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Bauteilversuche bei kombinierten Belastungen: Rohre unter Biegung und Innendruck Full-scale Testing of Line Pipes Subjected to Combined Loading: Bending and Internal Pressure H. Karbasian, S. Höhler, Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH, Duisburg C. Kalwa, Europipe GmbH, Mülheim a. d. Ruhr H. Löbbe, Salzgitter Mannesmann Line Pipe GmbH, Hamm Kurzfassung – Pipelines sind während ihrer Lebensdauer verschiedenen Belastungszenarien ausge- setzt. Diese Belastungen beeinflussen den Deformationszustand und damit die dehnungsbasierten Bemessungsaspekte (Strain Based Design). Biegekräfte, die zusätzlich zur Innendruckbelastung durch das Transportmedium infolge externer Kräfte und Verschiebungen auftreten, können Folge von Boden- bewegungen sein. Die Belastungsprüfungen sind ein entscheidendes Instrument für die Ermittlung der Versagenskriterien unter den genannten Belastungsszenarien. Die Versuche werden als sogenannte Full-Scale-Versuche durchgeführt, d. h. die Versuche erfolgen in realistischer Dimension (Maßstab Prüfung zur Anwendung = 1:1). Dadurch werden die charakteristischen Rohreigenschaften infolge der jeweiligen Produktionsprozesse einschließlich etwaiger Eigenspannungen, Imperfektionen, Streuung der Werkstoffeigenschaften etc. geprüft. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde ein neuer Versuchsstand „LiSA“ („Limit State Analyzer“) genutzt. Mit der Prüfanlage in der Salzgitter Mannesmann Forschung (SZMF) können Rohre bei Vorhandensein bzw. bei Abwesenheit von Innendruck bis weit in den plasti- schen Bereich gebogen werden. Stichwörter: Full-Scale-Versuch, Dehnungsmessstreifen, Lichtleiter, Versagenskriterien, Beuldehnung Abstract – Effects of external loads and ground movements on pipelines significantly influence the induced strains and thereby the Strain Based Design aspects. The pipeline’s resistance to multi-axial load scenarios (internal pressure, along with pronounced longitudinal strains and multi-axial-stress states) is not fully solved yet. Full-scale testing is the only possible experimental way to determine the pipe be- haviour in the plastic regime. The present paper addresses a full-scale pipe bending device developed and put into operation at Salzgitter Mannesmann Forschung (SZMF). The “Limit State Analyzer (LiSA)” enables the experimental study of the strain-based pipeline behaviour subjected to internal pressure and bending load. Keywords: Full-scale testing, strain gauge, optical fiber, failure criteria, critical buckling strain 1 Einleitung Die Belastbarkeit von Leitungsrohren gegen lokale bzw. globale Verschiebungen und De- formationen ist abhängig von der Fähigkeit des Rohrmaterials, induzierte Dehnungen ohne Versagen zu ertragen. Die Bewertung des Belastungszustandes von Leitungsrohren unter multiaxialer Belastung erfordert umfassende Erkenntnisse über das plastische Verfor- mungsvermögen des Rohres, das sowohl von mechanischen als auch von geometrischen Rohreigenschaften abhängt. Dies erfolgt durch die Ermittlung von Grenzzuständen der Tragfähigkeit bzw. Gebrauchstauglichkeit unter Berücksichtigung der realistischen Belas- tungen beim Verlegen und in Betrieb. In Bezug auf plastische Verformungen (als Folge der Rohrbelastung) können unterschiedli- che Belastungsszenarien genannt werden: Innendruckbelastung, Axial- und Biegekraft (Bild 1).

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Bauteilversuche bei kombinierten Belastungen:Rohre unter Biegung und Innendruck

Full-scale Testing of Line Pipes Subjected to Combined Loading:Bending and Internal Pressure

H. Karbasian, S. Höhler, Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH, DuisburgC. Kalwa, Europipe GmbH, Mülheim a. d. Ruhr

