„VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT...

9
101 „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT SPEERS MEDIENPOLITIK ALS „GENERALBAUINSPEKTOR FÜR DIE REICHSHAUPTSTADT“ (GBI) ZWISCHEN 1937 UND 1944 1 Alexander Kropp Mit der Machtübernahme durch die Na- tionalsozialisten am 30 Januar 1933 wurde auch dem kulturpolitischen Sek- tor der Architektur und Bildenden Kunst eine zentrale propagandistische Rolle zugewiesen Hitlers ureigenes Inte- resse an Architektur, die er als „Wort aus Stein“ 2 verstand, und die Vorstellung, mit der Baukunst seine politische Rolle als „Reichsbaumeister“ zu unterstreichen und öffentlichkeitswirksam zu propagie- ren, sind sinnfälliger Ausdruck dieser Funktionsbeschreibung Vor allem die Neugestaltungspläne für die sogenann- ten „Führerstädte“ – Berlin, München, Nürnberg, Hamburg und Linz – sind immer wieder ema in wissenschaftli- chen Publikationen oder Ausstellungen 3 gewesen 1 Folgender Aufsatz basiert auf dem gleichnamigen Vortrag des Verfassers im Fachforum eologie/ Geisteswissenschaften beim Akademischen Forum am 3 Mai 2008 während der 122 Cartellver- sammlung in Bonn 2 So Hitler in seiner Eröffnungsrede zur 1 Deutschen Architektur- und Kunsthandwerksausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München am 22 Januar 1938 Zit n Domarus, Max: Hitler Reden und Proklamationen 1932 - 1945 Kommentiert von einem deutschen Zeitgenossen Bd 1 Würzburg 1962, S 778 3 Als jüngstes Beispiel „Mythos Germania Schatten und Spuren der Reichshauptstadt“, die vom Ver- ein Berliner Unterwelten seit März 2008 in unmittelbarer Nähe zum Holocaust-Mahnmal gezeigt wird Titelblatt Baukunst November 1938

Transcript of „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT...

Page 1: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

101

„VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT SPEERS MEDIENPOLITIK ALS „GENERALBAUINSPEKTOR FÜR DIE REICHSHAUPTSTADT“ (GBI) ZWISCHEN 1937 UND 19441

Alexander Kropp

Mit der Machtübernahme durch die Na-tionalsozialisten am 30 Januar 1933 wurde auch dem kulturpolitischen Sek-tor der Architektur und Bildenden Kunst eine zentrale propagandistische Rolle zugewiesen Hitlers ureigenes Inte-resse an Architektur, die er als „Wort aus Stein“2 verstand, und die Vorstellung, mit der Baukunst seine politische Rolle als „Reichsbaumeister“ zu unterstreichen und öffentlichkeitswirksam zu propagie-ren, sind sinnfälliger Ausdruck dieser Funktionsbeschreibung Vor allem die Neugestaltungspläne für die sogenann-ten „Führerstädte“ – Berlin, München, Nürnberg, Hamburg und Linz – sind immer wieder Thema in wissenschaftli-chen Publikationen oder Ausstellungen3 gewesen

1 Folgender Aufsatz basiert auf dem gleichnamigen Vortrag des Verfassers im Fachforum Theologie/Geisteswissenschaften beim Akademischen Forum am 3 Mai 2008 während der 122 Cartellver-sammlung in Bonn

2 So Hitler in seiner Eröffnungsrede zur 1 Deutschen Architektur- und Kunsthandwerksausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München am 22 Januar 1938 Zit n Domarus, Max: Hitler Reden und Proklamationen 1932 - 1945 Kommentiert von einem deutschen Zeitgenossen Bd 1 Würzburg 1962, S 778

3 Als jüngstes Beispiel „Mythos Germania Schatten und Spuren der Reichshauptstadt“, die vom Ver-ein Berliner Unterwelten seit März 2008 in unmittelbarer Nähe zum Holocaust-Mahnmal gezeigt wird

Titelblatt Baukunst November 1938

friesermima01
Textfeld
In: Verantwortungsvolle Wissenschaft. Festschrift zum Akademischen Forum zur 122. Cartellversammlung des Cartellverbandes Katholischer deutscher Studentenverbindungen. Samstag, 3. Mai 2008, Universität Bonn. Hg. v. U. Margedant/H. Quaden/M. Klein. Stuttgart 2009
Page 2: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

