit im Sinne vonArt. 8 Abs. 1 lit. d BGFA gemässdem Bundesgericht nicht allzuhohe Anforderungen gestellt wer-den dürfen. Bei der Beurteilungder Unabhängigkeit als persönli-cher Voraussetzung für den Regis-tereintrag steht damit bei einem(Teilzeit-)Angestellten die Ausge-staltung des Arbeitsverhältnissesim Zentrum.

Bedürfnis der EintragungEin angestellter Anwalt wird sichinsbesondere dann ins kantonaleAnwaltsregister eintragen lassenwollen, wenn er neben einer Teil-zeitanstellung als unabhängigerAnwalt tätig werden will. Im Zugeder Debatte über mehr Teilzeitar-beitsstellen und flexible Arbeits-zeitmodelle wird dieses Bedürfnisunter Anwälten zwangsläufig wei-ter anwachsen.Abgesehen vom Fall der Teilzeit -anstellung könnte es aber auchsein, dass vollzeitlich bei einer Un-ternehmung angestellte Anwälte inihrer Freizeit gelegentlich einer un-abhängigen Anwaltstätigkeit nach-gehen möchten. Hier stellt sichnebst der Frage der Unabhängig-keit auch die Frage, wie der voll-zeitlich bei einer Unternehmungangestellte Anwalt die Erreichbar-keit für seine Klienten sicherstellenmöchte. Flexible Arbeitszeitenoder ein Sekretariat in einer Kanz-leigemeinschaft könnten hier Ab-hilfe schaffen. Grundsätzlich gilt

Auch Teilzeitanwälte können unab

Die Unabhängigkeitist Voraussetzung füreinen Eintrag im Anwalts register desKantons. Ist auch unabhängig, wer voneinem Unternehmenangestellt ist und nur teilzeitlich als Anwaltarbeitet? Nicht unbedingt. Die Unabhängigkeit muss dann näher belegt werden.

Tobias BrändliRechtsanwalt, Landquart

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also, dass der Umstand einer Voll-zeitanstellung nicht per se gegendie Zulässigkeit des Registerein-trags spricht. Das Argument, wervollzeitlich angestellt sei, bietemangels zeitlicher Kapazität keineGewähr für eine korrekte Man-datsführung, trifft gemäss der bun-desgerichtlichen Rechtsprechungso nicht zu. Denn nicht nur beimvollzeitlich angestellten Anwalt,sondern auch beim ausschliesslichfreierwerbenden Anwalt bestehtdie Gefahr der Überlastung. Es istnämlich so oder anders Sache desAnwalts, bei der Mandatsübernah-me den Zeitbedarf, die Kapazitä-ten und auch die Wahrscheinlich-keit allfälliger Dringlichkeitssitua-tionen abzuschätzen.Gegen die Zulassung von Voll-zeitangestellten zur nebenberufli-

chen Tätigkeit als Rechtsanwaltlässt sich denn auch nicht einwen-den, diese könnten sich der Pflichtzur Übernahme von Offizialman-daten entziehen. Einerseits stelltsich das Problem nur, wenn nichtgenügend vollzeitlich freierwer-bende Anwälte zur Verfügung ste-hen, die (finanziell) an derartigenMandaten interessiert sind. Ande-rerseits wird der nur nebenbei alsfreischaffender Anwalt Tätige dieÜbernahme solcher Mandate zwarnicht generell ablehnen dürfen,sich aber gegen eine übermässigeentsprechende Beanspruchung le-gitimerweise zur Wehr setzen kön-nen.5 Die gewissenhafte Berufs-ausübung gebietet ihm ohnehin,sich nicht übermässig beanspru-chen zu lassen, und gibt ihm auchdie nötige Begründetheit zur Ab-

lehnung amtlicher Mandate. Aus-schlaggebend zur Zulassung zumRegistereintrag ist also letztlich al-lein, ob der Anwalt darlegen kann,dass angesichts der Ausgestaltungseines Anstellungsverhältnisses kei-ne Beeinträchtigung seiner Unab-hängigkeit bzw. der gewissenhaftenund allein im Interesse seinerKlienten liegenden Berufsaus-übung droht.6

Liberales Bundesgericht Gestützt auf diese Auslegung vonArt. 8 Abs. 1 lit. d BGFA hat dasBundesgericht erklärt, einem voll-zeitlich bei einem Industriebetriebangestellten Anwalt, der in seinerFreizeit und mit ausdrücklicher Erlaubnis des Arbeitgebers privateMandate betreue, könne der Ein-trag im kantonalen Anwaltsregister

1 Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA. 2 BGE 130 II 87 E. 4.1.3 Botschaft zum BGFA vom28.4.1999, S. 6033 ff.; S. 6054.

4Walter Fellmann, Anwaltsrecht,Bern 2010, N 265.

