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AUTISMUS Was gibt es? - Was braucht es? 29. November 2016, Köln Vorträge und Präsentationen

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AUTISMUSWas gibt es? - Was braucht es?

29. November 2016, Köln Vorträge und Präsentationen

InhalteBegrüßung

Dirk Lewandrowski,LVR-Dezernent Soziales Martina Zsack-Möllmann,Vorsitzende des Sozialausschusses der Landschaftsversammlung Rheinland

Anspruch und Wirklichkeit der SozialgesetzgebungAss. jur. Christian Frese, Geschäftsführer von autismus Deutschland e.V.

Aktueller Forschungsstand (im Hinblick auf Diagnose, Therapie sowie Prognose) undKonsequenzen für die PraxisProf. Dr. Inge Kamp-Becker, Universität Marburg

Was war hilfreich – Was war hinderlichEin (Lebens-)Erfahrungsbericht, Konstantin Pieper

Kinder und Jugendliche„Therapeutische Hilfen für Kinder und Jugendliche mit autistischen Störungen“Referent: Claus Lechmann, ATZ Köln

Schule, Arbeit, WfbM„Kein Arbeiten nach Schema „F“ –die Diversität von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung“Referentin: Pamela Lamprecht, Integrationsfachdienst, Köln

„Jobcoaching in der Praxis: Der betriebliche Alltag bei dem IT-Dienstleister auticon GmbH“Referentin: Sabine Koch, Jobcoach, auticon GmbH, Düsseldorf

Wohnen„Menschen mit Asperger/HFA im Ambulant Betreuten Wohnen“Referent: Harald Matoni, Autismus-Therapie-Ambulanz, Kempen

„Herausfordernde Verhaltensweisen in einem Wohnheim“Referent: Michael Laforce, Haus Combüchen, Bergisch Gladbach

Diagnostik und Therapie„Grundlagen des TEACCH-Ansatzes – ein Fallbeispiel aus dem stationären Setting“Referentin: Andrea Betzel, HPH-Netz-West

„Multimodale Autismus-Behandlung in Vernetzung und Übergang“Referentinnen: Prof. Dr. Judith Sinzig, Roswitha Nass, LVR-Klinik Bonn

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LVR-Dezernat Soziales

LVR - Landschaftsverband Rheinland Kontakt: Kennedy-Ufer 2, 50663 Köln Michaela Zimmermann Telefon: 0221 809-0, E-Mail: [email protected] Dezernat 7 - ohne Ämterauswahl Internet: www.lvr.de [email protected]

Fachtagung „Autismus – Was gibt es? Was braucht es?“ am 29. November 2016 in Köln

Begrüßungsworte Landesrat Herr Lewandrowski

Sehr geehrte Damen und Herren, ohne unhöflich zu sein, möchte ich besonders

noch die Vorsitzende des Sozialauschusses, Frau Zsack-Möllmann, begrüßen, die

nach mir noch einführende Worte sprechen wird.

Ich freue mich sehr, Sie zur heutigen Fachtagung mit dem prägnanten Titel

„Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“ begrüßen zu dürfen. Wie der Titel schon

ausdrückt, ist hehres Ziel der heutigen Veranstaltung demnach nicht nur einen

Überblick über den Status quo an Maßnahmen, Förderungen und sozialen sowie

institutionellen Strukturen und den Stand der Forschung zu erhalten, sondern –

vielleicht weit wichtiger – gemeinsam heraus zu finden, was tatsächlich erforderlich

ist, um auf spezifischen Bedürfnisse dieser Menschen mit Behinderung an Hilfen,

Betreuung usw. im Hinblick auf eine menschenwürdige, gleichberechtigte Teilhabe

einzugehen.

Das schillernde und komplexe Thema Autismus und damit auch die Menschen mit

Autismusspektrumsstörungen rückt aktuell aus unterschiedlichsten Gründen

zunehmend in den gesellschaftlichen Fokus und stellt den LVR und seine Dezernate

vor vielfältige Herausforderungen. Zu dieser Aktualität tragen neue

wissenschaftliche Studien und Forschungen ebenso bei wie die gegenwärtigen

spannenden Diskussionen über das Bundesteilhabegesetz, das sich zurzeit in der

heißen Phase der Gesetzgebung befindet. Man kann nur hoffen, dass das nun

gechmiedete Eisen am Ende den Tragpfeiler für eine gelingende Inklusion von

Menschen mi Behinderungen bildet.

Diese Ausgangslage hat die Landschaftsversammlung Rheinland als politische

Vertretung der kommunalen Körperschaft LVR in einem Antrag für den Haushalt für

2015/2016 aufgegriffen. In seiner Haushaltsrede hat der Vorsitzende der CDU-

Fraktion, Herr Josef Einmal, im April 2015 ausdrücklich darauf hingewiesen, wie

nötig es ist, den unterschiedlichen Bedürfnissen von Menschen mit Autismus

angemessen gerecht zu werden. Die Politik hat hieraus einen Arbeitsauftrag an die

Verwaltung auf den Weg gebracht, der nun mit dieser Tagung eine erste

bedeutende Wegmarke erreicht hat.

Die Fachtagung soll zunächst die teils komplexen sozialrechtlichen und

wissenschaftlichen Rahmenbedingungen aufzeigen. Als Jurist und ehemaliger

Sozialrichter bin ich insofern natürlich sehr gespannt, was der Jurist (Ass. jur.) und

Geschäftsführer von „autismus Deutschland e.V.“, Herr Christian Frese, zu seinem

Vortragsthema „Anspruch und Wirklichkeit der Sozialgesetzgebung“ im Einzelnen

juristisch ausführen wird. Ich gehe davon aus, dass er bei seinem Vortrag uns nicht

verschweigen wird, wie sich nach seiner Meinung die voraussichtlich anstehenden

Bestimmungen des Bundesteilhabegesetzes insbesondere auf die

Versorgungssituation von Menschen mit Autismus auswirken.

Ebenso können wir uns freuen auf den Vortrag von Frau Prof. Dr. Inge Kamp-

Becker. Sie wird uns anschließend über den aktuellen Forschungsstand berichten

und die Konsequenzen, die sich nach dem Stand der Wissenschaft für die Praxis

ergeben.

Neben diesen erwartungsgemäß sicher anregenden und informativen Vorträgen

wollen wir zusammen in den dezernatsübergreifenden Workshops konkrete

Unterstützungsangebote in zentralen Lebensbereichen unter die professionelle Lupe

nehmen. Dem Tagungstitel entsprechend wird sowohl der Bestand der Angebote

dargestellt als auch der Inhalt und Umfang der erforderlichen künftigen Aufgaben

und Maßnahmen heraus gearbeitet.

An der inhaltlichen Gestaltung der Workshops waren neben unserem Dezernat

Soziales, auch die Dezernate „Jugend“, „Schulen und Integration“ sowie das

Dezernat „Klinikverbund und Verbund Heilpädagogischer Hilfen“ beteiligt. Den

beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Frau Eschweiler, Frau Fischer, Herrn

Mertens und Herrn Dr. Schartmann möchte ich an dieser Stelle für die konstruktive

Zusammenarbeit im Vorfeld der heutigen Fachtagung besonders danken. Und Herrn

Miertz für die organisatorische Gesamtplanung und die inhaltliche Gestaltung der

Tagung.

Ebenfalls gilt mein Dank Herrn Ulrich Sickmann, stellvertretend für den Autismus-

Landesverband NRW, für die gute fachliche Kooperation bei der Tagungsplanung.

Ein Großteil der Referentinnen und Referenten hat ja mehr oder weniger direkte

Bezüge zum Autismus Bundes- oder Landesverband e.V.. Herr Sickmann, der auch

geschäftsführender Vorstand von „Autismus Köln/Bonn e.V“ ist, wird heute

Nachmittag auch einen der Workshops, und zwar den zum Thema „Wohnen“,

moderieren. Ferner ist der Autismus-Landesverband NRW, wie sie vielleicht schon

gesehen haben, im Foyer mit einem Infotisch vertreten.

Im Foyer steht aber noch ein zweiter Infotisch. Auf Anregung von Frau Daun,

Mitglied im Autismus-Landesverband NRW und als politische Vertreterin im LVR in

zahlreichen politischen Gremien engagiert, können sie sich dort über ein aktuelles

Forschungsprojekt der Technischen Universität Dortmund in Kooperation mit

mehreren Autismus-Therapie-Zentren informieren. Das wegweisende Projekt nennt

sich „ELKASS – Eltern von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen:

Anforderungen, Belastungen und Ressourcen“. Es geht, verkürzt gesagt, darum,

inwieweit Eltern und Familien von der pädagogisch-therapeutischen Unterstützung

durch die Autismus-Therapie-Zentren, den sog. ATZs, profitieren. Der Stand wird

von der Projektkoordinatorin Frau Oberfeld betreut, die Ihnen sicherlich

weitergehende Fragen beantworten kann.

Wie sie sehen, versuchen wir mit der heutigen Fachtagung, dem politischen Auftrag,

gerecht zu werden, die rechtlichen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen

aufzuzeigen und in den Workshops auf unterschiedlichste Unterstützungsangebote

für Menschen mit Autismus einzugehen. Das bunte Programm wird angereichert

durch den Vortrag von Herrn Konstantin Pieper, der als Betroffener uns von seinem

bisherigen Lebensweg an bestehenden und fehlenden Teilhabe-

Unterstützungsangeboten gemäß dem Tagungsmotto „Was gibt es – Was braucht

es?“ erzählen wird.

Die Tagung verspricht, dem Leitmotiv des LVR „Qualität für Menschen“ treu zu

folgen. Dieses Motiv sollte wie ein Leuchtturm für alle Menschen im Rheinland sein

und uns den Weg zeigen, besonders für Menschen mit Autismus eine wirksame und

gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, damit diesen ein inklusives

menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Ich wünsche uns allen einen arbeitsreichen und erfolgreichen Tag und hoffe, Sie

fühlen sich in unseren schönen Räumen wohl und sind gut versorgt. Ich bin

schließlich sicher, dass von dieser Tagung viele positive Impulse in die breite

Landschaft ausgehen werden. Auf ein Wiedersehen beim LVR.

LVR-Dezernat Soziales

LVR - Landschaftsverband Rheinland Kontakt: Kennedy-Ufer 2, 50663 Köln Michaela Zimmermann Telefon: 0221 809-0, E-Mail: [email protected] Dezernat 7 - ohne Ämterauswahl Internet: www.lvr.de [email protected]

Fachtagung „Autismus – Was gibt es? Was braucht es?“ am 29. November 2016 in Köln

Begrüßungsrede der Vorsitzenden des LVR-Sozialausschusses Frau Zsack-Möllmann

Sehr geehrte Damen und Herren,

der amerikanische Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger Eric Kandel sagt zum

Autismussyndrom, dass es sich in einer Vielfalt von Verhaltensweisen und

Symptomen äußert: „Wenn wir den Autismus verstehen, verstehen wir das Gehirn“.

Eine vielleicht zu optimistische Prognose. Umgekehrt erscheint die Aussage

wahrscheinlicher: wenn wir das Gehirn vollständig verstanden haben, dürften wir

auch endlich den Autismus im Ganzen erkennen. Doch das ist Zukunftsmusik, die

von weiter Ferne nur leise herüber weht.

Wir wissen vielleicht mehr über den Autismus als über das Gehirn, aber heute und

für lange Zeit noch müssen wir uns mit diesen unvollkommenen Erkenntnissen

begnügen und unsere Aufmerksamkeit neben der weiteren Erforschung auch darauf

richten, wie wir die Fragen des Tagungstitel befriedigend beantworten können: Was

steht uns an Angeboten zur Verfügung und was muss angesichts der Bedürfnisse

der Menschen mit Autismus noch angepackt und ausgebaut werden?

Die Angebotslandschaft ist bunt und kaum zu überschauen. Zahlreiche Angebote für

Menschen mit Autismus versuchen die verschiedensten Bedarfe zu decken. Doch die

Lücken in der Versorgungsstruktur sind deutlich erkennbar, selbst wenn oft viele

Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten nicht allen Betroffenen bekannt sind,

geschweige denn die oft verworrenen Zuständigkeitspfade zu den ganz

unterschiedlichen Sozialleistungen und Hilfen der Sozialleistungsträger. Hier

brauchen wir mehr Leuchtsignale und kompetente Lotsen.

Diese mangelhafte Situation hat die Politik auf den Plan gerufen. Gerade

sozialpolitisch Verantwortliche dürfen hier die Hände nicht in den Schoß legen. Im

April 2015 beschloss daher die Landschaftsversammlung Rheinland, dass eine

Fachtagung Autismus organisiert und durchgeführt werden soll. Die Verwaltung

wurde (Zitat): „gebeten, im Rahmen einer Fachtagung ‚Autismus‘ Fragestellungen in

Bezug auf autismusspezifische Maßnahmen sowohl unter fachlichen als auch

rechtlichen Aspekten aufzuarbeiten und Menschen mit einer Störung aus dem

Autismusspektrum in Bezug auf die Beantragung autismusspezifischer Förderung

eine Orientierung an die Hand zu geben.“

Die Begründung des dem Beschluss zugrunde liegenden politischen Antrags wurde

noch konkreter: Menschen mit einer Störung aus dem Autismusspektrum hätten oft

keine gleichwertigen Chancen, an der Gesellschaft teilzuhaben. Sie seien auf

besondere Ansprüche auf Sozialleistungen nach den Büchern des

Sozialgesetzbuches angewiesen, durch Autismus bedingte Einschränkungen zur

gleichberechtigten Teilhabe zu überwinden.

Bei der hiernach nötigen Aufarbeitung der in Betracht kommenden Möglichkeiten

sollte insbesondere auf Folgende eingegangen werden: Autismusspezifische

Therapieformen, autismusspezifische Unterstützung zur Ermöglichung von

Kindertagesstätten, Schulen, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sowie

autismusspezifische Unterstützung im Rahmen des Betreuten Wohnens und am

Arbeitsplatz, ebenfalls jeweils in Form von Fördermaßnahmen und/oder

Integrationshilfen.

Zum Themenkomplex autismusspezifische Therapieformen stellte die Politik der

Verwaltung weiter die Aufgabe, auf der Tagung den aktuellen Stand der

Wissenschaft in Bezug auf Diagnose, Therapie und Prognose sowie Empfehlungen

für Qualitätsstandards und Leitlinien von Therapien darzustellen. Zudem soll die

rechtliche Abgrenzung von Eingliederungshilfe zur Zuständigkeit der Krankenkassen

erläutert werden. Die Tagung sollte nach den Vorstellungen der Antragsteller zudem

im Zusammenwirken mit den im Rheinland ansässigen Autismusverbänden

durchgeführt werden. In diesen sind Betroffene und Angehörige unter dem Dach des

Bundesverbandes „autismus Deutschland“ und des Landesverbandes „autismus

NRW e.V.“ organisiert und zugleich Träger unterschiedlicher Angebote und

Autismus-Therapie-Zentren. Die ausführliche Begründung der politischen Vorlage

schließt mit der Beschreibung des Tagungsziels: Menschen mit einer Störung aus

dem Autismusspektrum in Bezug auf die Beantragung autismusspezifischer

Maßnahmen eine Orientierung an die Hand geben zu können.

Insgesamt also ein recht sportliches Programm, das im Rahmen einer nur eintägigen

Fachtagung an sich nicht zu bewältigen war. Umso mehr muss ich dem LVR und

seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken, dass sie sich diesem Pensum

gestellt und es mit Ausdauer und viel Puste absolviert haben. Sie haben eine

sinnvolle Tagungsstruktur geschaffen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden

skizziert und der aktuelle Forschungsstand erläutert. Herr Konstantin Pieper wird als

Betroffener aus seiner Sicht schildern, was er auf seinem Lebensweg an hilfreichen

Angeboten erlebt hat und was ihm dabei noch gefehlt hat. Deshalb bin ich auf

diesen Vortrag, der über das Recht und die Wissenschaft hinaus geht, sehr gespannt

In den je vier einstündigen Workshops am Nachmittag, die nach viertelstündiger

Pause wiederholt werden, so dass jeder die Möglichkeit hat, an zwei Workshops

teilzunehmen, geht es um konkrete Hilfsangebote für autistische Menschen aus den

Bereichen: erstens therapeutische Hilfen für Kinder und Jugendliche, zweitens

Diversität und Jobcoaching in der Arbeitswelt, drittens Besonderheiten im Ambulant

Betreuten Wohnen und herausfordernde Verhaltensweisen in einem Wohnheim und

schließlich viertens das sog. TEACCH-Konzept und die multimodale Autismus-

Behandlung in Vernetzung und Übergang. Für alle Workshops konnten namenhafte

Referentinnen gewonnen werden, für deren Bereitschaft, sich an der Tagung

engagiert zu beteiligen, möchte ich mich jetzt schon bedanken.

Die heutige Veranstaltung befindet sich in guter Gesellschaft und Tradition. Der LVR

kann auf eine langjährige Reihe verschiedener Fachtagungen verweisen, die sich

Menschen mit Autismus und ihren spezifischen Hilfebedarfen gewidmet haben. So

setzte sich die Fachtagung mit dem Titel „Den Alltag bewältigen!“ schon im

September 2008 mit Unterstützungsangeboten für Menschen mit Autismus

auseinander. Zuletzt fand im März 2015 hier eine erfolgreiche Fachtagung zum

Thema Autismus und Beruf unter dem heiteren Titel „Von Marsmenschen und

Menschenwürde“ statt.

Die Reihe wird mit der heutigen Fachtagung, die ich nun nicht mehr durch einen

noch längeren Vortrag hinaus zögern möchte, fortgesetzt. Der Faden muss auch in

Zukunft weiter gesponnen werden. Das Gewebe unserer Erkenntnisse und

Erfahrungen ist seit 1911, dem Jahr in dem der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler,

den Begriff des Autismus einführte mit der Beschreibung, das in diesem Zustand

„das Denken sowohl von der Logik als auch der Realität geschieden ist“ schon sehr

viel tragfähiger geworden. Das so gewebte gemeinsame Netz der Inklusion, das uns

mit den Menschen mit Autismus verbindet, muss aber stetig weiter wachsen und

noch viel dichter werden. Dazu soll und wird diese Tagung hoffentlich einen

wertvollen Beitrag leisten. Ich wünsche Ihnen allen einen interessanten, lehreichen

Tagungstag mit vielen guten Vorträgen und Gesprächen und gutes Gelingen! Auf

Wiedersehen.

Fachtag Autismus des LVR

– Was gibt es – Was braucht es ?

am 29.11.2016 in Köln

Anspruch und Wirklichkeit der

SozialgesetzgebungAss. jur. Christian Frese, Geschäftsführer �������� Deutschland

e.V.

Sozialgesetzgebung

Autismustherapie nach den Leitlinien von autismus Deutschland

e.V.

