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Die Studienfahrt der Klasse 11 der Privatschule Niederrhein Auschwitz

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Die Studienfahrt der Klasse 11 der

Privatschule Niederrhein

Auschwitz

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13 Schüler der Klasse 11 der Privatschule Niederrhein verbrachten vom 30.5. bis zum 3.6.2012 fünf Tage in Auschwitz und Krakau.

In diesen fünf Tagen besuchten sie die Konzentrationslager Auschwitz 1 und Auschwitz Birkenau und trafen in Krakau Tadeusz Sobolewicz, einen 87 jährigen Zeitzeugen, der von seinen Erlebnissen in sechs (!) deutschen Konzentrationslagern berichtete.

Nach der Rückkehr entstand eine Dokumentation der Fahrt. Teil dieser Dokumentation sind die folgenden Texte, die im Rahmen des Faches „Kreatives Schreiben“ entstanden.

Das Vorwort zu diesen Texten schrieb Susanne Clay, ihre Lehrerin.

Jürgen Plewka, Juli 2012 (Klassenlehrer)

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Auschwitz macht sprachlos.

Auschwitz - der Name bereits lässt verstummen.

An Auschwitz versagen unsere Sprache, unsere Vorstellungen, alle Versuche diesem Ort und seiner

Wirklichkeit Ausdruck zu geben.

Bilder, Gedanken, Briefe an Tote.

Berichte, die den Gang durch die Vernichtungsstätte zu beschreiben versuchen.

Impressionen, Assoziationen, Lyrik.

Mit verschiedenen sprachlichen Mitteln versuchen Schüler der Klasse 11 der Privatschule

Niederrhein in Krefeld ihren Empfindungen, Wahrnehmungen und ihren teilweise noch immer

verstörten Gefühlen Ausdruck zu geben.

Um die Sprachlosigkeit in Worte zu fassen.

Denn Auschwitz macht sprachlos.

Susanne Clay, Krefeld, Juni 2012

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Im September 2009 besuchte ich mit meiner alten Klasse das KZ Sachsenhausen etwas außerhalb von

Berlin. Wir kamen vollkommen unvorbereitet dort an. Im Laufe der Zeit habe ich einiges vergessen,

aber ich habe behalten, dass die Gefangenen willkürlich und sehr brutal bestraft wurden und es

stundenlange Appelle gab. Ich war froh als Ich das Gelände wieder verlassen durfte. Wir haben nie

darüber gesprochen und bei mir blieb nur das Gefühl von Grausamkeit und Willkür und Ich hoffte

dieses Thema für alle Male abzuhaken.

Als ich im letzten Sommer den Besuch von Auschwitz als Projektthema vorgeschlagen bekam hoffte

Ich, dass wir das Projekt nicht wählen würden denn ich hatte ehrlich gesagt etwas Angst vor so

einem Besuch in einem Konzentrationslager. Mit der Vorbereitung wurde das besser. Ich fühlte mich

besser vorbereitet auf den Besuch des KZs.

Langsam rückte die Fahrt näher doch ich konnte es immer noch nicht richtig realisieren. Zimmer

wurden aufgeteilt, Fahrgemeinschaften gebildet, ich habe meinen Koffer gepackt und dann ging es

los. Ich fuhr zum Flughafen und stieg dann ins Flugzeug.

Als wir gelandet waren, überraschte mich Polen mit seiner Normalität. Alles war so normal, normale

Autobahnen, normale Wiesen, normale Häuser. Es fallen mir die schönen Gärten auf, in unseren

Zimmern sieht alles modern aus. Ich mache mich auf den Weg in den Ort Oswiecim; der Ort Oswiecim

ist sehr lebendig und wirkt sehr freundlich. Ich erfahre etwas über die Geschichte der Stadt und

besichtige eine Synagoge. Die Normalität hier überrascht mich. Ich sehe normale Menschen in

Supermärkten und auf der Straße. Insgesamt machen die Stadt und die Begegnungsstätte einen

positiven Eindruck auf mich. Allerdings ist es alles ganz anders als ich dachte, Polen und Oswiecim

haben mich positiv überrascht.

