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Auf dem Weg zur einer Postwachstumsökonomie Bernd Winkelmann Stand 5.4. 2014 Akademie Solidarische Ökonomie 1 Schritte: I. Sackgassen der Wachstumsökonomie II. Ursachen und wachstumstreibende Faktoren III. Ziele und Leitvorstellungen einer Postwachstumsökonomie - Gleichgewichtsökonomie IV. Schritte und Bausteine einer Gleichgewichtsökonomie VI. Persönlicher Lebensstil V. Politische Möglichkeiten

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Auf dem Weg zur einer Postwachstumsökonomie

Bernd Winkelmann Stand 5.4. 2014Akademie Solidarische Ökonomie

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Schritte:

I. Sackgassen der Wachstumsökonomie

II. Ursachen und wachstumstreibende Faktoren

III. Ziele und Leitvorstellungen einer Postwachstumsökonomie - Gleichgewichtsökonomie

IV. Schritte und Bausteine einer Gleichgewichtsökonomie

VI. Persönlicher Lebensstil

V. Politische Möglichkeiten

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I . Sackgassen der Wachstumsökonomie

• Einerseits fortlaufende Steigerungen menschlicher Potentiale: - der Arbeitsproduktivität, der Reichtümer und Geldvermögen, - der wissenschaftlichen, auch ökologischen Erkenntnisse und der technischen Fähigkeiten

- in den letzten 100 Jahren teilweise um das 100-fach und das alles in einem Tempo und in einer Höhe, wie es das in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie gegeben hat. • Andererseits keine Lösung, sondern: Zuspitzung

gesellschaftlicher Grundprobleme: - wachsende Schere von Arm und Reich, - Fremd- und Selbstausbeutung, - Ausschluss aus Erwerbsarbeit und sozialer Teilhabe, - Präkarisierung der Mittelschicht, Erosion des Sozialstaates, - Hungerkatastrophen, soziale Aufstände, terroristische Exzesse, neue Kriege...- eine scheinbar nicht zu bremsende Zerstörung unseres

Ökosystems...

Meinhard Miegel: „Stichflammenentwicklung“

Die Grundparadoxie unserer gegenwärtigen Zivilisation

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Zwei Schlüsseldaten der heute vorherrschenden Wirtschaftsweise

1. Extreme Bereicherung weniger auf Kosten der Vielen

> Die 85 reichsten Menschen der Welt verfügen über so viel wie die arme Hälfte der Weltbevölkerung (Oxfam 2014)

Schlüsselzahl: > In D. verfügen 10% Supereiche über 66% des Nettovermögens; Schere: 2002-2007-2012 ...> Weltweit 20% über 83% , 80% etwa 17% Schere: vor 20 Jahren 20:80...

● Auf der Erde sterben täglich 100.000 Menschen an Hunger und seinen Folgen, alle 5 Sekunden ein Kind unter 10 Jahren.

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2. Ökologische Übernutzung und Ausplünderung unseres Planeten

2011 bei 1,5

Schlüsselfaktum: weltweit Ökologischer Fußabdruck 50% über verträgliche Maß;> In D. das 4-fache, USA das 10-fache> CO2-Ziel 2-3t pro Mensch; D. bei 11t; USA bei 20t

Leonardo Boff: „Selbstmord-Tendenz des Kapitalismus.“

Welt-Klimabericht 2014:CO2-Steigerung wie bisher = 4 Grad mit katastrophalen Folgen;Wende in nächsten 15 Jahren nötig .

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II. Ursachen und wachstumstreibende Faktoren

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Wachstum und Wachstumsfelder

Offene Wachstumsfelder

Bevölkerungswachstum Ungesättigte Märkte

Neue Aufbauphasen Unbegrenzte Ressourcen

Wirtschaftswachstum

Kein Bevölker-rungswachstum

Beendete Aufbauphase

Gesättigte Markte

Begrenzte Ressourcen

Krise Wirtschaftswachstum,

Wachstumsfalle

Quantitatives Wachstum ist nur möglich, wenn Wachstumsfelder offen sind.

Geschlossene Wachstumsfelder

Bei zunehmend geschlossenen Wachstumsfelder führt weiteres erzwungenes Wachstum zum Druck nach innen (Verdrängungskampf, Sozialabbau u.a.) – oder zur Expansion nach außen (neoliberale Globalisierung).

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1. Denkfehler:

Das Nichterkennen der unterschiedlichen Wachstumsarten: Die Erwartung eines ständigen prozentualen Wirtschaftswachstums (exponentielles Wachstum). Dieses kann es aber auf Dauer nie geben.

Drei Wachstumsarten:a) lineares Wachstum: gleichbleibender Zuwachs (gleiche Wachstumsgröße)

Beispiel: Wenn heute in Deutschland in einem Jahr 300.000 Autos produziert werden, sind das bei 6% Wachstum in 12 Jahren 600.000 Autos in einem Jahr.

