Basler Demenz Forum 14.11...Prof. Dr. Tobias Derfuss Neurologische Klinik und Poliklinik, Department...
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Prof. Dr. Tobias Derfuss
Neurologische Klinik und Poliklinik, Department Innere Medizin
Universitätsspital Basel
Basler Demenz Forum
14.11.2019
Spotlight: Multiple Sklerose im Alter
Disclosures
Die Forschungsgruppe von Prof. Derfuss wird unterstützt von Novartis,
Merck, Biogen, GeNeuro, MedDay, Roche, Sanofi Genzyme, Actelion,
Celgene.
Chronische Autoimmunerkrankung der
weissen Substanz des zentralen
Nervensystems basierend auf einer
genetischen Prädisposition und
Umweltfaktoren
Definition der Multiple Sklerose
Epidemiologie der MS
MS Patienten in der Schweiz 15.000 ?
Inzidenz 3-7/100.000
Prävalenz 50 -200/100.000
Geographische Verteilung Nor-Süd Gradient
Erkrankungsalter 20 - 40 Jahre
Geschlechtsverhältnis 3:1 (progr. 1:1) (Frauen:Männer)
familiäre MS• Verwandte ersten Grades 30 x höheres Risiko• Eineiige Zwillinge 300 x höheres Risiko
Geographische Verteilung der MS
▪ Genetische Prädispostion (MHC, …)
▪ Fehlfunktion des Immunsystems
▪ Infektionen als Trigger der Erkrankung oder von Schüben (EBV,
HHV 6, …)
▪ Vitamin D
▪ Hygiene
▪ Rauchen
▪ Kopftrauma
Multiple Sclerosis – Hypothesen zur Ätiologie
Immunologische Pathomechanismen der MS
R. Martin,
Ann Rev Immunol, 2005
Chronizität
MS
• Schubförmig
• Chronisch
progredient
benigne
MS
Isolierte
• Optikusneuritis
• Transverse
Myelitis
fulminanteADEM
Spezifische Verteilung der Läsionen•Devic Syndrom/Neuromyelitis optica
•Balo’s konzentrische Sklerose
Progrediente
chronische
Myelopathie
MS ist Teil eines Spektrums autoimmun-
entzündlicher Erkrankungen des ZNS
• schubförmig (bei Beginn ca. 85%)
• anfangs durchschnittl.1,8 Schübe pro Jahr
• Schubhäufigkeit nimmt über die Jahre ab
• Unter hocheffektiven Therapien ca. 0,1 Schübe/Jahr
▪ Sekundär progredient (ca. 50-60% im Verlauf, steigt auf fast
100% bei langem Follow-up)
▪ Primär progredient (10%)
▪ Benigne MS: nach 20 Jahren haben ca. 15% keine
wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit
▪ Fulminante Krankheitsverläufe
Heterogener Krankheitsverlauf
Schematische Darstellung des
Krankheitsverlaufes der MS
Zeitachse
Schubförmige MS
Sekundär progrediente MS
Schw
ere
der
Behin
deru
ng
Schub
Schubdefinition: neue oder wiederkehrende neurologische Symptome, die für mehr
als 24 Stunden anhalten, nicht mit Infekt/Fieber assoziiert sind und wieder
(zumindest teilweise) remittieren
Diagnose der MS
▪ Klinische Anamnese
▪ Schubförmiger Verlauf mit nezurologischen Symptomen, die verschiedenen Arealen des ZNS
zuzuordnen sind
▪ MRI
▪ aktive (KM-aufnehmende Läsionen) und inaktive Läsionen (hyperintens in der T2-Wichtung)
▪ supratentorielle, infratentorielle, perventriukläre, juxtakortikale oder spinale Lokalisation
▪ Evozierte Potentiale
VEP, SEP, AEP, MEP
▪ Liquor Analyse
▪ intrathekale IgG Produktion, oligoklonale Banden
▪ Manchmal lymphozytäre Pleozytose
-> Dissemination in Raum und Zeit
Zeit
MRT
Symptom
1. Schub 2. Schub
Pathologie
Klinisch sichtbare Krankheitsaktivität ist Spitze des Eisbergs
Neuronen
Destruktion
Radiologisch isoliertes
Syndrom
Klinisch isoliertes
Syndrom
Schubförmige MS
Freedman, Neurol Sci, 2008
MS im Alter
• Unterscheidung MS im Alter versus late onset MS
• Prävalenz der MS nimmt zu (1984:32/100.000; 2006: 226/100.00), parallel nimmt auch MS im Alter zu
• Die hauptsächliche MS-Prävalenz liegt in der Altersgruppe 55-59 Jahre
