Außenhandel: Deutschlands Rolle im · Deutschlands Rolle im Welthandel ... viele Investitionen...

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Mitglied im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Nachrichten Information für Mitglieder 2/2017 Außenhandel: Deutschlands Rolle im Welthandel Anti-Dumping-Maßnahmen: Neue Entscheidungen der EU-Kommission Energiemanagement: Erfolge müssen nachgewiesen werden

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Mitglied im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)

Nachrichten

Information für Mitglieder

2/2017

Außenhandel:

Deutschlands Rolle im Welthandel

� Anti-Dumping-Maßnahmen:Neue Entscheidungen der EU-Kommission

� Energiemanagement: Erfolge müssen nachgewiesen werden

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Liebe Unternehmer, Verbandsmitarbeiterund Freunde der Stahl und Metall verarbeitenden Industrie,

einige Jahre lag es im Dornröschenschlaf, jetzt ist es er-wacht: das Thema Außenhandel und Protektionismus.Wir sind stark betroffen. Nimmt man die WSM Indu-strien zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Knapp 35Prozent der Erzeugnisse werden direkt ex-portiert, davon mehr als die Hälfte inden Euro-Währungsraum. Wichti-ge Zielmärkte innerhalb der EUsind Frankreich als die Num-mer 1 und England als Num-mer 5. Nach Europa sind dieUSA, China und die Schweizdie wichtigsten Exportmärkte.Russland und die Türkei neh-men zwar keine vorderen Plätzeein, sind aber auch bedeutende Ab-nehmer. Das zweite Drittel der WSMErzeugnisse geht in Produkte, die wiederumfür den Export bestimmt sind. Direkte und indirekte Ex-porte machen also zusammen mehr als zwei Drittel derProduktion der WSM Betriebe aus. Das heißt, wenigerals ein Drittel der WSM Erzeugnisse bleibt in Deutsch-land! Die wichtigsten Kundenbranchen von WSM – derAutobau und der Maschinenbau – exportieren sogardrei Viertel ihrer in Deutschland hergestellten Waren.

Die WSM Unternehmen sind – das kann man an denZahlen leicht erkennen – auf einen möglichst barriere-freien Welthandel existenziell angewiesen. Mit den mei-sten Industriestaaten der Welt erzielen die WSM Unter-nehmen auch einen Handelsüberschuss. Am größten istdieser mit den USA mit einem Volumen von 1,2 Milliar-den Euro (2016), gefolgt von Frankreich mit etwa 1 Mil-liarde Euro. Die stärksten Wettbewerber kommen dage-gen aus China und Italien. Aus diesen Ländern impor-

tiert Deutschland mehr Stahl- und Metallverarbei-tungsprodukte, als es dorthin exportiert.

Wie alle anderen Staaten auch, will die neue US-Regie-rung ihre nationalen Interessen bestmöglich wahren.Um die heimische Produktion zu stärken und Industrie-Arbeitsplätze zu schaffen, setzt man erklärtermaßen aufMarktabschottungen. Mit etwaigen Verstößen gegenWTO-Recht und andere Regeln wird man sich dort nichtlange aufhalten. Die Hoffnung vieler deutscher Herstel-ler ist indes, dass die Erfolglosigkeit dieser Strategie früherkannt wird und dass man sich eines Besseren besinnt.Andere Staaten könnten ähnlich reagieren, und Arbeits-plätze könnten dann in die umgekehrte Richtung ab-wandern. Der amerikanische Konsument wird jedenfallsweniger wettbewerbsfähige und teurere Produkte nichtbegrüßen. Zudem schadet es der heimischen Industrie,Rohstoffe und Vorleistungsprodukte zu verteuern. Ganz

abgesehen davon, dass viele Produkte in den USAzu vergleichbaren Qualitäten in absehba-

rer Zeit gar nicht hergestellt werdenkönnen. Ein historisches Vorbild gibtes auch: Die Importzölle auf japani-sche Autos haben den amerikani-schen Autoherstellern nicht nach-haltig genützt.

Die Globalisierung wird von Populi-sten diskreditiert und zum Stimmen-

fang missbraucht. Wirtschaft und Poli-tik müssen die Menschen mit mehr Leiden-

schaft von den Vorzügen, den erreichten Erfolgenund den konkreten Chancen des globalen Handels über-zeugen. Ansonsten gefährden die protektionistischenTendenzen unser Geschäftsmodell und damit ganz kon-kret Arbeitsplätz vor Ort in Deutschland.

Ich lade Sie herzlich ein, zu diesen und anderen span-nenden Themen mehr in dieser Ausgabe der WSM-Nachrichten zu lesen.

Christian Vietmeyer

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Inhalt WSM-Nachrichen 2/2017

04 WSM im Gespräch mit Professor Dr. Michael Hüther„Nur nicht die Ruhe verlieren”

25Geplante 42. Bundes-Immissionsschutzverordnung

Umfangreiche Anforderungen für Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider

37 IATF 16949

Neue Norm für die Automobilindustrie

� AKTUELLES AUS WIRTSCHAFT & POLITIK

4 WSM im Gespräch„Nur nicht die Ruhe verlieren““

8 Außenhandel IDie internationalen Märkte sind für Deutschland extrem wichtig

10 Außenhandel IIIst die Kritik am deutschen Handelsbilanzüberschuss berechtigt?

14 Im InterviewDrei Fragen an Christoph M. Schmidt

� AUS DER BRANCHE

17 WSM-KonjunkturProduktion steigt im ersten Quartal des Jahres um 3,2 Prozent

18 VormaterialKehrtwende bei den Materialpreisen –Verarbeiter in Not

19 Anti-Dumping-MaßnahmenNeue Entscheidungen der EU-Kommission

21 Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden StoffenLang erwartete „AwSV“ veröffentlicht: Anforderungen treten am 1. August 2017 in Kraft

25 Geplante 42. Bundes-ImmissionsschutzverordnungUmfangreiche Anforderungen für Verdunstungs-kühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider

�WSM-INTERN

28 Personalia / Termine

� FÜR DIE BETRIEBSPRAXIS

29 Recht32 Steuern34 Lean Management im Mittelstand

Einfach machen37 IATF 16949

Neue Norm für die Automobilindustrie39 Automobilzulieferer im digitalen Zeitalter

Portal-Technologie als Wettbewerbsvorteil40 Energiemanagement

Erfolge müssen nachgewiesen werden42 Industrielle Versicherungen XVIII

„Hochrisikoland“ USA

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4 Juni 2017

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

Protektionismus und Nationalismus bedrohen denfreien Welthandel. Warum ist das gerade für diedeutsche Industrie so problematisch?Hüther:Die deutsche Industrie ist besonders exportori-entiert und dementsprechend abhängig von den welt-wirtschaftlichen Entwicklungen. Von der Einführungvon Schutzzöllen oder sonstigen Handelshemmnissenist sie daher stärker betroffen als die auf die Binnenwirt-schaft ausgerichteten Volkswirtschaften.

Der schwelende Protektionismus ist für die deutsche Wirt-schaft auch deshalb so gefährlich, weil sich die Wertschöp-fungsketten seit der Handelsliberalisierung der 1990er Jah-re internationalisiert haben: Nur noch ein Drittel beträgtdie in Deutschland anfallende Bruttowertschöpfung desVerarbeitenden Gewerbes am Produktionswert. Praktischjede Produktion ist heute abhängig von grenzüberschrei-tenden Vorleistungen. Werden nationalistisch motiviert

Eigentumsrechte ausländischer Investoren verletzt oderHandlungsspielräume grundsätzlich eingeschränkt, dannsind wiederum offene, breit in der Welt investierte Volks-wirtschaften wie die deutsche besonders betroffen.

Erklärtes Ziel von Präsident Trump ist es, mit Schutz-zöllen neue Arbeitsplätze in den USA zu schaffen.Geht das überhaupt, und wie nachhaltig wäre so ein„Wachstum“?Hüther: Investitionsentscheidungen werden nach wirt-schaftlichem Kalkül getroffen. Blockiert ein Land etwadie Einfuhr von Produkten für den Endkonsumenten,können Unternehmen dazu gezwungen werden, Pro-duktionsstätten für die Binnennachfrage nur im Inlandanzusiedeln. Kurzfristig mag eine solche Strategie alsotatsächlich zusätzliche Arbeitsplätze mit der Brechstan-ge ins Land holen. Problematisch sind jedoch die Reak-tionen, die dies nach sich zieht. Denn führen andere Län-

WSM im Gespräch

„Nur nicht die Ruhe verlieren“Professor Dr. Michael Hüther ist Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln

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der dieselben Beschränkungen ein, käme es zu Arbeits-platzverlagerungen in entgegengesetzter Richtung. AufZulieferungen von Rohstoffen und Vorleistungen sindmoderne Volkswirtschaften sowieso angewiesen. DerenPreise künstlich zu erhöhen schadet selbst kurzfristigden Produktionsstandorten im eigenen Land.

In jedem Fall führen die erhöhten Produktionskostenbei den Bewohnern der betroffenen Länder zu realenWohlfahrtsverlusten durch steigende Preise. Langfri-stiges Wachstum mit nachhaltigem Arbeitsplatzaufbauist aus einer solchen Strategie nicht zu erwarten.

Gibt es historische Beispiele für eine isolationistischePolitik und deren Folgen?Hüther: Tatsächlich ist die amerikanische Wirtschafts-politik bereits in der Phase der Industrialisierung im 19.Jahrhundert einem protektionistischen Kurs gefolgt. Zudieser Zeit waren die Technologieführer aus Großbritan-nien die Avantgardisten im erfolgreichen Propagierenfreier Märkte. Der deutsche Ökonom Friedrich List hattedamals eine Wirtschaftspolitik des Protektionismus emp-fohlen, um junge, international nicht konkurrenzfähigeIndustriezweige zu schützen. Die globale Vernetzung derWertschöpfungsketten führt diese Strategie heutzutagegerade für ein Industrieland wie die USA ad absurdum,zeichnet sich doch ein Handelskrieg mit massiven Folgenfür den amerikanischen Wirtschaftsstandort ab.

Was wären aus Ihrer Sicht sinnvolle Reaktionen aufamerikanische Marktabschottungen wie zum Bei-spiel die geplante Grenzausgleichssteuer?Hüther: Reaktionen auf einseitige protektionistischeMaßnahmen müssen den bestehenden institutionellenRahmen respektieren. In vielen Fällen sollten Gegen-maßnahmen über die entsprechende Gerichtsbarkeitder WTO umgesetzt werden. Es ist aber durchaus vor-stellbar, dass je nach Art der US-Maßnahmen auch dieGegenmaßnahmen jeden Bezug zu den bestehendenWTO-Regeln vermissen lassen.

Wirtschaftspolitische Vergeltungsmaßnahmen sind al-lerdings wegen der Verlustposition für alle Beteiligtenweniger hilfreich und sinnvoll als das kühle Anwendender bestehenden und bewährten Regeln. Nur weil einwirtschaftliches Schwergewicht vom Kurs der Vernunftabkommt, bedeutet das nicht, dass andere Länder dieRuhe verlieren sollten.

Ist mit der Wirtschaftspolitik von Trump die Zeit fürinternationale Wirtschaftsverträge, wie zum BeispielFreihandelsabkommen unter dem Dach der Welt-handelsorganisation WTO, erst einmal vorbei?Hüther: Die Frage lautet vielmehr, wie will DonaldTrump seine Wirtschaftspolitik mit dem Rahmen dermultilateralen Regeln und Vereinbarungen der WTO zu-sammenbringen. Unilaterale Maßnahmen, die gegen dasaktuelle Regelwerk verstoßen, werden Strafmaßnahmender betroffenen Länder nach sich ziehen – ohne dass die-se Länder untereinander Strafzölle erheben. Die USAwerden folglich als Handelspartner und als Investitions-ziel wesentlich weniger attraktiv und vermehrt aus derglobal vernetzten Wirtschaftsstruktur ausgeklammert.

Freilich steht es den USA frei, Partner für bilaterale Inve-stitions- und Handelsabkommen zu suchen. Die jüngstenVerhandlungen haben jedoch gezeigt, wie langwierig die-se Verhandlungen sein können. Zudem haben die erstenAmtshandlungen den amerikanischen Präsidenten nichtgerade zu einem attraktiven Partner für langwierige undkleinteilige Verhandlungen gemacht.

Ab April 2019 ist England nicht mehr Teil der EU. Stel-len Sie sich vor, dass bis dahin kein Handelsabkommenmit England zustande gekommen sein wird. Was stehtdann für die Wirtschaft zu befürchten?

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

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Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

6 Juni 2017

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

Hüther:Die EU Unterhändler haben deutlich gemacht,dass Fragen zum Handel erst dann diskutiert werden,wenn die Austrittsmodalitäten zum Brexit abschlie-ßend geklärt sind. Auch wenn nicht alle Mitgliedsstaa-ten bedingungslos hinter diesem Vorgehen stehen, istes praktisch unmöglich, dass im April 2019 ein Han-delsabkommen präsentiert wird. Mit Austritt aus derEU würden die Briten zudem vorerst auch die Welthan-delsorganisation verlassen. Einem WTO-Beitritt müss-ten dann alle 164 Mitglieder zustimmen. Die Folgen fürden schon jetzt angespannten britischen Handel unddas Investitionsklima auf der Insel wären verheerend.

Wer wie der britische Außenminister behauptet, keinDeal wäre „perfectly ok“, handelt schlichtweg verant-wortungslos, im besten Fall ahnungslos.

Welche Branchen in England und in Europa sindvom Brexit am meisten betroffen? Hüther: Letztlich wird die gesamte britische Volks-wirtschaft unter dem Austritt aus der Europäischen

Union leiden. Exportabhängige Branchen werden Ein-brüche im Handel spüren, investitionsintensive Ge-schäftsmodelle werden es schwieriger haben, Investo-ren zu finden, dem Staat werden durch geringere Ein-nahmen die Handlungsspielräume eingeschränkt, undam Ende trifft es auch die Konsumenten, die unter stei-genden Preisen leiden.

Will man eine spezielle Branche exemplarisch heraus-picken, bietet sich der britische Finanzsektor an: Wür-de dieser seine sogenannten Passporting-Rechte ver-lieren, die ihm erlauben, aus Großbritannien auf demKontinent zu agieren, wäre der noch strahlende Fi-nanzplatz London empfindlich getroffen. Gerade daviele Investitionen nach Europa aus Übersee über briti-sche Banken abgewickelt werden, würde das nicht nurdie Londoner Finanzindustrie, sondern auch vor undnachgelagerte Dienstleister betreffen.

Es gibt in allen Industrienationen sogenannte Glo-balisierungsverlierer, also Menschen, die Jobs we-gen der Globalisierung verloren haben. Zu langewurde das einfach hingenommen. Zuletzt bei derTTIP-Debatte konnte man sehen, dass der Rückhaltin der Bevölkerung schwindet. Hat man zu wenigRücksicht darauf genommen?Hüther: Im Zuge der Handelsliberalisierung und demFall des Eisernen Vorhangs hat eine zunehmende in-ternationale Ausdifferenzierung der Arbeitsteilungstattgefunden. Aus den USA sind beispielsweise überzwei Millionen Arbeitsplätze durch die neue Konkur-renz aus China verloren gegangen. Gerade Industriear-beiter waren hiervon getroffen und hatten Probleme,nach der Abwanderung von ganzen Werken neue Be-schäftigung in der Region zu finden.

