AUERNHEIMER, Gustav_Der Kritiker im Projekt der Aufklärung Zu Theodor W. Adorno

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    Gustav Auernheimer

    Der Kritiker im Projekt der Aufklrung: Zu Theodor W. Adorno

    I. Besonderheiten einer Rezeption.

    Der 100. Geburtstag Theodor W. Adornos am 11. September 2003 wurde in Deutschland mitzahlreichen Aktivitten gewrdigt. Dazu gehrten Konferenzen, Schwerpunkte inwissenschaftlichen Zeitschriften, Brief- und Bildbnde sowie eine Flle von Zeitungsartikeln.Weder der 250. Geburtstag Goethes 1999 noch der 100. Todestag Nietzsches 2000 fandeneine solche Aufmerksamkeit. Fast entsteht der Eindruck, dass mit der Feier von AdornosGeburtstag die Aktualitt seiner Theorie symbolisch erledigt werden soll. Die Ausbreitungimmer neuer, grtenteils desavouierender Details seiner Existenz passt zu derHervorhebung, wie wenig von seinem Werk heute anschlussfhig ist. Er wird zum

    bersensiblen, wenngleich sehr kunstverstndigen Nrgler verkleinert. Es besteht dieTendenz, das Werk aufs Leben zu reduzieren, ferner Adorno als Kunstverstndigen zu

    preisen, um ihn als Gesellschaftstheoretiker zu verabschieden. Im sthetischen laufentatschlich vieler seiner Lebensspuren zusammen, doch handelt es sich um Anstze, die nurin Verbindung mit Philosophie und Soziologie bzw. deren Kritik wirksam werden (Reitz2003: 585-594).

    Das Interesse an Adorno hlt unvermindert an, whrend das an Max Horkheimer offenbar reintheoriegeschichtlicher Art ist (Fischer/Ottow 2002: 508). Und es beschrnkt sich nicht aufDeutschland. In den USA fand bereits zu seinem zehnten Todestag 1979 einwissenschaftliches Symposium in Los Angeles statt, die Rezeption begrenzt sich jedoch aufakademische Kreise. Verantwortlich hierfr ist zum einen die sprachliche Barriere, die durchbersetzungen nur langsam berwunden wird, zum anderen der Ruf Adornos als Snobist undelitrer Verchter der amerikanischen Massenkultur (Jay 1985: 355, 375 f.).Unter denVertretern der Kritischen Theorie der sogenannten Frankfurter Schule gilt dasamerikanische Interesse Theodor Wiesengrund- Adorno und Walter Benjamin, whrendHerbert Marcuse weitgehend in Vergessenheit geriet. Angesichts seiner Bedeutung in derStudentenbewegung ist das berraschend. Damals war er viel bekannter als Adorno, vor allemnach dem Erscheinen seines Buches The One-Dimensional Man 1964. Eine Erklrung frdie nun umgekehrte Relevanz mag sein, dass das Interesse von radikaler Politik zur sthetikberging, verbunden mit einer Professionalisierung in Richtung Kunst- und Literaturtheorie.

    Marcuses Gesellschaftstheorie passt in kein Fach; in der Fachphilosophie wiederumdominieren andere Schulen (Jacoby 1999: 133-136).

    Hervorzuheben ist unter den deutschsprachigen Neuerscheinungen eine Arbeit, die eine Reihevon geistigen Gemeinsamkeiten zwischen Hannah Arendt und Adorno aufzeigt, also zwischenzwei Personen, die zumeist nur kontrr gesehen werden (Auer u.a.: 2003). Und schlielicherschienen drei groe Biographien. Die aufgrund ihrer Verffentlichung im Suhrkamp-Verlagquasi offizise und mit rund 1000 Seiten umfangreichste von Stefan Mller-Doohm trgterschpfend Lebensdaten und Werkdeutungen zusammen. Der Autor erforscht dieFamiliengeschichte genau und zerstrt dabei auch Legenden. Etwa die, Adornos MutterMaria, die den Frankfurter Weinhndler Oscar Wiesengrund geheiratet hat, sei eine Enkelin

    alten italienischen Adels gewesen. Ihr Vater Jean-Francois Calvelli stammte nicht von denAdornos in Genua ab, sondern hatte bei ihnen nur kurzzeitig Fechtunterricht erteilt und sich

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    dann den Namen zugelegt (Mller-Doohm 2003: 21). Durch die Biographie zieht sich einTrend zum Lob ihres Helden und zur Verkleinerung von Problemen. Das gilt fr die Arbeitvon Detlev Claussen nicht. Er referiert einleitend Adornos Skepsis gegenber Biographien,

    die darauf beruht, dass nach seiner Meinung der Begriff des Lebens als einer sich selbstentfaltenden und sinnvollen Einheit keine Realitt mehr hat. Die ideologische Funktion vonBiographien besteht darin, an bestimmten Modellen zu demonstrieren, dass es Leben gibt.Doch die traditionelle Welterfahrung ist lngst fraglich. In den Konzentrationslagern wurdedie Demarkationslinie zwischen Leben und Tod getilgt, bildete sich ein Zwischenzustand inForm lebender Skelette. Wenn man die Frage stellt, ob es sich nach Auschwitz noch lebenlasse, dann erscheint die Geschichte einer individuellen Biographie obsolet (Claussen 2003:18 f.). Trotzdem bestand Adorno bei sich selbst auf dem einheitlichen biographischenZusammenhang. In Vor- und Nachbemerkungen zu seinen Arbeiten unterstreicht er dieEinheit seiner Produktion, will mit solchen Verweisen die Beschdigung von Leben und Werklindern (Claussen 2003: 159).

