Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

14
…der stat briefe mit laden zu ordenen“. Ausstellung zur Geschichte des Stadtarchivs Speyer Das Archiv der Stadt Speyer kann ohne Frage als ältestes und traditionsreichstes kommunales Archiv der Pfalz bezeichnet werden. Die Anfänge der schriftlichen Überlieferung gehen weit in das Mittelalter zurück. Das früheste Dokument, das heute im Archiv verwahrt wird, ist eine Urkunde Kaiser Friedrichs I. aus dem Jahr 1182, in der die von Kaiser Heinrich V. im Jahr 1111 der Stadt Speyer verliehenen berühmten Privilegien bestätigt und erweitert wurden. Diese Urkunde wird derzeit in der Ausstellung „Die Salier. Macht im Wandel“ im Historischen Museum der Pfalz gezeigt. Die Entwicklung des städtischen Archivs kann als Spiegelbild der Geschichte Speyers, eines der wichtigsten urbanen Zentren des mittelalterlichen Reiches betrachtet werden. Die Sorge um die Bewahrung und Sicherung der politisch wie wirtschaftlich bedeutenden Privilegien und Rechte ist bereits sehr früh anzunehmen. Im Gegensatz zu anderen Kommunen, in denen ein Archiv erst relativ spät greifbar wird, sind wir in Speyer seit dem späten Mittelalter kontinuierlich über die Entwicklung des städtischen Archivs, das eng mit der Ratskanzlei verzahnt war, unterrichtet. Die Urkunden und andere Archivalien berichten von einer Unterbringung in Truhen (Laden) im Gewölbe des Rathauses. Die wertvollsten Privilegien wurden in der „Roten Lade“ verwahrt. Aus dem Jahr 1579 stammt das älteste erhaltene Archivverzeichnis (Repertorium). Einen tiefgreifenden Einschnitt in die Geschichte der Stadt Speyer und ihrer archivischen Überlieferung markierte der

Transcript of Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

Page 1: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

…der stat briefe mit laden zu ordenen“. Ausstellung zur Geschichte des Stadtarchivs

Speyer

Das Archiv der Stadt Speyer kann ohne Frage als ältestes und traditionsreichstes kommunales

Archiv der Pfalz bezeichnet werden. Die Anfänge der schriftlichen Überlieferung gehen weit

in das Mittelalter zurück. Das früheste Dokument, das heute im Archiv verwahrt wird, ist eine

Urkunde Kaiser Friedrichs I. aus dem Jahr 1182, in der die von Kaiser Heinrich V. im Jahr

1111 der Stadt Speyer verliehenen berühmten Privilegien bestätigt und erweitert wurden.

Diese Urkunde wird derzeit in der Ausstellung „Die Salier. Macht im Wandel“ im

Historischen Museum der Pfalz gezeigt.

Die Entwicklung des städtischen Archivs kann als Spiegelbild der Geschichte Speyers, eines

der wichtigsten urbanen Zentren des mittelalterlichen Reiches betrachtet werden. Die Sorge

um die Bewahrung und Sicherung der politisch wie wirtschaftlich bedeutenden Privilegien

und Rechte ist bereits sehr früh anzunehmen. Im Gegensatz zu anderen Kommunen, in denen

ein Archiv erst relativ spät greifbar wird, sind wir in Speyer seit dem späten Mittelalter

kontinuierlich über die Entwicklung des städtischen Archivs, das eng mit der Ratskanzlei

verzahnt war, unterrichtet. Die Urkunden und andere Archivalien berichten von einer

Unterbringung in Truhen (Laden) im Gewölbe des Rathauses. Die wertvollsten Privilegien

wurden in der „Roten Lade“ verwahrt. Aus dem Jahr 1579 stammt das älteste erhaltene

Archivverzeichnis (Repertorium).

Einen tiefgreifenden Einschnitt in die Geschichte der Stadt Speyer und ihrer archivischen

Überlieferung markierte der Stadtbrand des Jahres 1689. Auch wenn die wertvollsten Teile

des Archivs, beschlagnahmt und nach Straßburg gebracht, die Zerstörung der Stadt

unbeschadet überstanden hatten, waren doch gewisse Verluste zu beklagen. Das städtische

Archiv wurde im 1726 eingeweihten neuen Rathaus in einem heute noch erhaltenen,

repräsentativen Archivraum (heute Trausaal des Standesamtes) untergebracht.