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Kenneth E. Boulding, USA:„Jeder, der glaubt, dass exponentielles Wachstum für immer weitergehen kann in einer endlichen

Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom.“

c) natürliches Wachstum: hört bei einem Optimum auf zu wachsen, stabilisiert sich, baut ab.

b) exponentielles Wachstum: jährl. prozentuelles Wachsen (Wachstumsrate), d.h. Zuwächse gehen ein in Sockelbetrag des Folgejahres (Verdoppelung in Jahren : 72:%)

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2. Denkfehler:

fallend Wachstumsraten

Steigende Wirtschaftsleistung

Wirtschaftsleistung ist nicht gleich Wirtschaftswachstum:

● Wachstumsrate (BIP in %) in Deutschland 1950 bis 2011 von ca. 10% auf ca. 1% gesunken.

● Doch Wirtschaftsleistung (BIP pro Kopf) von 1950 bis 2011 von ca. 250 Mrd. € auf ca. 2.500 Mrd. € linear um das 10-fache gestiegen.

Verwechslung Wirtschaftsleistung mit Wirtschaftswachstum

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3. Denkfehler

Das Bemessen von Entwicklung und Wohlergehen nach dem Bruttoinlandprodukt (BIP): es misst rein quantitativ die wirtschaftlichen Umsätze in Geldwerten. Z.B.:> Zunahme von Gütern und Dienstleistungen; > Aufbau nach Zerstörungen als BIP-Wachstum; > material- und energiesparende Effizienz als rückläufiges Mengen-Wachstum; > die qualitative Entwicklungen der Gesellschaft wird nicht gemessen.

Die „Glücksforschung“ zeigt: BIP und Lebenszufriedenheit laufen nicht zusammen

● Studie 2009: Die größte Lebenszufriedenheit in Ländern mit mittlerem Durchschnittseinkommen: - Costa Rica, Dänemark, Skandinavien, Island; - Deutschland an 30.Stelle, Simbabwe an letzter.● Ab 20.000 / 50.000 Dollar Jahreseinkommen steigt der Glückspegel kaum noch.

Grafik aus „Zukunftsfähiges Deutschland“ S. 122

● Seit 1990 fordert UNO die Bemessung der Entwicklung mit ganzheitlichen Indizes (z.B. „Neuer Wohlfahrtsindex“, Human Development Index). ● Bisher hat nur der Himalaja-Staat Bhutan an Stelle des BIP das „Brutto-Sozialglück“ gesetzt: Ökologie, Kultur, Gesundheit, Bildung, Lebensstandart, Gemeinschaft, Zeitnutzung...● Die Enquete-Kommission des D-Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ fordert 2013 bei Beibehalten des Wachstumsprinzips einen ganzheitlichen Wohlfahrtsindex.

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4. Denkfehler

Man könnte mit weiterem BIP-Wachstum die ökonomischen und sozialen Probleme lösen (z.B. Arbeitslosigkeit, Unterentwicklung, Armut) Man könne durch grüne Technologien („Green New Deal“) Umweltverbrauch vom Wachstum entkoppeln, neue Arbeitsplätze neuen Wohlstand schaffen. Tatsächlich überwindet dies nicht die ökologische, die soziale, ökonomische Crash-Tendenzen der Wachstumsökonomie.

Soziale und ökonomische Crashentwicklung: In den hochindustrialisierten Ländern mit annähernd gesättigten Märkten und Überangebot ist weiteres Wachstum nur noch mit weiterer Rationalisierung, Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkung, globales Ausweichen (z.B. Arbeitsplatzverlagerung) zu erreichen.

Das treibt die untere Hälfte in Armut und Präkarisierung, somit in eine wachsende Schere zwischen Überangebot und Unterkonsum = eine sich verstärkende Wachstumsfalle. (Radermacher: „Kannibalisierung“ der Wirtschaft, „Brasilianisierung“ der Gesellschaft)

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Rettung durch „Grüne Technologien“?

Nötig ist ein Zusammenwirken von: a) Konsistenzstrategie (ökologische Anpassung),

b) Effizienzstrategie (ökologische Technologien),

c) Suffizienzstrategie („Mit weniger besser leben“)

These von Sven Gigold, Ulrich v. Weizsäcker („Faktor Fünf“) u.a. :Wachstumswirtschaft und Arbeitsplätz durch grüne Technologogien („Green New Deal“):

Entkopplung Wachstum vom Umweltverbrauch.

1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000

Relative Entkopplung möglich,absolute Entkopplung nicht.„Rebount-Effekt“:Einsparung von Ressourcen wird durch größeren Gebrauch überholt.

Beispiel: FlugverkehrKerosinverbrauch je Flug 1970 bis 2000 von 12 L/km auf 4 L//km gesunken;Doch Personenkilometer von 7 Mrd. auf 42,5 Mrd. gestiegen = Kerosinverbrauch verdoppelt!

