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1B~~h..t.~pr.~f.h..y.n9/Y.~r.k9..r.!q~l!Jfgr.!JJ.g.t.!.g!J.~!J. . nicht auf den gesonderten Beitrag für Mittag- essen nach § 13 Abs. 11 Satz 2 KiTaG (vgl. aVG Rhelniand-Pfalz, Urt.v. 21.09.2009, Az.: 7 A 10431/09 - JURIS-). Nach dieser gesetzlichen Systematik sind da- her die entstandenen Verpflegungskosten in Höhe von 56,57 im Gegensatz zu den Un- terbringungskosten in Höhe von 2.187,77 nicht erstattungsfähig. Im vorliegenden Ver- fahren können daher die Klägerinnen inso- weit keine Erstattung verlangen. Praxishinweis Was wohl vielen Kommunen in Deutschland am 01.08.2013 blühen könnte, dazu liefert die Entscheidung des VG Mainz einen Vor- geschmack. In Rheinland-Pfalz, das schon im Hinblick auf den Rechtsanspruchauf ei- nen Kindergartenplatz ab dem vollendeten dritten Lebensjahrein Vorreiter war, hat seit dem 01.08.2010 schon JedesKind, das das zweite Lebensjahr vollendet hat, den Rechtsanspruchauf die Bereitstellung eines Kindergartenplatzes, der auch noch bei- tragsfrei ist. Diesem Versprechen ist aber die beklagte Stadt Mainz in diesem Fall nicht nachgekommen, sodassdie Eltern wegen ih- rer Berufstätigkeit eine Ersatzbetreuung für ihr Kind suchen mussten. Das VG sah in der Unfähigkeit der Stadt, dem Kind zum be- gehrten Zeitpunkt einen Betreuungsplatzzur Verfügung zu .stellen, einen Eingriff in das Recht des Kindes auf die Bereitstellung eines Kindergartenplatzes sowie in das Recht sei- ner Eltern auf Beitragsfreiheit. Da die Bereitstellung eines Kindergarten- platzes zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht nur unzumutbar, sondern durch Zeitablauf unmöglich geworden ist, die primäre Leistung bzw. die also nicht mehr erbracht werden, bejaht das Gericht einen auf Geldersatz gerichteten sogenannten Folgenbeseitigungsentschädigungsanspruch und beruft sich dabei auf die Rechtspre- chung des BVerwG. Ersetzt werden den Eltern die Kosten der tatsächlichen Betreu- ung mit Ausnahme der Verpflegungskos- ten, die die Eltern auch bei der Bereitstel- lung eines Kindergartenplatzes hätten entrichten müssen. Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard Wiesner Nachrichtenteil der Bundes-Arbeitsgemeinschaftfür Familien-Mediation e.V. ~\(BAFM 20 Jahre BAFM Pioniere der Familienmediation und ihr persönlicher Weg: Gisela Mähler: "Mediation hat für mich auch mit Kunst ~u tun" Gisela Mähler und ihr Mann Hans- Georg Mähler ha- ben die deutsche Mediationsszene sicherlich in ein- zigartiger Weise geprägt, beide An- wälte, beide Ehe- Dr. Gisela Mähler und Familienbera- ter, eine bewun- dernswerte Einheit. Seit Jahrzehnten in Mün- chen, Gründer des Eidos-Institutes und Ausbilder in vielfältigster Hinsicht, sind sie in- zwischen für eine ganze Generation von Fami- lienmediatoren/innen kreative und nachdenk- liche