Baudis‘Das Neue gestalten: Die Position des Eklektizismus in der französischen Designpraxis des...

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M B Das Neue gestalten: Die Position des Eklektizismus in der französischen Designpraxis des 18. Jahrhunderts Die École Royale Gratuite de Dessin (Freie Königliche Zeichenschule) wurde 1766 in Paris von Jean Jacques Bachelier (1724–1806) mit dem besonderen Auftrag gegründet, junge Zeichner für die Manufakturgewerbe auszubilden. Ausgehend von dieser Institution, der École Gratuite de Dessin in Lyon und anhand des Bei- spiels der Bildwesten des späten Ancien Régime möchte dieser Beitrag die Bedeu- tung des Eklektizismus für das französische Modedesign des 18. Jahrhunderts untersuchen. Eklektizismus im 18. Jahrhundert Theorie und Praxis des Eklektizismus in den bildenden Künsten des 18. Jahr- hunderts haben bislang größere Aufmerksamkeit von Kunst- und Architektur- historikern als von Designhistorikern erhalten. Die Akademiereden des briti- schen Künstlers und Präsidenten der Royal Academy, Sir Joshua Reynolds (1723–1792), oder die Schriften des deutschen Kunsthistorikers Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) stellen gut bekannte Fallbeispiele für den akademi- schen Eklektizismusdiskurs jener Zeit dar. Es lässt sich fragen, wie dieser Eklek- tizismus des 18. Jahrhunderts zu verstehen ist. Grundsätzlich kann er als die Kombination von Elementen verschiedener Sujets, Stile, Theorien und Ideen in einem einzelnen Kunstwerk aufgefasst werden, wie etwa eine Äußerung Rey- nolds’ belegt, der 1774 in einer Akademierede daran erinnerte,

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Author: Macushla BaudisPublished: ATLAS. Bonner Beiträge zur Kunstgeschichte, Institute für Kunstgeschichte und Archäologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 2012

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  • MACUSHLA BAUDIS

    Das Neue gestalten: Die Position des Eklektizismus in der franzsischen Designpraxis des 18. Jahrhunderts

    Die cole Royale Gratuite de Dessin (Freie Knigliche Zeichenschule) wurde 1766 in Paris von Jean Jacques Bachelier (17241806) mit dem besonderen Auftrag gegrndet, junge Zeichner fr die Manufakturgewerbe auszubilden. Ausgehend von dieser Institution, der cole Gratuite de Dessin in Lyon und anhand des Bei-spiels der Bildwesten des spten Ancien Rgime mchte dieser Beitrag die Bedeu-tung des Eklektizismus fr das franzsische Modedesign des 18. Jahrhunderts untersuchen.

    Eklektizismus im 18. Jahrhundert

    Theorie und Praxis des Eklektizismus in den bildenden Knsten des 18. Jahr-hunderts haben bislang grere Aufmerksamkeit von Kunst- und Architektur-historikern als von Designhistorikern erhalten.1 Die Akademiereden des briti-schen Knstlers und Prsidenten der Royal Academy, Sir Joshua Reynolds (17231792), oder die Schriften des deutschen Kunsthistorikers Johann Joachim Winckelmann (17171768) stellen gut bekannte Fallbeispiele fr den akademi-schen Eklektizismusdiskurs jener Zeit dar. Es lsst sich fragen, wie dieser Eklek-tizismus des 18. Jahrhunderts zu verstehen ist. Grundstzlich kann er als die Kombination von Elementen verschiedener Sujets, Stile, Theorien und Ideen in einem einzelnen Kunstwerk aufgefasst werden, wie etwa eine uerung Rey-nolds belegt, der 1774 in einer Akademierede daran erinnerte,

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    da ein Maler nicht nur ein Nachahmer der Natur seyn mu, [] sondern er mu auch eben so nothwendig ein Nachahmer der Werke anderer Maler seyn. Dies scheint noch demthigender, und doch ist es eben so wahr, und kein Mensch kann ein Knstler, man nehme an, was man wolle, unter an-deren Bedingungen seyn.2

    Eine Abhandlung des Abb Charles Batteux, Les Beaux-Arts rduits un mme principe (Paris 1746, dt. bers. Einschrnkungen der schnen Knste auf einen einzi-gen Grundsatz, Leipzig 1751) bietet sich als eine gute Einfhrung in die in der ersten Hlfte des 18. Jahrhunderts vorherrschende franzsische sthetische The-orie an.3 Batteux beginnt mit der Prmisse, dass alle Kunst Nachahmung sei. Er erkannte drei verschiedene Arten der Nachahmung, von denen die wichtigste die unmittelbare Nachahmung der Natur darstelle; diese sei mit Originalitt und Er.ndung gleichzusetzen. Er.nden heit in den Knsten nicht, einem Gegenstande das Wesen geben, sondern erkennen wo er ist, und wie er ist.4 Die Natur, behauptete er, sei so grozgig und vielfltig, dass die Er.ndungsmg-lichkeiten fr den Knstler so gut wie unbeschrnkt seien, weshalb eine unend-liche Folge origineller Kombinationen gescha0en werden knne.

    Im selben Jahr (1746) ver0entlichte tienne Bonnot, Abb de Condillac sei-nen Essai sur lorigine des connaissances humaines. Ouvrage o lon rduit un seul prin-cipe tout ce qui concerne lentendement (dt. Essai ber den Ursprung der menschlichen Erkenntnisse. Ein Werk, das alles, was den menschlichen Verstand betri!t, auf ein einzi-ges Prinzip zurckfhrt). Mit Bezug auf die sthetik war Condillac wie Batteux der berzeugung, dass die wichtigste Quelle knstlerischer Inspiration die Na-tur sei, und dass die Er.ndung darin bestehe, neue Kombinationen aus existie-renden Elementen der Natur zu erstellen:

    Wir erscha0en nicht selbst Ideen, wir tun nichts als jene zu kombinieren, ber Kompositionen und Dekompositionen, die wir durch unsere Sinne erhalten. Die Er.ndung besteht darin zu wissen, neue Kombinationen zu fertigen.5

    Ein talentierter Knstler konnte neue Kombinationen aus der Natur erschaf-fen und dadurch neue Knste, Genres und Designs er.nden. Freilich war Bon-not auch der Ansicht, der Knstler msse seine Vorstellungskraft nutzen, um

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    vom Akt des Beobachtens der Natur zum Akt der Produktion und Kreation voran zu schreiten. Entsprechend sei ein Reiz der Imagination fr die Invention notwendig, wenngleich dies nicht bedeute, letzterer jegliche Freiheit zu gewh-ren. Die Arbeit der Vorstellungskraft sollte kontrolliert und angemessen kon-zentriert bleiben; Bonnot bestand darauf:

    Alle Fiktionen [der Imagination] sind gut, soweit sie in Analogie zur Na-tur, unseren Erkenntnissen oder unseren Vorurteilen stehen; doch sobald sie hiervon abweichen, gebiert sie nichts als monstrse und extravagante Ideen.6