• multimodale und multiprofessionelle Therapie

• d.h. unter Einbeziehung verschiedener Methoden und Berufsgruppen

• die von einem spezialisierten Autismus-Therapie-Zentrum erbracht wird

Sozialgesetzgebung

Berufsgruppen können sein:

• Diplom-Psychologinnen/en

• Diplom-Pädagoginnen/en

• Diplom-Heilpädagoginnen/en

• Sonderpädagoginnen/en

• Diplom-Sozialpädagoginnen/en

• Diplom-Sozialarbeiterinnen/en

• vergleichbare Masterabschlüsse der genannten Berufsgruppen

• Bachelorabschlüsse kommen nur infrage bei entsprechender Berufserfahrung und Weiterqualifikation

• Fachkräfte mit weiteren therapeutischen Qualifikationen, z.B. in Kunst- oder Musiktherapie

Sozialgesetzgebung

Multimodalität

Verhaltenstherapie spielt eine erhebliche Rolle, aber nicht die einzige. Auch andere Therapieaspekte sind wichtig, je nachdem, was dem Klienten hilft: z.B. Kunsttherapie, Musiktherapie

Wichtig: Einbeziehung der Eltern, Angehörigen und anderer Kooperationspartner bzw. Institutionen in den Therapieprozess im Sinne einer Umfeldarbeit

Sozialgesetzgebung

Autismus-Spektrum-Störungen sind in der (derzeit gültigen) ICD 10 (Internationale Klassifikation von Krankheiten) in den Ziffern F 84.0, 84.1 und 84.5 genannt

� zugleich eine Behinderung i.S.d. § 2 SGB IX bzw. § 35 a SGB VIII, d.h. Beeinträchtigung der Teilhabe

Ziel der Autismustherapie ist gemäß Aufgabe der Eingliederungshilfe§§ 53, 54 SGB XII (körperlich, geistig oder mehrfachbehindert) bzw. § 35 a SGB VIII (nur seelisch behindert)

� Eingliederung in die Gesellschaft entsprechend der jeweiligen Lebensaltersstufe

Es geht um die Milderung der Folgen der Behinderung Autismus

Sozialgesetzgebung

§ 2 SGB IX Behinderung

(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist

Sozialgesetzgebung

Feststellung der Behinderung nach der Versorgungsmedizin-

verordnung in Bezug auf Menschen mit Autismus

� Voraussetzung: Diagnose nach ICD 10-GM Version 2011

� Feststellung des GdS (Grad der Schädigungsfolgen) bzw. GdB

(Grad der Behinderung) bei Menschen mit Autismus:

ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten: GdS 10 – 20 (Problem: diese Personengruppe ist bisher quasi unbekannt)

mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten: GdS 30 - 40

mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten (z.B. Integrationshelfer notwendig): GdS 50 – 70

mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten: GdS 80 - 100

Problem � Die Anwendung in der Verwaltungspraxis ist sehr uneinheitlich, da die Verordnung keine präzisen Anhaltspunkte enthält.

Sozialgesetzgebung

§ 53 SGB XII Leistungsberechtigte und Aufgabe

(1) Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann………….

(3) Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern………….

Sozialgesetzgebung

§ 54 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe

(1) Leistungen der Eingliederungshilfe sind neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches insbesondere

1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt,

2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule,

3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit,

4. ………..

5…………

Sozialgesetzgebung

� „insbesondere“…………

� Offener Leistungskatalog !

� auch Maßnahmen, die nicht ausdrücklich genannt sind, sind von der

Eingliederungshilfe zu finanzieren, solange und soweit Aussicht

besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden

kann.

Sozialgesetzgebung

Rechtsgrundlagen für Autismustherapie, bezogen auf die gesamte

Lebensaltersspanne

• im Vorschulalter als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX bzw. i.V.m. §35 a Abs. 3 SGB VIII

• im Schulalter als Hilfe zur angemessenen Schulbildung, § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII bzw. i.V.m. § 35 a Abs. 3 SGB VIII

• als Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule, § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII bzw. i.V.m. § 35 a Abs. 3, 41 SGB VIII

• im Erwachsenenalter häufig als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX

• im Erwachsenenalter in bestimmten Fällen auch als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben, § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 33 SGB IX

Rechtliche Grundlagen der Autismustherapie

Dauer und Frequenz einer Autismustherapie ?

� § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX, § 53 Abs. 1 SGB XII: wesentliche Teilhabebeeinträchtigung ………….wenn und solange Aussicht besteht……nach Art und Schwere der Behinderung……..dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann

� § 35 a Abs. 1 S.1 SGB VIII seelisch behinderte Kinder oder Jugendliche (bzw. junge Volljährige i.V.m. § 41 SGB VIII) haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ………ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

� solange und soweit das Ziel der Eingliederung in die Gesellschaft in Form von konkreten Therapie- und Förderzielen erreicht werden kann

� der Hilfebedarf muss in jedem Einzelfall geprüft werden� also keine schematische Begrenzung der Therapiedauer und

-frequenz

Sozialgesetzgebung

Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22.09.2009, Az. S 12 SO

1819/06

„Die gesetzlichen Krankenkassen sind aufgrund der Unheilbarkeit autistischer Störungen nicht für eine Autismustherapie zuständig. Selbst wenn sich im Rahmen der Autismustherapie Anteile von Krankenbehandlung finden lassen würden, sind diese lediglich untergeordneter Natur und begründen keine Leistungspflicht der Krankenkassen.“

Sozialgesetzgebung

Von einer Autismustherapie als Leistung der Eingliederungshilfe sind abzugrenzen:

a) Komplexleistungen in der Frühförderung nach § 56 Abs. 2 i.V.m. §30 SGB IX (maximal bis zur Einschulung)� medizinische Leistungen zur Frühförderung werden zusammen mit heilpädagogischen Leistungen von einer Einrichtung erbracht

� Interdisziplinäre Frühförderstellen oder Sozialpädiatrische Zentren

� Einzelheiten: Frühförderverordnung

Diese Einrichtungen sind i.d.R. nicht spezialisiert auf Kinder mit Autismus � baldige Überleitung an ein Autismus-Therapie-Zentrum wünschenswert, sofern in räumlicher Nähe vorhanden

Sozialgesetzgebung

b) nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen für Kinder (§ 43 a SGB V)� psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen unter ärztlicher Verantwortung

c) Heilmittel nach dem SGB V, z.B. Logopädie und Ergotherapiez.T. gute Spezialisierung auf Menschen mit Autismus vorhanden, aber im Rahmen der Heilmittelerbringung keine Interdisziplinarität und Multimodalität

Sozialgesetzgebung

d) Heilbehandlungen für sekundäre oder komorbide Störungen, z.B. Psychotherapie bei einer Depression, vor allem im Erwachsenenalter

e) psychiatrische Leistungen (SGB V): ambulant, teilstationär oder stationär

� ambulante sozialpsychiatrische Leistungen

� ambulante Sprechstunden und ambulante Therapien für Menschen mit Autismus, aber keine flächendeckende Versorgung

� teilstationäre und stationäre Aufenthalte in Krisensituationen

Sozialgesetzgebung

Autismustherapie (Eingliederungshilfe) versus Psychotherapie

(SGB V) ?

� kein sich ausschließender Gegensatz, es kommt im Übrigen auf die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen an

Psychotherapie kann hilfreich sein für Klienten mit Autismus, wenn die Diagnose bekannt ist und die Bedingungen der Autismus-Spektrum-Störung in die Therapieplanung fachlich fundiert einbezogen werden. Wenn Sekundärsymptome oder komorbide Störungen, die einen Krankheitswert haben, behandelt werden, z.B. Tics, Zwänge, Angststörungen, Depressionen, verbessert sich damit auch die Lebenssituation des Klienten insgesamt.

Sozialgesetzgebung

Psychotherapie als Leistung der Gesetzlichen

Krankenversicherung (GKV) gemäß Psychotherapie-Richtlinie des

Gemeinsamen Bundesausschusses

� Psychotherapie kann im Rahmen dieser Richtlinie erbracht werden,

soweit und solange eine seelische Krankheit vorliegt……….(§ 1 Abs. 1)

Sozialgesetzgebung

� Psychotherapie ist keine Leistung der GKV und gehört nicht zur vertragsärztlichen Versorgung, wenn sie nicht dazu dient, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dies gilt ebenso für Maßnahmen, die ausschließlich zur beruflichen Anpassung oder zur Berufsförderung bestimmt sind, für Erziehungsberatung, Sexualberatung, körperbezogene Therapieverfahren, darstellende Gestaltungstherapie sowie heilpädagogische oder ähnliche Maßnahmen (§ 1 Abs. 2).

� Psychotherapie ist als Leistung der gesetzlichen Kranken-versicherung ausgeschlossen, wenn sie nicht der Heilung oder Besserung einer seelischen Krankheit, sondern allein der beruflichen oder sozialen Anpassung oder der beruflichen oder schulischen Förderung dient (§ 22 Abs. 3 Nr. 2).

Sozialgesetzgebung

Die spezielle Autismustherapie in einem Autismus-Therapie-Zentrumi.S.d. Eingliederungshilfe ist eine Leistung zur Eingliederung in die Gesellschaft� dafür ist die gesetzliche Krankenversicherung nicht zuständig, sondern demgegenüber für die Krankenbehandlung, § 27 SGB V (u. A. Psychotherapie).

Nachrang der Eingliederungshilfe, § 2 SGB XII ?(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer …………………..die erforderliche

Leistung von ……………..Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

� greift nicht, weil es sich um unterschiedliche Tatbestände handelt.

Sozialgesetzgebung

� Menschen mit Autismus haben im Sinne dieser Definitionen bei Vorliegen der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen also ein Wahlrecht zwischen Autismustherapie und Psychotherapie !

Sozialgesetzgebung

Ergänzende Schulhilfen

für Schüler mit Autismus sind von der Eingliederungshilfe nach• § 54 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EingliederungshilfeVO)• bzw. § 35 a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB XII zu finanzieren� ambulante Autismustherapie als außerschulische Hilfe

� Schulbegleitung

Beide Maßnahmen sind nebeneinander zu gewähren, sofern die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.

Es gibt keine gesetzlich normierte quantitative Obergrenze.

Sozialgesetzgebung

§ 12 EingliederungshilfeVO Nr. 1

Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII umfasst auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern

� Maßstab für heilpädagogische Maßnahmen ist nicht eine allgemeine ärztliche oder fachliche Erkenntnis, sondern die individuell zu bestimmende Aussicht auf Erfolg � das gilt auch für die ambulante Autismustherapie

Sozialgesetzgebung

Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom

23.10.2013, Az. L 8 SO 241/13 B ER zu „Autismustherapie und

Schule“

• dass der Antragsteller infolge der ambulanten Autismus-Therapie Erfolge in seiner Entwicklung erzielt hat, die auch dem Schulbesuch zugutekommen werden

• grundlegende Fähigkeiten der Kommunikation und sozialen Interaktionen zu entwickeln als Voraussetzung dafür, dass der Antragsteller sich seiner Umwelt zuwenden könne und somit schulisches Lernen überhaupt möglich werde

• Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen der Antragsteller ein auf ihn abgestimmtes Lernangebot erhalte und kognitive Potenziale erkannt und genutzt werden können.

Sozialgesetzgebung

Autismustherapie als Teilhabe am Arbeitsleben

Landessozialgericht im Saarland, Berufungsurteil vom 15.09.2015, Az. L 6 AL 8/14; Urteil des Sozialgerichts vom 17. Februar 2014, Az. S 26 AL 173/11

Kostenübernahme für eine ambulante Autismustherapie in einem Autismus-Therapie-Zentrum nach § 54 Abs.1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 33 SGB IX als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben

§ 33 SGB IX umfasst Leistungen zur Erhaltung, Verbesserung, Herstellung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit

Sozialgesetzgebung

hier konkret § 33 Abs. 6 SGB IX: medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, vor allem-Hilfe bei der Behinderungsverarbeitung-Aktivierung von Selbsthilfepotentialen-Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz-Training lebenspraktischer Fähigkeiten

Sozialgesetzgebung

Zwischenfazit:

Anspruch:

vollständige Teilhabe von Menschen mit Autismus an der Gesellschaft durch die Autismustherapie und andere autismusspezifischeFördermaßnahmen

Sozialgesetzgebung

Wirklichkeit der Sozialgesetzgebung:

Offene Leistungskataloge im SGB XII und SGB IX (….insbesondere…), die eine weitreichende Subsumtion von Autismustherapie und anderen autismusspezifischen Förder-maßnahmen ermöglichen

� Zum Schließen von Auslegungslücken, zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe („angemessen“) bzw. zur Ausgestaltung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 9 SGB IX) kann (und muss) die UN-Behindertenrechtskonvention herangezogen werden

� aber etliche unsystematische Regelungsbereiche, z.B. bei der Kostenheranziehung im SGB VIII und SGB XII

Sozialgesetzgebung

Wirklichkeit in der Bewilligungspraxis der Träger der Eingliederungshilfe:

Unterschiedliche Qualität in der Befassung mit der Autismus-Spektrum-Störung und dem Erkennen bzw. der Ermittlung des konkreten Eingliederungshilfebedarfs

� einige gut begründete Bescheide

� viele oberflächlich begründete Bescheide

� Ablehnende Bescheide häufig nicht nachvollziehbar

� „Spielen auf Zeit“: Bewilligungen werden hinausgezögert und vermeintlich „notwendige“ Mitwirkungshandlungen des Antragstellers erst nach und nach angefordert

Sozialgesetzgebung

Effektivität von Rechtsschutzmaßnahmen:

neben dem Widerspruchs- und Klageverfahren (als Hauptsacheverfahren recht langwierig) sind als effektive Maßnahmen zu nennen

� Selbstbeschaffung, § 15 Abs.1 Satz 5 i. V. m. § 15 Abs.1 Satz 4 SGB IX bzw. § 36 a Abs. 3 SGB VIII im Falle einer Unaufschiebbarkeit bzw. durch Bescheid zu Unrecht abgelehnten Leistung (spezielle Regelungen für Träger der Sozialhilfe bzw. Jugendhilfe)

� Einstweilige Anordnung nach § 86 b SGG

Die gerichtlichen Entscheidungen haben in aller Regel eine gute und ausführliche Begründung � Erfolgsquote für Menschen mit Autismus und ihre Angehörigen vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten �mind. 2/3

Sozialgesetzgebung

Das geplante Bundesteilhabegesetz (BTHG)

Aktueller Stand: Entwurf der Bundesregierung vom 28.06.2016 ist die gegenwärtige Diskussionsgrundlage

Neben anderen Verbänden setzt sich �������� Deutschland e.V. für Nachbesserungen beim geplanten Bundesteilhabegesetz ein.

� am 18. August 2016 in Form einer Online-Petition bei change.org(über 20.000 Unterzeichner)

Sozialgesetzgebung

Die Online-Petition im Wortlaut:

• Es darf keinesfalls einen Wegfall von Leistungen geben. Auch bei Vorliegen nur eines ICF-Items muss ein Anspruch auf Eingliederungshilfe gegeben sein. Eine Leistungsgewährung nur nach „Ermessen“ reicht nicht aus, wenn in weniger als fünf bzw. drei Lebensbereichen nach ICF Einschränkungen vorliegen. Die Eingliederungshilfe muss zwingend das „Auffangnetz“ für alle Menschen mit Behinderungen sein.

• Das BTHG muss alle Menschen umfassen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben.

• Nicht nur eine personelle Unterstützung durch eine anwesende Person, sondern auch eine weitergehende therapeutische Unterstützung muss eine notwendige Leistung im Sinne der Eingliederungshilfe sein. Das ist für Menschen mit Autismus außerordentlich wichtig.

Sozialgesetzgebung

• Das Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung muss entfallen. Auch Personen mit hohem Unterstützungsbedarf sollen arbeiten dürfen!

• Der Einsatz von Einkommen und Vermögen muss vollständig entfallen! Die geplante Anhebung der Heranziehungsgrenzen beseitigt nicht die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Menschen, die trotz ihrer Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können, müssen motiviert sein, dies auch anzustreben.

• Menschen mit Behinderungen dürfen nicht wegen ihres Unterstützungsbedarfs auf Pflegeeinrichtungen abgeschoben werden, wenn sie alleine und mit ambulanter Unterstützung ein freieres Leben führen können, nur weil ein Heim eventuell kostengünstiger ist.

Sozialgesetzgebung

Weiteres parlamentatarisches Verfahren

• Stellungnahme des Bundesrates vom 23.09.2016 mit insgesamt 96 Änderungsanträgen

• Gegenäußerung der Bundesregierung vom 12.10.2016

-zu 22 Punkten Zustimmung

-zu 23 Punkten Prüfung

-zu 52 Punkten Ablehnung

-zu 3 Punkten Erledigung, da Prüfaufträge

• 30.11. 2016 � abschließende Befassung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales

• 01.12.2016 � 2. und 3. Lesung im Bundestag

• 16.12.2016 � Letzter Durchgang im Bundesrat � entweder Zustimmung oder Anrufung des Vermittlungsausschusses

Sozialgesetzgebung

Fazit:

Es steht zu befürchten, dass das BTHG (neben punktuellen Verbesserungen) allerdings auch Verschlechterungen für Menschen mit Autismus beinhalten wird.

Genaueres wissen wir aber erst, wenn das Gesetz in seiner endgültigen Fassung vorliegt.

Auch bleibt abzuwarten, welche Fragen sich aus dem BTHG für die künftige Rechtsprechung ergeben werden.

Sozialgesetzgebung

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

05.12.2016

1

Aktueller Forschungsstand (im Hinblick auf Diagnose, Therapie sowie Prognose) und

Konsequenzen für die Praxis

Prof. Dr. I. Kamp-BeckerKlinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie

Psychosomatik und Psychotherapie, Philipps-Universität, Marburg

www.asd-net.de

Tagung LVR 29.11.2016

Diagnose = Klassifizierung von klinisch relevanten Symptomen/ Beeinträchtigungen zu

einer Kategorie (z.B. nach ICD oder DSM)

Sinn und Zweck von Diagnosen

• deskriptive diagnostische Kategorien schaffen• klinische Phänomene in ihrer Komplexität zu reduzieren• Grundlage für die Indikationsstellung und Einleitung von

Behandlungsmaßnahmen sowie Überprüfung des Therapieerfolges• kurz- wie langfristige Prognosen ermöglichen• Basis für Kostenabrechnung (!)• Patientengruppen in Therapie- und Verlaufsstudien charakterisieren • Grundlage für empirischer Untersuchungen von Ätiologie und Verläufen und

für die Entwicklung, Dokumentation und Überprüfung therapeutischer Interventionen

• Keine Klassifikation von Individuen, sondern von Störungen, die bei Personen vorliegen!

Historisches zum DSM: Autism

• DSM-I (1952) & DSM-II (1968): Keine Nennung “Autism” oder “Pervasive Developmental Disorder”, ähnlíchster Begriff: “Schizophrenic Reaction (Childhood Type)”

• DSM-III (1980): Pervasive Developmental Disorders (PDD): Childhood Onset PDD, Infantile Autism, Atypical Autism

• DSM-III-R (1987): PDD-NOS, Autistic Disorder

• DSM-IV (1994): Asperger Disorder, Childhood Disintegrative Disorder, Rett syndrome

• DSM-IV-TR (2000): Text Korrekturen für PDD-NOS

Pervasive Developmental DisordersKlassifikation DSM-IV

299.0 Autistic Disorder299.10 Childhood Disintegrative Disorder299.80 Pervasive Developmental Disorders not other

specified„category should be used where there is a severe and pervasive impairment of reciprocal social interaction orverbal and nonverbal communication skills, or when stereotyped behavior, interests, and activities are present” (DSM-IV, p 77).