H. Löbbe, Salzgitter Mannesmann Line Pipe GmbH, Hamm

Kurzfassung – Pipelines sind während ihrer Lebensdauer verschiedenen Belastungszenarien ausge-setzt. Diese Belastungen beeinflussen den Deformationszustand und damit die dehnungsbasiertenBemessungsaspekte (Strain Based Design). Biegekräfte, die zusätzlich zur Innendruckbelastung durchdas Transportmedium infolge externer Kräfte und Verschiebungen auftreten, können Folge von Boden-bewegungen sein. Die Belastungsprüfungen sind ein entscheidendes Instrument für die Ermittlung derVersagenskriterien unter den genannten Belastungsszenarien. Die Versuche werden als sogenannteFull-Scale-Versuche durchgeführt, d. h. die Versuche erfolgen in realistischer Dimension (MaßstabPrüfung zur Anwendung = 1:1). Dadurch werden die charakteristischen Rohreigenschaften infolge derjeweiligen Produktionsprozesse einschließlich etwaiger Eigenspannungen, Imperfektionen, Streuung derWerkstoffeigenschaften etc. geprüft. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde ein neuer Versuchsstand„LiSA“ („Limit State Analyzer“) genutzt. Mit der Prüfanlage in der Salzgitter Mannesmann Forschung(SZMF) können Rohre bei Vorhandensein bzw. bei Abwesenheit von Innendruck bis weit in den plasti-schen Bereich gebogen werden.

Stichwörter: Full-Scale-Versuch, Dehnungsmessstreifen, Lichtleiter, Versagenskriterien, Beuldehnung

Abstract – Effects of external loads and ground movements on pipelines significantly influence theinduced strains and thereby the Strain Based Design aspects. The pipeline’s resistance to multi-axial loadscenarios (internal pressure, along with pronounced longitudinal strains and multi-axial-stress states) isnot fully solved yet. Full-scale testing is the only possible experimental way to determine the pipe be-haviour in the plastic regime. The present paper addresses a full-scale pipe bending device developedand put into operation at Salzgitter Mannesmann Forschung (SZMF). The “Limit State Analyzer (LiSA)”enables the experimental study of the strain-based pipeline behaviour subjected to internal pressure andbending load.

Keywords: Full-scale testing, strain gauge, optical fiber, failure criteria, critical buckling strain

1 EinleitungDie Belastbarkeit von Leitungsrohren gegen lokale bzw. globale Verschiebungen und De-formationen ist abhängig von der Fähigkeit des Rohrmaterials, induzierte Dehnungen ohneVersagen zu ertragen. Die Bewertung des Belastungszustandes von Leitungsrohren untermultiaxialer Belastung erfordert umfassende Erkenntnisse über das plastische Verfor-mungsvermögen des Rohres, das sowohl von mechanischen als auch von geometrischenRohreigenschaften abhängt. Dies erfolgt durch die Ermittlung von Grenzzuständen derTragfähigkeit bzw. Gebrauchstauglichkeit unter Berücksichtigung der realistischen Belas-tungen beim Verlegen und in Betrieb.

In Bezug auf plastische Verformungen (als Folge der Rohrbelastung) können unterschiedli-che Belastungsszenarien genannt werden: Innendruckbelastung, Axial- und Biegekraft(Bild 1).

Bild 1: Dehnungskomponente eines Leitungsrohrs unter multiaxialer Belastung

Figure 1: Strain components in pipelines subjected to multi-axial loads

Innendruckbelastung

Das unter Druck (p) transportierte Medium verursacht in Leitungsrohren Spannungen inUmfangs-, Längs- und Wanddickenrichtung. Dadurch entsteht eine Zunahme des Umfangssowie eine Stauchung der Wanddicke.

Axialkraft

Eine Axialkraft kann durch die Überlagerung von möglichen thermischen Belastungen und derLängsbelastung infolge der Querkontraktion entstehen. Temperaturänderungen verursachenthermische Dehnungen, die aufgrund der Wärmeausdehnung die Leitung in axialer Richtungbelasten. Bedingt durch Querkontraktion hat eine Leitung unter Innendruck das Bestrebenkürzer zu werden. Weil das bei einer erdverlegten Leitung nicht möglich ist, entsteht einezusätzliche Axialkraft.

Biegekraft

Durch lokale Verschiebung der Pipeline in horizontaler oder vertikaler Richtung (Bodenbe-wegungen) entstehen Biegebeanspruchungen, die den Deformationszustand und damit diedehnungsbasierten Bemessungsaspekte der Pipeline beeinflussen (Bild 2). Die Eingangs-spannungen, die durch die Verlegezustände während der Bauzeit erzeugt werden, erhöhendie Gesamtbelastung einer Pipeline im Betrieb. Hier können z. B. das Kaltbiegen zur Er-zeugung von Rohrbögen oder moderne Verlegeverfahren wie z. B. Einpflügen oder Hori-zontalbohrungen für Onshore-Leitungen genannt werden. Ein besonderer Verlegezustand istder „Reeling-Prozess“, der bei Offshore-Leitungen eingesetzt wird. Dabei wird der ver-schweißte Leitungsstrang Onshore auf eine Trommel aufgewickelt und Offshore wieder ab-gewickelt und verlegt. Der Rohrstrang ist infolge der Biegedehnung durch das Auf- und Ab-wickeln plastisch vorverformt.