    Diese kurzen Beispiele zeigen die Verbindung der sthetischen Theorie des 18.Jahrhunderts mit dem Eklektizismus an, fr den Rudolf Wittkower drei zen-trale Charakteristika prgnant identi.ziert hat: 1. Kunst sollte danach streben, die Natur so genau wie mglich nachzuahmen. 2. Weil die Natur zufllig und unvollkommen ist, muss der Knstler die schnsten und perfektesten Teile der Natur auswhlen. 3. Diese beiden Anforderungen haben im hchsten Grad be-stimmte klassische Knstler befolgt, und indem wiederum diese nachgeahmt werden, kann darin eingeschlossen das, was in der Natur perfekt ist, nachgeahmt werden.7

    Manahmen der Imitation und der Selektion (aus der Natur und aus einem Kanon klassischer Knstler wie Ra0ael [14831520]) waren dementsprechend zentrale Merkmale eklektischer Praxis. Dies sind Charakteristika, die im franz-sischen Design des 18. Jahrhunderts leicht identi.zierbar sind und auf einer ele-mentaren Ebene in der weit verbreiteten Verwendung von Druckgraphik nach alten und zeitgenssischen Meistern als Dekorquellen fr Porzellan sichtbar werden, etwa auf der abgebildeten Vase, die eine Szene mit Jupiter und Callisto nach einem Stich Franois Bouchers zeigt (Abb. 1). Fr die Designkultur des Ancien Rgime hat die Designhistorikerin Katie Scott einen komplexen mehr-schichtigen, in sich verschrnkten Aufbau festgestellt, mit disparate perspecti-ves on the decorative, perspectives that overlap and intersect.8 Diese dispara-ten Perspektiven haben ihre Wurzeln im theoretischen Konzept des Eklektizis-mus, wie es fr die bildenden Knste befrdert wurde.

    Designhistoriker wie Helen Cli0ord und Reed Benhamou haben eine von der Praxis des Eklektizismus als Selektion und Imitation zu unterscheidende Inter-

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    pretation angeboten, indem sie ihren Blick auf die Herstellungstechniken ge-richtet haben und so zeigen konnten, wie alltglich die imitierende Praxis in den angewandten Knsten war. Beispielsweise versuchten manche Hersteller, die Wirkung wertvoller Materialien wie Marmor und Silber mittels billigerer Ma-terialien wie Wachs, Strke, Klebsto0, Gips und Talkum zu kopieren, mit dem Ergebnis, dass Holz so bemalt werden konnte, dass es wie kostbarer Marmor aussah.9 In hnlicher Weise konnten Silberwarenimitate mittels neuer Techni-ken wie dem She;eld-Plate fr den Bruchteil der Kosten von echtem Silber produziert werden.10

    Die eklektische Designpraxis kann also sowohl als Teil des kreativen Prozesses beobachtet werden als auch anhand der Werkzeuge und Materialien innerhalb der Produktion. Das eigentliche Ziel solcher eklektischer Designpraxis war das Streben nach Neuartigkeit. Das Neue wurde mit Luxus und Geschmack in Ver-

    1 Svres-Vase, um 1770, Weichporzellan, London, Victoria & Albert Museum

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    bindung gebracht. In den Worten eines Lyoner Beobachters, Veron de For-bonnais, der den Erfolg Lyons als Zentrum der franzsischen (und damit, wie sich behaupten lsst, der europischen) Seidenproduktion 1759 kommentiert: Das Vermgen und die Er.ndungsgabe unserer Designer sind das ganze Ge-heimnis unseres Erfolgs.11 Maxine Berg und Helen Cli0ord haben es unter-nommen, diese Fragen der Innovation und des Luxus sowie deren Bedeutung fr das Warendesign des 18. Jahrhunderts nher zu untersuchen.12 Sie konnten die Kunst der Imitation und die Wissenschaft der Er.ndung innerhalb des De-sign- und Herstellungsprozesses als Schlsselfaktoren fr die Herausbildung ei-nes Verbrauchermarktes fr Neuheiten identi.zieren und schlussfolgerten: Design in the second half of the eighteenth century was in itself a process of imitation, focusing on adaptability and individuality through variety and novel-ty.13 Der Eklektizismus hatte damit fr Designer eine wichtige Stellung inner-halb der sthetischen Praxis im Frankreich des Ancien Rgime inne.

    Die cole Royale Gratuite de Dessin und die eklektizistische Praxis

    Eine feste Unterscheidung zwischen den schnen und den angewandten Kns-ten blieb im Frankreich des 18. Jahrhunderts aufgrund der traditionellen akade-mischen Hierarchie in Kraft, in welcher das Kunsthandwerk stabil unterhalb der intellektuellen Knste der Malerei, Skulptur und Architektur angesiedelt war. Im Artikel Art seiner Encyclopdie kritisierte Diderot den

    [] nur allzu weit verbreiteten Glauben [], dass eine bestndige, unun-terbrochene Beschftigung mit Experimenten & mit wahrnehmbaren, ma-teriellen Einzelgegenstnden eine Entwrdigung des menschlichen Geis-tes bedeute & dass die Ausbung, ja sogar das Studium der mechanischen Knste erniedrigend sei [].14

    Im Verlauf des Jahrhunderts nahm die Debatte ber die Rolle der Designschu-len und die Ausbildung von Designern an Fahrt auf, whrend das klassizistische Revival und die erneuerte Bedeutung antiker Modelle das Unvermgen der

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    meisten Kunsthandwerker enthllte, die Plne von Architekten und Bildhauern auszufhren, denn ihnen fehlte die akademische Ausbildung. Um diesem Zu-stand zu begegnen, wurden private Zeichenschulen zur Ausbildung von Desig-nern gegrndet eine der ersten 1750 in Beauvais, angeschlossen an die Knig-liche Tapisseriemanufaktur. Das wahrscheinlich wichtigste Unternehmen dieser Art war die von Jean-Jacques Bachelier 1766 in Paris gegrndete cole Royale Gratuite de Dessin. Bachelier war nicht nur ein Blumenmaler, sondern auch der Leiter der Porzellandekoration in der Manufaktur von Svres.15 Im Rahmen seiner Rolle dort konnte Bachelier auf eigene Erfahrungen mit dem Bedarf an ausgebildeten Designern und Kunsthandwerkern zurck greifen. So hatte er feststellen mssen, dass die Porzellanmaler der Manufaktur nicht fhig waren, seine verschlungen-detailreichen klassischen Entwrfe umzusetzen.16 Mit der cole Royale Gratuite de Dessin etablierte sich eine Schule mit dem erklrten Ziel, fr kompetent ausgebildete Designer zu sorgen, die in den Luxusmanufakturen arbeiten konnten. Diese Zeichenschule war bereits wegen ihrer Gre und Un-abhngigkeit bemerkenswert; Bachelier entwickelte ein System, das den Unter-richt fr 500 Studenten am Tag oder 1500 in der Woche sicher stellte im Ge-gensatz zum Maximum von 20 Studenten, die an anderen Schulen unterrichtet wurden.17 Die angebotenen Kurse schlossen nicht nur Blumenmalerei und Or-namentkunde ein (die Voraussetzungen eines jeden Designers), sondern auch Geometrie, Architektur und das Zeichnen nach dem Modell. Besonderer Wert wurde auf das Studium der Druckgraphik gelegt, nicht unbedingt auf das Zeich-nen nach dreidimensionalen Modellen, um theoretisch die Befhigung der Stu-denten zur Ttigkeit in der Manufaktur zu gewhrleisten.18