In Deutschland stellt sich die Situation grundlegendanders dar. Hier haben verschiedene sehr wettbe-werbsfähige Industriezweige zum Teil massiv von denneuen Absatzmärkten profitiert. Die Arbeitsplatzzu-wächse der Exportbranchen konnten die Verlustekompensieren, so dass es nicht zu einem Verlust der in-dustriellen Basis gekommen ist. Auch ist das soziale Si-cherungssystem hierzulande wesentlich attraktiverausgestaltet als in den USA, was die Fallhöhe nach ei-nem Arbeitsplatzverlust deutlich begrenzt.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zur Person

Prof. Dr. Michael Hüther studierte Wirtschafts-wissenschaften sowie Mittlere und Neuere Ge-schichte in Gießen und in Norwich. Der renom-mierte Wirtschaftswissenschaftler ist unter ande-rem Mitglied des Vorstands der Atlantik-Brücke,einem überparteilichen Verein zur Stärkung derdeutsch-amerikanischen Freundschaft. Hüther istseit 2004 Direktor und Mitglied des Präsidiumsim Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

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Juni 2017 7

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

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Knapp 35 Prozent ihrer Umsätze erzielen die Stahl undMetall verarbeitenden Unternehmen Deutschlands direktmit ausländischen Kunden. Wichtigster Markt mit einemAnteil von fast 60 Prozent an diesen Exporten ist der Euro-Währungsraum. Im letzten Jahr hat Frankreich seine Spit-zenposition als Exportland Nr. 1 verteidigt, obwohl dieLieferungen an die Nachbarn im Westen um 16% zurück-gingen. Ebenfalls rückläufig waren die Umsätze mit ame-rikanischen Kunden (-12%) und mit Großbritannien (-9%). Aufgrund der Schwäche der US-Exporte hat Öster-reich die Rolle des zweitwichtigsten Auslandsmarktesübernommen. Weiterhin vor China liegt Polen auf Rangvier der größten Exportpartner der deutschen Stahl- undMetallverarbeiter.

Die indirekten Exporte verändern das Bild

Eine andere Rangfolge würde sich ergeben, wenn man dieindirekten Exporte der Branche berücksichtigen würde.Die wichtigsten Kunden Automobil- und Maschinenbauexportieren etwa drei Viertel ihrer in Deutschland herge-stellten Waren und somit die darin verbauten Teile ihrerZulieferer ins Ausland. Während die Pkw-Hersteller inGroßbritannien ihren wichtigsten Absatzmarkt haben,sind es für die Maschinenbauer China und die USA.

8 Juni 2017

Außenhandel I

Die internationalen Märkte sindfür Deutschland extrem wichtigExporte und Importe der Stahl und Metall verarbeitenden Industrie nach Ziel- und Quellländern

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ERK

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Die stärkste Importnation von Produkten der Stahl- undMetallverarbeitung nach Deutschland ist Italien, gefolgtvon China. Erst an achter Stelle folgen die USA, Großbri-tannien nimmt lediglich Position 13 ein. Bei den Importenzeigen sich keine nennenswerten Verschiebungen im Ver-gleich der Jahre 2015 und 2016. Da die Auslandsumsätzejedoch insgesamt leicht rückläufig waren, ist der Export-überschuss der Branche zwischen 2015 und 2016 vonknapp 38% auf gut 36% zurückgegangen.

Mit knapp 1,2 Milliarden Euro erzielen die in Deutschlandproduzierenden Stahl und Metall verarbeitenden Unterneh-men den höchsten Handelsüberschuss mit den USA. Gleich-wohl ging dieser Überschuss von 2015 auf 2016 um rund 19%zurück. Noch stärker, nämlich um 29%, ging der Export-überschuss gegenüber dem französischen Markt zurück.

Die stärksten Wettbewerber kommen aus Italien und Chi-na. Die italienische Konkurrenz hat im Jahr 2016 Stahl- undMetallteile im Wert von 1,5 Milliarden Euro mehr nachDeutschland geliefert, als die deutschen Wettbewerber um-gekehrt in Italien absetzen konnten. Für China liegt derWert bei 675 Milliarden Euro. Auf beiden Märkten konntendie deutschen Hersteller allerdings ihre Wettbewerbsposi-tion verbessern. So ging das Exportdefizit gegenüber Chinaum 16% und gegenüber Italien um 3,5% zurück.

Juni 2017 9

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

AnsprechpartnerHolger AdeWSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V.Goldene Pforte 158093 HagenTel.: 02331/95 88 21Fax: 02331/51 0 [email protected]

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„America first“ – diese Aussage von Donald Trump istWasser auf die Mühlen der Globalisierungsgegner. Siesind sich mit dem amerikanischen Präsidenten einig, dassdie USA aufgrund ihres Leistungsbilanzdefizits im globa-len Handel benachteiligt werden. Importe vernichtendemnach Arbeitsplätze und führen zu Kapitalabfluss, derdas Land ärmer macht.

Ein fairer Handelspartner mag durch viele Facetten ge-kennzeichnet sein. Dieser Argumentation folgend, scheintauch eine ausgeglichene Leistungsbilanz dazuzugehören,weshalb Länder mit einem Überschuss in der Kritik ste-hen. Ihr positiver Leistungsbilanzsaldo beruhe entwederdarauf, dass sie unfairen Wettbewerb betreiben oder nichtausreichend konsumieren und somit zu Lasten andererLänder oder Handelspartner lokale Arbeitsplätze schaf-fen. Es wird sogar zunehmend behauptet, Überschusslän-der würden Arbeitslosigkeit exportieren.

Selbst der IWF kann sich diesem Gedankengang nichtgrundsätzlich entziehen. So kritisierte IWF-Chefin Chri-stine Lagarde jüngst, dass der deutsche Leistungsbilanz-überschuss zu hoch sei. Obwohl die deutsche Wirtschaftnur einen Anteil von rund 5,5% am Welt-Bruttoinlands-produkt (BIP) hat (3,4% nach Kaufkraftparität), lieferte sieim vergangenen Jahr mit 279 Milliarden Dollar den welt-größten Leistungsbilanzüberschuss. Um den Überschusszu reduzieren und die Produktion in anderen Ländern zustützen, sei laut Lagarde erforderlich, dass Deutschlandmehr konsumiere. Die Bundesregierung konterte mit denArgumenten, der Handelsbilanzüberschuss beruhe aufder Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft unddem aktuell schwachen Euro-Devisenkurs, der möglichepreisliche Wettbewerbsvorteile verstärke und den sienicht beeinflussen könne.

Ein Handelsüberschuss bedeutet, dass ein Land mehr produ-ziert, als es konsumiert. Dies wird oft positiv gesehen, da da-mit gleichzeitig ein Aufbau von Sparvermögen verbundenist. Seit der Zeit des Merkantilismus existiert die Vorstellung,Exporte seien besser als Importe, da sie einen Zahlungsein-gang und keinen -abgang (damals von Gold) bedeuten.

Der Wohlstand eines Landeswird jedoch nicht durch dieAnhäufung von Zahlungen bestimmt, sondern durch dasNiveau des Konsums. Länder mit einem Handelsbilanzde-fizit können deshalb ein über ihrem Potenzial liegendesKonsumniveau erreichen, während Überschussländer ei-nen Lebensstandard unter ihren Möglichkeiten aufwei-sen. Die Leistungsbilanz wirkt im Fall der Defizitländerwie ein Ventil, das den Überdruck der Wirtschaft regu-liert, der sonst in einer eskalierenden Inflation enden wür-de. Gerade Schwellenländer, deren Nachfrage oftmals dieLeistungsfähigkeit der Wirtschaft überfordert, profitierenvom freien Handel und einem Leistungsbilanzdefizit. An-haltende Defizite sind auch Zeichen einer nicht reagieren-den, unflexiblen Angebotsseite. Aspekte wie Produktivitätund Wachstumspotenzial des Defizitlandes stehen hierbeiim Vordergrund und nicht unfairer Wettbewerb.

10 Juni 2017

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

Außenhandel II

Ist die Kritik am deutschen Handelsbilanzüberschuss berechtigt?Ein Anstieg der Binnennachfrage infolge steigender Löhne oder höherer Staatsausgaben kann die Handelsungleichgewichtezwischen Deutschland und dem Rest der Welt nicht nachhaltig lösen.

Quelle: Econo

mist Intelligence Unit (EIU)

Abb. 1: Leistungsbilanzsaldo ausgewählter Länder, in % des BIP

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Natürlich können auch der Wechselkurs und damit wo-möglich manipulierte preisliche Wettbewerbsvorteile ei-ne Rolle spielen. So kann ein anhaltender Überschuss auchauf einer künstlich schwach gehaltenen Währung beru-hen. Dies hat China gezeigt, dessen Notenbank ein enor-mes US-Dollar-Vermögen durch Interventionen auf demDevisenmarkt aufgebaut hat.

Gegen Handelsüberschüsse hilft eine rückläufige Sparquote

Wenn Überschussländer eine höhere Nachfrage erzeugenwollen, geht das nicht zwingend einher mit mehr Konsumaufgrund steigender Löhne und daraus folgendem Wett-bewerbsverlust. Bei einem Land mit alternder Bevölke-rung, in dem sich allmählich ein Ungleichgewicht zwi-schen Potenzialwachstum und Binnennachfrage aufbaut– Beispiel Deutschland –, kann sich ein Handelsüber-schuss tendenziell auch reduzieren, wenn die Sparquotesinkt, etwa indem aufgebautes Fremdvermögen abgebautund für eine stärkere Binnennachfrage genutzt wird. EinLeistungsbilanzüberschuss bedeutet auch, dass zu viel ge-spart wird beziehungsweise Investitionen zu niedrig sind.Eine höhere Investitionsquote könnte dann kurzfristighelfen. Allerdings würde dies für zusätzli-che Produktionskapazitäten sorgen, wasbei unverändertem Binnenkonsum undohne aufwertende Währung wieder zuhöheren Exporten und somit auf Sichtzu einer Ausweitung des Überschussführen würde.

Ein hohes strukturelles Defizit ist einIndiz dafür, dass diese Länder bei ih-ren Handelspartnern ausreichendes

Vertrauen genießen, um ihr Defizit durch steigende Ver-bindlichkeiten zu finanzieren. Als Schuldner genießen vorallem die USA aufgrund ihrer Weltwährung und ihrerWirtschaftskraft Glaubwürdigkeit und sind deshalb beliebtbei Anlegern aus China oder Deutschland. Das erlaubt ihrein jahrzehntelanges Defizit ohne eskalierenden Abwer-tungsdruck, und es forciert keinen Reformdruck auf derAngebotsseite der Wirtschaft. Eine deutliche US-Dollar-Abwertung würde allerdings die reale Kaufkraft der Ver-mögenswerte ausländischer Investoren verwässern.

Ein Vertrauensverlust in die Währung oder Kreditwürdigkeiteines Landes hat somit für beide Seiten Nachteile: Das Defi-zitland kann seinen negativen Saldo nicht mehr ausreichendfinanzieren, während die Gläubiger deutliche Einbußen ihresrealen Vermögen hinnehmen müssen. Deshalb ist ein Landmit anhaltendem Leistungsbilanzüberschuss nicht unein-geschränkter Gewinner des unausgewogenen Handels.Länder mit Handelsüberschuss verzichten auf Konsum, in-dem sie sparen und Auslandsvermögen aufbauen, dessenWerterhalt langfristig jedoch nicht gesichert ist.

Innerhalb der Euro-Zone gibt es einen festen Wechselkurs,der für ein Land mit preislichen Wettbewerbsvorteilen

effektiv zu einem unterbewerteten Devisenkurs, Über-schüssen in der Leistungsbilanz und steigenden

Auslandsvermögen in der Euro-Zoneführt. Der Vermögensaufbau Deutsch-lands innerhalb der Euro-Zone ist aktu-

ell anhand der aufgeblähten Target2-Sal-den zu erkennen – Salden, die bei größe-

rem Vertrauen in das Bankensystem durchden Privatsektor finanziert worden wärenund keinerlei Diskussion hätten aufkom-men lassen.

Foto: A

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Juni 2017 11

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12 Juni 2017

Ein Anstieg der Binnennachfrage infolge steigender Löhneoder höherer Staatsausgaben kann die Handelsungleich-gewichte zwischen Deutschland und dem Rest der Weltnicht nachhaltig lösen. Eine solche Entwicklung würdeden Defizitländern nur helfen, wenn die Nachfrage durcheigene Wirtschaftsleistung und Kapazitäten bedient wer-den kann.

Es scheint effizienter zu sein, durch den Export deutscherInvestitionsgüter Kapazitäten und Arbeitsplätze in Defi-zitländern aufzubauen. Das gilt vor allem dann, wenn die

Angebotsseite des jeweiligen Defizitlandes auf-grund mangelnder Reformen eher träge aufNachfrageimpulse reagiert und eine Aufwertungdes Euro, die dem Defizitland relative Preisvor-teile verschaffen könnte – im Falle mangelnderReformen allerdings auch höhere Inflation –,nicht in Sicht ist.

Alle bedeutenden deutschen Vorleistungs- undInvestitionsgüterbranchen weisen erhebliche Ex-portüberschüsse aus. Diese dienen dem Ausbauvon Produktionskapazitäten und somit dem Auf-bau von produktiven Arbeitsplätzen. Auch in denUSA dienen die deutschen Exportgüter vor allemdem US-Wertschöpfungsprozess und somit derAngebotsseite der Wirtschaft. Anders verhält essich mit finalen Konsumgütern. Sie erlauben ei-nen kurzfristig höheren Lebensstandard. Aller-dings werden keine Anreize geschaffen, die dasNiveau der lokalen Wertschöpfung steigern. Ins-gesamt sollte die deutsche Leistungsbilanz des-halb weniger als Übel angesehen werden, sonderneher als Vertrauensbeweis der deutschen Wirt-schaft in ihre Handelspartner sowie als Förderungdes Wachstumspotenzials in Ländern mit Lei-stungsbilanzdefiziten. Dies gilt vor allem für die

Schwellenländer, aber auch für die USA.

Handelsüberschüsse in der Metallindustrie

Während Maschinen- und Fahrzeugbau sowie Chemiein-dustrie die größten Netto-Handelsüberschüsse aufweisen,ist der Saldo in der Metallindustrie mit rund 11,5 Milliar-den Euro im letzten Jahr eher überschaubar. Dies bedeutetjedoch nicht, dass die deutsche Metallindustrie kein be-deutender Exporteur ist; 2016 wurden Waren im Wertvon fast 90 Milliarden Euro ausgeführt.

Ansprechpartner

Dr. Klaus Bauknecht

IKB Deutsche Industriebank AG

Wilhelm-Bötzkes-Str. 140474 Düsseldorf

Tel. 0211/[email protected]

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

Abb. 2: Verwendung der Exporte in die USA; Anteil am Gesamtexport des Landes

Quellen: W

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Foto: AdobeStock.com / fotomek

Abb. 3: Netto-Handelsbilanzsalden ausgewählter deutscher Brancehn; in Mrd € 2016

Quellen: Feri; IKB Berechnu

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� Eisendraht- und Stahldraht-Vereinigung e.V. – ESVKaiserswerther Str. 137, 40474 Düsseldorf, +49 (0) 211 4564237, www.drahtverband.org

� Verband der Deutschen Federnindustrie e.V. – VDFIGoldene Pforte 1, 58093 Hagen, Tel.: +49 (0) 2231 958851, www.vdfi.wsm-net.de

� Industrieverband Garten e.V. – IVGWiesenstraße 21a, 40549 Düsseldorf, Tel: +49 (0) 211 90999800, www.ivg.org

� Industrieverband Härtetechnik e.V. – IHTGoldene Pforte 1, 58093 Hagen, Tel.: +49 (0) 2331 958825, www.haertetechnik.org

� Fachvereinigung Kaltwalzwerke e.V. – FVKKaiserswerther Str. 137, 40474 Düsseldorf, Tel.: +49 (0) 211 4564120, www.fv-kaltwalzwerke.de

� Industrieverband Massivumformung e.V. – IMUGoldene Pforte 1, 58093 Hagen, Tel.: +49 (0) 2331 958813, www.massivumformung.de

� Fachverband Metallwaren- und verwandte Industrien e.V. – FMILeostr. 22, 40545 Düsseldorf, +49 (0) 211 5773910, www.fmi.de

� Fachverband Pulvermetallurgie e.V. – FPMGoldene Pforte 1, 58093 Hagen, Tel.: +49 (0) 2331 958817, www.pulvermetallurgie.com

� Deutscher Schraubenverband e.V. – DSGoldene Pforte 1, 58093 Hagen, Tel.: +49 (0) 2331 958849, www.schraubenverband.de

� Schweißelektroden-Vereinigung e.V. – SEVKaiserswerther Str. 137, 40474 Düsseldorf, +49 (0) 211 4564251, www.schweisselektroden.de

� Stabziehereien-Vereinigung e.V. – STVKaiserswerther Str. 137, 40474 Düsseldorf, Tel.: +49 (0) 211 4564251, www.blankstahl.org

� Industrieverband Bau- und Bedachungsbedarf – IV B+BLechfeldstraße 67, 86899 Landsberg am Lech, Tel: +49 (0) 8191 4286719, [email protected]

� Herstellerverband Haus & Garten e.V.Deutz-Mülheimer Str. 30, 50679 Köln, Tel.: +49 (0) 221 2798010, www.herstellerverband.de

� Industrieverband Blechumformung e.V. – IBUGoldene Pforte 1, 58093 Hagen, Tel.: +49 (0) 2331 958831, www.industrieverband-blechumformung.de

� Fachverband Industrie verschiedener Eisen- und Stahlwaren e.V. – IVESTAn der Pönt 48, 40885 Ratingen, Tel.: +49 (0) 2102 186200, www.ivest.de

WSM-Mitgliedsverbände

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14 Juni 2017

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

Herr Professor Schmidt, die USA drohen mit Schutz-zöllen, auch China ist solchen Handelsbremsen nichtabgeneigt. Gibt es historische Beispiele, die den Effektsolcher Maßnahmen belegen – positiv wie negativ?Schmidt: Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs standweltweit der Abbau von Handelshemmnissen im Mit-telpunkt, wenn es auch zuletzt immer schwieriger wur-de, Fortschritte zu erzielen. So konnte beispielsweisedie Doha-Runde, die die Wirtschafts- und Handelsmi-nister der WTO-Mitgliedstaaten bis 2005 abschließensollten, bisher nicht zum Abschluss gebracht werden.Jedoch blieben Handelskonflikte auf einzelne Streitfällebegrenzt.