Lehrer, Anreger, Vorbilder. Es sei ein Glück, sagt Gisela Mähler, "dass ich diesen Weg mit meinem Mann gemeinsam gehen konnte, als Paar die Dinge gemeinsam finden und ausarbeiten, das ist natürlich ein Ge- schenk". Insbesonderesei zwischen ihnen früh für sie beide die Entdeckung und der gemein- same Blick auf Martin Buber wichtig gewor- den und geblieben, "der uns immer wieder auch als Philosoph der Mediation erscheint". Im Gespräch über ihren Lebens- und Erkennt- nisweg sagt Gisela Mähler von sich, sie habe 410 "ziemlich früh schauen müssen, wohin meine Reise geht". Als Kind im Krieg teilweise schon wach und kritisch, erlebt sie, dass der Vater, Germanistikprofessor, als "Mitläufer" eingestuft wird und sich ein neues Berufsfeld suchen muss. Es wird die neue Ausgabe des .Duden", eine engagierte Arbeit an der Rechtsschreibreform der Nachkriegszeit. Und so überlegt sie selbst, ebenfalls die Germanis- tik zu wählen. "Aber dann hat mich doch noch mehr interessiert, wie eine gerechtere Welt aussehen kann. Man erlebt ja im Krieg überraschende und prägende Ungerechtig- keiten. So hab' ich mich umentschieden zu Jura". Sie wusste, dass sie dann Anwältin werden wollte: "Ich wollte wirklich meine ganz eigene Weise finden, mit Menschen zu arbeiten. U Es sei die persönliche Gerechtig- keitsebene gewesen, die sie interessiert habe: "Fühle ich mich gesehen? Wie werde ich mir selbst und anderen gerecht?" Der Hinweg Nach dem Studium in Marburg und München, inzwischen mit Hans-Georg Mähler verhei- ratet, beschließen beide, ihrer juristischen Aus- bildung noch eine Fortbildung als Ehe- und Familienberater hinzuzufügen. Noch galt ja im Scheidungsrecht das "Schuldprinzip" und "es war einfach klar, dass das mit Beziehungen und dem, wie Menschen wirklich leben, zu der Zeit eigentlich gar nichts zu tun hatte. " Im Jahr 1977 kommt die Scheidungsreform und damit grundsätzlich die Herausnahme der "Schuldfrage" aus dem Recht, das "Zer- rüttungsprinzip" gilt, "und das ist ein Riesen- tor gewesenu. Die Reflexion der eigenen Be- ratungsarbeit wird Thema: "W i e berate ie denn, bin ich im Schwarz-Weiß-Denken oder fange ich an zu verstehen, was da eigentlich in so einem Beziehungssystem passiert?" Gemeinsam mit Ärzten, Unternehmern, The- rapeuten und Pädagogen wird der Verein Ei- dos e.V. gegründet, fußend auf der plato- nischen Vorstellung, dass es für jede Erscheinung die entsprechende (Ur- )Idee ("eidos" - griechisch: die Idee) gibt. "Wir wollten den ganzen Menschen anschauen, in der jeweiligen Profession. Wie kann der Mensch dazu kommen, dass er hier seine Bedeutung und den Sinn seines Lebens für sich findet?" In den Kontext dieser - schon interprofessionellen - Fragestellungen passte dann auch die Teilnahme an der Gründung des Modellprojekts der Deutschen Arbeits- ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 10·2012