    Die cole Royale Gratuite de Dessin stellt eine interessante Fallstudie dar, die es erlaubt, die Stellung des Eklektizismus in der Ausbildung und Praxis von Desi-gnern im Kunstgewerbe zu untersuchen. Schlsseltexte hierzu sind die Reihe von 0entlichen Vorlesungen, die Bachelier bei den jhrlichen Preisverleihun-gen der Schule hielt, und die in der Folge ver0entlicht wurden.19 Eine weitere wichtige Textquelle ist ein Vortrag von 1767 ber die Ntzlichkeit freier Zei-chenschulen, Sur lutilit des tablissements des coles gratuites de dessin en faveur des mtiers, den Bachelier bei dem Knstler Jean-Baptiste Descamps (17061791) in Auftrag gab.20 Dass Bachelier die eklektizistische Praxis bei sei-nen Studenten propagierte, wird aus dem Anfang seiner Vorlesung von 1777 deutlich:

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    Ich mchte, meine Herren, ber diese Leidenschaft sprechen, oder eher ber diese Tugend, welche, die Verdienste und Talente an-derer bewundernd, sich bemht, diese zu imitieren oder sogar zu bertre0en, und daran mit gro-er Tapferkeit arbeitet; mit einem Wort, ber den Wetteifer [die Ae-mulatio].21

    Bachelier ermutigte ferner seine Studenten: Hren Sie nicht auf, sich von diesem edelen Wetteifer in-spirieren zu lassen!22 Was genau bedeutete aber die eklektizistische Praxis fr den Designer? Zunchst natrlich die Nachahmung der Na-tur. Descamps lobte das Seiden-design aus Lyon gerade wegen des-sen Naturtreue: [] Lyon liefert stetig aus der Natur entnommene Neuheiten (Abb. 2).23 Er fhrte aus:

    Diese schwerwiegende Korrektur der Naturnachahmung, dieses Ur-teil, das den Vorsitz ber alles fh-ren und der Produktion das not-wendige Genie der Przision und Klarheit geben muss, um diese in der Ausfhrung umzusetzen, sind wertvolle Gaben, die ohne die un-ermdlichste Arbeit nicht reifen und sich nicht vervollkommnen.24

    2 Philippe de Lasalle (zugeschr.): gewebte Seidensto0bahn, Design mit Rebhhnern, um 1770, London, Victoria & Albert Museum

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    Das Konzept, dass das Beste aus der Natur gewhlt und perfektioniert werden sollte, ist fest in der akademischen Theorie verankert. Doch in Bacheliers Vorle-sung von 1779 wird den Studenten geraten, auch die Arbeiten zeitgenssischer franzsischer Designer zur Kenntnis zu nehmen, die im neoklassischen Stil ar-beiten. Als ein Beispiel fr die gelungene Aemulatio wird der Kunstschmied Pi-erre Deumier (aktiv um 1765) genannt, der Objekte von hoher technischer Kunstfertigkeit im modischen Louis Seize Stil produzierte (wie beispielsweise einen Konsolentisch in der Sammlung des Getty-Museums in Malibu):25

    Zieht ihre Meisterwerke zu Rate, studiert und imitiert sie; stellt ihre Werke jenen des Mittelmaes gegenber; dieser Vergleich wird euch die Lcher-lichkeit jener unregelmigen Formen besser wahrnehmen lassen und jene geschmacklose Flle von Ornamenten, mit denen die Unwissenheit sich zu verschleiern sucht.26

    Die Nennung der lcherlichen, unregelmigen Formen spielt auf den Roko-kostil an, der in den 1770er Jahren aus der Mode kam. Zu jener Zeit wurde die-ser Stil, der ein berma dekorativer Formen verarbeitete, mit ungezgelter knstlerischer Imagination gleichgesetzt. Folglich hatten Studenten ihre Augen durch das Studium zu bilden, um gutes Design erkennen und richtig auswhlen zu knnen, was der wetteifernden Nachahmung wrdig sei. Bachelier zufolge war jede historische Epoche der Aemulatio wrdig, jede ra konnte solch rei-chen Anlass zum Ansporn bieten.27 Trotz einer solch berschwnglichen Aus-sage sollte das Design in der Praxis dem guten Geschmack, le got, folgen. In den 1760er Jahren wurden Bachelier und viele seiner Zeitgenossen energische An-hnger der neuklassizistischen Trends, die dabei waren das Rokoko abzulsen: Der Sinn fr das Schne besteht in einer einfachen Gre, welche keine Details zulsst, es sei denn, dass diese dazu dienen knnen, die Massen zu vereinen, ohne sie in Verwirrung zu versetzen.28 Descamps warnte seine Studenten:

    Dem Geschmack unserer Designs, diesem Geschmack der Nation allein und diesem schpferischen Genie, das sie [die Designs] kontinuierlich va-riiert, verdanken wir diese berlegenheit. Man darf freilich nicht den Sinn fr das Schne mit demjenigen fr die Mode verwechseln. Der Sinn fr das Schne besteht in einer exakten Nachahmung der Natur, er ist zeitlos; der

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    modische Geschmack ist zufllig, er ist an den Moment gebunden; ist der Moment vergangen wird das, was vormals ge.el, belanglos und oft lcher-lich.29

    Der bizarre Rokokostil diente als Beispiel fr schlechtes Design, vor allem wegen seiner berflle an Ornamenten und schlechter Auswahl seiner Vorbil-der:

    Was fr Beispiele der Bizarrerie! Voller Tatendrang whlten Arbeiter ohne Prinzip und ohne Geschmack aus den Werken der besten Knstler das aus, was ihren eigenen Ideen entsprach und fgten ferner eine Vielzahl von geschmacklosen und unglaubwrdigen Ornamenten hinzu: Man sah dort etwa einen Kohl, grer als eine menschliche Figur, eine Feder, ein enormes Gewicht an Rocaillen tragend, Rollen und andere eingebildete Formen. Sie haben die Extravaganz an den Punkt gebracht, Objekte niemals senkrecht zu positionieren, die einen festen Halt bentigen. Diese Absurditten hat-ten schon zu lange regiert und begannen bereits, sich in anerkannte Werke einzuschleichen. Das leidenschaftliche Genie, das diesen Wahn verbreitete, hatte bald Nachahmer, die seine Fehler noch bertrieben; sie bentigten darber hinaus wenig, um darin erfolgreich zu sein.30