Sucht man nach Beispielen für einen um sich greifendenProtektionismus und dessen Schädlichkeit, muss man al-so weiter zurückblicken. Das am stärksten zu beachtendeBeispiel ist hier wohl die Weltwirtschaftskrise in den1930er-Jahren, die in einem Abwertungswettlauf endete,der keine Gewinner hatte und zur Ausbreitung der Wirt-schaftskrise beitrug.

Verstoßen protektionistische Maßnahmen nicht ge-gen internationale Wirtschaftsverträge, etwa solcheunter dem Dach der Welthandelsorganisation WTO?Welche Sanktionsinstrumente hat eine solche Insti-tution?

Schmidt: Es ist zwar richtig, dass einseitig verhängte han-delspolitische Maßnahmen gegen die Regeln der WTOverstoßen. Und die von protektionistischen Maßnah-men betroffenen Länder werden wohl auch Klagen beider WTO einreichen. Bekommen sie Recht, dürfen siedann beispielweise ebenfalls Zölle auf Waren aus demLand erheben, das die dann als unrechtmäßig eingestuf-ten Maßnahmen ursprünglich ergriffen hat, und zwarauf beliebige Waren. Damit wäre dann eine nächste Es-kalationsstufe erreicht. Aber Verfahren vor der WTObenötigen Zeit, und sie enden oft auch damit, dass sichdie Parteien anders geeinigt haben – was in manchenFällen wahrscheinlich sogar so intendiert war. Die WTO

ist also keine Institution, die gegenüber protektionisti-schen Maßnahmen kurzfristig Abhilfe schaffen kann.

Sollten die aktuell hohen Erwartungen in den USAnicht erfüllt werden, könnte die Stimmung in deramerikanischen Realwirtschaft kippen. Wird die Feddann noch ausreichenden Spielraum für ihre avisier-ten Zinsanhebungen in 2018 finden?Schmidt: Die wirtschaftspolitische Entwicklung in denUSA ist derzeit schwierig einzuschätzen. In den vergan-genen Tagen hat der US-Präsident Pläne für eine Steuer-senkung vorgestellt. Sollte sie rasch umgesetzt werden,würde das der Wirtschaft zumindest kurzfristig einen

Im Interview

Drei Fragen an Christoph M. SchmidtChristoph M. Schmidt ist Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Pläne sind das eine, ihre Umsetzung im politischen Prozess das andere.„

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Schub verleihen. Sie würde aber auch, weil die Kapazi-tätsauslastung in den USA recht hoch ist, die Inflationanschieben, und dann müsste die Fed möglicherweisedie Zinsen sogar kräftiger anheben als derzeit erwartet.

Aber Pläne sind das eine, ihre Umsetzung im politi-schen Prozess das andere. Würde die Wirtschaft derUSA sich – was ich aber derzeit überhaupt nicht sehe –

aufgrund enttäuschter Erwartungen schwächer entwik-keln, dann würde die Fed die Zinsen wahrscheinlich we-niger stark oder gar nicht anheben. Es bestünde in die-sem Fall aber wohl auch ein geringerer Anlass für Zins-schritte, weil dann die Kapazitätsauslastung sinken undder Inflationsdruck nachlassen würde.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Juni 2017 15

Zur Person

Christoph M. Schmidt, Jahrgang 1962, studierte Volkswirtschaftslehre ander Universität Mannheim, wurde an der Princeton University promoviertund habilitierte sich 1995 an der Universität München. Seit 2002 ist er Präsi-dent des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Professor an derRuhr-Universität Bochum. Zum März 2009 wurde Christoph M. Schmidt inden Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-wicklung berufen, seit März 2013 ist er dessen Vorsitzender. Von 2011 bis 2013war er Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebens-qualität“ des Deutschen Bundestages.

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uardo Chang

Aktuelles aus Wirtschaft & Politik

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16 Juni 2017

Aus der Branche

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WSM-Konjunktur

Auf einen BlickAuftragseingangsentwicklung in der Stahl- und Metallverarbeitung

in Deutschland von Januar 2005 bis März 2017

Umsatzentwicklung in der Stahl- und Metallverarbeitungin Deutschland von Januar 2005 bis März 2017

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Juni 2017 17

WSM-Konjunktur

Produktion steigt im ersten Quartaldes Jahres um 3,2 Prozent

Im Auftaktquartal zum Wahljahr 2017 hat die Stahl undMetall verarbeitende Industrie ihre Produktion um 3,2 Pro-zent über das Vorjahresniveau gesteigert. Die erfreulicheDynamik aus dem Schlussquartal 2016 setzt sich damit so-gar etwas beschleunigt fort. Die Prognose von +1% für dieProduktionsentwicklung im Jahr 2017 scheint somit bereitsdurch dieses starke Quartal nach unten abgesichert zu sein.

Die Umsätze der Branche sind im März um 5,5% über dasVormonatsniveau gestiegen und im ersten Quartal um 4%über das Vorjahresquartal. Zwar zeigt sich die Inlandsnach-frage im Monat März mit +6,8% dynamischer als die Expor-te, die um 3,1% zulegten. Über die ersten drei Monate gese-hen tragen die Auslandslieferungen jedoch mit +5,2% stär-ker zum Wachstum bei als inländische Kunden (+3,2%).

Die Auftragseingänge haben im Startquartal den Vorjah-reswert um 8,9% übertroffen. Dabei zeigen sich inländischeund ausländische Abnehmer ähnlich bestellfreudig. Wäh-rend die Auftragseingänge aus dem Inland um 9,1% zule-gen, halten die Exportorders mit +8,5% fast mit. Im Vorjahrwaren die ausländischen Bestellungen noch um 1,2% rück-

läufig. Die starke Nachfrage lässt für das laufende zweiteQuartal erwarten, dass die Dynamik anhalten könnte. Dermittelfristige Ausblick hat sich dagegen auch im April wei-ter eingetrübt.

Das Geschäftsklima in der Stahl und Metall verarbeitendenIndustrie driftet im Jahresverlauf auseinander. Währenddie aktuelle Lage immer besser beurteilt wird, schätzen dieUnternehmer die zukünftige Entwicklung wieder zurück-haltender ein. Auch im April gingen die Zukunftserwartun-gen um 1,2 Saldenpunkte unter die neutrale Linie zurück.Damit hat sich die Abwärtsdynamik zwar abgeschwächt,gleichwohl bleibt sie erhalten. Möglicherweise sehen wirbald eine Trendumkehr, nachdem die Wahlen in Hollandund Frankreich wirtschafts- und europafreundlich ausge-gangen sind.

Produktion Umsatz (Vol.) * Auftragseingang (Vol.) *original berein.* gesamt Inland Ausland gesamt Inland Ausland

März 16/17 + 13,1 + 4,7 + 5,5 + 6,8 + 3,1 + 8,9 + 9,1 + 8,5

QIV 16 /QI 17 + 8,6 + 6,3 + 5,9 + 6,7 + 4,4 + 12,5 + 13,0 + 10,6

Jan. - März 16/17 + 7,3 + 3,2 + 4,0 + 3,4 + 5,2 + 8,5 + 11,7 + 3,0

Jan. - Dez 15/16 + 2,1 + 1,9 + 1,5 + 2,0 + 0,6 + 2,8 + 5,2 – 1,2

*arbeitstäglich bereinigt, Veränderungsraten in Prozent

Foto: Freepik.com

/ fanjianh

ua

Produktionsentwicklung

Geschäftsklima in der Stahl- und Metallverarbeitung,April 2017

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Der April hat den bis dato guten Konjunkturdaten derdeutschen Automobilindustrie einen Dämpfer verpasst.Das wird zum Teil durch die Osterfeiertage und entspre-chende Kalendereffekte erklärt, daher bleibt die weitereEntwicklung abzuwarten, bevor hier ein pessimistischesSzenario gezeichnet wird. Über die ersten vier Monateliegt der Absatz neuer Pkw in Deutschland mit 3 Prozentim Plus. Als Trend zeichnet sich jedoch bereits ein Rück-gang des Dieselmarktanteils ab, der im Vergleichszeit-raum Januar bis April von 47% auf 42% rückläufig ist.

Die deutschen Maschinenbauer verzeichnen im ersten Quar-tal ein Bestellplus von 1%, das sich auf die stabile inländischeNachfrage stützt (+4%). Die ausländische Nachfrage sta-gnierte, wobei die Euro-Zone im März mit einem Plus von19% überraschen konnte.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen scheint esverfrüht, die Prognose für die Produktion der Stahl- undMetallverarbeitung bereits nach dem guten Auftaktquartalanzuheben. Gleichwohl könnten die jüngsten Wahlergeb-nisse die Zuversicht in der Industrie zurückbringen und dieInvestitionsneigung erhöhen. Hilfreich dafür wäre eineglobale Politikorientierung, die stärker auf freie Marktkräf-te setzt, anstatt regulatorisch einzugreifen. Das gilt imweltweiten Maßstab für die Handels-, Industrie- und Kli-mapolitik ebenso wie regional für die Energiepolitik.

Vormaterial

Kehrtwende bei den Materialpreisen – Verarbeiter in Not

Der drastische Anstieg der Stahlpreise ist weiterhin einesder häufigsten Gesprächsthemen in der stahlverarbeiten-den Industrie. Denn die Materialkosten haben eine abrup-te Kehrtwende hingelegt, die in diesem Ausmaß kaumvorherzusehen war. Bei einem Materialkostenanteil vondurchschnittlich 60 Prozent schlägt dies voll auf die Erträ-ge der Unternehmen durch und bedroht die kurzfristigeLiquidität. Wie stark die Folgen sind, hängt davon ab, wieschnell und in welchem Umfang es gelingt, die höherenKosten an die Kunden weiterzugeben.

Die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Erzeuger-preise für Walzstahl (ohne Edelstahl) lagen im März um20% über dem Vorjahr und haben den höchsten Stand seit2014 erreicht. Bei Edelstahl sind neben den Grundpreisenvor allem die Legierungszuschläge stark gestiegen. BeiNichteisen-Metallen wie Kupfer, Aluminium oder Zinkliegen die Notierungen um 15 bis 40% höher als im Vor-jahr. Das Vormaterial der WSM Unternehmen ist über al-le Werkstoffe, Erzeugnisse und Vertragslaufzeiten in kur-zer Zeit sehr viel teurer geworden.

Der Preisanstieg am Stahlmarkt hatte seinen Ursprung be-reits im Frühjahr des Vorjahres. Seit dem vierten Quartal2016 hat sich die Lage am Spotmarkt aber dramatisch zu-gespitzt. Bereits zum Jahreswechsel waren Unternehmen,die ihren Stahlbezug über Halbjahres- oder Jahresverträgeabwickeln, mit erheblichen Verteuerungen konfrontiert.Am stärksten betroffen ist Flachstahl, wo die Preise denhöchsten Stand seit 2011 erreicht haben. Je nach Erzeug-nis lagen die Preise am Spotmarkt im März 2017 um etwa230 bis 280 Euro je Tonne höher als vor einem Jahr. BeiLangprodukten fiel der Anstieg nicht ganz so stark aus.Dennoch waren zum Beispiel bei Walzdraht Erhöhungenim dreistelligen Eurobereich keine Seltenheit.

Auslöser der Stahlpreisexplosionwaren zweifellos höhe-re Rohstoffkosten. So hatten sich die Preise für Kokskohleim zweiten Halbjahr 2016 vervierfacht. Auch die Eisenerz-preise erlebten einen unerwarteten Aufschwung. Aller-dings sind die Stahlpreise in vielen Fällen noch stärker alsdie Rohstoffkosten gestiegen. So hat sich der zwischen-zeitliche Rückgang der Kokskohlepreise bisher kaum aus-gewirkt.

18 Juni 2017

Foto: Freepik.com

/ katemangostar

Ansprechpartner

Dipl.-Kaufmann Holger Ade

Leiter Betriebswirtschaft, Energie- und Klimapolitik

Tel.: 02331 / 95 88 21E-Mail: [email protected]

Aus der Branche

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Juni 2017 19

Nicht zuletzt aufgrund von lagerzyklischen Effekten ist esden Stahlherstellern in vielen Fällen gelungen, ihre Preiseüberproportional stark anzuheben. Die Aufstockung vonLägern hat dazu geführt, dass der tatsächliche Stahlbedarfüberzeichnet wurde. Dies wurde durch die Anti-Dum-ping-Kampagne der EU verstärkt, die bei Flachstahl undvor allem bei verzinkten Blechen bei vielen Marktteilneh-mern zu Versorgungsängsten und entsprechend vorgezo-genen Buchungen führte. Bei verzinkten Blechen wird seitMonaten über sehr lange Lieferzeiten der EU-Werke undBeschaffungsschwierigkeiten berichtet.

Die Lage am Stahlmarkt bleibt unübersichtlich, unddie weitere Preisentwicklung ist schwer vorherzusehen.Vor allem die Rohstoffseite macht weiter Sorgen. Infol-ge der vom Wirbelsturm Debbie in australischen För-derregionen verursachten Schäden und Lieferausfällesind die Spotmarktpreise für den wichtigen RohstoffKokskohle in der ersten Aprilhälfte erneut von etwa 160auf 300 Dollar je Tonne explodiert und haben damitwieder den Stand von Anfang Dezember erreicht. Zwarsind die Preise bis Ende April wieder auf rund 240 $/t zu-rückgefallen, und die Schäden scheinen relativ schnellbehoben werden zu können. Es ist aber vollkommen of-fen, wann die Preise wieder ein normales Niveau errei-chen werden.

Allerdings kamen ab März vom Weltmarkt auch einige Si-gnale für eine mögliche Entspannung. So sind in China dieInlands- und Exportpreise für Flachstahl bis Ende Aprilum rund 25% gesunken. In der Folge haben die Preise amglobalen Exportmarkt ebenfalls deutlich nachgegeben. BeiLangprodukten fiel der Rückgang etwas schwächer aus.Die Eisenerzpreise lagen im April-Mittel um knapp 20%niedriger als im März.

Am deutschen Spotmarkt kam es in einzelnen Fällen zwarin den vergangenen Wochen zu leichten Preisrückgängen.Damit ist aber bestenfalls bei einigen Erzeugnissen dasPreisniveau vom Jahresanfang wieder erreicht worden.Aufgrund der vielen auf den Stahlmarkt wirkenden Ein-flüsse ist die weitere Entwicklung kaum vorherzusehen.

(Hinweis: Dieser Text wurde am 3. Mai 2017 abgeschlossen.Aufgrund der dynamischen Marktentwicklungen könnenbis zur Drucklegung und dem Versand der WSM Nachrich-ten neue Umstände eingetreten sein. Mit den Stahlmarkt-Consult-Informationsdiensten bleiben Sie über aktuelleMarktentwicklungen auf dem Laufenden.)