Im 19. und 20. Jahrhundert war die Geschichte des Stadtarchivs Speyer eng verbunden mit

der bayerischen Archivverwaltung in der Pfalz (Kreisarchiv- bzw. Staatsarchiv, heute:

Landesarchiv Speyer). Mehrere Archivare des Kreis- bzw. Staatsarchivs Speyer waren im

„Nebenamt“ mit der Verwaltung der schriftlichen Überlieferung der Stadt Speyer betraut. Die

in der damaligen Perspektive „professionelle“ (Mit-)Betreuung des Stadtarchivs hatte Vor-

und Nachteile für die Entwicklung des Archivs. Letzter nebenamtlicher Stadtarchivar war bis

zum Jahr 1963 Ludwig Anton Doll (+ 2009).

Page 2: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

Mitte der 1990er Jahre erhielt das Stadtarchiv neue Räumlichkeiten in der Johannesstraße 22a.

Dort verfügt das „Gedächtnis der Stadt“ seitdem über einen großen Lesesaal, der auch als

Vortragsraum genutzt wird, sowie über Magazine und Büroräume.

Das Stadtarchiv Speyer versteht sich im Jahr 2011 als moderne, dienstleistungsorientierte

Einrichtung, die allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern offen steht.

Impressum

Eine Ausstellung des Stadtarchivs Speyer, Rathaus Speyer, 11. bis 26. August 2011.

Onlineversion (via http://www.facebook.com/Speyer.Stadtarchiv;

http://www.flickr.com/photos/stadtarchiv_speyer/): Stadtarchiv Speyer.

Konzeption und Texte: Dr. Joachim Kemper, Hiltrud Zellner und Elisabeth Steiger (alle

Stadtarchiv Speyer).

Gestaltung: Ronald Füchsle, Atelier Weidner-Füchsle, Neustadt an der Weinstraße

(http://www.atelierweidnerfüchsle.de/index.htm)

Wir danken dem Standesamt Speyer, dem Landesarchiv Speyer, dem Historischen Museum

der Pfalz und der Stadtverwaltung Germersheim für die freundliche Unterstützung der

Ausstellung.

Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 9 bis 17 Uhr; Freitag 9 bis 13 Uhr. Die Ausstellung

ist zusätzlich am Samstag/Sonntag 13./14. August zugänglich; am Samstag/Sonntag 20./21.

August ist die Ausstellung geschlossen.

Speyer, im August 2011

Stadtarchiv Speyer

http://www.speyer.de/de/bildung/bibliotheken/stadtarchiv

Page 3: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

Stadtarchiv und Ratskanzlei in der reichsstädtischen Zeit

1 Aus den Anfängen des Stadtarchivs

Die Speyerer Ratsverordnung vom 15. Dezember 1332

Wir sind über die Verwahrung der für die Reichsstadt Speyer wichtigen Urkunden

vergleichsweise gut unterrichtet. Bereits in der Ratsverordnung vom Dezember 1332 wird

berichtet, dass drei Ratsherren einen Schlüssel zu den in einer Truhe liegenden

Privilegienurkunden und zum großen Stadtsiegel besaßen. Es wurde festgelegt, dass nach der

Entnahme von Urkunden diese innerhalb von zwei Tagen wieder in die Lade zurückgelegt

werden sollten. Im 14. Jahrhundert, also zur Zeit der genannten Ratsverordnung, umfasste das

Archiv der Stadt neben einer ganzen Reihe von Urkunden auch bereits erste

Verwaltungsbücher (Amtsbücher), denen wenige Jahrzehnte später geschlossene Reihen von

Amtsbüchern und Akten folgten. Für die Stadt hatte eine geordnete Schriftgutverwaltung und

Archivierung auch eine erhebliche rechtlich-politische Bedeutung.

Stadtarchiv Speyer, Bestand 1U Nr. 244 (gezeigt wird eine Reproduktion).

2 Das mittelalterliche Stadtarchiv im „Gewelbe“ des Rathauses

Übergabe des Archivs der Münzer und Hausgenossen an das Stadtarchiv

Die Verwahrung der städtischen Privilegien und Archivalien erfolgte in einem mehrfach im

Mittelalter erwähnten „Gewelbe“ des Rathauses. Für die wertvollsten Stücke war eine „Rote

Lade“ reserviert, zu deren Obhut im Jahr 1487 eine eigene Ratskommission eingesetzt wurde.