Bild 2: Leitungsbiegung infolge der Bodenbewegung und Bodenlast

Figure 2: Pipeline curvature from ground movements due to additional loads

pN N

p

Innendruck Axialkraft

Biegung

N Np x

x

xM M

p

x

p

Durch das Biegemoment steigt die Leitungskrümmung linear im elastischen Bereich. Danachbeginnt die Plastifizierung des Rohrmaterials. Im plastischen Bereich steigt das Biegemomentweiter an, weil die Wirkung der Materialverfestigung größer als der Einfluss derQuerschnittsdeformation auf die Rohrsteifigkeit ist. Beim Erreichen des maximalen Biege-moments tritt Beulenbildung ein. In Folge der geometrischen Instabilität (Beulenbildung) sinktdas erforderliche Biegemoment. Dabei ist die kritische Beuldehnung das entscheidendeKriterium bei dehnungsbasierten Bemessungsansätzen (Strain-Based-Design) von Leitun-gen, die eine zulässige Längsdeformation ohne Beulenbildung definieren.

Die Belastungsprüfung bei einem Full-Scale-Versuch kann mittels unterschiedlicher mecha-nischer Prinzipien durchgeführt werden (Bild 3).

Bild 3: Querkraft- und Biegemomentverteilung bei unterschiedlichen Biegemethoden

Figure 3: Bending methods and distribution of force and bending moment

Die mehraxialen Betriebszustände einer Rohrleitung kann durch den 4-Punkt-Biegeversuch(Bild 3, unten) realitätsnah simuliert werden. Durch eine querkraftfreie Biegezone mit kon-tantem Biegemoment können Rohre bis weit in den plastischen Bereich gebogen werden. Diewirkende Querkraft in der Beulzone (z. B. beim 3-Punkt-Biegeversuch [1], Bild 3, oben links)kann ein vorzeitiges Versagen des Rohres zur Folge haben. Der Querkraftfreie Biegeversuch(Bild 3, oben rechts) [2, 3, 4] ermöglicht die Biegung des Testrohres ohne zusätzliche Quer-kraft, mit dem Nachteil, dass die Rohrenden zum Vermeiden einer lokalen Deformation ver-stärkt werden müssen. Damit sind die Vorteile des 4-Punkt-Biegeversuches [4, 5] geringerelokale Querkräfte und ein homogenes Biegemoment ohne Querkraft im Messbereich. Auf-grund der genannten Argumente wurde der Versuchsstand „LiSA“ („Limit State Analyzer“)nach dem Prinzip der 4-Punkt-Biegemethode konstruiert und in der Salzgitter MannesmannForschung (Standort Duisburg) in Betrieb genommen.

2 Full-Scale-Versuchsanlage LiSAMit der Full-Scale-Versuchsanlage LiSA können mehraxiale Betriebszustände realitätsnahsimuliert werden. Dadurch werden die charakteristischen Rohreigenschaften infolge derjeweiligen Produktionsprozesse einschließlich etwaiger Eigenspannungen, Imperfektionen,Streuung der Werkstoffeigenschaften etc. geprüft.

Der Prüfstand LiSA ermöglicht sowohl die Prüfung mehraxialer Beanspruchungen (Kombi-nation aus Innendruck und Biegebelastung) von Rohren unterschiedlicher Herstellungspro-zesse (HFI-, SAWH- und UOE-Rohre), als auch die Simulation einer reinen Biegebean-spruchung.

Die Biegebeanspruchung wird in einem 4-Punkt-Biegeversuch erzielt, s. Bild 4. Die Rohr-abschnitte werden an beiden Enden aufgelagert. Die Biegekräfte werden quer zur Rohrachsein einem vorab definierten Hebelarm an den beiden Lasteinleitungspunkten mittels Hydrau-likzylinder aufgebracht, so dass zwischen den beiden Lastangriffspunkten ein Prüfbereich mitkonstantem Biegemoment vorliegt. Durch die zwei Lastangriffspunkte mit je zwei Prüfzylin-dern à 2,5 MN kann eine Gesamt-Biegekraft von 10 MN aufgebracht werden. Die Positionender Auflager- und Lastangriffspunkte sind entlang der Längsachse der Vorrichtung variabel.Dadurch können die Stützweiten den Rohrabmessungen individuell angepasst werden (Lmax =15,5 m). Eine optimierte Lasteinleitung führt zu Beulenbildung im Messbereich mit einemkonstanten Biegemoment.