    Nach Ansicht von Descamps lag der wesentiche Fehler einer solchen eklekti-zistischen Praxis darin, dass der Designer von der Natur und der klassischen Schnheit abwich und nach den falschen Vorbildern suchte, um seine Er.n-dungsgabe zu stimulieren. Um solche Fehler zu verhindern, trug die cole Royale Gratuite de Dessin eine groe Sammlung von Drucken und Zeichnungen zusam-men, die Sujets aus der Natur, aus der Antike und aus dem zeitgenssischen Design zeigten eine ideale Auswahl an Vorbildern, welche die Studenten ko-pieren konnten (Abb. 3). Bachlier selbst stellte eine umfangreiche Sammlung von eigenhndigen Zeichnungen zu Studienzwecken zur Verfgung. Wie De-scamps erluterte:

    Alle werden in ihrem Genre [] Zeichnungen aller fhigen Meister zum Kopieren .nden, was ihnen die Mittel, die schnen Formen kennenzuler-nen und nachzuziehen, leicht zugnglich macht, mit jener dem Auge gefal-

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    lenden Verbesserung und Eleganz. Gewohnt, das Schne zu studieren, es mit dem Fehlerhaften zu vergleichen, werden sie zu jener Tre0sicherheit gelangen, die aus der Natur auswhlt und wahrhaftig ihre unendlichen Va-rianten beurteilt.31

    Das Streben nach Neuem

    In Lyon wurde 1756 die cole Gratuite de Dessin gegrndet mit dem ausdrckli-chen Ziel, den Designern vor Ort eine Ausbildung zu verscha0en, die in der Lyoner Seidenindustrie arbeiten wrden. Anfangs bot die Schule ein beschrnk-tes Curriculum an, das sich an der Knstlerausbildung der Kniglichen Akade-

    3 Jean-Charles Delafosse, Tafeln aus der Serie Nouvelle iconologie historique: Tables et consoles dans le got antique, 176773, je 18,7 14 cm, Radierung, London, British Museum

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    mie in Paris orientierte. Dazu gehrten Fcher, die sich auf das Zeichnen nach Druckgraphiken und dem Modell konzentrierten. Ein Blumen- und Ornament-maler trat dem Lehrkrper 1763 bei, unentbehrlich fr Studenten des Textilde-signs, deren Arbeit vor allem auf der Beherrschung von Blumenzeichnungen beruhte, dem Hauptsujet fr Brokatseide und Stickereien. Von 1776 bis zum Ausbruch der Franzsischen Revolution 1789 folgte die Schule der Initiative von Bacheliers cole Royale Gratuite de Dessin und bot ein vollstndigeres Programm an, dessen Kurse von der Zeichenkunst und Bildhauerei ber Blumen- und Or-namentzeichnung bis zu Architektur und Geometrie reichte.32 Jedoch war der junge Seidendesigner in seinem Bestreben nach Innovation nicht auf die Natur und Vorbilder des akademischen Klassizismus als Inspirationsquellen be-schrnkt, denn keinesfalls sollte er die Waren des tglichen Lebens vergessen.33 In einem Aufsatz ber die Seidenherstellung im Dictionnaire des Arts et Mtiers (1779) wird jungen Seidendesignern geraten, auch die Gestaltung aller Arten von verschiedenen Objekten zu studieren:

    Nicht nur sollte ein Designer sich an den Erzeugnissen der Natur berei-chern, sondern er muss auch von den Produktionen der Knstler desselben oder eines hnlichen Genres nhren. Die indischen bedruckten Sto0e kn-nen dazu dienen, die Vorstellungskraft anzuregen wie auch die Sto0e und Tapeten.34

    Es ist wert, daran zu erinnern, dass erfolgreiche Designer den unersttlichen Markt fr neues, innovatives Design alltglicher Produkte beliefern mussten. Ein sehr greifbarer Ausdruck der Rolle des Eklektizismus fr das Streben nach Neuheit war die jhrliche Parisreise von Designern der Seidenindustrie aus Lyon. Diese voyage de Paris wird ausfhrlich in einem 1765 ver0entlichten Handbuch des Seidendesigns von Joubert de lHiberderie beschrieben, Le Dessi-nateur pour les to!es dor, dargent et de soie. Der Autor war selbst ein Seidendesig-ner und -hersteller aus Lyon. Die Lyoner Seidenmanufakturen schickten fr ge-whnlich ihre besten Designer fr mindestens einen Monat im Jahr nach Paris, damit diese ihre Vorstellungskraft anregen lassen und sich mit allem, was neu und in Mode war, vertraut machen konnten. Joubert erluterte diese Studienrei-sen ausfhrlich in seinem Handbuch. Dieses enthielt zahlreiche praktische Hin-weise auf

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    [] alles Bemerkenswerte, das es mit Bezug zur Malerei und Design gebe, wie die berhmten Sto0handlungen, Kupferstich- und Malereikabinette, private und 0entliche, Bauwerke, Ausrstungen, Manufakturen, knig-liche Huser, Statuen, Spektakel; das Ganze abschlieend mit einer Ein-ladung zur Lektre der angenehmen Autoren, der galantes Dichter, der pastoralen Poesie und anderer Werke einer heiteren Imagination, etc.35

    Insbesondere bemerkte Joubert die Bedeutung des gesellschaftlichen und kul-turellen Lebens fr das Seidendesign. Eine Parisreise umfasste blicherweise Sightseeing, den Besuch von Sehenswrdigkeiten und Veranstaltungen, hnlich dem Parcours eines heutigen Touristen: So gehrten zum Programm der Schloss-park von Versailles, berhmte Kirchen, Knigspalste wie die Tuilerien und der

    4 Hofanzug, Frankreich., um 1790, Seide mit Stickerei, London, Victoria & Albert Museum

    5 Weste, Frankreich (?), um 178090, Seide und Leinen, Stickerei aus Seide und Chenille, Applikationen aus bemalten Seidenmedaillons, London, Victoria & Albert Museum

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    Palais Royal, Theaterau0hrungen, u.s.w. Zur Reise gehrten ferner Besuche bei professionellen Firmen und Lagerhusern mit unmittelbarer Beziehung zum Luxusgewerbe Unternehmen wie die Gobelin-Manufaktur und Porzellanfab-riken, Lden fr Luxusartikel und hnliches. In der franzsischen Hauptstadt des Luxus und der Kultiviertheit ermglichte es dieser Prozess des Sehens und Aufsaugens der neuesten Kleidermode, des neuesten Designs von Luxuswaren, der neuesten Romane und Theaterstcke, Kunstwerke und stdtischem Klatsch dem Designer, seinen Geschmack zu p>egen und zu verfeinern sowie sein s-thetisches Wissen auszubauenindem man seine Vorstellungskraft mittels ana-loger Gedankengnge zum Objekt und anhand zahlreicher Beispiele anregt.36

    Ein faszinierendes Beispiel fr die Ausbeute einer solchen eklektischen De-signpraxis war die Mode fr Westen mit Bildmotiven. Die mnnliche Gesell-

