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BauSIM2008 thermisch-energetische und anlagentechnische Gebäudesimulation Ökobilanzen von Gebäuden Thermischer Komfort in städtischen Außenräumen Einfluss der Solarstrahlung auf das Wärmeempfinden Komfortmodell für inhomogene Umgebung Webbasierte Wetterdaten für Gebäudetechniklasten Gekoppelte Simulation für Heiz- und Kühlkörper Neues Eingangsgebäude auf der Museumsinsel – Luftströmungssimulation Bauphysik 1 Wärme · Feuchte · Schall · Brand · Licht · Energie · Klima 31. Jahrgang Februar 2009 Heft 1 ISSN 0171-5445 A 1879

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BauSIM2008thermisch-energetischeund anlagentechnischeGebäudesimulation

Ökobilanzen vonGebäuden

Thermischer Komfort in städtischenAußenräumen

Einfluss der Solarstrahlungauf das Wärmeempfinden

Komfortmodell fürinhomogene Umgebung

Webbasierte Wetterdatenfür Gebäudetechniklasten

Gekoppelte Simulationfür Heiz- und Kühlkörper

Neues Eingangsgebäudeauf der Museumsinsel – Luftströmungssimulation

Bauphysik1Wärme · Feuchte · Schall · Brand · Licht · Energie · Klima

31. JahrgangFebruar 2009Heft 1ISSN 0171-5445

A 1879

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31. JahrgangFebruar 2009Heft 1ISSN 0171-5445

Wilhelm Ernst & SohnVerlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG

Rotherstraße 21D-10245 BerlinTelefon: (030) 4 70 31-200Fax: (030) 4 70 [email protected]

1Bautechnik 81 (2004), Heft 1

Inhalt

Bauphysik1

Editorial

1 Wolfram Haupt, Anton MaasWelchen Beitrag leistet Gebäudesimulation zum Nachhaltigen Bauen?

Fachthemen

2 Gunter Pültz, Stefan Barp, Peter VogelÜberlegenheit moderner, innovativer Planungswerkzeuge in der Gebäudeplanung

9 Bastian Wittstock, Stefan Albrecht, Cecilia Makishi Colodel, Jan Paul LindnerGebäude aus Lebenszyklusperspektive – Ökobilanzen im Bauwesen

18 Lutz Katzschner, Anton Maas, Andrea SchneiderDas städtische Mikroklima: Analyse für die Stadt- und Gebäudeplanung

25 Frank OttoEinfluss der vom menschlichen Körper absorbierten Solarstrahlung für das Wärmeempfinden in Gebäuden

38 Rita Streblow, Dirk Müller, Ingo Gores, Peggy BendfeldtThermisches Komfortmodell für inhomogene Umgebungsbedingungen

42 Axel Seerig, Carina SagerschnigMethoden zum Einsatz diskreter, webbasierter Wetterprognosen in Gebäudetechnik und Lastmanagement

51 Ralf Gritzki, Alf Perschk, Wolfgang Richter, Markus RöslerGekoppelte Simulation zur Spezifikation von Heiz- und Kühlkörpern

Rubriken

24 Aktuell (s. auch S. 50)41 Persönliches55 In eigener Sache – Bauphysik bei ISI akkreditiert56 Bücher57 Veranstaltungen

Produkte & Objekte

A4 aktuellA6 Schallschutz/Akustik

Das BMFZ Rostock „enthüllt“ seine Funktion als biomedizinisches undbiotechnisches Forschungszentrum durch den amöbenähnlichen Grund-riss der Gebäude und die formal wie baustofflich darauf abgestimmteorganisch wirkende Außenhülle aus Profilbaugläsern (Deubzer KönigArchitekten, Berlin), siehe Aktuell S. 24.

(Foto: Pilkington Bauglasindustrie)

„Bauphysik online“die Ergänzung zu „Bauphysik print“

Info anfordern: [email protected]: Bauphysik online (ZS)

peer reviewed journal

Bauphysik ist ab Jahrgang 2007 beim„Institute for Scientific Information“ (ISI)akkreditiert.

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42 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 31 (2009), Heft 1

Prognosegeführte Regelungen verwenden zumeist kostenpflich-tige stündliche Wetterprognosen, die auf der momentan gemes-senen Außentemperatur basieren (z. B. Verschiebemethode) oderstündliche Prognosen eines nationalen meteorologischen Diens-tes für den jeweiligen Standort. Mit Hilfe der prognostiziertenWerte werden unter Verwendung geeigneter Modelle die jeweilsbenötigten Lastgänge vorausberechnet und weiterverarbeitet.Das Internet hingegen bietet die Möglichkeit, von vielen Anbie-tern kostenfrei Wetterprognosen für beliebige Standorte zu erhal-ten. Gewöhnlich sind diese Prognosen zumindest für die maxi-male und minimale Außentemperatur für fünf bis maximal neunTage im Voraus verfügbar. Für die meisten Anwendungen in derGebäude- und Energietechnik werden jedoch Werte in stündli-cher bzw. viertelstündlicher Auflösung benötigt. Gegenstand die-ses Aufsatzes ist die Beschreibung eines Verfahrens zur Erstel-lung von zeitlich beliebig aufgelösten Wetterdaten auf Basis vonfrei verfügbaren Wetterprognosen aus dem Internet. Als Bei-spiele für den Einsatz der darauf basierenden prognosegeführtenRegelung werden die Beladung eines Eisspeichers sowie dieLastprognose eines Gebäudes bzw. einer Liegenschaft bespro-chen.

Using Discrete Online Weather Forecasts for Building ServicesApplications and Load Management. Usually, commercially usedhourly weather forecasts of national weather institutes are im-plemented for predictive control strategies. Energy demand andenergy loads are calculated by utilizing adequate models withpredicted air temperatures.However, on the internet, numerous providers offer freely avail-able weather forecasts. Mostly forecasts of maximum and mini-mum outside air temperatures are available for five to nine daysin advance. Many applications in building services do requirehourly or quarter-hourly data. This paper describes a method forgenerating weather data of any resolution for freely availableweather forecasts issued by online services. Ice storage andload prediction of a building are cited as examples of predictivecontrol strategies using web-based weather forecasts.