299.80 Rett´s Disorder299.80 Asperger´s Disorder

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Pervasive Developmental Disorders not other specified

�97% der Probanden mit PDD-NOS zeigen keine repetitiven, stereotypen Verhaltensweisen Mandy et al. 2011; s.a.Walker et al. 2004

Sehr geringe Interrater-Reliabilität - selbst unter Experten (0.18)! Mandy et al. 2011

Sensitivität =.98, Sepzifität=. 26 Volkmar et al., 2000

Stabilität der Diagnose insbesondere bei jüngeren Kindern fraglich Berry 2009; Helt et al. 2008; Lordet al. 2006 Rondeau et al. 2011; van Daalen et al.,, 2009; Woolfenden et al., 2012; Brennan et al., 2015

Mehr allgemeine Verhaltensprobleme, geringere Intensität der ASD-SymptomatikGreaves-Lord et al., 2013

Diagnostische Validität der Kategorie PDD-NOS

• Deutliche Zunahme der Prävalenz-Angaben, begründet durch– Ausweitung der diagnostischen Kriterien, insbesondere PDD-

NOS siehe auch DSM-5, p. 16

– Deutliche Präsenz von ASD in den Medien und im Bewusstsein von Klinikern und Wissenschaftlern

– Zugang zu Hilfesystemen• Deutlich eingeschränkte Validität der Diagnose PDD-NOS oder

anderer „Restkategorien“!– Vorhandensein von repetitiven, stereotypen Verhaltensweisen

erhöht die Abgrenzbarkeit/Spezifität der Diagnose Kim & Lord, 2010; Le Couteur et al., 2008; McChonachie et al., 2005

→ Ziel DSM-5: Erhöhung der Spezifität der Diagnose ohne Sensitivität zu gefährden

Tiefgreifende EntwicklungsstörungenKlassifikation ICD 10

F 84.0 Frühkindlicher Autismus

F 84.1 Atypischer Autismus

F 84.2 Rett-Syndrom

F 84.3 Desintegrative Störungen des Kindesalters

F 84.4 überaktive Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien

F 84.5 Asperger-Syndrom

F 84.8 sonstige

F 84.9 nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung

Asperger-Syndrom

Unterscheidung der Subtypen

Kategorialer Ansatz im ICD-10 und DSM-IV

Frühkindl.Autismus

PDD-NOS/Atypischer Autismus

• eng definierte diagnostische Kategorien, hohe Spezifität!• Annahme der Diskontinuität zwischen den einzelnen Störungen• Annahme der diagnostischen Homogenität trotz Überlappung von Symptomen

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Unterscheidung der SubtypenEmpirische Daten

• Viele Studien konnten keine qualitativen Unterschiede zwischen den Subtypen identifizieren

Bennett et al., 2008; Cederlund et al. 2008; Kamp-Becker et al., 2010; Klin & Volkmar 2003; Leekamet al. 2000; Mayes et al. 2001; Miller & Ozonoff 2000; Sanders 2009; South et al., 2005; Woodbury-Smith et al., 2005; Szatmari et al. 2009

Unterscheidung der SubtypenKlinische Daten

• Nur geringe Übereinstimmung hinsichtlich der Differenzierung: Autismus, PDD-NOS oder Asperger Syndrom auch unter Experten (Kappa 0.31) Lord et al., 2012; Williams et al., 2008

• Kriterien für Diagnose waren: „idiosyncratic and complex“ Lord et al., 2012, p. 313

Unterscheidung der SubtypenDSM-5

→ Ziele DSM-5– DSM-5 entsprechend der empirischen Evidenz

• Aufgabe der Subtypen! Autismus-Spektrum-Störung (Singular!)

– Erhöhung der „Validität und klinischen Nützlichkeit“ DSM-5, p 17

Untersuchungen zur taxometrischen Struktur der ASD

• 14.744 Geschwister (2 bis 18 Jahre alt) wurden untersucht

– 8.911 ASD (82 % Jungen)

– 5.863 non-ASD (broader autism phenotype, andere Diagnosen)

• Untersuchungsinstrumente: SRS und FSK

• Auswertung: latente Variablen Modell

• Ergebnis: Hybrid Modell, kategoriale Unterscheidung

– Einzelne Symptome in der Allgemeinbevölkerung und auch bei anderen Störungen

– ASD: Symptomatik variiert in der IntensitätFrazier et al., 2010; 2012

Die taxometrische Struktur der ASD:Hybrid Modell

Elton et al., Biological Psychiatry, 2016

• Resting-state functional magnetic resonance imaging data sets • 90 Jungen mit ASD und 95 “typically developing boys”• Bestätigung des Hybrid-Modells

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Dimensional oder kategorial?Kategoriale Diagnosen!

→ Ziele DSM-5– Kategoriale Diagnosen bleiben weiter bestehen, da „es

wissenschaftlich verfrüht ist, derartige alternative Definitionen für viele Störungen einzuführen“ DSM-5, p 18

– „Neugruppierung von verwandten Störungen innerhalb der bestehenden kategorialen Ordnung“ DSM-5, p 17

• Gemeinsame neuronale Korrelate, familiäre Aggregation, genetische Risikofaktoren, spezifische umweltbezogene Risikofaktoren, Biomarker, dem Störungsbeginn vorausgehende Temperamentsmerkmale, Auffälligkeiten der emotionalen und kognitiven Informationsverarbeitung, Ähnlichkeit des Symptombildes, Krankheitsverlauf, Komorbiditätsmuster, gemeinsames Ansprechen auf Therapien

• „Neurodevelopmental Disorders / Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung

Konsequenz für die PraxisAbgrenzbarkeit zu anderen Störungen möglich und notwendig –wenngleich manchmal nicht einfach….

auch: Sprachauffälligkeiten

(Echolalie, stereotyper Sprachgebrauch, verbale Rituale)

Anzahl der definierten Bereiche

Begrenzte Interessen & stereotype

Verhaltensmuster

Störung der sozialen

Kommunikation Autismus

Constantino et al., 2004; Frazier et al., 2008, Georgiades et al., 2013; Gotham et al., 2007; Kamp-Becker, et al., 2009; Lecavalier et al., 2006;

Mandy et al., 2012

→ Ziel: DSM-5 entsprechend der empirischen Evidenz = zwei Bereiche

Beginn der Störung

• Kein Zweifel an der empirisch gesicherten Erkenntnis, dass ASD eine Störung ist, deren Beginn bereits im zweiten Lebensjahr oder früher zu beobachten ist.

Ellis Weismer et al., 2010; Guthrie et al., 2013; Landa et al., 2006; Messinger et al., 2013; Mitchell et al., 2006; Lord et al., 2012; Ozonoff et al., 2011, 2014; Warren & Jones, 2013; Zwaigenbaum et al., 2005; Constantino & Charman, The Lancet, 2016

Beginn der Störung (age of onset ≠ age of recognition)

• erste Sorge der Eltern von Kindern mit autistischen Störungenschon im Alter von 12 bis 18 MonatenFombonne, 2009; Howlin & Asgharian, 1999; Zwaigenbaum et al., 2009; Chawarska, et al., 2007

• Diagnosestellung kann aus verschiedenen Gründen erst später erfolgen– Ethnizität und sozioökonomischer Status

– Zugang zu angemessener Versorgung/Diagnosemöglichkeiten

– Sprachhindernisse – Regionale Versorgung

• Faktoren, die zu einer frühen diagnostischen Untersuchung führen:• niedrige Intelligenz

• männliches Geschlecht

• Rückschritte in der Entwicklung

• SprachentwicklungsverzögerungShattuck et al., 2009; Wolf 2013; Lord & Bishop 2015; Richards et al., 2016

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Beginn der Störung

• Das Vorliegen von Sprachentwicklungsverzögerungen ist kein spezifisches Kennzeichen von ASD und differenziert nicht zwischen Subtypen von ASD

• Retrospektive Elterngaben bezüglich Sprachbeginn, sozialer Fertigkeiten sowie Regression in der Entwicklung nicht valide Hus et al., 2011; Jones et al., 2014; Ozonoff et al., 2011

• Elternangaben zu sozial-kommunikativen Fertigkeiten werden beeinflusst durch Sprachniveau, IQ und allgemeine Verhaltensprobleme der Kinder Charmanet al., 2007 Hus et al., 2011, 2013; Hus & Lord 2014; Jones et al., 2014; Ozonoff et al., 2011

Ziele DSM-5: – Störungsbeginn liegt in der frühen Kindheit, aber age of onset ≠

age of recognition– Es muss sichergestellt werden, dass Störungsbeginn in der frühen

Kindheit liegt– Informationen sollten auf mehreren Informationsquellen beruhen,

einschließlich klinischer Beobachtungens.a. Nice Guidelines, 2011, S3 Leitlinien Autismus

Hohe Heterogenität von autistischen Störungen: Symptomatik

• Symptomatik unterscheidet sich hinsichtlich – Alter– Entwicklungsstand

• Beispiele

– Keine Reaktion auf Rufen des Namens oder fehlendes oder verringertes Verfolgen der Blickrichtung einer anderen PersonSind bei jüngeren Kindern relevante Symptome, nicht jedoch bei älteren Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen

– Keine Freundschaftlichen Beziehungen

Ist bei Schulkindern und Erwachsenen ein relevantes Symptom, nicht jedoch bei jüngeren Kindern

• Geschlecht• kultureller Hintergrund→ Ziel DSM-5: umfassendere Kriterien definieren

Verlauf/Outcome insgesamt• Intelligenz, insbesondere Verbal-IQ• Sprachfähigkeit im Alter von 6 Jahren• Schwere der Symptomatik• komorbide StörungenKamp-Becker et al., 2009; Taylor et al., 2009; Kjellmer et al., 2012; Gotham et al. 2012; Fountain et al., 2012;Strauss et al., 2013; Magiati et al., 2014; Vivanti et al., 2014; Lord et al., 2015; Gillberg et.al., 2016

Konsequenz für die Praxis: Sprachliche Förderung bei jüngeren Kindern zentral

Verschiedene Genotypen /Phänotypen (?) Eapen et al., 2013, Lord et al., 2015

Hohe Heterogenität von autistischen Störungen: Prognose

Hohe Heterogenität von autistischen Störungen: verschiedene Phänotypen

Befunde bei sehr spät diagnostizierter ASD• Validität der Diagnose „spät diagnostizierte ASD“ unklar, da

Abgrenzbarkeit zu anderen psychiatrischen Störungen (insbesondere Persönlichkeitsstörungen, Depression, soziale Phobie u.v.a.) schwierig

• Selbstbeurteilungsinstrumente in der differentialdiagnostischen Einschätzung nicht geeignet!

Bishop & Seltzer 2012; Brugha et al. 2012; Geurts et al., 2016; Lehnhardt et al. 2013; ; Matsuo et al., 2015; Nishiyama et al., 2014; Sizoo et al., 2015; Strunz et al., 2014, 2015

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Hohe Heterogenität von autistischen Störungen: verschiedene Phänotypen

• Unterschiede zwischen „früh diagnostizierte“ ASD und „sehr spät diagnostizierte“ ASD bisher wenig untersucht:

• „sehr spät diagnostizierte“ Personen mit ASD– Keine „Theory of Mind“ Defizite im höheren Alter Lever & Geurts, 2016

– Keine strukturellen Auffälligkeiten der Gehirne Koolschijn & Geurts, 2016

– Keine Unterschiede im Arbeitsgedächtnis zu Gesunden Lever et al., 2015; Sander et al., 2012

• Deutliche Unterschiede zwischen Erwachsenen mit „self reported ASD“ (Internetbefragung, 18–71 Jahre, Diagnose überwiegend nach dem 18. LJ) und früher diagnostizierte Erwachsene mit ASD

– Deutlich höherer Frauenanteil bei „self reported ASD“– Besseres Outcome als in Studien zu ASD beschrieben (Arbeit,

Partnerschaften, unabhängiges Leben)– Höhere Rate an KomorbiditätenGotham et al., 2015

Hohe Heterogenität von autistischen Störungen: Schweregrad

Kamp-Becker et al., 2010, p.926

Ziel DSM-5: • Schweregrad der

Ausprägung eines Symptoms berücksichtigen!

• Genaue Phänotypische Charakterisierung

• Deutliche Diskrepanz zwischen IQ und adapitven Fähigkeiten sowie auch ASD-Symptomatik

• Ausprägung der ASD-Symptomatik nicht linear zu IQ

Charman et al., 2011;Wang et al., 2013; Kamp-Becker et al., 2010

Begleitende Erkrankungen

• Vielzahl von möglichen begleitenden Erkrankungen, genetischen oder Umweltbedingungen

• Intellektuelle Beeinträchtigung: IQ<70 bei 65 – 71 % Nice Guidelines, 2011, S3 Leitlinien Autismus

• Sprachentwicklungsstörung ca. 63% der Fälle Levy et al., 2010

Veenstra-VanderWeele & Blakely, 2012

Begleitende ErkrankungenAufmerksamkeitsdefizit-

/Hyperaktivitätstörung (ADHS)

• Zwischen 21- 41% der Patienten mit ASD haben ADHSNice Guidelines, 2011; Simonoff et al., 2008, Levy et al., 2010

• Ca. ein Drittel der Patienten mit ADHS haben einige autistische Symptome van der Meer et al., 2012

– Assoziiert mit geringerer Lebensqualität in den Familien, geringeres Selbstwirksamkeitserleben der Eltern und weniger Unterstützung durch Partner Green et al., 2016

ADHS ist mögliche Komorbidität und mögliche Differentialdiagnose

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Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätstörung (ADHS)

Gemeinsamkeiten mit ASD• genetischer Hintergrund Rommelse et al., 2010; Rommelse et al., 2011

– Deutliche genetische Gemeinsamkeiten für kommunikative Defizite und ADHS-Symptome, (genetic correlations = .47-.51), moderate für repetitives Verhalten (.12-.33) und weniger für soziale Defizite (.05-.11) Taylor et al., 2015

• neuronale Korrelate Brieber et al., 2007; Gargaro et al., 2011

• Defizte in der Inhibitionskontrolle Xiao et al., 2012, Sinzig et al., 2008

• Defizite in den sozialen Kognitionen (Emotionserkennung, Theory of Mind, Empathie)Buhler et al., 2011; Nyden et al., 2010; Rumpf et al., 2012; Uekermann et al., 2010; Reiersen, 2011; Bons et al., 2013:

• Defizite in der Fähigkeit zur sozialen Interaktion/sozialen Kompetenz Ames & White, 2011; Reiersen, 2011; Green et al., 2015, Green et al., 2016

• ADHS: 21% über ADOS cut-off, 30% über ADI cut-off

– Nur ADOS-Items „Qualität der sozialen Annäherungen, Blickkontakt, mimischer Ausdruck und Ausmaß der wechselseitigen sozialen Kommunikation des ADOS differenzieren zu ASD Gradzinski et al., 2016

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätstörung (ADHS)

Unterschiede im Vergleich zu ASD• weniger Defizite in der sozialen Reziprozität, nonverbalen Kommunikation

und repetitive, stereotype Verhaltensweisen Dickerson Mayes et al., 2012

• Defizite der „Theory of mind“ entwickeln sich erst im Verlauf Bühler et al., 2011

• Wenn Autismus+ADHS, dann deutlichere Autismus-Symptomatik und schlechtere Prognose Yers et al., 2009, Sprenger et al. 2015, Kamp-Becker et al., submitted, Craig et al., 2015

Konsequenz für die Praxis• Symptomatik des ADHS leitliniengetreu behandeln • ASD-Diagnostik erst nach Behandlung der ADHS!

Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung

• Intellektuelle Beeinträchtigungen– Intellektuelle Beeinträchtigung– Allgemeine Entwicklungsverzögerung (nur bei Kindern unter 5 Jahren)– Intellektuelle Entwicklungsstörung (nur bei Kindern über 5 Jahre, die akutell

nicht testbar sind) • Kommunikationsstörung

– Sprachstörung– Artikulationsstörung– Redeflussstörung – Soziale (Pragmatische) Kommunikationsstörung– Nicht näher bezeichnete Kommunikationsstörung

• Autismus-Spektrum-Störung• Aufmkersamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

– ADHS– Andere Näher Bezeichnete ADHS– Nicht Näher bezeichnetet ADHS

• Spezifische Lernstörung• Motorische Störungen

– Entwicklungsbezogene Koordinationsstörung– Stereotype Bewegungsstörung– Tic-Störungen

Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung

• Diagnose darf nur vergeben werden, wenn– Kriterien aufgrund lebensgeschichtlicher Informationen erfüllt

sind, in der aktuellen Erscheinung können einige Symptome durch die Entwicklung verändert sein und durch „kompensatorische Mechanismen“ verdeckt sein

– aktuelles Erscheinungsbild muss jedoch bedeutsame Beeinträchtigung aufweisen DSM-5, p 40

• subklinische Symptomatik rechtfertigt keine Diagnose• Diagnose dient nicht dem besseren Verständnis der eigenen

Person

→ Störungsbeginn in der frühen Kindheit muss gesichert sein→ detaillierte Entwicklungsgeschichte, die darlegt, dass Symptomatik im Sinne einer klinisch relevanten Beeinträchtigung bereits in der frühen Kindheit vorlag DSM-5, p 73

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A Anhaltende Defizite in der sozialen Kommunikation und sozialen Interaktion über verschiedene Kontexte hinweg: 1. Defizite in der sozial-emotionalen Gegenseitigkeit, z.B.