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Wachstumstreibende Faktoren

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1. Kapitalisierungsprinzip: aus Kapital (Geld) muss mehr Kapital (Geld ) werden

2. Privatisierungsprinzip: Privatisierung möglichst jeder Wertschöpfung

Ziel und Zweck allen Wirtschaftens: Profitmaximierung, Renditensteigerung, Geldmehrung, - Akkumulation des Kapitals in Privatverfügung der Kapitaleigner

Daraus vier weitere kapitalistische Prinzipien:1. Das Verwertungsprinzip: alles muss zur Geldvermehrung verwertet werden, „muss sich rechnen“: Natur, Mensch, Kultur, Religion... = Monetarisierung des Lebens;2. Das Konkurrenzprinzip: Wirtschaften im Gegeneinander, im gegenseitigen Übervorteilen, Verdrängen...3. Der Wachstumsprinzip auf Grund des Profitmaximierungsprinzips, des Wachstumswettlaufs – durch Konkurrenzprinzip erzwungen ...4. Das Externalisierungsprinzip: Abschieben aller Last- und Folgekosten (Natur, Soziales) auf Allgemeinheit – Folgen des Profitmaximierungsprinzips..5. Das Deregulierungsprinzip der Wirtschaft: weitgehendster Rückzug von Staat und Regeln aus Wirtschaft

Schlüsselursache: Das kapitalistische Wirtschaftsprinzip

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Strukturelle Wachstumstreiber

● Finanzwesen: > das Zinssystem, > spekulativer Geldhandel, > das gewinnorientierte Bankenwesen

● Eigentumsordnung: Privatisierung von Grund und Boden, Grundversorgungsgütern; Immobilien zur leistungslosen Abschöpfung anderer Leistung

● „Entlohnungssystem“: Spitzenlöhne weit über jedes Leistungsvermögen (50-500-fache ), Absenken der unteren Einkommen = Einkommenswettkampf

● Unternehmensverfassung: Akkumulation des Mehrwertes in Privatverfügung, ethikloses Handeln, Verdrängung vom Markt, Zerstörung und feindliche Übernahme

● Neoliberale Globalisierung der Märkte

Wachstumstreiber =

Abschöpfungs-, Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente

= Bereicherung weniger auf Kosten vieler

+ ökologische Ausplünderung

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Vermeintliche Wachstumstreiber

1. Arbeitslosigkeit: Wachstum soll diese überwinden. Nein, führt bei tendenziell gesättigten Wachstumsfeldern zu ökologische und soziale Crashentwicklung. Lösung: Teilen des Arbeitsvolums, Absenken der Regelarbeitszeit...

2. Armut und Unterentwicklung: Wachstum soll diese überwinden. Bedingt ja, wenn Wachstumsfelder offen sind (Entwicklungsländer). Richtiger: Bildung, gerechtere Anteilhabe an Wertschöpfung, Ökologisierung der Wirtschaft.

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Mentale Wachstumstreiber

● Grunddogma: das Zusammenspiel von Eigennutz, Konkurrenz und Markt würde wie von einer „unsichtbaren Hand geleitet“ zum Wohlstand aller führen (Adam Smith 18. Jahrhundert - pseudoreligiös).

● Privatisierung und Kommerzialisierung aller Güter des Lebens brächte höchste Effizienz und größten Wohlstand.

● Kapitalanhäufung und Reichtum in der Hand weniger würde die unteren Bevölkerungsschichten mit nach oben ziehen („Pferdeapfeltheorie“ von M.Theatcher).

● Ständiges exponentielles Wachstum der Wirtschaft sei möglich und Wirtschaft ginge nur im ständigen Wachstum.

● Freihandel würde automatisch zum „komparativen“ Vorteil für alle Beteiligten wirken (David Ricardo 18. Jahrhundert).

● Kapitalismus sei Voraussetzung für Freiheit und Demokratie.

Kapitalistische Glaubenssätze, Ideologien und Halbwahrheiten

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Das kapitalistische Lebensverständnis

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1. Materialistischer Grundirrtum:Leben und Glück seien im Haben und immer mehr Haben, im Machen, Unterwerfen zu finden.

2. Sozialdarwinistisches Menschenbild:Der Mensch sei von Natur aus ein auf Egoismus, materielle Bereicherung, Neid, Konkurrenz, Aggressivität hin angelegtes Wesen. Nur im Ausleben dieser Gaben könne der Einzelne gut leben und die Gattung Mensch in der Evolution überleben.

Tragik unserer Zivilisation: die kapitalistischen Ideologien haben beide

Irrtümer zum herrschenden Leitprinzip der gegenwärtig Kulturepoche gemacht.