1 Internet-Datenakquisition

Die Anforderungen an einen wirtschaftlichen und ökolo-gisch ausgewogenen Betrieb von Gebäuden werden zu-nehmend anspruchsvoller und komplexer. Viele davon las-sen sich heute schon mittels moderner Gebäudeleittech-nik automatisiert erfüllen. Einen Schritt weiter noch gehtdie prognosegeführte Gebäudesteuerung. Mit dieser wer-

den nicht nur aktuelle Zustände des Gebäudes einbezo-gen, sondern Prognosen (Wetter, Nutzerverhalten, etc.) fürTage im Voraus genutzt. Dies führt nicht nur zu Einspa-rungen an Energie sondern auch zu einem langfristig sta-bilen Raumklima. Das Internet bietet hierfür die Möglich-keit von vielen Anbietern kostenfrei Wetterprognosen fürzahlreiche Standorte zu erhalten. Zahlreiche Webdienstestellen Prognosen für die Tageshöchst- und Tagestiefsttem-peraturen der folgenden Tage zur Verfügung. Diese Datenvon Online-Wetterseiten sind tagesaktuell und ohne Zeit-verzögerung durch Verhandlungen mit meteorologischenDiensten verfügbar und für viele Anwendungen in der Ge-bäudetechnik hinreichend genau.

Die Datenakquisition (Bild 1) erfolgt mittels automa-tisierter Internet-Query. Die Web-Abfrage kann direkt ineinem Spreadsheet-Programm (z. B. MS Excel) gestartetwerden. Daten, die in Tabellenform (als Einzeltabellen odereingebunden in mehrere Tabellen) auf Internetseiten zu-gänglich sind, werden direkt in das Spreadsheet-Programmimportiert. Der Zugriff auf Wetterhomepages erfolgt zeit-lich frei skalierbar und ermöglicht daher eine regelmäßigeAktualisierung der Daten. Die in dieser Studie eingesetzteForm der Standard-Webabfrage eignet sich zur Erfassungvon Online-Daten aus Tabellen und Texten. Wettervorher-sagen, die in eine Grafik oder Flash-Applikation eingebun-den sind, müssen zuvor über Texterkennung geeignet um-gewandelt werden.

Die importierten Daten werden in einem Spreadsheet-Programm aufbereitet und stehen für die Weiterverwen-dung in Form von sortierten Datenreihen zur Verfügung.Gewöhnlich sind diese Prognosen zumindest für die maxi-male und minimale Außentemperatur für fünf bis maximalneun Tage im Voraus verfügbar.

Methoden zum Einsatz diskreter, webbasierterWetterprognosen in Gebäudetechnik undLastmanagement

Axel Seerig Carina Sagerschnig

Fachthemen

DOI: 10.1002/bapi.200910007

Bild 1. Datenakquisition im InternetFig. 1. Online data acquisition

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Bauphysik 31 (2009), Heft 1

Um tägliche Wetterprognosen aus dem Internet füreine prognosegeführte Regelung verwenden zu können,muss aus den prognostizierten Tagesminima bzw. Tages-maxima ein stündlicher Tagestemperaturverlauf generiertwerden. Für diese Studie wurden beispielhaft Wettervor-hersagen des Anbieters http://de.weather.com [6] verwen-det.

2 Wetterdatengenerierung

In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze zur Ge-nerierung von Wetterdaten mit unterschiedlichen Anfor-derungen an die Ausgangsdaten und den Detaillierungs-grad der berechneten Wetterdaten [3], [4], [5]. Dieser Auf-satz untersucht geeignete Modelle zur Erstellung vonAußentemperaturverläufen, deren Qualität typischen An-wendungen der prognosegeführten Gebäudesteuerung ge-nügt und die eine einfache und rasche Implementierungermöglichen. Untersucht wird jeweils ein Ansatz für stand-ortabhängige und standortunabhängige Datengenerierung.Abschließend werden die entwickelten Modelle mit einemModell aus der Literatur verglichen.

2.1 Spline-Interpolation

Eine einfache Methode zum Ausrollen der diskreten Pro-gnosewerte aus dem Internet zu einem stündlichen Tem-peraturverlauf ist die Spline-Interpolation. Spline-Kurvensind Funktionen, die sich stückweise aus Polynomen zu-sammensetzen und durch gegebene Punkte verlaufen. Beider Wetterdatenerstellung mit Hilfe von Splines sind dieTagesminima bzw. -maxima jene Fixpunkte im Koordina-tensystem, die durch die Spline-Kurve verbunden werden.

Die Berechnung eines kontinuierlichen Temperatur-verlaufs auf Grund einzelner Vorhersagewerte kann mit-tels Spline-Interpolation standortunabhängig und raschdurchgeführt werden. Algorithmen zur Berechnung vonSpline-Kurven sind in vielen mathematischen Software-paketen hinterlegt. Einzig benötigte Eingabedaten sind dieDatenpaare (Zeitpunkt | Temperatur) jedes punktuellenPrognosewerts. Da die Spline-Interpolation standortab-hängige Qualitäten des Tagesverlaufs (z. B. Zeitpunkt derTagesextremtemperaturen) nicht berücksichtigt, ist die Qua-lität des ermittelten Tagesverlaufs stark von den Eingabe-daten abhängig.

In dieser Studie wurden für das Ausrollen der diskre-ten Vorhersagewerte zu einem kontinuierlichen Tagestem-peraturverlauf kubische Splines verwendet. Kubische Spli-nes sind Kurven, deren Teilstücke zwischen den Prognose-werten von Polynomfunktionen 3. Ordnung beschriebenwerden. Die Gesamtkurve ist glatt, an jeder Stelle zweimalstetig differenzierbar und weist eine minimale Gesamt-krümmung auf.