    6 Entwurf fr ein Westendesign, Frankreich, um 1785, Aquarell auf Papier, 21,7 32,3 cm, London, British Museum

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    schaftskleidung des 18. Jahrhunderts bestand aus dem dreiteiligen bestickten Hofanzug, zu dem Rock, Weste und Kniehose gehrten (Abb.4). Die von den geschulten Hnden Lyoner Seidensticker hergestellten Rcke waren von kon-kurrenzloser Qualitt und an den Hfen Europas uerst begehrt. Westen mit Bildmotiven (fr gewhnlich in der zeitgenssischen Literatur als gilets sujet bezeichnet) kamen als informelles Kleidungsstck fr Herren in den 1780er Jah-ren in Lyon in Mode; ihre grte Beliebtheit scheinen sie in den Jahren unmit-telbar vor dem Ausbruch der Franzsischen Revolution 1789 erreicht zu haben (Abb.5). Diese von Lyoner Designern produzierten bestickten Westen zeichne-ten sich nicht nur durch typische Blumenmuster aus (Abb. 6), sondern auch durch originelle Designs aus .gurativen Sujets oder Genredarstellungen.37 Von Heiluftballons bis zu Stierkmpfen,38 von Gartengemse bis zu Schlittschuh-

    7 Detail einer Weste (Frankreich) mit A0enmotiv, um 1785, Seide und Leinen mit Seidenstickerei, London, Victoria & Albert Museum

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    lufern,39 einer Szene aus der neuesten komischen Oper oder dem letzten Best-seller,40 nichts war, um dargestellt zu werden, zu gewhnlich oder zu auerge-whnlich: Westen wandelten sich zu Miniaturleinwnden zur Freude der Desi-gner und ihrer Kunden (Abb.7 und 8). Eine Modekritik im Journal Gnral de France von November 1786 spielt auf die ungezgelte Vielfalt der Sujets an, die sich auf dem Bauch eines Herren zeigen konnte:

    [] seit kurzem sieht man Gilets, auf denen man von oben bis unten klei-ne, sehr hbsche Figuren sieht, galante oder komische Szenen wie bei der Weinlese, der Jagd, etc. Auf anderen sieht man die Truppenparade der Re-gimenter der Infanterie, Kavallerie, Dragoner etc. Man hat uns versichert, dass ein Mann, der fr die schnen Dinge eine Leidenschaft p>egt, ein Dut-

    8 Entwurf fr ein Westendesign, Frankreich, um 1785, Aquarell auf Papier, 26 37 cm, London, British Museum

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    zend Gilets in Auftrag gegeben hat, die Szenen aus Richard Lwenherz, Die Liebesnrrin, Der tolle Tag etc. zeigen sollen [], damit seine Garderobe ein merkwrdiges Verzeichnis von Theaterstcken werde.41

    Diese Mode der gilets sujet machte einen solchen (nicht notwendigerweise positiven) Eindruck auf das Publikum, dass ein franzsischer Satiriker des fr-hen 19. Jahrhunderts, Georges Touchard-Lafosse, einen Artikel ber die Westen fr die Jahre 178486 in seine Chroniques de lil-de-buf (1830) aufnahm und sich erinnerte: [] die eleganten [Herren] der Zeit sind ebenso wandernde Muse-en, welche die Neugier der Fremden wecken, die berrascht sind, dass die Mode fhig ist, die Vernunft bis zu diesem Punkt zu bertnen.42

    Es ist mglich, dass Lyoner Designer der gilets sujet ihre Anregungen von ei-ner vorangegangenen Damenmode erhielten, dem pouf. In den 1770er Jahren war der pouf der eindeutige Ausdruck des Modisch-Exzentrischen, ein hoch auf-ragender Kopfschmuck aus Gaze, Blumen und Federn, der von Marie Antoinet-te enthusiastisch getragen und popularisiert wurde. Unter den einfallsreichen Hnden ihrer marchande de modes, Rose Bertin, wurde der pouf entweder gestal-tet, um ein Gefhl auszudrcken (pouf au sentiment) oder um an ein Ereignis zu erinnern (pouf la circonstance)43. Zum pouf la jardinire beispielsweise gehrten eine Artischocke, eine Mhre, einige Radieschen und ein Kohlkopf.44 Einer der berchtigtsten poufs der Knigin war ein riesiges, vollgetakeltes Modell des sieg-reichen franzsischen Kriegsschi0s La Belle Poule. Beschreibungen dieser poufs sind denjenigen der Darstellungen auf den Bildwesten au0allend hnlich Schif-fe in einer Seeschlacht, Jagdszenen und Romanzen Der pouf ist sowohl als Ausdruck des Geltungskonsums als auch als Versuch der Knigin und anderer verstanden worden, Sozialprestige zu gewinnen und ihre Individualitt auszu-drcken. Als Mode wurde er bald verspottet und als vollendete Bekundung der Eitelkeit karikiert (Abb.9).45

    Analog zum pouf kann der gilet sujet als mnnlicher Bekleidungsausdruck von Neuheit und Luxus gesehen werden. Ein amsantes Beispiel eines umgesetzten Designs ist eine mit zwei A0en verzierte Weste aus dem Londoner Victoria & Albert Museum, deren Originalentwurf im Muse Historique de Tissus in Lyon erhalten ist (Abb7).46 Das A0endesign der Weste kann innerhalb der im 18. Jahrhundert verbreiteten Exotismusmode und der singerie verortet werden, ih-rerseits ein Ableger der anhaltenden Popularitt der chinoiserie, wie sie etwa

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    durch das Werk von Jean-Baptiste Pillement (17281808) belegt ist (Abb10). Eines der berhmtesten Beispiele einer singerie ist der mit A0en und grotesken chinesischen Figuren geschmckte Saal der Grand Singerie im Schloss von Chan-tilly, der 1737 von Christophe Huet (17001759) gestaltet wurde. Huet verf-fentlichte in den 1740er Jahren eine druckgraphische Serie unter dem Titel Sin-geries ou di!rentes actions de la vie humaine reprsentes par des singes. In der Bildkul-tur des 18. Jahrhunderts wurde der A0e mit Eitelkeit und Promiskuitt gleich-gesetzt, und es sind zahlreiche Drucke mit amoursen Szenen erhalten, auf denen ein A0e zu sehen ist (Abb.11, auch die Karikatur Abb. 9).