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1B~~h..t.~pr.~f.h..y.n9/Y.~r.k9..r.!q~l!Jfgr.!JJ.g.t.!.g!J.~!J. .

nicht auf den gesonderten Beitrag für Mittag-essen nach § 13 Abs. 11 Satz 2 KiTaG (vgl.aVG Rhelniand-Pfalz, Urt.v. 21.09.2009, Az.:7 A 10431/09 - JURIS-).

Nach dieser gesetzlichen Systematik sind da-her die entstandenen Verpflegungskosten inHöhe von 56,57 € im Gegensatz zu den Un-terbringungskosten in Höhe von 2.187,77 €nicht erstattungsfähig. Im vorliegenden Ver-fahren können daher die Klägerinnen inso-weit keine Erstattung verlangen.

PraxishinweisWas wohl vielen Kommunen in Deutschlandam 01.08.2013 blühen könnte, dazu liefertdie Entscheidungdes VG Mainz einen Vor-geschmack. In Rheinland-Pfalz, das schon

im Hinblick auf den Rechtsanspruchauf ei-nen Kindergartenplatz ab dem vollendetendritten Lebensjahrein Vorreiter war, hat seitdem 01.08.2010 schon JedesKind, das daszweite Lebensjahr vollendet hat, denRechtsanspruchauf die Bereitstellung einesKindergartenplatzes, der auch noch bei-tragsfrei ist. DiesemVersprechen ist aber diebeklagte Stadt Mainz in diesem Fall nichtnachgekommen, sodassdie Eltern wegen ih-rer Berufstätigkeit eine Ersatzbetreuung fürihr Kind suchen mussten. Das VG sah in derUnfähigkeit der Stadt, dem Kind zum be-gehrten Zeitpunkt einen BetreuungsplatzzurVerfügung zu .stellen, einen Eingriff in dasRecht des Kindesauf die Bereitstellung einesKindergartenplatzes sowie in das Recht sei-ner Eltern auf Beitragsfreiheit.

Da die Bereitstellung eines Kindergarten-platzes zum Zeitpunkt der Entscheidungnicht nur unzumutbar, sondern durchZeitablauf unmöglich geworden ist, dieprimäre Leistung bzw. die also nicht mehrerbracht werden, bejaht das Gericht einenauf Geldersatz gerichteten sogenanntenFolgenbeseitigungsentschädigungsanspruchund beruft sich dabei auf die Rechtspre-chung des BVerwG. Ersetzt werden denEltern die Kosten der tatsächlichen Betreu-ung mit Ausnahme der Verpflegungskos-ten, die die Eltern auch bei der Bereitstel-lung eines Kindergartenplatzes hättenentrichten müssen.

Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard Wiesner

Nachrichtenteil der Bundes-Arbeitsgemeinschaftfür Familien-Mediation e.V.

~\(BAFM 20 Jahre BAFMPioniere der Familienmediation

und ihr persönlicher Weg:

Gisela Mähler: "Mediation hat für mich auch mit Kunst ~u tun"

Gisela Mähler undihr Mann Hans-Georg Mähler ha-ben die deutscheMediationsszenesicherlich in ein-zigartiger Weisegeprägt, beide An-wälte, beide Ehe-

Dr. Gisela Mähler und Familienbera-ter, eine bewun-

dernswerte Einheit. Seit Jahrzehnten in Mün-chen, Gründer des Eidos-Institutes undAusbilder in vielfältigster Hinsicht, sind sie in-zwischen für eine ganze Generation von Fami-lienmediatoren/innen kreative und nachdenk-liche Lehrer, Anreger, Vorbilder. Es sei einGlück, sagt Gisela Mähler, "dass ich diesenWeg mit meinem Mann gemeinsam gehenkonnte, als Paar die Dinge gemeinsam findenund ausarbeiten, das ist natürlich ein Ge-schenk". Insbesonderesei zwischen ihnen frühfür sie beide die Entdeckung und der gemein-same Blick auf Martin Buber wichtig gewor-den und geblieben, "der uns immer wiederauch als Philosoph der Mediation erscheint".

Im Gespräch über ihren Lebens- und Erkennt-nisweg sagt Gisela Mähler von sich, sie habe

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"ziemlich früh schauen müssen, wohin meineReise geht". Als Kind im Krieg teilweiseschon wach und kritisch, erlebt sie, dass derVater, Germanistikprofessor, als "Mitläufer"eingestuft wird und sich ein neues Berufsfeldsuchen muss. Es wird die neue Ausgabe des.Duden", eine engagierte Arbeit an derRechtsschreibreform der Nachkriegszeit. Undso überlegt sie selbst, ebenfalls die Germanis-tik zu wählen. "Aber dann hat mich dochnoch mehr interessiert, wie eine gerechtereWelt aussehen kann. Man erlebt ja im Kriegüberraschende und prägende Ungerechtig-keiten. So hab' ich mich umentschieden zuJura". Sie wusste, dass sie dann Anwältinwerden wollte: "Ich wollte wirklich meineganz eigene Weise finden, mit Menschen zuarbeiten. U Es sei die persönliche Gerechtig-keitsebene gewesen, die sie interessiert habe:"Fühle ich mich gesehen? Wie werde ich mirselbst und anderen gerecht?"