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III. Ziele und Leitvorstellungen einer Postwachstumsökonomie - Gleichgewichtsökonomie

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Zielvorstellungen einer Ökonomie des Lebens

1. Den Sinn der Wirtschaft vom Kopf auf die Füße stellen: Nicht Kapitalanhäufung und Gewinne in der Hand weniger, sondern: > Bereitstellung nützlicher Produkte und Dienstleistung,> Schaffung sinnvollerfüllender Arbeitsplätze

So von den Wurzeln her die Fehlentwicklung unserer Zivilisation überwinden!

2. Dies: > in unbedingter Erhaltung des Ökosystems.

> in Entwicklung eines kulturell und sozial stabilen Gemeinwesens

> leistungsgerechter Teilhabe aller Menschen an der ökonomischen Wertschöpfung

3. Dies:> durch strukturellen Umbau des Wirtschaftssystems zu einer Solidarischen Ökonomie

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Wiedergewinnen einer Gleichgewichtsökonomie

Exponentielle Wachstumsphase

Reifezeit

Langsame Keimzeit

Natürliches Wachstum - Vorbild auch für die Wirtschaft?

Abnehmendes Wachstum

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Funktion einer GleichgewichtsökonomieGleichgewichtsökonomie anstelle einer Wachstumsökonomie heißt:

• Dies geschieht in einer ständigen dynamisch sich einpendelnden Sinusbewegung - sowohl für einzelne Güter wie für die gesamtökonomische Entwicklung. Diese Entwicklung bleibt unter dem maximal ökologisch-sozial verträglichen Maß von Faktor 1 (auch ökologischer Fußabdruck)

• Die Wirtschaft wächst quantitativ nur in bes. Aufbauphasen.

• Bei Erreichen eines Sättigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwicklung über: Qualitätsprodukte; Wachsen kultureller, Lebensqualitäten, des ökonomisch sozialen Gleichgewichts – dabei Schrumpfen des materiellen Verbrauchs.

• Damit wird die ökonomische und soziale Crashentwicklung der Wachstumsökonomie überwunden, eine Postwachstumsökonomie - Gleichgewichtsökonomie wird möglich.

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IV. Schritte und Bausteine einer Gleichgewichtsökonomie

Überwindung des materialistischen Grundirrtums und kapitalistischer Leitvorstellung – Wiedergewinnen eines ganzheitlichen Menschenbildes.

Mentale Voraussetzungen einer Postwachstums- und Gleichgewichtsökonomie

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Das ganzheitliche Menschenbild und Lebensverständnis

4. Der Mensch kann nur eingebunden im ökologischen Netzwerk der Erde überleben. („Ökologischer Imperativ“ nach Hans Jonas, Herrmann Scheer; Schöpfungsglaube der Bibel )

1. Die Dualität des Menschen: > der Mensch ist sowohl ein auf Egoismus, Aggressivität und Habenwollen, > wie ein auf Mitempfinden, Solidarität, Kooperation, Verantwortung, sinnvollen Verzicht, spirituelle Sinnfindung hin angelegtes und begabtes Wesen („Sünder und Gerechter zugleich“)

3. Erkenntnisse der neueren neurobiologischen Forschung und Glücksforschung: Nicht Konkurrenz, Aggression und Kampf ums Dasein - sondern Kooperation, Zugewandheit, Empathie, Vertrauen und Wertschätzung sind die besseren Stimulanzien biologischer, sozialer, auch wirtschaftlicher Systeme (Gerald Hüther, Joachim Bauer...)

2. Der Mensch ist ein Sozialwesen (relationales Menschenbild / Geschwisterlichkeit des Menschen ): > kann nur in Beziehung, in Gemeinschaft leben, glücklich werden (Experiment Friedrich II)

> braucht Ethik, sich Regeln gebende Sozietät (Gemeinschaft, Staat)

5. Die Wirklichkeit kann der Mensch nie nur rational erfassen, sondern erst im ganzheitlichen Zusammenspiel von rationalen, intuitiven, emotionalen und spirituellen Wahrnehmungen.

6. Der Mensch ist auf „Transzendenz“ hin angelegt, erfährt hier Sinngebung und Gewissensanrede.

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Strukturelle Voraussetzungen einer Postwachstums- und Gleichgewichtsökonomie

Umbau der Wirtschaftsstrukturen > Herausnehmen der wachstumstreibenden Abschöpfungs- und

Bereicherungsmechanismen

> Installation ökologischer, sozialer Indikatoren, partizipatorisch-demokratischer Wirtschaftsstrukturen.

Dies als „Realutopie“: über das bisher Gedachte und

Gemachte hinausdenken,aber grundsätzlich realisierbar sein.