    Ferner war der A0e ein Symbol des Exotischen und rief nicht nur Vorstellun-gen von Asien, sondern auch von Amerika und der Neuen Welt hervor. Wie in England war es auch in Frankreich in bestimmten adeligen und brgerlichen Kreisen eine Mode, dunkelhutige Diener zu halten, die den Wert des Exotisch-Neuen besaen und eine prachtvollen Livree trugen, vielleicht ein exotisches

    9 Anonym: Betty the Cook Maids Head Drest, 1776, Radierung, 33 23.2 cm, London British Museum

    10 Jean-Baptiste Pillement: Entwurf fr ein Tapetendesign, um 1770, Kreidezeichnung, 30.1 24.3 cm, London, British Museum

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    Accessoire mit sich fhrend, wie einen Papagei oder einen kleinen A0en.47 Es liee sich begrnden, dass Themen wie der amerikanische Unabhngigkeits-krieg (den Frankreich gegen den traditionellen Feind, England, untersttzte) und die Beliebtheit exotischer Luxuswaren wie Zucker (was den zunehmend diskutierten Sklavenhandel befrderte 1788 wurde die Socit des Amis des Noirs gegrndet) ihren Beitrag zur anhaltenden Popularitt der exotischen singerie in-nerhalb der franzsischen Populrkultur des 18. Jahrhunderts beitrugen, trotz des vorherrschenden akademisch-neoklassischen Stils.Das Beispiel der Bildweste zeigt, wie Textildesigner des spten Ancien Rgime sich ein weites Spektrum an sozialen und kulturellen Quellen erschlossen, um ihre Kreativitt anzuregen. Der Brauch, ihre Designer auf Studienreisen nach Paris zu senden, kann als Teil einer aktiven Strategie der Lyoner Seidenindustrie verstanden werden, um neues Design durch eine eklektische Praxis zu befrdern.

    11 John Collet (nach): Deceitful Kisses, or the Pretty Plunderers, 1781, handkolorierter Mezzotinto, 35,2 25 cm, London, British Museum

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    Fazit

    Innerhalb der akademischen Tradition der schnen Knste im 18. Jahrhundert diente die eklektizistische Praxis dem Streben nach idealer Schnheit. Knstler wurden ermuntert, das Beste aus der Natur, der klassischen Antike und einem anerkannten Kanon von Meistern zu studieren und nachzuahmen, um wahre Schnheit zu erreichen. Innerhalb der angewandten Kunst und dem Design wurde der Eklektizismus fr ebenso wichtig befunden, wenngleich aus strker wirtschaftlichen Grnden. Eine eklektische Designpraxis, die ausgiebig aus Fa-cetten der alltglichen Gesellschaft und Kultur als auch aus anderen Zweigen der schnen und angewandten Knste schpfte, war nicht nur fr das Streben nach Schnheit unentbehrlich, sondern auch fr das Streben nach Neuem und Luxus, das den Modemarkt antrieb.

    Anmerkungen

    1 Einer der konzisesten und informativen Bei-trge hierzu ist Rudolf Wittkower: Imitati-on, Eclecticism and Genius, in: Aspects of the Eighteenth Century, hrsg. von E. Wassermann, Baltimore 1965, S. 143162.

    2 [] a painter must not only be of necessity an imitator of the works of nature [] but he must be as necessarily an imitator of the works of other painters: this appears more humiliating, but is equally true; and no man can be an artist, whatever he may suppose, upon any other terms. Sir Joshua Reynolds: Discourse Nr. 6, gehalten am 10. Dezember 1774, in: ders.: Discourses on Art, hrsg. von Robert R. Wark, New Haven / London 1997, S.9596; dt. bers. aus Jos[h]ua Reynolds: Akademische Reden ber das Studium der Male-rey, Dresden 1781, S.200201. bersetzungen ins Deutsche sind bis auf kenntlich gemachte Ausnahmen die der Herausgeber.

    3 Die folgende kurze Diskussion einiger Aspek-te der franzsischen sthetischen Theorie des 18. Jahrhunderts sttzt sich im Wesentlichen

    auf Kineret S. Ja0e: The Concept of Genius: Its Changing Role in Eighteenth-Century French Aesthetics, in: Journal of the History of Ideas 41 (1980) S. 579599.

    4 Inventer dans les Arts, nest point donner ltre un objet, cest le reconnatre o il est, & comme il est. Charles Batteux: Les Beaux-Arts rduits un mme principe, Paris 1746, S.11; bers. aus der Ausgabe Leipzig 1751, S. 10.

    5 Nous ne crons pas proprement des ides, nous ne faisons que combiner, par des com-positions et des dcompositions, celles que nous recevons par les sens. Linvention consiste savoir faire des combinaisons neuves. tienne Bonnot de Condillac: Essai sur lorigine des connaissances humaines, uvres compltes de Condillac, Bd. 1, Paris 1822, S. 108.

    6 Toutes ses .ctions sont bonnes lorsquelles sont dans lanalogie de la nature, de nos connaissances ou de nos prjuges; mais ds quelle sen carte, elle nenfante plus que des ides monstrueuses et extravagantes. Condillac, Essai sur lorigine (Anm. 5), S.101.

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    7 Wittkower, Imitation (Anm. 1), S. 144.8 Katie Scott : Introduction: imageobject

    space, in: Between Luxury and the Everyday. Decorative Arts in Eighteenth-century France, hrsg. von Katie Scott und Deborah Cherry, Oxford u.a. 2005, S.114, hier S.2.

    9 Reed Benhamou: Imitation in the Decorati-ve Arts of the Eighteenth Century, in: Jour-nal of Design History 4 (1991), S.113.

    10 Helen Cli0ord: Concepts of Invention, Identity and Imitation in the London and Provincial Metal-working Trades, 17501800, in: Journal of Design History 12 (1999), S.241255.

    11 Lhabilit et linvention des nos dessinateurs sont tout le mystre de nos succs. Zit. nach Carlo Poni: Fashion as >exible production: the strategies of the Lyons silk merchants in the eighteenth century, in: World of Possibili-ties: Flexibility and Mass Production in Western Civilisation, hrsg. von C. Sabel und J. Zeitlin, Cambridge 1997, S.3774, hier S.45.

    12 Am Eighteenth-Century Centre an der War-wick University war 19982001 das For-schungsprojekt The Luxury Project unter der Leitung von Maxine Berg angesiedelt, das zur Ver0entlichung von Consumers and Luxu-ry Consumer Culture in Europe 16501850, hrsg. von Maxine Berg und Helen Cli0ord, Manchester 1999, fhrte.

    13 Cli0ord, Concepts of Invention (Anm. 10), S.250.14 [] qui ne nous portait dj que trop

    croire que donner une application constante et suivie des expriences et des objets par-ticuliers, sensibles et matriels, ctait droger la dignit de lesprit humain; et que de pra-tiquer ou mme dtudier les arts mcaniques [] Denis Diderot und Jean dAlembert: Encyclopdie ou Dictionnaire raisonn des sciences, des arts et des mtiers, hrsg. von Alain Pons, 2Bde, Paris 1986 [1751], Bd. 1, S.248249; dt. bers. aus Die Welt der Encyclopdie, hrsg. von Anette Selg und Rainer Wieland, Frank-furt a.M. 2001, S.218.

    15 Eine umfassende Untersuchung zur Grn-dung und Bedeutung der cole Royale Gratuite de Dessin ist Ulrich Leben: Object Design in the

    Age of Enlightenment. The History of the Royal Free Drawing School in Paris, Los Angeles 2004. Dieser Beitrag sttzt sich weitgehend auf sei-ne Forschungen.

    16 Bachelier gri0 auf Fcher- und Miniaturmaler zurck, um seine Porzellandesigns malen zu lassen; Leben, Object Design (Anm. 15), S. 37.