Der Hinweg

Nach dem Studium in Marburg und München,inzwischen mit Hans-Georg Mähler verhei-ratet, beschließenbeide, ihrer juristischen Aus-bildung noch eine Fortbildung als Ehe- undFamilienberater hinzuzufügen. Noch galt ja im

Scheidungsrecht das "Schuldprinzip" und "eswar einfach klar, dass das mit Beziehungenund dem, wie Menschen wirklich leben, zuder Zeit eigentlich gar nichts zu tun hatte. "

Im Jahr 1977 kommt die Scheidungsreformund damit grundsätzlich die Herausnahmeder "Schuldfrage" aus dem Recht, das "Zer-rüttungsprinzip" gilt, "und das ist ein Riesen-tor gewesenu. Die Reflexion der eigenen Be-ratungsarbeit wird Thema: "W i e berate iedenn, bin ich im Schwarz-Weiß-Denken oderfange ich an zu verstehen, was da eigentlichin so einem Beziehungssystempassiert?"

Gemeinsam mit Ärzten, Unternehmern, The-rapeuten und Pädagogen wird der Verein Ei-dos e.V. gegründet, fußend auf der plato-nischen Vorstellung, dass es für jedeErscheinung die entsprechende (Ur- )Idee("eidos" - griechisch: die Idee) gibt. "Wirwollten den ganzen Menschen anschauen,in der jeweiligen Profession. Wie kann derMensch dazu kommen, dass er hier seineBedeutung und den Sinn seines Lebens fürsich findet?" In den Kontext dieser - schoninterprofessionellen - Fragestellungen passtedann auch die Teilnahme an der Gründungdes Modellprojekts der Deutschen Arbeits-

ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 10·2012

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können ihre Welt und ihre Zukunft entwerfen,wenn sie sich damit auseinandergesetzt ha-ben, was sie dahin geführt hat und was ihnenwichtig ist. Ein menschliches Grundbedürfnisist, gesehen und wahrgenommen zu werden.Die Würdigung macht uns Menschen ganzanders fähig, die Dinge, die uns wichtig sind,wertzuschätzen, zu gestalten. Das ist in derMediation möglich."

Heute

Verbandsin iormation en ~...................................................; ~ 1.~ _ :

gemeinschaft für Jugend- und Eheberatung(DAJEB) "Rückkehr zur Gemeinsamkeit", indessen Rahmen 1982 die Beratungsstelle"Familiennotruf" entstand und hier bereitseine Kollegin über Ansätze in den USA zurMediation berichtete. "Aber interessanter-weise hat es da noch nicht gezündet. Wirwaren noch beschäftigt mit dem ganzenUmdenken im Familienrecht: weg vom Ent-weder-Oder hin zum Und, namentlich nachder Einführung des gemeinsamen Sor-gerechts durch das BVerfG im Jahre 1982."

Ab 1986 hat Gisela Mähler das Modellprojektals Vorstandsmitglied der DAJEBdann leitendverantwortet, "wir haben viele interdisziplinä-re Arbeitskreise in München gehabt und sozu-sagen die ganze Stadt vernetzt". Als dann1988 auf einer Tagung in Arnoldshain RolandProksch über Mediation in den USA berichte-te, war "der Nervus Rerum getroffen. "

Von Hans-Georg Mähler und Hannelore Diezwird ein .Arbeitskrels Mediation" gegründetund "dann ging's los. Anfangs wollten wir al-le nach Amerika, um Mediation zu lernen.Schließlich kamen wir auf die Idee, dass viel-leicht zunächst einmal ein amerikanischerMediationslehrer herkommen kann".