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Bausteine einer postkapitalistischen lebensdienlichen Ökonomie („Systemweichen“)

Neue Eigentumsordnung

Neue Finanzordnung

Partizipatorisches Unternehmertum

Neue Arbeitskultur

Leistungsgerechtes Lohnsystem

SolidarischesSteuer+Sozialsystem

Ökosoziale Globalisierung + Regionalisierung

Ökologisierung der Wirtschaft

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Konkret

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● Eigentumsordnung: Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschöpfung fremder Leistung nutzen, Grund und Boden, Öffentlichen Güter werden Gemeineigentum (moderne Allmende);● Finanzordnung: Zinssystem wird durch Kreditgebührensystem abgelöst, spekulative Geldhandel wird verboten, das Bankensystem auf reine Dienstleistungsfunktion in

öffentlicher Hand zurückgeführt;● Partizipatorische Unternehmensverfassung ökologische, soziale und gemeinwohl-orientierte Kennzahlen gehen in die Bilanzierung der Unternehmen; konsequente Mitbestimmung aller am Unternehmen Beteiligten (Wirtschaftsräte) Förderung genossenschaftlicher Unternehmen; ● Leistungsgerechtes und solidarisches Lohnsystem: Entlohnung a l l e r nach Tarifen in Spreizung von 1:5 (max. 1:10), Mindestlöhne; ● Arbeitskultur: Arbeitsvolumen wird so geteilt wird, dass jeder Arbeitsfähige Erwerbsarbeit findet, neben Erwerbsarbeit Eigenarbeit und Gemeinwohlarbeit gleichwertig; ● Solidarisches Steuer- und Sozialsystem von a l l e n Einkünften von a l l e n Bürgern paritätisch und solidarisch Beiträge erheben; bedingungslose soziale Grundsicherung. ● Ökologisierung der Wirtschaft mit konsequentem Verursacherprinzip, Umstieg auf regenerative Energie.● Ökosoziale der Globalisierung: Durchsetzung fairer Handelsbedingungen, internationaler Standards und Institutionen, Stärkung der Regionalwirtschaft, ● Entwicklung einer modernen Subsistenzwirtschaft.

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Beispiel: Neue Finanzordnung

● Das Geld wird auf seine eigentlichen lebensdienlichen Funktionen zurück geführt. Es dient 1. als Tauschmittel, 2. als Aufbewahrungsmittel.

3. als Spar- und Kreditmittel, 4. als Wertmaßstab für quantifizierbare Werte.

3. Zinssystem: - statt Zins einmalige Kreditgebühr... Geldeinlagen ohne Zins, Bankenservice ist „Gewinn“ genug.4. Finanzwirtschaft: Verbot allen (spekulativen) Geldhandelns: Börsen- und Aktienhandel, Hedgefonds, Derivate usw. (Allokation des Geldes durch Realwirtschaft, realwirtschaftl. Kredite, Steuer-Förder-Politik)

Eckpfeiler:1. Neuordnung Bankenwesen: : Banken als reine gemeinnützige Dienstleistungs- unternehmen (Maklerfunktion) in Öffentlicher Hand ohne Gewinne, mit festen Gehältern („Demokratische Banken“).

● Die Ware-Geld-Beziehung auf ihre zweckdienliche Funktion zurückgeführt: W – G – W / bedingt G – W – G´ // kein G´- G´- G´´- G´´´

2. Einführung des Vollgeldsystem: Geldschöpfung allein durch Zentralbanken, volle Deckung aller Kredite durch Einlagen...

5. Kapitalisierung der Unternehmen allein durch Rücklagen und durch Geschäftsbanken

Somit kein abschöpfender Handel Geld mit Geld – Überwindung der kapitalistischen Geld-Geld-Akkumulation

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Beispiel: Neue Arbeitskultur

Hineinnahme aller arbeitsfähigen Menschen in den ökonomischen Prozess: 1. beste Grundlage eines stabilen und tragfähigen Sozialsystems, 2. beste Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftsweise,3. soziale Integration und Wertschätzung des Menschen.

Eckpfeiler einer solidarischen Arbeitskultur:

1. Teilung des Arbeitsvolumens

Besonderer Wert der Erwerbsarbeit: Hineinnahme des Menschen in den ökonomischen Prozess von > Arbeit, > Produktion, > Einkommen, > Konsumtion, > Steuer- und Sozialsystem (Beteiligungsökonomie).

Darum ist das Recht auf Erwerbsarbeit als ein Grundrecht des Menschen verfassungsmäßig zu verankern.

2. Herabsetzung der Regelarbeitszeit auf z.B. 30 W-Stunden; große Flexibilisierung der Arbeitszeit.

So Überwindung der strukturellen Arbeitslosigkeit, „Vollbeschäftigung“ als Teilhabe aller am Ökonomischen Prozess

- und zugleich Freisetzung für Eigen-, Familien- und gesellschaftliche Arbeit.