    17 Leben, Object Design (Anm. 15), S. 14.18 Leben, Object Design (Anm. 15), S. 78.19 Diese Vorlesungen sind dokumentiert bei

    Leben, Object Design (Anm. 15), Anhang VIII.20 Jean-Baptiste Descamps: Sur l utilit des ta-

    blissements des coles gratuites de dessin en faveur des mtiers, Paris 1789, dokumentiert in Le-ben, Object Design (Anm. 15), Anhang V.

    21 Je veux parler, Messieurs, de cette passion, ou plutt de cette vertu qui, admirant le m-rite et les talents dautrui, tche de les imiter ou mme de les surpassez, en y travaillant avec courage; en un mot, de lmulation., zit. nach Leben, Object Design (Anm. 15), S.139.

    22 Ne cessez dtre anim par une noble mu-lation!, zit. nach Leben, Object Design (Anm.15), S. 140.

    23 [] Lyon fournit continuellement des nou-veauts prises dans la nature. Descamps, Sur lutilit, zit. nach Leben, Object Design (Anm.15), S. 125.

    24 Cette correction svre dans limitation de la nature, ce jugement qui doit prsider tout et donner aux productions du gnie la prci-sion et la clart ncessaires pour tre ralises dans lexcution, sont des dons prcieux qui ne mrissent et ne se perfectionnent que par le travail le plus opinitre. Descamps, Sur lutilit. See Leben, Object Design (Anm. 15), S.126.

    25 Vergoldeter Konsolentisch, Bronze und Mar-mor, Entwurf: Victor Louis, Ausfhrung: Pierre Deumier, 17651770, J. P. Getty Muse-um, Malibu, Inv. Nr. 88.DF.118.

    26 Consultez, tudiez, imitez leurs chefs-duvre; opposez leurs productions celles de la mdiocrit; cette comparaison vous rendra plus sensible le ridicule de ces formes irrgulires, et cette insipide profusion dor-

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    nements dont lignorance cherche senve-lopper. Bachelier: Discours la distribu-tion de 1779, zit. nach Leben, Object Design (Anm. 15), S. 141.

    27 [] a jamais fourni des occasions aussi abondantes de lexciter ! Bachelier: Dis-cours la distribution du 26 dcembre 1777, zit. nach Leben, Object Design (Anm. 15), S.139.

    28 Le got de beau consiste dans une grandeur simple qui nadmet des dtails quautant quils peuvent servir lier les masses sans y jeter de la confusion. Descamps, Sur lutilit, zit. nach Leben, Object Design (Anm. 15), S.124.

    29 Cest donc au got de nos dessins, cest ce seul got de la nation et ce gnie crateur qui les varie continuellement, que nous de-vons cette supriorit. Il ne faut cependant pas confondre le got du beau avec celui de la mode. Le got du beau est une imitation exacte de la nature, il est de tous les temps; celui de la mode est arbitraire, il tient au mo-ment; le moment pass, ce qui avait plu de-vient indi0rent, et souvent ridicule. De-scamps, Sur lutilit, zit. nach Leben, Object Design (Anm. 15), S. 125.

    30 Que dexemples de la bizarrerie! des ou-vriers entreprenants, sans principes et sans got, choisissaient dans les ouvrages des meil-leurs artistes ce qui tait propre leur ides; ils y ajoutaient une multitude dornements sans got et sans vraisemblance: on y voyait un chou, etc, plus grand quune .gure hu-maine, une plume porter un poids norme de rocailles, des rouleaux et dautres formes ima-ginaires: ils ont pouss lextravagance au point de ne jamais poser plomb des objets qui demandent un appui solide. Ces absurdi-ts ont eu un rgne trop long, et commen-aient se glisser dans les ouvrages de consi-dration; le gnie fougueux qui avait tendu ce dlire eut bientt des imitateurs qui ont encore exagr ses dfauts; ils fallait dailleurs peu de mrite pour y exceller. Descamps, Sur lutilit, zit. nach Leben, Object Design (Anm. 15), S. 124.

    31 Chacun dans son genre trouvera [] des dessins copier tous des matres habiles, qui leur rendront faciles les moyens de connatre et de tracer les belles formes, avec cette cor-rection et cette lgance qui plat lil. Ha-bitus tudier le beau, le comparer avec le dfectueux, ils arriveront cette justesse qui choisit dans la nature et juge vraiment de ses varits in.nies. Descamps, Sur lutilit, zit. nach Leben, Object Design (Anm. 15), S. 124.

    32 Zur Ausbildung der Seidendesigner in Lyon im 18. Jahrhundert siehe Lesley Ellis Miller: Education and the Silk Designer: A Model for Success?, in: Disentangling Textiles: Tech-niques for the Study of Designed Objects, hrsg. von Mary Schoeser und Christine Boydell, Midd-lesex 2002, S. 185194.

    33 Descamps, Sur lutilit, zit. nach Leben, Object Design (Anm. 15), S. 128.

    34 Non seulement un Dessinateur doit se rem-plir des productions de la Nature, mais il faut encore quil se repaisse des productions des artistes du mme genre; ou des genres analo-gues. Les indiennes peuvent servir piquer limagination, comme les to0es & les pa-piers peints. Jean Paulet: Lart du fabri-cant des to0es de soie, in: Dictionnaire des Arts et Mtiers, Paris 1779, S. 885.

    35 [] indication de tout ce quil y a de curi-eux relativement la Peinture & au Dessin: comme les plus fameux Magasins dto0es, Cabinets dEstampes & de Peinture, particu-liers & publics, di.ces, quipages, Manufac-tures, Maisons Royales, Statuaires, Spectacles; le tout termin par une invitation la Lecture des Auteurs agrables, des Potes galants, des Posies pastorales & autres Ouvrages dune imagination riante, &c. Nicolas Joubert de lHiberderie: Le Dessinateur pour les to!es dor, dargent et de soie, Paris 1765, Inhaltsbersicht, S. xlvi.

    36 [] en schau0ent limagination force de raisonnemens analogues lobjet & beaucoup dxamples []. . Joubert de lHiberderie, Le Dessinateur (Anm. 35), Vorwort, S.xxij.

    37 Design, Produktion und Abnehmerschaft der Bildwesten waren die Themen meiner Disser-

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    tation Embroidery for Male Suiting and Waistcoats in Lyon, 17801789: A Cultural Biography of the Designs in the National Museum of Ireland Collection presented by J. H. Fitzhenry, National University of Ire-land 2008. Es ist mglich, dass dieser Trend teilweise von den Lyoner Manufakturen ge-frdert wurde, um die krnkelnde Seidenin-dustrie zu einer Zeit, in der bestickte Seiden-sto0e zunehmend auer Mode kamen, zu strken.

    38 Siehe beispielsweise die Entwrfe fr eine Westenstickerei, Lyon um 1785, Sammlung Bergeret et Belmont, Muse Historique des Tissus, Lyon, Inv. Nr. 35088.5.8 und Inv. Nr. 35088.5.8-2; Weste, Frankreich, um 1785, Cooper Hewitt National Design Museum, Smithsonian Institute, New York, Inv. Nr. 1931.43.6.