Anti-Dumping-Maßnahmen

Neue Entscheidungen der EU-KommissionDie von der Stahlindustrie angestrengten Anti-Dumping-Untersuchungen haben in den vergangenen Monaten zuneuen Entscheidungen der EU-Kommission geführt. Hierein Überblick zu den jüngsten Verfahren und Entschei-dungen:

Überzogene Bleche („korrosionsbeständiger Stahl,schmelztauchbeschichtet mit Zink und/oder Aluminium, chemisch passiviert") aus China:Mit Veröffentlichung vom 09.12.2016 im EU-Amtsblatt(2016/C 459/11) wurde ein neues Verfahren eingeleitet.Die vorläufige Entscheidung muss bis spätestens Septem-ber 2017 und die endgültige Entscheidung bis spätestensMärz 2018 fallen.

Da auf China bei überzogenen Blechen ein Lieferanteil vonknapp 50 Prozent aller EU-Drittlandeinfuhren entfällt,entfaltete das Verfahren schon mit der Einleitung einegroße Wirkung. Es wird damit gerechnet, dass die Liefe-rungen aus China im Frühjahr wegen der Furcht vor einerdann möglichen rückwirkenden Zollverhängung versie-gen werden. Am Markt gibt es verbreitet Zweifel daran,dass die Liefermöglichkeiten in der EU und in alternativenHerkunftsländern ausreichen, um die erwartete Lücke zufüllen. Auch aus deutscher Sicht sind die Lieferungen ausChina beträchtlich. Im Jahr 2016 wurden 330.000 Tonnenplattierte oder überzogene Flacherzeugnisse (gemäß Ka-pital 72.10 des Warenverzeichnisses für die Außenhan-delsstatistik), die von diesem Verfahren schwerpunktmä-ßig erfasst werden, aus China nach Deutschland geliefert.

Aus der Branche

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/ Dooder

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Dies entspricht immerhin einem Anteil von knapp 9% al-ler deutschen Einfuhren bei dieser Erzeugnisgruppe.

Beton(stab)stahl aus Weißrussland:Seit 20.12.2016 (Amtsblatt L 345) werden vorläufige Anti-Dumping-Zölle in Höhe von 12,5% erhoben. Die endgülti-ge Entscheidung fällt bis spätestens 20.06.2017.

Grobbleche aus nicht legiertem oder anderem legierten Stahl mit Ursprung in China:Mit Durchführungsverordnung 2017/336, Amtsblatt L 50vom 28.02.2017, hat die EU-Kommission unverändert zuder vorläufigen Entscheidung Anti-Dumping-Zölle in Hö-he von bis zu 73,7% verhängt. Auf eine rückwirkende Erhe-bung wurde verzichtet. Die Zölle gelten für fünf Jahre.

Flacherzeugnisse, warmgewalzt, aus Eisen,nicht legiertem Stahl oder legiertem Stahl:Gegen Einfuhren aus China hat die Europäische Kommis-sion mit Durchführungsverordnung 2017/649 (AmtsblattL 92 vom 6.4.2017) für fünf Jahre endgültige Anti-Dum-ping-Zölle in Höhe von bis zu 35,9% verhängt. Demgegen-über hat die Kommission überraschend im laufenden Ver-fahren gegen Einfuhren aus Brasilien, Iran, Russland, Ser-bien und Ukraine den Termin für die Einführung vorläufi-ger Zölle verstreichen lassen, ohne Maßnahmen zuergreifen. Dem Vernehmen nach haben dabei die Interes-sen der verarbeitenden Industrie eine Rolle gespielt. Mitder endgültigen Entscheidung, die bis Oktober 2017 ge-troffen werden muss, können aber nach wie vor nochZölle verhängt werden. Seit dem 07.01.2017 gilt eine zoll-amtliche Erfassung der Einfuhren aus Brasilien und Russ-land, die auch eine rückwirkende Verhängung von Zöllenmöglich macht.

Kaltgewalzte Flacherzeugnisse aus rostfreiem Stahlmit Ursprung in Taiwan:Im August 2016 hatte die Kommission den Beginn einersogenannten Antiabsorptionsuntersuchung bekanntgege-ben. Das Verfahren wurde nun ohne Änderung der gelten-

den Anti-Dumping-Maßnahmen eingestellt (EU-Amts-blatt L98 vom 11.04.2017). Der Eurofer-Antrag auf eine Er-höhung der Zölle blieb damit ohne Erfolg.

Da die Verfahren insgesamt durchaus unterschiedlichbeurteilt werden, empfiehlt es sich, zur eigenen Mei-nungsbildung die Details der Verfahren und Abwägungs-gründe der Entscheidungen jeweils in den EU-Amtsblät-tern nachzulesen.

Die breite Anwendung des Anti-Dumping-Instrumenta-riums ist für den EU-Stahlmarkt historisch einmalig. Ent-sprechend sind die mittelfristigen Auswirkungen auf Ver-sorgung, Preise und Wettbewerb schwer vorhersehbar.Kurzfristig entsteht jedenfalls große Unsicherheit. Bishervorliegenden Zahlen sprechen aber dafür, dass die vomEU-Markt durch Zölle ausgesperrten Lieferungen schnel-ler und in einem größeren Umfang ersetzt werden kön-nen, als es vielfach erwartet wurde. Sich dynamisch än-dernde Handelsströme sorgen bei allen bisher betroffenenErzeugnissen dafür, dass Lieferungen aus anderen Län-dern die entstehenden Lücken recht gut füllen können. Al-lerdings sind die meisten Entscheidungen zu frisch unddie Einflussfaktoren auf die Handelsströme zu vielseitig,um eine endgültige Bewertung vornehmen zu können.

20 Juni 2017

Ansprechpartner

Andreas Schneider

Stahlmarkt, Europäische Stahlpolitik

Schleiermacherstraße 751377 Leverkusen

Tel. 0214/312 281 [email protected]

Foto: Freepik.com

/ fanjianh

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Juni 2017 21

Wie bereits berichtet (siehe WSM Nachrichten 4-2016,S. 23), nahm in den letzten Monaten die Diskussion umdie AwSV wieder an Fahrt auf. Mit der nun im Bun-desanzeiger veröffentlichten AwSV werden erst-mals bundeseinheitliche Regelungen im anlagen-bezogenen Gewässerschutz für Anlagen zum Um-gang mit wassergefährdenden Stoffen etabliert.

Die AwSV ersetzt die Verwaltungsvorschrift desBundes zur Einstufung wassergefährdender Stoffe unddie bisher in diesem Bereich geltenden 16 Bundesländer-verordnungen über Anlagen zum Umgang mit wasserge-fährdenden Stoffen (VAwSen). So wird beispielsweise dienordrhein-westfälische Verordnung über Anlagen zumUmgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fach-betriebe (VAwS) nach vollständigem Inkrafttreten durchdie nun vorliegende AwSV abgelöst. Anforderungen anGüte- und Überwachungsgemeinschaften sowie an Fach-prüfer sind bereits ab dem 22. April 2017 wirksam. Alle an-deren Anforderungen – auch die wichtigen Betreiber-pflichten – treten mit dem 1. August 2017 in Kraft.

Grundlage der bisherigen 16 Bundesländerverordnungenbildet eine Muster-Anlagenverordnung, die zwischen denLändern abgestimmt ist. Jedoch konnte über die Zeit nichtverhindert werden, dass sich die Inhalte der Bundeslän-derverordnungen mehr und mehr auseinanderentwickelthaben. Zwar stimmt es, dass die neue AwSV im Wesentli-chen bereits nach Landesrecht bestehende Verpflichtun-gen von Anlagenbetreibern zum Schutz der Gewässer imZusammenhang mit Anlagen zum Umgang mit wasserge-fährdenden Stoffen vereinheitlicht. Jedoch muss vor allem

damitgerechnet wer-

den, dass in den Bundes-ländern, in denen bisher auf be-

stimmte Verfahrensvorschriften verzich-tet worden ist, der Anpassungsaufwand steigt. DerHandlungsbedarf für Anlagenbetreiber kann dabei

von Bundesland zu Bundesland variieren. Vor allem dieVerordnungen der Bundesländer Nordrhein-Westfalenund Berlin haben bisher auf die Einstufung von wasserge-fährdenden Stoffen und vor allem Gemischen verzichtet,was folglich Auswirkungen auf technische und organisa-torische Maßnahmen hat.

Die AwSV enthält sowohl stoff- als auch anlagenbezogeneRegelungen zum Umgang mit wassergefährdenden Stof-fen und konkretisiert damit entsprechende gesetzlicheVorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Außer-dem nimmt sie Regelungen zu Sachverständigenorganisa-tionen (SVO), Güte- und Überwachungsgemeinschaften(GÜG) und Fachbetrieben vor.

Inhaltlich gliedert sich die AwSV in fünf Kapitel mit den folgenden, grob zusammengefassten Inhalten:

Kapitel 1: Anwendungsbereich; BegriffsbestimmungenGrundsätzlich gilt die AwSV nur für Anlagen, in denenmit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird. LautRechtstext sind alle Anlagen betroffen, die selbständigeund ortsfeste oder ortsfest benutzte Einheiten darstellen,

Aus der Branche

Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen

Lang erwartete „AwSV“ veröffentlicht:Anforderungen treten am 1. August 2017 in KraftAm 21. April 2017 wurde die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die hohen fachlichen und politischen Hürden hatten immer wieder zu langen Verzögerungen geführt. Mit der nun veröffentlichten AwSV gelten zukünftig vor allem für die Planung,die Errichtung und den Betrieb von Anlagen bundesweit einheitliche Standards.

Foto: Ado

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Aus der Branche

in denen wassergefährdende Stoffe gelagert, abgefüllt,umgeschlagen, hergestellt, behandelt oder im Bereich dergewerblichen Wirtschaft oder im Bereich öffentlicher Ein-richtungen verwendet werden. Auch sind Rohrleitungs-anlagen betroffen, die � den Bereich eines Werksgeländes nicht überschreiten,� Zubehör einer Anlage zum Umgang mit wassergefähr-

denden Stoffen sind oder� Anlagen verbinden, die in engem räumlichen und be-

trieblichen Zusammenhang miteinander stehen.

In diesem Sinne als ortsfest oder ortsfest benutzt gelten Ein-heiten, wenn sie länger als ein halbes Jahr an einem Ort zueinem bestimmten betrieblichen Zweck betrieben werden.

Hingegen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnungfallen oberirdische Anlagen außerhalb von Schutz- undÜberschwemmungsgebieten mit einem Volumen bis zu 0,22Kubikmetern (220 Liter) bei flüssigen Stoffen oder einerMasse bis zu 200 Kilogramm bei gasförmigen und festenStoffen. Jedoch ist hierbei der Besorgnisgrundsatz des WHGzu berücksichtigen. Ferner findet die Verordnung keine An-wendung auf Untergrundspeicher nach § 4 Absatz 9 des Bun-desberggesetzes. Ein Untergrundspeicher ist eine Anlage zurunterirdischen behälterlosen Speicherung von Gasen, Flüs-sigkeiten und festen Stoffen mit Ausnahme von Wasser.Ebenso wenig auf Anlagen, bei denen der Umfang der was-sergefährdenden Stoffe gegenüber anderen Sachen in derAnlage unerheblich ist (Ausnahme auf Betreiberantrag).

Kapitel 2: Einstufung von Stoffen und GemischenDie Einstufung von Stoffen und Gemischen (unter anderenHilfs- und Betriebsstoffe/-gemische, wie beispielsweiseKühlschmiermittel, Öle, Kraftstoffe, Lösemittel, Säuren,

Laugen oder Salze) auf Grundlage ihrer Gefährlichkeit istBetreiberpflicht. Alle Stoffe und Gemische, mit denen in derjeweiligen Anlage umgegangen wird, müssen vom Betreiberals nicht wassergefährdend oder in eine von drei Wasserge-fährdungsklassen (WGK 1: schwach wassergefährdend;WGK 2: deutlich wassergefährdend; WGK 3: stark wasserge-fährdend) eingestuft werden (Selbsteinstufungspflicht). An-lage 1 der Verordnung konkretisiert die Einstufungsgrundla-gen und Kriterien zur Selbsteinstufung. Das Umweltbundes-amt ist verpflichtet, die Selbsteinstufung zu überprüfen unddie jeweilige Entscheidung zu veröffentlichen.

Eine Besonderheit betrifft feste Gemische; diese werdennach der AwSV als „allgemein wassergefährdend“ angese-hen und nicht in Wassergefährdungsklassen eingestuft. § 10der AwSV bietet jedoch die Möglichkeit, unter bestimmtenVoraussetzungen feste Gemische betreiberseitig als nichtwassergefährdend einzustufen.

Die Verpflichtung zur Selbsteinstufung kann entfallen,wenn die besagte Einstufung bereits vorliegt und veröffent-licht wurde. Beispielsweise ist es über die Internetseitehttp://webrigoletto.uba.de/rigoletto/public/welcome.domöglich, schon heute den Status der Einstufung eines be-stimmten Stoffes oder Gemisches nachzuvollziehen. Es istzu berücksichtigen, dass Stoffe und Gemische ohne Einstu-fung bis zur Bewertung als stark wassergefährdend gelten.

Kapitel 3: Technische und organisatorische Anforderungenan Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden StoffenDie Einstufung ist der Ausgangspunkt für abgestufte Si-cherheitsanforderungen betroffener Anlagen. Dazu ist eszunächst notwendig, die betreffenden Anlagen zu definie-ren und eindeutig abzugrenzen. Es sind bestimmte Grund-

22 Juni 2017

Gefährdungsstufen von Anlagen

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satzanforderungen einzuhalten, damit beispielsweise si-chergestellt werden kann, dass aus Anlagen unter allen Be-triebsbedingungen keine wassergefährdenden Stoffe aus-treten können.

Neben allgemeinen Regelungen in Bezug auf die Rückhal-tung wassergefährdender Stoffe (unter anderen Rückhal-tung bei Brandereignissen) enthalten die vorrangig zu be-rücksichtigenden §§ 26 bis 38 spezielle Rückhalteregelun-gen für bestimmte Anlagen. § 27 beinhaltet beispielsweisebesondere Anforderungen an Anlagen zum Lagern oderAbfüllen fester Stoffe, denen flüssige wassergefährdendeStoffe anhaften. Ferner sind besondere Sicherheitsvor-schriften bei der Befüllung und Entleerung einzuhaltensowie Anzeigepflichten und Maßnahmen bei Betriebsstö-rungen zu berücksichtigen beziehungsweise zu ergreifen.

Der Abschnitt 4 des Kapitels 3 beschreibt Anforderungenan Anlagen in Abhängigkeit von ihren Gefährdungsstufen.So sind Betreiber verpflichtet, ihre jeweilige Anlage in Ab-hängigkeit von der Wassergefährdungsklasse und dem Vo-lumen beziehungsweise der Masse einer von vier Gefähr-dungsstufen (A bis D) zuzuordnen.

Vorwiegend beziehen sich die Verpflichtungen zur Anzeigeund zur Eignungsfeststellung auf diese Gefährdungsstufen.Für den sicheren Betrieb ist außerdem betreiberseitig eineBetriebsanweisung vorzuhalten und die Errichtung undWartung der Anlage nur durch Fachbetriebe zulässig. DesWeiteren müssen Anlagen durch einen unabhängigen Sach-verständigen auf ihren ordnungsgemäßen Zustand über-prüft werden. Anlage 5 regelt dazu die maßgeblichen Prüf-zeitpunkte und -intervalle. Grundsätzlich nehmen dabeimit steigender Gefährdungsstufe die Verpflichtungen zu.

Kapitel 4: Sachverständigenorganisationenund Sachverständige; Güte- und Überwachungsgemeinschaften und Fachprüfer; Fachbetriebe

Sachverständigenorganisationen sind vor al-lem dafür zuständig, Anlagen zu prüfen sowieFachbetriebe zu zertifizieren und zu über-wachen. Güte- und Überwachungsgemein-schaften sind allein dafür verantwortlich,Fachbetriebe zu zertifizieren und zu über-wachen. Sowohl die Organisationen als auchdie Gemeinschaften bedürfen dabei einer bun-desweit geltenden Anerkennung durch die zu-

ständige Behörde, damit sichergestellt werden kann, dassentsprechende Fachkunde und Erfahrung des Personalsvorliegen. Übersichten von anerkannten Fachbetriebensind durch die Sachverständigenorganisationen und Güte-und Überwachungsgemeinschaften zu veröffentlichen. In-formationen hierzu bietet http://www.lanuv.nrw.de/file-admin/lanuv/wasser/pdf/ListeSVOenVAwS.pdf.