• Abnorme soziale Kontaktaufnahme

• Fehlen von normaler wechselseitiger Konversation

• Verminderter Austausch von Interessen, Gefühlen und Affekten

• Unvermögen, auf soziale Interaktionen zu reagieren bzw. diese zu initiieren Defizite in den Bereichen: Emotionserkennung, Theory of Mind, Empathie

Klassifikation nach DSM-5Autismus-Spektrum-Störung

F84.0In Studien belegte Defizite bei

– ADHS– Störungen des Sozialverhaltens– Depressionen – Emotionalstörungen, AngststörungenBuitelaar et al. 1999; Pine et al., 2008; Sinzig et al., 2008; Bühler et al. 2011; van der Meer

et al. 2012; Stroth et al., in prep.– Lese- und RechtschreibstörungenClark et al. 2008; Grossman & Tager-Flusberg 2008

– SprachentwicklungsstörungenHomer & Rutherford 2008; Gross, 2004

– sozialer Phobie Wong et al. 2012

– EssstörungenCaglar-Nazali et al., 2014

→ Konsequenz für die Praxis: Defizite in der Fähigkeit Emotionen zuzuordnen, können sehr verschiedene Hintergründe haben

Defizite in der Fähigkeit Emotionen in Gesichtern zu erkennen

Defizite in der Fähigkeit zur Theory of Mind und Empathie

– Sprachstörungen Andres-Roqueta et al. 2013; Dyck & Piek 2010; Farrar et al. 2009; Wisdom et al. 2007

– ADHS Ueckermann et al., 2010; Bühler et al. 2011; Rumpf et al. 2012; Miranda et la. 2013

– Sozial-pragmatische Kommunikationsstörung Burkner-Wertman et al., 2016

– Schizophrenie Übersicht in: Bora et al.,2006, 2008

– Störung des Sozialverhaltens O'Nions et al., 2014; Pasalich et al., 2014; Schwenck et al., 2014; Sebastian et al., 2012

– Essstörungen Caglar-Nazali et al., 2014

– Persönlichkeitsstörungen Shamay-Tsoory et al. 2010; Strunz et al. 2014

• Psychopathie, antisoziale PS Jones et al., 2010; Blair 2008

• Borderline PS Dziobek etal. 2011; Harari et al., 2010

• Narzisstische PS Wiehe, 2003

– neurologische Störungen vgl. Freedman & Stuss 2011; Siegal & Varley 2002; Stone & Gerrans 2006

– Sinnesbeeinträchtigungen Fazzi et al., 2007; Williams et al., 2013; Dammeyer et al., 2014; Hobson & Bishop 2003

s.a. Decety & Moriguchi, 2007; Korkmaz, 2011; Thoma et al., 2013; Nuske et al., 2013

A Anhaltende Defizite in der sozialen Kommunikation und sozialen Interaktion über verschiedene Kontexte hinweg: 2. Defizite im nonverbalen Kommunikationsverhalten, das

in sozialen Interaktionen eingesetzt wird z.B.

• schlecht aufeinander abgestimmten verbalen und nonverbalen Kommunikation

• abnormer Blickkontakt und abnormer Körpersprache• Defizite im Verständnis und Gebrauch von Gestik• vollständiges Fehlen von Mimik und nonverbaler Kommunikation

Klassifikation nach DSM-5Autismus-Spektrum-Störung

F84.0

Ebenfalls auffällig bei • Depression• emotionale Störungen, soziale Phobie, Mutismus • Schizophrenie

• Aufmerksamkeitsstörungen Tyson & Cruess 2012

05.12.2016

9

A Anhaltende Defizite in der sozialen Kommunikation und sozialen Interaktion über verschiedene Kontexte hinweg: 3. Defizite in der Aufnahme, Aufrechterhaltung und dem

Verständnis von Beziehungen z.B.

• Schwierigkeiten das eigene Verhalten an verschiedene soziale Kontexte anzupassen

• Schwierigkeiten sich in Rollenspielen auszutauschen oder Freundschaften zu schließen

• Fehlen von Interesse an Gleichaltrigen

Klassifikation nach DSM-5Autismus-Spektrum-Störung

F84.0

Keine Spezifität für ASD, kommt bei nahezu allen psychiatrischen Störungsbildern vorMeyer-Lindenberg & Tost, 2012

B Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten, die sich in mindestens zwei der folgenden aktuell oder in der Vergangenheit erfüllten Merkmalen manifestieren: 1. Stereotype oder repetitive motorische Bewegungs-

abläufe, stereotyper oder repetitiver Gebrauch von Objekten oder der Sprache, z.B.• einfache motorische Stereotypien• Aufreihen von Spielzeug • Hin- und Herbewegen von Objekten• Echolalie• idiosynkratrischer Sprachgebrauch

Klassifikation nach DSM-5Autismus-Spektrum-Störung

F84.0

Kommen ebenfalls vor bei: Intelligenzminderung, Sinnesbeeinträchtigungen; Sprachstörungen

Carcani-Rathwell et al. 2006; Ventola et al. 2007; Wilkins and Matson 2009; Muthugovindan and Singer 2009; Matson et al. 1997, 2010; Guttmann-Steinmetz et al. 2010; Renno & Wood 2013; van Steensel et al., 2013; Bejerot et al., 2014; Green et al., 2016

B Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten, die sich in mindestens zwei der folgenden aktuell oder in der Vergangenheit erfüllten Merkmalen manifestieren:2. Festhalten an Gleichbleibendem, unflexibles Festhalten

an Routinen oder an ritualisierten Mustern verbalen oder nonverbalen Verhaltens, z.B.• Extremes Unbehagen bei kleinen Veränderungen• Schwierigkeiten bei Übergängen• Rigide Denkmuster oder Begrüßungsrituale• Bedürfnis täglich den gleichen Weg zu gehen oder das gleiche

Essen zu sich zu nehmen

Klassifikation nach DSM-5Autismus-Spektrum-Störung

F84.0

Carcani-Rathwell et al. 2006; Ventola et al. 2007; Wilkins and Matson 2009; Muthugovindan and Singer 2009; Matson et al. 1997, 2010; Guttmann-Steinmetz et al. 2010; Renno & Wood 2013; van Steensel et al., 2013; Bejerot et al., 2014; Green et al., 2016

Kommen ebenfalls vor bei: Normalität, emotionale Störungen, Zwangsstörungen, oppositionelle Störungen, Intelligenzminderung; ADHS

B Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten, die sich in mindestens zwei der folgenden aktuell oder in der Vergangenheit erfüllten Merkmalen manifestieren: 3. Hochgradig begrenzte, fixierte Interessen, die in ihrer

Intensität oder ihrem Inhalt abnorm sind, z.B. • Starke Binding an oder Beschäftigung mit ungewöhnlichen Objekten

• Extrem umschriebene und perseverierende Interessen

Klassifikation nach DSM-5Autismus-Spektrum-Störung

F84.0

Kommen ebenfalls vor bei: Normalität, AHDS, emotionale Störungen

Carcani-Rathwell et al. 2006; Ventola et al. 2007; Wilkins and Matson 2009; Muthugovindan and Singer 2009; Matson et al. 1997, 2010; Guttmann-Steinmetz et al. 2010; Renno & Wood 2013; van Steensel et al., 2013; Bejerot et al., 2014

05.12.2016

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Klassifikation nach DSM-5: Autismus-Spektrum-Störung

A. Anhaltende Defizite in der sozialen Kommunikation und sozialen Interaktion über verschiedene Kontexte hinweg (alle drei)1. Defizite in der sozio-emotionalen Gegenseitigkeit2. Defizite im nonverbalen Kommunikationsverhalten3. Defizite in der Aufnahme, Aufrechterhaltung und dem Verständnis von

BeziehungenB. Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder

Aktivitäten , mindestens zwei1. Stereotype motorische Bewegungsabläufe, stereotyper oder repetititver

Gebrauch von Objekten oder von Sprache2. Festhalten von Gleichbleibendem, unflexibles Festhalten an Routinen

oder an ritualisierten Mustern verbalen und nonverblaen Verhalten3. Hochgradig begrenzte, fixierte Interessen, die in ihrer Intensität

oder ihrem Inhalt abnorm sind4. Hyper- oder Hporeaktivität auf sensorische Reize oder

ungewöhnliches Interesse an Umweltreizen

Klassifikation nach DSM-5: Schweregrade

Klassifikation nach DSM-5:Autismus-Spektrum-Störung

C. Die Symptome müssen bereits in der frühen Entwicklungsphase vorliegen

Sie manifestieren sich möglicherweise aber erst dann, wenn die sozialen Anforderungen die begrenzten Möglichkeiten überschreiten. In späteren Lebensjahren können sie auch durch erlernte Strategien überdeckt werden.

D. Die Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen

Informationen sollten auf mehreren Informationsquellen beruhen, einschließlich klinischen Beobachtungen, Schilderungen von Bezugspersonen und, wenn möglich, Selbsteinschätzungen.

Standardisierte Instrumente zur Verhaltensdiagnostik mit guten psychometrischen Eigenschaften, wie Interviews mit Bezugspersonen, Fragebögen und klinische Beobachtungsverfahren liegen vor und können die Reliabilität der Diagnose im Verlauf und zwischen Untersuchern verbessern.

Klassifikation nach DSM-5:Autismus-Spektrum-Störung

E. Diese Störungen können nicht besser durch eine intellektuelle Beeinträchtigung…. oder eine allgemeine Entwicklungsverzögerung erklärt werden. Intellektuelle Beeinträchtigungen und ASD treten häufig gemein auf. Um die Diagnosen ASD und intellektuelle Beeinträchtigung gemeinsam stellen zu können, sollte die soziale Kommunikationsfertigkeit unter dem aufgrund der allgemeinen Entwicklung erwarteten Niveau liegen

05.12.2016

11

Weitere Differentialdiagnosen derAutismus-Spektrum-Störung

• Intellektuelle Beeinträchtigung ohne ASD• Rett Syndrom• Selektiver Mutismus• Stereotype Bewegungsstörung• ADHS• Schizophrenie• Sprachstörungen und sozial (pragmatische)

KommunikationsstörungPersonen, die deutliche Defizite in der sozialen Kommunikation haben, jedoch nicht die Kriterien für ASD erfüllen, sollte die Diagnose Soziale (Pragmatische) Kommunikationsstörung erwogen werden

Sozial (pragmatische) Kommunikationsstörung

F80.89

A Anhaltende Schwierigkeiten im sozialen Gebrauch verbaler und nonverbaler Kommunikation, die sich in den folgenden Merkmalen zeigen:

1. Defizite im Gebrauch von Kommunikation für soziale Zwecke2. Beeinträchtigung der Fähigkeit, den Kommunikationsstil an den

Kontext oder die Bedürfnisse des Zuhörers anzupassen3. Schwierigkeiten, Regeln für Konversationen und beim Erzählen zu

beachten4. Schwierigkeiten im Verständnis von nichtexpliziten Botschaften und

von nicht wörtlicher oder mehrdeutiger SpracheB Schwierigkeiten führen zu funktionellen BeeinträchtigungenC Beginn der Störung liegt in der frühen EntwicklungsphaseD Symptome können nicht durch ASD, intellektuelle Beeinträchtigung,

allgemeines Entwicklungsstörung oder andere psychische Störung erklärt werden.

Klassifikation nach DSM-5: Autismus-Spektrum-Störung

Zusätzliche Spezifizierungen:• Bestimme, ob

– Mit oder ohne Begleitende Intellektuelle Beeinträchtigung• z.B. F71 mittelgradige Intelligenzminderung

• DSM-5 betont die Notwendigkeit einer differenzierten Einschätzung der verbalen und nonverbalen Fähigkeiten (auch ohne Zeitmessung)

– Mit oder ohne Begleitende Sprachliche Beeinträchtigung• z.B. F80.2 Sprachstörung• Mit spezifischer Beschreibung, z.B. keine verständliche Sprache, Ein-Wort-

Äußerungen, sowohl rezeptiv als auch expressive Aspekte

– In Verbindung mit einer Bekannten Körperlichen Erkrankung, Genetischen oder Umweltbedingung

• z.B. Trisomie 21, Epilepsie, Frühgeburt

– In Verbindung mit einer Anderen Störung der Neuronalen und Mentalen Entwicklung oder einer Anderen Psychischen oder Verhaltensstörung

• z.B.F90.2 ADHS gemischtes Erscheinungsbild

Konsequenzen der DSM-5-DiagnoseASD

• Geringere Sensitivität ↓ Prävalenz (insbesondere PDD-NOS)Kulage et al., 2014

• Höhere Spezifität ↑ bessere Abgrenzbarkeit zu anderen StörungenGibbs et al.2012; McPartland et al. 2012; Worley and Matson 2012

• keine ASD-Diagnose nach DSM-5 insbesondere für Personen mit PDD-NOS, Asperger-Syndrom, IQ> 70

• Rückgang bis zu 70%

Smith, Reichow & Volkmar 2015, p 2547

• Prävalenz der Autismus-Spektrum-Störung: 50-70 auf 10.000 Williams et al. 2014

05.12.2016

12

ZusammenfassungDiagnostische Kriterien

und ihre Spezifität

Grundlegende, früh beginnende und situationsübergreifende Beeinträchtigung

– in der gegenseitigen Interaktion und Kommunikation, in Kombination mit deutlichen– Eingeschränkten, repetitiven Verhaltensmustern,

Interessen oder Aktivitäten→ Die einzelnen Symptome sind nicht spezifisch, sondern lediglich die Symptomkonstellation!→ „autistisch anmutende Züge/Traits“ bei vielen anderen Störungen

Störungskonzept

Abnormale genetische Codes für die Hirnentwicklung / Umweltfaktoren („Second hits“)

Abnormale Mechanismen für die Hirnentwicklung

Strukturelle und funktionale Abnormalitäten im Gehirn

Neuropsychologische Auffälligkeiten

Symptome

� Beginn in der frühen Kindheit� in allen Situationen

� persistieren über die Lebensspanne� Symptomatik ist nicht durch das Vorliegen anderer

Störungen ausreichend erklärbar

Störungskonzept: Implikationen für die Diagnostik

Constantino & Charman, The Lancet, 2016

• Verhaltensbeobachtung – ADOS – Home-Videos

• Vorbefunde aus anderen Institutionen– KJP, Ergotherapie, Logopädie– Sämtliche Schulzeugnisse– Kindergartenberichte, Frühförderung

• Anamnese mit den Bezugspersonen– ADI-R

• Intelligenzdiagnostik• Körperlich-neurologische Untersuchung • Differentialdiagnostische Abklärung

Zusammenfassung

Diagnostikdurch spezialisierte Stelle

05.12.2016

13

• früher Behandlungsbeginn Dawson et al., 2012;Green et al, Lancet, 2015

• Indiziert sind verhaltenstherapeutische Interventionen Smith et al., 2000; Rogers & Vismara, 2008; Eldenik et al., 2009; Howlin et al., 2009, Reichow & Wolery, 2009; Kamp-Becker et al. , 2010; Poustka et al., 2012; Strauss et al., 2013; Poustka & Kamp-Becker, 2015

• Überlegenheit gegenüber eklektischen Ansätzen Howard et al., 2014

• Effekte über einen Follow-up-Zeitraum von 2 Jahren stabil Estes et al., 2015

Störungskonzept: Implikationen für die Therapie

• früher Behandlungsbeginn Dawson et al., 2012Green et al, Lancet, 2015

• Indiziert sind verhaltenstherapeutische Interventionen Smith et al., 2000; Rogers & Vismara, 2008; Eldenik et al., 2009; Howlin et al., 2009, Reichow & Wolery, 2009; Kamp-Becker et al. , 2010; Poustka et al., 2012; Strauss et al., 2013; Poustka & Kamp-Becker, 2015

• individuelles Entwicklungsprofil

• verhaltenstherapeutisches Gesamtkonzept mit übergeordnetem Therapieziel:

• größtmögliche Selbstständigkeit und Autonomie • angemessenes Verhalten

• sehr strukturiertes Vorgehen mit vielen Wiederholungen in verschiedenen situativen Kontexten

• enger Einbezug der Eltern / Umfeld

Störungskonzept: Implikationen für die Therapie

• Eltern-Einbezug in die Therapie erhöht die Wirkung der BehandlungStrauss et al., 2013

– Eltern-Faktoren: Ressourcen, Erwartungen, Belastungen– Abstimmung der Therapieziele und Vorgehen mit allen Beteiligten (weitere Therapeuten, Erzieher/Lehrer, Schulbegleitung …..)

• Medikamentöse Behandlung kann die Effekte verbessern! Aman et al., 2009; Frazier et al., 2010

• Regelmäßige Verlaufsuntersuchungen in KJP/Psychiatrie notwendig!

Störungskonzept: Implikationen für die Therapie Zusammenfassung /

WunschlisteDiagnostik• Frühe und valide Diagnose wichtig, Differentialdiagnostik hat hohen Stellenwert

– Erfahrung mit dem gesamten Spektrum von Autismus erforderlich, Erfahrung mit sämtlichen Differentialdiagnosen erforderlich

• Autismus-Spektrum-Störung ist eine kategoriale Diagnose

• falsch negative, ebenso wie falsch positive Diagnose ist problematisch, aktuell eher „Gefahr“ von falsch positiven Diagnosen; langfristige Folge: Diagnose wird unglaubwürdig!

• den „Autisten“ gibt es nicht, nur Menschen mit sehr verschiedenen Problemen

– was ist keine Autismus-Spektrum-Störung?

Therapie• verhaltenstherapeutische Interventionen sind indiziert

– mehr verhaltenstherapeutische Qualifikation notwendig

• wirksame Interventionen anwenden und „umstrittene“ bzw. Methoden ohne Wirksamkeitsnachweis vermeiden

Prognose• durch wirksame Interventionen verbessern• wissenschaftlich fundierte individualisierte Therapien

„Was war hilfreich - Was war

hinderlich“

Ein (Lebens-) Erfahrungsbericht

von

Konstantin Pieper

1

Inhaltsverzeichnis

• Persönliche Einleitung Seite 3

• Was war hilfreich Seiten 4 - 15

• Therapie als Jugendlicher Seite 16

• Die Zeit beim Bildungsträger Seite 17

• Was war hinderlich Seiten 18 - 28

• Abschließendes Fazit Seiten 29 - 33

• Weiterführende Informationsquellen Seite 342

Persönliche Einleitung• Alter: 28 Jahre• Diagnose: Bekannt, im Alter von 10 Jahren gestellt

Autismus-Spektrumsstörung(Asperger-Syndrom)

• Anerkannte Schwerbehinderung: GdB 50• Ausbildung: Bachelor of Arts Geschichte, anerkannte

IHK-Ausbildung zum Bürokaufmann heute Kaufmann für Büromanagement

• Beruf: Bürokraft in der Personalabteilung der CölnerHofbräu P. Josef Früh KG, Vertragsstatus: unbefristet

3

Was war hilfreich - Erläuterung• „Hilfreich“ ist kontext- bzw. ergebnisabhängig.

• Was bei mir hilfreich war, muss bei anderen nicht zwingend ebenfalls hilfreich sein!

• Es könnte sogar unter Umständen hinderlich sein!

• Zum Teil Gradwanderung zwischen hilfreicher Herausforderung und Überforderung/ Reizüberflutung

• Letzten Endes eine rein subjektive Einstellung!

• Kann durch objektive Erfolge untermauert werden, sofern es keine „Pyrrhussiege“ sind!

4

Was war hilfreich

• Elternhaus

• Eigene Motivation

• Wille zur Integration/ Inklusion

• Wunsch nach gleichberechtigter

Jugend

• Eigene, stetige Weiterarbeit

• Kennenlernen anderer

Autistinnen und Autisten

• Auseinandersetzung

mit der Fachliteratur

• Selbstfindung

• Alltag bei der Cölner Hofbräu P. Josef Früh KG 5

rüh KG

Elternhaus

• Konservativ (gut zu meiner Arbeitsstelle passend)

• Lieferte mir die wichtigsten Grundlagen für die Inklusion!