• MS im Alter: 14 % der MS Patienten in den USA und 18 % der MS Patienten in Italien sind älter als 65
Jahre
• Lebenserwartung durch MS um 6-10 Jahre verkürzt, höchstes Mortalitätsrisiko im Alter 50-59
verglichen zur Gesamtbevölkerung
Schweitzer et al., Curr Opinion in Neurology 2019
Late onset MS
Definition der late onset MS:
• late onset MS (LOMS):
Beginn nach dem 50.Lebensjahr (3.4-4.8% aller
Diagnosen)
• very late onset MS (VLOMS):
Beginn nach 60. Lebensjahr (0.5% aller Diagnosen)
• Kennzeichen der LOMS:
• Häufiger motorische Symptome
• Häufiger primär progredienter Verlauf
• Häufiger spinale Läsionen
• Seltener Pleozytose im Liquor, aber OKBs gleich
häufig
Kis et al, J Neurol 2008
Klinische Charakteristika
MRI Charakteristika
Spezifische Probleme bei MS im Alter
• Ältere MS Patienten haben eine höhere Rate von Ko-Morbiditäten und ein alterndes Immunsystem
(Immunseneszenz)
Immuntherapien könnten andere Nebenwirkungen in dieser Patientengruppe haben
• Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit immunmodulierender Therapien bei älteren Patienten fehlen, da sie in
klinischen Studien ausgeschlossen wurden
• Subgruppen-Analysen zeigen, dass immunmodulatorische Therapien mit zunehmendem Alter (zunehmender
Krankheitsdauer) weniger wirken
• Es ist unklar, ob ältere Patienten mit stabiler MS die Behandlung stoppen können.
• Lifestyle Modifikationen könnten den Verlauf der MS (durch eine Verbesserung der Komorbiditäten) und die
Lebensqualität verbessern
Vaughn et al., Nat. Rev. Neurol., 2019
Subgruppen Analyse einer Phase III Studie zu Siponimod bei
sekundär progredienter MS
Kappos L, et al. Lancet 2018;391:1263–1273 CI, confidence interval; 3m-CDP, 3-month confirmed disability progression; DMTs, disease-modifying therapies; EDSS, Expanded Disability Status Scale; Gd+, gadolinium enhancing; IFNB1b, interferon beta 1-b; MSSS, Multiple Sclerosis Severity Score.
Effekt einer Interferon beta Behandlung ist abhängig vom
Alter der Patienten
Weideman et al., Front Neurol 2017
Alter der Patienten (Jahre)
Reduktion d
er
Behin
deru
ng in %
Altersabhängiger Therapieeffekt trifft auf alle
Therapieformen zu
Weideman et al., Front Neurol 2017
Alter der Patienten (Jahre)
Reduktion d
er
Behin
deru
ng in %
Überlegungen zum Therapieeffekt im Alter
• Studien hatten nur relativ geringen Anteil an älteren Patienten
die Sensitivität, einen Behandlungseffekt zu sehen, ist gering
• Es wird nicht unterschieden zwischen alten MS Patienten mit langer und kurzer
Krankheitsdauer (MS im Alter versus late onset MS)
alte Patienten mit kurzer Krankheitsdauer verhalten sicher eher wie junge
Patienten, d.h. mehr inflammatorische Aktivität und besseres Therapieansprechen
• Das Nutzen/Risiko Verhältnis einer Therapie im Alter verschiebt sich zu Ungunsten
einer Therapie
weniger Effekt der Therapie, aber mehr Nebenwirkungen
Risiko von Infektionen und Malignomen ist im Alter erhöht und
könnte durch Therapien potenziert werden
Schweitzer et al., Curr Opinion in Neurology 2019
CAVE: Manche Patienten profitieren aber von einer
Therapie trotz hoher Behinderung/hohem Alter
Lizak et al., JNNP, 2017
Neue Klassifikation der progredienten MS:
Relevanz von Aktivität und Progression
a Activity determined by clinical relapses assessed at least annually and/or MRI activity (contrast-
enhancing lesions, and new and unequivocally enlarging T2 lesions); b Progression measured by
clinical evaluation, assessed at least annually. If assessments are not available, activity and
progression are ‘indeterminate’.