Am nächsten Tag besuche ich das Stammlager. Ich betrete das Stammlager durch das berühmte Tor

„Arbeit macht frei“. Auf dem Lagergelände habe ich ein sehr ein unwirkliches Gefühl. Die roten

Backsteinbaracken wirken seltsam freundlich und die vielen Leute um mich herum, geben ein

seltsam lebendiges Gefühl. Wir besichtigen die Baracken in denen eine Ausstellung ist. Von den

Ausstellungsstücken sind mir vor allen Dingen die Kinderschuhe und die Küchengeräte in Erinnerung

geblieben. Das sind Gegenstände des Alltags, die man auch sonst jeden Tag sieht, und jetzt sind ihre

Besitzer tot. In einem Raum sind Haare von den Verstorbenen. Das erfüllt mich mit Ekel, mir wird fast

schlecht davon. Ich betrete den berühmten Todesblock 11, doch durch die Menschenmassen kann ich

mir den Schrecken kaum vorstellen.

Am Nachmittag betrete Ich das Lager auf eigene Faust. Ich sehe mir die Länderausstellungen an. In

einer sind Figuren, die KZ-Kleidung tragen, ausgestellt. Wenn man sie von Weitem sieht, denkt man

sie sind wirkliche Menschen. Das hat mich sehr erschreckt. In einer anderen sind Namen von

Gestorbenen an den Wänden, mich hat erschreckt wie viele Menschen es waren.

Am nächsten Tag fahre ich nach Birkenau. Bei der Anfahrt sehe ich als erstes das berühmte Tor, das

gibt mir ein seltsames Gefühl. Ich realisiere noch mehr wie real das alles ist. Danach steige ich auf

genau diesen Turm. Ich werfe einen ersten Blick auf das Lager Gelände. Es ist so groß, das überrascht

mich. Dann betrete ich das Lagergelände. Ich schaue mir als erstes eine Baracke an. Ich frage mich

wie Menschen wirklich so überleben konnten. Ich kann mir das aber nicht wirklich beantworten. Ich

gehe weiter. Als ich wieder am Tor vorbeikomme bekomme ich das Gefühl von Eingesperrtheit. Über

die Schienen vor mir sind Tausende von Menschen in den Tot gefahren. Ich würde gerne von hier

wegrennen. Doch Ich bleibe. Ich gehe weiter zu den gesprengten Gaskammern, davor zu stehen ist

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ein schreckliches Gefühl. Ich kann dieses Gefühl nicht weiter beschreiben und noch jetzt kann ich

dafür keine Worte finden. Ich gehe zu einer Wiese, darauf sind Tafeln mit Bildern von Menschen die

ebenfalls auf dieser Wiese standen. Es ist so grausam ihre Gesichter zu sehen - so unwissend - und

jetzt davor zu stehen, zu wissen, was mit ihnen passiert ist, und nichts für sie tun zu können. Ich

gehe zu einer Kinderbaracke. Dort lebten Kinder, für mich ist es so unverständlich, wie man kleine

Kinder einsperren konnte, sie haben doch gar nichts getan. Am selben Nachmittag gehe ich ins

Archiv, die Dokumente sind sehr interessant, doch ich kann nichts mehr aufnehmen und bin

schrecklich müde und erschöpft.

Am nächsten Tag geht es nach Krakau als ich dort angekommen bin, mache ich am Nachmittag eine

Stadtführung. Nach all dem Schrecken in Auschwitz ist es sehr entspannend, sich die Stadt

anzusehen. Hier ist alles sehr lebendig und entspannt. Am Abend gehe ich Jüdisch Essen. Das Essen

ist sehr gut und danach spielt eine Gruppe jüdische Klezmer Musik live, was sehr schön klingt.

Am nächsten Tag sehe ich mir das jüdische Viertel an. Hier ist alles sehr entspannt und die

Stadtführung ist sehr interessant. Danach sehe Ich mir die Schindlerfabrik an. Die Fabrik ist ein

Museum und zeigt, wie das Leben der Juden in der Besatzungszeit war. Ich fand das sehr

interessant, besonders, wo ich den Film gesehen habe. Danach mache ich mich wieder auf den

Weg nach Hause.