102 Alexander Kropp

Besonders die Neugestaltungspläne für Berlin standen in den letzten Jahren in einem starken Focus öffentlichen und wissenschaftlichen Interesses Durch den 1999 erfolgten Umzug von Parlament und Regierung der Bundesrepublik Deutschland von Bonn nach Berlin kam es nicht zuletzt durch die Nutzung ehemaliger NS-Ministerien, so zum Bei-spiel des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums Hermann Görings als Bundesfinanz-ministerium, zu einer verstärkten Hinwendung und Auseinandersetzung mit der Rolle Berlins als NS-Machtzentrale und seiner baulichen Hinterlassenschaften aus dieser dun-kelsten Epoche der jüngeren deutschen Geschichte

Hitler ließ schon kurz nach seiner Ernennung als Reichskanzler keinen Zweifel da-ran, dass er der Hauptstadt eine neue städtebauliche und architektonische Ausrichtung zu geben gedenke: „Berlin als Reichshauptstadt eines 65-Millionen-Volkes muß städtebau-lich und kulturell auf solche Höhe gebracht werden, dass es mit allen Hauptstädten der Welt konkurrieren kann.“4 Allerdings erwies sich die Berliner Stadtbauverwaltung als Institu-tion, mit der Hitler diese Vorstellung nicht in steinerne Realität umsetzen konnte Des-halb schuf er per Erlass am 30 Januar 1937 als Sonderbaubehörde den „Generalbauin-spektor für die Reichshauptstadt“ (GBI) und vergab diesen „führerunmittelbaren“ Pos-ten an Albert Speer (1905 – 1981)5, der bis zu diesem Zeitpunkt als Chefarchitekt des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg plante und baute Speer und sein junges Team – er holte lauter ehemalige Kommilitonen aus Berliner Studientagen in seine Behörde, die größtenteils nach 1900 geboren waren – entwickelten nunmehr „nach den Ideen des Führers“ die Neugestaltungspläne für Berlin6, das 1950 in „Germania“ umbenannt werden sollte Dabei oblag dem GBI die grundlegende städtebauliche Planung, während die eigentlichen architektonischen Entwürfe von Speer beauftragte freie Architekten wie zum Beispiel Wilhelm Kreis oder Peter Behrens lieferten Einige markante Bauten im Zuge der Neugestaltung Berlins übertrug Generalbauinspektor Speer an den „Privatar-chitekten“ Speer - also an sich selbst!

Der vom GBI entwickelte Generalbebauungsplan sah als signifikantes Merkmal und Rückgrat ein monumentales Achsenkreuz in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung vor, dessen 38,5 bzw 50 Kilometer lange Straßen sich etwa in der Höhe des Branden-burger Tores schnitten Die vier Enden dieser zwei Hauptstraßen schlossen an einen

4 Zit n Larsson, Lars Olof: Die Neugestaltung der Reichshauptstadt Albert Speers Generalbebau-ungsplan für Berlin Stuttgart 1978, S 22

5 Vgl Durth, Werner: Deutsche Architekten Biographische Verflechtungen 1900 - 1970 München 1992; Fest, Joachim: Speer Eine Biographie Berlin 1999; Reif, Adalbert: Albert Speer Kontrover-sen um ein deutsches Phänomen München 1978; Schmidt, Matthias: Albert Speer Das Ende eines Mythos Die Aufdeckung seiner Geschichtsverfälschung Speers wahre Rolle im Dritten Reich Bern ua 1982; Sereny, Gitta: Das Ringen mit der Wahrheit Albert Speer und das deutsche Trauma München 1995; Van der Vat, Dan: Der gute Nazi Leben und Lügen des Albert Speer Berlin 1997

6 Als Synonyme für die Neugestaltungspläne werden die Begriffe „Berlin-Planung“ oder „Germania-Planung“ verwendet Auch die Begriffe „Informationspolitik“, „Medienarbeit bzw Medienpolitik“, „Öffentlichkeitsarbeit“ oder „Pressepolitik“ werden inhaltlich gleich verstanden und hier verwendet