    Lorenz Jger schlielich verwendet ebenfalls umfangreiches Material, darunter nachgelasseneSchriften, Aufzeichnungen, Vorlesungsmitschriften und den Briefwechsel mit Personen wieMax Horkheimer, Thomas Mann und Alban Berg. Der im Untertitel erhobene Anspruch einerpolitischen Biographie wird allerdings nur wenigen Stellen eingelst. Deutlich wirddagegen, dass der Autor den politischen Impuls von Adorno demontieren will. Das geschiehtdurch teilweise fragwrdige Bemerkungen, wie diejenige, Adorno knne sich sozialenKonflikt nur als etwas politisch und charakterlich Verabscheuungswrdiges und als Form

    bsartiger Feindseligkeit vorstellen (Jger 2003: 23 f.). Er habe also kein Verstndnis fr dieFunktionsweise einer pluralistischen Gesellschaft. Die Einbeziehung der Lehren Freuds in dieGesellschaftstheorie, worin man oft eine zentrale Leistung der Kritischen Theorie gesehenhat, brandmarkt Jger schlicht als Irrweg (Jger 2003: 138). Die Konfliktscheu und derHang zu Psychologie bzw. Psychoanalyse htten zu einer Pathologisierung der (politischen)Mitte gefhrt, wie der Autor in Zusammenhang mit den Studien zum autoritren Charakteranfhrt. In ihnen manifestiere sich eine Hegemonie der Linken unter der Prsidentschaft vonFranklin D. Roosevelt, zu einem Zeitpunkt, als das Bndnis mit der Sowjetunion noch intaktwar. Laut Jger stigmatisiert Adornos psychosoziale Analysetechnik den politischen Gegner:Wer reaktionr ist, der mu auch psychisch problematisch sein (Jger 2003: 195-205). Dabeistellt gerade die Aufdeckung des Pathologischen im Normalbrger die theoretische Pointe derAuthoritarian Personality dar (Adorno u.a.: 1950). Sie hilft bei Beantwortung der Frage,weshalb in Deutschland auch die Mitte der Gesellschaft zu bestialischem Handeln bereit

    war (Reitz 2003: 730 f.).Im nchsten Kapitel geht es um die Frage, welche stilistischen und sprachlichen MittelAdorno als adquat fr eine kritische Gesellschaftstheorie betrachtet. Dabei geht aus auch umdie Rolle von Intellektuellen als Kritiker und nicht zuletzt um das Selbstverstndnis Adornos.Das bernchste Kapitel behandelt das vielleicht bekannteste Beispiel einer theoretischentfalteten Kritik Adornos: Die zusammen mit Max Horkheimer verfate Dialektik derAufklrung. Dem Kapitel zu Homers Odyssee wird der meiste Platz eingerumt, dennwohl nirgends sonst in dem Buch zeigt sich die Verschlingung von Mythos und Aufklrungso deutlich.

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    II. Die Gesellschaftskritik und ihre Sprache

    Adorno wendet sich gegen eine formale Definition von Gesellschaft, die impliziert, da sie

    menschlich sei, eins mit den Subjekten. Denn das spezifisch Gesellschaftliche besteht imbergewicht der Verhltnisse ber die Menschen, die deren Produkte sind. Der Begriff derGesellschaft ist weder unmittelbar zu greifen noch wie Naturgesetze zu verifizieren, sonderner mu in der Theorie entfaltet werden. Max Weber sieht Gesellschaft als verstehbar; EmileDurkheim verlangt, man solle die sozialen Tatsachen wie Dinge behandeln und prinzipielldarauf verzichten sie zu verstehen. Fr Adorno bleiben beide Thesen partikular. Er fordert,die Nichtverstehbarkeit zu verstehen, die den Menschen gegenber verselbstndigtenVerhltnisse als solche zwischen Menschen abzuleiten. Ein kritischer Begriff vonGesellschaft berschreitet die Trivialitt, dass alles mit allem zusammenhngt. Er

    bercksichtigt die Abstraktheit des Tauschwerts, die mit der Herrschaft des Allgemeinen berdas Besondere, der Gesellschaft ber ihre Mitglieder einhergeht. In der Reduktion der