5 Vgl. Urteil 2P.248/2001 vom20.12.2001, publ. in: Pra 91/2002Nr. 50, S. 267.

6 BGE 130 II 87 E. 6.2.

b hängig sein

Eintragspflicht für gerichtlich tätige Anwälte

Gemäss Art. 5 BGFA führtjeder Kanton ein Register derAnwältinnen und Anwälte, dieüber eine Geschäftsadresseim entsprechenden Kantonverfügen und die Voraus -setzungen nach den Art. 7(fachliche Voraussetzungen)und Art. 8 (persönlicheVoraussetzungen) BGFA erfüllen. Verpflichtet zur Eintragung in ein kantonalesRegister sind nur diejenigenAnwältinnen und Anwälte,die Parteien vor Gerichts -behörden vertreten wollen(Art. 6 BGFA). Ohne Eintra-gung im Anwaltsregister können Anwälte zudem nichtvor Bundesgericht auftreten.

Anwältinnen und Anwälte, diein einem kantonalen Anwalts-register eingetragen sind,können folglich in der ganzenSchweiz ohne weitere Bewilli-gung Parteien vor Gerichts-behörden vertreten (Art. 4BGFA). Für die beratendeAnwaltstätigkeit wird keineEintragung ins Anwalts -register verlangt. Das BGFAist auf die forensischeAnwalts tätigkeit ausgerichtet.

Den Eintrag im Anwaltsre-gister haben die Anwältinnenund Anwälte im Geschäfts -verkehr anzugeben (Art. 11Abs. 2 BGFA). Nach Art. 10Abs. 2 BGFA hat jede Personein Recht auf Auskunft, ob

eine Anwältin oder ein Anwaltim Register eingetragen istund ob gegen sie oder ihn einBerufsausübungsverbot ver-hängt ist. Das Register bietetdamit gegenüber den KlientenGewähr dafür, dass die ein -getragenen Anwältinnen undAnwälte über die fachlichenund persönlichen Voraus -setzungen im Sinne von Art. 7 und 8 BGFA verfügen, insbesondere also, dasssie ein Anwaltspatent haben,handlungsfähig sind, keinestrafrechtliche Verurteilungund keine Verlustscheinegegen sie vorliegen unddass sie ihre Anwaltstätigkeitunabhängig ausüben.

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nicht verwehrt werden. Die Gefahrvon Interessenkonflikten sei bei einer solchen Anstellung von vorn-herein viel kleiner als bei Tätigkei-ten in Unternehmen, zu derenAufgabenkreis die Beratung inRechts- und Wirtschaftsfragen ge-höre.7 Allerdings erachtete es denEintrag im kantonalen Anwaltsre-gister auch bei einem vollzeitlichbei einer Versicherung angestelltenMitarbeiter als zulässig, der durcheine vertragliche Vereinbarungjede Vermischung zwischen ar-beitsvertraglicher und anwaltlicherTätigkeit ausgeschlossen hatte.8Von den dargestellten Grundsät-zen liess sich das Bundesgerichtauch leiten, als es die Vereinbarkeitvon Tätigkeiten für die öffentlicheHand mit der Anwaltstätigkeit mitBlick auf die Unabhängigkeit derJustiz zu beurteilen hatte.9 Es er-klärte es als unverhältnismässig, einer teilzeitlich an einem Aargau-er Bezirksgericht angestellten Ge-richtsschreiberin eine nebenamtli-che Tätigkeit als Anwältin für dasganze Kantonsgebiet zu untersa-gen; eine Beschränkung der An-waltstätigkeit auf Mandate ausser-halb der Zuständigkeit des fragli-chen Bezirksgerichts sei ausrei-chend zur Wahrung der Unabhän-gigkeit.10 Die Rechtsprechunghält überdies – mit Blick auf dierichterliche Unabhängigkeit – eineAnwaltstätigkeit mit einem neben-amtlichen Richteramt grundsätz-lich für vereinbar.11

Fehlende UnabhängigkeitEin Anwalt, der bei einem Arbeit-geber angestellt ist, der selber nichtim Anwaltsregister eingetragen ist,kann die vom BGFA verlangte Un-abhängigkeit aufweisen, wenn erseine Anwaltstätigkeit ausserhalbdieses Angestelltenverhältnissesausübt und sich auf Mandate be-schränkt, die auch klar ausserhalbdes Tätigkeitsbereichs seines Ar-beitgebers liegen. Für eine derarti-ge teilzeitliche selbständige An-waltstätigkeit besteht daher An-

spruch auf Eintragung ins Register,sofern die übrigen gesetzlichen Vo-raussetzungen erfüllt sind.12