Page 3: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

103Alexander Kropp

Autobahnring an, der später die Stadtgrenze markieren sollte An den vier Enden waren jeweils Verkehrsflughäfen geplant, die mittelfristig den als „Weltflughafen“ titulierten Flughafen Tempelhof ersetzen sollten Ergänzt wurde das vorgesehene Straßensystem durch mehrere schmalere, zwischen den Achsen verlaufende Radialstraßen, die vom Zentrum aus bis an die Stadtgrenze gezogen waren, sowie vier breite, konzentrisch um den innerstädtischen Bereich angelegte Ringe Darüber hinaus sah der Plan zungenför-mige Grünflächen vor, die von der Peripherie bis weit in die Innenstadt hinein reichen sollten, sowie neue Wohnstädte an den beiden Hauptachsen7

Als Herzstück der Neugestaltungspläne galt stets das gut sieben Kilometer lange Mittelstück der insgesamt rund 38 Kilometer langen Nord-Süd-Achse, das durch zwei gewaltige Bauwerke bestimmt gewesen wäre: Zum einen sollte sich im Spreebogen eine riesige Kuppelhalle erheben, die auf einer quadratischen Grundfläche von 315 x 315 m errichtet worden wäre und deren Kuppel mitsamt dem Adler als Abschlussbekrönung etwa 320 m in den Berliner Himmel geragt hätte Sie sollte maximal 180000 Menschen aufnehmen und das städtebauliche Zentrum von „Germania“ bilden, das Platz für etwa 10 Millionen Einwohner bieten sollte Zum anderen sollte sich weiter südlicher ein rie-siger, römisch-antik anmutender Triumphbogen mit 117 m Höhe, 170 m Breite und 119 m Tiefe erheben, in dessen Attikakranz Hitler die Namen der 1,8 Millionen gefal-lenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges einmeißeln lassen wollte - so stellt sich das „Bauwerk T“ (die Planung dafür lief unter absoluter Geheimhaltung) im Rückblick

7 Vgl hierzu Reichhardt, Hans J/Schäche, Wolfgang: Von Berlin nach Germania Über die Zerstö-rungen der Reichshauptstadt durch Albert Speers Neugestaltungsmaßnahmen Berlin 61998, S 142ff

Völkischer Beobachter, 28. Januar 1938Das Programm für die Neugestaltung Berlins (links) und der sogenannte Achsenplan (rechts)

Page 4: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

104 Alexander Kropp

als gebaute Dolchstoßlegende dar Zwischen dem vom Triumphbogen aus gesehen etwa 1,3 km weiter südlich liegenden Südbahnhof bis hinauf zum Spreebogen mit der Gro-ßen Halle sollten sich schließlich verschiedene Gebäudeblöcke aneinander reihen, dar-unter verschiedene Ministerien, Bauten der Partei bzw Parteiorganisationen, aber auch der privaten Wirtschaft8

Neben diesen Planungen, die einen Großteil der täglichen Arbeit einnahmen, entwi-ckelte der Generalbauinspektor eine ganz eigene Medienarbeit, die sich vom „Reichs-ministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ (RMVP) emanzipierte, moderne Züge trug und mit Instrumenten operierte, die bis heute zu den bewährten Methoden klassischer PR bzw Öffentlichkeitsarbeit gehören Obwohl Speer später in seinen Me-moiren behauptete, eine recht unbedeutende, kaum wahrnehmbare Informationspolitik zu den Neugestaltungsplänen für Berlin betrieben zu haben9, lassen die dazu erhaltenen Akten im Bundesarchiv ein gänzlich anderes Bild hervortreten10 Mit dieser Aussage suggerierte Speer, dass die Pressearbeit ab 1937 etwas völlig Nebensächliches und Un-wichtiges gewesen ist und die Zeitungen sowie die Fachzeitschriften äußerst gering und sporadisch über die Neugestaltung Berlins informiert wurden bzw berichten konnten