Für die Interpolation des Tagestemperaturverlaufswerden kubische Splines der Polynominterpolation mitPolynomfunktionen höheren Grades vorgezogen, da durchdie stückweise Beschreibung der Kurve eine starke Oszil-lation vermieden werden kann. Spline-Kurven neigen eben-falls zum Überschwingen, jedoch in geringerem Maße dasich die Teilstücke aus Polynomfunktionen 3. Ordnung zu-sammensetzen. Auf Grund dieses modellbedingten Nach-teils können Spline-Kurven nicht uneingeschränkt für die

Wetterdatenerstellung empfohlen werden. Auf Grund desÜberschwingens können die Hoch- und Tiefpunkte derSpline-Kurve von den vorgegebenen Temperaturwerten,d. h. den prognostizierten Höchst- und Tiefsttemperatu-ren, abweichen. Die Minima und Maxima derTemperatur-verläufe bestimmen vielfach jedoch auch die benötigtenMinimal- und Maximalleistungen.

2.2 Zeitfaktor-Methode

Die Verwendung einer synthetischen, an die Sinusfunk-tion angelehnten Kurve vermeidet das Überschwingen derSpline-Interpolation. Diese Methode, auch Zeitfaktor-Me-thode genannt, basiert auf der qualitativen Nachbildungeines typischen Tagestemperaturverlaufs eines Standortszur Erzeugung von kontinuierlichen Temperaturverläufen.Die Beschreibung des Zusammenhanges zwischen Pro-gnosemaximum bzw. -minimum der Temperatur und demmittleren Tagestemperaturverlauf eines Standorts erfolgtdurch Zeitfaktoren, die auf der Außentemperatur für jedeStunde des Tages beruhen. Auf dieser Basis geben die füreinen Standort ermittelten Zeitfaktoren den qualitativenVerlauf der täglichen Außentemperatur wieder.

Der Zeitfaktor f wird durch das Verhältnis der mo-mentan herrschenden Temperatur zur größten Tempera-turspreizung des Tages bestimmt, Gl. (1):

(1)

mit:f Zeitfaktor [–]tmin Tagesminimum der Außentemperatur [°C]tmax Tagesmaximum der Außentemperatur [°C]ti Temperatur zum Zeitpunkt i [°C].

Der Zeitfaktor kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen.Für das Tagesminimum tmin gilt Zeitfaktor f = 0, für das Ta-gesmaximum tmax beträgt der Zeitfaktor f = 1.

Zur Bestimmung eines mittleren Zeitfaktors werdenAußentemperaturen des gewählten Standorts in stündli-cher Auflösung benötigt. Als Ausgangsdaten können Tem-peraturmessdaten oder statistisch ermittelte stündliche Tem-peraturen eines gesamten Jahresverlaufs (z. B. Temperatur-daten aus Wetterdatensätzen für thermisch-dynamischeGebäudesimulationen) verwendet werden. Aus dem Me-dian der Außentemperaturen wird für jede Stunde des Ta-ges ein Zeitfaktor berechnet. Liegen Messdaten in höhererAuflösung (z. B. viertelstündliche Messwerte) vor, könnendie Zeitfaktoren auch in geringeren Schrittweiten ermitteltwerden.

Die aus den Medianen der Stundenwerte errechnetenZeitfaktoren beschreiben den mittleren, qualitativen Ver-lauf der Tagestemperatur eines Jahres für den gewähltenStandort. Da der qualitative Tagestemperaturverlauf alskonstant betrachtet wird, ist der Zeitpunkt, an dem dastägliche Maximum bzw. Minimum auftritt, ebenfalls fürdas gesamte Jahr konstant.

Nach Berechnung der Zeitfaktoren eines mittlerenTagestemperaturverlaufs kann aus den prognostiziertenExtremtemperaturen eines Tages ein stündlicher Tempe-raturverlauf berechnet werden. Die Temperatur zum Zeit-punkt i ergibt sich demnach aus dem zeitabhängigen Fak-

ft t

t ti= -

-min

max min

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tor f, der Steigung der Tagestemperaturkurve und dem Ta-gesminimum, Gl. (2):

Außentemperatur zum Zeitpunkt i

ti = fi · (tmax – tmin) + tmin (2)

Im Rahmen dieser Studie wurden Zeitfaktoren für denStandort Wien berechnet. Datengrundlage bildeten Tem-peraturmesswerte des Jahres 2006, aufgenommen von derZentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik [7]. Bild 2zeigt die Zeitfaktoren, die aus dem stündlichen Median derAußentemperatur für Wien berechnet wurden. Die Zeit-punkte der Extremwerte weichen saisonbedingt um ca.1 Stunde von der Gesamtjahreskurve ab. In der weiterenBetrachtung werden für jeden Tag des Jahres die Zeitfakto-ren der Gesamtjahreskurve verwendet, wobei das Tempe-raturminimum um 04:30 Uhr, das Temperaturmaximumtäglich um 13:30 Uhr auftritt.

Die Kurve der Zeitfaktoren des Gesamtjahres wurdefür die weitere Bearbeitung durch eine Polynomfunktion6. Ordnung geglättet. Abhängig von den verwendeten Aus-gangsdaten können für einen Standort verschiedene Zeit-faktor-Kurven ermittelt werden. Bild 3 stellt Zeitfaktorendar, die aus den Medianen des Jahrestemperaturverlaufsder gemessenen Außentemperatur sowie den statistischen

Daten der Wetterdatensätze der Gebäudesimulationspro-gramme BLAST und EnergyPlus ermittelt wurden [8], [9].Für die folgenden Betrachtungen dieser Studie wurden jeneZeitfaktoren verwendet, die sich aus dem Wetterdatensatzfür BLAST ergeben.