Bild 4: Full-Scale-Versuchsanlage LiSA vor und nach dem Rohrbiegen

Figure 4: Four point bending device LiSA before and after bending of the pipe

Die maximale Geschwindigkeit der Hydraulikzylinder liegt bei 10 mm/min bei einem maxi-malen nutzbaren Hub von 1.100 mm. Die Hydraulikzylinder können synchronisiert oder ein-zeln gesteuert werden. Das ermöglicht unterschiedliche Belastungsszenarien beim Biegenoder Reeling. Die wichtigsten Kenngrößen der Versuchsanlage sind in Tabelle 1 zusam-mengestellt.

Tabelle 1: Kenngrößen von Full-Scale-Versuchsanlage LiSA

Table 1: Capability of SZMF full-scale test LiSA

max. Querkraft 4 x 2,5 = 10 MN

max. nutzbarer Hub 1.100 mm

max. Innendruck 450 bar

Rohrdurchmesser bis 1.422 mm

Wanddicke bis 40 mm

Rohrlänge bis 15.500 m

Stahlgüte bis X100 oder L690

3 Instrumentierung und VersuchsergebnisseDie Standardinstrumentierung des Prüfbereichs der Testrohre beinhaltet folgende Sensorenund Messvorrichtungen:

Biegekraft

Kraftmessung erfolgt durch integrierte Kraftmessdosen in den hydraulischen Zylindern(Bild 5). Damit kann die Biegekraft über der Zeit bzw. dem Biegeweg aufgenommen werden.

Bild 5: Instrumentierung der Testrohre im Biegebereich

Figure 5: Standard instrumentation of the test pipe in the bending zone

Bild 6 zeigt vier aufgenommene Kraft-Weg-Diagramme der Prüfung von UOE-X100-Rohren.Die Prüfrohre waren gleicher Abmessung (D x t = 914 x 13 mm), variierten jedoch in ihremWärmebehandlungszustand und in ihrer Innendruckbelastung während des Versuchs. ZweiRohre befanden sich im rohschwarzen Zustand nach der Rohrfertigung, mit der Kennzeich-nung „RS“, die anderen beiden Rohre waren wärmebehandelt und somit gealtert, gemäß des

Messebene A

Säule 1 Säule 2 Säule 3 Säule 4

Messebene B Messebene C

Seilz

ug-W

eg-

aufn

ehm

er1

Sei

lzug

-Weg

-au

fneh

mer

2

Sei

lzug

-Weg

-au

fneh

mer

3

DMS

1 2 3

Biegezone

Kraftmess-dose

Kraftmess-dose

Biegeweg

Bie

gekr

aft

Dehnung

Bie

gekr

aft

LängsrichtungUmfangs-richtung

Biegeweg

Krü

mm

ung

Beschichtungsprozesses mit PE-Coating, Kennzeichnung „PE“. Je ein Rohr beider Wärme-behandlungszustände war bei einem Innendruck von 100 bar geprüft worden, je ein Rohr bei130 bar Innendruck. Die Ergebnisse im Vergleich zeigen:

- Die Erhöhung des Innendruckes führt zur Beulenbildung bei größeren Krümmungen, d. h.die maximale Biegekraft verschiebt sich zu höheren Biegewegen.

- Durch den höheren Innendruck sinken die erreichten Biegeradien. Der Biegeweg bis zumErreichen des Biegeradius im Zeitpunkt des Einbeulens nimmt für die druckbeanspruchtenRohre zu.

- Durch den Alterungsprozess steigt die maximale Biegekraft. Die beiden „PE“-Rohre weiseneinen höheren elastischen Anstieg der Biegekraft auf als die beiden rohschwarzen Rohre(„RS“). Die Ursache sind die höheren Streckgrenzen des Rohrmaterials infolge der Wärme-alterung.

- Gleichzeitig werden im Falle der gealterten Rohre geringere Biegewege erreicht.