Kapitel 5: Ordnungswidrigkeiten; SchlussvorschriftenNeben einer umfangreichen Liste von Ordnungswidrig-keitstatbeständen enthält das letzte Kapitel der AwSVÜbergangsregelungen, unter anderen für bestehende Ein-stufungen von Stoffen und Gemischen und bestehendeAnlagen. Vor allem die Übergangsregelungen für beste-hende Anlagen sind von großer Relevanz, da diese einengewissen Bestandsschutz beinhalten. Beispielsweise mussder Betreiber einer bestehenden Anlage, die mit einemwassergefährdenden Stoff umgeht, der in eine abweichen-de Wassergefährdungsklasse eingestuft worden ist, nichtvon sich aus die daraus folgenden neuen Anforderungenerfüllen. Erst auf Anordnung der zuständigen Behörde istzu handeln. Es besteht also oftmals bei bestehenden Anla-gen ein Ermessensspielraum der Behörden.

Was ist jetzt zu tun?

Unternehmen, die schon von den bundesländerspezifi-schen Verordnungen (VAwSen) betroffen sind, sollten sichumgehend mit den neuen Anforderungen der jetzt veröf-fentlichten AwSV auseinandersetzen. Die teilweise unter-schiedlichen Verfahrensvorschriften in den Bundeslän-dern können zu einem größeren Anpassungsaufwand füh-ren (Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Berlin).

In jedem Fall ist jetzt zu analysieren und zu be-werten, wie und in welchem Umfang wasser-gefährdende Stoffe im Unternehmen einge-setzt werden und in welchem Rahmen An-forderungen der AwSV zu erfüllen sind.Das Datum des Inkrafttretens der Verord-

nung, der 1. August 2017, sollte dabei stetsberücksichtigt werden, da vor allem organi-satorische und administrative Regelungenwie das Überwachen des Befüllens und Ent-

leerens, Pflichten bei Betriebsstörungen, An-zeigepflichten oder Pflichten zu Dokumenta-tionen und Betriebsanweisungen mit diesem

Datum wirksam werden.

Aus der Branche

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24 Juni 2017

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In jüngster Vergangenheit hat eine Reihe von Legionellen-ausbrüchen (unter anderen Legionellose-Ausbruch inWarstein 2013 und in Jülich 2014) zu einer großen media-len Aufmerksamkeit geführt. Als Konsequenz hat die Bun-desregierung im Juni 2014 ein Eckpunktepapier einer zu-künftigen Verordnung vorgelegt. Mit dem Beschluss einer42. Bundes-Immissionsschutzverordnung im Bundeska-binett ist nun damit zu rechnen, dass die Verordnungnoch in diesem Jahr wirksam wird. Nach dem Bundeskabi-nett muss nur noch der Bundesrat der neuen Verordnungzustimmen. Nach der Veröffentlichung sind keine groß-zügigen Übergangsfristen vorgesehen. Die Verordnungwird nach derzeitiger Lesart einen Monat nach Veröffent-lichung in Kraft treten.

Auf Grundlage der Fassung des Beschlusses des Bundes-kabinetts vom 22. März 2017 sind die folgenden wesentli-chen Inhalte für Anlagenbetreiber von Bedeutung. Dabeiist zu berücksichtigen, dass sich die Verordnung größten-teils auf die Richtlinie VDI 2047 Blatt 2 stützt.

Anwendungsbereich

Grundsätzlich werden durch die Verordnung die Errich-tung, die Beschaffenheit und der Betrieb von Verdun-stungskühlanlagen, Kühltürmen und Nassabscheiderngeregelt. Da die gesundheitsgefährdende Ausbreitung vonLegionellen über den Luftweg im Vordergrund steht, wer-den diejenigen Anlagen fokussiert, in denen Wasser ver-

Juni 2017 25

Aus der Branche

Geplante 42. Bundes-Immissionsschutzverordnung

Umfangreiche Anforderungen für Verdunstungskühlanlagen,Kühltürme und NassabscheiderAm 22. März 2017 hat das Bundeskabinett die 42. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes(Verordnung über Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider – 42. BImSchV) beschlossen. Es ist davon auszugehen, dass sie noch in diesem Jahr in Kraft treten wird und damit umfangreiche Anforderungen an betroffene Anlagen gestellt werden. Anlagenbetreiber sollten sich frühzeitig mit der Thematik auseinandersetzen.

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/ Kjpargeter

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rieselt oder versprüht wird oder anderweitig in Kontaktmit der Atmosphäre kommt. Ausgenommen von den An-forderungen der Verordnung sind spezielle Anlagen (bei-spielsweise bestimmte Wärmeüberträger) und Anlagen,in denen bestimmte chemisch-physikalische Parametereingehalten werden können. Daneben existieren keineweiteren Ausschlusskriterien bei Nassabscheidern undVerdunstungskühlanlagen. Bei Kühltürmen wird hinge-gen eine Kühlleistung von mehr als 200 Megawatt je Luft-austritt als Kriterium angegeben.

Pflichten für Anlagenbetreiber

Die Verordnung stellt allgemeine Anforderungen an dieErrichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von betrof-fenen Anlagen. Diese sind so zu errichten und zu betreiben,dass Verunreinigungen des Nutzwassers durch Mikroor-

ganismen, insbesondere Legionellen, nach dem Stand derTechnik vermieden werden. Maßnahmen sind dabei vorallem bei Neuanlagen zu berücksichtigen; ein Anpassungs-bedarf für bestehende Anlagen wird in der Begründungzum Kabinettsbeschluss hingegen nicht gesehen.

Der Betreiber hat sicherzustellen, dass vor und nach der In-betriebnahme oder Wiederinbetriebnahme spezielle Maß-nahmen getroffen werden. Beispielsweise müssen betroffe-ne Anlagen eine anlagenbezogene Gefährdungsbeurteilungunter Beteiligung einer hygienisch fachkundigen Persondurchlaufen. Diese ist außerdem zu dokumentieren. Alsweiteren wichtigen Punkt hat der Betreiber innerhalb vonvier Wochen nach der Inbetriebnahme oder Wiederinbe-triebnahme eine erste regelmäßige Laboruntersuchung desNutzwassers durchführen zu lassen (Erstuntersuchung).Für bestehende Anlagen hingegen muss eine erste regelmä-

26 Juni 2017

Prüfwerte und Maßnahmewerte für die Konzentration von Legionellen im Nutzwasser

Quelle: Beschluss des Bun

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ßige Laboruntersuchung vier Wochen nach Inkrafttretender Verordnung durchgeführt werden. Diese zu veranlas-senden Laboruntersuchungen und Probenahmen müssenvon akkreditierten Prüflaboratorien durchgeführt werden.

Neben den allgemeinen Anforderungen sind spezielle An-forderungen an den Betrieb von Verdunstungskühlanla-gen, Nassabscheider und Kühltürmen vorgesehen. BeiVerdunstungskühlanlagen und Nassabscheider sind diesunter anderen:� Nach Inbetriebnahme oder Wiederinbetriebnahme:

Ermittlung und Dokumentation des Referenzwertes(Parameter allgemeine Koloniezahl) aus mindestenssechs aufeinanderfolgenden externen Laboruntersu-chungen des Nutzwassers.

� Bestehende Anlagen: Ermittlung und Dokumentation des Referenzwertes aus den ersten sechs externen La-boruntersuchungen nach dem Inkrafttreten der Ver-ordnung.

� Alle 14 Tage: Betriebsinterne Überprüfungen chemi-scher, physikalischer oder mikrobiologischer Kenn-größen des Nutzwassers.

� Mindestens alle drei Monate: Überprüfung der Einhal-tung des Referenzwertes durch externe Laboruntersu-chungen des Nutzwassers (Parameter allgemeine Ko-loniezahl).

� Mindestens alle drei Monate: Externe Laboruntersu-chungen des Nutzwassers (Parameter Legionellen).

Hier sind Erleichterungen vorgesehen, wenn gezeigtwerden kann, dass der Prüfwert 1 (siehe Abbildung 1)in einer bestimmten Zeit nicht überschritten wird.

� Maßnahmen bei einem Anstieg der Konzentration der allgemeinen Koloniezahl.

� Maßnahmen bei einer Überschreitung der Prüfwerte 1 oder 2 (siehe Tabelle S. 26).

Die Maßnahmen bei einer Überschreitung der Prüfwertesind bei Verdunstungskühlanlagen, Nassabscheider undKühltürmen identisch. Bei Überschreitung hat der Betrei-ber die zuständigen Behörden zu informieren. Außerdemsind Betriebsstörungen zu ermitteln und erforderlicheMaßnahmen zu ergreifen und ein Betriebstagebuch zuführen.

Weiterhin sind Anzeigepflichten vorgesehen. So müssenbeispielsweise Neuanlagen einen Monat nach Erstbefül-lung mit Nutzwasser angezeigt, Bestandsanlagen hinge-gen spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Ver-ordnung angezeigt werden. Überprüfungen des ord-nungsgemäßen Anlagenbetriebs durch einen öffentlichbestellten und vereidigten Sachverständigen oder einerakkreditierten Inspektionsstelle Typ A sind regelmäßig al-le fünf Jahre durchzuführen. Für bestehende Anlagen sinddafür Übergangszeiträume vorgesehen.

Was ist jetzt zu berücksichtigen?

Unternehmen sollten sich frühzeitig über die Anforde-rungen der Verordnung über Verdunstungskühlanlagen,Kühltürme und Nassabscheider – 42. BImSchV informie-ren. Vor allem sollte der Kontakt zu akkreditierten Prüfla-boratorien gesucht werden, damit die dargestellten Anfor-derungen – vor allem externe Laboruntersuchungen – er-füllt werden können. Die WSM Fachgruppe Umwelt undArbeitsschutz wird dieses Thema weiter verfolgen undseinen Mitgliedern mit Rat und Tat zur Seite stehen.

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AnsprechpartnerAndre KoringLeiter Umwelt und Arbeitsschutz

WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. Uerdinger Str. 58-6240474 Düsseldorf Tel. 0211/95 78 68 [email protected]

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28 Juni 2017

WSM Intern

Stabwechsel bei der Fachvereinigung Kaltwalzwerke

Die Mitgliederversamm-lung der FachvereinigungKaltwalzwerke (FVK) hatDr. Matthias Gierse (57)zu ihrem neuen Vorsit-zenden gewählt.

Gierse, bislang stellvertre-tender Vorsitzender derFachvereinigung, löst Dr.Kai Wilke (58) ab, der dieFachvereinigung 19 Jahrelang geführt hat und nundie Stellvertretung über-

nehmen wird. „Ich werde den erfolgreichen Kurs meinesVorgängers fortsetzen und die Interessen unser Fachver-einigung mit großem Engagement nach außen vertreten“,sagte Gierse.

Zu den wichtigsten Themen, mit denen sich die Fachverei-nigung in Zukunft beschäftigen wird, zählt der neue Vor-sitzende die Digitalisierung und die Frage nach den Konse-quenzen der Elektromobilität für Werkstofflieferanten.

Gierse kennt die Stahlindustrie seit Jahrzehnten aus al-len Perspektiven. Bevor er 2011 als GeschäftsführerVertrieb und Einkauf beim Bandstahlspezialisten Wälz-holz auf die Seite der Stahlverarbeiter wechselte, hatteer jahrelang in mehreren verantwortlichen Positionenbeim Stahlerzeuger ThyssenKrupp gearbeitet. Kennen-gelernt hat der promovierte Volkswirt Gierse die Stahl-industrie 1991 als Referent bei der Wirtschaftsvereini-gung Stahl.

Baker Tilly

Baker Tilly Roelfs und TPW-Gruppeschließen sich zusammen

Baker Tilly Roelfs und die TPW-Gruppe vollziehen nachihrem Zusammenschluss im Mai 2015 den nächstenSchritt: Gemeinsam werden sie zu Baker Tilly als Teil desglobalen Netzwerks Baker Tilly International. Neben denländerübergreifenden einheitlich hohen Qualitätsstan-dards stellt das weiterhin partnerschaftlich geführte, deut-sche Beratungsunternehmen die globale Präsenz nunauch in den Vordergrund seines Außenauftritts. BakerTilly entspricht damit den stetig steigenden Anforderun-gen des Marktes nach integrierten, globalen Beratungslei-stungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Rechtsbe-ratung, Steuerberatung und Unternehmensberatung. Einbesonderer Wachstumsfokus soll sowohl in Deutschlandals auch weltweit auf die Bereiche gestaltende Steuerbera-tung und prüfungsnahe Beratung gesetzt werden. Zusätz-lich forciert Baker Tilly aus Deutschland heraus innerhalbdes Netzwerks nun auch den weltweiten Auf- und Ausbaudes Bereichs Rechtsberatung.

31.1.2018

Save the Date: 22. Zulieferforum der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie

Das 22. ArGeZ-Forum findet am Nachmittag des 31.1.2018in Düsseldorf statt. Vor hochkarätigen Referenten werdenneueste Trends und Entwicklungen sowie die Herausforde-rungen für die Zulieferer beleuchtet und mit dem Publikumdiskutiert.

Personalia

Termine

AnsprechpartnerMartin KunkelGeschäftsführer

Fachvereinigung KaltwalzwerkeTel.: 0211/ 4564-121Fax: 0211/ 4564-122Mobil 0172/ [email protected]

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Juni 2017 29

Für die Betriebspraxis

Reform der Insolvenzanfechtung ist verabschiedet

Am 16. Februar 2017 hat der Deutsche Bundestag denEntwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssi-cherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnungund nach dem Anfechtungsgesetz mit Änderungen ange-nommen. Die Zustimmung des Bundesrates erfolgte am10. März 2017, das Gesetz ist verkündet. Ein wichtigesAnliegen der Industrie wird damit endlich umgesetzt.

Bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsOwird die An-fechtungsfrist von zehn auf vier Jahre verkürzt. Künftig istdie Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit – früher: derdrohenden Zahlungsunfähigkeit –Voraussetzung für dieAnfechtung. Die Zahlungsunfähigkeit kann künftig zu-dem nicht mehr allein aufgrund einer Zahlungsvereinba-rung oder der Gewährung einer sonstigen Zahlungser-leichterung vermutet werden. Denn guten Kunden wird inder Praxis häufig ein Zahlungsaufschub gewährt. Das diesallein eine Anfechtung des gesamten Geschäfts Jahre spä-ter auslösen kann, war nicht nachvollziehbar. Eine Rechts-änderung war deshalb überfällig.

Entsprechend dem Regierungsentwurf erfolgt außerdemeine Klarstellung zur Unmittelbarkeit beim Bargeschäft

nach § 142 InsO. Im parlamentarischen Verfahren wurdehier eine Privilegierung der Arbeitnehmer eingefügt: DasBargeschäftsprivileg erfasst künftig auch die Gewährungdes Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB,wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass dasEntgelt nicht durch den Schuldner gewährt wurde. Dies er-möglichte offenbar ein Kompromiss zwischen den Fraktio-nen. Nach dem neuen § 143 Abs. 1 S. 3 InsO beginnt derZinslauf erst mit Eintritt des Verzuges beziehungsweise derRechtshängigkeit. Positiv ist, dass dies bereits ab Inkrafttre-ten des Gesetzes und auch für bereits eröffnete Verfahrengelten soll. Gemäß dem künftigen § 14 Abs. 1 S.2 InsO wirdder Eröffnungsantrag eines Gläubigers nicht mehr alleindurch die Erfüllung der Forderung unzulässig. Eine Privile-gierung des Fiskus‘ ist zudem nicht mehr vorgesehen.

Haftung für Ein- und Ausbaukostenkommt am 1.1.2018

Der Deutsche Bundestag hat am 9. März 2017 das „Ge-setz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Ände-rung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ beschlossen.Der Bundesrat hat am 31. März 2017 zugestimmt. Diewesentlichen Teile des Gesetzes treten am 1. Januar2018 in Kraft.