Wird der Tagestemperaturverlauf mittels Zeitfaktorenermittelt, ergibt sich der gleiche qualitative Verlauf für alleTage. Die Temperatur sinkt bei Tagesbeginn (00:30 Uhr) ab,erreicht für den Standort Wien um 04:30 Uhr das Tages-minimum und steigt in der Folge bis zum Tagesmaximumum 13:30 Uhr. Ab 13:30 Uhr sinkt die Außentemperaturwieder ab. Der Übergang zwischen zwei Tagen erfolgtsprunghaft, da Zeitfaktoren nicht die Entwicklungen desFolgetags berücksichtigen.

Zur Vermeidung von sprunghaften Temperaturände-rungen bei der Anbindung des Folgetags wird der Tem-peraturverlauf ab dem Erreichen des Tagesmaximums(13:30 Uhr) bis zum Beginn des nächsten Tages (00:30 Uhr)linearisiert. Durch die Linearisierung wird gewährleistet,dass die Extremtemperaturen erreicht werden und der Über-gang zwischen Tag 1 um 23:30 Uhr und Tag 2 um 00:30 Uhrfließend ist.

Für die linearisierten Stundenwerte zwischen 13:30Uhr und 00:30 Uhr gilt Gl. (3):

(3)

mit:ti Temperatur zur Stunde i [°C]ti–1 Temperatur zur Stunde i – 1 [°C]tmax(Tag1) Tagesmaximum der Außentemperatur [°C]tmax(Tag2) Tagesmaximum der Außentemperatur des Folge-

tags [°C]tmin(Tag2) Tagesmaximum der Außentemperatur des Folge-

tags [°C]t00:30(Tag2) Außentemperatur des Folgetages um 00:30 Uhr

[°C]f00:30 Zeitfaktor zur Stunde 00:30 Uhr [–].

2.3 Vergleich der Inter- bzw. Extrapolationsmethoden

Zur Beurteilung der entwickelten Methoden wurden diemittels Zeitfaktoren und Spline-Interpolation berechne-ten stündlichen Temperaturverläufe mit der von Degelman[3] entwickelten Methode zum standortunabhängigen Aus-rollen von diskreten Temperaturdaten verglichen.

Ermittlung eines kontinuierlichen Temperaturverlaufsnach Degelman:Aus diskreten Temperaturwerten (z. B. Messwerte, statis-tisch ermittelte Tagesminima und -maxima oder Prognose-werte) kann ein zeitlich beliebig aufgelösterTagestempera-turverlauf ermittelt werden. Der Temperaturverlauf wirddurch eine an die Sinuskurve angelehnte Funktion be-schrieben.

Degelman unterteilt den Tagestemperaturverlauf indrei Phasen. Für den Temperaturverlauf von Sonnenauf-gang bis 15:00 Uhr, Gl. (4) werden die mittlere Morgen-

t tt t

tt f t t t

i iTag Tag

iTag Tag Tag Tag

= --

=

= -- ◊ - +

-

-

11 00 30 2

11 00 30 2 2 2

11

11

max( ) : ( )

max( ) : max( ) min( ) min( )( ( ) )

Bild 2. Zeitfaktor (Außentemperaturmesswerte Wien)Fig. 2. Coefficient of time (outside dry bulb temperature,Vienna)

Bild 3. Vergleich von Zeitfaktoren auf Basis unterschiedlicherAusgangsdatenFig. 3. Comparing time coefficients derived from differentdata sources

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temperatur und die maximale Tagestemperaturspreizungberücksichtigt. Diese Variablen beziehen sich ausschließ-lich auf den betrachteten Tag. Der Temperaturverlauf von15:00 Uhr bis Mitternacht, Gl. (5) bezieht die mittlereAbendtemperatur und die maximale Nachttemperatursprei-zung mit ein, die Temperaturentwicklungen des Folgetagsbeinhalten.

Der Temperaturverlauf von Mitternacht bis Sonnen-aufgang, Gl. (6) berücksichtigt die mittlere Abendtempera-tur und die maximale Nachttemperaturspreizung. In alleGleichungen gehen die Zeitpunkte des Sonnenaufgangsbzw. Sonnenuntergangs ein. Auf diese Weise wird ein Tem-peratursprung zwischen zwei aufeinander folgenden Tagenvermieden. Modellbedingt legt Degelman den Zeitpunkt, andem die maximale Außentemperaturspreizung auftritt, mit15:00 Uhr fest.

(4)

(5)

(6)

wobei:Tmax max. Außentemperatur [°C]Tmin min. Außentemperatur [°C]Tmin1 min. Außentemperatur des nächsten Tages [°C]Tt Temperatur zum Zeitpunkt t [°C]Tave0 mittlere Morgentemperatur: (Tmin + Tmax)/2 [°C]Tave1 mittlere Abendtemperatur (Tmax + Tmin1)/2 [°C]DT maximale Tagestemperaturspreizung Tmax – Tmin [°C]DT¢ maximale Nachttemperaturspreizung Tmax – Tmin1

[°C]tR Stunde des Sonnenaufgangs [h]tR¢ Stunde des Sonnenaufgangs des nächsten Tages [h].

Tabelle 1 und Bild 4 vergleichen die angewandten Metho-den zur Inter- bzw. Extrapolation der stündlichen Wetter-daten. Alle besprochenen Methoden können modellbedingtÄnderungen im qualitativen Tagesverlauf nicht berücksich-tigen. Da pro Tag jedoch nur zwei Extremwerte gegebensind, eignen sie sich für diese Art der Wetterdatenerstellung.In dieser Studie wird die Zeitfaktor-Methode bevorzugt,da mit dieser das störende Überschwingen nicht auftritt.