    Menschen auf Trger des Warentausches versteckt sich die Herrschaft von Menschen berMenschen. Die Gesellschaft ist immer noch Klassengesellschaft, und der objektiveKlassengegensatz wchst- wenngleich subjektiv verschleiert- vermge der fortschreitendenKonzentration des Kapitals. Die Subjekte wissen sich nicht als solche, die Kulturindustrietrgt dazu bei. Sie ging aus dem Zwang hervor, sich den Konsumenten anzupassen, ist dannaber umgeschlagen zu einer Instanz, die Bewusstsein in der gegenwrtigen Form verstrkt(Adorno 1965 b: 9-19). Kritisch ist hier anzumerken, dass sich fr Adorno der Warentausch ineinen Universalschlssel verwandelte, mit dem alles geffnet werden kann. Je wenigerAnnahmen des Marxismus ihm plausibel erscheinen, fr desto mehr gesellschaftlichePhnomene wird dem schrumpfenden Bestand, vor allem dem Tauschprinzip, Erklrungswerteingerumt (Jger 1993: 87).

    Zur Entfaltung einer kritischen Gesellschaftstheorie gibt es keine andere Mglichkeit, alsAufklrung auf immer hherer Stufe fortzusetzen. Dies ist die ureigene Aufgabe derIntellektuellen, die sie aber nur erfllen knnen, wenn sie sich ihrer Funktion in derGesellschaft bewusst werden. Das Projekt der Aufklrung wird fortgesetzt, wenn dieIntellektuellen nicht lnger ihr Denken an die Welt anpassen, sondern sich in Distanz zu ihr

    bringen, indem sie das Denken reflexiv auf sich selbst anwenden. Der Intellektuelle machtsich selbst zum Gegenstand der Analyse, indem er die konstitutiven Bedingungen seinerExistenz, nmlich die gesellschaftliche Arbeitsteilung, nicht ausblendet. Zum Denken gehrenErfahrung, Glck der Einsicht, Vergngen an der Arbeit, Leiden, Begehren, Glcksansprche

    und Konkurrenz. Der Intellektuelle soll erkennen, dass gerade er die Figur ist, in der sich dieWidersprche der Aufklrung verkrpern. Er ist ihr natrliches Subjekt, deutet ihrePhnomene, ist vom Proze der Naturbeherrschung getrennt. Seine Lebenssphre ist dieZirkulation, die nur noch in Resten besteht. In dieser Sphre hat der Schein von Autonomieseine Grundlage, die der Intellektuelle kritisiert und der er zugleich das Privileg derErkenntnis verdankt. Durch seine pivilegierte Ttigkeit wird die Trennung von derkrperlichen Arbeit reduziert, aber auch die Voraussetzung geschaffen, fr dieemanzipatorischen Ziele der Aufklrung einzutreten. Der nonkonformistische Intellektuellekann keine Eindeutigkeit hinsichtlich Normen und gesellschaftlicher Rolle erwarten. DieBedeutungen seiner Ttigkeit schillern, kehren ihm stndig neue Seiten zu. JedeSelbstverstndlichkeit wird durch die Bewegung der Begriffe untergraben. Rastlosigkeit ist

    ein Element der Aufklrung, und der Intellektuelle mu sie noch berbieten. Er kann aufkeine widerspruchsfreie Existenz rechnen (Demirovic 1999: 63-75).

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    Der Intellektuelle mu- so Adorno- die Einsamkeit, die gesellschaftliche Arbeitsteilung undbewusste Distanzierung hervorbringen, ertragen, ohne sich deshalb fr besser als die anderenzu halten. Sein Dilemma lst sich nicht dadurch auf, dass er das Mandat bernimmt, im

    Namen der Arbeiterklasse zu sprechen. Dabei wre eine Verbindung der Intellektuellen, diees noch sind, mit den Arbeitern, die noch wissen, dass sie es sind, dringlicher als je. Nur sowre den Arbeitern die Illusion zu nehmen, der Kapitalismus, welcher sie temporr zu

    Nutznieern macht, beruhe auf etwas anderem als ihrer Ausbeutung und Unterdrckung.Doch der unter den Arbeitern verbreitete Antiintellektualismus richtet sich gerade gegen einesolche Erkenntnis: Die Massen misstrauen den Intellektuellen nicht mehr, weil sie dieRevolution verraten, sondern weil sie sie wollen knnten. Und bekunden damit, wie sehr sieder Intellektuellen bedrften. Nur wenn die Extreme sich finden, wird die Menschheitberleben. (Adorno 1951: 302). Mit diesen Worten schliet der Aphorismenband MinimaMoralia. Reflexionen aus dem beschdigten Leben.