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Beispiel für das Zusammenwirken verschiedener Bausteine

Teilung des Arbeitsvolumens - ca. 30-Stundenwoche

- hohe Flexibilisierung der Arbeitszeit

Bedingungsloses Grundeinkommenanstelle Arbeitslosengeld, Sozialhilfe,

Kindergeld, Bafög, Grundrente...- z.B. Erwachsene 600 €

- Kinder 300 €

Paritätisch steuerfinanziertes Sozialsystem:

Ablösen der Sozialabgaben von Arbeitsplätzen, dafür

Wertschöpfungsabgabe der Unternehmen nach

Arbeitsplatzkoeffizient

Ausgleichendes, leistungsgerechtes Lohnsystem

- Mindestlöhne in Niedriglohnbereich- Leistungsgerechte Löhne von 0,5 bis

zum 5-fachen - „Zeit statt Geld“ für hohe Löhne,

• So Hineinnahme a l l e r in ökonomischen Prozess von Arbeit, Produktion, Einkommen, Konsumtion, Steuer- und Sozialabgaben

• So soziokulturelle Befreiung und Bereicherung im Zusammenspiel von Familien- und Eigenarbeit, Erwerbsarbeit, bürgerschaftliches Engagement und Muße!

in einer neuen Arbeits- und Sozialkultur

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Notwendigkeit einer Schrumpfungs- und Suffizienzökonomie

Niko Paech: Doch ohne ein drastisches Zurückfahren des gegenwärtigen Material- und Energiedurchsatzes ist eine Rettung nicht möglich.Nötig ist eine Schrumpfungsökonomie und Entwicklung einer modernen Subsistenzwirtschaft.Diese ist ohne Suffizienz in Lebensstil und Wirtschaft nicht möglich.

Zusammenwirken von: a) Konsistenzstrategie (ökologische Anpassung),

b) Effizienzstrategie (ökologische Technologien),

c) Suffizienzstrategie („Mit weniger besser leben“)

„Das Fundament einer Postwachstumsökonomie ruht auf einer Theorie (und Praxis) der Subsistenz und Suffizienz“.

Konkret: Fremdversorgungsballast abwerfen, sich der Reizüberflutung entziehen, Erfolgserlebnisse in Selbstwirksamkeit und Eigenproduktivität finden, Weniger kaufen, selbst besitzen, mehr tauschen, teilen, Vermögensunterschiede abbauen, Verteilungsgerechtigkeit stärken (ist ein Weg zum „Glück“)

Konsumenten von morgen werden zu „Prosumenten“ und „Koproduzenten“

(Befreiung vom Überfluss“, S.114, 123, 146)

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V. Politische Möglichkeiten

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Solidarische Ökonomie im oder jenseits des Kapitalismus?Reform oder Überwindung des Kapitalismus?

Kapitalistische Ökonomie:- Prinzip Kapitalmehrung, Privatisierung; Konkurrenz, Wachstum... - Mechanismen der Bereicherung, Abschöpfung, Externalisierung...

Solidarische Ökonomie: - Prinzip Kooperation, Solidarität, Teilhabe, Nachhaltigkeit...- Mechanismen der Partizipation, Kooperation, Nachhaltigkeit ...

Zähmung, Reformen im Kapitalismus:- bei Beibehalten der kapitalist. Prinzipien und Mechanismen- aber Zähmung, Kontrolle, Beschränkungen... durch soziale und ökologische Auflagen (Regularien) „Ökosoziale Marktwirtschaft“

?

Konfrontativer Kampf oder Doppelstrategie?

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Alternativen gibt es schon

a) In bisherigen Sozialen Marktwirtschaft (Reformen im System):- Tariflohnsystem - Mitbestimmungsgesetze- Öko-Steuer - Kartellgesetze - Ansätze von Finanzmarktregulierungen - Genossenschaftsbanken - Daseinsvorsorge in Öffentlicher Hand - Non-Profitunternehmen ...

b) In alternativen Projekten (Ansätze von Systemalternativen): - gemeinnützige Banken (z.B. GLS-Bank, Oicocredit), - zinsfreie Regionalwährungen (Komplementärwährungen) - Tauschringe - Zeitbanken - Unternehmen der Gemeinwohlökonomie (Felber)- Betriebsübernahmen durch Belegschaften (Marcora-Gesetz) - genossenschaftliche Unternehmen - alternative Lebensstilbewegung - Ökologiebewegungen - postkapitalistischen Ökonomiebewegungen ....

Entscheidend ist unsere Wahrnehmung und unser Einsteigen.

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Gruppierungen und Initiativen alternativer Bewegungen   Ökologiebewegung, Friedensbewegung, Dritte-Welt-Bewegung, Gerechtigkeitsgruppen, auch feministische Bewegungen...

· Nichtregierungsorganisationen wie „Greenpeace“, Ärzte für den Frieden u.a.

· Konziliarer Prozess der Kirchen

· Kairos-Bewegung „Wirtschaft im Dienst des Lebens“

· „Ökumenische Initiative Eine Welt“ (ÖIEW)

· Erd-Charta-Bewegung (eine sozial-ökologische Weltgemeinschaftsethik)

· Lebensstilbewegung „anders besser leben“; kritische Verbraucherbewegung...