T T T ttt ave

R= + ¢ ◊ +

+ÊËÁ

ˆ¯̃¢

1 299

D cos p

T T T ttt ave

R= + ¢ ◊ -

+ÊËÁ

ˆ¯̃¢

1 215

9D cos p

T T T t ttt aveR

R= - ◊ -

-ÊËÁ

ˆ¯̃0 2 15

D cos p 3 Anwendung Energietechnik

Die Versorgungssicherheit in der elektrischen Energiever-sorgung wird seit längerem von der effizienten Nutzungvon erneuerbaren Energiequellen und der Effizienz desVersorgungssystems selbst bestimmt. So war noch vor derGebäudetechnik die Energiewirtschaft auf zeitbezogeneWetterprognosen angewiesen, um die regionale wetterab-hängige Energieabnahme präzise prognostizieren zu kön-nen. Gerade die hohe Volatilität in der Erzeugung vonelektrischer Energie durch wetterabhängige erneuerbareEnergieträger (z. B. Wind, Photovoltaik), aber auch dieausgeprägten Lastprofile des Verbrauchs stellen eine Her-ausforderung für die Betriebsführung dar. Im traditio-nellen Netzbetrieb versucht man die Erzeugungssituationdem Verbrauch anzupassen, der als gegeben und unverän-derbar betrachtet wird. Im Zusammenhang mit einer stär-keren Nutzung von volatilen Erzeugern gewinnen Metho-den zur verbrauchsseitigen Beeinflussung, zusammengefasstunter dem Begriff Demand Side Management, zunehmendan Bedeutung, da der Grad der effektiven Beeinflussbarkeitauf der Erzeugerseite abnimmt. Mit der wetterprognose-geführten Regelung wird die Verbraucherseite derart be-einflusst, dass Lastverschiebungen zur optimalen Ausnut-zung verfügbarer „virtueller“ Energiespeicher vorgenom-men werden.

Folgende Strategien können bei Demand Side Mana-gement zum Tragen kommen, wobei Wetterprognosen inunterschiedlicher Form eingesetzt werden [13]:

Bild 4. Vergleich der Inter- bzw. ExtrapolationsmethodenFig. 4. Comparison of inter- and extrapolation methods

Tabelle 1. Methoden zur Inter- und Extrapolation von diskreten PrognosewertenTable 1. Methods for inter- and extrapolation of discrete forecasts

Methode Vorteile Nachteile

Spline- – geringer Datenbedarf – ÜberschwingenInterpolation – kontinuierlicher Tagesübergang – qualitativer Tagesverlauf von Eingabedaten abhängig

– rasch durchführbar

Zeitfaktoren – qualitativer Tagesverlauf auf den Standort abgestimmt – Linearisierung des Tagesübergangs notwendig– kein Überschwingen – standortabhängige Messdaten/statistische Daten für– geringer Datenbedarf initiale Zeitfaktorermittlung notwendig– rasch durchführbar

Degelman – qualitativer Tagesverlauf auf den Standort abgestimmt – erhöhter Datenbedarf für Sonnenaufgang und– kein Überschwingen Sonnenuntergang– kontinuierlicher Tagesübergang

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Strategic ConversationBei strategischer Konversation wird der Stromverbrauchgenerell gesenkt, ohne dabei das eingesparte Potential zueinem anderen Zeitpunkt zu kompensieren. Dies wird auchals Load Shedding bezeichnet.

Load ShiftingUnter dieser Methode versteht man ganz allgemein dieVerlagerung von Stromverbrauch von kritischen Zeitberei-chen (on-peak) in weniger kritische Zeitbereiche (off-peak).Über eine längere Zeitperiode bleibt aber die Summe desEnergieverbrauchs insgesamt gleich.

Peak ClippingBei Spitzenreduktion wird der Strombedarf zu einem be-stimmten Zeitpunkt (on-peak) reduziert. Dieser wird ent-weder nicht nachgeholt (strategische Konversation), odermuss zu einem späteren Zeitpunkt (off-peak) wieder ein-gebracht werden (Valley Filling).

Valley FillingBei dieser Strategie soll zusätzlicher Verbrauch, der sonstzu Spitzenlastzeiten anfallen würde, in Zeitbereiche gerin-geren Strombedarfs (off-peak) hineinverlagert werden. PeakClipping in Kombination mit Valley Filling ist eine mög-liche Strategie für Load Shifting.

Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist dieIdee des virtuellen elektrischen Energiespeichers [13]. Einsolcher speichert Energie, ist jedoch im Gegensatz zu einemechten elektrischen Energiespeicher nicht in der Lage, diegespeicherte Energie in elektrischer Form wieder abzu-geben. Die Energieabgabe äußert sich vielmehr nur durcheinen zeitweilig reduzierten Verbrauch. Hierfür sind einegenaue Kenntnis der Wetterabhängigkeit des Verbrauchessowie deren Implementierung in geeignete Prognosefunk-tionen notwendig. Die hierfür entwickelten energiewirt-schaftlichen Methoden und Verfahren zur Erstellung undOptimierung von wetterabhängigen Lastprognosen kön-nen gleichfalls im Lastmanagement von Liegenschaftenbzw. Gebäuden eingesetzt werden.

Die wichtigste Voraussetzung für die Anwendung o. g.Strategien ist eine qualifizierte Lastgangprognose. Hierfürist die Analyse der historischen Lastgänge die wesentlicheGrundlage und der erste Schritt für die Mengen- und Pro-duktermittlung, die ihrerseits stets eine Prognose darstellt(Short-Term zur Lastanmeldung, Long-Term zum Energie-einkauf). Zu diesem Zweck wird die Wetterprognose inder für die Energiewirtschaft typischen viertelstündlichenAuflösung benötigt, wobei die zentrale Abhängigkeit dieAußentemperatur ist.