Lublin FD, et al.
Neurology 2014; 83:278–
286.
Folgen eines Stoppens der immunmodulatorischen Therapie
Kister at al., JNNP, 2016
Einschlusskriterien in Studie:
• mind. 18 Jahre bei Therapiestop
• keine Erkrankungsschübe in den letzten 5
Jahren
• durchgehende Behandlung mit IFN oder
GAT über mind. 5 Jahre vor Einschluss
• Behandlung wurde nicht wieder begonnen
Schübe und Behinderungsprogression nach einer
Therapiestop
• 36 % der Therapiestopper hatten einen
Schub nach median 1.81 Jahren
• hinsichtlich Schubaktivität gab es aber
keinen signifikanten Unterschied
zwischen Stoppern und behandelten Pat.
• Zeit bis zur bestätigten
Behinderungsprogression war signifikant
kürzer bei den Stoppern (aHR 1.47,
p=0.001)
Kister at al., JNNP, 2016
Komorbiditäten und ihre Konsequenzen
• Häufigste Komorbiditäten der MS sind:
• Depression
• Angststörung
• Bluthochdruck
• Hypercholesterinämie
• Chronische Lungenerkrankungen
• Vaskuläre Komorbiditäten nehmen zu mit dem Alter
und sind höher bei MS als in der
Gesamtbevölkerung
• Häufigste autoimmune Komorbiditäten sind:
• Thyreoiditis
• Psoriasis
Marrie et al., MS Journal 2015
Komorbiditäten und ihre Konsequenzen
Rauchen
EBV Infektion
Kopftrauma
MS
erhöhen Risiko erhöht Risiko
Vaskulären und
psychiatrischen
Komorbiditäten
erhöhen Risiko
Progression der MS
Kognitive Defizite nehmen mit dem Alter bei MS zu
Branco et al., Neurol. Sciences 2019
Charakteristika der kognitiven Defizite unterscheiden sich nicht bei
jungen und alten MS Patienten
• Verwendete Tests:
• selective reminding test (SRT) (Wörter lernen)
• 10/36 spatial recall test (SPART) (räumliches Lernen)
• paced auditory serial addition test (PASAT) (Addieren von Zahlen)
• Symbol digit modalities test (SDMT) (Informationsprozessierung und Aufmerksamkeit)
• Word list generation (WLG) (verbale Leistung)
• Stroop Test
• Kognitive Veränderungen werden
als MS assoziiert interpretiert
Branco et al., Neurol. Sciences 2019
Schlussfolgerungen
• MS im Alter wird häufiger durch höhere Inzidenz der MS, gestiegene Lebenserwartung und
verbesserte Therapie der MS.
• Unterscheidung zwischen late onset MS und MS im Alter ist wichtig, da die Krankheitsdauer
mehr mit Therapieansprechen korreliert als das Alter.
• MS im Alter ist häufiger als late onset MS.
• Bei Nachweis von Aktivität (klinische Schübe, neue Läsionen im MRI) und/oder klinischer
Verschlechterung der neurologischen Defizite macht eine Therapie auch im Alter Sinn.
• Nebenwirkungen der Immuntherapien könnten im Alter anders/häufiger sein als in den
(jüngeren) Studienpopulationen.
Interdisziplinäres Team des MS-Zentrums Basel