Miriam

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Auschwitz

Über dem Eingang stand in großen Buchstaben der Satz „ARBEIT MACHT FREI“ Hier liefen und stolperten tausende dreckige Menschen durch, gehetzt von Männern mit grimmigen Gesichtern und Waffen. Oben auf dem Überwachungsturm neben dem Tor standen noch mehr. Strahler waren auf dieses Gemenge gerichtet, um alles sehen zu können. Sie wurden durch die Steinbaracken links und rechts getrieben, bis zu dem Appellplatz. Hier mussten sie sich aufstellen, in Reih und Glied, gegenüber dem Massengalgen. Hier wurde durchgezählt, ob alle wieder ins Lager gekommen waren, tot oder lebendig war hier egal. Nachdem die Vollständigkeit überprüft war, wurden sie in ihre Baracken geführt. Sie schliefen auf strohbedecktem Boden, zusammengepfercht. Befehle wurden von Capos gegeben, das waren meistens Häftlinge, die besonders kriminell waren. Diese bekamen Sonderrechte. Ein Block war besonders gefürchtet unter ihnen: BLOCK 11, DER TODESBLOCK. Wer hier einmal über die Schwelle ging, kam hier nur noch selten wieder lebendig heraus. Im Keller gab es eine Dunkelzelle, dort war gar kein Licht und nur so kleine Luftlöcher, dass die Häftlinge dort schnell erstickten. Außerdem gab es dort 4 Zellen, in die man krabbeln musste und die nur so groß waren, dass ein ausgewachsener Mensch nur stehen konnte. In dem Außenhof, der mit einem Tor vor Blicken geschützt wurde, gab es die so genannte Todeswand. Die zum Tode Verurteilten mussten sich im Gebäude ausziehen und durch eine Tür in den Hof gehen. Dort stellten sie sich vor diese Wand und wurden erschossen. Auf dem Gelände gab es auch eine kleine provisorische Gaskammer. Daneben ein Galgen, an dem manche Leute aufgehängt wurden, die versuchten zu fliehen.

Nach der Übernahme des KZ Auschwitz wurde der Leiter des KZ, Rudolf Höss, aufgehängt. Die Menschen, die in diesem Lager lebten, wussten nicht genau, was unter diesem Berghügel war, da sich dort Stacheldraht befand. Sie gingen glücklich in diesen Raum, nackt, und freuten sich auf eine Dusche. Hinter ihnen wurden die Türen geschlossen und einige bekamen Panik. Von oben wurde Zyklon B in den Raum geworfen, welches sie innerhalb von 15 Minuten qualvoll tötete, da es den inneren Stoffaustausch verhinderte und sie von innen erstickten. Die Männer mit den roten Armbinden, auf denen das Hakenkreuz abgebildet war, befehligten einige Häftlinge, die ordentlich abgelegten Sachen wegzubringen und zu durchzusuchen. Sie waren noch beschriftet, denn den nun toten Menschen war gesagt worden, dass sie sich merken sollten, wo ihre Sachen sind, um sie nachher besser wiederzufinden. Nach weiteren 30 Minuten wurde die Kammer wieder geöffnet und den Leichen wurden Goldzähne entfernt und die Körperöffnungen wurden nach weiteren Wertgegenständen durchsucht. Dann wurden sie in die Krematorien nebenan gebracht und verbrannt.

Dieser Ablauf ist schrecklich und tatsächlich von 1939 bis 1945 in Auschwitz I+II passiert. Es darf nie wieder geschehen!

Pascal

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Als Gott und die Welt schliefen…

In Erinnerung an Otto Schwerdt*, einem Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau

Von Christian und Joel

Als Gott und die Welt schliefen…

Am Eingang, das Tor, Arbeit macht frei,

vor ihnen das Lager, der Traum war vorbei.

Die Zeit im Lager hatte begonnen,

Koffer, Freiheit, Leben genommen.

Aus Namen wurden Zahlen,

aus Freuden Qualen.

Wie Tiere gehalten.

Nummern verwalten.

Als Gott und die Welt schliefen ...

Blut vergossen

Gefangene erschossen

Keine Gnade.

Kein Entkommen.

Jegliche Freiheit geklaut

Gaskammern erbaut

Asche bedeckt Himmel und Sterne,

die am Boden und die in der Ferne.

Als Gott und die Welt schliefen ...

Der letzte Atemzug, Zyklon B.

Stacheldraht das letzte, was ich seh.

Kammern kamen dem Erdboden gleich

Todesmärsche. In welches Reich?

Ist Gott aufgewacht?