VorgehenIm ersten Schritt wird die Zeitreihe elektrische Leistung(Zählimpulse innerhalb einer Viertelstunde gewichtet alskonstante elektrische Leistung innerhalb dieser Zeit) mitden Werten der Außentemperatur überlagert. Diese typi-sche Darstellung gibt nur qualitativ die Abhängigkeit derGrößen voneinander wieder. Trägt man hingegen die elek-trische Leistung über der dazugehörigen Außentemperaturauf, so wird eine tendenzielle Abhängigkeit sichtbar (Bild 5).Aus den temperaturabhängigen Leistungsmesswerten wird

durch Regressionsanalyse eine mathematische Abhängig-keit – die Prognosefunktion – generiert. Für beheizte undgekühlte Gebäude eignet sich hierzu die hyperbolischeTangensfunktion [11]. Die Parameter der Funktion wurdendabei so eingeführt, dass sie das physikalische Gesamtlast-verhalten des Gebäudes interpretierbar widerspiegeln:

(7)

mit:Pmax, Pmin maximale und minimale Anlagenleistungena Anstieg der Kurve als Indikator für die Kühl-

geschwindigkeitk/a Außentemperatur im Wendepunkt der Kurve

als Prozessmerkmal.

Mittels dieser Funktion kann unterZuhilfenahme von pro-gnostizierten Wetterdaten und einer zeitabhängigen Grund-lastkurve das Leistungsverhalten des Gebäudes voraus-gesagt werden (Bild 6). Die Grundlastkurve wird als Zeit-vektor dabei aus allen vorliegenden Tageslastgängen mittelsdes Verfahrens des empirischen Medians gebildet. Dieserist der n+1-te Wert von zwei n+1-Werten, nach der Größesortiert. Ausgehend von diesem Wert liegt eine statistischeGleichverteilung vor, da genau n Werte kleiner und n

P PP P a t k

elektr = + - ◊ ◊ + +min

max min( ) [tanh( ) ]12

Bild 5. Maximale elektrische Leistung aufgetragen über derkorrespondierenden maximalen AußentemperaturFig. 5. Peak electric load plotted against the time-correspond-ing maximum of outside dry bulb temperature

Bild 6. Tageskurven eines Jahres und Grundlastkurve (Median)Fig. 6. Daily load curves of a year and base load curve (median)

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Werte größer sind als der empirische Median. Der Vorteilgegenüber dem arithmetischen Mittelwert besteht darin,dass selbst bei Vorliegen einer geringen Zahl an Messwer-ten Ausreißer das Ergebnis nicht verfälschen können. DurchAbzug der Grundlastkurve von den einzelnen Tagesgängenerhält man den außentemperaturabhängigen Anteil derTagesgänge, der mittels derWetterprognosen nach Zeitfak-tor-Methode und den Gln. (3) und (7) als elektrische Leis-tung prognostiziert werden kann.

Die Zeitverzögerung erhält man aus Messdaten, wenndie elektrischen Leistungswerte nicht über der zeitlich kor-respondierenden Außentemperatur sondern sukzessive umein Zeitintervall verschoben aufgetragen werden. Für jedesIntervall werden mittels Regression die Koeffizienten undder Regressionskoeffizient der Gl. (7) bestimmt. Dieser wirdüber der entsprechenden Zeitverschiebung aufgetragen.Der maximale Regressionskoeffizient zeigt an, zu welchemZeitpunkt die Leistungswerte mit der zeitlich verzögertenAußentemperatur am besten harmonieren, d. h. welcheZeitverzögerung dem System immanent ist (Bild 7).

Auf dieser Grundlage können mit guter Genauigkeit(Bild 8) technische Maßnahmen (Lastmanagement) bzw.organisatorische Maßnahmen (Energieeinkauf) getroffenwerden.

4 Anwendung Gebäudetechnik

Das Wetter ist eine der wesentlichen Ursachen dafür, dassGebäude beheizt oder gekühlt werden müssen. In Zeitensteigender Energiepreise sind mehr denn je Technologiengefragt, welche die Kosten für thermische und elektrischeEnergie minimieren und den thermischen Komfort imGebäude maximieren. Eine Wettervorhersage-Steuerungerlaubt einen bedarfsgerechten, kosteneffizienten Betriebwetterabhängiger Energieanlagen.

Eine konventionelle Regelungstechnik arbeitet mit festeingestellten Zeiten (z. B. für Tag-Nacht-Absenkung) sowiefest eingestellten Kennlinien (z. B. Heizkennlinie in Kopp-lung mit Außentemperaturfühler). Die Starrheit dieses Kon-zeptes hat zum Nachteil, dass bei Wetterwechseln manuellnachjustiert werden muss. Auch wird grundsätzlich nichtder Fall berücksichtigt, dass in den Stunden nach einerNachtabsenkung solare Gewinne je nach Himmelsorientie-rung und Anteil der Glasflächen an der Fassade einen gro-ßen Anteil der Beheizung übernehmen können, d. h. mögli-cherweise die Heizung morgens gar nicht erst hochgefahrenwerden muss. Dies trifft insbesondere für moderne, trans-parent gestaltete Gebäude mit guter Wärmedämmung zu.

Sowohl Wetter wie Nutzung sind zeitlich mituntersehr dynamisch: Beim Wetter variiert die Außentempera-tur, die Sonneneinstrahlung oder die Windgeschwindig-keit; die Nutzung des Gebäudes variiert nach Belegungs-zeiten, die von einem Tag/Nacht- oder Werktag/Wochen-ende-Rhythmus geprägt sind. Des Weiteren macht sich inmassiven Gebäuden aufgrund der Wärmespeichermasseder Wände und Geschossdecken eine Veränderung derAußentemperatur erst Stunden, je nach Dämmstandard,Wärmetauscherart (Radiatoren, Betonkernaktivierung) undden Lüftungsgewohnheiten der Nutzer, sogar erst nach meh-reren Tagen im Innenraum bemerkbar. Zwischen Wetter-änderung außen und dem daraus resultierenden Energie-bedarf zur Einhaltung einer gewünschten Temperatur desGebäudeinneren tritt also eine nicht unerhebliche zeit-liche Phasenverschiebung auf. Eine konventionelle, außen-temperaturgeführte Regelung fordert jedoch Wärme bzw.Kälte für das Gebäudeinnere so an, als gäbe es diese Pha-senverschiebung nicht. Umso deutlicher tritt diese Phasen-verschiebung zu Tage, wenn die Energie aus einem Spei-cher entnommen wird, der zum gegebenen Zeitpunkt ent-sprechend verfügbar sein muss. Dies soll am Beispiel einesEisspeichers verdeutlicht werden.