Allerdings lag die reale Medienhoheit über die Berliner Neugestaltungsplanungen beim GBI, während das Reichspropagandaministerium nur wenig Einfluss auf die Ver-öffentlichungspraxis und -strategien nehmen konnte Der GBI trat in den folgenden Jahren sowohl als Nachrichtenproduzent, als auch als Nachrichtenkontrolleur auf und entwickelte eine eigene Öffentlichkeitsarbeit Schon kurz nach seiner Ernennung durch Hitler am 30 Januar 1937 beschäftigte sich Speer umgehend mit der Frage der Infor-mationspolitik gegenüber den damaligen Medien, insbesondere den Zeitungen Bereits auf der Pressekonferenz am 8 Februar 1937 wurden die Journalisten angewiesen, alle

8 Auswahlliteratur: Larsson, Neugestaltung der Reichshauptstadt, 1978; Reichhardt/Schäche, Von Berlin nach Germania, 1998; Willems, Susanne: Der entsiedelte Jude Albert Speers Wohnungs-marktpolitik für den Berliner Hauptstadtbau Berlin 2002; Kropp, Alexander: Die politische Be-deutung der Repräsentationsarchitektur im Dritten Reich Die Neugestaltungspläne Albert Speers für den Umbau Berlins zur „Welthauptstadt Germania“ 1936 - 1942/43 Neuried 2005

9 Speer schrieb dazu 1969 in seinen „Erinnerungen: „Hitler war ängstlich darauf bedacht, daß unsere Entwürfe nicht veröffentlicht wurden. Lediglich Teile wurden bekanntgegeben, da wir nicht gänzlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit arbeiten konnten (…). So gaben wir gelegentlich in harmlos erschei-nende Planungsteile Einblick, auch die städtebauliche Grundkonzeption wurde mit Genehmigung Hit-lers durch einen Artikel, den ich schrieb, publik gemacht.“ Speer, Albert: Erinnerungen Frankfurt am Main 1969, S 154

10 Die erwähnten Quellen des Bundesarchivs bilden die Grundlage der derzeit entstehenden Disser-tation des Verfassers bei Prof Dr Karl Möckl (Universität Bamberg) unter dem Arbeitstitel „Albert SpeersKultur-undMedienpolitik.EinBeitragzurRolledes‚GeneralbauinspektorsfürdieReichs-hauptstadt’ im NS-Herrschaftssystem“ Bisher ist dieses Thema nicht einmal ansatzweise näher be-leuchtet worden Dieser Aufsatz ist als erster Ertrag dieser langjährigen Forschungen zu verstehen

Page 5: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

105Alexander Kropp

Berichte und Artikel über Bauvorhaben in Berlin Generalbauinspektor Speer zur Ge-nehmigung vorzulegen, bevor sie veröffentlicht werden konnten

Institutionell bildete sich diese von Speer ausgeübte Medienhoheit in der Weise ab, dass seit Frühjahr 1939 in der Planungsstelle der GBI-Behörde innerhalb der Abteilung I3 (Leitung: Dr Rudolf Wolters) die Unterabteilung „K Presse u Pressearchiv“ einge-richtet worden war, der als Pressereferent Rudolf Krocker vorstand

Die Informationspolitik bzw Öffentlichkeitsarbeit des GBI gegenüber den dama-ligen Medien hinsichtlich der „Germania-Planung“ umfasste insgesamt sieben Schwer-punkte:

1 Aus- und Umbau der Ost-West-Achse 1937 – 193911

2 Runder Platz12

3 Oberkommando des Heeres/Solda-tenhalle

4 Neugestaltung Großer Stern/Sieges-säule

5 Neugestaltung des Grunewaldes6 Hochschulstadt im Grunewald7 Neue Reichskanzlei (ab 1939)13

Die eigentlichen markanten Bauten, wie der vorgesehene Amtssitz Hitlers („Füh-rerpalast“) im Spreebogen, die Große Halle oder der Triumphbogen durften auf Weisung Hitlers tatsächlich nicht de-tailliert oder überhaupt nicht publiziert werden, weshalb Speer die Konzentra-tion der Informationspolitik auf die ge-nannten Schwerpunkte legen musste Ei-nen planungsunabhängigen Akzent bil-dete die Pressearbeit zur Tätigkeit Speers als Architekt, die dem GBI sehr wichtig war und auf die er ein besonderes Au-genmerk richtete