Die Begegnung

Es kommt eine Begegnung mit Gary Fried-man zustande, der sich in Europa, in Aix-en-Provence aufhielt. Von Bedeutung war undist es für Gisela Mähler noch heute, dass dieamerikanischen Lehrer Gary Friedman undJack Himmelstein jüdischer Herkunft sind undes keineswegs für selbstverständlich geltenkonnte, dass sie nach Deutschland kommenwürden, um dort ihren "Schatz der Media-tion" mit deutschen Kollegen zu teilen.

GiselaMähler erinnert sich an die erste Begeg-nung: "Schon vor unserem Besuch in Aix-en-Provence hatten wir großes Interesseund auchein Zögern bemerkt, konnten das aber nichtdeuten, bis wir einander begegneten. Die Aus-einandersetzung mit dem Nationalsozialismusist Teil unserer Geschichte.Hans-Georg war zuBeginn seiner Berufstätigkeit als Staatsanwaltzuständig für das KZ Dachau. Und Gary Fried-

man war genau einmal in Deutschland - näm-lich in Dachau. Die anschließende Entschei-dung von Gary Friedman und dann auch JackHimmelstein, . dennoch die Mediation nachDeutschland zu bringen, hat uns sehr verbun-den und auch sehr tief angesiedelt im ganzenWeg der Mediation, weil es eben auch um ei-nen Friedensaspekt im tieferen Sinn zwischenDeutschen und Juden ging. "

Sie fahren dann doch nach Amerika, nehmendort an Kursen von Gary Friedman und JackHimmelstein und auch bei John Haynes teil."Das war die absolute Suchphase". Sie orga-nisieren" die Kurse für Gary Friedman undJack Himmelstein und stellen sich die Fragen,was nun bei uns in der BRD anders gemacht(und gelernt) werden muss: "B.edenken, Fra-gen - und dann haben wir '92 angefangen,uns zu organisieren."

Die Vergemeinschaftung

"Wir hatten das Bedürfnis, den Weg zu ver-gemeinschaften, und haben 1992, aus-gehend vom Münchner Arbeitskreis, eine Ta-gung in der EvangelischenAkademie Bad Bollveranstaltet, die sich mit den Grundlagenbahnbrechend beschäftigte (Protokoll kannangefordert werden unter Protokoll Nr.30/93 Pressestelle Bad Bol/). Anlässlich die-ser Tagung haben wir uns deutschlandweitzusammengetan zu einer Arbeitsgemein-schaft, der BAFM. Das war der Beginn einerwahrhaftigen Manifestation einer Idee. Grün-dungssprecher wurden Hannelore Diez undHans-Georg Mähler." Zunächst wurden dieRichtlinien entwickelt, dann die Satzung derBAFM und erst am Ende die Ausbildungsord-nung und die Regeln, welche Voraussetzun-gen die Ausbilder mitbringen müssen. "Indieser Zeit gab es noch viele Suchbewegun-gen mit allen zusammen, das ,Dolmetschen'zwischen den unterschiedlichen Zugängenvon Juristen und Psychologen - aber es warletztlich immer konstruktiv."

Mit der Mediation war eine andere Weise zudenken, zu sehen, zu sprechen verbunden,"ein ganz anderes Bewusstsein auf der Basissubjektiver Wirklichkeiten. Konkret: Menschen

Gerade die Familienmediation habe so "eineVorreiterfunktion" für dieses neue Denkenund die neue Praxis gehabt. Die hier ent-wickelten Tools und die Art und Weise, diesich in der Familienmediation inzwischen he-rausgebildet hat, sieht Gisela Mähler alsHerzstück, das auch in anderen Bereichen an-wendbar ist. "Viele Menschen sind bereit,auch im anderen Kontext, auf respektvolleFragen wirklich zu sagen, was ihnen wichtigist. Die Familienmediation ist wirklich einengroßen Weg gegangen, auch in der Vernet-zung in Deutschland, auch im Revidieren undNeulernen. Das ist ein unglaublicher Manifes-tationsweg mit sehr viel Beteiligungen, Enga-gement und eindrucksvollen Personen. Wirsind so eine Weggefährtengruppe, das hatsich bis in die Gegenwart hinein realisiert."