Von einer Neuordnung der städtischen Urkunden in Laden wird schließlich im Jahr 1452

gesprochen. Bereits viele Jahrzehnte früher (1349) war das Urkundenarchiv der Speyerer

Münzer und Hausgenossen nach deren „Entmachtung“ an den von den Zünften beherrschten

Rat abgegeben worden. Über die Unterbringung dieses patrizischen „Sonderarchivs“ berichtet

auch eine undatierte Notiz im städtischen Ratsbuch (seit 1347), die in der Ausstellung gezeigt

wird (fol. 16v). Danach wurden die Urkunden in eine Truhe im Gewölbe des Ratshofes

transportiert. Diese war mit sechs Schlössern versehen, konnte also nur bei Anwesenheit von

sechs Ratsherren geöffnet werden.

Stadtarchiv Speyer, Bestand 1A Nr. 50 I fol. 16v-17r (gezeigt wird eine Reproduktion).

3 Die Ordnung des Stadtarchivs in „Laden“

Page 4: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

Das Archivrepertorium von 1579

Das älteste, sehr voluminöse Verzeichnis („Repertorium“) des Archivs aus dem Jahr 1579

zeigt, dass der Urkundenbestand in „Laden“ unterteilt war, die jeweils fortlaufend mit

Buchstaben untergliedert waren (A bis Z und AA bis RR). Jede dieser Laden umfasste

bestimmte Sachgruppen (die in der Ausstellung gezeigte Abbildung zeigt zwei Seiten aus

Buchstabe T: Schirmbriefe und Schirmeinungen). Mit Archiv und Registratur dürften in der

Regel die städtischen Ratskonsulenten und Stadtschreiber sowie deren Gehilfen betraut

gewesen sein. Die enge Verzahnung des Archivs mit der Ratskanzlei wird vielfach in den im

heutigen Stadtarchiv verwahrten Akten und Amtsbüchern deutlich.

Stadtarchiv Speyer, Bestand 1A Nr. 83 fol. 258v-259r (gezeigt wird eine Reproduktion).

4 Typische Hilfsmittel der Ratskanzlei

Zwei Formelbücher

Zu den wichtigsten internen Hilfsmitteln der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen

Kanzlei zählten die Formel- oder Formularbücher (später auch als Titulaturbücher

bezeichnet). Es handelt sich um Textsammlungen für verschiedene Schreibzwecke und

Urkunden. Als Vorlage dienten eigene oder empfangene Schreiben, während im Fall der

Titulaturbücher spezielle Textelemente im Vordergrund standen: insbesondere die Wahl der

richtigen Anrede/Titulaturen konnte von politischer Tragweite sein und galt als Wissenschaft

für sich! Gezeigt werden ein noch im späten Mittelalter begonnenes Formelbuch der Speyerer

Ratskanzlei (a) und ein Speyerer Titulaturbuch aus dem 18. Jahrhundert (b). Aufgeschlagen

sind beim Formelbuch Schreiben bzw. Anreden für kleine Städte und „Flecken“ bzw. Dörfer

(linke Seite) und Schreiben an Zöllner (in Udenheim). Im Fall des Titulaturbuchs wird die für

das Reichsoberhaupt (den Kaiser) zu gebrauchende Titulatur gezeigt. Sie beginnt mit: „Dem

allerdurchlauchtigsten, großmächtigsten und unüberwindlichsten fürsten und herrn …“.

a) Stadtarchiv Speyer, Bestand 1A Nr. 86 fol. 47v-48r (gezeigt wird das Original).

b) Stadtarchiv Speyer, Bestand 1A Nr. 87 fol. 86r (gezeigt wird das Original).

5 Urkundenlade

Die „Rote Lade“ des Stadtarchivs

Page 5: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

Für die wertvollsten Urkunden im Stadtarchiv war eine „Rote Lade“ reserviert, die bereits im

späten Mittelalter erwähnt wird. Für die „Rote Lade“ wurde im Jahr 1487 eigens eine

Ratskommission eingesetzt. In dieser Lade wurden die für die Reichsstadt grundlegenden

Privilegien der deutschen Kaiser und Könige verwahrt. Die Lade kann mit Fug und Recht als

Prachtstück der Speyerer Handwerkskunst (um 1720) beurteilt werden. Besonders

hervorzuheben ist der ausgefeilte Schließmechanismus.