• finanzielle Unterstützung in der Schule, im Studium und während der Umschulung

6

Eigene Motivation

Wunsch nach Normalität

Alltag

Jugend

Ruhe

Schule/ Uni/ Beruf

7

Wille zur Integration/ Inklusion

Positive Reaktionen bei

Erfolg

Negative Reaktionen bei

Misserfolg

8

Wunsch nach gleichberechtigter

Jugend

Erwachsenwerden wie bei anderen

Wahrnehmung, die sich von anderen

unterscheidet

9

Eigene, stetige Weiterarbeit

Alternative Wahrnehmung

Simultane Übersetzung

Schutz vor Überforderung

10

Kennenlernen anderer

Autistinnen und Autisten• Therapie (als Kind und Jugendlicher) – bis dato nur

Jungen mit Autismus

• Meetings und Seminare im Autismus Therapiezentrum – erstmals mit Autistinnen

• Treffen von Leuten in Foren

• Kennenlernen von Autistinnen und Autisten bei der Berufsfindung/ Umschulung

• Fazit: 100 verschiedene Autistinnen und Autisten SIND100 verschiedene Autistinnen und Autisten!

11

Auseinandersetzung mit der

Fachliteratur

• Begann bei mir erst mit Anfang 20

• Lieferte eine Reihe von Antworten

• Ermöglichte eine tiefergehende Selbstreflektion

• Zugleich: Erschreckende Beispiele, mit denen ich mich weder identifizieren kann, noch will!

12

Selbstfindung

Ausgangslage

• Erkenntnis und Akzeptanz der Andersartigkeit

• Versuch, dennoch möglichst „normal“ zu leben

Erkenntnis

• Anpassung ja, aber nur mit den gegebenen Möglichkeiten

• Permanente Arbeit an sich selbst erforderlich

Fazit

• Alltag definitiv anstrengender als für andere Personen

• Dennoch: Selbstaufgabe ist keine Alternative!

13

Alltag bei der Cölner Hofbräu P.

Josef Früh KG

Kontinuierliches

Training

Entwicklung der Aufgabenbereiche

14

Praktikumbefristete

Anstellung

unbefristete

Verlängerung

Alltag bei der Cölner Hofbräu P.

Josef Früh KG

15

h KGh KG

Heute findet Zusammenarbeit im Alltag beruflich statt und bildet somit die ideale

Grundlage für ein geregeltes Leben, weitere Fortschritte im Soft-Skill-Bereich und somit

ansteigende Akzeptanz auch im privaten Leben!

Therapie als Jugendlicher• Folge der Probleme auf

dem Gymnasium

• unter Klassenkameraden getarnt als „Jugendgruppe“

• Gleichwohl Unterschiede zu einer „gewöhnlichen Jugendgruppe“

• Erste Kontaktaufnahme zu anderen Asperger-Autisten

• Mit der Zeit extrem nervlich belastend

• Abschluss als Erster während der 10. Klasse

• Danach ein Gefühl der „Befreiung“

Lösung der Probleme

Anstieg der Belastung

16

Die Zeit beim Bildungsträger

Berufsorientierung

• nicht wirklich produktiv

• Dennoch lehrreich aufgrund der verschiedenen Kollegen mit Autismus!

• Deutliche Erkenntnis, dass ich ins Berufsleben kommen muss

• Kennenlernen vieler Gesichter der sogenannten „Reizüberflutung“

• Hat den Weg in die Umschulung geebnet

Umschulung

• von Beginn an verkürzt

• Wunsch nach Praktikum

• Praktika bei der CölnerHofbräu P. Josef Früh KG Ausbau bis zum Anstellungsangebot

• Problem: Prüfungstermin IHK

• Guter Abschluss (90 Punkte)

• direkter Übergang in die Anstellung einen Tag später. (insofern ein positiver Abschluss)

17

Was war hinderlich - Erläuterung

• „Hinderlich“ ist abhängig von Kontext und Ergebnis.

• Bei mir war nichts und niemand in dem Sinne hinderlich, dass er, sie oder es meine Entwicklung hätte nachhaltig negativ beeinflussen können.

• Gleichwohl existieren einige „hinderliche“ Aspekte, die einem den Weg in Richtung Inklusion – geregeltem Alltag zumindest erschweren!

• Gradwanderung zwischen hilfreicher Herausforderung und Überforderung/ Reizüberflutung lässt sich umgekehrt auf den Terminus „hinderlich“ projizieren.

• Letzten Endes eine rein subjektive Einstellung!

• Kann durch objektive Misserfolge untermauert werden, sofern sie nicht am Ende doch die Voraussetzung kommender, ungeahnter Erfolge sind!

18

Was war hinderlich

• Gesellschaftlicher Umgang • Zwischen Alltag und entspannter Jugend • Probleme in Gruppen • Zwischen Klischee und Realität • Auseinandersetzung mit anderen Autisten • Standards an der Universität • „Inklusion in Arbeit“ (2malige kurzfristige

Beschäftigung) • Auseinandersetzung mit der Bürokratie• Widerstände im Alltag

19

stig

Gesellschaftlicher Umgang

Asperger-

Syndrom

Auseinander-setzungen

Probleme

Unverständnis

Klischees

20

Zwischen Alltag und entspannter

Jugend• Trotz Schwierigkeiten Aufbau & Wandel

von Freundeskreisen

• Beginn von Beziehungen wie unter Nichtautisten üblich

• Durchleben der Pubertät

• Dabei jedoch gleichzeitige Absolvierung der Therapie

• Mit der Zeit enorme Belastung

• Stetige Anstrengung im Alltag

• Nach außen möglichst die Fassade wahren

• Versuch des „Pokerfaces“

21

hleben der Pubertät

bei jedoch gleichzeitige Absolvierung Therapie

der Zeit enorme Belastung

ige Anstrengung im Alltag

ch außen möglichst die Fassade wahren

uch des „Pokerfaces“

21

Probleme in Gruppen

22

Eventuelle Negativerfahrungen!!!

Druck

Normen Zwänge

Druck

Negativerfahrungen sind bedingt hinderlich, denn sie führen unter Umständen dazu, dass sich jemand

zeitweise oder sogar dauerhaft von Gruppen jedweder Art und Weise distanziert!

Zwischen Klischee und Realität

• Regelmäßiges Ärgernis: Die Presseberichterstattung über Autismus und speziell das Asperger-Syndrom

• Folge dessen: Klischeebildung und Vorverurteilung

• Gleichwohl: (unangenehme Realität) – das Syndrom ist (Achtung: umstrittene Formulierung) „unheilbar“!

• Dadurch regelmäßige Auseinandersetzung irgendwo im Grenzbereich zwischen vermeintlichen und tatsächlichen Realitäten

• Vergleich mit anderen betroffenen kommt hinzu:

• Einordnung wie als Mensch zwischen zwei Welten

23

Auseinandersetzung mit anderen

Autisten• Zu unterteilen in „normale Auseinandersetzungen“

unter Jugendlichen und solche, die auf krankheitsbedingte Missverständnisse zurückzuführen sind

• Letztere ein regelmäßiges Ärgernis, führen zu Abgrenzung

• Motivation zur Annäherung an Nichautisten/ Neurotypiker

• Später: Auseinandersetzung bezüglich der Begriffe Nichtautist vs. Neurotypiker

• Zugleich: Hilfe zur Selbsthilfe mit meinen bescheidenen Mitteln!

24

Standards an der Universität

• Begrenzte Freiheit (erkennbare und nicht erkennbare Zwänge)

• Schwierig: Modulauswahl und Zusammenstellung des Stundenplanes

• Kurs- und Prüfungsvorbereitung• Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten• Frage: Nachteilsausgleich und Betreuung der

Abschlussarbeit• Ergebnis: Wunsch nach praktischer Tätigkeit!

25

„Inklusion in Arbeit“ (2malige

kurzfristige Beschäftigung)

Geringe Berufliche Erfahrung vor meinen

Praktika bei der CölnerHofbräu P. Josef Früh

KG

Unangenehme Erfahrungen in den

Bereichen der geringfügen bzw.

kurzfristigen Beschäftigung sowie

der Zeitarbeit

Auch für Nichtautisten keine angenehme Situation, aber für

Autisten erst Recht nicht

Keine wirkliche Inklusion, da sofortige

Austauschbarkeit gegeben und

gewünscht ist!

26

27

Auseinandersetzung mit

der Bürokratie

• Regelmäßiges Ärgernis• Für Autisten

verallgemeinernd besonders belastend!

• Äußert sich in Wartezeiten, verweigerten Hilfen usw.

• Erschwert uns den Weg in das geregelte Leben zusätzlich!

Folgen:

– demotiviert alle Beteiligten

– Schadet der Inklusion

– Läuft dem eigentlichen Zweck der Hilfen zuwider

– Verschärft aus meiner Sicht den möglichenKonflikt zwischen Autisten und Nichtautisten!

Widerstände im Alltag

Standard

• Abweichung

• Auffälligkeit

Erwartung

• Nichterfüllung

• Enttäuschung

Folge

• Kritik

• Verbesserungsdruck

28

Abschließendes Fazit

29

Was war hilfreich – was war hinderlich hält sich ungefähr die Waage!

Abschließendes Fazit

Steigende Integration

Steigende Erwartung

30

Abschließendes Fazit

• Man erfährt viel Unterstützung, stößt aber zugleich auch auf viele Widerstände

• Für das Überstehen des Alltags ist kontinuierliche Anstrengung und für eine Verbesserung der eigenen Situation kontinuierliches Training erforderlich

• Ja, es kann einen Menschen überfordern

• Aufgeben ist keine Alternative!

31

Abschließendes Fazit

Das Leben als Asperger-Autist ist sicherlich anstrengender als das eines Nichtautisten.

Neben den hinderlichen Aspekten werden dem Autisten daher zurecht viele hilfreiche Maßnahmen zuteil.

32

Abschließendes Fazit

Aus diesem Grunde hält man möglicherweise einem Druck stand, der viele Nichtautisten, welche diesen Druck nicht gewöhnt sind, nicht aushalten würden.

Trotzdem wäre unser Leben komplett anders, wenn unsere Wahrnehmung der Standard statt die Abweichung

wäre!

33

Weiterführende

Informationsquellen• Buntschatten und Fledermäuse: Mein Leben in einer

anderen Welt von Axel Brauns• Ein guter Tag ist ein Tag mit Wirsing von Nicole

Schuster • Colines Welt hat tausend Rätsel sowie • Colines Welt hat neue Rätsel von Nicole Schuster ( beide

eher für Jugendliche und junge Erwachsene gedacht und in deren Sicht geschrieben)

• Überlebensstrategien für Menschen mit AspergerSyndrom von Marc Segar (http://www.autismusundcomputer.de/marc2.de.html)

• zudem bin ich vor einiger Zeit auf einen sehr interessanten Blog von einer Autistin namens Marlies Hübner hingewiesen worden, die auch Literatur herausgebracht hat. Ein entsprechendes Interview ist bei Stern.de erschienen inklusiver Verlinkung zum Blog: http://www.stern.de/kultur/buecher/welt-autismus-tag---marlies-huebner-verstoerungstheorien-6757854.html

34

Für eventuelle Rückfragen stehe ich

Ihnen jetzt noch gerne zur

Verfügung!

35

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

1

Therapeutische Hilfen für Kinder und Jugendliche mit autistischen

Störungen

Claus Lechmann

Dipl.-Psych., PP, KJP

AutismusTherapieZentren KölnBonn

Autismus-Spektrum-Störungen

• Autismus ist keine einheitliche Störung (Symptomatik/Ätiologie/Verlauf)

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

2

Phänomenologie

Pathogenese

Ätiologie

Schematischer Zusammenhang von Symptomen, Pathogenese und Ätiologie

DSM-5 (2013)• Die bisher abgegrenzten Autismus-Störungen werden alle zusammengefaßt als

“Autismus-Spektrum-Störung”. Darin sind enthalten:

– Frühkindlicher Autismus– Asperger-Syndrom– Desintegrative Störung– Tiefgreifende Entwicklungsstörung NNB

• Das Asperger-Syndrom entfällt somit als eigenständige Störung

• Aus drei Domänen werden zwei:– Sozial-kommunikative Defizite– Begrenzte Interessen und repetitives Verhalten

• Einteilung nach Schweregraden:

– Level 1: Benötigt Unterstützung– Level 2: Benötigt umfangreiche Unterstützung– Level 3: Benötigt sehr umfanfgreiche Unterstützung

• Es wird eine neue Störung konzipiert: Social Communication Disorder (SCD)

• Und: Doppeldiagnose: ASD und ADHS zulässig

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

3

Funktion der Diagnosefür die Eltern

• Entlastung

• Erklärung

• Orientierung

• Schlüssel für Hilfen

ICD-11 Entwurf6A20 Autism spectrum disorder

• 6A20.1 Autism spectrum disorder without disorder of intellectual development and with mild or no impairment of functional language

• 6A20.2 Autism spectrum disorder with disorder of intellectual development and with mild or no impairment of functional language

• 6A20.3 Autism spectrum disorder without disorder of intellectual development and with impaired functional language

• 6A20.4 Autism spectrum disorder with disorder of intellectual development and with impaired functional language

• 6A20.5 Autism spectrum disorder without disorder of intellectual development and with absence of functional language

• 6A20.6 Autism spectrum disorder with disorder of intellectual development and with absence of functional language

• 6A20.Y Other specified autism spectrum disorder

• 6A20.Z Autism spectrum disorder, unspecified

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

4

ICD-11 Entwurf6A20 Autism spectrum disorder

GB Sprachliche Defizite Keine Sprache

6A20.1

6A20.2 X

6A20.3 X

6A20.4 X X

6A20.5 X

6A20.6 X X

Hypothesen zur Förderung und Therapie bei frühkindlichem Autismus

• Autismus ist keine einheitliche Störung (Symptomatik/Ätiologie/Verlauf)

• Eltern haben sehr unterschiedliche Ressourcen/Erwartungen/Copingstrategien

• Kein Setting ist für alle gleich geeignet• Aber: Eltern und Kindergarten müssen immer einbezogen

werden• Einmal in der Woche eine (isolierte) Einzeltherapie hat kaum

/ keinen Effekt• Die Intensität muss eine kritische Masse erreichen• Die bisherigen Evidenz deckt nur einen sehr kleinen Teil der

Fragestellungen in einem solch komplexen Therapiekontext ab

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

5

NICE - Guidelines

INTERVENTIONS AIMED AT THE CORE FEATURES OF AUTISM

• 5.1 Introduction .......................................................................... 191

• 5.2 Psychosocial interventions – core features of autism ........... 202

• 5.3 Pharmacological interventions – core features of autism ..... 289

• 5.4 Biomedical interventions – core features of autism ............. 307

• 5.5 From evidence to recommendations .................................... 373

• 5.6 Recommendations ................................................................ 375

NICE Guidelines

Recommendations: Psychosocial interventions

• Consider a specific social-communication intervention for the core features of autism in children and young people that includes play-based strategies with parents, carersand teachers to increase joint attention, engagement and reciprocal communication in the child or young person. Strategies should:

• be adjusted to the child or young person's developmental level

• aim to increase the parents', carers', teachers' or peers' understanding of, and sensitivity and responsiveness to, the child or young person's patterns of communication and interaction

• include techniques of therapist modelling and video-interaction feedback

• include techniques to expand the child or young person's communication, interactive play and social routines.

The intervention should be delivered by a trained professional. For pre-school children consider parent, carer or teacher mediation. For school-aged children consider peer mediation.

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

6

Therapeutische Variablen

• Wo?

• Wer?

• Rolle der Eltern?

• Wie?

• Wie oft?

• Wie lange?

• Was?

• ATZ, Zu Hause, Kindergarten/Schule

• Einzeltherapeut vs. Interdisz. Team

• Reine Elternrolle vs. Co-Therapeut

• Natürliches Rahmen vs. hochstrukturiert

• Nieder- vs. Hochfrequent

• 3 Jahre, 5 Jahre, begleitend

• Funktionale Fähigkeiten

Therapiesetting im ATZ

TAU

ATZ / Zu Hause /Kiga

1 – 2 Therapeuten

Bis zu 4h / Woche

3 Jahre(ggf. spätere Wiederaufn.)

ABA

Zu Hause / Kiga /ATZ

1 ABA-Therapeut

1 „Elterntherapeut“

2 Co-Therapeuten

10 – 20 h / Woche

3 - 4 Jahre

Wo?

Wer?

Wie oft?

Wie

lange?

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

7

Was?Frühkindlicher Autismus

• Interaktion:– Erhöhung der „joint attention“

– Imitation

• Kommunikation:– Expr.: Einen Weg lernen, Wünsche auszudrücken

– Rez.: Einfachen Aufforderungen folgen

• Selbstständigkeit / Motorik / Sensorik

• Erweiterung der Spielinteressen

� Abbau von Verhaltensproblemen

Therapiesetting

• Kind / Jugendlicher

• Eltern

• Institution

– Kindergarten

– Schule

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

8

Elternberatung

• Prognose und Behinderungsverarbeitung

• Entlastungsmöglichkeiten

• Aufklärung über Autismus und Therapiemöglichkeiten

• Anleitung zur Förderung im Alltag

• Verhaltensprobleme lösen helfen

Elternberatung

• Prognose und Behinderungsverarbeitung

• Entlastungsmöglichkeiten

• Aufklärung über Autismus und Therapiemöglichkeiten

• Anleitung zur Förderung im Alltag

• Verhaltensprobleme lösen helfen

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

9

Prognoseund Behinderungsverarbeitung

• Häufige Frage der Eltern:

„Wird er gesund werden können?“

• Antwort:

– Wunsch nach einem gesunden Kind validieren

– Den Entwicklungsstand des Kindes deutlich machen

– Die kleinen und kleinsten Schritte betonen

– Den Einfluß von Förderung benennen

– Und gleichzeitig die Grenzen nicht verschweigen

Akzeptanz Veränderung

Ziel: Von Anfang an sollte auch immer Raum für die Auseinandersetzung mit der Behinderung gegeben werden und eine Balance zwischen Förderaktivitäten und Akzeptanz angestrebt werden

„Behinderungsverarbeitung“

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

10

Elternberatung

• Prognose und Behinderungsverarbeitung

• Entlastungsmöglichkeiten

• Aufklärung über Autismus und Therapiemöglichkeiten

• Anleitung zur Förderung im Alltag

• Verhaltensprobleme lösen helfen

Entlastungsmöglichkeiten

• Erfassung der Belastungsfaktoren– Wie belastet ist Ihre Frau/Mann?– Was belastet sie/ihn am meisten?– Was hat in der Vergangenheit schon geholfen?– Was bräuchte sie/er?

• Entlastung von Schuldgefühlen• Finanzielle Entlastung (z. B. Beratung bzgl. Pflegeversicherung)• Zeitliche Entlastung (Z.B. Familienentlastender Dienst,

Kurzzeitunterbringung)• Durchbrechung der (möglichen) Isolation (z.B. Selbsthilfegruppe)• Ggf. medikamentöse Hilfe bei massiven Verhaltensproblemen

(z.B. Schlafstörungen, aggressives/impulsives Verhalten etc.)