    Unter den Artikulationsmglichkeiten des Intellektuellen nimmt bei Adorno der essayistischeStil einen zentralen Platz ein. Sein anti-systematischer Impuls verbindet jede scheinbar nochso marginale Gelegenheitsarbeit mit den philosophischen Hauptwerken. Der Gestus, aus demDetail seinen Ort im Ganzen zu entwickeln, ferner die Geschichte und das Scheitern diesesVerhltnisses, drckt sich in jedem einzelnen Satz als Stilfigur aus. Das Essayistische desStils entspricht der Idee des Nich-Identischen. Was sich dem konventionellen Denkenentzieht, ist nur im Fragment zu fassen (Hielscher 2003: 60-62). Adorno erlutert seinVerstndnis des Essays am Beispiel von Marcel Proust. Sein Werk ist ein einziger Versuch,zwingende Erkenntnisse ber Menschen und soziale Zusammenhnge auszusprechen, dienicht ohne weiteres von der Wissenschaft eingeholt werden knnen, whrend ihr Anspruchauf Objektivitt dadurch nicht gemindert wird. Das Ma solcher Objektivitt ist nicht dieVerifizierung durch wiederholende Prfung, sondern die in Hoffnung und Desillusionzusammengehaltene einzelmenschliche Erfahrung. Die individuell zusammengeschlosseneEinheit, in der das Ganze erscheint, lsst sich nicht unter die getrennten Apparaturen vonPsychologie und Soziologie aufteilen. Der Essay fhrt Begriffe unmittelbar ein, przisiertwerden sie erst durch ihr Verhltnis zueinander. Dabei hat er eine Sttze in den Begriffenselbst, denn sie sind nicht unbestimmt, wie die arbeitsteilende Wissenschaft meint. InWahrheit werden sie durch die Sprache konkretisiert, in der sie stehen. Der Essay gilt Adornoals die kritische Form par excellence. Er ist die immanente Kritik geistiger Gebilde, dieKonfrontation dessen, was sie sind, mit ihrem Begriff, und somit Ideologiekritik. Bis heuteerhielt sich in der Kultur der blinde Naturzusammenhang, der Mythos, und gerade darauf

    reflektiert der Essay. Das Verhltnis von Natur und Kultur ist sein eigentliches Thema(Adorno 1974: 9-33).

    Der Essay ist untrennbar an eine bestimmte Sprache gebunden, im Fall Adorno an diedeutsche. Er erkennt ausdrcklich an, dass in seinem Emigrationsland Amerika Sympathie,Mitgefhl und Anteilnahme fr das Los des Schwcheren gedeihen. In den VereinigtenStaaten beeindruckt das Substantielle der demokratischen Formen. Sie sind ein Potentialrealer Humanitt und ins Leben eingesickert, wogegen sie in Deutschland immer nur formaleSpielregeln waren. Gegenber der Verachtung fr den amerikanischen common sense

    beruft sich Adorno auf Hegel, der darauf verwies, dass das spekulative Denken nicht absolutverschieden vom sogenannten gesunden Menschenverstand ist, sondern wesentlich in seiner

    kritischen Selbstbesinnung besteht (Adorno 1969 b: 734-738). Trotz aller Dankbarkeit fr das

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    in Amerika gelernte und erfahrene wollte er zurck nach Europa, dahin, wo er seine Kindheitverbracht hatte. Bei einer Umfrage Was ist deutsch? antwortete Adorno zunchst, er wolledie Frage bescheidener fassen und erklren, was ihn als Emigranten bewog, nach Deutschland

    zurckzukehren, nach allem, was von Deutschen an Millionen Unschuldiger verbt wordenwar. Er hegte das Gefhl, in Deutschland etwa Gutes, der Wiederholung entgegenstehendesleisten zu knnen. Der entscheidende Grund war jedoch die Sprache. Nicht nur, weil man inder fremden das Gemeinte nie so genau sagen kann wie in der eigenen. Die deutsche Sprachehat laut Adorno offenbar eine besondere Verwandtschaft zur spekulativen Philosophie, dieFhigkeit, etwas an den Phnomenen auszudrcken, was sich nicht in ihrem bloen Soseinerschpft. Der Philosophie ist im Gegensatz zu den Einzelwissenschaften die Darstellungwesentlich, und dieses Moment lsst sich in der fremden Sprache nicht voll erwerben.Allerdings garantiert der metaphysische berschu der deutschen Sprache noch nicht dieWahrheit der in ihr vorgetragenen Metaphysik (Adorno 1965 a: 696-701).

    Angesichts dieser starken Bindung an die deutsche Sprache wirkt es fast kurios, dass manAdorno den Vorwurf machte, nicht strikt in ihr zu verbleiben. Nach einer Radiosendung berProust erhielt er Protestbriefe wegen des angeblich bertriebenen Gebrauchs vonFremdwrtern. Er antwortete darauf mit einem Rundfunkvortrag, in dem er u.a. seineFremdwortwahl im Einzelnen begrndete. Die emprten Zuschriften kann er sich kaumanders erklren als durch den Gegensatz zwischen dichterischen Texten und ihrer Auslegung:Angesichts groer darstellender Prosa nimmt wohl leicht deren Deutung die Farbe desFremdworts an. Fremd mochten eher die Stze klingen als das Vokabular. Versuche derFormulierung, die, um die gemeinte Sache genau zu treffen, gegen das blicheSprachgepltscher schwimmen und gar sich bemhen, verzweigtere gedanklicheZusammenhnge getreu im Gefge der Syntax aufzufangen, erregen durch die Anstrengung,die sie zumuten, WutSchlielich geht es vielfach um die Abwehr von Gedanken, die denWrtern zugeschoben werden: der Sack wird geschlagen, wo der Esel gemeint ist (Adorno1959: 216).