In zwei Urteilen aus dem Jahr 2011 hat der EuropäischeGerichtshof (EuGH) entschieden, dass der verschuldens-

Recht

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Media

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Für die Betriebspraxis

unabhängige Nacherfüllungsanspruch aus § 439 BGB – al-so nicht der verschuldensabhängige Schadensersatzan-spruch aus § 280 BGB – auch die Kosten des Ausbaus dermangelhaften Sache und des Einbaus der mangelfreien Sa-che umfasse. In beiden Fällen ging es um Verbrauchsgü-terkäufe (B2C), die Verbraucher bei einem Händler getä-tigt hatten. In den folgenden Jahren hatte der Bundesge-richtshof (BGH) entschieden, dass diese EuGH-Recht-sprechung ausschließlich auf Verbrauchsgüterkäufeanzuwenden sei. Im unternehmerischen Geschäftsver-kehr (B2B), so der BGH, umfasse der kaufrechtliche Nach-erfüllungsanspruch aus § 439 BGB die Kosten für den Aus-und Einbau nicht. Im Koalitionsvertrag hatten sich die Re-gierungsparteien geeinigt, hier tätig zu werden, und sie er-weitern jetzt die Haftung beim B2B-Geschäft um die Aus-und Einbaukosten. Der neue Absatz 3 von § 439 BGB wirddann lauten: „Hat der Käufer die mangelhafte Sache ge-mäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine an-dere Sache eingebaut oder an eine andere Sache ange-bracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllungverpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendun-gen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbauoder das Anbringen der nachgebesserten oder geliefertenmangelfreien Sache zu ersetzen.“ Allerdings erhält derVerkäufer einen Regressanspruch gegen seinen Lieferan-ten, wenn er Ein-und Ausbaukosten ersetzten musste unddiese Kosten aus einem Sachmangel resultieren, der be-reits beim Kauf vom Lieferanten vorhanden war (§ 445aBGB-E). Zu beachten ist, dass sich an der verschuldensab-hängigen Schadensersatzhaftung (§ 280 BGB), die Aus-und Einbaukosten regelmäßig schon immer umfasste,hierdurch nichts ändert.

Europäische Harmonisierungsbestrebungen zuUnternehmensinsolvenzenDie Europäische Kommission hat einen Richtlinienvor-schlag über präventive Restrukturierungsrahmen, die zwei-te Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienzvon Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsver-fahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU(COM(723 final)) vorgelegt. Nach der Vorstellung derKommission soll damit eine Sanierungskultur gefördertund Unternehmern die Wahrnehmung einer zweitenChance erleichtert werden.

Den Schwerpunkt des Vorschlags bilden die Regelungenfür eine frühzeitige Restrukturierung: Bei einer drohendenInsolvenz sollen Schuldner in finanziellen SchwierigkeitenZugang zu einem präventiven Restrukturierungsrahmenhaben. Grundsätzlich kann dies in Eigenverwaltung statt-finden. Die Einbindung eines Gerichts oder eines Restruk-turierungsverwalters ist nicht zwingend vorgesehen.Grundlage der Restrukturierung ist der Restrukturie-rungsplan. Bei dessen Aushandlung können einzelneGläubiger(-Klassen) überstimmt werden. Außerdem siehtder Richtlinienvorschlag die Möglichkeit der Aussetzungvon Durchsetzungsmaßnahmen der Gläubiger für dieDauer von grundsätzlich bis zu vier Monaten vor. Die Ver-pflichtung des Schuldners, nach nationalem Recht einenInsolvenzantrag zu stellen, soll während der Aussetzungim Regelfall ruhen; Ausnahmeregelungen der Mitglied-staaten sind nur im Fall der Zahlungsunfähigkeit möglich.

Darüber hinaus sollen die Gläubiger nicht allein wegen derAufnahme von Restrukturierungsverhandlungen noch zuerfüllende Verträge verweigern, Verträge kündigen odervorzeitig fällig stellen dürfen. Unter dem Stichwort „zwei-te Chance“ sollen überschuldete Unternehmer nach maxi-mal drei Jahren vollständig von Restschulden befreit wer-den. Kritiker sehen einen angemessenen Interessenaus-gleich nicht gewährleistet und die Restrukturierungsver-fahren zu schuldnerfreundlich ausgestaltet.

Aufgrund der geringen staatlichen Eingriffsbefugnisse be-steht die Gefahr erhöhter Missbrauchsrisiken. Nur eintransparentes Verfahren schafft indes das nötige Vertrauen.Auch sollten Vertragsänderungen in bestimmten Fällenmöglich bleiben. Einer Verschleppung von Insolvenzenwird zudem nicht hinreichend entgegen gewirkt. Im Gegen-teil: Die für bestimmte Fälle vorgesehene Suspension von

30 Juni 2017

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Antragspflichten ist ein Schritt in die falsche Richtung. Ein-zelne Gläubiger würden dabei mitunter benachteiligt. Auchdie sehr kurze Restschuldbefreiungsfrist wird kritisch beur-teilt. Eine Frist von drei Jahren gilt in Deutschland zu Rechtnur als Untergrenze, wenn eine Mindestbefriedigungsquoteerreicht und die Verfahrenskosten getragen werden. Die oh-nehin geringen Befriedigungschancen für die Gläubigersollten nicht weiter reduziert werden. Anderenfalls entste-hen Fehlanreize, die Risikobereitschaft auf Kosten der Gläu-biger zu erhöhen. Der Vorschlag befindet sich derzeit imGesetzgebungsverfahren in Rat und Parlament.

Zeitarbeit auf 18 Monate begrenztund Pflicht zur gleichen Bezahlung

Zum 01.04.2017 sind wichtige Gesetzesänderungen in derZeitarbeit erfolgt. Zeitarbeitnehmer dürfen künftig nichtmehr dauerhaft eingesetzt werden. Spätestens nach 18Monaten ist ein Wechsel des Entleiherbetriebs oder eineÜbernahme durch das ausleihende Unternehmen erfor-derlich. Bei Unterbrechungen von bis zu drei Monatenwerden die Beschäftigungszeiten addiert. War die Be-schäftigung länger als drei Monate unterbrochen, beginntdie Frist von 18 Monaten wieder von neuem. Demnach be-steht auch weiterhin die Möglichkeit, Zeitarbeitnehmerim turnusmäßigen Wechsel zwischen verschiedenen Be-trieben einzusetzen. Bei Überschreitung der Überlas-sungshöchstdauer entsteht künftig automatisch ein Ar-beitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer und Einsat-zunternehmen.

Künftig können Zeitarbeitnehmer nach neun Monatendas gleiche Entgelt und die gleichen Arbeitsbedingungenverlangen wie Stammbeschäftigte. Diese „Equal Pay“-Re-gelung dient dazu, die Arbeitnehmerüberlassung zu ver-

teuern und soll den Entleiher dazu anhalten, die Zeitar-beitnehmer fest anzustellen. Equal Pay greift aber frühe-stens ab dem 01.01.2018, da Einsatzzeiten vor Inkrafttre-ten des Gesetzes nicht angerechnet werden. Unklarheitherrscht allerdings noch über die genaue Zusammenset-zung der Bestandteile (beispielsweise Urlaubsgeld, Grati-fikationen, Altersvorsorge) des Equal Pay.

Im Rahmen des AÜG ist zukünftig eine striktere Abgren-zung zwischen der Arbeitnehmerüberlassung und Dienst-/Werkvertragsleistungen erforderlich. Eine klare Definitionzu Beginn jeder Tätigkeit ist wichtig, denn illegal verdeckteArbeitnehmerüberlassungen führen künftig automatisch zueinem Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer unddem Einsatzunternehmen.

Zeitarbeitnehmer sind im Arbeitnehmerüberlassungsver-trag namentlich zu benennen. Bei Nichtbenennung, nichtrichtiger oder verspäteter Benennung droht ein Bußgeldvon bis zu 30.000 Euro. „Freelancer“ können gemäß § 611aBGB künftig leichter als Arbeitnehmer eingestuft werden,wenn Kriterien wie die Eingliederung in den Betrieb unddie Weisungsgebundenheit gegeben sind. Auf bestreiktenArbeitsplätzen dürfen zukünftig keine Zeitarbeitnehmermehr eingesetzt werden.

AnsprechpartnerChristian VietmeyerSyndikusrechtsanwaltHauptgeschäftsführerWSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. Uerdinger Str. 58-62, 40474 Düsseldorf Tel. 0211/95 78 68 22, Fax 0211/95 78 68 40E-Mail: [email protected]

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Kapitalertragsteuer

Beschränkung der Anrechenbarkeitder Kapitalertragsteuer nach § 36a EStG

Mit dem Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerunghat der Gesetzgeber durch § 36a EStG zusätzliche Voraus-setzungen für die Anrechnung von einbehaltener Kapital-ertragsteuer aufgestellt. Die Kapitalertragsteuer stellt inForm eines Steuerabzugs an der Einkunftsquelle eine Vor-auszahlung zur Einkommen- beziehungsweise Körper-schaftsteuer auf Kapitalerträge dar.

Für eine (vollständige) Anrechnung der Kapitalertrag-steuer auf die endgültige Einkommen- beziehungsweiseKörperschaftsteuer müssen bestimmte Voraussetzungenerfüllt werden, die nunmehr verschärft wurden. Durch dieNeuregelung soll die mehrfache Anrechnung oder Erstat-tung von Kapitalertragsteuer im Zusammenhang mit soge-nannten Cum/Cum-Geschäften verhindert werden. Mitseinem umfangreichen Schreiben vom 3. April 2017 hatdas BMF auf mehr als 30 Seiten zu den überaus schwierigenAnwendungsfragen des § 36a EStG Stellung genommen.

Von den zusätzlichen Voraussetzungen sind sowohl Ein-kommensteuer- als auch Körperschaftsteuerpflichtige be-

troffen. Die erhöhten Anforderungen für eine vollständigeAnrechnung von einbehaltener Kapitalertragsteuer sindbereits auf Kapitalerträge anzuwenden, die ab 1. Januar2016 zugeflossen sind. Somit ist die Neuregelung bereitsim Rahmen der Einkommen- und Körperschaftsteuerer-klärung 2016 zu berücksichtigen.

Diese drei Voraussetzungen müssen für die Anrechenbarkeit erfüllt sein

Betroffen sind inländische Dividenden aus Aktien und Ge-nussscheinen, die sich im In- oder Ausland in Girosam-melverwahrung befinden. Erträge aus Investmentfondsfallen ganz überwiegend nicht unter die Anrechnungsbe-schränkung. Soll die einbehaltene Kapitalertragsteuer involler Höhe auf die Einkommensteuer / Körperschaftsteu-er angerechnet werden, müssen die folgenden drei Vor-aussetzungen erfüllt werden:

� Der Steuerpflichtige muss über einen Zeitraum von mindestens 45 Tagen ununterbrochen wirtschaftli-cher Eigentümer der Aktien oder Genussscheine sein.Dieser 45-tägige Zeitraum muss innerhalb des 91-tägi-gen Zeitraums von 45 Tagen vor und 45 Tagen nachdem Tag der Fälligkeit der Kapitalerträge liegen (soge-nannte Mindesthaltedauer). Zur Bestimmung desTags der Fälligkeit der Kapitalerträge wird im BMF-Schreiben ausführlich Stellung genommen. Vereinfa-chend kann auch auf den Ex-Tag, das heißt auf den

32 Juni 2017

Für die Betriebspraxis

Steuern

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Tag, an dem eine Aktie erstmals wieder ohne Dividen-denanspruch gehandelt wird, abgestellt werden.

� Der Steuerpflichtige muss während der Mindesthalte-dauer ununterbrochen ein Wertänderungsrisiko derAktien oder Genussscheine im Umfang von minde-stens 70 Prozent selbst tragen. Insbesondere Kurssi-cherungsgeschäfte, zum Beispiel durch Optionsschei-ne, Leerverkäufe oder entsprechende Zertifikate, kön-nen dem entgegenstehen. Hierbei sind auch Anlagenmit gegenläufiger Wertentwicklung, die durch nahestehende Personen gehalten werden, zu berücksichti-gen. Gerade innerhalb von Konzernstrukturen mit in-und ausländischen nahe stehenden Personen dürfte eseine größere Herausforderung werden, solch gegen-läufige Ansprüche zu identifizieren. Zur Berechnungs-weise des Umfangs des Wertänderungsrisikos, auchunter Berücksichtigung von nahe stehenden Personen,enthält das BMF-Schreiben zahlreiche, sehr detaillier-te Beispiele.

� Der Anteilseigner darf nicht über ein Rechtsgeschäft verpflichtet sein, die erzielten Kapitalerträge zu mehrals 50 Prozent an andere Personen weiterzureichen.Dies könnte zum Beispiel in Form von Ausgleichszah-lungen oder Leihgebühren erfolgen. Eine gesetzlicheVerpflichtung zur Weitergabe der Kapitalerträge (zumBeispiel in Form von Überschussbeteiligungen bei Ver-sicherungsunternehmen) ist hingegen unschädlich.

Wird auch nur eine der drei genannten Voraussetzungennicht erfüllt, dürfen nur zwei Fünftel der einbehaltenenKapitalertragsteuer auf die Einkommensteuer oder Kör-perschaftsteuer angerechnet werden. Die restlichen dreiFünftel der Kapitalertragsteuer können lediglich bei derErmittlung der Einkünfte abgezogen werden und mindernfolglich nur die Bemessungsgrundlage der Steuer. Zu be-achten ist, dass die verschärften Anrechnungsvorausset-zungen nur für die Kapitalertragsteuer selbst gelten. Dereinbehaltene Solidaritätszuschlag auf die Kapitalertrag-steuer ist von den erhöhten Anrechnungsvoraussetzun-gen nicht betroffen.

Die verschärften Voraussetzungen der vollständigen An-rechnung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer müssenallerdings nicht beachtet werden, wenn die inländischenDividenden aus Aktien und Genussscheinen, die im In-oder Ausland girosammelverwahrt werden, im jeweiligenVeranlagungszeitraum höchstens 20.000 Euro betragen

haben oder wenn die Aktien/ Genussscheine im Zeitpunktdes Zuflusses der Kapitalerträge seit mehr als einem Jahrohne Unterbrechung gehalten werden. Bei bilanzierendenSteuerpflichtigen wird es vom BMF nicht beanstandet,wenn auf das Wirtschaftsjahr abgestellt wird. Insbesonde-re bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirt-schaftsjahr stellt dies eine deutliche Vereinfachung dar.

Für wen sind diese Vorschriften relevant?

Die zusätzlichen Anrechnungsvoraussetzungen sind vorallem für vermögensverwaltende Gesellschaften, Privat-personen, Stiftungen und andere institutionelle Investorenmit Anlagen in Aktien deutscher Unternehmen relevant.Bei umfangreichen Beständen an inländischen Aktien mitunterschiedlichen Anschaffungszeitpunkten und gele-gentlichen (Teil-)Veräußerungen kann sich die Notwen-digkeit ergeben, die Überwachung der Anrechnungsvor-aussetzungen auch in den IT-Systemen beziehungsweisein einer Vermögensverwaltungssoftware umzusetzen.

Das BMF-Schreiben kann trotz seines Umfangs nur punk-tuell Hilfestellungen bei der praktischen Umsetzung die-ser Neuregelung geben. Betroffenen Steuerpflichtigenempfehlen wir, in Zweifelsfällen die Berechnung der imRahmen der Steuererklärung angesetzten, anrechenbarenKapitalertragsteuer im Detail gegenüber dem Finanzamtzu erläutern.