*Otto Schwerdt, geb. am 3. Januar 1923 in Braunschweig, gest. am 30. Dezember 2007 in Regensburg, wurde Mai 1943 zusammen mit seiner Familie verhaftet und in das KZ Auschwitz Birkenau deportiert. 1998 veröffentlichte er seine Biographie unter dem Titel: Als Gott und die Welt schliefen…

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Tadeusz Sobolewicz

Meine Eindrücke zum Zeitzeugen

Ich war sehr fasziniert von unserem Zeitzeugen. Dieser alte, gebrechliche Mann, der im Detail

berichtete, was wirklich geschah. Ich war, nein bin stolz aus erster Hand zu erfahren, was nie wieder

geschehen darf. Die Aussage von Tadeusz Sobolewicz, dass er kein Held sei, sondern nur für die

spricht, die nicht mehr sprechen können, hat mich zum Nachdenken gebracht. Die Aufgabe, die er

uns auferlegt hat, so eine Unmenschlichkeit nie wieder geschehen zu lassen, war mir spätestens da

bewusst.

Kevin

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Ein Zeitzeugengespräch

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Als wir den Raum betraten, saß Herr S. bereits an seinem Platz, eine dunkle Brille verdeckte seine

Augen. Als er begann zu sprechen, verstummten alle sofort, alle zeigten ihren Respekt. Er begann

seine Rede mit dem Satz: “Meine deutschen Freunde!“

Dieser Beginn machte mich nachdenklich und ich hörte weiter aufmerksam zu.

Für manche Dinge die er berichtete, forderte er unsere Einwilligung.

Ich war manchmal irritiert, weil er manche Sätze fast humorvoll erzählte. Und immer wieder

benutzte er die Formulierung „meine deutschen Freunde“.

Als er dann kurz vor dem Ende war, forderte er uns auf, die Verantwortung zu übernehmen, unsere

Welt aufzuklären, das Wissen, das er uns vermittelt hat, weiterzugeben.

Als ich dies hörte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich fragte mich, was er jetzt wirklich von mir

verlangt, ob ich jetzt Seminare halten soll oder auf die Straße gehen, um seine Worte weiter

zugeben. Oder was passieren würde, wenn ich es nicht tue.

Ich finde das schwer. Auch weil wir jüngere Schüler haben, die vielleicht nicht wissen, wie sie damit

umgehen sollen. Oder, ob sie das überhaupt schaffen.

Paul

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Ein Zeitzeugengespräch

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Ein Brief an Herrn Sobolewicz

Lieber Herr Sobolewicz,

zuerst einmal möchte ich mich für diese einmalige Gelegenheit bedanken, mit einem Zeitzeugen des

Holocaust zu sprechen! Es war mir eine große Ehre und ich empfinde tiefsten Respekt vor Ihnen, dass

Sie es schaffen, nach solchen Erfahrungen und nach dieser langen Zeit uns noch die Möglichkeit zu

geben, mit Ihnen zu sprechen. Diese entsetzliche Geschichte aus dem Mund eines Zeitzeugen zu

hören, welche sie selbst als eine Odyssee bezeichnen. Sie waren unter anderem in den

Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald und Flossenbürg. Sie selber sahen jeden Tag dem Tod

ins Gesicht, ihre Freunde und Kameraden unterlagen täglich der Unmenschlichkeit der Nazis. Sie

erzählten uns, wie Sie tote Freunde von der Arbeitsstelle zurück in die Unterkünfte trugen, im

Bewusstsein, dass Sie am nächsten Tag an ihrer Stelle sein könnten. Sie berichteten von den täglichen

Misshandlungen, von Schlägen, Tritten, öffentlichen Erniedrigungen! Sie erzählten von vier Jahren

Hölle. Sie berichteten von der grausamen, unberechenbaren Willkür in den Konzentrationslagern.

Nun frage ich mich, wie war das möglich? Wie war es möglich, das zu ertragen? Wie schafften Sie es,

Tag für Tag aufzustehen, ohne zu wissen, ob sie abends wieder zurückkehren würden?

Wie war es möglich, diese Hölle zu ertragen, ohne zu wissen, ob es jemals wieder ein Leben in

Freiheit geben würde?

Mich, als Mensch des 21. Jahrhunderts, der den Holocaust bisher nur aus Büchern, Fotos, Filmen

kannte, hat dieses Gespräch schwer beeindruckt.

In tiefer Ehrfurcht,

Daniel K.

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Daniel

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Farhiya

Alle Menschen wollen leben

An das unbekannte Mädchen aus dem Stammlager.

Ich schließe meine Augen und sehe dich wieder.