11 heute: Straße des 17 Juni12 Der Runde Platz und das Oberkommando des Heeres hätten sich auf dem Areal des heutigen Kul-

turforums in unmittelbarer Nachtbarschaft zum Potsdamer Platz befunden13 Vgl zur Neuen Reichskanzlei Schönberger, Angela: Die Neue Reichskanzlei von Albert Speer Zum

Zusammenhang von Ideologie und Architektur Berlin 1981 oder Kropp, Repräsentationsarchitek-tur im Dritten Reich, 2005, S 99ff

Achsenperspektive des Modells

Page 6: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

106 Alexander Kropp

Im Folgenden soll anhand der unterschiedlichen medialen Bereiche aufgezeigt werden, wie die Informationspolitik des GBI differenziert gestaltet wurde

Presse und Fachpresse:Ausgehend von der Presseanweisung vom Februar 193714 versuchte der GBI, seinen Einfluss auf die Presseberichterstattung geltend zu machen Im Juni 1938 wurden die verschiedenen Bauträger, aber auch Reichspressechef Otto Dietrich darauf hingewiesen, keinerlei Informationen zu verschiedenen Bauvorhaben ohne ausdrückliche Erlaubnis durch den GBI herauszugeben In der Folgezeit gab es viele Anfragen von Journalisten nach vielfältigen Informationen Die GBI-Pressestelle reagierte ihrerseits durch Abgabe von Pressemitteilungen und organisierte unter anderen Pressebesichtigungen wie zum Beispiel am Runden Platz, zur Baustelle der Neuen Reichskanzlei oder im Grunewald Wie in den Medien berichtet wurde, kontrollierte der GBI durch eine tägliche Presse-durchsicht, die Pressereferent Krocker in Form eines Presseberichtes an Speer lieferte Bis in die Bildunterschriften hinein - Speer war sehr auf die Angabe des Zusatzes „… nach der Planung des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“ bedacht - redigierte die GBI-Pressestelle eingesandte Pressetexte

Speer versuchte auch, einen eigenen exklusiven Journalisten-Kreis aufzubauen: Vom GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder durch Pressehintergrundgespräche mit ihm selbst oder andere exklusive Einladungen, wie zum Beispiel zu den verschiede-nen Eröffnungen der Wanderausstellung „Neue Deutsche Baukunst“ ab Herbst 1940, an den GBI gebunden werden

Allerdings zeigte sich in der Pressepolitik des GBI ein Manko: Speer wurde in der Presse größtenteils als Organisator von Bauvorhaben dargestellt und konnte weniger ein Image als Architekt aufbauen Hauptgrund dafür war – wie oben schon andeutungs-weise erwähnt -, dass die von Speer für Berlin geplanten Großbauten der Großen Halle, des Führerpalastes oder des Triumphbogens auf Weisung Hitlers nicht veröffentlicht werden durften Speer reagierte auf diese Tatsache damit, dass er im Sommer 1939 eine groß angelegte und von ihm direkt mit geplante Pressekampagne über die Nürnberger Reichsparteitagsbauten bzw seine Arbeit als Architekt startete und die Kontrolle sowie Beeinflussung der Berichterstattung über das Reichsparteitagsgelände nunmehr selbst in die Hand nahm15

14 In der Pressekonferenz im Propagandaministerium am 8 Februar 1937 wurde den anwesenden Journalisten folgende Presseanweisung in die Blöcke diktiert: „Ueber öffentliche Bauvorhaben in der Reichshauptstadt darf nur dann geschrieben werden, wenn Generalbauinspektor Speer diese Berichte und Artikel genehmigt hat.“ NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit Edition und Dokumentation, Bd 5/I 1937 Bearb v Karin Peter München 1998, S 116 (Presseanweisung Nr 337)

15 Allerdings erschienen in der Fränkischen Tageszeitung im August 1939 nur zwei der auf fünf Folgen angesetzten ganzseitigen Artikel mit Bildern, da der Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1 Septem-ber die Veröffentlichung der ausstehenden Berichte verhinderte