Bild 6: Vergleich der Biegekräfte der vier Versuche (UOE-Rohr X100, D x t = 914 x 13 mm)

PE: gealtert ; RS: rohschwarz

Figure 6: Comparison of bending forces of four tests (UOE pipe X100, D x t = 914 x 13 mm)

PE: aged ; RS: unaged

Dehnungsmessung

Die lokale Dehnungsverteilung des Testrohres wird standardmäßig durch Dehnungsmess-streifen (DMS) in mehreren Messebenen und unterschiedlichen Uhrlagen während desVersuches aufgenommen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Überwachung der Lei-tungsdeformation in Betrieb konnten die Dehnungen mithilfe eines Monitoringsystems er-folgreich gemessen werden. Das Monitoringsystem besteht aus Lichtleitersensoren, die aufdas Testrohr aufgeklebt werden, und einem Auswertegerät, das die Dehnungen entlang derinstallierten Lichtleiterkabel aufnehmen kann (Bild 7). Ein Funktionstest hat gezeigt, dass diebeste Anordnung der Lichtleiterkabel die spiralförmige Installation ist. Durch diese Entwick-lung können Verformungen einer Pipeline in allen Biegeachsen detektiert werden.

Bild 7: Dehnungsmessung mithilfe Dehnungsmessstreifen und Lichtleiterkabel

Figure 7: Strain measurement using strain gauge and fiber optic cable

Nach der Kalibrierung und Auswertung des aufgenommen Signals bei einem Biegeversuchdes UOE-Rohres X100 D x t = 914 x 13 mm konnten die gemessenen Dehnungen jedemAbschnitt des Kabels zugeordnet werden. Diese sind in Bild 8 bei Biegewegen L von 0 mmbis 500 mm zusammengefasst. Die maximalen Längsdehnungen wurden erwartungsgemäßauf der Zug- (+3,1%) bzw. Druckseite (-1,6%) gemessen. Es ist zu beachten, dass es beidiesen Dehnungen um integrale Werte handelt, die über eine Strecke entlang des Sensor-kabels gemittelt sind. Die gemessenen Dehnungen an den Spiralen lagen deutlich geringerals bei den Längskabeln. Das liegt daran, dass in Spiralrichtung nicht die gesamte Längs-dehnung des Rohres gemessen wird. Dies ist der entscheidende Vorteil der spiralförmigenInstallation des Lichtleiterkabels, weil die maximale Formbarkeit des Lichtleiterkabels bei ca.4% liegt. Zusätzlich tastet eine Spirale den gesamten Umfang der Leitung. Dadurch könnendie Verformungen in allen Biegeachsen detektiert werden.

Bild 8: Dehnungsmessung durch installierte Lichtleiterkabel (UOE-Rohr X100, D x t = 914 x 13 mm)

Figure 8: Strain measurement fiber optic cable (UOE pipe X100, D x t = 914 x 13 mm)

Krümmung

Drei Seilzug-Wegaufnehmer in drei Messebenen messen die vertikale Verschiebung derneutralen Faser des Testrohres (Bild 9). Anhand der aufgenommenen lokalen Biegewegekann der Biegeradius des Testrohres bis zur Beulenbildung berechnet werden.

Bild 9: Seilzug-Wegaufnehmer für die Messung des Biegewegs

Figure 9: Wire sensor for measuring of bending radius

Bild 10 zeigt die ermittelten Biegeradien und Biegekräften über den Biegeweg desHFI-Rohres X70 D x t = 609,6 x 9,5 mm und mit 100 bar Innendruck. Zu Beginn des Versuchszeigt der Kraft-Weg-Verlauf einen linearen Anstieg der Biegekraft bis ca. 50 mm Biegeweg. Indiesem Abschnitt wurde das Rohr elastisch verformt. Danach folgte die plastische Verfor-mung des Rohres mit dem weiteren Anstieg der Biegekraft bis zur Beulenbildung bei ca. 230mm Biegeweg und einer maximalen Biegekraft von ca. 756 kN. Der kritische Biegeradius imMoment des Beulens lag hier bei ca. 15 m.

Bild 10: Biegeradius und Biegekraft während des Biegevorgangs (HFI-Rohr X70 D x t = 609,6 x 9,5mm - pi = 100 bar)

Figure 10: Bending radius and bending force during the bending test (HFI pipe X70 D x t = 609.6 x 9.5mm - pi = 100 bar)

Seilzug-Weg-aufnehmer

Rohr

Eine Alternative zu den Seilzug-Wegaufnehmern stellt ein 3D-Scanner dar, der die Oberflä-che der Testrohre im Biegebereich digitalisiert (Bild 11). Der Einsatz des 3D-Scanners er-möglicht nicht nur die Ermittlung der Rohrkrümmung, wie im Falle der Seil-zug-Wegaufnehmer, sondern die umfangreichen Messdaten können den Rohrquerschnittund damit die Rohrovalität während des Biegevorgangs abbilden.