· Attac-Bewegung , Sozialforen (Weltebene, europäischer, nationaler Ebene)

· Global-Marshall-Plan-Bewegung (weltweite Ökosoziale Marktwirtschaft)

· Bewegungen, Initiativen einer „Alternativen Ökonomie“;

· „Anders wachsen – Wirtschaft braucht Alternative zum Wachstums“

· Neue Demokratiebewegung: Bürgerbeteiligungsdemokratie, „Verfassungskonvent“...

· Alternative Internetbewegungen

· ...

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Politische Handlungsfelder und Strategie

c) Politische Bewegungsarbeit: > Gemeinsames Wirken zivilgesellschaftlicher Gruppen, Initiativen, Bewegungen, Bündnisbildung: Druck von unten, Demos, Blockaden... > Befreiung der Politik aus der Umklammerung der Wirtschaft; neue Demokratiebewegung, alternative Parteien > Die Machtfrage im demokratischen Prozess lösen> Durchsetzen eines Neuen Gesellschaftsvertrags (neues Grundgesetz)

a) Bewusstseinsarbeit> Zuspitzung der Krise (autogene Destabilisierung des Systems) und Begreifen der Krise> Breite Bildungs- und Aufklärungspolitik auf allen Ebenen> Gesellschaftlicher Diskurs: „Was wollen wir wirklich wirklich?“ (Frithjof Bergmann)

b) Ökonomische Pionierarbeit> Entwicklung alternativer Systementwürfe> Entwicklung alternativer Lebensstilbewegung (neue Werteerfahrung)

> Entwicklung alternativer Projekte, Erprobungsarbeit, Inselmodelle,

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Mögliche Szenarien, Handlungsstrategie

● Sanftes Übergangsszenarium: schrittweise Entwicklung einer neuen „Sozialökologischen Marktwirtschaft“, eines „Global-Marshall-Planes“... Voraussetzung: geleistete Vorarbeit, Einsicht in Politik und Wirtschaft, Primat der Politik Handlungsstrategien: alternative Inhalte+Modelle einbringen; Doppelstrategie... auf Streit und Kampfsituation einstellen...

● Sanfte Crash-Entwicklung: massive Krisenentwicklung, Zusammenbrüche der alten Großstrukturen; Protestbewegungen setzen systemverändernde Reformen, Alternativ-Projekte durch....Voraussetzung: geleistete Vorarbeit; Paradigmenwechsel, Alternativprojekte werden aufgenommen; friedliche Entmachtung der alten Machtträger...Handlungsstrategien: alternative Inhalte+Modelle einbringen; Mobilisierung „der Straße“ zur friedlichen Erhebung; auf konsequente Wende bestehen,, Alternativprojekte durchsetzen ...

● Eruptive Crash-Entwicklung: sozial-ökologische Crashs in weiten Teilen der Welt, Massenverelendung, Aufstände, Bürgerkriege, Migrationsströme... Zusammenbruch der politischen und ökonomischen Infrastrukturen und alten Machtzentren...Handlungsstrategien: Methoden der Friedlichen Revolution aktivieren; alternative Inhalte+Modelle einbringen, Überlebensinseln, Archen bauen; auf regionale Subsistenzwirtschaft umsteigen.... Neuanfang von unten ...

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Erkenntnisse der Systemtheorie und der Revolutionswissenschaft

(nach Ervin Laszlo, Fritjof Capra u.a.)

● Entscheidend für eine „Wende“: - Vorlauf von Pioniergruppen und Alternativkräften - Wahrnehmen der Kairos-Situation, - Entwicklung von Doppelstrategien - Zusammenwirken von „oben“ und „unten“

Bifurkationen

Paradigmenwechsel

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Aufgaben der Kirchen und Religionen

5. Selbst im eigenen Leben, in kirchlichen Strukturen alternative Praktiken und Modelle entwickeln, Lebensstil-Umkehrbewegung fördern

4. Parteinahme und Anwalt sein für die Opfer des alten Systems; sich mit anderen Aufbruchsbewegungen verbünden..

1. Das Hinken auf beiden Seiten aufgeben, z.B. die Systemfrage stellen: wo, warum und inwiefern ist das vorherrschende Wirtschaftsystem lebenszerstörerisch.

2. Hier besonders > die Mammon-Götter, die Pseudoreligiosität des Konsumismus aufdecken > das tiefere spirituelle Suchen der Menschen heute aufnehmen > dagegen das biblische Menschenbild und Lebensverständnis transformiert ins Heute einbringen (z.B. „Rechtfertigungslehre“)

So würden die Kirchen und Religionen einen ihr ureigenen Beitrag leisten: an die Stelle tödlicher Wirtschaftstendenzen spirituelle Kräfte und Impulse für

eine lebensdienliche Ökonomie einbringen.