Bild 7. Regressionskoeffizienten der Gl. (7) in Abhängigkeitvon der ZeitverschiebungFig. 7. Regression coefficient of equation (7) plotted againsttime shift

Bild 8. Vergleich von Messung und Lastprognose (oben:Leistung-Stundenwerte, unten: Verbrauch-Monatssummen)Fig. 8. Comparison of measurement data and load prediction(above: hourly power values, below: monthly consumption)

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Die Grundlage für die Dimensionierung einer ausKältemaschine und Eisspeicher bestehenden Verbundan-lage ist die Kenntnis des zeitlichen Verlaufs des Kältebedarfsdes Gebäudes über eine bestimmte Zykluszeit. Die üblicheAuslegung erfolgt dann über die energetische Bilanzierungvon Lade- und Entladephase (Bild 9) [14].

Damit stellt sich das Problem der Ladung/Entladungeines Speichers als die Überlagerung zweier Übertragungs-funktionen dar: die Verzögerung des Gebäudes und dieVerzögerung im Speicher selbst. Beide Vorgänge benöti-gen z. T. sehr lange Vorlaufzeiten, weshalb ohne die Einbe-ziehung von Wetterprognosen eine gezielte Betriebsweisehinsichtlich Komfort und Energie kaum möglich ist.

Verzögerung des GebäudesDie Verzögerung eines Gebäudes kann entweder über eineSimulation des Gebäudes (dynamische Gebäudesimula-tion), eine Bauteilsimulation (instationäre Finite-Volumen-bzw. Finite-Elemente-Berechnung) oder aber durch Re-gressionsverfahren aus Messwerten bestimmt werden. Umdas Prinzip zu verdeutlichen wurde einem Raum, der vor-her mit einer konstanten Außentemperatur von 16 °C imGleichgewicht stand, ein plötzlicher Sprung in derAußen-

temperatur von 10 K aufgeprägt. Untersucht wurde dieSprungantwort der Wand mittels des dynamischen Simu-lationsprogramms EnergyPlus (Bild 10) sowie mit einerFinite-Elemente-Berechnung mittels Matlab (Bild 11). Diesevereinfachte Betrachtung ist möglich, da die Wandstärkeim Vergleich zu den übrigen Dimensionen des Raumes hin-länglich klein ist. Deutlich zu erkennen ist die gute Über-einstimmung beider Berechnungen, wobei sich aus derFinite-Elemente-Berechnung noch der Verlauf der Tem-peraturen im Inneren der Wand ableiten lässt (Bild 12).Des Weiteren zu erkennen ist, dass erst nach 2.500 Minu-ten, d. h. 40 Stunden, von einem eingeschwungenen Zu-stand in der Wand ausgegangen werden kann. 90 % derSprungantwort werden nach ca. 1500 Minuten, d. h. ca.25 Stunden erreicht. Damit muss seitens der Verzögerungdes Gebäudes mit einer zumindest eintägigen Wetterpro-gnose gearbeitet werden.

Bild 10. Oberflächentemperatur Wand innen; dynamischeGebäudesimulation mit EnergyPlus (Response-Faktor-Methode)Fig. 10. Surface temperature of inner wall; dynamic simula-tion with EnergyPlus (response-factor-method)

Bild 11. Oberflächentemperatur Wand innen (Finite-Diffe-renzen-Methode)Fig. 11. Surface temperature of inner wall (finite-difference-method)

Bild 12. Temperaturverteilung in der Wand nach 500 Minuten(Finite-Differenzen-Methode)Fig. 12. Temperature distribution inside the wall after500 minutes (finite-difference-method)

Bild 9. Be- und Entladezyklus des Eisspeichers [14]Fig. 9. Charging and discharging of thermal ice storage [14]

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Verzögerung des SpeichersMittels einer Simulation wurde auf der Basis von Prognose-werten für einen großen Bürokomplex in Wien der Last-verlauf für eine typische Sommerwoche bestimmt (Bild 13).Dieser setzt sich zusammen aus den inneren Lasten (Per-sonen, Geräte und Beleuchtung) und wird vom Wetterein-fluss überlagert (Außentemperatur und Strahlung, blaueSummenkurve).

Da die Kälteleistung für den Komplex aus ökologi-schen und wirtschaftlichen Überlegungen heraus begrenztist, wurde folgendes Konzept angedacht: Die Grundlastaus Personen, Geräten und Beleuchtung ist eine gut pro-gnostizierbare, wetterunabhängige Größe, die über den Tagverteilt nahezu konstant ist. Diese kann durch eine faststets im Betriebsoptimum laufende Kältemaschine gedecktwerden, die eine einfache Ein-/Aus-Steuerung besitzt.

Die wetterabhängige Last wird durch einen in derNacht zu ladenden Eisspeicher gedeckt, der tagsüber keinezusätzliche Kälteleistung benötigt (Bild 14). Die Energie-menge und der Zeitpunkt der Ladung ergeben sich auseiner dynamischen Simulation, deren Eingangsgrößen Pro-gnosewerte derAußentemperatur in stündlicherAuflösungsind. So wird sichergestellt, dass der Speicher für den Folge-tag a) mit der erforderlichen Kapazität für behagliche Raum-temperaturen bereitsteht und b) kein unnötiger Energie-einsatz durch eine Überladung erfolgt [1].

5 Zusammenfassung

Kostenfrei verfügbare Online-Wetterprognosen können inhinreichender Genauigkeit für die meisten prognosegeführ-ten Regelungen eingesetzt werden. Sie sind in der Anwen-dung flexibel und nahezu überall verfügbar.