Stadtarchiv Speyer (gezeigt wird das Original).

6 Schwierige Zeiten

Die Flüchtung des Stadtarchivs im Jahr 1689

Die Besetzung der Stadt Speyer im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch französische Truppen

und der verheerende Stadtbrand des Jahres 1689 bildeten eine Zäsur in der Geschichte der

Stadt. Die Ereignisse gingen auch am städtischen Archiv nicht spurlos vorüber: Auf Befehl

der Franzosen wurden erhebliche Teile des Stadtarchivs beschlagnahmt und nach Straßburg

transportiert. Diese Fortführung des Archivs in französischen Gewahrsam war zugleich seine

Rettung, denn die in Speyer verbliebenen Reste des Archivs wurden (weitgehend?) ein Opfer

des Stadtbrands. Der Umfang dieser Verluste ist schwer abzuschätzen; sie scheinen allerdings

nicht sehr umfangreich gewesen zu sein. Die Rückkehr des Stadtarchivs nach Speyer –

insgesamt waren es 142 Kästen – erfolgte im Jahr 1698. Der Speyerer Stadtrat übertrug die

Aufgabe der Abholung dem Stadtschreiber Johann Wachlatz. Die schriftliche Vollmacht, die

in der Ausstellung gezeigt wird, spricht von „unser[em] gesamte[m] stattarchiv, protocolla

und andere[n] schriftliche[n] documenten“.

Stadtarchiv Speyer, Bestand 1A Nr. 78 fol. 70r-v (gezeigt wird eine Reproduktion).

7 Der Umzug des Stadtarchivs

Ein repräsentativer Archivraum entsteht

Im 1726 eingeweihten neuen Rathaus fand auch das Archiv der Stadt eine neue Bleibe. Die

Archivalien wurden im Erdgeschoss in einem eigenen Archivraum untergebracht. Die

Aufbewahrung erfolgte in Wandschränken in transportablen (und damit „flüchtbaren“)

Archivladen. Der historische Archivraum dient heute der Stadt Speyer als Trausaal (die

Ausstellung findet im Nebenraum des Trausaals statt). Die bis heute erhaltene Einrichtung

gibt einen sehr guten Eindruck davon, wie man sich eine reichsstädtische Archiveinrichtung

Page 6: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

im 18. Jahrhundert vorzustellen hat. Der historische Archivraum wurde (mit längeren

Unterbrechungen) bis in die 1990er Jahre vom Stadtarchiv Speyer als Lesesaal genutzt.

a) Foto (Trausaal, Ansicht seitlich): Standesamt Speyer.

b) Foto (Trausaal, Wandschränke): Standesamt Speyer.

Das „Gedächtnis der Stadt“ im 19. und 20. Jahrhundert

8 „Bayerische“ Archivare im Stadtarchiv I

Neuverzeichnung des reichsstädtischen Archivs durch Peter Gayer (1833/1834)

Mit dem Ende der Napoleonischen Zeit fielen größere linksrheinische Gebietsteile

(weitgehend identisch mit der heutigen „Pfalz“) an Bayern. Speyer wurde in der Folge Sitz

der Regierung des bayerischen Rheinkreises und gleichsam Hauptstadt der Rheinpfalz. Die

Geschichte des Stadtarchivs war seitdem eng verbunden mit dem neu errichteten

„Kreisarchiv“, dem späteren „Staatsarchiv“ (seit 1921) und heutigen Landesarchiv Speyer.

Die zumeist nur nebenamtliche Betreuung des Archivs brachte nicht nur Vorteile, sondern

schränkte auch das eigenständige Wachstum dieser städtischen Einrichtung ein. Bereits der

Kreisarchivar Peter Gayer sorgte um 1833/1834 für eine (aus heutiger Sicht unzureichende)

Verzeichnung der reichsstädtischen Archivalien und ließ die Archivalien wieder aus dem

Speicher des Rathauses in den Archivraum bringen. Peter Gayer (1793-1836) amtierte von

1820 bis 1836 als Vorstand des Speyerer Kreisarchivs. Gayer, im Kreisarchiv wegweisend

durch die Erarbeitung zahlreicher grundlegender Findmittel, hatte auch als Künstler bzw.