3. Prophetisch Zeitansage wagen: die biblische Schalomansage Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung politisch konkret für heute ansagen

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VI. Persönlicher Lebensstil

Suffizienz im Lebensstil : „Mit weniger besser leben“!

Auf materielle Güter und Bequemlichkeiten verzichten - und doch reicher leben? Beispiele in Gruppe zusammentragen

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Persönliche Handlungsfelder auf politischer Ebene

● Selbst begreifen, worum es geht ...

● Sehen, was ich davon im eigenen Leben umsetzen kann ...

● Entsprechende Meinungsbildung nach außen ...

● Entsprechende Initiativen, Bewegungen unterstützen, mitmachen ...

● Politische Forderungen, Druck von unten, bei politischen Aktionen mitmachen ...

●...

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Zusatzfolien

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Literaturhinweise

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• Bolz, Norbert; Bossart, David: „Kultmarketing. Die neuen Götter des Marktes“, 1995• Binswanger, Hans Christoph: „Die Wachstumsspirale“, Marburg 2006• Boff, Leonardo: „Zukunft der Mutter Erde. Warum wir als Krone der Schöpfung abdanken müssen“, 2012• BUND und Brot für die Welt: „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Ein Anstoß zur gesellschaftlichen Debatte.“ Eine Studie des Wuppertal Instituts, 2008• Bundesregierung: Armut- und Reichtumsbericht Deutschland, 2004 und 2008 und 2012• Duchrow, Ulrich; Hinkelammer, Franz Josef: „Leben ist mehr als Kapital. Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentums“, 2002 • Felber, Christian: „Neue Werte für die Wirtschaft. Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus“; 2008• Felber, Christian: „Gemeinwohlökonomie. Das Wirtschaftsmodell der Zukunft“; 2010• Goeudevert, Daniel: „Das Seerosen-Prinzip. Wie uns die Gier ruiniert,“ 2008• Kennedy, Margrit: „Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel, das jedem dient“, 1990 • Kessler, Wolfgang: „Weltbeben. Auswege aus der Globalisierungsfalle“, 2004• Keynes, Maynard: „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zins und des Geldes“ 1936• Keynes, Maynard Keynes: „Das Langzeitproblem der Vollbeschäftigung“ 1934• Klönne, Arno; Kreutz, Daniela; Meyer, Otto: „Es geht anders! Alternativen zur Sozialmontage“;2006• Linz, Manfred: „Was wird dann aus der Wirtschaft? Über Suffizienz, Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit“ 2006• Martin, Hans Peter; Schumann, Harald: „Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand“, 1997• Meadows, Dennis; Meadows, Donella; Jörgen Randers,: „Grenzen des Wachstums. Das 30-JahreUpdate. Signal zum Kurswechsel“ 2004/2009• Miegel, Meinhard: „Exit. Wohlstand ohne Wachstum“, 2010• Moewes, Günther: „Geld oder Leben. Umdenken und unsere Zukunft nachhaltig sichern“, 2004• Paech, Niko: „Nachhaltigkeit zwischen ökologischer Konsistenz und Dematerialisierung: Hat sich die Wachstumsfrage erledigt?“ in Natur und Kultur 6/1 2005• Paech, Nico: „Nachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum“ Metropolis Verlag, 2005• Paech, Nico: „Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie“; 2012• Rademacher, Franz Josef : „Balance oder Zerstörung. Ökosoziale Marktwirtschaft als Schlüssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung“, 2005;• Reheis, Fritze: „Entschleunigung. Abschied vom Turbokapitalismus“, 2004 • Seidel, Irmi ; Zahrnt, Angelika: Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft“, 2010• Zahrnt, Angelika, Seidl, Irmi, (Hg.): „Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft“, Metropolis, Marburg• von Weizsäcker, Ernst Ulrich „Faktor vier. Doppelter Wohlstand- halber Energieverbrauch“ 1995• Zinn, Karl Georg: „Rezeptionslücken des Keynesianismus“, in Beiträge zur Keynesschen Stagnationstheorie, Hamburg 2008• Zinn, Karl Georg: „Sättigung oder zwei Grenzen des Wachstums“ in „Monde diplomatique“, Nr. 8931, 2009, Berlin

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Was bewirkt die „Ungleichheit“ im Sozilagefüge der Gesellschaft?Nach Studien von Kate Pickett und Richard Wilkinson in

„Gleichheit ist Glück – Warum gerechtere Gesellschaften für alle besser sind“, Berlin 2010

Parameter: Mord, Selbstmord, Fettsucht, Teenagerschwangerschaft, Kindersterblichkeit, psychische Krankheiten, Zahl der Inhaftierten, Bildungsstand von 15jährigen, soziale Mobilität, Stellung der Frau...- nach Zahlen der WHO, Weltbank, UNO u.a.

Beispielzahlen: Ungleichere zu gleicheren Länder: Mordraten 10 mal, psychische Kranke 3 mal, Teenagerschwangerschaft 7 mal höher