Mit dem Mediationsgesetz sei nun eine neueSchwelle erreicht. Und dies bedeute wohlauch, dass die .Pionierphase vorbei ist. Ichwünsche mir, dass wir genügend Aufmerk-samkeit und Kapazität aufbringen können,nicht zu sehr in die Routine zu gehen, son-dern die Mediation immer wieder als Ereignis,als soziale Kreation für den Menschen zu er-möglichen. Das hat für mich auch etwas mitKunst zu tun. Wir können der Normalisierungund der damit verbundenen Gefahr einerVerflachung nicht entfliehen, aber wir kön-nen bewusst die existenzielle Herausforde-rung und die Möglichkeit des Schöpferischenin der Mediation achten und pflegen."

Gise/a Mähler, Recbtsenweltin, Mediatorin(BA FM)[email protected]

Interview: Sabine Zurmühl

Roland Proksch: "Der Fortschritt ist eine Schnecke"

Roland Proksch,Jurist, zunächstUmweltexperte,dann Lehrenderfür Sozialpädago-gen/innen, heuteMediator undRechtsanwalt, Lei-ter des BAFM-

Prof. Dr. Roland Proksch Institutes ISKA-

10·2012 ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe

Nürnberg, Mediator der ersten Stunde. SeinVortrag über die Mediationspraxis in denUSA auf dem "Kleinen Arnoldshainer Famili-engerichistag" im November 1988 an derEvang. Akademie in Arnoldshain war für die(Familien-)Mediation wie für die spätereBAFM in Deutschland eine Initiation.

Wie sind wir geworden, was wir sind? RolandProksch, Jahrgang 1944. Mit zwei Jahren

stirbt seine Mutter. Sein Vater gibt ihn 1950in das Kinderheim Evangelisches Waisen-IKlauckehaus, Augsburg. Dort lebt RolandProksch acht Jahre. Eine gewaltige Lebens-veränderung für ihn. Er habe "Fürsorge,Wärme und Förderung erfahren", berichtetProksch heute. Er habe lernen müssen (dür-fen?), sich in Gruppen zu behaupten, nichtunterkriegen zu lassen, zurückzustecken, umgemeinsam weitermachen zu können. "Viel-

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.Mom.s House, Dad's House', Informationüber Mediation zu bekommen und einen ers-ten Mediationstermin zu vereinbaren. "

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leicht ist mein Geheimnis, das, was ist, ein-fach anzunehmen, nicht mit dem Schicksalzuhadern." Nach dem Motto: "Wer weiß, wo-für was gut ist." Nach dem Ende seinerSchulzeit 1958 beginnt er auf Wunsch desVaters eine Lehre zum Brauer und Mälzer.Nach erfolgreicher Gesellenprüfung folgenWanderjahre in die Schweiz, nach Österreich,England, Frankreich. In Paris erfährt er "zu-fällig" (7), auch ohne "Mittlere Reife" amHessenkolleg Kassel die allgemeine Hoch-schulreife erwerben zu können. Er besteht dieAufnahmeprüfung. Es folgt ein 1958 kaumvorhersehbar gewesener Berufsweg: Abitur,Jurastudium, Rechtsreferendariat, Zweites Ju-ristisches Staatsexamen, Assistent am Institutfür Staatslehre, Staats- und Verwaltungs-recht, Fachbereich Rechtswissenschaft derFU-Berlin, Promotion, juristische Praxis imUmweltbundesamt Berlin und im Bundes-ministerium des Innern Bonn, Prof. für Sozi-a1-/Familienrecht an der EvangelischenHoch-schule Nürnberg.