Deine Augen.

Diese unglaublich traurigen Augen. Wie dein Leben wohl vor all dem war?

Warst du glücklich?

Vielleicht sogar schon mal verliebt?

Dir wurde alles genommen, zurück blieb nur eine Nummer und ein Häufchen Asche.

Wie konnten sie nur?

Diese Schweine!!! Ich hasse sie!!!

Und ich hasse mich, dafür, dass ich mir deinen Namen nicht mal merken konnte.

Es tut mir so leid!

Ich weiß deinen Namen nicht mehr.

Ich weiß nicht mehr, in welchem Block ich dein Bild gesehen habe.

Doch an eines kann ich mich noch erinnern.

Ganz genau erinnere ich mich, wie eingebrannt in mein Gedächtnis.

Ich erinnere mich genau an dein Gesicht.

Es verfolgt mich und ich fühle mich so schuldig!

Du hast so ängstlich ausgesehen, du wusstest, was dir passieren würde, oder?

Ich kann dich nicht vergessen!

Du warst doch gerade mal 15 Jahre alt! Dein ganzes Leben lag noch vor dir und diese Scheiß! Nazis haben es

dir einfach genommen.

Wieso weiß ich deinen Namen nicht mehr? Wieso konnte ich ihn mir nicht merken?

Er ist einfach nicht mehr da, vergessen.

Man vergisst so leicht…

Vergessen, verdrängen, nicht mehr wissen wollen…

Betäubt sein?

Ich glaube, das trifft es am besten, ich bin betäubt von all dem Schrecklichen und Unfassbaren, das in

Auschwitz geschehen ist.

Ich gebe dir ein Versprechen.

Ich werde dich niemals vergessen! HÖRST DU MICH?

Du wirst ein Teil von mir sein und eine Erinnerung, meine innere Mahnung, dass so etwas nie wieder

geschehen darf!

Doch das Vergessen ist so viel einfacher, schmerzloser…

Werde ich dich doch vergessen?

Ich weiß es nicht.

Will ich es überhaupt wissen?

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Text von Steffi

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Ich sehe sie ganz deutlich vor mir. Angsterfüllt. Traurig. Wütend. Unsicher. Mütter mit ihren Kindern.

Väter. Großeltern. „Genau hier haben sie gestanden und auf ihren Tod gewartet!“, die Worte unseres

Guides ließen mich aus meinen Vorstellungen aufschrecken. Wir stehen etwa einhundert Meter

entfernt von dem fünften Krematorium. Hier führen drei Wege durch einen kleinen Wald. Der, von

dem wir gekommen sind, und jeweils einer nach rechts und nach links. Ein Frösteln durchläuft mich.

Nicht, wegen des strömenden Regens, sondern wegen des Gefühls, das mich gefangen hält, seit ich

das Vernichtungslager betreten habe.

Ich sehe mich um. Es ist so, als stecke ich mitten drin. Ich sehe sie. Die Juden, die genau hier auf ihren

Tod warten. Mit einem letzten Funken Hoffnung in ihrem Blick. „ Sie wissen es nicht!“, denke ich.

Eine Traurigkeit steigt zu dem mulmigen Gefühl in mir auf. Es ist, als wollten beide Emotionen mir

die Luft nehmen, mich von innen zerquetschen.

Kinder schreien. Wärter brüllen. Peitschen, Fäuste, Stiefel knallen gegen Knochen. Der Gestank wird

immer schlimmer. Verbrannte Haut, alte Fäkalien, vermoderte Leichen. Mittendrin stehen sie. Die

Juden. An der Straße zum Krematorium. Ihrem Tod. Sie wissen es nicht. Woher auch? Sie denken, sie

werden geduscht. Da sind sie wieder. Die Gefühle. Sie verschlingen meinen Verstand, schnüren mir

fast die Luft ab.

„Folgen sie mir bitte.“, wieder ist es der Guide, der mich aus meinen grausamen Gedanken befreit.

Wir gehen zur sogenannten Sauna. Dort mussten sich die Menschen ausziehen, ihnen wurden die

Haare abrasiert, sie mussten alle Wertgegenstände abgeben. Die Kleider werden desinfiziert und an

Zivilbürger in Deutschland verteilt. Was ist das für ein bizarrer Gedanke. Menschen, die keine Ahnung

haben, was ihre Landsleute da anstellen, bekommen Kleider, die hilflosen und unschuldigen

Menschen genommen wurden.