    Whrend seiner Schulzeit im Ersten Weltkrieg- so Adorno- waren Fremdwrter winzigeZellen des Widerstands gegen den Nationalismus. Liebe lockte zu den Wrtern aus derFremde wie zu einem exotischen Mdchen. Es lockt eine Art Exogamie der Sprache, die ausdem Umkreis des Immergleichen, aus dem Bann dessen, was man ohnehin kennt, herausmchte. Im Deutschen, wo die lateinisch-zivilisatorischen Bestandteile nicht mit der lterenVolkssprache verschmolzen, sondern durch Gelehrtenbildung und hfische Sitte eher von ihr

    abgegrenzt wurden, stechen die Fremdwrter unassimiliert heraus. Sie erinnern daran, dass inDeutschland keine pax romana geschlossen und der Humanismus nicht als Substanz derMenschen selbst erfahren wurde, sondern als etwas ihnen Auferlegtes. Die Diskrepanzzwischen Fremdwort und Sprache kann in den Dienst des Ausdrucks der Wahrheit treten.Historisch sind die Fremdwrter Einbruchstellen erkennenden Bewusstseins in die

    Natureigenschaft der Sprache (Adorno 1959: 216-232).

    Wenn man den Fremdwrtern aufbrdet, was man dem Gedanken verbelt, so entspringt daseiner Haltung, die der Kritik allgemein ablehnend gegenbersteht. Fr Adorno kann derneuzeitliche Begriff der Vernunft mit Kritik gleichgesetzt werden. Sie bildet ein zentralesMotiv des Geistes, ist aber nirgends allzu beliebt. Dazu kommt ein spezifisch deutsches

    Moment, das mit der historischen Schwche des Liberalismus in Deutschland zu tun hat.

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    Etatismus und Obrigkeitsdenken neigen zu Misstrauen und Unterdrckung gegenber Kritik,stellen den Kritiker leicht als Meckerer hin. Die Kritikfeindschaft hngt mit der Rancunegegen Intellektuelle zusammen. Nur beamteten Intellektuellen (Professoren) wird ein

    gewisser Spielraum zugestanden (Adorno 1969 a: 785-793). Zu seiner eigenen Rolle alsvielbeachteter Kritiker meinte Adorno einmal in einer Vorlesung sinngem: Wir erfahrenden gegenwrtigen Zustand alle als einen negativen, und ich bin der Sndenbock, der es aufsich genommen hat, das auszusprechen. Das ist der einzige Unterschied, der mich vonanderen Menschen trennt. Sndenbock fr die Kinder der Nationalsozialisten? Oder weil er anStelle der vergasten Juden weiterlebt? Oder weil er ins Land der Tter zurckkehrte? DasMittel der Shne wre fr Adorno das Aussprechen der Wahrheit ber den gegenwrtigenZustand in Form der bestimmten Negation, die den vershnten Zustand im Denkenaufleuchten lsst. Der Satz der Identitt von Konzentrationslager und Gesellschaft lsst sichnur mit einer Theorie begrnden, die in den Lagern das Scheitern der Aufklrung erkennt, aufdie sich auch die bestehende Gesellschaft beruft. Metaphysikkritik und Positivismuskritik sind

    das Medium, in dem Adorno diese These entfaltet. Die berlebensschuld wird zumMotiv seiner Philosophie, um die Wirklichkeit von ihren Opfern her zu denken(Schneider u.a. 1999: 85-88).

    Beim Protest der APO-Studenten 1968 gegen die Eltern geht die Identifikation mit denOpfern so weit, dass sie tatschlich als Opfer sprechen. Sie berbieten die Norm, fhlen sichals Nachkommen ihrer Lehrer Horkheimer und Adorno, deren Ideen sie zur Konsequenz