Zeichner historischer Gebäude und Örtlichkeiten einiges Talent. Seine Zeichnungen befinden

sich heute im Historischen Museum der Pfalz in Speyer.

In der Ausstellung gezeigt werden das auf Gayer zurückgehende Repertorium der

reichsstädtischen Akten und zwei Sepiazeichnungen Gayers: einmal die Ruine der heute

verschwundenen Speyerer Peterskirche (b) und dann eine Ansicht, die den Speyerer Dom (vor

der Errichtung des Westbaus) von Südosten aus zeigt (c).

a) Stadtarchiv Speyer, Inventarium I (gezeigt wird das Original).

Page 7: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

b) Historisches Museum der Pfalz: Peterskirche in Speyer, Sepiazeichnung von Peter Gayer

(1793-1836), BS 424, Foto: Peter Haag-Kirchner.

c) Historisches Museum der Pfalz: Speyer, Dom von Südosten, Sepiazeichnung von Peter

Gayer (1793-1836), BS 357, Foto: Peter Haag-Kirchner.

9 „Bayerische“ Archivare im Stadtarchiv II

Otto Riedner (1879-1937) und Albert Pfeiffer (1880-1948)

Seit dem Jahr 1892 wurde das Stadtarchiv durchgehend von Beamten des bayerischen

Kreisarchivs Speyer betreut. Diese waren in der Regel nur nebenamtlich tätig, entfalteten aber

teils erhebliche Aktivitäten für das Stadtarchiv. Eine beachtliche berufliche Karriere beschritt

beispielsweise Otto Riedner (a). Der aus Unterfranken stammende Riedner kam 1906 direkt

nach der in München absolvierten Archivprüfung nach Speyer, wo er auch das Stadtarchiv

mitbetreute und für etliche interne Verbesserungen sorgte. Riedner, der schon 1908 nach

München zurückkehrte, wurde 1923 Generaldirektor der staatlichen Archive Bayerns. Mit

Albert Pfeiffer (b) wurde ein gebürtiger Südpfälzer sein Nachfolger. Pfeiffer, der einer

politisch wie kulturell stark engagierten Familie entstammte, leitete das Archiv der Stadt

Speyer im Nebenamt bis zu seinem Tod Ende 1948. Auf Pfeiffer folgte (bis 1963) als letzter

nebenamtlicher Stadtarchivar Ludwig Anton Doll (1919-2009).

a) Foto Otto Riedner (Archivalische Zeitschrift 45/1937, nach S. 374): Bayerisches

Hauptstaatsarchiv (Reproduktion).

b) Stadtarchiv Speyer, Dienstbibliothek A 256: Nachruf auf Albert Pfeiffer (Autor: Dr.

Helmut von Jan), 4 Seiten (gezeigt wird eine Reproduktion).

10 Eine programmatische „Festschrift“

„Das Archiv der Stadt Speyer“ (Albert Pfeiffer, 1912)

Albert Pfeiffer sorgte mit seinem gedruckten Tätigkeitsbericht „Das Archiv der Stadt Speyer“

für eine umfangreichere Darstellung der Geschichte des Archivs. Neben der Archivgeschichte

thematisierte Pfeiffer besonders die jüngste Vergangenheit und unmittelbare Gegenwart. Dies

macht die Schrift Pfeiffers zu einem wichtigen Zeitdokument. Das Archiv konnte unter der

Ägide Pfeiffers 1909 in neue Räumlichkeiten rechts vom Rathauseingang umziehen. Pfeiffer

erinnerte in seinem Tätigkeitsbericht auch an das „Salierjahr“ 1911 (als „Gedenktag von

Page 8: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

höchster Wichtigkeit“). Doch zeigt sich rückblickend, dass die Stadt damals trotz einiger

mahnender Stimmen dem Jubiläum wenig abgewinnen konnte.

Stadtarchiv Speyer, Dienstbibliothek GI 714 (Titelblatt u. S. 3) (gezeigt wird eine

Reproduktion).