Bild 11: Digitalisierung der Rohroberfläche im Biegebereich mithilfe eines 3D-Scanners(FARO-System)

Figure 11: Surface and buckle digitizing of the pipe during the bending using 3D scanner

4 FE-Simulation des BiegeversuchsDie FE-Simulation wurde für die Optimierung der Lasteinleitung verwendet und ist ein Hilfs-mittel für die Vorhersage des Verformungszustands beim Biegevorgang.

Das Ziel der FE-Simulation ist die Modellierung des Vier-Punkt-Biegeversuchs unter Be-rücksichtigung der Randbedingungen der LiSA-Anlage (Innendruck, Lasteinleitung, Kon-taktbedingungen usw.). Als Grundlage für die Simulation wird die Belastungssimulation zu-nächst in ein mechanisches Modell übertragen. Dabei werden die Rohrenden mittels nichtformbarer Schalen gelagert. Die Schalen übertragen die Lagerkräfte in das Bauteil. DieLasteinleitung erfolgt durch zwei weitere Schalen, die durch entsprechende Randbedingun-gen in ihrer Bewegung eingeschränkt sind (Bild 12). Das Rohr selbst wird mit deformierbarenSchalenelementen abgebildet und in der Mitte in zwei Partitionen geteilt. Die Partitionierungist notwendig, um numerische Stabilität zu erreichen.

Bild 12: FE-Modell für die Simulation des 4-Punkt-Biegeversuchs

Figure 12: FE simulation of 4 point bending test

F

F

Rohr

Auflager

Symmetrieebene

F

F

5 ZusammenfassungMit der Full-Scale-Versuchsanlage LiSA konnten mehraxiale Betriebszustände bis weit in denplastischen Bereich realitätsnah simuliert werden.

Die Belastungsprüfungen sind das entscheidende Instrument für die Ermittlung derVersagenskriterien von Leitungsrohren bei Dehnungsinduzierter Belastung. Durch die er-worbenen Kenntnisse aus den durchgeführten Full-Scale-Versuchen könnten die bei demBetrieb bzw. bei der Verlegung der Leitungsrohre charakteristischen Grenzzustände ermitteltwerden.

Mithilfe einer umfassenden Messvorrichtung konnten Biegekräfte, Biegeradien, Rohrovalitä-ten, Beulgeometrien und Dehnungskomponenten in der Biegezone gemessen werden. DieGegenüberstellung der Kraft-Weg-Verläufe der durchgeführten Versuche bei unterschiedli-chen Innendrücken und Wärmebehandlungszuständen zeigte, dass:

- eine Steigerung des Innendruckes zu einer späteren Beulenbildung bei größeren Krüm-mungen führt, d. h. die maximale Biegekraft wird bei höheren Biegewegen erreicht.

- durch den Alterungsprozess die maximale Biegekraft steigt.

- die gealterten Rohre einen größeren elastischen Bereich im Vergleich zu den rohschwarzenRohren haben. Das bestätigt die beobachtete Erhöhung der Streckgrenze infolge der Wär-mealterung.

Zusätzlich konnte die Funktionalität eines Monitoringsystems bestehend aus Lichtleiterkabelnfür die Überwachung der Pipelineverformungen erfolgreich getestet werden.

Die Versuchsanlage LiSA wurde eigens für die Zwecke dehnungsbasierter Bemessungs-konzepte (Strain Based Design) konzipiert und gebaut. Die Anlage wird für die Prüfung allerrelevanten Herstellungsprozesse (HFI-, SAWH- und UOE-Rohre) und Stahlgüten (bis X100)eingesetzt.

Literatur[1] Sherman D. R.: Tests of circular steel tubes in bending. J. Struct Div ASCE 1976 (ST11), pp. 2181

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[4] Shitamoto H., Hamada M., Takahashi N. and Nishi Y.: Effect of Full Scale Pipe Bending TestMethod on Deformability Results of SAW Pipes. Proceedings of the 22nd International Offshoreand Polar Engineering Conference, ISOPE 2012, pp. 557 - 563.

[5] Fonzo A., Ferino J. and Spinelli C. M.: Pipeline Strain-Based Design Approach: FEM throughFull-Scale Bending Tests. Proceedings of the 22nd International Offshore and Polar EngineeringConference, ISOPE 2012, pp. 497 - 503.