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Für die Betriebspraxis

AnsprechpartnerDr. Jochen BuschPartner, Steuerberater

Baker Tilly Steuerberatungsgesellschaft mbHNymphenburger Straße 3b80335 MünchenTel.: 089/[email protected]

AnsprechpartnerDominik HalbmeyerSenior Manager, Wirtschaftsprüfer,Steuerberater

Baker Tilly Steuerberatungsgesellschaft mbHNymphenburger Straße 3b80335 MünchenTel.: 089/[email protected]

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Infolge verschärfter Markt- und Wettbewerbsbedingun-gen sowie zunehmender Produktvariantenvielfalt wach-sen die betriebswirtschaftlichen Anforderungen an Un-ternehmen. Beispiele hierfür sind die aufwandsoptimierteAuftragserfüllung und eine schnelle sowie flexible Reakti-on auf Kundenwünsche bei gleichzeitig hohem Qualitäts-niveau. Lean Management kann dabei – auf Basis einerganzheitlichen Ausrichtung der Unternehmensführungund -organisation entlang der Wertschöpfungskette undeiner kontinuierlichen Optimierung von Geschäftsabläu-fen – einen Wettbewerbsvorteil darstellen und die Positio-nierung eines Unternehmens im Marktumfeld stärken.

Lean Management versteht sich als umfassende Denk-und Arbeitsweise eines Unternehmens mit dem Ziel derfortlaufenden Effektivitäts- und Effizienzsteigerung. AufBasis einer durchgehenden Orientierung an den Kunden-bedürfnissen und einer kontinuierlichen Verbesserung al-ler Unternehmensaktivitäten erfolgt eine Ausrichtung al-ler Unternehmensprozesse auf die Erbringung des maxi-malen Kundennutzens.

Maßgebend für Lean Management ist eine kontinuierlicheEffizienzsteigerung im Sinne eines höheren Outputs beinicht wachsender Personalstärke. Durch die Verringerung

von nicht wertschöpfenden Tätigkeiten („Verschwen-dung“), wie unter anderen unnötige physische Bewegun-gen, Suchvorgänge sowie fehlende Standardisierungen, giltes, die Prozessabläufe zu optimieren sowie Bestände undDurchlaufzeiten zu reduzieren. Hierzu erfolgt ein perma-nentes Hinterfragen bestehender Strukturen, Abläufe undTätigkeiten bezüglich ihres Wertebeitrags für den Kunden.Neben einer höheren Produktivität und Flexibilität wirdauf diese Weise ebenfalls eine höhere Qualität erzielt.

Mit dem Ziel einer Steigerung der Mitarbeitermotivationstrebt Lean Management auf Basis einer unternehmenswei-ten Dezentralisierung von Aufgaben, Kompetenzen undVerantwortungsbereichen nach Mitarbeiterpartizipationsowie Übertragung von Verantwortung. Eine bereichsüber-greifende Kommunikation ist sicherzustellen und Entschei-dungswege möglichst kurz zu halten. Erst wenn die Beteilig-ten die aus Japan stammende Philosophie und die damit ein-hergehende Notwendigkeit von Veränderungen verstehen,diese annehmen und unterstützen, können Verbesserungs-potenziale mit Hilfe der Mitarbeiter als Know how-Trägeridentifiziert und anschließend genutzt werden. Eine umfas-sende Sensibilisierung der Mitarbeiter für Schwachstellen,Fehler und Verschwendung ist dabei ebenso unerlässlichwie das aktive Vorleben durch die Leitungsebene.

Um messbare, standardisierte, im Fluss befindliche Prozes-se in einem Unternehmen etablieren zu können, sind dieLeistungserbringungsprozesse – sowohl die des direkten alsauch die des indirekten Bereichs – zu analysieren, transpa-rent darzustellen und zu optimieren. Lean Managementzielt auf die Verbesserung des Gesamtprozesses hinsichtlich

Prozessqualität, -stabilität und -dauer bei selbst-ständigem Analysieren der von den Mitarbeiternausgeführten Abläufe. Alle Beteiligten betreibensomit kontinuierliche Fehlervermeidung und -be-hebung mit einer gleichzeitig erhöhten Identifika-tion der Mitarbeiter mit dem Unternehmen.

Für die Betriebspraxis

34 Juni 2017

Lean Management im Mittelstand

Einfach machenIst Lean Management nur im Großunternehmen und nicht in kleinen und mittelständischen Unternehmen realisierbar?Dieser Auffassung begegnet man immer wieder, und sie ist falsch. Denn Lean Management ist eine Denk- und Arbeitsweise,die in allen Branchen und unabhängig von der Unternehmensgröße anwendbar ist.

„Es gibt nichts, was mannicht noch besser machenkönnte.“ (Henry Ford 1863-1947)

Anwendung und Besonderheiten des Lean Managements im Mittelstand

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Einige Charakteristika von kleinen und mittleren Unter-nehmen unterstützen ein erfolgreiches Lean Manage-ment, andere wirken erschwerend:� Unternehmensführung und operative Ebene sind sich

aufgrund einer geringeren Anzahl an Hierarchiestufenorganisatorisch und räumlich deutlich näher und pfle-gen in der Regel einen engeren Austausch im Rahmendes täglichen Arbeitsablaufes.

� Bei einer geringeren Mitarbeiteranzahl finden sich im Mittelstand meist direkte Informations- und kürzereEntscheidungswege, welche die Schnittstellenproble-matik und die damit einhergehenden möglichen Poten-zialverluste zwischen Bereichen und Abteilungen redu-zieren und der Organisation im Vergleich zu Großun-ternehmen deutlich mehr Flexibilität verleihen.

� Die Prinzipien des Lean Managements sowie erforder-liche Anpassungen können an einen kleineren Kreisder Beteiligten direkt vermittelt und die Angst vor Ver-änderungen somit besser genommen werden.

� Zusätzlich zeichnen sich kleine und mittelständische Unternehmen in der Regel durch eine größere Verän-derungsbereitschaft aus, da Änderungen zeitnäherund mit geringerem Aufwand möglich sind sowieschneller sichtbare Ergebnisse erzielt werden können.

Dank dieser Spezifika findet Lean Management, trotz meistgeringerer finanzieller Ressourcen im Vergleich zu Groß-unternehmen, bereits in vielen kleinen und mittelständi-schen Unternehmen unbewusst Anwendung.

Einzelne Methoden des Lean Managements sind im Mit-telstand durchaus bekannt. Eine aktive, bewusste Anwen-dung findet allerdings trotzdem vergleichsweise seltenstatt. Dies ist auf fehlende Kenntnis über die Möglichkei-ten zur Implementierung sowie einer grundsätzlichen kri-tischen Positionierung gegenüber Lean Management-An-sätzen zurückzuführen. Anstelle der Nutzung einzelnerLean-Werkzeuge sollte eine ganzheitliche Betrachtungstattfinden und die Einführung dem Mittelstand gerechtgestaltet werden. Dabei sind insbesondere die knappenRessourcen zu berücksichtigen.

Den wohl wichtigsten Aspekt stellen hierbei die personellenFaktoren dar. Denn sowohl das operative Personal als auchdie Mitarbeiter auf der Führungs- und Leitungsebene sindnicht unbegrenzt verfügbar. Für die erfolgreiche Einfüh-rung von Lean Management besteht die Notwendigkeit ei-ner gelebten Unternehmenskultur, die auf Lean Manage-ment basiert, deren Gestaltung in dem Verantwortungsbe-

reich der Unternehmensführung liegt und die von allenHierarchiestufen adaptiert werden muss. Aus diesen Grün-den ist ein phasenweises Vorgehen bei der Anwendung desLean Managements im Mittelstand zu empfehlen.

1. Phase: Bestandsanalyse

Zunächst gilt es, die Ist-Situation im Rahmen einer ganz-heitlichen Bestandsanalyse zu beurteilen und somit dieschwerwiegendsten Defizite sichtbar zu machen. Alsmögliche Methode zum transparenten und objektivenAufzeigen von wirtschaftlichen Verbesserungspotenzia-len kann unter anderen die klassische Deckungsbeitrags-rechnung, differenziert beispielsweise nach Geschäftsbe-reichen, verwendet werden.

Im Laufe der ersten Phase werden einfach durchführbareSofortmaßnahmen ergriffen, um das involvierte Personalfür die Umsetzungsphase zu entlasten. Am Ende der Be-standsanalyse steht außerdem eine Sammlung an weite-ren, geeigneten Maßnahmen zur Reduktion von Ver-schwendung im Unternehmen.

2. Phase: Umsetzung

Im Rahmen der Lean Management Umsetzung werdenmithilfe der definierten Maßnahmen kontinuierlich Effek-tivität und Effizienz der betrieblichen Prozesse verbessert.Die Prozesse sollen so optimiert werden, dass die definier-ten Kundenanforderungen an den Prozessoutput in einemmöglichst günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis erreichtwerden. Durch Nutzung der Prinzipien des Lean Manage-ments sollen somit in der zweiten Phase standardisierteProzesse in einen bedarfsgesteuerten Ablauf integriertund die umfassende Beseitigung von Unwirtschaftlichkeitin selbigen gewährleisten werden.

Der zentrale Faktor bei der Effizienzsteigerung sind die ei-genen Mitarbeiter des Unternehmens. Durch Schulungenund Integration in Entscheidungsprozesse sollen diese be-fähigt werden, zukünftig auftretende Probleme und Ineffi-zienzen zu erkennen und Verbesserungen, teils auch ei-genständig und eigenverantwortlich im definierten Hand-lungsrahmen, durchzuführen.

Dies führt neben ganzheitlichen Verbesserungen zusätz-lich zu einer gesteigerten Qualifikation sowie einer höhe-ren Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter durchProzessintegration.

Juni 2017 35

Für die Betriebspraxis

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3. Phase: Verstetigung

Ist die dritte Phase erreicht, so besteht die nächste Hürdedarin, die bereits erreichten Fortschritte beizubehaltenund eine Kultur der stetigen Suche nach weiterer Verbes-serung zu schaffen. Dabei werden die in der zweiten Phaseimplementierten Strukturinstrumente zunehmend gefe-stigt und systematisch erweitert. Als Prämisse hierfür gilt,dass ein Optimum nie erreicht ist.

Es ist zu erwarten, dass die Verbreitung von Lean Manage-ment in der Zukunft noch zunehmen wird und auch überden Fokus auf die Produktion hinweg Bereiche wie Ein-kauf, Vertrieb und Administration erobern wird.

Wenn mittelständische Unternehmen ihre Skepsis ge-genüber Lean Management überwinden können, werdensie vermehrt in der Lage sein, ungenutzte Potenziale aus-zuschöpfen. Zusätzlich werden neue Entwicklungen undTrends wie beispielsweise Industrie 4.0 oder generativeFertigung in der Zukunft weitere Gelegenheiten zur Ver-schlankung von Prozessen aufzeigen. Fest steht: Die Mög-lichkeiten des Lean Managements sind noch lange nichterschöpft, und dies gilt insbesondere auch für kleine undmittelständische Unternehmen.

Für die Sicherstellung eines optimalen und zielorientierenAblaufs der Lean Management Anwendung empfiehltsich die Einbindung einer erfahrenen Beratungsexpertise.

36 Juni 2017

Für die Betriebspraxis

AnsprechpartnerLars KrümmelSenior Partner

hahn,consultants gmbhLister Str. 930163 HannoverTel.: 0511/899 399 14Fax: 0511/899 399 [email protected]

AnsprechpartnerThilo KleinschmittJunior Consultant

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Herausgeber:WSM Wirtschaftsverband

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Verlag und Druck:Union Betriebs-GmbH (UBG)

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Die WSM Nachrichten werden vier Maljährlich herausgegeben.

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IMPRESSUM

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Juni 2017 37

Im Jahr 2015 wurde die Revision der Qualitätsmanagement-Norm ISO 9001 veröffentlicht. In der Folge hat die Interna-tional Automotive Task Force (IATF) beschlossen, die NormISO/TS 16949 zu überarbeiten und an die Struktur und denAnforderungen von ISO 9001:2015 anzupassen. Der neueStandard ist damit als Ergänzung und ausschließlich in Ver-bindung mit der ISO 9001:2015 Zertifizierung zu verstehen.

Termine

Alle Unternehmen, die jetzt noch eine Erstzertifizierunggemäß ISO/TS 16949:2009 anstreben würden, können

hiernach noch bis zum 30. September 2017 auditiert wer-den; das entsprechende ISO/TS 16949:2009-Zertifikat istallerdings nur bis zum 14. September 2018 gültig. Ab 1.Oktober 2017 können Unternehmen nur noch nach IATF16949:2016 auditiert und zertifiziert werden. Audits ge-mäß ISO/TS 16949:2009 sind ab diesem Zeitpunkt nichtmehr zulässig.

Alle Organisationen, die eine bestehende ISO/TS16949-Zertifizierung besitzen und beabsichtigen dieseaufrechtzuerhalten, müssen bis spätestens 15. Septem-ber 2018 gemäß neuer Norm zertifiziert werden, um die

Für die Betriebspraxis

IATF 16949

Neue Norm für die AutomobilindustrieAm 1. Oktober 2016 hat die neue IATF 16949:2016 die bisherige Norm ISO/TS 16949:2009 abgelöst. Der neue Standard legt die grundlegenden Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme für die Serien- und Ersatzteilproduktion in der Automobilindustrie fest. Michael Lotz von TÜV NORD CERT informiert über die Normumstellung und sagt, worauf Unternehmen jetzt achten müssen. .

nur 16 bis 18 Monate!

2015 2016 2017 2018 2019

ISO

IATF

ISO 9001:2015

FreigabeISO 9001:2015 Übergangszeitraum

ISO/TS 16949 3. Ausgabe (Beibehaltung)

ISO/TS 16949 3. Ausgabe (Beibehaltung während systematischer Prüfung und Zurückziehung)

Neue IATF 16949 (Entwicklung und Freigabe unter Verwen-dung von ISO 9001:2015

Neue IATF 16949 Übergangszeitraum

Sept. Sept.

Jan.

3. Okt. 2016

36-monatiger Übergangszeitraum

2015

2016

36-monatiger Übergangszeitraum

2017

36-monatiger Übergangszeitraum

2018

36-monatiger Übergangszeitraum

2019

2015

ISO Freigabe

9001:2015

2016 .

Freigabe9001:2015

ISO

Sept

2017

ÜbergangszeitraumISO 9001:2015

2018

Übergangszeitraum

2019 . Sept

TF AATF I

Ausgabe ISO/TS 16949 3.

Jan.

(Beibehaltung) Ausgabe ISO/TS 16949 3.

3. Okt. 2016

(Beibehaltung während systematischer PrüfungISO/TS 16949 3.

3. Okt. 2016

(Beibehaltung während systematischer PrüfungAusgabe ISO/TS 16949 3.

dung von ISO 9001:2015 (Entwicklung und Freigabe unter Verwen-

16949 IATFNeue

dung von ISO 9001:2015 (Entwicklung und Freigabe unter Verwen-

16949

nur 16 bis 18 Monate!

ÜbergangszeitraumNeue IATF 16949

nur 16 bis 18 Monate!

Übergangszeitraum

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Erfüllung der Anforderungen der IATF 16949:2016nachzuweisen. Sämtliche ISO/TS 16949:2009 Zertifika-te laufen am 14. September 2018 ab und verlieren ihreGültigkeit.

Übergangsregeln

Alle nach ISO/TS 16949:2009 zertifizierten Produktions-standorte müssen auf die neue IATF 16949:2016 umstel-len. Hierfür muss ein sogenanntes Transition (Über-gangs-)Audit durchgeführt werden, was seit Januar 2017möglich ist – vorausgesetzt, die zuständige Zertifizie-rungsstelle sowie die verantwortlichen Auditoren sindvon der IATF entsprechend qualifiziert und zur Zertifi-zierung für IATF 16949:2016 zugelassen. Detaillierte In-formationen über den genauen Ablauf im Übergangspro-zess liefert die zuständige Zertifizierungsstelle oder dieInternetseite http://www.iatfglobaloversight.org.

Wichtig: Ein Übergangsaudit zur IATF 16949:2016 darfnicht mit einem Wechsel zu einer anderen Zertifizierungs-stelle verbunden werden und darf auch nicht im Zuge einesseparaten Sonderaudits erfolgen. Alle Unternehmen, dieeinen Wechsel ihrer Zertifizierungsstelle planen, müssenzunächst ein Transferaudit nach ISO/TS 16949:2009durchführen, bevor sie im Folgejahr den Übergang aufIATF 16949:2016 umsetzen können.