Page 7: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

107Alexander Kropp

Kurz bevor Speer schließlich zum Rüstungsminister im Februar 1942 ernannt wurde ging der GBI so weit, nicht nur spezielle Artikel über seine Tätigkeit als Architekt zu initiierten (zB in der Frankfurter Zeitung), sondern anschließend die Weiterver-wertungsrechte dieser Artikeln zu erwerben, um sie vor allem in der Provinzpresse er-neut zu veröffentlichen16

Zum Leitmedium innerhalb der architektonischen Fachpresse, die gleichfalls vom GBI bzw der GBI-Pressestelle mit Material versorgt wurde, avancierte spätestens ab Herbst 1938 die Ausgabe B der Zeitschrift „Kunst im Deutschen Reich“ mit dem Heft-teil „Die Baukunst“ Die einzelnen Monatsausgaben der „Baukunst“ wurden bis Mai 1944 in der GBI-Dienststelle durch den bereits oben erwähnten Wolters durchgängig redaktionell betreut und von ihm zusammen mit Speer programmatisch festgelegt Im Oktober 1938 erschien die erste Ausgabe der „Baukunst“ mit dem Themenschwerpunkt „Paul Ludwig Troost“, dem „ersten Lieblingsbaumeister“ Hitlers17 Bereits im Novem-ber 1938 gab es ein Themenheft mit dem Schwerpunkt „Berlin“, wobei vor allem der Runde Platz und die an ihm geplanten Bauten im Mittelpunkt der Veröffentlichung standen

Doch die Informationspolitik des GBI wandte sich neben der Presse und der Fachpresse auch anderen Medien zu, die in die Öffentlichkeit hineinwirkten So entwickelte der GBI verschiedene Strategien, die Neugestaltungsplanungen öffentlich zu präsentieren und mit seinem Namen zu verbinden, obgleich der Krieg vielen Planungen letztlich ein klares Ende setzte

Ausstellungen:In der Vorkriegszeit fanden neben den ab 1937 immer in den Sommermonaten durch-geführten „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ im Haus der deutschen Kunst in München im Frühjahr 1938 und im Winter 1938/39 an gleicher Stelle die 1 und 2 Deutsche Architektur- und Kunsthandwerks-Ausstellung statt, die beide von Hitler er-öffnet wurden Ein besonderer Schwerpunkt auf der zweiten Schau bildete die Neuge-staltung Berlins Dabei wurden die Bauten der Großen Halle und des Triumphbogens nicht ausgestellt, sondern Modelle unter anderem vom Runden Platz, dem Oberkom-mando des Heeres oder der Neuen Reichskanzlei gezeigt

In der Kriegszeit organisierte der GBI schließlich die Architekturausstellung „Neue Deutsche Baukunst“, die zwischen Herbst 1940 und Herbst 1943 durch zehn verschie-dene Städte tourte: Belgrad, Sofia, Budapest, Lissabon, Kopenhagen, Madrid, Barce-

16 Mit der für Speer wohl überraschenden Ernennung zum Rüstungsminister hörte diese Pressearbeit hinsichtlich Speers als Architekt abrupt auf

17 Bekannte Bauten: Haus der deutschen Kunst in München (erhalten), Neugestaltung des Königplat-zes in München mit Führerbau (heute: Musikhochschule) und Verwaltungsbau der NSDAP (heute: Haus der Kulturinstitute) Troost, 1878 geboren, starb im Januar 1934, was letztlich mit den Weg für Speer und seinen Aufstieg bei Hitler frei machte

Page 8: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

108 Alexander Kropp

lona, Ankara, Istanbul und Izmir Weitere geplante Ausstellungen in Bukarest und Athen fielen kriegsbedingt aus Zur Ausstellung veröffentlichte der GBI auch einen Ka-talog gleichen Titels, der zudem in mehreren zweisprachigen Versionen erschien (bul-garisch, ungarisch, griechisch, kroatisch, serbisch, rumänisch, portugiesisch, spanisch, dänisch schwedisch und türkisch) Diese Ausstellungen wurden ebenfalls pressepubli-zistisch durch die GBI-Pressestelle begleitet bzw die Berichterstattung mit Pressemit-teilungen und -anweisungen beeinflusst