Immer und immer wieder muss ich gegen diese Gefühle ankämpfen. Doch sie wollten mich nicht

verlassen. Sie werden nur noch stärker, als ich die Sauna betrete.

Angsterfüllte Gesichter. Schreie. Getrampel. Schläge. Es riecht muffig. Eine junge Frau schaut mir

flehend in die Augen, als wollte sie sagen: „Bitte hilf mir. Bitte befreie mich, ich habe Angst.“ Nun

mischt sich der schwarze Hass zu der grauen Gefühlsmasse, die mein Inneres durchläuft. Wie können

Menschen so grausam sein? Unschuldige Menschen. Junge Menschen, alte, zerbrechliche, Männer,

Frauen. Nur wegen ihrer Religion, ihres Glaubens oder ihrer Abstammung töten? Ich versuche es zu

verstehen. Versuche hinter diese Grausamkeit zu kommen. Doch es gelingt mir nicht. Die Bilder

verschwinden. Sie weichen Bildern von jungen Männern. Männer in brauner oder schwarzer

Uniform. Die Hakenkreuzbinde am Arm. Sie lachen. Erzählen sich die besten Geschichten von den

Häftlingen: „Gerade heute erst habe ich einem, der erschöpft auf dem Boden lag, so hart ins Gesicht

getreten, dass sich sein Nasenknochen in den Kopf gebohrt hat.“ Alle lachen. Es läuft mir eiskalt den

Rücken herunter. Wie können Menschen so grausam sein? Wie? Ich kann es nicht verstehen! Junge

Menschen, die eigentlich einen normalen Menschenverstand besitzen müssten. Wie können sie

hilflose Menschen töten? Wie können sie standhaft bleiben, bei all dem Leid und dem Tod? Wie

können sie in flehende, angsterfüllte Augen schauen, ohne dass es sie berührt? Ohne ihre grausamen

Taten auch nur ansatzweise in Frage zu stellen? Diese Gedanken treiben Verzweiflung in meinen

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Gefühlsmisch. Die Verzweiflung zu verstehen. Ich kann es nicht verstehen. Und ich glaube, so einen

Abschaum, solche verflucht ungerechten und grausamen Menschen will ich auch nicht verstehen!

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Marcel

Ein Weg durch Auschwitz

Ich stehe vor dem Eingang vom Stammlager und sehe das Schild: „Arbeit macht frei!“

Ich fühle mich jetzt schon schlecht, obwohl ich noch nicht einmal auf dem Gelände bin. Mit dem

Wissen, dass mein Opa in drei verschiedenen KZs war, schrecke ich davor zurück, dieses Lager zu

sehen. Als ich unter dem Schild hindurch gehe, schießen mir Bilder von Tausenden von Toten, dürre,

leblose, übereinandergeworfene Körper und das Gesicht von meinem Opa durch den Kopf.

Jeder Schritt tut weh.

Ich will nicht länger hier sein, aber gleichzeitig will ich doch wissen, wie die Blöcke aussehen und

etwas über die Schicksale anderer erfahren.

Am schlimmsten ist Block 11.

Als ich die Zellen im Keller sehe, die Strafzellen, die Dunkelkammer und die Todeswand – da zeichnet

sich in mir ein Bild ab, wie krass, wie blutrünstig und einsichtig die Nazis waren.

Mit dem Zeitzeugengespräch wird dieses Gefühl dieser Eindruck immer krasser. Man erfährt, dass die

Gefangenen getötet wurden, weil sie ein paar Sekunden zu spät die Kappe abgesetzt haben. Mit dem,

was wir erfahren, wird mir klar, im Grunde war es unmöglich, dieses KZ zu überleben.

Dennoch, ein paar haben es geschafft.

Mein Opa zum Beispiel.

Ich denke, jeder sollte in das Lager, sollte den Stacheldraht, die Wachtürme und die Gaskammern

sehen.

Sie sollten mit den Überlebenden reden und sich dann ein Bild davon machen, wie ekelhaft dieses

Lager war.

Und ich würde jeden vor die sieben Tonnen Haare stellen und dann kapiert jeder, wie diese

Menschen behandelt wurden. Wie Tiere, nur noch schlimmer.

Ich finde, jeder sollte was gegen Nazis tun und so etwas nie wieder zulassen.

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