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

11

Was?HFA / Asperger-Syndrom

– Stimulierung der sozialen Orientierung• Erhöhung der sozialen Aufmerksamkeit

• Milderung der Eigenorientiertheit

• Gemeinsames Spielen anregen

• Wechselseitige Kommunikation anregen

• Perspektivwechsel, Emotionserkennung …

– Flexibilisierung

– Begrenzen und Utilisieren der Spezialinteressen

– Abbau der Verhaltensprobleme

– Selbstständigkeit, Motorik, Sensorik …

– Entwicklung eines passenden Selbst- und Störungsbildes

MißverständnisAsperger ist per se ein leichter Autismus

• Fakt:

– Das Asperger-Syndrom reicht von Normvarianten bis hin zu Menschen, die eine umfassende Betreuung benötigen, um ein Mindestmaß an Autonomie leben zu können

– Ob und welcher Grad der Behinderung vorliegt, muss in jedem Einzelfall festgestellt werden.

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

12

Therapiebereiche

• Selbst- und Störungsbild

• Soziale Interaktion

• Kommunikation

• Stereotype und ritualisierte Verhaltensmuster

• Motorik, Sensorik, Selbständigkeit

• Verhaltensprobleme / Begleitsymptomatik (ADHS, Depression, Zwänge etc.)

• Schulische und Berufliche Integration

Erarbeitung eines stimmigen

Störungs- bzw. Selbstbildes

als Grundlage für alle weiteren Interventionen

� als Grundlage für die Kommunikation

� als fortlaufender Prozess

� Auf allen 3 Ebenen:� Kind / Jugendlicher

� Eltern

� Schule

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

13

Ausgangspunkt

• Gefühl, anders zu sein

„Etwas stimmt nicht mit mir“

• Gefühl, Verhalten anderer als fremd zu erleben, nicht zu verstehen

„Etwas stimmt nicht mit den anderen“

Therapiezielkatalog des ATZ für

Jugendliche (TACH)(in Anlehnung an das BIT-C)

• Gleichaltrige

• Selbstbezogene Ziele

• Schule

• Gespräche

• Veränderungen

• Emotionen

• Sensorische und motorische Erfahrungen

• Familie

• Selbständigkeit

Lechmann: Therapeutische Hilfen bei ASS

14

TACH - Therapiezielkatalog des ATZ für Jugendliche

Lena Egert & Claus Lechmann

Methode:

Der TACH beinhaltet 44 nominalskalierte Items folgenden 9 Subskalen :

Gleichaltrige

Selbstbezogene Ziele

Schule

Gespräche

Veränderungen

Emotionen

Sensorische und motorische Erfahrungen

Familie

Selbstständigkeit

Bisher wurden in verschiedenen Autismus-Therapie-Zentren Deutschlands insgesamt 73

Jugendliche mit ASS zwischen 10 und 19 Jahren (davon 75% männlich) mit Hilfe des TACH

befragt.

Was möchten Jugendliche mit ASS mit Hilfe einer Therapie lernen und erreichen

TACH - Therapiezielkatalog des

ATZ für Jugendliche

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Einzelfallunabhängige

betriebliche

Beratung

Vermittlung von

Rehabilitanden

auf den allg. Beratung

Sicherung

vorhandener

Arbeitsverhältnisse

Begleitung

schwerbehinderter

SchülerInnen

von der Schule

ins Erwerbsleben.

Vermittlung von

WfbM-

Beschäftigen in den

allgemeinen

Arbeitsmarkt

auf den allg.

Arbeitsmarkt

Interessen/

Fähigkeiten

Anforderungen

des allgemeinen

ArbeitsmarktesAbgleich

Berufsorientierungsprozess

Auswirkungen der eigenen

Behinderung, bezogen auf

den Beruf

Auseinander-

setzung

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Querdenker mit System

2

Querdenker mit System

… ist ein IT-Dienstleistungsunternehmen.

… ist ein Sozialunternehmen und das erste deutsche Unternehmen, das ausschließlich

Menschen im Autismus-Spektrum als Consultants einstellt und bei Kunden im

IT-Bereich einsetzt.

3

Querdenker mit System

Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung haben es nicht leicht

Schwierigkeiten von Betroffenen im Berufsalltag

- können nicht gut für sich sprechen- haben oft keine typische Erwerbsbiographie- Arbeitsplätze sind meist zu unruhig- zu viel sozialer Stress am Arbeitsplatz- werden oft missverstanden- sequenzielles arbeiten, statt „Multi-Tasking“

- keine Lust auf Smalltalk- Einzelgänger

4

Querdenker mit System

Wir sagen

„Autismus ist kein Systemfehler, sondern ein anderes Betriebssystem“

5

Querdenker mit System

Autisten haben besondere Stärken – unser Alleinstellungsmerkmal

Que

6

Querdenker mit System

Wenn Spezialinteresse und Projekte zueinander passen

§ Test und Analyse hochkomplexer Systeme§ IT-Optimierung und Automatisierung§ Optimieren von Programmen in C, C++, Java und

weiteren Sprachen§ Strukturieren und Bereinigen großer

Datenmengen§ Erstellen von statistischen Prognosen § Ableiten und Implementieren von Algorithmen§ Verfassen technischer Manuale und

Dokumentationen§ Konsistenzprüfung von IT-Konzepten,

Spezifikationen und Prozessen§ Qualitätssicherung im Rahmen von IT-Projekten,

Migrationen & Audits

7

Detailorientierte WahrnehmungI

Querdenker mit System

Datenanalysedienste

• Analyse großer Datenmengen von Verbindungsdaten aus E-Mail-Verkehr, Standortdaten von Mobiltelefonen

• Internet-Benutzerdaten• Validierung und Dokumentation

MobMobMobMobMobMobMobiltiltiltiltiltiltilteleeleeleeleeleeleelefonfonfonfonfonfonfonenenenenenenen• Internet-Benutzerdaten• Validierung und Dokumentation

Datenanalysedienste

• Analyse großer Datenmengen von Verbindungsdaten aus E-Mail-Verkehr, Standortdaten von Mobiltelefonen• Internet-Benutzerdaten• Validierung und Dokumentation

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Querdenker mit System

Visuelle MustererkennungII

Data Fusion / Data Mining

• Datenveränderungen• Computersabotage• Betrug mit Zugangsberechtigungen• Ausspähen und Abfangen von Daten

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Querdenker mit System

Kognitive MustererkennungIII

Data Intelligence

Ableiten von Bedrohungsszenarien und Erzeugen von Trend Analysen aufgrund von erkennbaren Mustern im Kontext zu z. B. Cybercrime

• Entwicklung von Analysesoftware

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Querdenker mit System

Genuides QualitätsbewusstseinIV

Information-Retrieval

Inhalte aus Gesamtdatenbestand filtern und abgleichenBsp.: Zeige mir alle VPN-Verbindungen oder Analyse von Kontobewegungen/Geschäftsbeziehungen zur Entdeckung von Betrugsfällen

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Querdenker mit System

Querdenken mit SystemV

QueQueQueQueQueQuerderderderderderdenkenkenkenkenkenker mit it it it it it SysSysSysSysSysSystemtemtem

Predictive Policing

Algorithmen, maschinelles Lernen (ML), Code Reviews

• Analyse von aktueller Forschung sowie aktuellen und historischen Fällen

Daraus folgend

• Entwicklung neuer Methoden sowie• Implementierung eines besseren Frühwarnsystems

Einsatzgebiete: • Phishing• Social Engineering • DDoS Attacks• Hackerangriffe

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Querdenker mit System

Wie wir unsere Kollegen unterstützen

ConsultantJob Coach Projektmanager

Bild im Internet nicht erwünscht

Querdenker mit System

Wie wir unsere Kollegen unterstützenDie auticon Job Coaches…

- agieren als Vermittler im Hintergrund - gestalten den Arbeitsplatz- sind immer Ansprechpartner

Die auticon Projektmanager

- begleiten und unterstützen fachlich in den Projekten

Bild im Internet nicht erwünscht

Job CoachCoach

ProjektManagerC

oach

KundeCoachConsultantC

oach

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Querdenker mit System

Wie wir unsere Kollegen unterstützen

PM besprechen mit dem Kunden

Projektdetails und Anforderungen.

PM bereiten die Consultants fachlich

auf Ihren Einsatz beim Kunden vor.

Projektmanager

ConsultantKunde

- PM begleiten kontinuierlich die Projekte um zu unterstützen, wenn nötig und sind zuständig für dieÜbergabe am Ende des Projektes.

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Querdenker mit System

Wie wir unsere Kollegen unterstützen

Job Coaches bereiten den Kunden auf den Umgang mit

den Consultants vor.

Job Coaches bereiten die Consultants auf Ihren Einsatz

beim Kunden vor.

Job Coach

ConsultantKunde

- Job Coaches agieren stets im Hintergrund, bieten jedoch kontinuierliche, individuell angepasste Beratung.

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Querdenker mit System

Im Arbeitsalltag

Herausforderungen Lösung durch auticon und Kunden

- bedingungslose Ehrlichkeit - > Vorbereitung des Teams- Strukturierung der Arbeitspakete notwendig - > Aufgabenpakete erstellen- Arbeitsergebnisse liegen sehr schnell vor - > enge Abstimmung, hoher Arbeitsvorrat- Lautstärke im Großraumbüro - > separater Sitzplatz, Headset,

Trennwand- kreatives Arbeiten ohne feste Sitzplätze - > fester Sitzplatz mit Namensschild- mangelnde Orientierung - > Büro-Plan mit Namen- Bedürfnisse hinsichtlich Arbeitszeiten - > Anpassung Arbeits- und Pausenzeiten- Unruhe am Arbeitsplatz - > Rückzugsraum

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Querdenker mit System

Erfolgsfaktoren

Que

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Querdenker mit System

Fazit

Eine echte Win-Win-Win-Situation (IT-Consultant)

- feste Arbeitsplätze mit Unterstützung für Autisten

- Steuerung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Stärken

- Stärkung des Selbstbewusstseins

- Unabhängigkeit durch marktübliches Einkommen Bild im Internet nicht erwünscht

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Querdenker mit System

Fazit

Eine echte Win-Win-Win-Situation (Firmen)

- erstklassige Qualitätsarbeit

- schnelle Ergebnisse

- unbestechliche Bewertung

- wasserdichte Dokumentation

- kreative Lösungen für scheinbar unlösbare Aufgaben

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Querdenker mit System

Eine echte Win-Win-Win-Situation (Gesellschaft)

- äußerst qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte

- Abbau von Vorurteilen gegenüber Menschen mit Einschränkungen

- Sozialhilfeempfänger werden zu Steuerzahlern

- gegenseitiges Lernen durch Perspektivenwechsel

Fazit

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Querdenker mit System

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Kontakt

Klaus MeckelNiederlassungsleiter Düsseldorf

auticon GmbH Mobil: 0170 3820391Bonner Str. 61 [email protected] Düsseldorf www.auticon.de

Sabine KochJob Coach

auticon GmbH Mobil: 0176 34564958Bonner Str. 61 [email protected] Düsseldorf www.auticon.de

Lukasz StyraProjektmanager

auticon GmbH Mobil: 0176 473 166 20Bonner Str. 61 [email protected] Düsseldorf www.auticon.de

Querdenker mit System

Regionalverband zur Förderung autistischer Menschen

„Ambulant Betreutes Wohnen bei Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA: Überlegungen, Ein- und Ausblicke über den gesamten Lebenslauf“

1

„Ich habe einiges durchgezogen. Es ist im Nachhinein so als hätte es mich nie gegeben. Keine Kontakte. Keine Folgen.“

(40-jährige Frau mit der Diagnose „Hochfunktionaler Autismus“ (ICD-10: F84.0), die sie erst mit 39 bekommen hat mit Wunsch nach fachlicher autismusspezifischer Unterstützung, die sie nicht erhält.)

29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

Regionalverband zur Förderung autistischer Menschen

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Fachtagung 29.11.2016 LVR-Dezernat Soziales

AUTISMUS Was gibt es – Was braucht es?

„Ambulant Betreutes Wohnen bei Menschen mit

Asperger-Syndrom/HFA: Überlegungen, Ein- und Ausblicke über den gesamten Lebenslauf“

Harald Matoni

Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut

Leiter der

29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

Die bietet in ihrem Einzugsgebiet (siehe rechts)

• zu großen Teilen mobil aufsuchende individuelle autismusspezifische Therapie und Förderung autistischer Menschen

• autismusspezifische Gruppentherapien in unseren Räumen

• enge Zusammenarbeit mit den Einrichtungen und Kontaktstellen unserer Klienten − Kindergärten, Schulen, Heimen, WfBM, … − mit psychiatrischen Einrichtungen, Kliniken oder

niedergelassenen Ärzten − und vielen anderen Institutionen

• therapiebegleitende Eltern- bzw. Bezugspersonenberatung

• Kontaktvermittlung zu anderen autistischen Menschen

• Hilfe bei der Antragsstellung zur Therapiekostenübernahme

• Informationen zum Thema Autismus

• Fortbildungsmaßnahmen (in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern)

• eine umfangreiche Homepage (www.autismus-online.de)

3 29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

Regionalverband zur Förderung autistischer Menschen

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Was gibt es, was braucht es? Überlegungen Fast alle Menschen mit Autismus und geistiger Behinderung leben und arbeiten in einem mehr oder weniger „geschützten“ Raum (Elternhaus, Wohnheim, organisierte Freizeit, Werkstatt für Menschen mit Behinderung usw.). Man kann sich über den Umfang, die Notwendigkeit und/oder Sinnhaftigkeit dieses „Schutzes“ streiten, aber der „Schutz“ ist vorhanden, sowohl in räumlicher Form als auch in Form von Personen, die sich mehr oder weniger gut mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) aus-kennen. Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA (HFA = High-Functioning-Autismus) bewegen sich im „normalen“ Alltag und sind somit allen Anforderungen und Problemen des Alltags ausgesetzt. Viele Betroffene berichten von den Belastungen und häufig auch Überforderungen, formulieren einen Unterstützungsbedarf, finden ihn aber häufig nicht in adäquater Weise. Bei einem Teil der Betroffenen kann die fehlende Unterstützung zur (fast völligen) Isolation, Arbeitslosigkeit, Verwahrlosung und/oder Entwicklung einer depressiven Symptomatik führen. Angebote wie ein Wohnheim für Menschen mit Autismus und geistiger Behinderung oder Wohnangebote für psychisch Kranke stellen eher eine „Notlösung“ dar, da sie den besonderen Bedürfnissen und Fähigkeiten von Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA in der Regel nicht gerecht werden. 29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

Regionalverband zur Förderung autistischer Menschen

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Beispiele für Fragen bzw. Unterstützungsbedarf:

§ Wie finde ich eine Wohnung?

§ Wie regele ich Probleme mit der Telekom?

§ Wie schaffe ich es, meinen Pflichten im einem Haus mit Mietwohnungen (z.B. regelmäßiges Putzen des Treppenhauses) nachzukommen?

§ Muss ich mit meinen Nachbarn Smalltalk machen? Und wenn, worüber soll ich reden?

§ Was mache ich, wenn der Strom ausfällt oder ein Wasserrohr bricht?

§ Wie oft muss ich Staub wischen/saugen, meine Wäsche waschen, das Bettzeug wechseln, den Müll raustragen …?

§ Wie schaffe ich es, morgens so fertig zu werden, dass ich pünktlich meine Arbeit erreiche?

§ Wann ist eine Krankheit (z.B. Erkältung) so schlimm, dass ich nicht zur Arbeit gehen kann bzw. zum Arzt gehen muss?

§ Woran erkenne ich, dass sich jemand in mich verliebt hat?

§ Welche Versicherungen brauche ich, wie finde ich die richtige, wie schließe ich sie ab, was muss ich alles mitteilen?

§ Wie lange halten sich Lebensmittel, wie muss ich sie lagern? Wie kocht man? Was gehört zu einer gesunden Ernährung? Wie viel muss ich am Tag trinken?

§ Wie verhalte ich mich, wenn ich zu einer Geburtstagsfeier eingeladen worden bin, wie teuer muss das Geschenk sein, das ich mitbringe, was soll ich schenken?

29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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Was gibt es (noch) zu wenig? Selbstbestimmtes Leben in Form von

§ eigenständigem Wohnen,

§ beruflicher Integration im ersten Arbeitsmarkt,

§ aktiver Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben,

§ Aufbau eines Freundeskreises,

§ der Wahl von Lebens- und Ehepartnern

§ usw.

sind keine Selbstverständlichkeit für Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA, obwohl sie es sich häufig wünschen. Je nach individuellen Stärken und Schwächen sowie in der Abhängigkeit der Lebenserfahrung ergibt sich ein unterschiedlicher Unterstützungsbedarf.

29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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Schon vor über 10 Jahren sind konzeptionelle Entwürfe für betreutes Wohnen für Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA entwickelt worden (z.B. Musterkonzeption Ambulant Betreutes Wohnen der Arbeitsgruppe Betreutes Wohnen NRW: Doris Deckers, Sozialwerk St. Georg/Autea, Harald Matoni, Autismus-Therapie-Ambulanz Niederrhein, Walter Prim, Verbundsystem Haus Agathaberg, Stiftung Die Gute Hand, Rositta Symalla, v. Bodelschwinghsche Anstalten, Bethel/Autea, Klaus Wollny, Regionalverband Ostwestfalen-Lippe e. V.).

Die nachstehende Auflistung beinhaltet beispielhaft in der Regel tägliche Themen und Aktivitäten. Teilweise beschreibt sie auch nicht konkret planbaren zusätzlichen Hilfebedarf (aus: Musterkonzeption Ambulant Betreutes Wohnen): § Beratung bei der Erstellung der Tages- und Wochenplanung, § Unterstützung bei der Umsetzung im Alltag und entsprechende Reflektion § Regelmäßige Hilfe bei der Entwicklung und Umsetzung von Ordnungs-, Sauberkeits- und Reinigungsstrukturen, z. B:

Auffrischen der Putzstrukturen und Wäschepflege § Regelmäßige Hilfe bei der Entwicklung und Umsetzung von Finanzplanung, Assistenz bei der Ausgestaltung von Antrags- und

Vertragswesen § Regelmäßige Hilfe bei der Entwicklung und Umsetzung von gesundheitlicher Versorgung, z. B. Arztbesuche vorbereiten, aber

auch begleiten; Achten auf gesunde Ernährung § Reflektieren der Erfahrungen, Fragestellungen und (oft in die Krise führenden) Verunsicherungen aus Freizeit,

Arbeit/Beschäftigung, Beziehungen, Wohn- und Lebensumfeld, § zeitnahes Entwickeln und Training von Verhaltensmustern in den genannten sozialen Situationen § Reflektieren der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Behinderung und der Entwicklung eines individuellen

Lebenskonzeptes einschließlich Akzeptanz der Beeinträchtigungen. § Unterstützung des Lernprozesses über die individuellen Auswirkungen der Behinderung. § Reflektion der individuellen Tagesprotokolle § Regelmäßige Hilfe bei der Entwicklung und Umsetzung von sozialintegrativen Aktivitäten wie Vereinstermine/Kursbesuche

vorbereiten/trainieren/begleiten, weitere Freizeitgestaltung § Einkäufe aller Art vorbereiten/trainieren/begleiten § Reflektion der Kontakte des Bewohners zur Arbeits- oder Beschäftigungsstelle / Information über Autismus und die vorliegende

persönlichen Ausprägung mit dem individuellen Hilfebedarf vermitteln § Kontakte zur Nachbarschaft begleiten etc. § Kontakte zur Familie begleiten, Unterstützung der Entwicklung altersgerechter Beziehungen innerhalb des Ablösungsprozesses § Training von Selbstkontrollmechanismen insbesondere bei Fixierungen, Training von Entspannungstechniken § Krisenmanagement 29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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Wie ist es? Einblicke Personen, die Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA unterstützen (z.B. BeWo-Personal), stehen vor einer besonderen Herausforderungen: Eine ASS ist für Nicht-Betroffene nur schwer zu verstehen, erst recht wenn die Betroffenen intelligent sind. Asperger-Syndrom/HFA ist eine unsichtbare Störung – man sieht sie einer Person nicht an. Hinzu kommt, die Betroffenen sind intelligent. Für „Neurotypische“ ist es nur schwer zu verstehen, wie ein intelligenter Mensch solche Probleme haben kann. Häufig fallen Aussagen wie „Der ist doch intelligent, dann muss der das doch verstehen / können!“ oder „Das haben wir doch schon erarbeitet bzw. durchgesprochen, dass muss doch jetzt klappen!“

29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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Ein konkretes Beispiel aus dem gelebten Alltag: Ein autistischer Mieter will den Bereich vor seiner Wohnung fegen, für den er zuständig ist. Auch andere Nachbarn sind mit Reinigungsarbeiten im Treppenhaus beschäftigt. Beim Fegen zerbricht sein Besen. Er schaut sich um, sieht zwei Wohnungen weiter neben einer Wohnungs-tür einen Besen stehen, geht hin und nimmt ihn sich. Die Nachbarin, der der Besen gehört, schaut ihn böse an und sagt „ÄHHH!“ Der autistische Mieter geht mit dem Besen zu seinem Bereich zurück, ohne auf den Ausruf und den Gesichtsausdruck seiner Nachbarin zu reagieren.