Der Zugriff auf Online-Wettervorhersagen erfolgt übereine Standard-Webabfrage. Diese Form der Datenakqui-sition verbindet die automatisierte Webabfrage mit einerDatenbank, die zur weiteren Datenaufbereitung dient. Ausden diskreten Vorhersagewerten für Tageshöchst- und Ta-gestiefsttemperaturen werden mit verschiedenen Methodenkontinuierliche Tagestemperaturverläufe entwickelt, die fürdie prognosegeführte Gebäudesteuerung eingesetzt werdenkönnen.

Für die Generierung zeitlich beliebig aufgelöster Wet-terdaten wurden die Spline-Interpolation und die Zeitfak-tor-Methode untersucht. Die Spline-Interpolation ist einesehr einfache, rasch zu implementierende Methode zumAusrollen diskreter Prognosewerte. Die so berechnetenTemperaturkurven neigen jedoch zum Überschwingen, d. h.die prognostizierten Temperaturmaxima und -minima ent-sprechen nicht den Hoch- und Tiefpunkten der Spline-Kurven. Die Zeitfaktor-Methode ermöglicht die Erstellungund Außentemperaturverläufen, deren Qualität Anwendun-gen der prognosegeführten Gebäudesteuerung genügt. MitHilfe von Zeitfaktoren können synthetische Wetterdatenerstellt werden, die den typischen Temperaturverlauf einesStandorts qualitativ nachbilden.

Die im Rahmen dieser Studie untersuchten Modellezur Erstellung synthetischerWetterdaten wurden abschlie-ßend mit dem von Degelman [3] beschriebenen Modellverglichen.

Für die vorgestellten Anwendungen aus der Gebäude-technik (Eisspeicher) und der Energietechnik (Lastpro-gnose) weisen die so generierten synthetischen Wetter-daten in Kombination mit den eingesetzten physikalischenModellen der Weiterverarbeitung eine sehr gute Genauig-keit auf. Weiterführend kann unter Einbeziehung ebensofrei verfügbarer Prognosewerte wie Sonne, Wind und Re-gen die Prognosegenauigkeit kontinuierlich verbessert wer-den. Gleichfalls eröffnen sich damit neue Einsatzgebiete,wie z. B. die Optimierung des Betriebes von Solarkollek-toren (Prognose Sonne) bzw. der Einspeisung von Wind-rädern ins Netz (Prognose Wind). Darüber hinaus werdenseit November 2006 über die europaweit empfangbarenFunkuhren-Signale auch Wettervorhersagen für weiteTeile Europas ausgesendet (Schweiz: Sender „HBG“ inPrangins/VD; Deutschland: Sender „DCF“ in Mainflingenbei Frankfurt). Damit vereinfacht sich die Anwendung dervorgestellten Methodik weiter, da nahezu ohne Zeitverzö-gerung und ohne Anbindung an das Internet Wetterpro-gnosen eingebunden werden können.

Literatur

[1] Seerig, A., Sagerschnig, C., Stift, F.: Prognosegeführte Ge-bäudesteuerung: Das Wetter von morgen für die Gebäude-steuerung von heute. HLK Facility Management 5/1A (2008),S. 24.

[2] Seerig, A., Sagerschnig, C., Stift, F.: Methoden zum Einsatzdiskreter, Web-basierter Wetterprognosen in Gebäudetechnik

Bild 13. Lastverlauf eines Raumes ohne EisspeicherFig. 13. Load curve of a room without thermal ice storage

Bild 14. Lastverlauf eines Raumes mit EisspeicherFig. 14. Load curve of a room with thermal ice storage

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und Lastmanagement. Tagungsband BauSIM, Kassel 2008,S. 131–133.

[3] Degelman, L.: Simulation and uncertainty: Weather predic-tions. In: Malkawi, A., Augenbroe, G. (Hrsg.): Advanced Build-ing Simulation. New York: Spon Press, 2003.

[4] Zhang, Y., Hanby, V. I.: Short-term prediction of weatherparameters using online weather forecasts. Proceedings ofBuilding Simulation, Peking 2007. pp. 1411–1416.

[5] Himmler, R., Peter, M., Sasse, Ch., Fisch, N. M., Cerny, R.:WPR – Wetterprognosen-geführte Regelung thermisch akti-vierter Decken. Tagungsband BauSIM, München 2006.

[6] Anonym: The Weather Channel. http://de.weather.com(2007).

[7] Messdaten der Außentemperatur für Wien. Zentralanstaltfür Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), 2006.

[8] IWEC Wetterdaten des Simulationsprogramms EnergyPlusfür Wien 2001. www.energyplus.gov

[9] RYD Wetterdaten des Simulationsprogramms BLAST fürWien 1980.

[10] Seerig, A.: Strom nach Maß: Handlungsalternativen zumVollstrombezug vorbereiten und umsetzen. HLK Facility Ma-nagement 8-9/2A (2005), S. 20.

[11] Seerig, A.: Last- und Verbrauchsverhalten der Warenhäuserder KARSTADT Warenhaus AG. Nicht veröffentlichte Studie(1999).

[12] Töglhofer, Ch.: Einsatzpotentiale von Wetterderivaten imBereich Erneuerbarer Energien. Diplomarbeit. Karl-Franzens-Universität Graz, 2007.

[13] Kupzog, F., Rösener, Ch., Palensky, P.: Konzepte zur koor-dinierten Nutzung verteilter Energiespeicher. 5. InternationaleEnergiewirtschaftstagung an der TU Wien 2007, S. 219–230.

[14] Buchner, S., Hilligweg, A.: Eine kennzahlgestützte Ausle-gungsmethodik für Eisspeicheranlagen. TAB 3/2006, S. 50–56.

Autoren dieses Beitrages:Dr.-Ing. Axel Seerig, Abteilungsleiter Bauklimatik, SimulationenDipl.-Ing. (FH) Carina Sagerschnig, Mitarbeiterin Bauklimatik, SimulationenBeide:Gruner AG, Gellertstrasse 55, CH – 4020 Basel/ Schweiz

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