11 Der Zweite Weltkrieg

„Archivschutz“ und Auslagerungen

Als im Verlauf des Zweiten Weltkriegs die Luftangriffe auf deutsche Städte zunahmen,

wurden die Urkunden und andere Bestände des Stadtarchivs ausgelagert. Als Depot wurde die

Seyssel-Kaserne im nahen Germersheim gewählt, die als bombensicher galt. Dorthin

gelangten auch die Bestände anderer pfälzischer Museen, Bibliotheken und Archive. Sie

überstanden dort den Krieg unbeschadet, doch kam es bei Kriegsende vor allem bei den

eingelagerten Sammlungsstücken des Historischen Museums der Pfalz durch Plünderungen zu

größeren Verlusten. Auch das Stadtarchiv Speyer hatte bei seinem Urkundenbestand gewisse

Verluste zu beklagen. Gezeigt werden in der Ausstellung eine von Albert Pfeiffer angefertigte

Aufstellung (a) von nach Germersheim gebrachten Stadt- und Gemeindearchiven (betreffend

auch das Stadtarchiv Speyer) sowie ein Foto (b) der Seyssel-Kaserne („Quartier Vauban“) aus

den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts.

a) Landesarchiv Speyer, Bestand H Nr. 431/I (3 Seiten; gezeigt wird eine Reproduktion).

b) Foto: Fotoarchiv Stadtverwaltung Germersheim.

12 Das Stadtarchiv im Rathauskomplex

Fotografische Impressionen

Bis Mitte der 1990er Jahre war das Stadtarchiv im Rathaus untergebracht. Die räumlichen

Verhältnisse waren alles in allem beengt und für ein modernes Archiv auf Dauer ungeeignet.

Als Benutzerraum diente der historische Archivraum. Zu Beginn der 1990er Jahre war auch

die Kapazität der Magazinräume erschöpft. Die Aufnahmen zeigen einen Blick in das alte

Magazin des Stadtarchivs (a, 1983) sowie einen der Büroräume im Obergeschoß des

Rathauses (b, 1994).

a) Stadtarchiv Speyer, Fotosammlung Nr. 2203.

Page 9: Ausstellung "der stat briefe mit laden zu ordenen"

b) Stadtarchiv Speyer, Fotosammlung Nr. 13555.

13 Ein „adaptiertes“ Archivgebäude

Der Umzug des Stadtarchivs in die Johannesstraße 22a

Aufgrund der räumlichen Verhältnisse war Mitte der 1990er Jahre ein Umzug des

Stadtarchivs unumgänglich. Als geeignet erwies sich das ehemalige Gebäude der Pfälzischen

Landesbibliothek in der Johannesstraße 22a (zuvor Tabakfabrik Wellensiek & Schalk). Der

Gebäudekomplex wurde teilweise für das Archiv umgebaut („adaptiert“). Neben einem

großen „öffentlichen“ Bereich (Lesesaal) erhielt das Archiv auch zwei große Magazine sowie

Büroräume. Unsere Fotos zeigen: Zigarrenmacherinnen der Firma Wellensiek & Schalk (a,

undatiert); Johannesstraße 22a, Vorder- und Rückseite heute (b und c); Magazin heute (d);

Lesesaal (e).

a) Stadtarchiv Speyer, Fotosammlung Nr. 6480.

b) – e) Fotos: Stadtarchiv Speyer.

Das „Gedächtnis der Stadt“ in der Gegenwart

Das Stadtarchiv Speyer steht gegenwärtig vor neuen Aufgaben und Herausforderungen.

Derzeit werden archivische Kernaufgaben wie Aussonderung und Übernahme, Erschließung

und Bestandserhaltung auf den Prüfstand gestellt. Die „Schätze“ des Archivs, d.h. eine

Auswahl der wertvollsten Archivalien (Urkunden und Handschriften), sollen in absehbarer

Zeit im Internet präsentiert werden. Durch einen „virtuellen Lesesaal“ soll Interessenten eine

einfache und umfassende Benutzung des Archivs ermöglicht werden.

Zur Verbesserung der Außenwahrnehmung des Archivs beteiligt sich das Stadtarchiv auch an

den „sozialen Medien“. Das Stadtarchiv ist zum Beispiel auf Facebook und Twitter präsent:

http://www.facebook.com/Speyer.Stadtarchiv

http://twitter.com/#!/Speyer_Archiv