(Mindestens) 5 Probleme: 1. Der autistische Mieter hat nicht erkannt, dass der Besen nicht frei verfügbar ist (schwache

zentrale Kohärenz; fehlendes/vergessenes Regelwissen). 2. Der autistische Mieter kann den Ausruf und den Gesichtsausdruck seiner Nachbarin nicht

interpretieren (Probleme mit der „Theory of Mind“ / mangelnde Empathiefähigkeit) 3. Nachbarin (und weitere Nachbarn) erkennen nicht, dass der autistische Mieter sich keiner

Schuld bewusst ist und den Ausruf und den Gesichtsausdruck nicht interpretieren kann („Unsichtbarkeit“ der ASS, man sieht es den Betroffenen nicht an).

4. Die Nachbarn können sich nicht vorstellen, dass jemand, der intelligent ist, nicht den Ausruf und den Gesichtsausdruck interpretieren kann („Unsichtbarkeit“ – Störung für Nicht-Betroffene schwer bis gar nicht verstehbar/vorstellbar/begreifbar).

5. Der autistische Mieter kann auf sein Problem nicht aufmerksam machen, da er (in dem Augenblick) nicht merkt, dass er ein Problem hat („Unsichtbarkeit“ – Betroffene informieren nicht über ihre Probleme).

29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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Auch Krämer, Gawronski, Falter, Vogeley (2015) sprechen metaphorisch von einer „doppelten Unsichtbarkeit“ autistischer Störungen:

Erste „Unsichtbarkeit“: (Nicht sichtbare) Veränderung des inneren Erlebens der betroffenen Person (wie bei allen psychischen Störungen), die „Veränderung“ liegt allerdings von Anfang an vor und entsteht nicht erst im Laufe des Lebens. Anders ausgedrückt: Menschen mit ASS nehmen die Welt anders wahr und begreifen sie anders.

Zweite „Unsichtbarkeit“: Im Alltag wird automatisch vorausgesetzt, dass alle Menschen über ein intuitives Verständnis sozialer Signale verfügen, Menschen mit ASS haben aber einen eingeschränkten oder fehlenden Zugang dazu („Merkst Du denn gar nicht …!“ „Woran soll ich das denn merken?“). Anders ausgedrückt: Menschen mit ASS haben Probleme, fremdes Verhalten und Erleben (z. B. Gefühle, Gedanken, Absichten) zu erkennen, zu verstehen, zu erklären, vorherzusagen + danach entsprechend zu handeln.

„Normale Menschen sind von ihren intuitiven Fähigkeiten so verwöhnt, dass sie gar nicht wissen, wie schwer ein Leben ohne Theory of Mind und mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten sein kann.“ Schuster (2007), S. 144

Man könnte auch noch von einer dritten „Unsichtbarkeit“ sprechen: Menschen mit ASS können auf dieses Problem selbst nicht aufmerksam machen, da ihnen diese Fähigkeit zur nonverbalen Kommunikation eben kaum oder nicht bekannt ist. 29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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„Wenn andere Leute gestikulieren, weiß ich meistens gar nicht was sie wollen, wenn sie das Gesicht verziehen, ja - kann ich nicht viel mit anfangen, muss ich überlegen, was soll das jetzt heißen, meistens weiß ich es nicht, und das nimmt man alles sehr bewusst wahr, das wird nicht intuitiv erfasst und verarbeitet, wie es eigentlich üblich wäre, es ist immer Kopfarbeit gefordert.“ Tobias Rockstroh, ARD Mittagsmagazin, Jan. 2013

„Für meine Kinder kann ich quasi auf normalem Wege offensichtlich keine Gefühle empfinden, d.h. wenn z.B. meine Kinder … auf mich zugelaufen gekommen sind, weil sie vor irgendetwas Angst haben, dann habe ich das früher nicht erkannt, d.h. das erkenne ich eigentlich auch heute nicht. Man muss mir das ganz klar sagen ‚ich habe Angst vor dem Gewitter‘ oder was auch immer oder vor dem großen Hund oder was ganz früher alles so mal dagewesen ist. … (Meine Frau) muss ganz klar sagen, was ihre Emotion ist, um die von mir erkennbar zu haben und dann auch dass ich darauf ansprechend angemessen reagieren kann. Es ist oft genug die Situation dagewesen ‚Sage mal merkst du denn gar nicht dass …‘ und ich fragte mich dann immer ‚ja woran soll ich das bitte merken, wenn das keiner sagt‘.“ „Autismus: Grenzgang zwischen zwei Welten“, TV-Beitrag mit Dr. Peter Schmidt und seiner Frau Martina live als Studiogäste beim NDR im Format von „Menschen und Schlagzeilen“ vom 9.03.2011

29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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Was braucht es? Verständnis: Ohne das Verständnis für die autismusspezifische Problematik wird eine entsprechende Unterstützung nicht effektiv sein.

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Autistische („normal intelligente“) Erwachsene haben im Laufe ihres Lebens manche Kompensationsstrategien entwickelt, mit deren Hilfe sie viele soziale Situationen korrekt bewältigen können. „Das Alltagsverhalten vieler Menschen mit Autismus kann im Erwachsenenalter zum großen Teil von einstudierten Verhaltensweisen bestimmt sein. Einige von ihnen können sich spontane, eigene Reaktionen völlig abgewöhnt haben, da diese zu oft zu Misserfolgen und Frustrationen geführt haben.“ Schuster (2007), S. 144 Speziell die intuitive Verarbeitung nonverbaler Signale bleibt meist dauernd erschwert. Auch die Probleme im Bereich der Exekutivfunktionen (z.B. die Fähigkeiten wie die Planung und Überwachung (Planungsprozesse) eigener Handlungen, die Impulshemmung, die Fokussierung der Aufmerksamkeit und das flexible, vorausschauende und zielgerichtete Suchen von Lösungsstrategien) bleiben in der Regel ein Leben lang bestehen.

29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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Verändert sich der Unterstützungsbedarf mit zunehmendem Alter?

„Ein Leben Lang anders: Menschen mit Autismus werden oft über einen Kamm geschoren. Dabei kann sich die Störung in verschiedenen Lebensphasen ganz unterschiedlich mani-festieren.“ Stroth, Kamp-Becker, 2016

Der Unterstützungsbedarf ändert sich im Laufe des Lebens (Betroffene lernen z.B. hinzu), wird aber höchstwahrscheinlich bei den meisten Betroffenen permanent vorhanden bleiben und bei elementaren Ereignissen (z.B. Job- oder Wohnungswechsel, Rente, Partnerschaft) zeitweilig wieder deutlich ansteigen: Das Leben / der Alltag ist so komplex, dass Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA immer wieder vor neuen Herausforderungen stehen, für die sie kein „Rezept“, „Programm“, Plan usw. haben.

Es geht also nicht nur um Weiterentwicklung (Förderziele), sondern auch um die Erhaltung des Bestehenden.

Aber, das „Ältersein“ kann aus der Sicht von Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA auch Vorteile haben: Auf dem XI. Autism-Europe International Congress (16.-18. September 2016 in Edinburgh) bezeichnete ein älterer Betroffener das „höhere“ Alter als das „goldene Alter“: Probleme, wie z.B. verzögerte Reaktion auf Fragen, werden jetzt dem Alter geschuldet und nicht mehr so irritierend von „Neurotypischen“ erlebt wie früher. 29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

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Was gibt es, was braucht es? Ausblick / Überlegungen / Empfehlungen / zur Diskussion:

Auch wenn Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA für Außenstehende/Unerfahrene nicht „behindert“ wirken (Unsichtbarkeit der ASS), ist in der Regel ein deutlicher Unterstützungs-bedarf vorhanden.

Viele Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA benötigen längerfristig individuelle Unterstützung durch pädagogisch/therapeutisch ausgebildete Fachpersonen, die sich mit ASS auskennen und in der Lage sind, auf die individuellen Stärken und Schwächen der Betroffenen einzugehen.

Hilfen, die Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA benötigen, dürfen nicht in den „Pflegebereich“ abgeschoben werden (Gefahr durch aktuell geplante neue Gesetzgebung). Unterstützungsbedarf sollte ohne großen Aufwand für die Hilfesuchende und ohne Kosten-trägerstreitigkeiten finanziert werden.

Gerade Menschen mit Asperger-Syndrom/HFA, die auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt sind (und bleiben sollen), bedürfen häufig bestimmter arbeitsbezogene Leistungen, die nur begrenzt oder gar nicht durch BeWo abgedeckt werden können. Hier kann eine Zusammen-arbeit mit z.B. Integrationsfachdiensten (IFD) und/oder örtlichen Fürsorgestellen (in NRW) sinnvoll sein.

Auch autismusspezifische Therapien (wie sie z.B. durch Autismus-Therapie-Zentren angeboten werden und autismusspezifische Psychotherapien auf Basis autismusspezifischer Verhaltenstherapie) stellen eine sinnvolle Ergänzung zum alltäglichen Unterstützungsbedarf dar.

(Moderierte) Selbsthilfegruppen sind für viele Betroffen hilfreich. 29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

Regionalverband zur Förderung autistischer Menschen

Adresse: Vorster Str. 8, 47906 Kempen

Tel.: 02152/8925911

Fax: 02152/8925912

E-Mail: [email protected]

Internet: autismus-online.de

Mitgliedschaften:

unterstützt durch:

16 29.11.2016 LVR-Autismus-Fachtagung „Autismus: Was gibt es – Was braucht es?“

Bei dem Blick auf die letzten Jahre, die Entwicklungen im ambulant betreuten Wohnen, die inhaltlichen Schwerpunkte auf Fortbildungen und Autismus-Fachtagungen, kann man den Eindruck bekommen, dass der Fokus der Wissenschaft sich mit den Menschen des Autismus Spektrum beschäftigt hat, die nicht in unserer Einrichtung wohnen. Ich freue mich hier die Gelegenheit zu bekommen über Herausforderndes Verhalten in einer stationären Wohneinrichtung zu berichten.

Haus Combüchen liegt in Bergisch Gladbach auf den ersten Hügeln des Bergischen Landes, Blick auf den Kölner Dom und ländlich gelegen. Es ist eine vollstationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe für sechzehn erwachsene Menschen mit Autismus, Diagnose Frühkindlicher Autismus F. 84.0 mit Intelligenzminderung. Die Bewohner sind im Alter zwischen 23 und 39 Jahre Die Bewohner unserer Einrichtung weisen alle, in fast allen Teilbereichen erheblich ausgeprägte bis vollständig ausgeprägte Beeinträchtigungen der Teilhabe auf. Dies betrifft das Lernen und Wissensanwendung, den Bereich der allgemeinen Aufgaben und Anforderungen, die Kommunikation die Selbstversorgung und weitere Teilbereichen. Vor allem aus der eingeschränkten Fähigkeit der betroffenen Menschen mit ASS komplexe Situationen umfassend wahrnehmen und realitätsbezogen verarbeiten zu können, leiten sich die grundlegenden Rahmenbedingungen unserer pädagogischen Arbeit ab: Überschaubare Gruppen, strukturierte Tagesabläufe und ein ausreichendes Raumangebot reduzieren die Reizmenge und vereinfachen die Wahrnehmungsverarbeitung für unsere Bewohner.

Kurz zur Begriffsbestimmung: Herausforderndes Verhalten verstehe ich im Sinne eines Verhaltens das in seiner Intensität, Häufigkeit und Dauer die Unversehrtheit des Menschen selber, oder Anderer gefährdet. Hierzu zählen vor allem auto- und fremdaggressive Impulsdurchbrüche. Betrachten wir die Entwicklung von Haus Combüchen können wir festhalten, dass alle unserer Bewohner im Laufe der Zeit bereits herausforderndes Verhalten gezeigt haben. Diese Impulsdurchbrüche zeigten und zeigen sich in Form von Schlagen, Treten, Beißen, Kratzen, Spucken, Kotschmieren, den eigenen Kopf wiederholend gegen Wände schlagen, usw.

Autismus Was gibt es? Was braucht es?

Ein Erfahrungsbericht über die Arbeit mit Herausforderndem Verhalten von Menschen mit Autismus in einer Wohneinrichtung. … und ein Plädoyer für die Bedeutung von spezialisierten vollstationären Angeboten

Im Rückblick über die letzten elf Jahre haben wir viel erreicht. Verhaltensmuster gehen zurück, verschwinden für ganze Zeiten und treten gelegentlich in Phasen wieder zu Tage. Auf die lange Sicht gehen die Verhaltensausprägungen in Qualität und Quantität sukzessive zurück. Es wird aber dauerhaft ein Thema bleiben.

Fallbeispiel: Pflegesituation – Herr A., zu dem Zeitpunkt einunddreißig Jahre alt, ist 183 cm groß und um die einhundert Kilo schwer, Epileptiker, keine aktive Sprache, doppelt inkontinent. Vor sieben Jahren kam es immer häufiger zur Eskalation in der Morgenpflege. Er schlug nach Mitarbeitern, schlug sich selber, riss im Bad den Duschschlauch regelmäßig aus der Wand, und versuchte mit dem Duschkopf die Mitarbeiter zu schlagen, schmiss mit allem was er in Reichweite zur Verfügung hatte, auch mit benutztem Inkontinenzmaterial. Höchst agitiert, schreiend, nicht erreichbar in der Situation für die MA und das schon vor Beginn der Pflege. Es kam zu mehreren erheblichen Verletzungen bei den Mitarbeitern. In den Teambesprechungen sind die Grenzen für Mitarbeiter in der Pflege immer wieder thematisiert worden, es gab interne Überlegungen, ob ggf. der Wohnvertrag gekündigt werden muss, da die Leistung einer adäquaten Pflege nicht immer von uns sichergestellt werden konnte.

Die Unversehrtheit der Mitarbeiter muss natürlich gewährleistet werden. Wer will und kann so arbeiten? Drei Duschköpfe pro Woche, zwei Toilettenbrillen pro Woche sind auf Dauer ein Kostenfaktor. Hier hatten wir einen Grenzbereich, der Entscheidungen notwendig machte. Es gab Überlegungen, ob eine Pflege mit Teilfixierung für den Übergang erfolgen muss. Wir haben uns dagegen entschieden, da dies die konzeptionelle Ausrichtung und die Rahmenbedingungen des Hauses gesprengt hätten. Der Dienstplan wurde ausgerichtet auf drei Mitarbeiter, die sich weiterhin bereiterklärten in die Pflege zu gehen. Wir haben uns alle Teilbereiche des Pflegeablaufs angeschaut, Temperatur im Bad, ggf. Störungen durch Kollegen, die zur Unterstützung und Sicherung hinter der angelehnten Türe standen, Blutzuckerspiegel von Herrn A. zu dieser Uhrzeit - erstes Frühstück vorher, etc.

Die Schlüssel für eine funktionierende Pflege waren letztendlich das stark reduzierte Tempo in der Durchführung, die gleichartige Kommunikation und positive Verhaltensunterstützung. Lag der Fokus der Mitarbeiter vorher vorrangig auf einer zügigen Pflege – „Sauber und wieder raus“, zeigte sich, dass Herr A. so die Pflege nur passiv erdulden konnte, ohne wirkliche Chance sich eigeninitiativ zu beteiligen. Herr A. benötigte im Schnitt fünf bis sechs Sekunden, um allein zu registrieren, was als nächstes kommen sollte. Hielt man ihm z.B. den Rasierschaum hin, kam mit dieser Verzögerung ein Aufhellen des Blickes. Er nahm den Pflegeschaum in die Hand, strich in auf seine Wange und kam nach weiteren langen Sekunden mit Blick auf den Rasierer mit der Wange entgegen, … . Herr A. konnte aktiv an der Pflege teilnehmen. Er bestimmte das Tempo, war nicht mehr passiv erduldend, sondern konnte für seine auch noch so kleine Teilnahme immer wieder gelobt werden. Die Situation entspannte sich innerhalb von ca. eineinhalb Jahren wieder.

Was war hilfreich für diese Veränderung? Kurz: Aktive Beteiligung Positive Verhaltensunterstützung und Bedürfnisorientierung Klare und reduzierte Kommunikation Vorhersehbarkeit für den Menschen mit ASS, Aufbau und Erfüllung von Erwartungen an den

betreuenden Mitarbeiter Natürlich dauerte es bis sich die Erwartungen an die Situation und die aufgebauten Verhaltensmuster wieder veränderten. Die Pflege wurde mit der Zeit wieder für alle Kollegen möglich. Gemeinsame positive Erfahrungen konnten wieder gemacht werden. Es gibt zwar immer noch angespannte Situationen, aber Herr W. ist erheblich kooperativer. Er lässt sich schneller auf neue Situationen ein. Dies ist meines Erachtens ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es sich bei Herausforderndem Verhalten um die Störung des Menschen zu seiner Umwelt handelt und nicht um eine dem Menschen innewohnende Eigenschaft. Es verdeutlicht, dass es erlernbar aber auch veränderbar ist. Wir verfolgen in unserer Einrichtung das Konzept der Positiven Verhaltensunterstützung. Aversive Verhaltensmethoden lehnen wir strikt ab. Sie sind auch für unser Klientel vollkommen ungeeignet.