    bringen wollen. Doch Adornos Blick ist von Angst geprgt, sieht die Opfertravestie nicht. Eskommt zu gegenseitiger Projektion: Hier ein neuer Totalitarismus, dort die Bttel desSystems. Die protestierenden Studenten unterstellten Adorno flschlicherweise einerebellische Jugendphilosophie, die zu ihrem eigenen adoleszenten Weltentwurf zu passenschien. Diese Haltung war Adorno ebenso fremd wie Horkheimer seine Schriften aus dendreiiger Jahren. Fr die remigrierten Vertreter der Kritischen Theorie verband sichkollektive Rebellion so sehr mit dem historischen Schreckbild des Nationalsozialismus alsJugendbewegung, dass eine Identifikation unmglich wurde. Bei Adorno ist dieRckerinnerung an Kindheit und Jugend immer etwas Doppeltes: Glck im familirenBinnenraum und Schrecken in der Auenwelt der peer-groups von Gleichaltrigen (Schneideru.a. 2000: 50, 108, 136 f., 179). Eigentlich msste ich den Faschismus aus den Erinnerungenmeiner Kindheit ableiten knnen. Wie ein Eroberer in fernste Provinzen, hatte er dorthin seineSendboten vorausgeschickt, lngst ehe er einzog: meine SchulkameradenIch fhlte dieGewalt des Schreckbilds, dem sie zustrebten, so berdeutlich, dass alles Glck danach mir

    wie widerruflich und erborgt schien. Der Ausbruch des Dritten Reiches berraschte meinpolitisches Urteil zwar, aber nicht meine unbewusste Angstbereitschaft (Adorno 1951: 219).

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    III. Die Dialektik der Aufklrung

    Jrgen Habermas nennt die Dialektik der Aufklrung. Philosophische Fragmente ein

    merkwrdiges Buch, das schwrzeste von Horkheimer und Adorno. Es entstand inwesentlichen Teilen aus Notizen, die Gretel Adorno bei Diskussionen zwischen den beidenAutoren in Kalifornien von 1942 bis 1944 angefertigt hat. Das Werk besteht aus einemAufsatz von etwa 40 Seiten (Begriff der Aufklrung), zwei Exkursen (zur Odyssee und zuJuliette von de Sade) sowie drei Anhngen (Kulturindustrie, Elemente des Antisemitismus,verschiedene Entwrfe). Erschienen ist es Buch 1947 im Querido-Verlag Amsterdam in einerAuflage von 2.000 Exemplaren, die erst nach etlichen Jahren vergriffen waren .Whrend imtraditionellen Verstndnis die Aufklrung als Gegensatz des Mythos gilt, wird in dem Buchgerade der Zusammenhang zwischen beiden Bereichen untersucht und so derSelbstzerstrungsproze der Aufklrung auf den Begriff gebracht (Habermas 1985: 130 f.).Die Autoren wollen zeigen, dass wissenschaftlich-technische Vernunft nicht notwendig zur

    Emanzipation fhrt, ja sie sogar verhindert. Im Mittelpunkt stehen verschiedeneHerrschaftstypen: Die des Menschen ber die Natur, des Mannes ber die Frau, desUnternehmers ber die Arbeiter, der Kulturindustrie ber die Freizeit, Europas ber dieKolonialvlker. Die Niederschrift geschah, als in den USA die ersten Nachrichten ber dieVernichtung der europischen Juden eintrafen (Jger 2003: 170-176).

    Der Gedanke des fortschreitenden Kampfes der Aufklrung gegen alles, was an die Vorweltund die daran sich heftenden Gedanken von Glck erinnert, verbindet die einzelnen Teile. DieGlcksentbehrung schlgt um in Ha auf Schwache, auf Frauen oder Juden. Neben derSelbstzerstrung der Aufklrung ist jedoch noch eine zweite Interpretation mglich: Alle

    bisherige Aufklrung war keine wirkliche. Falsche Aufklrung verhindert den Sieg derwahren, die erst vor den Folgen der ersten retten knnte. In der angekndigten Fortsetzungder Fragmente sollte es darum gehen, wie Aufklrung zu retten, wie ein richtiger Begriff vonVernunft zu entwickeln sei. Dazu kam es nicht (Wiggershaus 1986: 363 f., 372).Gegenbereiner Neuauflage des Buches in der Bundesrepublik Deutschland hatte vor allem Horkheimerstarke Bedenken. Das zurckgekehrte Institut fr Sozialforschung musste sich im Klima desKalten Krieges etablieren, war auf Forschungsauftrge aus der Wirtschaft angewiesen; zuvielMarx und Religionskritik konnten da nur schaden. Als die Zeitschrift Sinn und Form, dieJohannes R. Becher in Ostberlin herausgab, 1949 Passagen aus der Dialektik derAufklrung verffentlichte, wurden Horkheimer und Adorno deshalb im Westen angegriffen.(Albrecht u.a. 1999, 268-273). Erst 1969, also im Todesjahr Adornos, kam es zu einer

    Neuauflage, einschlielich eines sich leicht distanzierenden Vorworts der Autoren. Sie sehenaber wesentliche Aussagen in der Zwischenzeit besttigt, wie die These vom Umschlag derAufklrung in Positivismus, der den Mythos dessen darstellt, was der Fall ist.