Kostenvorteil Upgrade-Audit

Ausgehend von einer gültigen ISO 9001:2015 Zertifizie-rung auf IATF 16949 können Unternehmen weiterhin imRahmen eines Upgrade-Audits 30 Prozent des Vor-Ort-

Auditaufwands einsparen. Allerdings muss ein solchesUpgrade-Audit auf IATF 16949:2016 durch dieselbe Zer-tifizierungsstelle durchgeführt werden, die auch das ISO9001:2015-Zertifikat ausgestellt hat.

TÜV NORD CERT empfiehlt

Alle Unternehmen, die ein Transition Audit planen, soll-ten sich rechtzeitig mit ihrer Zertifizierungsstelle in Ver-bindung setzen. Wochen bis Monate können folgendeAufgaben in Anspruch nehmen, die im Rahmen einesTransition auf Unternehmen zukommen:

� Änderungen und deren Auswirkungen auf das QMS überprüfen

� Geänderte Anforderungen umsetzen beziehungsweis das QM-System anpassen und aktualisieren

� interne Audits und Management Reviews auf Basis von IATF 16949:2016 durchführen

� IATF 16949 Transition Audit beantragen und durch-führen lassen

� Auditergebnisse weiterverfolgen.

38 Juni 2017

Foto: Freepik.com

/ creativ

eart

AnsprechpartnerMichael LotzProduktmanager Automotive

TÜV NORD CERTFeithstraße 18858097 HagenTel. 02331/803-215Fax 02331/803-208 [email protected] www.tuev-nord.de

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Aufgrund der Komplexität der zunehmend eng gekoppel-ten internationalen Logistikketten und deren Störanfällig-keit bedarf es heute einer intensiven Nachverfolgbarkeit inZuliefernetzwerken. Risiken können durch das Zusam-mentreffen mehrerer Fehler und Ausfälle leicht eskalierenund unüberschaubar werden.

Die Teilezulieferer sind besonders gefordert

Hier hat die Digitalisierung zum größten Teil den OEMsselbst geholfen. Zulieferer, insbesondere die Teilelieferan-ten, haben es hier schon schwerer. Denn wie digitalisiertman etwas, was schwer zu digitalisieren ist? Die täglicheProduktion von Metallteilen im siebenstelligen Bereichunterschiedlicher Güte an verschiedene Zulieferer oderdirekt an OEMs ist schwer bis auf Losgröße 1 nachzuver-folgen. Fehler können meist nur bestimmten, fehlerhaftenMetall-Coils zugeordnet werden. Hier sind verschiedeneSysteme einzusehen und die Daten oft nicht eindeutig zu-ordenbar. Nach der neuen IATF 16949:2016 ist die Nach-verfolgung von Produkten bis zum Umstellungsdatum2018 ein zentraler Bestandteil der Qualitätsnorm. Hierfürmüssen Teilezulieferer nicht nur allein aus Zertifizie-rungsgründen digital Abhilfe schaffen.

Die Portaltechnologie, die in anderenBranchen bereits seit langem Einzug er-halten hat, kann hier Abhilfe schaffen.Ein Portal ist ein Anwendungssystem,das sich durch die Integration von An-wendungen, Prozessen und Dienstenauszeichnet. Es stellt seinem Benutzerverschiedene Funktionen zur Verfügung,wie beispielsweise Personalisierung, Na-vigation und Benutzerverwaltung. Au-ßerdem koordiniert es die Suche und diePräsentation von Informationen und ge-währleistet somit mehr Sicherheit.

Gleichzeitig den Kundenservice verbessern

Ein (Web-)Portal kann sowohl den eigenen Mitarbeiter imKundenservice bei der schnellen Identifikation des be-mängelten Teiles unterstützen als auch mögliche Fehlerschneller ausschließen. Ferner können im Portal zugeord-nete Informationen als Service angeboten werden. EinOEM ist daran interessiert, schnell einen androhendenRückruf aufzuklären und eindeutig zuzuordnen. Nur Zu-lieferer, die ihren Kunden solche digitalen Services bereit-stellen können, werden somit in Zukunft erfolgreich agie-ren können.

Juni 2017 39

Für die Betriebspraxis

AnsprechpartnerFelix Schreiber Vorstand Vertrieb & Business Development

ark|groupDennewartstr. 25-2752068 AachenTel.: 0241/963 11 60 [email protected] www.ark-group.de

Automobilzulieferer im digitalen Zeitalter

Portal-Technologie als WettbewerbsvorteilIn der Automobilindustrie sind die Prozesse der Automatisierungspyramide schon weitestgehend digitalisiert.Aber wie digitalisiert man etwas, das schwer zu digitalisieren ist?

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Energiemanagementsysteme (EnMS) sind häufig die Vor-aussetzung für finanzielle Entlastungen, die die Betriebedringend benötigen, um im internationalen Wettbewerbbestehen zu können. Wem im Herbst 2017 ein Audit sei-nes zertifizierten EnMS ins Haus steht, der muss sein Sy-stem bis spätestens Ende Juni 2017 auf Vordermann ge-bracht haben. Nur so lässt sich die zentrale Voraussetzungerfüllen, über drei Monate – sprich: ab Juli – mit aufge-zeichneten Daten die Steigerung seiner Energieeffizienzzu dokumentieren. Für die Erarbeitung des passenden Sy-

stems müssen die Unternehmen einen Zeitaufwand vonmindestens drei Monaten einkalkulieren.

Hintergrund ist die neue Norm ISO 50003, die die Anforde-rungen an den Prüfer bei der Auditierung und Zertifizie-rung von Energiemanagementsystemen definiert. Insge-samt werden dadurch die Ansprüche an die ISO 50001-Zertifizierung strenger, und Unternehmen haben es künftigschwerer, die Zertifizierung ihrer Energiemanagementsy-steme nach ISO 50001 zu erhalten.

40 Juni 2017

Für die Betriebspraxis

Energiemanagement

Erfolge müssen nachgewiesen werdenAb Oktober 2017 weht Unternehmen, die von der besonderen Ausgleichsregelung profitieren, ein rauerer Wind entgegen: Sie müssen dann eine messbare Steigerung ihrer Energieeffizienz nachweisen. Ansonsten droht der Verlust einkalkulierter Entlastungen.

Foto: Freepik.com

/ creativ

eart

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Betroffene Unternehmen müssen daher umgehend einegeeignete Datenbasis erarbeiten. Dafür empfiehlt sich einFünf-Punkte-Plan:

� Prüfen, wann der nächste Audittermin ansteht, und den Zeitplan gegebenenfalls anpassen (drei MonateVorlauf braucht es im Minimum!).

� Analyse der Energieflüsse im Unternehmen: Welche sind diewesentlichen Variablen, die Ener-gieverbrauch, Produktivität und damit die Effizienz beeinflussen? (Zeitauf-wand: etwa 2 bis 4 Wochen)

� Entwicklung eines Kennzahlen-Mess-systems: so einfach wie möglich, so komplex wie nötig. (Zeitaufwand: etwa 4 bis 8 Wochen)

� Evaluation des Modells anhand alter Daten; Prüfung, ob geplante Maßnahmen zur Effizienz-steigerung damit abgebildet werden können. Gege-benenfalls Nachjustierung der Kennzahlen underneute Evaluation. (Zeitaufwand: etwa 2bis 4 Wochen)

� Datenerfassung: Für Audits ab Oktober2017 müssen bereits Aufzeichnungen überetwa ein Vierteljahr vorliegen.

Entwicklung eines Kennzahlen-Messsystems

Nur mit einem adäquaten Kennzahlen-Messsystem lassensich erzielte Effizienzsteigerungen auch wirklich belegen.Ungeeignete Kennzahlen bescheinigen im schlimmstenFall sogar eine Effizienzverschlechterung, obwohl eigent-lich eine Verbesserung erreicht wurde. Dieser Dokumen-tationsfehler würde dennoch zu Zertifizierungsproble-men führen. Vor allem zu starke Vereinfachungen sindproblematisch; vielmehr sollten bei der Entwicklung derKennzahlen alle einflussnehmenden Variablen identifi-ziert und berücksichtigt werden. Den meisten Unterneh-men sind die entscheidenden Faktoren jedoch nicht be-wusst, zumal es hierfür keine pauschale Anleitung gibt. Jenach individuellen Gegebenheiten kann es sich etwa umkonjunkturell bedingte Veränderungen der Auftragslagehandeln, die den Energieverbrauch und damit die Effi-zienzberechnung beeinflussen, oder auch um Witterungs-einflüsse oder Entscheidungen zur Schichtfahrweise.

Das Gros der Unternehmen unterschätzt, wie komplexdie Entwicklung eines Messkonzeptes ist, das den neuen

Anforderungen an Energiemanagementsysteme genügt.Grundsätzlich stellen die Normen ISO 50001 (Aufbau ei-nes systematischen Energiemanagements), 50003 (Zerti-fizierungsanweisungen für Auditoren), 50006 (Bildungvon Energiekennzahlen) und 50015 (systematisches

Messen) einen guten Leitfaden dar, um einnormkonformes EnMs zu etablieren.Dennoch kommen Unternehmen hierschnell an ihre Grenzen: Einmal mehrsteigen der zeitliche Aufwand, die damit

verbundenen Kosten und nichtzuletzt das Risiko, auf-

grund ungeeigneterKennzahlen die Zertifi-

zierung und damit finanzielle Entlastun-gen verwehrt zu bekommen.

Ärgerlich ist zudem, dass die Politik der Industrie si-gnalisiert hatte, von derartigen Vorschriften abzuse-hen. Nun kommen Optimierungspflichten und Mess-

vorschriften durch die Hintertür und bleiben da-durch weitestgehend unbemerkt – obwohl da-mit erhebliche wirtschaftliche Risiken für dieUnternehmen verbunden sind.

Aber jammern hilft nicht: Wer Land sehen will,muss jetzt hart am Wind segeln und Kurs auf die

Richtlinienumsetzung nehmen. Da ist es vielleichtgut zu wissen, dass Unternehmen, die sich dieses Projekt

nicht in Eigenregie zutrauen oder schlichtweg nicht überdie zeitlichen Kapazitäten verfügen, Teile dieses Prozesseswie auch den gesamte Prozess an Beratungsfirmen ausla-gern können.

Weitere Informationen zu Energiemanagementsystemen finden Interessenten

auf der Website der ECG unter http://www.energie-consulting.com/

energiemanagementsystem/.

Juni 2017 41

Für die Betriebspraxis

Ansprechpartner

Dr. Jürgen Joseph

ECG Energie Consulting GmbH

Wilhelm-Leonhard-Straße 1077694 Kehl-Goldscheuer

Tel. 07854/9875-0E-Mail: [email protected]

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/ Jann

oon028

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Produkthaftungsfälle werden schnell auch Themen fürdie Medien. Jüngstes Beispiel ist der VW-Abgasskandal.Haftungsfragen betreffen allerdings nicht nur Firmen,die direkt in die USA exportieren. In Haftung genom-men werden auch Unternehmen, die lediglich Teil einerProduktions- oder Vertriebskette sind, neben Zuliefe-rern also auch Händler, Importeure, Produktentwicklerund Lizenzgeber. Im jüngsten Fall konkret betroffen istder deutsche Zulieferer Bosch. Er wird in einer US-Kla-geschrift aufgeführt, da Bosch-Komponenten die Ab-gasmanipulationen angeblich erst möglich gemachthätten.

Das amerikanische Produkthaftungsrecht

Hintergrund ist das amerikanische Produkthaftungsrecht.Ebenso wie in Deutschland besteht in den USA eine Haf-tung für Herstellungs-, Produktbeobachtungs-, Konstruk-tions- und Instruktionsfehler. Allerdings werden in denVereinigten Staaten insbesondere im Bereich Produktin-struktionen extrem hohe Anforderungen gestellt. „Dasführt mitunter dazu, dass es auch im Zusammenhang mitfehlerfreien Produkten zu hohen Schadenforderungenkommen kann“, beschreibt Barbara Ruwe, Haftpflicht-Ex-pertin bei LEUE & NILL, die Situation.

42 Juni 2017

Für die Betriebspraxis

Industrielle Versicherungen XVIII

„Hochrisikoland“ USADie USA sind 2015 zum wichtigsten Absatzmarkt deutscher Unternehmen noch vor Frankreich aufgestiegen. Hersteller, die ihre Produkte in die Vereinigten Staaten exportieren, haben allerdings immer wieder mit dem Thema Produkthaftung zu kämpfen. Sie stellt in den USA ein besonders hohes Risiko dar.

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Außerdem werden in den USA zumeist deutlich höhereSchadenersatzansprüche zugesprochen als hierzulande.Hauptgrund ist der „Strafschadenersatz“ – eine Besonder-heit im amerikanischen Produkthaftungsrecht. Diese „pu-nitive damages“ liegen häufig um ein Vielfaches über demWert des eigentlichen Schadenersatzes. Hinzu kommendie als „class actions“ bekannten und in dieser Form inDeutschland nicht zulässigen Sammelklagen. Sie treibeneinen Streitwert schnell in die Höhe, da einzelne Forde-rungen addiert werden. Die Verhandlung vor einer Juryaus juristischen Laien stellt ebenfalls ein kaum kalkulier-bares Risiko dar.

Haftungsrisiko minimieren

Um die erheblichen Haftungsrisiken zu minimieren, gibtes grundsätzlich zwei wesentliche Ansatzpunkte. Zum ei-nen die Fehlervermeidung, zum anderen die Haftungsver-lagerung.

Bei der Fehlervermeidung geht es darum, stets von einemverhältnismäßig niedrigen Kenntnisstand der Produktan-wender auszugehen, eine Risiko- und Gefährdungsanalyse

durchzuführen und auf eine robusteKonstruktion zu achten. Außerdemmüssen Montage, Nutzung und War-tung einfach durchzuführen sein.

Deckung überprüfen

Zur Verlagerung der Haftung sollte injedem Fall eine passgenaue Haftpflicht-versicherung abgeschlossen werden.Aufgrund des erhöhten Haftungspo-tenzials sind die USA und Kanada inder Regel vom Versicherungsschutzausgenommen, weshalb darauf zu ach-ten ist, dass – sollte man Umsätze indiesen Ländern generieren – dieseauch in den Versicherungsvertrag auf-genommen werden.

Darüber hinaus sollte die Versicherungeine Deckung weit über den Zeitpunktdes eigentlichen Exportes hinaus bein-halten, um spätere Forderungen abzu-decken. Weiterhin ist sicherzustellen,dass Zulieferer oder Subunternehmerebenfalls über einen entsprechenden

Versicherungsschutz verfügen, um eventuelle Regress-möglichkeiten abzusichern.

Die von den Versicherern aufgerufenen Prämiensätze fürdie Vereinigten Staaten und Kanada sind wesentlich höherals die anderer Länder. Sollte man planen, den US-ameri-kanischen Markt erschließen zu wollen, macht es Sinn,sich verschiedene Angebote einzuholen und zu verglei-chen. Oftmals wird hier mit Mindestprämien gearbeitet,welche gerade zu Beginn der Tätigkeiten in den USA zu ei-ner signifikanten Erhöhung der Haftpflichtprämie führenkönnen, selbst wenn erst ein vergleichsweise geringer Um-satz generiert wird.

Juni 2017 43

Für die Betriebspraxis

AnsprechpartnerDennis GottschalkVSM Versicherungsstelle Stahl-und Metallverarbeitung GmbHHohenzollernstr. 244135 DortmundTel. 0231/5404–521Fax 0231/5404–7521E-Mail: [email protected]

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UNSERE ERFAHRUNG – IHR WEG ZUM ERFOLG

hahn,consultants ist anerkannter Consultingpartner des Mittelstands. Seit 18 Jahren sind wir erfolgreich tätig, vornehmlich für mittel-ständische Industrieunternehmen. Unsere hohen Beratungsstandards werden gewährleistet durch die Expertise unserer Mitarbeiter-teams und das überregionale Partner-Netzwerk. Unser Versprechen an Sie: Kompetenz zu Ihrem Vorteil, ganzheitliche Lösungsansätze und praxisnahe Umsetzung.

hahn,consultants gmbh Memeler Straße 30 | 42781 Haan | Tel +49 (0)21 29 - 55 73 10Lister Straße 9 | 30163 Hannover | Tel +49 (0)5 11 - 899 399 10Arnulfstraße 37 | 80636 München | Tel +49 (0)89 - 2123 114 [email protected] | www.hahn-consultants.de

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