Es ist in einer solchen Konstella-tion aber wichtig, sämtliche Be-rührungspunkte zum Arbeitgeberzu vermeiden. Konkret bedeutetdies, dass der angestellte Anwaltweder seinen Arbeitgeber nochdessen Geschäftspartner oder Kun-den vertreten darf. Zudem istder Anwaltstätigkeit in separatenRäumlichkeiten nachzugehen, esmuss eine komplette räumlicheTrennung zwischen der Anwaltstä-tigkeit und der Anstellung vorlie-gen. Weitere mögliche Überlage-rungen der beiden Tätigkeiten, diezu Interessenkonflikten führenkönnen, sind im Einzelfall abzu-schätzen und durch entsprechendeVorkehrungen zu vermeiden. An-dernfalls kann die vom BGFA ge-forderte Unabhängigkeit nicht ge-währleistet werden.Bei einem so nebenberuflich tä-tigen Anwalt besteht die Vermu-tung der fehlenden Unabhängig-keit.Dies entspricht auchdemSinnund Zweck der Bestimmung vonArt. 8 Abs. 1 lit. d BGFA, geht esdochbeidieserBestimmung geradedarum, die Einflussnahme Dritterzu verhindern. Hingegen stellt dieEinflussnahme von Per sonen, dieselber im Anwaltsregister eingetra-gen sind, kein Problem dar.Die Vermutung der fehlendenUnabhängigkeit lässt sich widerle-gen, indem aufgezeigt wird, dassdie Ausgestaltung des Anstellungs-verhältnisses keine Beeinträchti-gung der Unabhängigkeit bewirkt.Für den Registereintrag muss derangestellte Anwalt darlegen, dassdie Ausgestaltung seiner beabsich-tigten nebenberuflichen Anwalts-tätigkeit eine komplette räumlicheTrennung von seinem Arbeitsortaufweist, keine Klienten bedientwerden, die im Zusammenhangmit seinem Angestelltenverhältnisstehen und seinem Arbeitgeberkeinerlei Weisungsbefugnis in Be-zug auf seine anwaltliche Tätigkeit

zukommt. Kann der Anwalt dieseorganisatorischen Vorkehren auf-zeigen, so kann er die Vermutungder fehlenden Unabhängigkeit wi-derlegen und erfüllt damit die Vo-raussetzung von Art. 8 Abs. 1 lit. dBGFA.

Schutz der KlientenSolange jemand neben einer An-stellung freiberuflich als Anwalt tä-tig sein will, besteht zwar die Ver-mutung fehlender Unabhängig-keit, die sich jedoch durch entspre-chende Nachweise widerlegenlässt. An die institutionelle Unab-hängigkeit im Sinne von Art. 8Abs. 1 lit. d BGFA werden somitnicht allzu hohe Anforderungengestellt. Im Zentrum steht die viel weiterreichende Unabhängigkeit im Sin-ne von Art. 12 lit. b BGFA, welchedie Berufsausübung immer beglei-tet. Während Art. 8 Abs. 1 lit. dBGFA als persönliche Vorausset-zung für den Registereintrag nach-zuweisen ist, gilt die Berufspflichtder Unabhängigkeit im Sinne vonArt. 12 lit. b BGFA fortlaufend.Art. 12 lit. b BGFA verpflichtet denAnwalt während der Berufsaus-übung dauernd zur Unabhängig-keit. Die Unabhängigkeit im Sinnevon Art. 12 lit. b BGFA ist fallbe-zogen, eine Verletzung dieserPflicht kann ein Disziplinarverfah-ren nach sich ziehen. Kann die Un-abhängigkeit im Sinne von Art. 8Abs. 1 lit. d hingegen nicht nach-gewiesen werden, so ist eine Ver-weigerung des Registereintragesdie Konsequenz. Der Anwalt hatdamit noch nicht gegen eine Be-rufspflicht verstossen. Insofernkommt Art. 12 lit. b BGFA in derPraxis eine stärkere Bedeutung zu,weil diese Bestimmung den Klien-ten im Einzelfall konkret schützt.

7 Urteil 2A.111/2003 vom 29.1.2004 E. 7.

8 Urteil 2A.124/2005 vom 25.10.2005 E. 2.

9 Art. 30 BV.10 Urteil 2P.301/2005 vom 23.6.2006E. 5, in: ZBl 107/2006, S. 586 ff.

11 BGE 133 I 1 E. 6.4.1 und 6.4.2,S. 7; kritisch zu dieser Praxis jedochRegina Kiener /Gabriela Medici, Anwälte und andere Richter, SJZ 107/2011, S. 373 ff.;BGer 2C_237/2011, E.6.

12 BGE 130 II 87 E. 5.2. mit Verweisauf Beat Hess, «Umsetzung des Bundesgesetzes über die Freizügig-keit der Anwältinnen und Anwälte[BGFA] durch die Kantone»,SJZ 98/2002., S. 490; LucienW. Valloni /Marcel C. Steinegger,Bundesgesetz über die Freizügigkeitder Anwältinnen und Anwälte, Gesetzesausgabe mit Einführung,Zürich/Basel/Genf 2002, S. 46.