    Die Autoren bezeichnen als ihr Ziel die Erkenntnis, warum die Menschheit, anstatt in einenwahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in Barbarei versinkt. Freiheit in der Gesellschaftist vom aufklrerischen Denken untrennbar, aber der Begriff dieses Denkens enthlt schonden Keim zu dem Rckschritt, der sich heute berall ereignet. Nimmt Aufklrung dieReflexion auf dieses rcklufige Moment nicht in sich auf, so besiegelt sie ihr eigenesSchicksal. Wenn die Besinnung auf das Destruktive des Fortschritts seinen Feindenberlassen wird, verliert das Denken seinen Bezug auf Wahrheit. Wir glauben, in diesen

    Fragmenten insofern zu solchem Verstndnis beizutragen, als wir zeigen, dass die Ursache

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    des Rckfalls von Aufklrung in Mythologie nicht so sehr bei den eigens zum Zweck desRckfalls ersonnenen nationalistischen, heidnischen und sonstigen modernen Mythologien zusuchen ist, sondern bei der in Furcht vor der Wahrheit erstarrenden Aufklrung selbst. Beide

    Begriffe sind dabei nicht blo als geistesgeschichtliche sondern real zu verstehen. Wie dieAufklrung die wirkliche Bewegung der brgerlichen Gesellschaft als ganzer unter demAspekt ihrer in Personen und Institutionen verkrperten Idee ausdrckt, so heit Wahrheitnicht blo das vernnftige Bewusstsein, sondern ebensosehr dessen Gestalt in derWirklichkeit (Horkheimer/Adorno 1947: 14).

    Der erste, hauptschlich von Adorno verfasste Diskurs nimmt in der Argumentation desBuches einen zentralen Platz ein. Er behandelt die Odyssee als eines der frhestenreprsentativen Zeugnisse abendlndischer Zivilisation. Die Einsicht in das brgerlich-aufklrerische Element Homers ist laut Horkheimer/ Adorno von der deutschen Interpretation,die den frhen Schriften Nietzsches folgte, unterstrichen worden. Und Nietzsche hat wie

    wenige seit Hegel die Dialektik der Aufklrung erkannt (Horkheimer/Adorno 1947: 61 f.).Halbmythisches Epos und halbrationaler Protoroman- beides ist die Odyssee. DieRationalitt von Odysseus ist eine partikulare im Dienst der Selbsterhaltung. Seine Reisenimmt die brgerliche Ideologie vom Risiko als der moralischen Rechtfertigung des Profitsvorweg. Noch in seiner Ehe mit Penelope steckt das Tauschprinzip: ihre Zurckweisung derFreier im Tausch gegen seine Rckkehr (Jay 1976: 308). Die Autoren gehen das WerkEpisode fr Episode durch, um den Preis herauszufinden, den Odysseus dafr bezahlt, dasssein Ich aus den bestandenen Abenteuern gestrkt hervorgeht. Die Episoden berichten vonGefahr und Entrinnen, von der selbst auferlegten Entsagung, durch die das Ich seine eigeneIdentitt erringt und zugleich vom Glck des archaischen Einsseins mit der Natur Abschiednimmt. Die Annahme, dass die Menschen die uere Welt beherrschen und dafr als Preis dieRepression der inneren bezahlen mssen, liefert das Muster fr die Beschreibung des Janus-Gesichts der Aufklrung (Habermas 1985: 133 f.).

    Das Organ der Selbsterhaltung ist die List. Odysseus berwindet die Naturgottheiten, wiespter die europischen Entdecker die sogenannten Wilden mit bunten Glasperlen. Listentspringt der Opferhandlung, die den Gott betrgt und seine Macht auflst. Odysseusentwischt Poseidon, der sich mit den Ochsen, die ihm die thiopier opfern, abspeisen lassenmu. List ist Ersatz fr Krperstrke. Die des Odysseus ist die sportliche Fhigkeit desGentlemans, der keine krperliche Arbeit leistet, sondern trainiert, z.B. das Bogenspannenund damit vor den Freiern besteht. List hilft dem Helden, Polyphem zu entkommen, als

    Niemand, denn er kennt anders als der Kyklop- den Unterschied zwischen Dingen undNamen. Der Nominalismus tritt hervor, der Prototyp brgerlichen Denkens. Doch auf derFlucht offenbart der gerade Entkommene seinen wahren Namen, als htte die Vorwelt nochsolche Macht ber ihn, dass er, einmal Niemand geheien, frchten msste, wieder

    Niemand zu werden (Horkheimer/Adorno 1947: 66-76).

