Azores (abenteuer & reisen Germany, March 2013)

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Beim Whale-Watching kommen Touristen ganz nah ran an die Meeressäuger – und können dabei sogar die Forschung unterstützen. Was dabei zu beachten ist, erklärt die Meereswissenschaftlerin Lisa Steiner. Ihr Spezialgebiet sind die Azoren. U MWELT Ist Whale-Watching gut oder schlecht? Whale-Watching schadet Walen und Del- finen nicht, wenn man sich ihnen in ver- antwortungsvoller Weise nähert. Das be- deutet: niemals frontal auf ein Tier zufah- ren. Das Boot sollte sich langsam von hinten herantasten, in einem Winkel von 150 Grad. Ein Kalb darf nie von seiner Mutter getrennt oder eine Gruppe von Tieren auseinandergetrieben werden. Man darf die Tiere nicht umkreisen, ein Fluchtweg sollte immer offenstehen. Verantwortungsvolle Whale-Watching- Veranstalter beobachten die Tiere genau 62 abenteuer und reisen 3/13

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Two-page article about Azores whale & dolphin expedition, whale watching and scientist Lisa Steiner. Published in German abenteuer & reisen magazine in March 2013.

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Beim Whale-Watching kommen Touristen ganz nah ran an die Meeressäuger – und können dabeisogar die Forschung unterstützen. Was dabei zu beachten ist, erklärt die Meereswissenschaftlerin Lisa Steiner. Ihr Spezialgebiet sind die Azoren.

U M W E LT

Ist Whale-Watching gut oder schlecht? Whale-Watching schadet Walen und Del-finen nicht, wenn man sich ihnen in ver-antwortungsvoller Weise nähert. Das be-deutet: niemals frontal auf ein Tier zufah-ren. Das Boot sollte sich langsam vonhinten herantasten, in einem Winkel von150 Grad. Ein Kalb darf nie von seinerMutter getrennt oder eine Gruppe vonTieren auseinandergetrieben werden.Man darf die Tiere nicht umkreisen, einFluchtweg sollte immer offenstehen.Verantwortungsvolle Whale-Watching-

Veranstalter beobachten die Tiere genau

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und entfernen sich, wenn erste Anzei-chen für eine Störung erkennbar sind.Delfine wechseln die Schwimmrichtungoder schlagen mit ihren Schwanzflossenan der Wasseroberfläche, wenn sie sichgestört fühlen. Wale, die normalerweiselangsam gleiten, nehmen Tempo auf.Es ist keine leichte Aufgabe, einer zah-

lenden Kundschaft an Bord zu erklären,dass die Tiere sich gestört fühlen. JederVeranstalter sollte sich aber über die Kon-sequenzen rücksichtslosen Verhaltensbewusst sein. Er gefährdet seine eigeneExistenz, zu oft gestörte Tiere meiden dieGebiete oder verlassen sie ganz.

Wie arbeiten Whale-Watching-Anbieter undForscher auf den Azoren zusammen?Im Anschluss an meinen ersten For-schungsauftrag auf den Azoren gründete

SERVICE

Steckbrief Lisa Steiner studierte Biologieund Meereswissenschaften an der Univer-sität von Miami. Ihre erste Anstellung beimIFAW (International Fund for Animal Wel-fare) führte sie auf ein Walforschungsbootauf den Azoren, wohin sie nach Stationenin Alabama, Hawaii, den Kapverden undSchottland umsiedelte. Seit 2004 arbeitetsie als Wissenschaftlerin mit der gemein-nützigen Organisation Biosphere Expediti-ons zusammen, die Forscher und Laien imRahmen von Expeditionen zusammenbringt(www.biosphere-expeditions.org).

Biosphere Expeditions Die Organisation unter-stützt Wal- und Delfinforschung auf den Azorensowie Meeresschutzprojekte in Schottland,Malaysia, Oman und auf den Malediven.

ich Whale Watch Azores (WWA), ein Un-ternehmen, das zahlenden Gästen Wal-beobachtungsfahrten anbietet. Ich woll-te selbst eine Einnahmequelle für dieForschungsarbeit schaffen, anstatt jedesJahr erneut Forschungsgelder bei derRegierung zu beantragen. Die Zeit anBord mit den Touristen nutze ich fürmeine Studien.Ich pflege zudem gute Beziehungen

zu anderen Whale-Watching-Anbietern.Eine Zusammenarbeit gibt es auch mitBiologen anderer Walbeobachtungsboo-te, denn oft sind wir nicht im gleichenGebiet unterwegs. Mit der Universitätder Azoren arbeite ich darüber hinausan einigen Projekten über Buckel- undBartenwale.

Was ist der Unterschied zwischen Whale-Watching und Forschung? Der Unterschied ist, dass bei einer Wha-le-Watching-Tour keine Informationenüber die Tiere gesammelt werden. Zielder Forscher dagegen ist es, einzelneTiere anhand von Fotos zu identifizie-ren. Jeder Wal oder Delfin hat individu-elle Merkmale, sozusagen einen Finger-abdruck, der ihn unverwechselbarmacht. Pott- und Buckelwale erkenntman zum Beispiel am Umriss ihrerSchwanzflosse, bei Bartenwalen ist esdie Kontur der Rückenflosse.Für Forschungsaktivitäten ist zudem

eine Forschungsgenehmigung erforder-lich, etwa für das Sammeln von Gewe-beproben mittels eines Pfeiles oder fürdas Anbringen eines Senders am Tier.Während einer Whale-Watching-Tourgibt es normalerweise keinen direktenKontakt zu den Tieren.

Wie können Touristen helfen?Für die Fotoidentifikationen können auchTouristen wertvolle Informationen sam-meln, indem sie zum Beispiel eigeneFotos zur Verfügung stellen und Zusatzin-formationen liefern, die Position des Tie-res etwa oder ob ein Kalb zu sehen war.Grundsätzlich hilft allein die Finanzie-

rung von ansonsten häufig unerschwing-lichen Bootsausfahrten durch denTourismus. Oft arbeiten Wissenschaftlerals Guides auf Touristenbooten oder fah-ren kostenlos mit. Die Touristen bekom-men im Gegenzug Hintergrundwissen,

vielen eröffnet sich eine neue Dimen-sion der Tierbeobachtung in freier Natur.

Wer ist noch in die Wal- und Delfinfor-schung involviert?WWA arbeitet zusammen mit der Uni-versität der Azoren am POPA-Programm,einem Überwachungsprogramm fürThunfisch-Fangboote. Um die Klassifi-zierung „Dolphin safe“ zu erlangen,müssen mindestens 75 Prozent der Boo-te einer Fangflotte einen Beobachter anBord haben, der nach einer festen Vor-gabe Informationen über Wale und Del-fine sammelt. Deshalb erhalten alleWhale-Watching-Unternehmen der Azo-ren auch von den Fischereibooten aktu-elle Hinweise über Walsichtungen.Diese Daten erhalte ich sonst nur,

wenn ich mit Teilnehmern des Veran-stalters Biosphere Expeditions unter-wegs bin. Zwei bis acht der freiwilligenBeobachter füllen an Bord die POPA-Datenblätter aus, für die ich alleine nichtgenügend Augen und Hände hätte. �