Umweltschutz zwischen Ökologie und Öko-nomie

Am Umweltbundesamt, Fachgebiete Um-weltforschung/Entwicklung, im Bundesminis-terium des Innern, Steuergruppe Ökologie,beschäftigen ihn neue Aufgaben. "Damalshabe ich nicht an Mediation gedacht. Jedochgab es im Umweltbundesamt wie im Bundes-ministerium des Innern ("mediationsnahe")Arbeiten zu Fragen, wie sind die unterschied-lichen Interessen von Ökologie, Ökonomie,Sozialeszum Wohl von Mensch und Umweltbestmöglich zusammenzubringen?".

Im Herbst 1982 folgen Ortswechsel und Wech-sel im Aufgabenspektrum. Roland Proksch be-wirbt sich, erfolgreich, an der EvangelischenHochschule Nürnberg auf eine Professur. Dortwirkt er bis2009 als Lehrenderfür die BereicheFamilien- und Sozialrecht, zwischen 1991 und2006 auch als deren Präsident.Seit seinerEme-ritierung 2009 arbeitet er als Rechtsanwalt undverstärkt als Mediator.

In Nürnberg kam bald die Mediation insSpiel. "Ich erfuhr, dass und wie Eltern mitminderjährigen Kindern sich im Scheidungs-verfahren alleingelassenfühlten und sich überwenig zufriedenstellende Konfliktlösungenbeklagten. "

Das war ihm Anlass, zu prüfen, wie Elternund ihre Kinder im Scheidungsgeschehenef-fektiver begleitet und gefördert werden könn-ten. Er erfährt, dass seit 1981 in Kalifornienein Gesetz galt, das Eltern mit minderjährigenKindern im Scheidungsfall verpflichtete, perMediation einen "ernsthaften Versuch" (se-rious try) einer einvernehmlichen Regelung ih-rer streitigen Kindschaftssachezu starten. Dasfaszinierte ihn. Sein erstes Fortbildungssemes-ter 1988 und den Sommer 1989 nützte

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Prokschdeshalb, sich in den USA über Media-tion zu informieren. Er tourt als Hospitant derAssociation for Family and Conciliation Courts(AFCC) ..frorn Portland/Maine to Portland/Oregon" u.a. über New York, Boston, Chica-go, Indianapolis, Los Angeles durch Bera-tungsstellen und Familiengerichte. Er lernt diePioniere der Mediation kennen. In St. Louis/Miss., Kansas City/Kansas, Portlaod/Oregonerhält er seine Mediationsausbildung.

nRoland, just do itl"

"Fachleute, wie Betreuer/innen des AFCC,waren überaus gastfreundlich, offen, unkom-pliziert und äußerst hilfsbereit, dem Newco-mer aus Germany Mediation in Theorie undPraxis zu vermitteln. In der Regel verbrachteich ein bis drei Wochen in einem MediationCenter. Ich durfte zuschauen und zuhören,wie dort Mediation praktiziert wurde. In Chi-cago sagte mein Betreuer auf einmal, .Ro-land, just do it!' Es ging um einen Streit vonEltern um das Besuchsrecht für ihre vierjäh-rige Tochter. Ich machte meine erste Media-tion. Nach ,gutem' Ende kam die Kleine aufmich zu, lachte. Ich durfte sie hochheben.Mutter und Vater standen daneben, strahl-ten. Dieses Bild werde ich nie vergessen. ImHerbst 1988 kehrte ich zurück nach Deutsch-land, gespickt mit Literatur zu Mediation. ImSommer 1989 war ich noch einmal in denUSA. Vor allem in Denver bei JessicaPearson,Nancy Thoennes, die mich über ihre For-schungen zu Mediation informierten. Von ih-nen habe ich viel gelernt für meine eigeneForschung zu Mediation in Erlangen/Jenavon 1991-1997."