    List ist auch der rational gewordene Trotz, mit dem sich an der Sireneninsel vorbeifahrenlsst. Diese Episode hat innerhalb des Odyssee-Exkurses eine wichtige Bedeutung. DieSirenen locken mit ihrem Gesang zum Sich-Verlieren im Vergangenen, in einer Welt, dieArbeitsteilung, Naturbewltigung und Fortschritt noch nicht kennt. Sie fordern von denMnnern, die sie betren, die Zukunft als Preis dafr, in eine vermeintlich bessere

    Vergangenheit zurckkehren zu drfen. Odysseus bekommt Zugang zur eigenen

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    Vergangenheit nur ber die weiblichen Fabelwesen. Wrde er sich auf die Lockung einlassen,kme das seinem Tod als Subjekt gleich. Im Mythos sind Tod und Glcksversprechenverknpft, die Sirenen reprsentieren beides in einem. Der an den Mast gefesselte Odysseus

    setzt sich dem Gesang aus und entzieht sich ihm zugleich, macht ihn zu einem harmlosensthetischen Erlebnis. Gefahrlos kann er dem betrend schnen Gesang lauschen, whrend dieGefhrten, denen er die Ohren mit Wachs verstopft hat, das Schiff an der Insel vorbeirudern.Odysseus ist in zweifacher Hinsicht modern: Weil er seine Leute fr sich arbeiten lsst, undweil er sich der eigenen Disziplin unterwirft. Er konstituiert sich in der Selbstbegrenzung alsautonomes mnnliches Subjekt. Die Sirenen dagegen, seine weiblichen Gegenspielerinnen,werden mit Formlosigkeit und Chaos verbunden, mit Unkontrollierbarkeit von Naturkrftenund der Macht des krperlichen Begehrens. Die unterdrckten Regungen werden aufFrauenfiguren projiziert, um sie an ihnen zu verfolgen. Ihre bloe Existenz bedroht den aufDisziplinierung gerichteten mnnlichen Charakter (Horkheimer/Adorno 1947: 77 f.).

    Bei den beiden Autoren entsteht eine paradoxe Haltung des Mannes zur Frau, in der letztereals Trgerin von Mngeln entmchtigt wird, zugleich jedoch aufgrund dieser Depotenzierungeine Quelle stndiger Bedrohung darstellt. Diese Paradoxie ist nicht zufllig, wie eineKritikerin ausfhrt: Adornos und Horkheimers Argumentation verbleibt in binrenOppositionen, die insofern als unzureichend kritisiert werden mssen, als sie Mnnlichkeitund Weiblichkeit homogenisieren. Entsprechend wird von d e m Mann, von d e r Frau oderd e n Frauen gesprochen, wodurch Unterschied der Herkunft, der Hautfarbe, der Klasse oderder Religion i n n e r h a l b der Gruppen der Mnner oder der Frauen ignoriert werden. Wieaus dem bisher Gezeigten hervorgeht, sind die von den beiden Philosophen im Rahmen ihrerideologie- und vernunftkritischen Interpretation verwendeten dichotomischen Kategorien-

    beispielsweise Natur versus Kultur, Mythos versus Zivilisation, Aktiv versus Passiv-keineswegs geschlechtsneutral, sondern sie basieren ganz im Gegensatz auf derunhinterfragten Affirmation der Geschlechterdifferenz und ihrer impliziten Hierarchisierung,die sie doch zu erklren vorgeben (Kolesch 1998: 194 f.).

    Die Dialektik der Aufklrung ist, was bei einem so hohen Anspruch nahe liegt, nicht vonSchwchen frei. Zu dem hier genannten Beispiel knnte man weitere anfgen. Das giltsowohl fr das Werk insgesamt als fr den Odyssee-Exkurs im Besonderen.

    Nichtsdestoweniger ist dieser ein genialer Entwurf, der sich von der traditionellenAltertumswissenschaft durch seine Originalitt unterscheidet. Er konnte nur von jemandgeschrieben werden, der sich um die akademische Einteilung der Fcher nicht kmmert.

    Wenn das auf einen zutrifft, dann ist es Adorno. Hierin besteht vielleicht der grte Reiz zurAuseinandersetzung mit seinem Werk, aber manchmal auch eine manchmal schierunberwindlich scheinende Schwierigkeit.

  • 7/27/2019 AUERNHEIMER, Gustav_Der Kritiker im Projekt der Aufklrung Zu Theodor W. Adorno

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  • 7/27/2019 AUERNHEIMER, Gustav_Der Kritiker im Projekt der Aufklrung Zu Theodor W. Adorno

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    Kolesch, D. (1998). Sich schwach zeigen zu drfen, ohne Strke zu provozieren. Liebe unddie Beziehung der Geschlechter. In: Auer, D./ Bonacker, T./ Mller-Doohm, S. (Hrsg.):Die Gesellschaftstheorie Adornos. Themen und Grundbegriffe. Darmstadt: Primus Verlag.

    Reiz, T. (2003). Friedhof der Kuscheltiere. Die Neutralisierung Adornos in Feuilletonund Fachwissenschaft. In: Das Argument. Zeitschrift fr Philosophie undSozialwissenschaften. Heft 252, S. 584 594, 728 731 (Rezensionen).

    Schneider, Ch./ Stillke, C./ Leineweber, B. (2000). Trauma und Kritik. Zur Generationen-geschichte der Kritischen Theorie. Mnster: Verlag Westflisches Dampfboot.

    Wiggershaus, R. (1986). Die Frankfurter Schule. Geschichte Theoretische Entwicklung Praktische Bedeutung. Mnchen Wien. Carl Hanser.