    39 Siehe beispielsweise den Entwurf fr eine Westenstickerei, Lyon, um 1785, Cooper He-witt National Design Museum, Smithsonian Institute, New York, Inv. Nr. 1920-36-78; Entwurf fr eine Westenstickerei, Lyon, um 1785, Cooper Hewitt National Design Muse-um, Smithsonian Institute, New York, Inv. Nr. 1956-42-3.

    40 Siehe beispielsweise die Westenentwrfe nach Piccini and Marmontels Oper Dido et Aeneas (1785), Frankreich, um 1785, Cooper Hewitt National Design Museum, Smithsonian Insti-tute, New York, Inv.-Nr. 1962-54-43; Ent-wrfe fr Westenstickereien, Lyon, um 1785, Gattiker Collection, Muse Galliera, Muse de la Mode et du Costume de la Ville de Pa-ris, Inv.-Nrn 1956-42-22 und 1956-42-23; Entwurf fr eine Weste nach Bernardin de Saint-Pierres Bestseller von 1787, Paul et Vir-ginie, Frankreich, um 1789, Victoria & Albert Museum, London, Inv.-Nr. 564-1896.

    41 [] on a imagindepuis peu des Gilets o lon voit du haut en bas de petits personnages fort jolis, des scnes galantes ou comiques, des vendanges, des chasses, etc. Sur quelques autres on voit passer en revue un rgiment dInfanterie, de Cavalerie, de Dragons, etc. On assure quun homme passionnpour les belles choses a fait commander une douzaine de gilets qui doivent o0rir les scnes de Ri-chard Cur de Lion, de la Folle par Amour, de la Folle Journe, etc. [] a.n que sa garde-robe devienne un rpertoire curieux des pices de thtre. Zit. nach Paul Cornu (Hrsg.): Galerie des modes et costumes franais: Dessins d aprs nature, 17781787, 4Bde, Paris 191114, Bd. 2, Taf. 265.

    42 [] les lgants du jour sont autant de mu-ses ambulants qui provoquent la curiosit des trangers, surpris que la mode puisse do-miner jusqu ce point la raison. Georges Touchard-Lafosse: Chroniques de lil de buf. Paris, 1864, p. 243. [1830].

    43 Caroline Weber: Queen of Fashion. What Marie Antoinette Wore to the Revolution, London 2007, S. 104.

    44 Weber, Queen of Fashion (Anm. 43), S. 111.45 Weber, Queen of Fashion (Anm. 43), S. 104.46 Weste, Frankreich, um 1785, Victoria & Al-

    bert Museum, Inv.-Nr. T.49.1948; Entwurf fr eine Weste, Lyon, um 1785, Muse Histo-rique des Tissus, Lyon. Inv.-Nr. A334.1.30.

    47 So brachte der Comte de Sgur von seinen ausgedehnten Amerikareisen aus Santo Do-mingo einen jungen Neger namens Aza, dreizehn bis vierzehn Jahre alt nach Frank-reich (Louis-Philippe de Sgur, Mmoires, 3Bde, Paris 1824, Bd. 2, S. 4). Segur berichtet mit trockenem Humor, wie Aza enzckt auf-lachte, als er erstmalig franzsische Bauern d.h. Weie in den Feldern arbeiten sah.

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    Literatur

    Maxine Berg und Helen Cli0ord (Hrsg.): Consu-mers and Luxury Consumer Culture in Europe 16501850. Manchester 1999

    Charles Batteux: Les Beaux-Arts rduits un mme principe. Paris 1746

    Macushla Baudis: Embroidery for Male Suiting and Waistcoats in Lyon, 17801789: A Cultu-ral Biography of the Designs in the National Museum of Ireland Collection presented by J. H. Fitzhenry, Diss., National University of Ireland (Dublin) 2008

    Reed Benhamou: Imitation in the Decorative Arts of the Eighteenth Century, in: Journal of Design History 4 (1991) S. 113

    Helen Cli0ord: Concepts of Invention, Identity and Imitation in the London and Provincial Metal-working Trades, 17501800, in: Journal of Design History 12 (1999) S. 241255

    tienne Bonnot de Condillac: Essai sur lorigine des connaissances humaines (=uvres compltes de Condillac, Bd. 1), Paris 1822

    Paul Cornu (Hrsg.): Galerie des modes et costumes franais, dessins d aprs nature, 17781787. 4Bde, Paris 191114

    Jean-Baptiste Descamps: Sur l utilit des tablisse-ments des coles gratuites de dessin en faveur des mtiers. Paris 1789

    Denis Diderot und Jean d Alembert: Encyclopdie ou Dictionnaire raisonn des sciences, des arts et des mtiers, hrsg. von Alain Pons. 2 Bde, Paris 1986 [1751]

    Kineret S. Ja0e: The Concept of Genius: Its Changing Role in Eighteenth-Century French Aesthetics, in: Journal of the History of Ideas 41 (1980) S. 579599

    Nicolas Joubert de lHiberderie: Le Dessinateur pour les to!es dor, dargent et de soie. Paris 1765

    Ulrich Leben: Object Design in the Age of Enlighten-ment. The History of the Royal Free Drawing School in Paris. Los Angeles, 2004

    Lesley Ellis Miller: Education and the Silk De-signer: A Model for Success?, in: Disentan-gling Textiles: Techniques for the Study of Designed Objects, hrsg. von Mary Schoeser und Christi-ne Boydell. Middlesex 2002, S. 185194

    Jean Paulet: Lart du fabricant des to0es de soie, in: Dictionnaire des Arts et Mtiers. Paris 1779

    Carlo Poni: Fashion as >exible production: the strategies of the Lyons silk merchants in the eighteenth century, in: World of Possibilities: Flexibility and Mass Production in Western Civili-sation, hrsg. von Charles F. Sabel und Jona-than Zeitlin. Cambridge 1997, S. 3774

    Sir Joshua Reynolds: Discourses, hrsg. von Robert R. Wark, New Haven / London 1997

    Katie Scott: Introduction: imageobjectspace, in: Between Luxury and the Everyday. Decorative Arts in Eighteenth-century France, hrsg. von Katie Scott und Deborah Cherry. Oxford u.a. 2005, S. 114

    Louis-Philippe de Sgur: Mmoires. 3Bde, Paris 1824

    Georges Touchard-Lafosse: Chroniques de lil de buf. Paris 1864 [1830]

    Caroline Weber: Queen of Fashion. What Marie Antoinette Wore to the Revolution. London 2007

    Rudolf Wittkower: Imitation, Eclecticism and Genius, in: Aspects of the Eighteenth Century, hrsg. von Edward Wassermann. Baltimore 1965, S. 143162

    Abbildungsnachweis

    1, 2, 4, 5, 7 Victoria and Albert Museum; 3, 6, 811 Trustees of the British Museum