Bücher:Auch auf dem Gebiet der Bücherproduktion entwickelte der GBI eine rege Aktivität So gründete der GBI im Juni 1941 eine eigene „Verlagsgruppe Speer“, in der verschie-dene Bücher bzw Buchreihen erscheinen sollten Tatsächlich veröffentlichte der GBI zwischen 1939 und 1944 zehn Publikationen, so zum Beispiel ein opulentes, in meh-reren Auflagen veröffentlichtes Buch über die Neue Reichskanzlei (1940)18, eine „Bau-ordnungslehre“ von Ernst Neufert (1943), aber auch zwei Künstlermonographien über Speer selbst (1943) und Wilhelm Kreis (1944) Geplant waren große Veröffentlichun-gen über die gesamte Neugestaltung Berlins, das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, ein Handbuch „Das deutsche Theater“ sowie weitere Künstlermonographien beispiels-weise zu berühmten Baumeistern der Vergangenheit wie Leo von Klenze oder David Gilly

18 Grundlage bildeten zwei „Baukunst“-Ausgaben vom Juli und September 1939, die hier in erwei-terter Form als Buchmonographie herausgebracht wurden

Postkarte 2. Architekturausstellung 1938-39 – Runder Platz

Page 9: „VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT …alexander-kropp.de/wp-content/uploads/2015/07/Kropp_2009_Vom_G… · GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder

109Alexander Kropp

Filme:Ein weiteres mediales Betätigungsfeld Speers war auch der Dokumentarfilm Ein erster Schwerpunkt bildete dabei der Film „Das Wort aus Stein“ von 1938, worin die Neuge-staltungsplanungen Berlin erstmals filmisch dargestellt wurden Allerdings beschränkte sich der Einblick auf die Bauvorhaben „Runder Platz“ und „Erweiterungsbau der Reichskanzlei“, der später dann nur noch als „Neue Reichskanzlei“ bezeichnet wurde

Ebenfalls im Jahr 1938 gab der GBI einen Auftrag an die Universum Film AG (Ufa), einen weiteren Dokumentarfilm über die Neugestaltungsmaßnahmen zu drehen Allerdings kam es mitten im Produktionsprozess zu einem Wechsel der Filmfirma, denn der GBI beauftragte im Mai 1940 die Leni-Riefenstahl-Film GmbH, den Film unter Verwendung des bisher vorliegenden Materials weiterzudrehen Der nie fertig gestellte Film, der den Titel „Der Führer baut seine Reichshauptstadt“ tragen sollte, wurde hauptsächlich von dem Bergfilmer Arnold Fanck gedreht, der beispielsweise Modellauf-nahmen von der Großen Halle oder dem Gesamtmodell unter anderem im Filmatelier im Reichstagsgebäude aufnahm Parallel dazu waren noch Filme über die Reichskanzlei und über Bunkerbauten geplant, die aber über erste Produktionsschritte nicht hinaus-kamen

Abschließend stellt sich die Frage, welche Motivation des GBI für diese Öffentlichkeits-arbeit, die auch als Imagepolitik beschrieben werden kann, gegenüber den verschiede-nen Medien vorherrschend war So lässt sich feststellen, dass sie maßgeblich durch jene Vorstellung Speers gespeist war, sich mit den auf „ewig“ angelegten Bauten letztlich in die Weltbaugeschichte einschreiben zu wollen und diesen Anspruch durch publizistische und andere mediale Zeugnisse breit zu dokumentieren Nur so ist zu verstehen, warum Speer zu einem „zweiten Schinkel“ avancieren wollte und sich als solcher verstand Es lässt sich außerdem die These aufstellen, dass Speer mit seiner Kommunikationsfähig-keit, seinem Organisationstalent, seinem Ehrgeiz und seinem Machtwillen als Rüstungs-minister jene Energie für die Verwirklichung des „Endsiegs“ auch deshalb freisetzte, um eines zu erreichen: die Realisierung der geplanten Großbauten Sie blieben allerdings nur Phantasien auf Papier, während am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 nicht nur Deutschland und andere europäische Staaten darniederlagen, sondern mit dem Holo-caust, dem Völkermord an den europäischen Juden als schrecklichstes Verbrechen der Menschheitsgeschichte ein nachhaltiges Erbe dieses „Ringens um den Weltpokal“ (Hit-ler) blieb