"Natürlich habe ich erst in eigener Media-tionspraxis meine nötige Sicherheit und Pro-fessionalität erworben. Das dauerte. Wennmir Teilnehmende am Ende ihrer Mediations-ausbildung sagen, ich fühle mich noch garnicht richtig fit für Mediation, sage ich ihnen,das ist normal. Sicherheit und Routine kom-men allein durch ,Learning by Doing'. Ihr seidjetzt mit der Ausbildung fertig, eure Profes-sionalität, eure Sicherheit kommen erst durcheure eigene Praxis."

Aus seinen Mediationserfahrungen in den USAnimmt der Jurist Proksch mit: "Eigentlich gehtes bei Streitigkeiten von Eltern weniger umrechtliche Fragen, als vielmehr, wie könnenMutter und Vater ihre nacheheliche Beziehungselbst so gestalten, dasses Kindern und Elternauch nach dern Endeder Ehegut geht. "

"Beeindruckt hat mich 1988 z.B. die Ge-richtspraxis in Chicago, wie der Richter denEltern klarmachte, dass sie und nicht er zuerstfür ihre Kinder Entscheidung treffen müssen.Wie er sie nach kurzer Information über ihreelterliche Verantwortung in den Nebenraumschickte, um dort mit der zuständigen Sozial-arbeiterin Filme anzusehen, ,Parents Forever',

Eine Praxis, die wir uns in Deutschland fürden Regelfall gewünscht haben und mit demMediationsgesetz und dem ergänzten FamFGjetzt erhoffen.

Überzeugt von dieser Praxis wird Prokschnach seiner Rückkehr aus den USA bei deut-schen Kollegen/innen zum Berichterstatter."Im November 1988 durfte ich auf dem 3.Kleinen Arnoldshainer Familiengerichtstagden Hauptvortrag halten zum Thema: .Di-vorce Mediation- Ergebnisse eines For-schungs- und Praxisaufenthaltes in denUS 1988,. Teilnehrnende waren insbesondereall jene, die in den folgenden Jahren maß-geblich den Weg für die Mediation ebneten,1992 in Bad Boll zur Gründung der BAFMbeitrugen und 1994 Ausbildungsordnungund Richtlinien der BAFM für die Familien-mediation verabschiedeten".

"Nach meinem Eindruck gab es in Arnolds-hain drei Gruppen von Teilnehmenden. Dieeinen, die sagten, 'neumodisches Zeug ausden USA', die anderen, 'nichts Neues, ma-chen wir schon immer, 70 % der Fälle wer-den durch Vergleiche geregelt, die dritten,das wurde die Kerngruppe der BAFM, 'klingtspannend, das wollen wir vertiefen'''.

Die eigene Autorität nutzen

Wie sieht für Rdland Proksch die Bilanz derBAFM, die Perspektive für Mediation aus?"Die BAFM hat viel angestoßen. Es bleibtaber noch viel zu tun. "

"Frei nach Grass: 'Der Fortschritt ist eineSchnecke'. Es braucht Zeit und die aktiveMitwirkung von Mediatoren, Anwälten, Rich-tern. Sie müssen ihre Autorität nutzen, strei-tende Eltern zu motivieren, selbst zu einerVerständigung zu kommen, weil eigenverant-wortlich erarbeitete Regelungen meist mehrZufriedenheit geben, haltbarer sind als Kon-fliktentscheidungen durch Gerichte. Ich hoffeund wünsche, dass mit dem Mediations-gesetz ein neuer Schub kommt für Media-tion, auch in Familiensachen."

"Allerdings harren noch immer zentrale Fra-gen der Klärung: Wie werden Qualifikationvon Mediatoren, wie Qualität von Mediationnachhaltig gesichert? Wie können Konflikt-partner für Mediation motiviert werden?Welche finanziellen Anreize sind möglich undnötig?" "Es bleibt viel zu tun. Packen wir esweiter an!"

Roland Proksch, Jurist. emeritierter Hoch-schullehrer, Rechtsanwalt, Mediator (BAFM)www.mediation-proksch.de;[email protected]: Sabine Zurmühl

ZKJ I<indschaftsrecht und Jugendhilfe 10·2012