Es lohnt sich besonders die Zeiten und Situationen abseits der Konflikte anzuschauen. Da wo etwas funktioniert hat, wo etwas gelungen ist. Wir sollten immer überprüfen, was man davon auf die „schwierigen Situationen“ übertragen kann. Leitende Fragen in diesem Zusammenhang sind:

Was tat dem Bewohner gerade gut? Was hat entspannt ihn? Welche Angebote führen zu einer Beruhigung – zu einem adäquaten körperlichen ausagieren? Gibt es Highlights? Was gibt ihm Sicherheit (Thema Struktur und Vorhersehbarkeit) etc.

Grundsätzlich gilt auch für Herausforderndes Verhalten:

a. Ein Verhalten, was sich lohnt, wird wiederholt. b. Ein Verhalten, was oft wiederholt wird verfestigt sich. c. Verhalten, was sich verfestigt, wird übertragen und verdrängt alternatives Verhalten.

(Hier kann es zu Kippeffekte im Krisenverlauf kommen) Das Gute ist, ein Verhalten ohne Effekt löst sich auch wieder auf. Diese Veränderungen brauchen aber Zeit. Hier ist ein langer Atem für die betreuenden Menschen erforderlich. Auszug aus einem Hilfeplan, „Was ich ohne Hilfe gut machen kann“ (Ergänzende fachliche Sicht):

„ …Herr xy kann sich sich selber einen physischen Stimulus geben (z.B. Schlag mit der flachen Hand auf die Wange) initiiert damit eine folgende Handlung, sodaß er z.B. in der Folge eigenständig das Essen beginnen kann.“

Der Bewohner, der dieses Verhalten zeigt, hat eine ausgeprägte Störung der Impulssteuerung, kommt schwer in Handlung und benötigt oft Außenimpulse, die ihn unterstützen. Er hat die Diagnose Epilepsie und bekommt mehrfach monatlich generalisierte Anfälle. Was ist das für ein Verhalten? Es ist ein herausforderndes Verhalten, dass in seiner Intensität sehr unterschiedlich, teils sehr massiv bis selbstverletzend sein kann, aber es ist auch ein Verhalten das ihm autonom ermöglicht in Handlung zu kommen. Das Verhalten, teils mit hoher Intensität ausgeführt zeigt, dass er einen großen Stimmulus zur Handlungsaktivierung benötigt. Dieses Beispiel verdeutlicht meiner Meinung nach, dass man immer genau hinschauen muss, wofür ein bestimmtes Verhalten notwendig ist, wie man es bewertet und worauf eine Intervention abzielen sollte. Das Verhalten hat für ihn einen bedeutsamen Effekt. Wir müssen für den Betroffenen schauen welches alternative Verhalten einen mindestens ebenso guten Effekt zur Handlungsaktivierung hat. Eine Frage, die man sich stellen muss, ist Frage, wer unter solchen Bedingungen arbeiten will und das dauerhaft leisten kann. Für diese Arbeit braucht man Kontinuität und die ist nur über eine gute Teamentwicklung leistbar. Es gibt eine eindeutige Korrelation von Betreuungskontinuität und Rückgang von Herausforderndem Verhalten. Zu Zeiten mit hoher Fluktuation bei den Mitarbeitern traten häufig wieder alte „schwierige Verhaltensmuster“ zu Tage. Das zentrale Element in der Arbeit mit Herausforderndem Verhalten ist das Team. Die Menschen die in der Praxis damit zu tun haben wird diese Aussage nicht wundern. Gute kontinuierliche Teamentwicklung ist die einzige Lösung – Herausforderndes Verhalten kann ein komplettes Team sprengen und diverse Probleme auf dieser Ebene zutage treten lassen. Credo: Aufbau einer gemeinsamen wertschätzenden, akzeptierenden Haltung. Gemeinsame Sprache, gemeinsame Ziele … . Immer wieder einen kontrovers geführten Diskurs ermöglichen und dann verbindliche Regeln aufstellen. Aufeinander achten und in Krisenzeiten entlasten. Nur dann können die gefunden Lösungen ungesetzt werden. Maßnahmen müssen von allen mitgetragen werden, ohne dass alle Mitarbeiter alles können müssen. Das ist in der Praxis nicht realistisch, aber immer wieder ein Thema.

Die Mitarbeiter haben ein Recht auf Unversehrtheit. Ohne Kratzer und blaue Flecken nach der Arbeit nach Hause zu gehen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein, ist aber in unserem Alltag leider nur ein relatives Gut und bleibt immer unsere Zielsetzung.

Was gibt es? Eine gute Zusammenarbeit mit der Heimaufsicht des Rheinisch-Bergischen Kreises, die nicht

nur zur Kontrolle, sondern auch für viele offene Fragen der Einrichtung zur Verfügung steht Unterstützung durch die Berufsgenossenschaft BGW - kostenfreie Beratungsgespräche und

Vermittlung an kompetente Therapeuten für die Hilfe nach Extremerlebnissen und psychischer Belastung durch Fremdaggression

Konzepte zur Prävention und zum Umgang mit Aggression und Freiheitsentziehenden Maßnahmen.

Notfallpläne Einen pädagogisch-therapeutischen Behandlungsplan für Herausforderndes Verhalten Schulung der Mitarbeiter, Aufbau von Handlungskompetenzen in Stresssituationen,

Supervision, Programm körperlicher Schutztechniken Eine kontinuierliche, sehr intensive Betreuung und kurze Wege in der Kommunikation – die in

einer vollstationären Einrichtung gut gewährleistet werden kann.

… ausreichende interne Regelungen

Was braucht es? Fachkräfte – Das ist eine politische Aufgabe!

Die Versäumnisse der letzten Jahre, mit dem Fachkräftemangel sind in den Bereichen, wo mit Menschen mit Herausforderndem Verhalten gearbeitet wird, jetzt schon besonders zu spüren.

Flankierende Maßnahmen bei Krisenintervention zum Erhalt eines Wohnplatzes – schnell und unbürokratisch Es gibt das Kriseninterventionsteam Kompass vom LVR, eine gute Einrichtung, leider mit zu langen Wartelisten, sodass Unterstützung sehr spät kommt. In unserem Fall haben wir ein halbes Jahr auf ein Erstgespräch warten müssen. Ein Ausbau der Leistungen ist ausdrücklich gewünscht. Schnelle Hilfe spart Geld, besonders, wenn dies den Erhalt des Wohnplatzes sichern kann.

Eine flächendeckende gute psychiatrische Versorgung. Postleitzahlenlotterie!!! Die LVR-Klinik Langenfeld mit der Station 41 bietet ein spezielles psychiatrisches Angebot für psychisch erkrankte Erwachsene mit geistiger Behinderung an. Sie sind aber regional nicht für alle zuständig, obwohl es die einzige Station ist, die fachlich für uns in Frage kommt. Das für uns zuständige EVK in Bergisch Gladbach zeigte sich mit seiner Akutstation als ungeeignet und fachlich auf das Klientel nicht vorbereitet. In einem Fall kam es im Laufe der Klinikaufenthalte zu einer Verschlimmerung der Symptomatik und zu regressivem Verhalten. Es war eine reine Schutzmaßnahme um ad hoc für Sicherheit zu sorgen, aber als Intervention kontraproduktiv.

Bedarfsdeckend passende, spezialisierte Wohnplätze/ -einrichtungen für Menschen mit frühkindlichem Autismus und Intelligenzminderung – wöchentliche Anfragen, die bei uns eingehen, lassen diesen Schluss zu.

Finanzielle Planungssicherheit in der Zukunft, auch bei personenzentrierten Leistungsentgelten im stationären Bereich.

Studien über Veränderungen über die Lebensspanne (dementielle Veränderungen und psychische Störungen bei Menschen mit ASS) Wir erleben bereits jetzt das kognitive Fähigkeiten, trotz Förderung nachlassen. Erhaltungsziele treten immer weiter in den Vordergrund

Studien zu Herausforderndem Verhalten in Wohneinrichtungen. An einer ersten Studie zum Thema Selbstverletzendes Verhalten bei Menschen mit Autismus in Wohneinrichtungen, die in Zusammenarbeit mit der Universität Köln geführt wird, nehmen wir aktuell teil.

Kostenübernahme bei notwendiger Begleitung von Krankenhausaufenthalten. Das ist ein enormer Aufwand für kleine Wohneinrichtungen.

… Rahmenbedingungen im Umfeld – Einbettung in ein unterstützendes System für

Einrichtungen, auf das man in Krisen schnell zurückgreifen kann. Vielen Dank Michael Laforce Einrichtungsleitung

Grundlagen des TEACCH-Ansatzes

Ein Fallbeispiel aus dem stationären Setting

22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel Folie 1

TEACCH

Treatment and

Education of

Autistic and related

Communication handicapped

CHildren „Therapie und pädagogische

Förderung für autistische und in

ähnlicher Weise kommunikations-

behinderter Kinder, Jugendlicher und

Erwachsener“

22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel Folie 2

Ach, das ist das mit den viele Sachen?

Folie 3 22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel

Stimmt, aber: Hinter dem Begriff

TEACCH steht eine Philosophie * :

• Autismus und dessen Auswirkungen verstehen

• Individuelle Förderdiagnostik & -planung

• Orientierung an den Stärken

• Strukturierung und Visualisierung

• Eltern als Partner

• Langfristig angelegte Hilfen; kein

Heilungsversprechen

(*Schulungsunterlagen Team Autismus)

22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel Folie 4

TEACCH setzt also voraus: Autismus und

dessen Auswirkung zu verstehen.

TEACCH ist:

Eine spezifische Art zu denken und in der

Begegnung mit betroffenen Personen die

TEACCH-Brille aufzusetzen.

TEACCH fragt:

Nach der spezifischen Wahrnehmungs- und

Verarbeitungslogik der betroffenen Person

22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel Folie 5

TEACC H ASS

• Herr P.

• geb. 1993

• frühkindlicher Autismus

• Epilepsie

• Einzug im März 2013 aus dem Elternhaus

• WfbM

• Bei Aufnahme sind zwei erhebliche körperl.

Übergriffe bekannt

Fallbeispiel:

22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel Folie 6

Entwicklung

Kategorie 0 Kategorie I Kategorie II Kategorie III

2013 3 5 0 1

2014 5 3 4 1

2015 15 10 27 7

4‘16 3 5 10 2

Kategorie Beschreibung

0 deutliche Unruhe, hohe Anspannung über Stunden, Drohen

I Schlagen, Beißen, Pietschen, Spucken, Treten

II Erhebliche, wiederholte körperliche Übergriffe über mindestens 15‘

III Verletzung durch Autoaggression (Beißen)

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Oktober 2015 „Herr P. muss weg!“

Ø Weiterbeschäftigung in Werkstatt ist

fraglich.

Ø Besuche bei den Eltern werden kritisch.

Ø Nach erheblichen Verletzungen stellt sich die

Frage nach dem passenden Wohnort.

-Herr P. nutzt sein Zimmer nicht mehr -Lehnt Anforderungen wie Körperpflege ab -Verlust an Lieblingsbeschäftigungen -Vier Einweisungen über PsychKG

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• Stationäre Umstellung Medikation

• Betreuende stärken

• Anpassen Arbeitsplatz in WfbM

• Absprachen mit Eltern

• Umzug in das Erdgeschoß

• Einsatz von „Krisen-Tasche“

TEACCH: Zwei Wege Ansatz

Anpassen von Umwelt & Anforderung

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Betreuende stärken

• Fallbesprechungen mit externer & interner

Beratung

• Selbstschutz externes & internes Coaching

• Kollegiale Beratung

• Personal ergänzt & zeitlich befristete

Umsetzungen ermöglicht

22.12.2016 Folie 10

Analyse Verhalten Herr P.

Besonderheiten in der

Wahrnehmung und Verarbeitung von

Informationen

Typische Probleme in der

Kommunikation

Typische Probleme im

Sozialverhalten

Besonderheiten in Bezug auf

Interessen und Beschäftigung

Hirnorganische Besonderheiten

Belastete Biografie

Verhalten

Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel

Folie 11

Auswirkung Autismus bei Herrn P.

• Verhalten satt Kommunikation

• Geringe Orientierung zeitlicher Abläufe

• Geringe Anpassungsleistung an Veränderung

• Fordert stark Verlässlichkeit der Struktur

• Vermeidet Anforderung

22.12.2016 Folie 12

Verhalten satt Kommunikation

Folie 13 22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel

Beziehung anbieten

Anspannungsstufen definieren und dokumentieren

Anspannungsverlauf

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Geringe Orientierung in zeitlichen Abläufen

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Anpassungsanforderung: Was, wann, wo?

Sicherheit

Wo bin ich wann, was findet satt?

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Anpassungsanforderung: Was, wann, wo?

Flexibilität

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Verlässlichkeit von Strukturen

Personenunabhängige Abläufe

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Strukturen anpassen

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Krisen November 2016

Herr P. ist krank – die Werkstatt fällt aus –

und die Eltern werden bald in Urlaub fahren…

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„…Und ich dachte es hätte aufgehört…“

22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel Folie 21

„Er wusste doch wann er nach Hause fährt …“

Vorsicht

22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel Folie 22

Ja, aber nur wenn die Routine stimmt!

„…Und was machen wir nun?“

ASS TEACCH

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Wir erinnern uns an die Brille und betrachten die Auswirkung des Autismus bei Herrn P.

Und nochmal: Flexibilität !!!!!

Vorhersehbarkeit schaffen

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Social Stories

Kooperation

„…Und was braucht es aus unserer Sicht?“

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1. Erhalt von Tagesstruktur für Menschen mit stark herausfordernden Verhaltensweisen auch in Krisen

2. WfbM die sich auf diese Klientel ausrichten

3. Überleitung in die Tagesstruktur der WfbM mittels HPZ

4. Wohnangebote die personell und fachlich auf die hoch anspruchsvolle Arbeit ausgerichtet sind

5. Stationäre klinische Versorgung die in Krisen auch pädagogisch kooperiert

Es geht weiter …

Für Herrn P. mit dem Thema: Anforderung

Für Sie mit dem nächsten Vortrag

Vielen Dank! 22.12.2016 Fachtagung Autismus 29.11.2016 Köln, Andrea Betzel Folie 26

Prof. Dr. med. Judith Sinzig

Roswitha Nass

Multimodale Autismus-Behandlung in Vernetzung und

Übergang

Symptomatik Autismus Spektrum Störungen (ASS)

• Qualitative Beeinträchtigung der reziproken sozialen

Interaktion

• Qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation

• Eingeschränktes, stereotypes, repetitives Interessen

und Aktivitätsrepertoire

Geistige Behinderung, Keine Sprache

Überdurchschnittliche Intelligenz, Gute Sprache

Autismus-Spektrum

Asperger-Syndrom

High-Functioning-Autismus

„Low-Functioning“ „High-Functioning“

Frühkindlicher Autismus

Atypischer Autismus

TES nnb.

Kinder- und Jugendhilfe – Sozialrechtliche Zuordnung

Autismus-

Spektrum-Störung

Sozialamt SGB XII

SBG VIII

§35AJugendamt

Hohes Funktionsniveau

(Intelligenz)

Niedriges Funktionsniveau

(Intelligenz)

Kinder

und Jugend

psychiatri

Sozial

hilfe

Kinder

und

Jugend

hilfeKinder

und Jugend

psychiatrieKinder

und

Jugend

hilfe

Selbst

hilfe

Sozial

hilfe

Sozial

hilfe

Selbs

thilfe

Psychiatrie

Aus

bild

ung

Schule

System

Alte

r

Kinder- und Jugendpsychiatrie

bei 70% der Kinder und Jugendlichen liegt eine weitere psychiatrische Diagnose vor

vgl. Sinzig, 2014

Komorbiditäten

Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen 50-60%

Schlafstörungen 44-83%

Zwangsstörungen 35%

Angststörungen - Spezifische Phobie

- Trennungsangst

-Soziale Phobie

10-40%44%10%10%

Depressive Störungen 10-25%

Störung des Sozialverhaltens 10%

(nach Leyfer et al., 2008)

Kinder

und Jugend

psychiatri

Sozial

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Kinder

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und Jugend

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und

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Psychiatrie

Aus

bild

ung

Schule

System

Alte

r

Kinder- und Jugendhilfe/ Sozialhilfe

Kinder- und Jugendhilfe / Sozialhilfe

Was umfasst die Hilfe konkret?

§ ambulante Hilfen

§ Hilfen in teilstationären Einrichtungen

§ Hilfen in stationären Einrichtungen (Wohnformen über Tag und Nacht)

§ Schulbegleiter

§ Autismus-Therapie in einem Autismus-Therapie-Zentrum (ATZ)

§ Frühförderung in einer Frühförderstelle

Kinder- und Jugendhilfe

Ambulante sozial-pädagogische Familienhilfe: Tagesgruppe:

Kinder-/ Jugendwohngruppe, (therapeutische) Intensivwohngruppen, Heilpädagogische Wohngruppen:

Stationäre HilfenAmbulante Hilfen Teilstationäre Hilfen

steigender Schweregrad der Alltagseinschränkungensteigender Schweregrad der Alltagseinschränkungen

Spezialisierung auf Kinder/ Jugendliche mit einer Beeinträchtigung im Sinne der autistischen Störung ist wichtig

Kinder/ Jugendliche wohnen bei Eltern

meist bis 13 Jahre

unterstützen Familien im häuslichen Umfeld

Hilfe bei der Erziehung und Alltagsbewältigung

Warum Jugendhilfe bei ASS?

• Frühe Behandlung

• Umfassendes Betreuungs- und Behandlungsangebot

• Betreuung und Behandlung in einer Hand

• Langfristige Perspektive

Teil 2: Wohnen im Erwachsenenalter

• Hohe Stabilität der Diagnose (Nordin & Gillberg, 1998; Howlin etal.,2004; Billstedt et al., 2005)

Komorbiditäten im Erwachsenenalter

Depressive Störungen 57%

Angststörungen 53%

Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen 35%

(nach Lever and Geurts, 2016)

Verlauf und Prognose

Die langfristige psychosoziale Prognose von Menschen mit ASS ist sehr variabel.

15 % gewinnen eine als „gut“ zu bezeichnende Selbständigkeit

§ Arbeitsplatz auf dem 1. oder 2. Arbeitsmarkt

§ Selbstständiges Wohnen (event. mit wenig Unterstützung)

§ soziale Kontakte zu Mitmenschen, mit denen sie gemeinsame Interessen verfolgen, sind vorhanden

§ häufig liegt der ausgeübte Beruf unter dem, was man auf Grund der kognitiven Fähigkeit und der Ausbildung erwartet würde.

Verlauf und Prognose

Etwa 25% erreichen einen Status (…) mit einem geschützten

Arbeitsplatz, einer geschützten Wohnsituation und Kontakten zu Gleichaltrigen, die aber lose sind.

Etwa 60 % brauchen als Erwachsene sehr viel Hilfe im Alltag, leben in spezifischen Einrichtungen und haben keine Kontakte mit gleichaltrigen außerhalb der Einrichtung.

(aus: N.Noterdaeme, Autismus-Spektrum-Störung – ein Überblick zum aktuellen Forschungsstand, Pädiatrietage 2011)

Prognose abhängig von:

• Sprache

• Intellektuelle Leistungsfähigkeit

• Grad des repetitiven und stereotypen Verhaltens

Vielen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit!