BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009 · Auch die Studie der Weltbank „The Global Monitoring...
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BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Ursachen und Folgen des Klimawandels durch urbane Konzepte begegnen
Skizzierung einer klimawandelgerechten Stadtentwicklung
Impressum
Herausgeber
Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)im Bundesamt für Bauwesenund Raumordnung (BBR)
Bearbeitung
Technische Universität Dortmung (Auftragnehmer)Prof. Dr. Stefan Greiving, Dr. Mark Fleischhauer, Sven Rannow, Dr. Andrea Rüdiger, Andreas Stefansky
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bonn (Auftraggeber)Dr. Fabian Dosch (Leitung)
Vervielfältigung
Alle Rechte vorbehalten
Zitierhinweise
BMVBS / BBSR (Hrsg.): Ursachen und Folgen des Klimawandels durch urbane Konzepte begegnen. BBSR-Online-Publikation 22/2009. urn:nbn:de:0093-ON2209R158
Die vom Auftragnehmer vertretene Auffassung ist nicht unbedingt mit der der Herausgeber identisch.
ISSN 1868-0097urn:nbn:de:0093-ON2209R158 © BMVBS / BBSR September 2009
Ein Projekt des Forschungsprogramms „Experimenteller Wohnungs und Städtebau“ (Ex-WoSt) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 1
Inhaltsverzeichnis
1. VORWORT.................................................................................................................................... 3
2. ZIELE DER VORSTUDIE „KLIMAWANDELGERECHTE STADTENTWICKLUNG“ ................. 6
3. GRUNDLAGEN UND RAHMENBEDINGUNGEN FÜR KLIMASCHUTZ UND -ANPASSUNG.. 9 3. 1 STADTKLIMAWANDEL................................................................................................................. 9 3. 2 ROLLE DER BESTEHENDEN INSTRUMENTE DES STÄDTEBAURECHTS UND DES ENERGETISCHEN FACHRECHTS ................................................................................................................................ 10 3. 3 SOZIALE DIMENSION DES KLIMAWANDELS ................................................................................ 12
4. LEISTUNGSPOTENZIALE DER STADTENTWICKLUNG ........................................................ 15 4. 1 EINLEITUNG............................................................................................................................ 15 4. 2 MENSCHLICHE GESUNDHEIT.................................................................................................... 19 4. 3 ENERGIE ................................................................................................................................ 23 4. 4 WASSERHAUSHALT ................................................................................................................. 26 4. 5 TECHNISCHE UND SOZIALE INFRASTRUKTUR............................................................................. 29 4. 6 VERKEHR ............................................................................................................................... 32 4. 7 FREIRÄUME UND GRÜNFLÄCHEN.............................................................................................. 35 4. 8 LUFTHYGIENE ......................................................................................................................... 37 4. 9 TOURISMUS UND KULTURERBE ................................................................................................ 40 4. 10 LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT ............................................................................................. 42 4. 11 KOOPERATIVES UND KOORDINIERENDES HANDELN DER VERWALTUNGEN ................................ 45
5. DEFIZITE DER STADTENTWICKLUNGSPRAXIS UND MÖGLICHE HANDLUNGSANSÄTZE......................................................................................................................................................... 49
5. 1 MATERIELLE HANDLUNGSANSÄTZE .......................................................................................... 49 5. 2 PROZEDURALE HANDLUNGSANSÄTZE....................................................................................... 51
6. LITERATUR ................................................................................................................................ 55
Inhalt BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 2
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die verschiedenen Identitäten der Stadtentwicklung ................................................. 16
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Klimaanpassungsmaßnahmen der Deutschen Anpassungsstrategie und ihre demographische und soziale Relevanz sowie die Bedeutung für die Modellvorhaben.. 14
Tabelle 2: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld menschliche Gesundheit 19
Tabelle 3: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld Energie ........................... 23
Tabelle 4: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld Wasserhaushalt .............. 26
Tabelle 5: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld technische und soziale Infrastruktur ..................................................................................................................... 30
Tabelle 6: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld Verkehr ........................... 33
Tabelle 7: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld Freiräume und Grünflächen........................................................................................................................................ 35
Tabelle 8: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld Lufthygiene ..................... 38
Tabelle 9: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld Tourismus und Kulturerbe........................................................................................................................................ 40
Tabelle 10: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld Landwirtschaft............... 42
Tabelle 11: Leistungspotentiale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld Forstwirtschaft .............. 44
Tabelle 12: Zuständigkeiten im Hochwasserschutz am Beispiel Bayerns ...................................... 46
Tabelle 13: Organisationsformen der interkommunalen Kooperation............................................. 47
Inhalt BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 3
1. Vorwort
ExWoSt-Forschungsfeld „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung“
Vorwort zur Online-Publikation 22/09 Städte und Stadtregionen sind vom Klimawandel besonders betroffen und
gleichzeitig wesentliche Verursacher des Klimawandels. Vorausschauende Planung
ist sowohl als Beitrag zum Klimaschutz als auch als Strategie zur Minderung bzw.
Abwehr unvermeidbarer Wirkfolgen des Klimawandels erforderlich. Wie das
konkret gehen soll, ist aber bisher allenfalls sektoral und eher vor dem
Hintergrund spezifischer Fragestellungen erarbeitet worden.
Die im Dezember 2008 verabschiedete Deutsche Anpassungsstrategie an den
Klimawandel weist insbesondere auf die steigende Hitzebelastung hin: „Eng
bebaute städtische Regionen können sich im Sommer wie Backöfen aufheizen –
was für die Bewohnerinnen und Bewohner unangenehm und ungesund ist. Für
Durchzug sorgt dagegen die Verbindung zu Wäldern und anderen Gebieten mit
kühlerer Luft. Diese Luftwege oder Klimaschneisen offen zu halten ist eine
wichtige Aufgabe von Raumordnung, Regionalplanung und Stadtentwicklung“
(Bundesregierung 2008).
Die Studie „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung“ (nachfolgend: Vorstudie) im
Forschungsfeld Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) bereitet die
ExWoSt-Modellvorhaben „Urbane Konzepte zum Klimawandel“ vor. Die ExWoSt-
Modellvorhaben werden von Ende 2009 bis zum Frühjahr 2012 in den zwei
Forschungsschwerpunkten a) Kommunale Strategien und Potenziale und b)
Immobilien- und wohnungswirtschaftliche Strategien durchgeführt. Denn gebaute
Infrastruktur hat aufgrund ihrer Langlebigkeit eine besondere Bedeutung für den
Klimawandel. Anpassung ist schon jetzt eine drängende Aufgabe, auch wenn
allgemein der Klimawandel sich in Stadtregionen Deutschlands vermutlich erst in
einigen Jahrzehnten massiv – und regional unterschiedlich - auswirken wird.
Die Vorstudie baut auf abgeschlossenen und laufenden Forschungsprojekten mit
Bezug zur Stadtentwicklung auf. Erfahrungen aus Forschungsprojekten von
BMVBS und BMU sowie aus ausgewählten Projekten des BMBF Förderprogramms
klimazwei, transnationalen INTERREG Projekten, bundesländerspezifischen sowie
internationalen Erfahrungen werden ebenfalls in die Vorstudie einbezogen.
Welchen Beitrag die Stadtentwicklung konkret zum Klimawandel leisten kann und
muss, wurde in der Vorstudie wissenschaftlich mit Expertisen aufbereitet und in
zwei Workshops mit Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis diskutiert. Dabei
standen jeweils der Stadtklimawandel und die Leistungspotenziale der
Vorwort BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 4
Stadtentwicklung im Vordergrund der Veranstaltungen. Als Leistungspotenzial
wurden dabei alle Möglichkeiten bezeichnet, die eine Kommune hat, um im
Aufgabenbereich der Stadtentwicklung, z.B. durch die Erarbeitung und
Umsetzung von spezifischen Maßnahmen, Handlungsansätzen, Sach- und
Dienstleistungen zur Anpassung an den Klimawandel beizutragen.
Kommunale Klimaschutzkonzepte sind bereits seit vielen Jahren weit verbreitet.
Maßnahmen zur Anpassung an den unvermeidbaren Klimawandel hingegen haben
bisher nur wenige, meist große Städte gestartet. Gerade den mittleren und
kleineren Kommunen bzw. Gemeindeverbünden fehlen oft Personal, Know how
und Ressourcen, um entsprechende Anpassungsstrategien anzugehen. Besonders
hier setzen die ExWoSt-Vorstudie und die Modellvorhaben an. Sie sollen Städte
aber auch die regionale Wirtschaft mit beschränkten Ressourcen bei ihren
Maßnahmen zu einer widerstandsfähigen, d.h. klimawandel-resilienten
Stadtentwicklung unterstützen.
Kern der Vorstudie ist die Entwicklung integrierter urbaner Handlungskonzepte
zum Klimaschutz und zur Anpassung an Klimaänderungen. Im Zentrum steht
dabei die Erarbeitung, dauerhafte Weiterentwicklung und modellhafte Erprobung
eines integrierten „Kommunalen Strategie- und Aktionssets Klimawandel“ in Form
eines Entscheidungsunterstützungswerkzeuges, das in drei Werkstätten in
Gemeindetypen repräsentierenden Kommunen (München, Bocholt, Bad
Liebenwerda) im Zeitraum Juli-September 2009 getestet wurde. Maßstabsebene
sind Stadt und Stadtregion, in Einzelfällen auch das Quartier.
Viele Gemeinden und Stadtregionen haben sich bisher noch nicht oder nur wenig
mit dem Themenfeld Anpassung auseinandersetzen können. Diese
Veröffentlichung bietet dazu eine Hilfestellung und Hintergrundinformationen,
indem Eckpunkte eines städtischen und stadtregionalen Handlungs- und
Aktionsrahmens Klimaanpassung vorgestellt werden, die auch einen schnellen
Einstieg für kommunale Entscheidungsträger bieten. Die vorliegende Publikation
wurde zum Start des Aufrufes zur Beteiligung an den Modellvorhaben „Urbane
Konzepte zum Klimawandel“ am 24.September 2009 frei geschaltet und skizziert
das Leistungspotenzial der Stadtentwicklung zum Klimawandel, indem
Grundlagen und Rahmenbedingungen für Klimaschutz und –anpassung
dargestellt,
Im Kern Leistungspotenziale der Stadtentwicklung in 9 Handlungsbereichen
sowie querschnittsorientiert dargelegt und
mögliche Handlungsansätze zur Überwindung von Defiziten aufgezeigt
werden.
Die Publikation ist aus einer gleichnamigen Expertise entstanden und bildet den
Auftakt von insgesamt fünf Online-Publikationen der Vorstudie. Mit der Publikation
Vorwort BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 5
soll den potenziellen Bewerbern für die Modellvorhaben Material an die Hand
gegeben werden, konkrete einzelne Maßnahmenbereiche, wie sie auch in dem
Entscheidungsunterstützungswerkzeug webgestützt Eingang finden werden, für
Ihre Kommune auszuwählen und für ein integriertes, auf die örtlichen Probleme
zugeschnittenes Handlungskonzept aufzubereiten. Natürlich bleibt das Konzept
auch nach Ende der Ausschreibungsfrist für alle Interessierten aktuell. Es wird
fortgeschrieben werden, wenn neue Erkenntnisse aus den Modellvorhaben
vorliegen.
Im Laufe des Oktobers 2009, also noch während der Bewerbungsphase 24.09. –
31.10., ist vorgesehen, potenziellen Bewerbern weitere Informationen
anzubieten. Dabei werden die für die Vorstudie erarbeiteten Expertisen in vier
weiteren Online-Publikationen aufbereitet, die folgend Themen behandeln:
Wirkfolgen des Klimawandels im urbanen Raum
Rolle der bestehenden städtebaulichen Leitbilder und Instrumente
Umgang mit dem Klimawandel in der planerischen Praxis
Climate-Proof Planning
Der Maßnahmenkatalog zum Leistungspotenzial der Stadtentwicklung wird vor
dem Hintergrund der Erfahrungen, nicht nur in den Modellstädten, stetig
verfeinert. Zum Schluss bleibt noch der Hinweis, dass konstruktive Anregungen
an die Auftragnehmer oder das BBSR herzlich willkommen sind!
Vorwort BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 6
2. Ziele der Vorstudie „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung“ Planerisches Handeln ist für die Reduzierung der Vulnerabilität sowie den
gezielten Aufbau von Klimaschutz- und Anpassungskapazitäten gegenüber den
Einwirkungen des Klimawandels von zentraler Bedeutung (vgl. Stern 2006, IPCC
2007). Auch die Studie der Weltbank „The Global Monitoring Report 2008“, die
den Klimawandel und die Millenniumsentwicklungsziele zum zentralen Gegenstand
hat, kommt zu dem Schluss, dass ein wesentliches Handlungsfeld für den
Umgang mit den Folgen des Klimawandels die Entwicklung adaptiver
Stadtentwicklungs- und Urbanisierungsprogramme ist (vgl. World Bank 2008).
Die Bedeutung dieses Aspekts wird auch mit der vom Bundeskabinett am 17.
Dezember 2008 beschlossenen „Deutschen Anpassungsstrategie an den
Klimawandel“ deutlich. Dort heißt es: „Räumliche Planung kann mit den bereits
bestehenden rechtlichen und planerischen Instrumenten sowohl Klimaschutz als
auch Anpassung unterstützen. Möglicherweise häufiger auftretende Naturgefahren
können dazu führen, dass natürliche Ressourcen nur noch eingeschränkt genutzt
werden können. Gleichzeitig besteht ein hoher Nutzungsdruck, da Anpassungs-
maßnahmen oft ebenfalls Raum beanspruchen. Die Raumplanung kann mit der
Entwicklung von Leitbildern für anpassungsfähige und belastbare (resiliente)
Raumstrukturen eine Vorreiterrolle übernehmen, die gegenüber den
Auswirkungen aller gesellschaftlicher Veränderungsprozesse auf die Raumstruktur
robust und flexibel reagiert“ (Bundesregierung 2008: 42).
Dabei werden von der ARGEBAU (2008) Klimaschutz, Klimaanpassung und auch
der demographische Wandel als untrennbare Elemente einer integrierten
Stadtentwicklung angesehen. Die Herausforderung besteht darin, hier Synergien
und Zielkonflikte zu erkennen und in der planerischen Abwägung zu bewältigen.
Der Klimawandel erfordert in den Städten und Stadtregionen daher eine
dreigleisige Strategie: die Entwicklung von Strategien zum Schutz vor (Mitigation)
und zur Anpassung an den Klimawandel (Adaptation) sowie die Abstimmung der
Maßnahmen mit anderen drängenden Aufgaben der nachhaltigen
Stadtentwicklung.
Vor diesem Hintergrund zielt das ExWoSt-Projekt „Klimawandelgerechte Stadt-
entwicklung“ auf eine klimawandelgerechte Stadtentwicklung primär durch
integrierte Ansätze zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel
mittels planerischer Vorsorge in Stadt und Stadtregion. Damit sollen
Modellvorhaben für „Urbane Konzepte zum Klimawandel“ vorbereitet werden, die
ab Ende 2009-2012 durchgeführt werden.
Ziele der Vorstudie BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 7
Kern der Vorstudie ist die Entwicklung integrierter urbaner Handlungskonzepte
zum Klimaschutz und zur Anpassung an Klimaänderungen. Maßstabsebene sind
Stadt und Stadtregion, in Einzelfällen auch das Quartier. Thematische
Schwerpunkte liegen bei klimawandelgerechter Stadtentwicklung, Anpassung,
Infrastruktur, Wasserhaushalt und Hochwasserschutz. Gegenstand sind auch
Katastrophen- und Bevölkerungsschutz, demographischer Wandel /
Gesundheitsvorsorge, Naturschutz und Bodenschutz. Baulich-technischer
Klimaschutz, etwa im Gebäudebereich oder Wohnungswesen wird nur im Kontext
von Maßnahmenkonzepten für das integrierte Gesamtkonzept betrachtet.
Im Mittelpunkt der hier vorliegenden Publikation stehen mit Kap. 4 die
Leistungspotenziale der Stadtentwicklung, ohne dabei relevante Rahmen-
bedingungen wie den Stadtklimawandel und den bestehenden rechtlichen
Rahmen (Kap. 3), oder die bestehenden Defizite der Stadtentwicklungspraxis und
mögliche Handlungsansätze (Kap. 5) auszublenden.
Im Rahmen der Vorstudie ist bislang ein Wissensfundus erarbeitet worden, der
aus folgenden Expertisen besteht:
• Stadtklimawandel
• Governance
• Climate-Proof Planning
• Rolle der bestehenden planerischen und rechtlichen Instrumente
• Förderprogramme
• Leitbilder
• Best Practice
• Ex-Post-Analyse kommunaler Klimaschutzkonzepte
• Leistungspotentiale der Stadtentwicklung und Environmental Justice
und noch Gegenstand weiterer, eigenständiger nachfolgender Publikationen sein
werden (vgl. entsprechende Hinweise in Kap.1 sowie Kap 5.1).
Dieser Wissensfundus fließt in ein Entscheidungsunterstützungswerkzeug ein, das
gerade kleineren und mittleren Kommunen bei der Auswahl geeigneter
Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zur Seite stehen soll. Logik und
Funktionsweise des Werkzeuges werden am Ende dieser Veröffentlichung
erläutert (Kap. 5.2). Vorgeschlagen wird u.a. ein „Climate-Proof-Bericht“, der
zum einen die Ergebnisse regionaler Klimaszenarien und zum anderen die
zentralen Aussagen einer Expositions- und Vulnerabiltätsanalyse dokumentieren
könnte. Darüber hinaus sollte der Bericht insbesondere Aussagen darüber
enthalten, wie auf die zunehmende Exposition und Vulnerabilität reagiert wird und
welche Zielsetzungen im Plan, Programm oder Projekt besonders die Resilienz
Ziele der Vorstudie BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 8
und Anpassungsfähigkeit der Planung sicherstellen sollen. Ein Ansatz zur
Gewährleistung eines Climate Proofing besteht in der Verwendung eines
Entscheidungsunterstützungswerkzeuges (Decision Support System -
DSS).
Ziele der Vorstudie BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 9
3. Grundlagen und Rahmenbedingungen für Klimaschutz und -anpassung
3. 1 Stadtklimawandel Die Stadtklimatologie ist seit Jahrzehnten ein etabliertes Forschungsfeld. Neben
einer Reihe von Publikationen, die ausschließlich diesem Thema gewidmet sind
(z.B. Kratzer 1956, Landsberg 1981, Helbig et al. 1999), ist auch in den meisten
aktuellen meteorologischen Standardwerken dem Thema ein eigenes Kapitel
gewidmet (z.B. Schönwiese 2008, Hupfer & Kuttler 2006, Lauer & Bendix 2006).
Trotz des bestehenden hohen Wissensstandes hat der Klimawandel der Forschung
einen neuen Impetus gegeben. Dabei rücken neben den historisch prägenden
Feldern der Human-Biometeorologie mit Schwerpunkt auf den thermisch-
hygrischen und lufthygienischen Wirkungskomplexen nun auch technisch-
meteorologische Aspekte in den Mittelpunkt der Betrachtungen.
Die Zukünftigkeit des Klimawandels bewegt die Stadtklimatologie aber auch aus
dem Bereich der rein deskriptiven Naturwissenschaften. Zwar gibt es seit jeher
Bestrebungen die Ergebnisse von Klimaanalysen in Hinweise für die Planung zu
übertragen (z.B. Horbert 2000, Reuter et al. 1991, Schmalz 1984, Scherer et al.
1999), diese fanden aber bis dato nur verhaltenen Widerhall in der
Planungspraxis. Im Umgang mit dem Klimawandel dürfte in der Überbrückung der
Lücke, von der deskriptiven Erfassung hin zu normativen Aussagen, eine der
wichtigsten Aufgaben für die angewandte Forschung liegen.
Der urbane Raum ist durch die negativen Folgen des Klimawandels in besonderer
Weise betroffen. Zum einen sind hier Vermögenswerte, Einrichtungen und
empfindliche Personengruppen konzentriert, so dass klimatische Veränderungen
ein erhebliches Schadenspotenzial entfalten können. Zum anderen werden die
meisten klimatischen Veränderungen durch die besonderen Charakteristika des
urbanen Raumes in ihrer Wirkung weiter verstärkt.
Die klimatischen Veränderungen, die sich auf den urbanen Raum auswirken,
betreffen dabei sowohl die durchschnittlichen Bedingungen (wie z.B. die
Jahresmitteltemperatur) als auch die Anzahl und die Stärke von Extrem-
ereignissen. Die Probleme, die dadurch ausgelöst werden sind von sehr
unterschiedlicher Natur. So können häufigere und heftigere Extremereignisse (wie
z.B. Flusshochwässer, Hitzewellen und Starkregenereignisse) zu Schäden an der
Bausubstanz und zur Gefährdung der Bewohner führen, während die
schleichenden Veränderungen (wie z.B. von Niederschlagsverhältnissen)
veränderte Ansprüche an Bausubstanz und Infrastruktureinrichtungen (z.B.
Kanalisation und Verkehrswege) auslösen (vgl. auch BMVBS/BBSR 2008). Sowohl
Extremereignisse als auch schleichende Veränderungen haben direkte
Grundlagen und Rahmenbedingungen BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 10
Auswirkungen (wie z.B. die Zunahme der Hitzebelastung), lösen aber auch
indirekte Folgen aus (wie z.B. eine Veränderung des Energiebedarfes für die
Kühlung). Insbesondere die indirekten Wirkungen sind dabei schwer
abzuschätzen, da viele andere Faktoren und Entwicklungen auf sie einwirken.
Bei der Betrachtung der Folgen des Klimawandels im urbanen Raum müssen
demnach sowohl die schleichenden klimatischen Veränderungen als auch
Veränderungen der Extremereignisse betrachtet werden. Gleichzeitig müssen
direkte und indirekte Wirkungen unterschieden werden. Auf die einzelnen
Wirkfolgen geht die BBSR-Online-Publikation Nr. 23/09 „Klimawandelgerechte
Stadtentwicklung: Wirkfolgen des Klimawandels“ im Einzelnen ein.
Eine weitere Unterscheidung beim Umgang mit dem Klimawandel gilt der
Differenzierung zwischen der Analyse von Problemen und der Entwicklung von
Handlungsempfehlungen. Dies zeigt sich insbesondere bei dem Betrachtungs-
gegenstand und dem Maßstab, die jeweils zu Grunde gelegt werden. Die Analyse,
d.h. eine Beschreibung, an welcher Stelle eventuell welche Wirkfolgen des
Klimawandels auftreten könnten, lässt sich – eine ausreichende
Operationalisierung vorausgesetzt – auch auf einer sehr kleinteiligen
Betrachtungsebene wie z.B. für ein Stadtquartier durchführen. Die Maßnahmen
allerdings, die diesen Problemen Abhilfe schaffen können, bedürfen vielfach einer
übergeordneten Betrachtungsebene. So kann z.B. der Schaden der durch
häufigere Überschwemmungen entstehen kann, mit Hilfe von Modellen auf sehr
kleinräumiger Ebene betrachtet werden. Die Beschränkung von Handlungen auf
diese Betrachtungsebene würde aber effektive Anpassungsmaßnahmen, wie z.B.
den integrierten Hochwasserschutz am Oberlauf von Fließgewässern, verhindern.
Im Gegensatz zur Problembeschreibung müssen die Handlungsempfehlungen also
in jedem Fall auf die Stadt in ihrem Gesamtkontext und auch ihre regionalen
Bezüge ausgerichtet sein. Sie richten sich daher gezielt an die Stadt- und
Regionalentwicklung, wobei erstere aufgrund des Projektfokus im Mittelpunkt
steht. Der Maßstab der Problemanalyse ist hierbei nicht automatisch die beste
Ebene für die Problemlösung.
3. 2 Rolle der bestehenden Instrumente des Städtebaurechts und des energetischen Fachrechts Der Klimawandel ist in seiner Bedeutsamkeit für die Raum- und Stadtplanung
nicht automatisch erkennbar. Natürlich hat jedes Ereignis eine räumliche
Dimension des Auftretens und breitet sich über bestimmte Verbreitungspfade
(Boden, Wasser, Luft) im Raum aus. Nicht jede Klimafolge ist aber unmittelbar
relevant für die Stadt- und Raumplanung. Diese Relevanz gilt zumindest immer
dann, wenn der Umgang mit dem Klimawandel bzw. dessen Folgen
Grundlagen und Rahmenbedingungen BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 11
raumbedeutsam im Sinne des § 1 Abs. 1 bzw. § 7 Abs. 3 ROG sind (also
eine überörtliche, überfachliche Betrachtung erfordern, weil ihre
Auswirkungen bzw. Vermeidungs- und/oder Bewältigungsstrategien von
überörtlicher Bedeutung sind) und/oder
einen konkreten Bezug zur Bodennutzung aufweisen (vgl. Art. 74 Abs. 1
Nr. 18 GG i. V. m. § 1 Abs. 1 BauGB), womit sie in der Bauleitplanung zu
behandeln sind, weil die räumlichen Auswirkungen die bauliche und
sonstige Nutzbarkeit des Bodens einschränken (vgl. § 5 Abs. 2 b Nr. 1
BauGB) und/oder Flächen für besondere Vorkehrungen gegenüber ihren
Einwirkungen benötigt werden (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 16 und 24 BauGB).
Der Klimawandel ist dann raumplanungsrelevant, wenn mit Hilfe
raumplanerischer Instrumente Eintrittswahrscheinlichkeit, Intensität oder
Konsequenz von Klimafolgen für bestimmte Entstehungs- und/oder
Betroffenheitsräume beeinflussbar sind oder planerische Anpassungsstrategien
gestaltet werden können. Dies gilt z.B. sicher nicht für die Ausbreitung von
Krankheiten oder die Verschiebung von Vegetationszonen. Für die Praxis ist es
erforderlich zu prüfen, welche der Auswirkungen des Klimawandels im jeweiligen
Planungsraum auftreten können, weil hier Gefahrenquellen lokalisiert sind
und/oder sich räumliche Auswirkungen von schleichenden Veränderungen der
Klimaparameter (wie z.B. Temperatur und Niederschlag) in einer
unterschiedlichen Größenordnung manifestieren können.
Der allgemeine Klimaschutz geht über den engen stadtklimatischen Bezug hinaus,
wie der Belang „Klima“ im BauGB lange verstanden worden war. Dieser
allgemeine Klimaschutz ist in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB normiert: „Die Bauleitpläne
sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen,
wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung
gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem
Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Sie
sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die
natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in
Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz, sowie die städtebauliche Gestalt
und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.“
Für den Handlungsbereich der Maßnahmen, die unmittelbar auf die Reduktion von
CO2-Emissionen von Gebäuden abzielen, ist eine Abstimmung mit den
Regelungsinhalten der Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) und des
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) erforderlich.
Ein besonderes Augenmerk ist auf die Stadtumbaumaßnahmen zu legen.
Insbesondere bei Maßnahmen im Bestand, der bei weitem den größten Anteil an
Energieeinsparpotenzial auf sich vereinigt, sind die Kommunen auf die
Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer bzw. Bewohner angewiesen. Damit bieten
Grundlagen und Rahmenbedingungen BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 12
sich konsensuale Verfahrensweisen an. Stadtumbaumaßnahmen (§§ 171 a – 171
d BauGB) dienen der Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen in von
erheblichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten. Die Bedeutung für den
Klimaschutz besteht insbesondere im Rückbau ungenutzter baulicher Strukturen.
Dies sollte zur Stärkung kompakter Stadtstrukturen vornehmlich an
Siedlungsrändern erfolgen.
Während dem Klimaschutz mittlerweile im Bauplanungsrecht und im
energetischen Fachrecht eine große Bedeutung beigemessen wird, gilt dies für die
Klimaanpassung ganz und gar nicht, wie auch Söfker einräumt (Söfker 2009).
Dennoch sind Klimaschutz und -anpassung als untrennbare Bestandteile einer
integrierten Stadtentwicklungsstrategie anzusehen. Dies machte auch die
Bauministerkonferenz in ihrem Beschluss vom 14. März 2008 deutlich, in dem sie
vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, des Klimaschutzes und der
Klimafolgenanpassung für eine integrierte, nachhaltige Stadtentwicklung plädiert
hat (ARGEBAU 2008).
Auf die Bedeutung der einzelnen Instrumente geht die BBSR-Online-Publikation
Nr. 24/09 „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung: Leitbilder und Instrumente“
näher ein.
3. 3 Soziale Dimension des Klimawandels Environmental Justice geht der Frage nach, „welche Bevölkerungsgruppen
durch Umweltschadstoffe besonders stark belastet werden, und wie eine gerechte
Verteilung dieser Belastung aussehen könnte“ (Mielck, Heinrich 2001: 1).
Die Feststellung einer (sozialen) Ungleichheit bedeutet jedoch noch nicht, dass sie
auch ungerecht ist und einer (planerischen) Abhilfe bedürfe. Die Ungleichheit
bedarf zunächst dem Begriff – und einer näheren Eingrenzung – der
Gerechtigkeit, um bewertet werden zu können (Elvers 2005). Gerechtigkeit kann
im Sinn einer sachlichen Prüfung der Ungleichheiten nach vier Aspekten
gegliedert werden (Maschewsky 2004):
Chancengerechtigkeit bedeutet, dass alle Gesellschaftsgruppen die
gleichen Chancen/Risiken haben, von umweltverändernden Einrichtungen
betroffen zu werden
Verteilungsgerechtigkeit bedeutet die Verteilung von Vor- und Nachteilen
durch die Einrichtung
Vorsorgegerechtigkeit ist die Minderung von Eingriffen in die Umwelt
Verfahrensgerechtigkeit stellt eine Gleichbehandlung aller Beteiligten sicher
Grundlagen und Rahmenbedingungen BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 13
Bezogen auf den Klimawandel ist die Environmental-Justice-Frage in ihrer
intragenerationalen Dimension relevant, denn der Klimawandel dürfte
insbesondere von denjenigen sozialen Gruppen und an den Orten als besonders
gravierendes Problem wahrgenommen werden, wo bereits eine Betroffenheit
durch Alterungs- und Schrumpfungsprozesse vorliegt. Die hierdurch ausgelöste
Angebotsverschlechterung (z. B. im sozialen Bereich) und finanzielle Belastungen
(etwa steigende Fixkosten im Bereich der technischen Infrastruktur) treffen dabei
auf die, sich durch den Klimawandel verändernden Anforderungen mit dem
hierdurch ausgelösten Investitionsbedarf. Besondere Aufmerksamkeit bei der
Diskussion der Frage von Umweltgerechtigkeit aus dem Blickwinkel des
Klimawandels ist auch der spezifische Lebenswelt von Migranten und
Migrantinnen zu widmen.
Das Risiko des Anstiegs der sozialen Spannungen z. B. durch den Dualismus
der klimaoptimierten Vorstadtviertel und der schlecht durchlüfteten,
hochverdichteten Quartiere mit niedriger Klima-Lebensqualität, die gegenüber
Klimafolgen wie urbanen Hitzeinseln besonders exponiert, aber auch verwundbar
sind, wird weiter zunehmen. Diese höhere Verwundbarkeit geht nicht
notwendigerweise auch mit einem höheren Beitrag dieser Gruppen zum
Klimawandel durch Emissionen oder Ressourcenverbrauch einher. Die
unterschiedlichen sozialen Gruppen können also unterschiedlich betroffen sein
durch den Klimawandel, aber auch durch Klimaschutz- und Anpassungs-
maßnahmen und -erfordernisse.
Zudem sind Klimaschutz und -Anpassungsstrategien nicht in dem erforderlichen
Maße mit den Herausforderungen des demographischen Wandels und den
damit verbundenen Problemen bei der Sicherung der Daseinsvorsorge verknüpft,
obgleich die ARGEBAU (2008) zu Recht auf diese Verknüpfung hingewiesen hat.
Dies ist eine Frage der intergenerationalen Gerechtigkeit.
Die Betrachtung der klimawandelbedingten Folgen muss dem Grad der
gesellschaftlichen Ausdifferenzierung gerecht werden. Gerade größere Städte
weisen eine teilweise starke soziale Ausdifferenzierung der Bevölkerung auf.
In einigen ländlichen Regionen ist aufgrund der Abwanderung, vor allem
hochqualifizierter jüngerer Menschen mit einer Homogenisierung der Bevölkerung
zu rechnen. So unterscheiden sich Betroffenheiten nicht nur sozialer Gruppen
voneinander, sondern sind auch abhängig von deren spezifischen Wohn- und
Lebensverhältnissen, was durch den demographischen Wandel verstärkt wird.
Die folgende Tabelle verdeutlicht die hier bestehenden Zusammenhänge am
Beispiel ausgewählter Anpassungsmaßnahmen der Deutschen Anpassungs-
strategie.
Grundlagen und Rahmenbedingungen BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 14
Grundlagen und Rahmenbedingungen BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Tabelle 1: Klimaanpassungsmaßnahmen der Deutschen Anpassungsstrategie
und ihre demographische und soziale Relevanz sowie die Bedeutung für die
Modellvorhaben
Klimaanpassungs-maßnahmen1
Demographische Relevanz Betroffenheit sozialer Gruppen
Projekt-bedeutung
Anpassungsbedarf an das Bauen in von Extremereignissen gefährdeten Bereichen (S. 20)
gegeben, da Rückbau vorrangig in gefährdeten Bereichen erfolgen könnte
gegeben, da technische Objektschutzmaßnahmen tlw. sehr kostenträchtig sind
sehr hoch
Geeignete Architektur sowie Stadt- und Landschaftsplanung können dazu beitragen eine klimatisch bedingte verstärkte Aufheizung der Städte und damit Hitzestress zu lindern. Gerade in Ballungszentren sollte die Frischluftzufuhr über unverbaute Frischluftkorridore gewährleistet sein (S. 19).
gegeben, da gezielter Rückbau in Schrumpfungsräumen Frischluftkorridore wiederherstellen und Freiflächen schaffen könnte
gegeben, da sozial Schwache, Ältere und Migranten primär in schlecht durchlüfteten innerstädtischen Quartieren leben
sehr hoch
Überprüfungen und ggfs. Anpassungen der vorhandenen Infrastrukturen der Wasserver- und -entsorgung (S. 22)
Zitat DAS: „…sind die Klimaauswirkungen in einem engen Zusammenhang mit Auswirkungen anderer Veränderungsprozesse wie dem demographischen und/oder dem wirtschaftlichen Wandel sowie Landnutzungsänderungen zu sehen.“ (S. 22)
nur bedingt erkennbar (über mögliche Auswirkungen auf Wasserpreise)
hoch
Flächendeckender Schutz vor Starkregen, dem auch langfristig keine vorhersehbaren Risikozonen zugeordnet werden können, über Verhaltens- und Eigenvorsorge der Bevölkerung durch die Informationsbereitstellung und Bewusstseinsbildung. (S. 23)
gegeben, da insbesondere Ältere physisch kaum in der Lage sind, Eigenvorsorge zu betreiben
gegeben, da insbesondere sozial Schwache und Migranten häufig nur schwer durch Informationen erreicht werden
hehr hoch
Weitergehende Ausführungen zum Thema enthält die BBSR-Online-Publikation Nr.
26/09 „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung: Climate-Proof Planning".
1 Vgl. Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS). Beschluss des Bundeskabinetts vom 17. Dezember 2008.
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 15
4. Leistungspotenziale der Stadtentwicklung
4. 1 Einleitung Für die Entwicklung einer Strategie zur Anpassung an die Folgen des
Klimawandels gilt es aufzuzeigen WAS zu tun ist und WER die Verantwortung für
die erforderliche Handlung trägt.
Hierbei ist nicht allein das politisch-administrative System einer Kommune
gefordert, sondern auch alle gesellschaftlichen Kräfte. Die Akteure der
Stadtentwicklung können grob in die drei Wirkkreise des politisch-administrativen
Systems, der Wirtschaft sowie der Zivilgesellschaft unterschieden werden, die
durch verschiedene intermediäre Akteure ergänzt und unterstützt werden. Die
Kommunen weisen sich durch ihre Bürgernähe und Flexibilität aus (Schmidt-
Aßmann 1998). Kommunen sind nicht nur Akteur, sondern zugleich „der Ort“, an
denen Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen wirksam werden. Der zentrale
Teil dieser Veröffentlichung richtet sich daher an das politisch-administrative
System der Kommunen und soll die Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch Grenzen
der kommunalen Mitwirkung in der Stadtentwicklung bezüglich der
Herausforderungen durch den Klimawandel aufzeigen.
Kommunen sind durch inhomogene Verteilungen von Nutzungsarten und
unregelmäßiges Siedlungsverhalten von Bevölkerungsgruppen gekennzeichnet.
Daher kann vermutet werden, dass die – ebenfalls geographisch nicht
gleichverteilten - Wirkfolgen des Klimawandels unterschiedlich auf verschiedene
Bevölkerungsgruppen Einfluss nehmen. In einer weiteren Online-Publikation
„Climate-Proof-Planning“ wird daher das Konzept der Environmental Justice
vorgestellt.
In dieser Publikation wird das Leistungspotenzial der Stadtentwicklung – ihre
Möglichkeiten aber auch Grenzen – aufgezeigt. Leistungspotenzial bezeichnet die
Fähigkeit einer Kommune im Aufgabenbereich der Stadtentwicklung als
Gebietskörperschaft oder zivilgesellschaftlicher Akteur spezifischer Maßnahmen,
Handlungsansätze, Sach- und Dienstleistungen, die dem Schutz vor und zur
Anpassung an den Klimawandel dienen, zu erstellen. Das Potenzial
unterschiedlicher Maßnahmen kann dabei spezifisch auf die örtliche Situation
bezogen genutzt werden. Es bezeichnet auch das Potenzial,
Handlungsentscheidungen generell vor dem Hintergrund des Klimawandels zu
modifizieren.
Stadtentwicklung kann als die tatsächliche Veränderung der Stadt, die sich in
demographischer, ökonomischer, politischer und fiskalischer Dimension vollzieht,
verstanden werden (vgl. Friedrichs 2005). Diese Veränderung resultiert jedoch
immer aus den Aktivitäten der verschiedenen Akteure der Stadt von denen das
politisch-administrative System nur einer ist. Somit kann Stadtentwicklung auch
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 16
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
als eine Aktivität aller gesellschaftlichen Akteure verstanden werden. Von der
Öffentlichkeit wird die Stadtentwicklung jedoch oft dem Verantwortungsbereich
der Kommunalverwaltung zugeordnet – was sich zudem auch mit dem
Selbstverständnis vieler Planer deckt (vgl. Selle 2008a). Einem pragmatischen
Ansatz folgend, versteht auch diese Expertise Stadtentwicklung als ein primär
kommunales planungsbezogenes Handlungsfeld, das sich auf den administrativen
Raum einer Stadt bezieht und die räumliche Gesamtplanung wie auch die
innergemeindliche räumlich-sektorale Fachplanung umfasst.
Das Handlungsfeld der Stadtentwicklung kann und muss jedoch für die weitere
Betrachtung weiter ausdifferenziert werden. Es ist zunächst eine Aufgabe, die sich
aus der integrativen Berücksichtigung unterschiedlicher Belange speist, zu denen
auch die verschiedenen Wirkfolgen des Klimawandels gehören. Stadtentwicklung
erbringt zudem auch Produkte – wie z.B. Stadtentwicklungskonzepte oder
Strategien zur zentralen Koordination. Darüber hinaus ist Stadtentwicklung ein
wichtiger Belang, der in das Handeln aller Dienststellen der kommunalen
Verwaltung eingebettet werden soll. Stadtentwicklung ist somit Aufgabe,
Koordinator und Belang zugleich.
Abbildung 1: Die verschiedenen Identitäten der Stadtentwicklung
Quelle: eigene Darstellung
Wie bei jeder Aufgabenanalyse gilt es auch für die Stadtentwicklung die
involvierten Akteure zu identifizieren, deren Bezüge zur Aufgabe aufzudecken und
deren Handlungsmöglichkeiten zu benennen (vgl. Selle 2008b). Bezogen auf die
verschiedenen vom Klimawandel betroffenen Wirkbereiche werden in den
folgenden Unterkapiteln in einer horizontalen Gliederung daher mögliche
Reaktionen auf die Wirkungen des Klimawandels den verschiedenen kommunalen
Belang, der ins Verwaltungshandeln eingebettet werden muss
Produkte der Stadtentwicklung als Koordinator
Originäre Elemente der Aufgabe der Stadtentwicklung
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 17
administrativen Akteuren (Ämtern, Dezernaten) zugeordnet, wobei unter jedem
sachlichen Zuständigkeitsbereich mehrere Ämter subsumiert sind (so gehören
z.B. Rettungsdienste, Katastrophenschutz, Veterinärämter und Feuerwehr zum
sachlichen Zuständigkeitsbereich „Sicherheit und Ordnung“). Die Zuordnung
basiert weitgehend auf der Produktbereichgliederung des kommunalen
Produktplanes Baden-Württemberg und ist als idealtypische Gliederung zu
verstehen. Auf Grund der Organisationshoheit der Gemeinden Deutschlands sowie
vor allem spezifischen Aufgabenzuweisung für die Gemeinden, die sich nach den
Landesgesetzen und der Gemeindegröße (und damit einhergehend: ihre
administrative Leistungsfähigkeit) richtet, können keine detaillierten, bundesweit
gültigen Zuordnungen erfolgen. Im Einzelfall werden einige Kommunen (kreisfreie
Städte) sämtliche Maßnahmen „aus einer Hand“ umsetzen können, während
andere Kommunen (kreisangehörige Städte und Gemeinden) je nach
Leistungsfähigkeit mehr oder weniger der aufgelisteten Maßnahmen umsetzten
können und an einigen Stellen auf die Mitwirkung der Kreisverwaltung
angewiesen sind. Schließlich ist für die Gemeindeverbände angehörigen
Ortsgemeinden ohne eigene Verwaltung im Wesentlichen die Verbandsebene zu
betrachten.
Zur Wahrnehmung der Aufgabe der Stadtentwicklung stehen den Kommunen
verschiedene Instrumente der räumlichen Planung zur Verfügung, die sich für
diese Expertise nicht auf informelle Instrumente beschränken. Vielmehr wird hier
ein umfassenderes Verständnis zu Grunde gelegt, das neben nicht-verbindlichen
Konzepten, Strategien, Rahmenplänen etc., auch formelle Instrumente wie die
vorbereitende und verbindliche Bauleitplanung oder auch Instrumente des
besonderen Städtebaurechts umfasst und auch privatwirtschaftliches Handeln
einschließt. Daneben gehen vom kommunalen Handeln nicht nur direkte sondern
auch indirekte Wirkungen aus, ohne dass eine Einwirkung auf andere Akteure der
Stadtgesellschaft beabsichtigt war. In einer ebenfalls horizontalen Gliederung
wird daher dargestellt, welche Möglichkeiten sich den Kommunalverwaltungen zur
Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen bieten:
Regelsetzend: Die Kommunen können entweder auf Grund von Gesetzen
oder Verordnungen der Stadtgesellschaft gegenüber hoheitlich handeln
oder aber auf Grund der Besitzrechte privatwirtschaftlich im eigenen
Interesse agieren (z.B. als Eigentümer von Kraftwerken).
Beratend: Hier verbleibt den Kommunen ausschließlich ein informelles
Handeln, das auf ihre Überzeugungskraft aufbaut.
Vorbild: Handeln die Kommunen privatwirtschaftlich und ist mit dem
Handeln eine erkennbare Außenwirkung verbunden, kann sie damit die
Stadtgesellschaft zur Nachahmung anregen.
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 18
Bereits in Kap. 3.1 wurde dargestellt, dass die Folgen des Klimawandels in
schleichende Veränderungen – die tlw. kaum merklich vonstatten gehen – und
Veränderungen in Form von Extremereignissen (wie Stürmen, Hochwasser,
Starkniederschläge) unterschieden werden können. Dementsprechend werden die
Handlungsmöglichkeiten in einer horizontalen Gliederung danach unterschieden,
ob sie einen vorbereitenden, oder Gefahren abwehrenden Charakter
(Reaktionsart) einnehmen. Maßnahmen als Aktion in Bezug auf ein
Extremereignis sind weniger als reaktives, sondern vielmehr als proaktives
Handeln zu verstehen, um bei Schadenseintritt vorbereitet zu sein.
In einer vertikalen Gliederung wird dargestellt, in welcher „Identität“ die
Stadtentwicklung wirkt:
Aufgabe: Hier werden die Maßnahmen dargestellt, die originäre Elemente
der Stadtentwicklung als Aufgabe sind; eine Zusammenarbeit mit anderen
Akteuren ist nicht zwingend erforderlich.
Koordinator: Die Produkte oder Mitarbeiter der Stadtentwicklung wirken
koordinierend bei anderen Aufgabenerledigungen mit.
Belang: In diesem Feld muss die Stadtentwicklung als Belang in das
Verwaltungshandeln dritter kommunaler oder staatlicher Ämter/Dezernate
eingebettet werden.
Den Abschluss der steckbriefartigen Darstellung der Handlungsmöglichkeiten und
der Reichweite der Stadtentwicklung stellt eine Auflistung einiger Möglichkeiten
der Kooperation zwischen dem politisch-administrativen System der Kommunen
und der Wirtschaft sowie der Zivilgesellschaft dar.
Die Handlungsmöglichkeiten sind weder untereinander noch mit Maßnahmen der
Vermeidung konfliktfrei. Daher werden im Anschluss an die Steckbriefe
potenzielle Zielkonflikte dargestellt und tlw. durch weitere Empfehlungen
dargelegt, wie den Konflikten abgeholfen werden kann.
Die Empfehlungen an das kommunale politisch-administrative System zur
Anpassung an die Folgen des Klimawandels führen keineswegs zu
Einschränkungen urbaner Lebensqualität. Um dies zu verdeutlichen, werden
abschließend in jedem Kapitel Hinweise auf die sich ergebenden Chancen bzw.
Verbesserungsmöglichkeiten für die Lebensqualität gegeben, die sich aus der
Umsetzung der vorgeschlagenen Anpassungsmaßnahmen ergeben können.
Die folgenden Kapitel zeigen die Beziehungen von Handlungsmöglichkeiten und
involvierten Akteuren auf und basieren auf den in der BBSR-Online-Publikation
Nr. 23/09 „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung: Wirkfolgen des Klimawandels“
näher beschriebenen klimawandelbedingten Wirkfolgen: Menschliche Gesundheit,
Energie, Wasserhaushalt, technische und soziale Infrastruktur, Verkehr,
Freiräume und Grünflächen, Lufthygiene sowie Tourismus und Kulturerbe, denen
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 19
als Belang der Stadtentwicklung planerisch begegnet werden muss. Die
Wirkfolgen in Forst- und Landwirtschaft wurden hinzugenommen, da der
Handlungsbereich der Städte und Gemeinden sich nicht nur auf den urbanen
Bereich sondern auch auf den Außenbereich (im Sinne des § 35 BauGB) erstreckt.
Daran anschließend werden Notwendigkeiten und Möglichkeiten des
interkommunalen Zusammenarbeitens vor dem Hintergrund der beschriebenen
Handlungsoptionen aufgeführt.
4. 2 Menschliche Gesundheit Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland über ein Gesundheitssystem,
das durch eine leistungsfähige strukturelle Qualität geprägt ist (IGSF 2004) und
in dem Ende 2001 10,3% aller Beschäftigten tätig waren (Weinmann und Zifonun
2003). Auch nach Meinung der Bevölkerung bietet das deutsche Gesundheits-
wesen eine hochwertige Versorgung (vgl. u.a. Zok 2003).
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung des Gesundheits-
systems auf Grund des demographischen Wandels zunehmen wird. Ein
notwendiger Aus- und Umbau wird durch die Auswirkungen des Klimawandels auf
die menschliche Gesundheit zusätzlich herausgefordert.
Im Gesundheitswesen sind Privatwirtschaft, Krankenkassen und der Staat auf
administrativer Seite die wesentlichen Akteure. Maßgebliche Verwaltungseinheiten
auf kommunaler Ebene sind die Gesundheitsämter aber auch die Verwaltungen
kommunaler Krankenhäuser oder Alten- und Pflegeheime (die damit eine den
privaten Einrichtungen vergleichbare Rolle übernehmen). Die Wirkfolgen auf die
menschliche Gesundheit beschränken sich nicht nur auf den unmittelbaren
Bereich des Gesundheitswesens, sondern beziehen sich auch auf weitere
Einflussbereiche der Stadtverwaltung und -entwicklung.
Tabelle 2: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
menschliche Gesundheit
Menschliche Gesundheit
Wirkfolgen:
sinkender thermischer Komfort
Hitze und Kälte bedingte Todesfälle
steigende Gefahr von vektorbasierten (d.h. durch Wirtstiere übertragene) Krankheiten
steigende Gefährdung durch Extremereignisse
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 20
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Thermische Entlastung: Erhalt von zusammenhängenden Grün- und Freiflächen als Luftaustauschbahnen mit stadtklimaverbessernder Wirkung
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Thermische Entlastung: Erhaltung von Kaltluftentstehungsgebieten (Wiesen, Felder, Brachland, Gartenland);
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Thermische Entlastung: Förderung der Entwicklung von Kaltluftentstehungsgebieten (Wiesen, Felder, Brachland, Gartenland)
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Thermische Entlastung: Grüne Strukturen haben einen abkühlenden Effekt auf die urbane Umgebung und sollten vielfältig, auch kleinteilig im Stadtgefüge vorgesehen werden.
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Lufthygiene: Schutz großflächiger Grün- und Brachflächen. Sie bewirken eine Verbesserung der klimatisch-lufthygienischen Belastungssituation durch Filterung und Festlegen von Schadstoffen und Stäuben und durch Abkühlung der Lufttemperaturen
Planen und Bauen, Natur und Landschaft
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Lufthygiene: Entwicklung großflächiger Grün- und Brachflächen. Sie bewirken eine Verbesserung der klimatisch-lufthygienischen Belastungssituation durch Filterung und Festlegen von Schadstoffen und Stäuben und durch Abkühlung der Lufttemperaturen. Sie bieten als Naherholungsraum gleichzeitig eine Rückzugsmöglichkeit vor dem Hitzestress.
Planen und Bauen, Natur und Landschaft
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Thermische Entlastung: Erhalt von offenen Wasserflächen (blaue Strukturen). Sie haben eine ausgleichende Wirkung auf die Lufttemperatur, da Wasser sich im Vergleich zur Luft langsamer erwärmt und seine Verdunstung zur Abkühlung der aufgeheizten Innenstadtluft beiträgt.
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Thermische Entlastung: Entwicklung von offenen Wasserflächen (blaue Strukturen). Sie haben eine ausgleichende Wirkung auf die Lufttemperatur, da Wasser sich im Vergleich zur Luft langsamer erwärmt und seine Verdunstung zur Abkühlung der aufgeheizten Innenstadtluft beiträgt.
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Lufthygiene: Schutz großflächiger Grün- und Brachflächen. Sie bewirken eine Verbesserung der klimatisch-lufthygienischen Belastungssituation durch Filterung und Festlegen von Schadstoffen und Stäuben und durch Abkühlung der Lufttemperaturen
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Auf
gabe
Lufthygiene: Insbesondere in klimatisch-lufthygienisch stark belasteten Bereichen ist auf eine Verringerung des Emissionsaufkommens, (v.a. der Verkehrsemissionen) hinzuwirken
Planen und Bauen, Sicherheit und Ordnung
regelsetzend Vorsorge
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 21
Koo
rdin
ator
Thermische Entlastung: Auf Grund der Zunahme der Extremhitzetage ist eine technische Optimierung und architektonische Anpassung öffentlicher Gebäude (Verwaltungsgebäude, Schulen, Kindergärten...) zu fordern.
Innere Verwaltung, Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Thermische Entlastung: In städtischen Konzepten und Planungen sollte immer wieder darauf verwiesen werden, dass der Anstieg der Extremereignisse sowie Hitze und Kälte bedingte gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen zu einer Zunahme der Einsatzhäufigkeit der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben führen wird, dem durch angepasste Einsatzplanung begegnet werden muss.
Sicherheit und Ordnung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Thermische Entlastung: In städtischen Konzepten sollte immer wieder darauf verwiesen werden, dass vor allem gesundheitlich exponierte Bevölkerungsgruppen (Alte, Kinder, Kranke) über ein hitzeangepasstes Verhalten („richtige“ Bekleidung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Aufenthalt im Freien) aufgeklärt werden.
Schulen und Bildung, Soziale Hilfen, Sicherheit und Ordnung, Gesundheits-dienste
beratend Vorsorge
Gesundheitsrisiken allgemein: Auch das medizinische Personal muss über die zunehmenden Gefahren für die menschliche Gesundheit und geeignete Gegenmaßnahmen bzw. Verhaltensregeln informiert werden.
Schulen und Bildung, Soziale Hilfen, Sicherheit und Ordnung, Gesundheits-dienste
beratend Vorsorge
Thermische Entlastung: In städtischen Konzepten und Planungen sollte immer wieder darauf verwiesen werden, dass Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser sich mittels spezifischer Notfallpläne auf die in den Zeiten der Extremhitzetage auftretenden erhöhten Pflege der Patienten einstellen müssen.
Soziale Hilfen, Gesundheits-dienste
regelsetzend Gefahren-abwehr
Gesundheitsrisiken durch Vektoren und Pollen: Die Veränderung (vektorbasierter) Infektionskrankheiten und anderer klimabedingter Gesundheitsgefährdungen (z.B. Allergene) muss überwacht und flächenspezifisch dargestellt werden, um frühzeitig Maßnahmen einleiten zu können.
Gesundheits-dienste
regelsetzend Vorsorge
Gesundheitsrisiken durch Vektoren und Pollen: Eine breite angelegte Sensibilisierung der Bevölkerung zum Umgang mit Vektoren und anderen klimabedingten Gesundheitsgefährdungen kann gegebenenfalls Infektionen verhindern (bspw. Empfehlungen zum Aufenthalt im Freien).
Gesundheits-dienste
regelsetzend Vorsorge
Bel
ang,
Mitw
irkun
g
Gesundheitsrisiken allgemein: Umwelt- und Gesundheitsdaten müssen ebenfalls überwacht werden, um eine Gefährdungsvorhersage zu ermöglichen.
Gesundheits-dienste
regelsetzend Vorsorge
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 22
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Gesundheitsrisiken allgemein: Die Bevölkerung muss an Extremhitzetagen bzw. zu ggf. veränderten Pollenflugzeiten gewarnt werden.
Gesundheits-dienste
beratend Gefahren-abwehr
Gesundheitsrisiken durch Vektoren und Pollen: Um die Einschleppung von Krankheiten zu minimieren, müssen exponierte Bereiche (z.B. Flug- und Seehäfen) überwacht werden.
Gesundheits-dienste
regelsetzend Gefahren-abwehr
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft
1 Maßnahmen der kommunalen Gebäudesanierung können zwar von den Gemeinden durchgeführt werden, jedoch machen deren Gebäudebestände nur einen Bruchteil aller baulichen Anlagen einer Stadt aus. Die Zusammenarbeit der kommunalen Verwaltungen mit der Wohnungswirtschaft – als Umsetzerin von Maßnahmen – aber auch Architekten und Bauingenieuren (über den Einbezug der jeweiligen Kammer) als Berater, ist daher unabdingbar.
2 Da die Gesundheitswirtschaft in Deutschland (abgesehen von der Regulativkraft des Staates und öffentlicher Krankenhäuser) privat geprägt ist, können Anpassungsmaßnahmen in diesem Bereich erst bei einer Kooperation der öffentlichen Verwaltungen mit den privaten Leistungsträgern greifen. Ebenso können Maßnahmen, die sich auf Hilfestellungen für pflegebedürftige Menschen beziehen, nur durch die Mitwirkung der Privatwirtschaft zur vollen Wirkung gelangen.
Potenzielle Zielkonflikte
Erfolgt die Erhöhung des thermischen Komforts in kommunalen Gebäuden
überwiegend durch technische, Energie verbrauchende Lösungen (z.B.
Klimaanlagen), ergibt sich durch die damit verbundene C02-Mehrproduktion ein
Konflikt mit den Zielen der Vermeidung. Diesem Konflikt sollte mit
energieverbrauchsarmen bzw. wo möglich energieverbrauchsfreien Alternativen
begegnet werden.
Die Vermeidung von Hitzestress durch Aufenthalt im – verschatteten – Freien
erhöht das Risiko der Übertragung von Infektionskrankheiten.
Gerade in den Quartieren, in denen eine Steigerung des Vegetationsgrades
besonders angeraten erscheint, stellt der vorhandene Gebäude- und
Infrastrukturbestand eine große Herausforderung an die konkrete Umsetzungs-
planung dar, da hier eine Konkurrenzsituation zum Leitbild der kompakten Stadt
besteht.
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Vor allem auf Grund des demographischen Wandels wird es zu einer
Bedeutungssteigerung der Qualität im Gesundheitswesen kommen. Die
vorgeschlagenen Maßnahmen in diesem Bereich wie auch in der Altenpflege sind
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 23
geeignet, die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den Gesundheitsdiensten zu
erhöhen.
Gleichzeitig bieten die Maßnahmen für Beschäftigte im Gesundheitswesen die
Möglichkeit für weitere berufliche Qualifizierungen und damit verbundene
Aufstiegschancen. Damit verbunden ist eine notwenige personelle Ausweitung
dieses Wirtschaftsbereiches.
Die Erhöhung des Vegetationsgrades vor allem stärker verdichteter Stadtquartiere
steigert die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum und kann durch Werbe-
kampagnen zur Stärkung der weichen Standortfaktoren genutzt werden.
4. 3 Energie Die Gewährleistung der Sicherheit der Energieversorgung obliegt in Deutschland
auf Grund des § 2 EnWG den Energieversorgungsunternehmen. Zur
Aufrechterhaltung der Energieversorgung ist Deutschland auf den Import
verschiedener Energieträger angewiesen (Importanteil für z.B. Steinkohle: 61%;
Gas: 83%) (BMWi, BMU 2006).
Zwar sank der Ausstoß von CO2 durch die Energiewirtschaft in den Jahren von
1990 bis 1999, stieg jedoch seit dem wieder leicht an und hat (verglichen mit der
Industrie, dem Verkehr, den privaten Haushalten und dem verarbeitendem
Gewerbe) den größten Anteil – 45,8% in 2007 – an der CO2-Emission (website
UBA/b). Vor allem im Bereich Energiewirtschaft ist jegliche Maßnahme gegen
einen weiteren Anstieg des Kohlendioxids ein wichtiger Baustein zur Minderung
der Wirkfolgen des Klimawandels.
An dieser Stelle wird zur Energiewirtschaft nur der Bereich der Erzeugung und des
Verbrauchs betrachtet – die Transportnetze werden unter dem Belang technische
und soziale Infrastruktur behandelt.
Tabelle 3: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
Energie
Energie
Wirkfolgen:
steigender Energiebedarf für Kühlung
sinkender Energiebedarf für Heizung
steigender Energiebedarf für die Aufbereitung von Wasser
sinkende Versorgungssicherheit (insb. bei kühlwasserabhängiger Energiegewinnung)
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 24
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Regenerative Energieerzeugung: Aufgrund zunehmender Extremereignisse (z.B. Stürme) ist Photovoltaik weniger in freistehenden Anlagen im Außenbereich als vielmehr an und auf Gebäuden einzusetzen und ggf. vorzuschreiben.
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend
Vorsorge
Auf
gabe
Siedlungsstruktur: Steigerung der Energieeffizienz durch kompakte Siedlungsstrukturen (Reduzierung der Übertragungsverluste, Verringerung von Energieverbrauch für Mobilität).
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Information und Kommunikation: Durch Leitfäden und Schulung zum Energiemanagement kann die Bevölkerung über Einspar- und Anpassungsmöglichkeiten informiert werden.
Schulen und Bildung, Ver- und Entsorgung
beratend Vorsorge
Koo
rdin
ator
Maßnahmen an Gebäuden: Durch eine Erhöhung der Albedo (Reflexionsvermögen) von Gebäudeaußenfassaden und -dächern kann Energie für die Kühlung eingespart werden.
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Maßnahmen an Gebäuden: Verminderung von energetischen Übertragungsverlusten durch Energiegewinnung am Gebäude.
Innere Verwaltung
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Maßnahmen an Gebäuden: Energetische Gebäudesanierung, um Anpassungsintensität zu minimieren.
Innere Verwaltung
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Maßnahmen an Kraftwerken: Vor allem in den trockenen Sommermonaten wird der Einsatz wassersparender bzw. alternativer Technologien in Kraftwerken erforderlich.
Ver- und Entsorgung
regelsetzend, beratend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Netzinfrastruktur anpassen: Feinmaschige Transportnetze können die Störanfälligkeit (auf Grund steigender Strombedarfe) minimieren.
Ver- und Entsorgung
regelsetzend, beratend, Vorbild
Vorsorge
Maßnahmen an Kraftwerken: Zum thermischen Gewässerschutz ist die Aufstellung von Wärmelastplänen von wassererfordernden Kraftwerken und Industriebetrieben notwendig.
Ver- und Entsorgung
regelsetzend, beratend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Regenerative Energieerzeugung: Die Nutzung lokaler/regionaler Biomasse zur Energiegewinnung ist zu fördern.
Ver- und Entsorgung, Natur und Landschaft
beratend (Vertrag)
Vorsorge
Bel
ang
Maßnahmen an Kraftwerken: Vor allem für die trockenen Sommermonate ist ein Speichermanagement bei Wasserkraftwerken erforderlich.
Ver- und Entsorgung
regelsetzend, beratend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft 1 Analog zur energetischen Gebäudesanierung müssen Maßnahmen zur Reduzierung der energetischen
Übertragungsverluste durch das Engagement der Wohnungswirtschaft stadtweit umgesetzt werden. Auch die privaten Haushalte können hier einen wertvollen Beitrag zur Anpassung leisten, indem sie Maßnahmen der Kommunen als Vorbild begreifen und – maßstabsangepasst – auf ihr Wohneigentum übertragen.
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 25
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft 2 Die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen können im Bereich der Energiewirtschaft zwar auf der
beratenden Ebene ansetzen und bei kommunalen Kraftwerken auch wirksam umgesetzt werden. Größtenteils ist aber die Mitwirkung privater Kraftwerksbetreiber erforderlich, damit die vorgestellten Maßnahmen (z.B. alternative Kühltechnologien, Wärmelastpläne) eine Wirkung zeigen. Gleiches gilt für das Engagement der Landwirtschaft, wenn es gilt, landwirtschaftliche Flächen bzw. Produkte kaskadisch für eine Energieproduktion zu nutzen.
Potenzielle Zielkonflikte
Landwirtschaftliche Flächen, die der Erzeugung regenerativer Energien dienen,
stehen in einem klassischen Konflikt mit den Zielen einer umweltverträglichen
Nahrungsmittelversorgung und könnten – wenn der Anbau in großflächigen
Monokulturen erfolgt – dem positiven Landschaftsbild abträglich sein und dem
Leitbild der umweltgerechten Landwirtschaft entgegenstehen. Hier müssen die
bestehenden Erkenntnisse zur umweltverträglichen landwirtschaftlichen Nutzung
beachtet werden und neue Kriterien für die gute fachliche Praxis sowie den
landschaftsverträglichen Umgang mit nachwachsenden Rohstoffen entwickelt
werden.
Da die Errichtung von Photovoltaikanlagen und deren Standsicherheit im
Außenbereich auf Grund zu erwartender Sturmlasten zumindest kritisch gesehen
werden muss, eignet sich vor allem der urbane Bereich für eine dauerhafte
Etablierung v.a. auch im Bestand. Hier sind allerdings vor dem Hintergrund der
(negativen) Erfahrung mit der Marburger Solarsatzung (vgl. website Landesportal
Hessen) die Länder gefordert, die Handlungsmöglichkeiten durch die
Bauordnungen zu erweitern.
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Die Gemeinden können durch die klimagerechte Sanierung ihrer Gebäude bzw.
der Energiegewinnung am/im Gebäude den Akteuren aus den Bereichen
Wirtschaft wie auch Zivilgesellschaft exemplarisch Energieeinsparmöglichkeiten
„vorführen“ und verfügen hier über ein großes Potenzial, um glaubhaft ein
eigenes Engagement zum schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen
„vorzuleben“. Die Rentabilität dieser Maßnahmen über die Einsparung von
Energiekosten kann zur langfristigen Entlastung des Haushaltes beitragen.
Dezentrale Standorte für die Energieerzeugung sowie auch landwirtschaftliche
Flächen zur Erzeugung regenerativer Energien können zum einen die (lokale)
Versorgungssicherheit erhöhen und zum anderen einen Beitrag zur Sicherung/
Schaffung lokaler Arbeitsplätze leisten. Insbesondere lokale Energieversorger wie
z.B. Stadtwerke können hieraus einen Imagevorteil erwirtschaften.
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 26
4. 4 Wasserhaushalt Wasser stellt die elementare Grundlage jeglichen Lebens dar. Es zu schützen
unterliegt daher dem Staatsziel des Art. 20a GG (Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen).
Es unterliegt jedoch auch einem generellen Nutzungskonflikt verschiedener
Nutzergruppen wie der Landwirtschaft, dem Kraftwerksbetrieb, der industriellen
Produktion, dem Tourismus, dem Naturschutz und der Wasserwirtschaft als
Versorgerin der Bevölkerung mit Trinkwasser.
Das Wasser ist jedoch nicht nur notwenige Ressource, die es zu schützen gilt.
Wasser kann andererseits auch eine Gefahrenquelle für das Leben der
Bevölkerung und die Sicherheit der baulichen Infrastruktur einer Stadt sein, so
dass Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.
Tabelle 4: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
Wasserhaushalt
Wasserhaushalt
Wirkfolgen:
steigender Wasserbedarf im Sommer
Veränderung des Grundwasserspiegels
veränderte Qualität der Oberflächengewässer
veränderte Qualität des Grundwassers
sinkendes Brauchwasserdargebot im Sommer
veränderte Häufigkeit und Höhe von Hochwässern
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Hochwasserschutz: Neue kommunale Gebäude müssen hochwasserangepasst errichtet werden
Innere Verwaltung, Planen und Bauen
regelsetzend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Hochwasserschutz: Bestehende kommunale Anlagen sind im Hinblick auf anstehende Hochwasserereignisse zu überprüfen und ggf. zu schützen, wie z.B. Sicherung von Kellerschächten, die Verlagerung empfindlicher Einrichtungen (Stromverteiler) aus dem Keller
Innere Verwaltung, Planen und Bauen
regelsetzend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Hochwasserschutz: Neue private Gebäude müssen hochwasserangepasst errichtet werden
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend,
Gefahren-abwehr
Auf
gabe
Hochwasserschutz: Bestehende private Anlagen sind im Hinblick auf anstehende Hochwasserereignisse zu überprüfen und ggf. zu schützen, wie z.B. Sicherung von Kellerschächten, die Verlagerung empfindlicher Einrichtungen (Stromverteiler) aus dem Keller
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend,
Gefahren-abwehr
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 27
Hochwasserschutz: Beim Rückbau von baulichen Anlagen aufgrund des demographischen Wandels sollten prioritär Anlagen zurückgebaut werden, die hochwassergefährdet sind
Innere Verwaltung, Planen und Bauen
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Trockenheit: Die Zunahme von trockenen Sommern erfordert ein häufigeres Bewässern öffentlicher Grünflächen
Sport, Erholung, Planen und Bauen
Vorbild Vorsorge
Trockenheit: Die Zunahme von trockenen Sommern erfordert eine Umstellung auf wassersparende Verfahren
Sport, Erholung, Planen und Bauen
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Trockenheit: Die Zunahme von trockenen Sommern erfordert eine Anpassung der Bepflanzung
Sport, Erholung, Planen und Bauen
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Hochwasserschutz: Der Wasserrückhalt in der Fläche – durch Grundstücksversickerung, Bodenentsiegelung, Dachbegrünung – mindert ebenfalls das Ausmaß der Extremwetterereignisse
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Hochwasserschutz: Hochwasserrückhaltebecken sind als Schutzmaßnahmen zur Minderung von Hochwasserereignissen einzuplanen und ggf. auszuweiten
Planen und Bauen
regelsetzend Gefahren-abwehr, Vorsorge
Hochwasserschutz: Bestehende Überschwemmungsgebiete sind nachrichtlich zu übernehmen. Überschwemmungsgefährdete und deichgeschützte Gebiete sind zu kennzeichnen
Natur und Landschaft, Planen und Bauen
regelsetzend Gefahren-abwehr, Vorsorge
Hochwasserschutz: In Überschwemmungsgefährdeten und deichgeschützten Gebieten sollten besonders gefährdete und gefährliche Nutzungen (kritische Infrastruktur) ausgeschlossen werden
Natur und Landschaft, Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Hochwasserschutz: Bestehende Überschwemmungsgebiete und Überschwemmungsgefährdete Gebiete sind zu überprüfen und ggf. verändert festzulegen
Natur und Landschaft, Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Hochwasserschutz: Die Bevölkerung muss über zu erwartende Extremereignisse und angepasstes Verhalten aufgeklärt werden
Schulen und Bildung
beratend Gefahren-abwehr
Koo
rdin
ator
Hochwasserschutz: Gefährdung von und durch Straßenbäume bei Hochwasser die entsprechend zu überwachen und ggf. zu entfernen sind
Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend Gefahren-abwehr
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 28
Katastrophenschutz: Der Zunahme der Einsatzhäufigkeit durch Extremereignisse muss durch Personalplanung und Einsatzmanagement begegnet werden
Sicherheit und Ordnung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Hochwasserschutz: Planfeststellungspflichtige Anlagen des technischen Hochwasserschutzes müssen auf eine ausreichende Dimensionierung hin überprüft und ggf. angepasst werden
Ver- und Entsorgung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Wassermanagement: Durch ein Talsperrenmanagement kann die Versorgungssicherheit erhöht werden
Ver- und Entsorgung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Wassermanagement: Die Wasserwirtschaft muss mit der Energiewirtschaft zusammenarbeiten, um – insb. in den Sommermonaten – ein Wassermanagement betreiben zu können, um Konflikte der Einzelnutzungen zu minimieren
Natur und Landschaft,
beratend Gefahren-abwehr
Biodiversität: Um Wanderungsbewegungen zwischen den Gewässern zu vergrößern – und damit die Biodiversität zu fördern – ist die biologische Durchlässigkeit der Gewässer zu erhöhen
Natur und Landschaft,
regelsetzend Vorsorge
Hochwasserschutz: Ein naturnaher Ausbau von Fließgewässern ist ein weiterer Beitrag zum Hochwasserschutz
Natur und Landschaft,
regelsetzend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Wassermanagement: Die Grundwasservorkommen sind dauerhaft zu schützen, um die Wasserversorgungssicherheit zu gewährleisten
Natur und Landschaft,
regelsetzend Vorsorge
Bel
ang,
Mitw
irkun
g
Hochwasserschutz: Zum Schutz gegen Hochwasserereignisse und zur Verbesserung der Grundwasserneubildungsrate sollte in der Landwirtschaft möglichst wenig Bodenverdichtung und -versiegelung erfolgen
Natur und Landschaft,
beratend Gefahren-abwehr
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft
1 Im Gegensatz zu den Handlungsbereichen Menschliche Gesundheit und Energie verfügen die Kommunen in Deutschland über weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Wasserversorgung die zu den kommunalen Pflichtaufgaben gehört. Da diese Pflichtaufgabe der Daseinsvorsorge jedoch auch Dritten übertragen werden kann (Mutschmann et al. 2007), müssen ggf. private Wasserversorger bzw. Wasserverbände in die konzeptionelle wie auch implementierende Phase der Anpassung einbezogen werden. Wegen der inhaltlichen Nähe zum Themenfeld Energie (insbesondere im Hinblick auf anstehende Wirkfolgen wie Wasserknappheit in den trockenen Sommermonaten) ist die Zusammenarbeit mit der Energiewirtschaft unabdingbar.
2 Der Erfolg der Maßnahmen, die lediglich auf einer beratenden Funktion der kommunalen Verwaltung beruhen, können nur dann wirksam werden, wenn sie von der Landwirtschaft (z.B. Erosionsschutzmaßnahmen, bodenschonende Bearbeitung) und den privaten Haushalten und der Wohnungswirtschaft (z.B. geringe Gartenbewässerung, Umsetzung wassersparender Maßnahmen im Wohneigentum) umgesetzt werden.
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 29
Potenzielle Zielkonflikte
Bei der Wasserwirtschaft sind Konflikte mit der Versorgungswirtschaft, der
Landwirtschaft aber auch mit dem Transport zu erwarten. Engpässe in der
Wasserversorgung und erhöhter Bedarf an geeigneter Kühlung der Kraftwerke
oder Bewässerungsbedarf führen zu Nutzungskonflikten, denen nur bedingt durch
technische Maßnahmen begegnet werden kann.
Das Leitbild der kompakten (europäischen) Stadt und die gerade in den bereits
stark verdichteten Quartieren notwenige Beschränkung weiterer
Bodenversiegelung bzw. die gebotene Bodenentsiegelung führt in Einzelfällen zu
Zielkonflikten, die nur im konkreten Fall vor Ort gelöst werden können. Hier
bedarf es lokaler detaillierter Entscheidungshilfen, um bestehende Brachflächen
entweder primär einer Nachverdichtung oder einer Steigerung des
Vegetationsgrades zuzuführen.
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Maßnahmen zur Steigerung des Vegetationsgrades der Stadt durch Schaffung von
Retentionsflächen, der landschaftsbildverträglichen Anlage/Erweiterung von
Regenrückhaltebecken oder auch Entsiegelungsmaßnahmen erhöhen die
städtische Freiraumqualität. Der kreative Umgang mit Niederschlagswasser zur
Gestaltung von Freiflächen erhöht die Erlebnisqualität.
Durch die Managementmaßnahmen in der Wasserversorgung wird die
Versorgungssicherheit gewährleistet.
Bildungs- und Informationsmaßnahmen über klimagerechtes und den
Anforderungen durch die Extremwetterereignisse angepasstes Handeln kann
einen Beitrag zur Steigerung des allgemeinen Sicherheitsempfindens leisten.
4. 5 Technische und soziale Infrastruktur Infrastruktur im Sinne dieser Veröffentlichung kann unterschieden werden in
öffentliche und private Infrastruktur – dies legt eine eigentümerorientierte Sicht
zu Grunde – oder aber in technische (z.B. Leitungsnetze) und soziale
Infrastruktur (z.B. Kindergärten) – und folgt einer funktionalen Trennung. Im
weiteren Verlauf wird die funktionale Sicht zu Grunde gelegt. Neben den
Empfehlungen für Leitungsnetze (z.B. der Wasser Ver- und Endsorgung) werden
auch die Anlagensicherheit und den Schutz der baulichen Anlagen der sozialen
Infrastruktur gegeben.
In einer undifferenzierten Betrachtung wird die Bevölkerung in Deutschland in den
nächsten Jahren zurückgehen, so dass von einer schrumpfenden (Gesamt)-
gesellschaft geredet werden kann. Bezogen auf die verschiedenen Teilräume ist
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 30
das Bild jedoch höchst unterschiedlich: Wachstumsstarke Räume stehen
schrumpfenden Regionen gegenüber. Die generellen Herausforderungen an die
städtische Infrastruktur sind daher – auch ohne Berücksichtigung der räumlich
unterschiedlichen Wirkungen des Klimawandels – in den einzelnen Gemeinden
verschieden. In den Wachstumsregionen werden Veränderungen der Infrastruktur
kaum erforderlich sein, während Schrumpfungsregionen vor größeren Heraus-
forderungen stehen (Winkel 2008).
Bestimmte Infrastruktureinrichtungen – wie etwa aus den Bereichen Transport
und Verkehr, Energie, Gefahrenstoffe, Informationstechnik und
Telekommunikation, Finanz-, Geld- und Versicherungswesen, Versorgung,
Behörden, Verwaltung und Justiz – müssen vor Schäden geschützt werden, da sie
für die Aufgabenerfüllung von Staat und Wirtschaft von wichtiger Bedeutung sind
(vgl. website BSI). Die folgende Betrachtung hinsichtlich der kritischen
Infrastrukturen (KRITIS) beschränkt sich auf die technischen und sozialen
Infrastrukturelemente einer Stadt.
Tabelle 5: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
technische und soziale Infrastruktur
Technische und soziale Infrastruktur
Wirkfolgen:
veränderte Ansprüche an die Entwässerung durch lokale Ab- oder Zunahme der Jahresniederschläge und Extremabflüsse
veränderte Ansprüche an die technische Infrastruktur (z.B. durch höhere thermisch-mechanische Belastungen)
veränderte Ansprüche an die soziale-bauliche Infrastruktur (z.B. Klimatisierung von Kindergärten)
vermehrte Schäden und Ausfälle bei Extremereignissen (z.B. Überschwemmungen oder Sturmschäden)
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Ertüchtigung Sozialer Infrastruktur: Die bestehenden baulichen Anlagen der sozialen Infrastruktur müssen gegenüber der Zunahme von Extremereignissen (Sturm, Hochwasser, Schnee...) technisch vorbereitet werden
Innere Verwaltung, Soziale Hilfen, Gesundheits-dienste, Planen und Bauen
regelsetzend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Auf
gabe
Ertüchtigung Sozialer Infrastruktur: Neue bauliche Anlagen der sozialen Infrastruktur müssen gegenüber der Zunahme von Extremereignissen (Sturm, Hochwasser, Schnee...) an die gestiegenen Herausforderungen angepasst ausgeführt werden
Innere Verwaltung, Soziale Hilfen, Gesundheits-dienste, Planen und Bauen
regelsetzend, Vorbild
Gefahren-abwehr
Koo
rdin
ator
Ertüchtigung Entsorgungsinfrastruktur: Entsorgungsanlagen der Stadtentwässerung (Kanalnetze, Speicherbecken, Rückhaltebecken, Abführungssysteme) müssen auf ihre Kapazität überprüft und ggf. neu dimensioniert werden
Planen und Bauen , Ver- und Entsorgung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 31
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Standorte Entsorgungsinfrastruktur: Neue Standorte für Entsorgungsanlagen (Kanalnetze, Speicherbecken) müssen bauplanerisch abgesichert werden
Planen und Bauen, Ver- und Entsorgung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Ertüchtigung Entsorgungsinfrastruktur: Um das Ausmaß der Folgen von Niederschlägen zu minimieren sollten die Möglichkeiten der Regenwasserversickerung intensiv genutzt und überprüft werden
Planen und Bauen, Ver- und Entsorgung
regelsetzend, beratend
Gefahren-abwehr
Ertüchtigung Verkehrsinfrastruktur: Um das Ausmaß der Folgen von Niederschlägen zu minimieren, sollte der Straßenraum über eine V-förmige Gestaltung (bei Mischverkehrsflächen) und ansonsten Einführung von Hochbordsteinen als Rückhalteraum genutzt werden
Planen und Bauen, Ver- und Entsorgung
regelsetzend, beratend
Gefahren-abwehr
Koo
rdin
ator
Ertüchtigung Entsorgungsinfrastruktur: Um das Ausmaß der Folgen von Niederschlägen zu minimieren, sollten Notentwässerungswege definiert werden
Planen und Bauen, Ver- und Entsorgung
regelsetzend, beratend
Gefahren-abwehr
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Auf Grund der Zunahme der Extremereignisse und deren Auswirkungen auf bauliche Infrastruktureinrichtungen wird der Bedarf an Einsatzkräften (Rettungsdienste, Katastrophenschutz) ansteigen und ist durch entsprechende Personalplanung zu begegnen
Sicherheit und Ordnung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Um die Reaktionszeit zu verkürzen und potentielle Gefährdungsorte identifizieren zu können, muss ein Risikomanagement betrieben werden (u.a. Rettungskräfte verstärkt in die Alarm- und Gefahrenabwehrplanung der Anlagenbetreiber einbeziehen)
Sicherheit und Ordnung, Planen und Bauen, Ver- und Entsorgung, Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend Gefahren-abwehr
Management Versorgungsinfrastruktur: Für den Schadenseintritt durch ein Extremereignis muss die Wasserversorgung sichergestellt sein
Ver- und Entsorgung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Management Entsorgungsinfrastruktur: Um Ablagerungen in den Abwassernetzen in trockenen Sommermonaten zu minimieren bedarf es einer erweiterten Wartung
Ver- und Entsorgung
regelsetzend Vorsorge
Bel
ang
Ertüchtigung Versorgungsinfrastruktur: Leistungsnetze der Stromversorgung müssen gegenüber Extremereignissen robust ausgeführt werden, Erdverkabelung ist im Einzelfall zu prüfen
Ver- und Entsorgung
regelsetzend, beratend
Gefahren-abwehr
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft 1 Die Abwasserbeseitigung ist – z.B. nach § 53 LWG NRW – eine Pflichtaufgabe der Gemeinden, die jedoch
– analog zur Situation der Wasserversorgung – Dritten übertragen werden kann. Die Gestaltungsmacht der Gemeinden bzw. der Abwasserzweckverbände, denen sie u.U. angehören ist daher als groß anzusehen. Die mit der Aufgabe der Entsorgung betrauten privaten Unternehmen sind jedoch ebenso in die konzeptionelle wie auch implementierende Phase einzubeziehen, wie auch Betreiber privater Abwasserbeseitigungsanlagen.
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 32
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft 2 Die Verteilung von Strom erfolgt in Deutschland über die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sowie die
Verteilnetzbetreiber (VNB). Daher ist ein kooperatives Handeln von kommunaler Verwaltung und Privatwirtschaft ohnehin zwingend erforderlich, um Maßnahmen zielgerecht umsetzen zu können.
3 Auf Grund unterschiedlicher Zuständigkeiten der Energie- und Wasserversorgung muss im Hinblick auf den Schutz kritischer Infrastrukturen und Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit bei Eintritt eines Extremereignisses eine Zusammenarbeit verschiedener öffentlicher und privater Aufgabenträger erfolgen. Hierbei sollte ein Risiko- und Krisenmanagement nach dem PDCA-Prinzip (Plan-Do-Check-Act) betrieben werden (vgl. BMI 2008).
Potenzielle Zielkonflikte
In trockenen Sommermonaten ist mit Konflikten zwischen der Notwendigkeit
einer evtl. Kanalspülung der Abwassernetze und dem sinkenden Brauchwasser-
dargebot zu rechnen.
Eine flächendeckende Erdverkabelung von Stromleitungen erscheint auf Grund
der mangelnden Überlastfähigkeit und längeren Reparaturzeiten nach Schadens-
eintritt nicht angeraten (Haas et al. 2008).
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Die aufgeführten Maßnahmen erscheinen geeignet, die Versorgungssicherheit
auch in Zukunft zu gewährleisten.
4. 6 Verkehr Verkehr – als „Ausdruck der individuellen Mobilität“ (Beckmann 2000: o.S.) – ist
auf der einen Seite (Mit-)Verursacher des Klimawandels (Santarius 2007) und auf
der anderen Seite (wie die Expertise Stadtklimawandel gezeigt hat) von den
Folgen des Klimawandels betroffen.
Zwar beträgt der Flächenanteil der Verkehrsflächen lediglich 5% der Fläche
Deutschlands und nur 3,5% aller Beschäftigten (für 2004) sind im Verkehrssektor
tätig, aber die Bedeutung des Verkehrssektors ist dennoch enorm, was sich z.B.
im monetären Wert – der 2004 geschätzte 478 Mrd. Euro betrug – ausdrückt
(Statistisches Bundesamt 2006).
Der bevorzugte Verkehrsträger im Personenverkehr ist seit Jahren der
motorisierte Individualverkehr (MIV), dessen Anteil von 1991 (81,6%) bis
1998/1999 (82%) leicht anstieg, und anschließend bis 2007 (80,1%) wieder
leicht rückläufig war (website UBA/a). Der Anteil an den CO2-Emissionen stieg im
gleichen Zeitraum von 16,7% auf 21,2% (1999) um danach auf 18,1%
abzusinken (website UBA/b).
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 33
Tabelle 6: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
Verkehr
Verkehr
Wirkfolgen:
vermehrte Behinderungen und Verspätungen durch Extremereignisse
steigende Kosten für die Instandhaltung
veränderte Bedarf an Transportdienstleistungen
veränderte Ansprüche an Transportdienstleistungen (z.B. Klimatisierung)
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Siedlungsstruktur: Um Verkehre generell reduzieren zu können, muss das Leitbild der Stadt der kurzen Wege durch Nachverdichtung umgesetzt werden.
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Siedlungsstruktur: Um Verkehre generell reduzieren zu können, muss das Leitbild der Stadt der kurzen Wege durch Nutzungsmischung umgesetzt werden.
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Veränderung des Modal Split: Förderung des Radverkehrs als Alternative zum MIV (auf kurzen Strecken), um Anpassungsintensität zu mindern.
Planen und Bauen, Verkehrs-flächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend, beratend
Vorsorge
Veränderung des Modal Split: Förderung des ÖPNV als Alternative für den MIV (auf langen Strecken).
Planen und Bauen, Verkehrs-flächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend, beratend
Vorsorge Auf
gabe
Veränderung des Modal Split: Wenn als Reaktion auf den Klimawandel der sanfte Tourismus etabliert werden soll (s.a. Belang Tourismus und Kulturerbe), um Alternativen auf Grund steigender Energiepreise vorhalten zu können, muss der ÖPNV entsprechend ausgebaut werden.
Planen und Bauen, Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV, Wirtschaft und Tourismus
regelsetzend
Vorsorge
Information und Kommunikation: Der Bevölkerung können Kursangebote zum Mobilitätsmanagement gemacht werden.
Schulen und Bildung, Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV
beratend Vorsorge
Verkehrsinfrastruktur: Fahrbahnbeläge sind in Zukunft im Hinblick auf stärkere Temperaturschwankungen auszulegen (Schadensreparaturen sind ggf. häufiger durchzuführen).
Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend Gefahren-abwehr
Verkehrstechnik: Besonders gefährdete Gebiete können durch den Einsatz von Verkehrsleitsystemen umfahren werden.
Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend Gefahren-abwehr
Koo
rdin
ator
Verkehrsinfrastruktur: Verkehrswege (insb. kommunale Straßen und Schienenwege) sind gegen Schäden auf Grund von Extremereignissen zu schützen (z.B. Hangsicherung von Böschungen).
Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend Vorsorge
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 34
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart K
oord
inat
or Verkehrsinfrastruktur: Verkehrswege (insb.
kommunale Straßen und Schienenwege) sind gegen Schäden auf Grund von Extremereignissen dauerhaft zu überwachen (z.B. Vermeidung von Unterspülung).
Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend Vorsorge
Fahrzeugtechnik: Bei eintretender Knappheit der fossilen Ressourcen wird die Anschaffung von umweltfreundlich angetriebenen Fahrzeugen des kommunalen Fuhrparks notwendig (regenerative Energieträger oder “Down-sizing“ der städtischen PKW auf 120 g CO2/km)
innere Verwaltung
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Fahrzeugtechnik: Bei eintretender Knappheit der fossilen Ressourcen wird die Anschaffung von umweltfreundlich angetriebenen Fahrzeugen des kommunalen ÖPNV notwendig.
innere Verwaltung
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Bel
ang
Verkehrsmanagement: Car Sharing initiieren innere Verwaltung
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft
1 Auf Grund des § 1 RegG ist der öffentliche Personenverkehr eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge, deren Zuständigkeit durch Landesrecht bestimmt wird. Z.B. in NRW ist die Zuständigkeit für den ÖPNV (mit Ausnahmen) eine Pflichtaufgabe der Kommunen.
Potenzielle Zielkonflikte
Das Leitbild der europäischen kompakten Stadt führt nicht per se zu einer
Reduzierung des MIV und somit einer Stadt der kurzen Wege. Allerdings
ermöglicht erst sie – im Zusammenspiel mit einem attraktiven ÖPNV-Angebot –
eine MIV-Reduzierung (Holz-Rau 1997), die gerade auf Grund des Klimawandels
zur Reduktion der CO2-Produktion erforderlich wird.
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Ein Ausbau des ÖPNV steigert nicht nur dessen Attraktivität, sondern erscheint
geeignet, um Beschäftigungsmöglichkeiten in der Stadt/Region zu generieren. Die
Steigerung des ÖPNV-Angebotes hilft auch die Herausforderungen des
Demografischen Wandels zu meistern.
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 35
4. 7 Freiräume und Grünflächen Städtische Freiräume und Grünflächen haben positive Auswirkungen auf die
Lebensqualität und Lebensdauer des Menschen (Takano et al. 2002). Den
wohnungsnahen Grünflächen – aber auch Wald- und Wasserflächen – kommt
zudem eine immobilienwertsteigernde Funktion zu (Kenneweg 2004).
Eine anthropozentrische Bedeutung kommt auch dem Erhalt der Biodiversität zu,
denn sie sichert „die ökologische Funktionalität sowie Stabilität von Ökosystemen“
(Bayerisches Landesamt für Umwelt 2007: 17). Als ökologische Serviceleistung
trägt sie zur Wohlfahrt des Menschen bei (WWF Deutschland 2007).
Der anthropozentrische Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen resultiert
verfassungsrechtlich aus Art. 20a GG und beschränkt sich in seiner Schutz-
funktion nicht nur auf die urwüchsige Umwelt, sondern schließt auch die
anthropogen veränderte Natur mit ein (Scholz GG-Kommentar Rn 36 f).
Tabelle 7: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
Freiräume und Grünflächen
Freiräume und Grünflächen
Wirkfolgen:
steigender Bedarf an Kaltluftentstehungsgebieten
steigender Bedarf an Erholungsflächen
veränderte Ansprüche an die Ausgestaltung von Freiflächen
Veränderung des Pflegebedarfes
Veränderung der Eignung von Pflanzen
Veränderung der Biodiversität
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Biodiversität: Zum Erhalt der Biodiversität im Außenbereich sollte dieser weitgehend von (baulichen) Einwirkungen verschont bleiben und primär der Innenbereich zu Siedlungszwecken genutzt werden.
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Thermische Entlastung: Die urbane Durchgrünung (z.B. durch Freiflächen, Straßengrün, Dach- und Fassadenbegrünung) sollte erhöht werden, um die Kaltluftbildung durch Verdunstung zu steigern und der zunehmenden Hitze entgegenzuwirken.
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Auf
gabe
Thermische Entlastung: Neue Kaltluftbahnen sind zur Abmilderung v.a. der nächtlichen Hitzebelastung einzuplanen und ggf. bestehende auszuweiten.
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 36
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Maßnahmen an Gebäuden: In neu aufzustellenden Bebauungsplänen können Dachbegrünungen bei privaten Gebäuden festgesetzt werden.
Planen und Bauen
regelsetzend, beratend
Vorsorge
Biodiversität: Die Wanderungsmöglichkeiten der heimischen Tierarten müssen durch den Aufbau bzw. Ausbau eines Biotopverbunds und der biologischen Durchlässigkeit von Gewässern ermöglicht/verbessert werden.
Natur und Landschaft
regelsetzend Vorsorge
Grünflächenplanung: Steigender Nutzungsdruck auf städtische Freiräume und Grünflächen bedingen ggf. eine Überarbeitung bestehender Erholungsflächenplanung.
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Grünflächenplanung: Flächen in Ausgleichsflächenpools und Maßnahmen von Ökokonten sollten stärker genutzt werden um große zusammenhängende Entlastungsstrukturen (Kaltluftentstehungsgebiete und Kaltluftbahnen) zu schaffen.
Natur und Landschaft
regelsetzend Vorsorge
Auf
gabe
Biodiversität: Die Resilienz wertvoller Lebensräume und gefährdeter Arten muss durch intensivere Schutzbemühungen (z.B. Gebietsschutz, Pflegemaßnahmen, Vertragsnaturschutz) gestärkt werden.
Natur und Landschaft
regelsetzend Vorsorge
Thermische Entlastung: Vor allem in stark verdichteten Bereich – die ggf. nicht oder nur wenig entsiegelt werden können – stellen Dach- und Fassadenbegrünungen eine geeignete Maßnahme zur lokalen Abkühlung dar.
Innere Verwaltung
Vorbild, beratend
Vorsorge
Grünflächenpflege: Die potentiell zunehmende Gefährdung von Pflanzen durch Schädlinge und Hitzestress erfordert eine lokal angepasste Auswahl neuer Arten bei Neuanpflanzungen bzw. Ersatzmaßnahmen.
Planen und Bauen, Verkehrs-flächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Biodiversität: Der Klimawandel wird zu neuen Herausforderungen an bestehende Biotopschutzkonzepte führen, die entsprechend angepasst werden müssen.
Natur und Landschaft
regelsetzend Vorsorge
Koo
rdin
ator
Biodiversität: Die Ausbreitung gebietsfremder Problemarten (z.B. Ambrosia) muss durch Gegenmaßnahmen gebremst werden.
Natur und Landschaft
regelsetzend Gefahren-abwehr
Brandschutz: Die Gefahr der Trockenheit in den Sommermonaten erhöht bei städtischen Grünflächen das Risiko von Bränden und muss durch entsprechende Einsatzplanung berücksichtigt werden.
Sicherheit und Ordnung
regelsetzend Gefahren-abwehr
Bel
ang,
Mitw
irkun
g
Brandschutz: In den trockenen Sommermonaten ist zur Minimierung des Brandrisikos ein Bewässerungsmanagement für städtische Grünflächen erforderlich.
Sport, Erholung, Planen und Bauen, Verkehrs-flächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 37
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Grünflächenpflege: Durch steigenden Nutzungsdruck sowie gleichzeitiger erhöhter Schadensanfälligkeit ergibt sich ein erhöhter Kontroll- und Pflegeaufwand von Grünflächen aber auch Straßenbäumen.
Sport, Erholung, Planen und Bauen, Verkehrs-flächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft 1 Zur Erhöhung des urbanen Vegetationsgrades kann die kommunale Verwaltung nur bedingt einen Beitrag
leisten, indem sie entweder hoheitlich handelt (was sich allerdings überwiegend nur auf den Neubaubereich auswirkt) oder vorbildlich, wenn sie z.B. eigene bauliche Anlagen begrünt, Verkehrflächen entsiegelt, oder aber beratend, was ihr zwar den weiten Bereich der Bestandsgebäude zugänglich macht, jedoch keine normierende Wirkung entwickelt. Die auf Freiwilligkeit beruhende Umsetzung von Begrünungsmaßnahmen erfordert die Bereitschaft der Wohnungswirtschaft und privater Grundstückseigentümer zum Handeln.
Potenzielle Zielkonflikte
Ein Bewässerungsmanagement öffentlicher Grünflächen/Bäume wird gerade in
den dafür erforderlichen Sommermonaten vor dem Problem des sinkenden
Brauchwasserdargebotes stehen (s.a. Handlungsbereich Wasserhaushalt) und
steht im Konflikt zur primären Sicherung der Wasserversorgung der Bevölkerung.
Gerade vor diesem Hintergrund müssen abgängige Pflanzen durch robuste, wenig
Wasser benötigende Pflanzen ersetzt werden.
Die vor allem in stark verdichteten Bereichen erforderliche Erhöhung der
wohlfahrtsfördernden Grünflächen steht im Konflikt mit einer geforderten
Innenentwicklung der Städte.
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Die Ausweitung und der Erhalt bestehender Grünflächen, Spielflächen und
Wasserflächen können sich positiv auf die menschliche Gesundheit auswirken und
steigern damit die urbane Lebensqualität. Die Steigerung der Durchgrünung sollte
dabei nicht nur auf Grünflächen beschränkt bleiben, sondern auch Straßen-
begleitgrün, Dach- und Fassadenbegrünung mit einschließen.
4. 8 Lufthygiene Die – vor allem in den Sommermonaten – zu erwartende Verschlechterung der
Luftqualität ist geeignet, die menschliche Gesundheit negativ zu beeinflussen.
Strategische Handlungsempfehlungen diesbezüglich wurden bereits weitgehend
unter Kapitel 4.2 „Handlungsbereich Menschliche Gesundheit“ dargestellt.
Zum Schutz der Lufthygiene sind das BImSchG (§§ 44-47) sowie die auf dessen
Grundlage erlassene 22. BImSchV (Verordnung über Immissionswerte für
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 38
Schadstoffe in der Luft) und die TA Luft die Regelwerke, die detaillierte Angaben
zur Überwachung und Verbesserung der Luftqualität treffen. Die sachliche und
instanzielle Zuständigkeit der Überwachung der Luftqualität und Information der
Bevölkerung sind – per Landesrecht – geregelt.
Ein Handlungsauftrag ergeht gleichwohl dennoch auch an die kommunale Ebene
auf Grund des § 1 (5) BauGB. Er erlegt den Gemeinden den Schutz der
natürlichen Lebensgrundlagen, zu denen auch die Luft zählt (Huster, Rux GG-
Kommentar Rn. 10 ff), auf.
Tabelle 8: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
Lufthygiene
Lufthygiene
Wirkfolgen:
steigender Bedarf an Frischluftentstehungsgebieten
steigende Konzentration potenziell toxischer Stoffe (z.B. Ozon, (Fein-)Stäube)
steigende olfaktorische Belastungen
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Frischluftzufuhr: Die Transportbahnen für die urbane Frischluftzufuhr müssen freigehalten werden, unvermeidbare bauliche Querungen sollten nur wenig beeinträchtigen (z.B. Brücken statt Dämme zur Talquerung).
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Auf
gabe
Frischluftzufuhr: Erhalt bzw. Schaffung von Frischluftentstehungsgebieten – insbesondere in stark verdichteten Bereichen.
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Fahrzeugtechnik: Die Reduzierung der Schadstoffemissionen des gemeindlichen Fuhrparks und ggf. kommunaler Verkehrsbetriebe kann mithelfen die städtische Luftqualität (weniger toxische Stoffe) zu verbessern
Innere Verwaltung, Verkehrsflächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Bepflanzung: Anpflanzen von widerstandsfähigen (Straßen)Bäumen zur lokalen Verbesserung der Luftqualität.
Planen und Bauen, Verkehrs-flächen und -anlagen, ÖPNV
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Koo
rdin
ator
Bepflanzung: Wechsel zu Baumarten, die eine geringere Konzentration von flüchtigen organischen Stoffen als Ozonvorläufer produzieren.
Sport, Erholung, Planen und Bauen, Verkehrs-flächen und –anlagen
regelsetzend, Vorbild
Vorsorge
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 39
Abfallentsorgung: rechtzeitige bzw. häufigere Abfallentsorgung
Ver- und Entsorgung
regelsetzend Vorsorge
Frischluftzufuhr: Die Transportbahnen für die urbane Frischluftzufuhr dritter Gemeinden müssen freigehalten werden, unvermeidbare bauliche Querungen sollten nur wenig beeinträchtigen (z.B. Brücken statt Dämme zur Talquerung).
Planen und Bauen
regelsetzend Vorsorge
Abfallentsorgung: Überprüfung bisheriger Kompostierungsstandards.
Ver- und Entsorgung
regelsetzend Vorsorge Bel
ang
Tourismus allgemein: Verschlechterungen der Luftqualität (Ozonbelastung) können Auswirkungen auf den Tourismus haben, denen ggf. durch angepasste Tourismuskonzepte begegnet werden muss.
Wirtschaft und Tourismus
regelsetzend, beratend
Vorsorge
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft 1 Zur Verbesserung der Luftqualität ist insbesondere eine Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen der
Abfallentsorgung und Behandlung notwendig.
2 Die olfaktorische Belastung kann auch durch Maßnahmen, die in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft entwickelt werden gemindert werden
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Potenzielle Zielkonflikte
Unter anderem durch Schmutzteilchen in der Luft entsteht sog. Streulicht, das
tiefer in die Pflanzen eindringt und somit stärker zur Photosynthese beiträgt. Der
Rückgang der Luftverschmutzung kann daher ein weniger stark ausgeprägtes
Pflanzenwachstum als bisher zur Folge haben, womit ein geringeres CO2-
Absorptionspotential entstünde (website scinexx).
Wie bereits in Kapitel 4.2 „Menschliche Gesundheit“ beschrieben, stellt die
Steigerung des Vegetationsgrades bzw. die Schaffung von Frischluft-
entstehungsgebieten gerade in stark verdichteten Bereichen eine große
Herausforderung für die konkrete Umsetzungsplanung dar, da hier eine
Konkurrenzsituation zum Leitbild der kompakten Stadt besteht, der durch lokale
Analysen (mittels Klimamodellierungen) und angepasste Lösungen begegnet
werden muss.
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Trotz der der oben angesprochenen Herausforderungen und Probleme ist die
Verbesserung der lokalen Luftqualität ein lohnendes Unterfangen, da sie einen
besonderen Beitrag zur Steigerung der urbanen Lebensqualität leisten kann. Die
Erhöhung des Vegetationsgrades durch Straßenbäume und Frischluftentstehungs-
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 40
gebiete in urbanen Räumen verbessert die Grünflächensituation der Stadt und ist
gerade in stark verdichteten Bereichen wichtig zur Steigerung des Wohlbefindens.
Die Anschaffung klimagerechter Fahrzeuge durch die ÖPNV-Betreiber ist nicht nur
ein Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel, sondern gleichzeitig ein Element
zur Attraktivierung des ÖPNV.
4. 9 Tourismus und Kulturerbe Tourismus wird durch Erholungsmöglichkeiten im Freiraum einer Stadt, aber auch
– insbesondere beim Städtetourismus – durch das jeweilige städtische kulturelle
Erbe geprägt. Augenfällig wird diese Verbindung bei Städten mit herausragendem
Gebäude- und Parkbestand wie etwa Potsdam.
Für die Wirtschaft Deutschlands kommt dem Tourismus eine hohe Bedeutung zu.
Der erwirtschaftete Anteil am BIP beträgt 8% (DZT 2004). Gerade in den
industriell schwächer entwickelten Regionen ist der Tourismus für die regionale
Ökonomie sehr bedeutsam (website destatis/a).
Tabelle 9: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
Tourismus und Kulturerbe
Tourismus und Kulturerbe
Wirkfolgen:
häufigere Schäden an Gebäuden, Denkmälern und Kultureinrichtungen
Auswirkungen auf das Stadtimage
Veränderungen der touristischen Saison
Veränderung der Badegewässerqualität (z.B. durch Algenblüten)
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Baukulturelles Erbe: Vor durch Extremereignisse gefährdete bauliche Anlagen von kulturhistorischem Wert müssen identifiziert und im Ereignisfall gesichert werden.
Innere Verwaltung, Kultur, Planen und Bauen
regelsetzer, Vorbild
Gefahren-abwehr
Auf
gabe
Sommertourismus: Aufstellung eines Tourismus-Masterplanes. U.a. zur Verkehrsvermeidung und Entwicklung von Erholungsmöglichkeiten (insbesondere für die Extremhitzetage).
Planen und Bauen, Wirtschaft und Tourismus
regelsetzer Vorsorge
Koo
rdin
ator
Sommertourismus: Auf die Berücksichtigung urbaner Tourismusdestinationen in Notfallplänen (Einsatz bei Hitzestress) ist hinzuwirken.
Sicherheit und Ordnung, Gesundheits-dienste
regelsetzer Gefahren-abwehr
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 41
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Allgemein: Entwicklung von witterungsunabhängigen Tourismusalternativen.
Kultur, Planen und Bauen, Wirtschaft und Tourismus
regelsetzer Vorsorge
Wintersport: Klimabedingten Veränderungen der Wintersportmöglichkeiten ist durch geänderte – diversifizierte – touristische Konzeptionen zum Outdoor-Tourismus zu begegnen.
Sport, Erholung, Planen und Bauen, Wirtschaft und Tourismus
regelsetzer Vorsorge
Koo
rdin
ator
Allgemein: Entwicklung/Ausbau des sanften Tourismus als Alternative zu energieintensiven Form des Tourismus.
Planen und Bauen, Verkehrs-flächen und -anlagen, ÖPNV, Wirtschaft und Tourismus
regelsetzer Vorsorge
Sommertourismus: Auf eine intensivere Überwachung von Badeseen ist hinzuwirken, um gesundheitsrelevante Informationen über deren Wasserqualitäten zu sammeln.
Gesundheits-dienste, Natur und Landschaft
regelsetzer Gefahren-abwehr
Bel
ang
Wintersport: Durch lokale Klimamodellierungen sind klimabedingte Auswirkungen auf die Wintersportmöglichkeiten abzuschätzen. So können ggf. Fehlinvestitionen (bspw. Technische Beschneiungsanlagen) vermieden werden.
Wirtschaft und Tourismus
beratend Vorsorge
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft 1 Der Tourismusbereich kann zwar konzeptionell durch die kommunalen Verwaltungen begleitet und
gesteuert werden, grundsätzlich wird er jedoch von den lokalen privaten Leistungsträgern geprägt. Hoheitliches Handeln ist hier durchaus möglich (z.B. durch Versagen von Genehmigungen für Beschneiungsanlagen), jedoch erscheint die „Überzeugungsarbeit“ der Leistungsträger durch die Gemeindeverwaltungen zielgerechter. Da die Tourismuswirtschaft einerseits von den Folgen des Klimawandels ökonomisch betroffen sein wird, auf der anderen Seite jedoch auch durch die rechtzeitige Entwicklung von Alternativangeboten profitieren kann, ergibt sich ein hoher Handlungsdruck für eine Zusammenarbeit.
Potenzielle Zielkonflikte
Technische Beschneiungsanlagen können auf Grund der zu erwartenden
Temperaturzunahme lediglich als eine kurz- bis mittelfristige Maßnahme zur
Anpassung gesehen werden (UBA 2005). Die Anlagen können daher zwar
zumindest temporär den Wintersporttourismus sichern, aber der Betrieb der
Anlagen führt zu einer Erhöhung der CO2-Produktion und steht im Widerspruch zu
CO2-Vermeidungszielen.
Die Umstellung auf andere Formen des Tourismus kann dazu führen, dass andere
als die bisherigen Zielgruppen angesprochen werden – mit an dieser Stelle nicht
prognostizierbaren Folgewirkungen im Tourismus. Neue Tourismuskonzepte
müssen daher unter Einbezug aller touristischen Leistungsträger erfolgen.
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 42
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Eine frühzeitige konzeptionelle Reaktion auf die Folgewirkungen auf den
Tourismus durch den Klimawandel kann ein Beitrag zur nachhaltigen Sicherung
der regionalen (touristischen) Beschäftigungssituation sein. Die Diversifizierung
des Angebotes kann eine ausgleichende Wirkung auf die saisonalen Auslastungen
der touristischen Betriebe haben und deren Einkommensbasis stärken.
Die Umstellung auf Formen des sanften Tourismus – einhergehend mit einer
Stärkung des ÖPNV – kann die Gesamtsituation des ÖPNV auch für die lokale/
regionale Bevölkerung verbessern und ist ein Beitrag zur Veränderung des Modal-
Split.
Gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels kann die
Berücksichtigung von Erfordernissen in der Gesundheitswirtschaft auch im
touristischen Bereich ein Element zur Erhöhung der Zufriedenheit mit
Gesundheitsdiensten sein.
4. 10 Land- und Forstwirtschaft Die Kommunen müssen sich nicht nur den Herausforderungen der
klimawandelbedingten Folgen im urbanen Raum stellen, sondern sich auch den
Problemen im Außenbereich widmen.
Die Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft bemisst sich weniger an der Zahl
der Erwerbstätigen, deren Anteil 2008 lediglich 2,1% betrug, (website destatis/b)
sondern an der Funktion der Lebensmittelproduktion und zum anderen an ihrem
Anteil an der Flächennutzung in Deutschland. 2004 betrug der Anteil der
landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland 53% und der Waldfläche 29,8%
(website destatis/c).
Tabelle 10: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
Landwirtschaft
Landwirtschaft
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Agrarplanung: Die Ausweisung von Risikostandorten und Gefahrenzonen soll der Landwirtschaft eine spezifische Anbauanpassung ermöglichen
Planen und Bauen, Natur- und Landschaft
regelsetzend Gefahren-abwehr
Koo
rdin
ator
Agrarplanung: Die Effizienz der Wassernutzung sollte durch eine Bewässerungsplanung gesteigert werden
Ver- und Entsorgung, Natur und Landschaft
beratend (vertraglich)
Vorsorge
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 43
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Regenerative Energieerzeugung: Um die regionale Unabhängigkeit der Energieproduktion zu stärken, sollte die Nutzung landwirtschaftlich produzierter Biomasse zur Energieerzeugung gesteigert werden
Ver- und Entsorgung, Natur und Landschaft
beratend (vertraglich), Vorbild
Vorsorge
Erosionsschutz: Durch die Anlage von Hecken kann die Erosion des Oberbodens durch Wind und Regen abgemildert werden
Natur und Landschaft
beratend (vertraglich), Vorbild
Vorsorge
Koo
rdin
ator
Gewässerschutz: Durch den Ausbau von Uferrandstreifen kann der Eintrag von Oberbodenpartikeln und Schadstoffen durch Wind und Regen abgemildert werden
Natur und Landschaft
beratend (vertraglich), Vorbild
Vorsorge
Veterinärmedizin: Durch die Temperaturzunahme muss mit Auswirkungen auf die Tiergesundheit gerechnet werden, die durch Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge gewährleistet werden muss
Sicherheit und Ordnung
regelsetzend, beratend
Gefahren-abwehr
Bildung: Qualifizierung der Beschäftigten, um über Möglichkeiten nachhaltiger Landwirtschaft zu informieren, Unterstützung der Verhaltensänderung
Schule und Bildung, Natur und Landschaft
beratend Vorsorge
Kulturtechnik: Einsatz von Nutzpflanzen, die wenig Wasser benötigen, resistent gegen Schädlingsbefall und gegenüber Hitze- und Trockenstress sind
Natur und Landschaft
beratend Vorsorge
Kulturtechnik: Die ökologische Landwirtschaft entspricht den Zielen der Vermeidung und kann durch die mit ihr verbundene Anforderung an Artenvielfalt ein Element der Anpassung sein
Natur und Landschaft
beratend (vertraglich)
Vorsorge
Versicherung: Um die Gefahr des Ernteausfalls durch Extremereignisse zu minimieren, soll das Fruchtartenspektrum erhöht werden
Natur und Landschaft
beratend Vorsorge
Bel
ang,
Mitw
irkun
g
Vermarktung: Durch die Förderung regionaler Produkte wird die Existenz der Landwirtschaft gesichert, die als Akteur in vielerlei Hinsicht in der Anpassung erforderlich ist
Natur und Landschaft, Wirtschaft und Tourismus
beratend Vorsorge
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 44
Tabelle 11: Leistungspotenziale der Stadtentwicklung im Handlungsfeld
Forstwirtschaft
Forstwirtschaft
Wirkbereich des politisch-administrativen Systems
Maßnahme Bereich Handlungstyp Reaktionsart
Forstplanung: Durch die Ausweisung von Gefahrenzonen können frühzeitig forstwirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen erfolgen.
Planen und Bauen, Natur und Landschaft
regelsetzend Gefahren-abwehr
Koo
rdin
ator
Forstplanung: Wald stellt eine Sicherung für Siedlungsflächen und Infrastrukturen in gefährdeten Gebieten (Steinschlag, Hangrutschung, Lawine) sowie einen Erosionsschutz dar, daher ist an erforderlichen/geeigneten Stellen eine (Wieder-)Bewaldung zu prüfen.
Natur und Landschaft
beratend Vorsorge
Regenerative Energieerzeugung: Aufforstung urbaner Brachflächen oder Wiederbewaldung von Sukzessionsflächen
Natur und Landschaft
beratend Vorsorge
Brandschutz: Auf Grund des Temperaturanstiegs – und damit einhergehender Trockenperioden – wird die Waldbrandgefahr zunehmen, der durch entsprechendes Monitoring und eine erhöhte Einsatzbereitschaft zu begegnen ist.
Sicherheit und Ordnung, Natur und Landschaft
tlw. regelsetzend, tlw. beratend
Gefahren-abwehr
Waldumbau: Windwurfgefährdete Gebiete bedürfen zum einen der Überwachung und ggf. des Einsatzes nach einem Extremereignis – mit denen häufiger gerechnet werden muss. Zum anderen kann die Baumartenwahl (tiefwurzelnd) das Risiko mindern.
Sicherheit und Ordnung, Natur und Landschaft
tlw. regelsetzend, tlw. beratend
Gefahren-abwehr
Information und Kommunikation: Qualifizierung der Beschäftigten, um das Bewusstsein für eine nachhaltige und naturschonende Forstwirtschaft zu fördern.
Schule und Bildung, Natur und Landschaft
beratend Vorsorge
Regenerative Energieerzeugung: Schnellumtriebwälder – auf landwirtschaftlichen Flächen – können der Biomasseproduktion dienen und die regionale Unabhängigkeit der Energieproduktion steigern.
Ver- und Entsorgung, Natur und Landschaft
beratend (vertraglich), Vorbild
Vorsorge
Bel
ang
Waldumbau: Die Waldbestände sind auf resiliente Baumartenzusammensetzungen (weniger Nadel- mehr Laubholz) und naturnahe Behandlungsmethoden zu verändern.
Natur und Landschaft
beratend, Vorbild
Vorsorge
Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft im gesamten Außenbereich 1 Konsensorientiertes Handeln ist in diesem Bereich erforderlich, da zum einen zahlreiche der vorgestellten
Maßnahmen einen beratenden Charakter haben und gegen den Widerstand der Land- und Forstwirtschaft (kaum) durchsetzbar sind. Zum anderen erfordern Maßnahmen, wie der Einsatz von Biomasse für eine lokale/regionale Energieversorgung die Zusammenarbeit der Privaten – Land- und Forstwirtschaft sowie Energieversorger – bzw. Netzbetreiber – untereinander.
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 45
Potenzielle Zielkonflikte
Vor allem im Fall von (Wieder-)Bewaldungen muss in Zukunft auf Grund der zu
befürchtenden Zunahme des Waldbrandrisikos und der Sturmwurfgefahr für
Gebäude, Tiere und Menschen mit einem Konflikt zu bestehenden
Siedlungssplittern im Außenbereich gerechnet werden.
Um die Vermeidungsziele weiterhin zu verfolgen, erscheint es angeraten, die
Nahrungsmittelversorgung gerade im städtischen Umland zu fördern. Die Nutzung
von landwirtschaftlicher Fläche zur ausschließlichen Biomasseproduktion für die
Energieerzeugung wäre hier kontraproduktiv. Vielmehr sollte eine kaskadische
Verwertung natürlicher Rohstoffe erfolgen (Haas et al. 2008).
Potenziale zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität
Die beschriebenen Maßnahmen sind geeignet, die Beschäftigungsmöglichkeiten in
der Landwirtschaft zu fördern.
Der Erhalt und die Pflege der land- und forstwirtschaftlichen Kulturlandschaft ist
gleichfalls ein Beitrag, die Quantität und Qualität der städtischen Grünflächen zu
erhöhen und kann im Fall der Waldflächen der Naherholung dienen.
4. 11 Kooperatives und koordinierendes Handeln der Verwaltungen Die regelmäßig komplexer werdenden Aufgaben in der Stadtentwicklung mit
erheblichem überörtlichen Abstimmungsbedarf, bei gleichzeitig begrenzter
Leistungsfähigkeit der kommunalen Verwaltungen erfordert eine interkommunale
Zusammenarbeit, die auch in der jüngeren Vergangenheit durch die Städte und
Gemeinden vermehrt wahrgenommen wurde.
Vor allem aber der globale Charakter des Klimawandels führt dazu, dass weder
die Wirkfolgen noch die daraus resultierenden Handlungsnotwendigkeiten
ausschließlich auf der durch administrative Grenzen beschränkten lokalen Ebene
betrachtet werden dürfen. Gerade die Extremereignisse werden zu Auswirkungen
führen, die regional betrachtet werden müssen. Die schleichend vonstatten
gehenden Veränderungen durch den Klimawandel werden – in der einen oder
anderen Intensität – jede Gemeinde berühren und ihr lokales Handeln erfordern
(vgl. BMVBS / BBSR 2008). Vor allem kleinere Kommunen werden dabei jedoch
auf Grund der personellen Ressourcen vor großen Herausforderungen stehen. Die
interkommunale Zusammenarbeit kann ein Mittel sein, diesen Herausforderungen
zu begegnen, indem die Verwaltungskapazität erweitert wird.
Das Auftreten von Extremereignissen macht ein vernetztes Arbeiten
verschiedener Organisationseinheiten – z.B. den Behörden und Organisationen
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 46
mit Sicherheitsaufgaben (BOS) – notwendig. Die systemübergreifende
Kommunikation sollte durch technische Lösungen wie dem TETRA-Netz
sichergestellt werden. Um das Krisenmanagement zu unterstützen, können im
Bevölkerungsschutz ebenfalls technische Programmlösungen wie etwa DISMA 4.0
(Disaster management) eingesetzt werden, das als Entscheidungshilfesystem
fungiert (Jobst et al. 2008).
Auf Grund der Reglungen zur instanziellen Zuständigkeit – die je nach Land
unterschiedlich sein können – sind verschiedene Aufgabenträger in die
Problemlösung involviert. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft für den Freistaat
Bayern die instanzielle Zuständigkeiten der BOS im Bereich des
Hochwasserschutzes.
Tabelle 12: Zuständigkeiten im Hochwasserschutz am Beispiel Bayerns
Behörde Aufgabe Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
Gesamtstrategie des Hochwasserschutzes
Erarbeitung landesplanerischer Vorgaben
Bewirtschaftung der Finanzmittel für Investitionen, Unterhalt und Förderung
Regierungen Steuerung und Koordination der Hochwasserschutzmaßnahmen auf Ebene der Regierungsbezirke
Regionale Planungsverbände Ausweisung von Vorranggebieten für den Hochwasserabfluss und –rückhalt
Bayerisches Landesamt für Umwelt
Erstellen von Hochwasservorhersagen
Leitung des überörtlichen Hochwassernachrichtendienstes
Beratung der Wasserwirtschaftsämter
Wasserwirtschaftsämter Planung und Ausführung der Hochwasserschutzmaßnahmen für Staat und Bezirke an Gewässern erster und zweiter Ordnung und an Wildbächen
Durchführung des Hochwassernachrichtendienstes
Beratung der Städte und Gemeinden bei Maßnahmen an Gewässern dritter Ordnung
Förderung von Maßnahmen an Gewässern zweiter und dritter Ordnung
Ermittlung von Überschwemmungsgebieten
Amtlicher Sachverständiger in Hochwasserfragen
Kreisverwaltungsbehörden Durchführen wasserrechtlicher Verfahren
Festsetzung von Überschwemmungsgebieten
Weiterleitung von Hochwassermeldungen
Vorbereitung und Leitung des Katastropheneinsatzes
Städte und Gemeinden
Ausführung der Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern dritter Ordnung
Aufstellen von gemeindlichen Melde- und Einsatzplänen
Information der Betroffenen im Hochwasserfall
Gefahrenabwehr (Deichverteidigung) mit Feuerwehr und Hilfskräften.
(Quelle: website Wasserwirtschaftsamt Kempten)
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 47
Den Kommunen stehen zahlreiche Organisationsformen zur kooperativen
Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zur Verfügung. Die Wahl einer geeigneten
Organisationsform ist jedoch von verschiedenen Faktoren abhängig. Maßgeblich
ist zunächst, ob es sich bei der zu erfüllenden Aufgabe um eine hoheitliche oder
nicht-hoheitliche Aufgabe handelt. Der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben (z.B.
die Bauleitplanung nach dem BauGB) stehen ausschließlich öffentlich-rechtliche
Organisationsformen offen – die Formenwahl wird hierbei durch die jeweiligen
landesrechtlichen kooperationsgesetzlichen Vorgaben eingeschränkt. Nicht-
hoheitliche Aufgaben – und hierzu zählt die beratende Tätigkeit der Kommunen –
können entweder privatrechtlich, oder informell wahrgenommen werden
(Spannowsky und Borchert 2003; Hollbach-Grömig et al. 2005).
Tabelle 13: Organisationsformen der interkommunalen Kooperation
(Quelle: Hollbach-Grömig et al. 2005)
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 48
Neben der rechtlichen Betrachtung spielt auch der Zeitpunkt des
interkommunalen Miteinanders – das in eine Start-, eine Konsolidierungs- und
eine Reifephase unterschieden werden kann (Klemme 2002) – eine Rolle bei der
Wahl einer geeigneten Organisationsform.
Gerade die Startphase eines integrierten kommunalen Klimaschutz- und
Anpassungskonzepts bietet sich für informelle, noch wenig verbindliche
Zusammenarbeit an, während die Umsetzung von Maßnahmen durch die Wahl
einer formellen Organisationsform „ein höheres Maß an Verbindlichkeit und
wechselseitiger Verpflichtung“ (Hollbach-Grömig et al. 2005) für die
Kooperationspartner gewährleistet. Mithin ist die Formalisierung interkommunaler
Kooperation nicht als Voraussetzung, sondern als Resultat abgestimmten Handels
anzusehen.
Schließlich ist für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Organisationsform
auch noch relevant, ob eine auf Dauer angelegte Zusammenarbeit erfolgen soll
oder es sich um eine projektorientierte, zeitlich befristete Tätigkeit handelt und ob
natürliche und juristische Personen des Privatrechts in die Kooperation
einbezogen werden sollen. Zielen Kommunen also eher auf ein langfristig
wirkendes, kontinuierlich auf Basis eines Monitoring-Konzepts
weiterzuentwickelndes Anpassungskonzept, ist dies für die Wahl einer
Organisationsform relevant und spricht für eine Institutionalisierung in Form einer
rechts- und damit förderfähigen Organisation. Da gerade Wirkungen im Bestand
die Mitwirkung zivilgesellschaftlicher Gruppen erforderlich macht, spricht vieles
für eine privatrechtliche Organisationsform.
Leistungspotenziale BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 49
Defizite und mögliche Handlungsansätze BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
5. Defizite der Stadtentwicklungspraxis und mögliche Handlungsansätze
5. 1 Materielle Handlungsansätze Grundsätzlich dürften in der Bauleitplanung für die Umsetzung des Klimaschutzes
keine Instrumenteninnovationen erforderlich sein, da das vorhandene
Instrumentarium hinlänglich flexibel und sowohl zum Klimaschutz als auch zur
Klimaanpassung geeignet ist – allerdings vornehmlich im Hinblick auf zukünftige
Nutzungen. Im Zusammenspiel mit dem energetischen Fachrecht und
städtebaulichen Gesamtmaßnahmen kann auch auf den Bestand Einfluss
ausgeübt werden. Konsensuale Ansätze, die auf die Überzeugung und Mitwirkung
der Eigentümer setzen, sind hier von großer Bedeutung.
Der Begriff „Klimaanpassung“ bleibt trotz der in Kap. 3.2 dargelegten Relevanz
für die Bauleitplanung allerdings bis dato im BauGB unerwähnt.2 Wünschenswert
wäre daher die Aufnahme von Klimaanpassung als Belang in § 1 Abs. 6
BauGB. Wichtig für die kommunale Praxis im Sinne der Bewältigung
städtebaulicher Konflikte ist das Erkennen von Zielkonflikten zwischen
Klimaschutz und Klimaanpassung, die je nach Gewicht des Anpassungs-
erfordernisses (vgl. auch Kap. 5. 2), zu unterschiedlichen Entscheidungen führen
kann.
Neben der Aufnahme von Klimaanpassung als Belang ist auch die Rolle von
Leitbildern zu diskutieren. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ist mit der
Einsicht verbunden, dass auch moderne Gesellschaften vom Bestand und dem
Funktionieren ökologischer Systeme abhängen und nachhaltig nur funktionieren
können, wenn sie die Systemressourcen nicht über Gebühr belasten. Der
Schwerpunkt der Lösungskonzepte liegt auf der Prävention und der Ausrichtung
der gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen auf eine dauerhafte
umweltgerechte Entwicklung. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen
Klimaänderungen und dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung. Eine
gesellschaftliche Entwicklung kann sicher nicht als nachhaltig angesehen werden,
wenn in ihrem Rahmen die Risiken wachsen, von katastrophalen Ereignissen als
mögliche Folgen des Klimawandels betroffen zu werden. Umgekehrt sollte im
Grundsatz eine Entwicklung, die als nachhaltig bezeichnet wird, nicht
katastrophenträchtig sein (Lass, Reusswig und Kühn 1998). Eine zukunftsfähige
Gesellschaft sollte somit ein ständig innovierendes und lernendes System mit
2 Im Gegensatz dazu erfolgt mit § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 7 ROG eine explizite Würdigung von Klimaschutz und ‐anpassung als Grundsatz der Raumordnung: „Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen, sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen. Dabei sind die räumlichen Voraussetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, für eine sparsame Energienutzung sowie für den Erhalt und die Entwicklung natürlicher Senken für klimaschädliche Stoffe und für die Einlagerung dieser Stoffe zu schaffen.“
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 50
Anreizregelungen zur Risikominderung sein (WBGU 1999). Ohne eine Ausrichtung
der Gesellschaft auf Widerstandsfähigkeit und Elastizität gegenüber den
möglicherweise katastrophalen Folgen des Klimawandels kann daher eine
ansonsten nachhaltige Entwicklung nicht aufrechterhalten werden. Wenn im Fall
einer Katastrophe enorme wirtschaftliche, soziale und auch ökologische Schäden
bzw. Kosten entstehen, kann dies eine Gesellschaft, die ansonsten die
Nachhaltigkeitsziele verfolgt, um Jahre zurück werfen oder im Fall irreversibler
Schäden dauerhaft beeinträchtigen. In der Regel entstehen durch den
Wiederaufbau sogar zusätzliche Schäden wie Ressourcenverbrauch und
Abfallbeseitigung (Greiving 2002).
Im Zusammenhang mit Klimavorsorge und -anpassung könnten also Leitbilder
wie „Klimaverantwortung“, „Katastrophenresistenz“ oder „Resiliente Gesellschaft“
formuliert werden. Die Frage nach der Resilienz als Leitbild städtischer
Entwicklung bezieht sich jedoch nicht nur auf den Klimawandel, sondern
berücksichtigt weitere städtische Änderungsprozesse im Kontext von
Globalisierung, Privatisierung und demographischem Wandel etc.
Letztlich steht hier die Forderung nach flexibler Planung und nach Governance-
Ansätzen: Es geht also nicht nur um „Climate Change Proof Planning“ (vgl.
Expertise „Governance und Climate-Proof Planning“), sondern generell um
„Change Proof Planning“ (BMVBS und BBR 2008: 26). Diese Thematik wird in der
BBSR-Online-Publikation Nr. 24/09 „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung:
Leitbilder und Instrumente“ näher besprochen.
Neben der Steuerung über hoheitliche Instrumente und Leitbilder ist als
materieller Ansatz auch die Rolle von Förderprogrammen zu beleuchten (vgl.
dazu auch ausführlicher BBSR-Online-Publikation Nr. 25/09 „Klimawandelgerechte
Stadtentwicklung: Planungspraxis“.
Förderung zählt zu den indirekt wirkenden Instrumenten staatlichen Handelns,
über die der Staat auf die räumliche, aber auch wirtschaftliche und
gesellschaftliche Entwicklung Einfluss ausüben kann.
Um kommunale Maßnahmen der Klimaanpassung umzusetzen, müssen
Möglichkeiten gefunden werden, verstärkt bestehende, querschnittsorientierte
Förderprogramme zu nutzen. Hier bieten sich sowohl Städtebauförderung,
Programme der ländlichen Entwicklung und somit auch
Dorferneuerungsprogramme, EFRE-basierte Förderung einer nachhaltigen
Stadtentwicklung und auch Mittel der KfW an. Auch die Deutsche
Anpassungsstrategie weist auf die Notwendigkeit der Förderung (nicht nur
finanzieller Art) von Maßnahmen mit Synergieeffekten für verschiedene
Klimafolgen hin (Bundesregierung 2008).
Es fehlt insgesamt die deutliche Betonung der klimaschutz- aber auch
anpassungsbedingten Einsparpotenziale. Neben der Verbesserung von
Defizite und mögliche Handlungsansätze BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 51
Fördermöglichkeiten und -beratung sollte Klimaschutz im kommunalpolitischen
Bewusstsein durch die Verknüpfung von Effizienz- und Einsparmaßnahmen
insbesondere als kostenreduzierender Faktor gesehen und "vermarktet" werden.
So können Gemeinden mit alternativer Energienutzung von Strom- und Gaspreis-
erhöhungen finanziell profitieren. Auch eine rechtzeitige Anpassung an mögliche
Klimafolgen sichert erhebliche Aufwendung zukünftiger Schadensregulierungen.
Der Bund wird in Kooperation mit den Ländern und weiteren relevanten Akteuren
einen Aktionsplan Anpassung bis März 2011 entwickeln. "Dazu wird eine
Interministerielle Arbeitsgruppe Anpassung (IMA Anpassungsstrategie)
eingerichtet. Inhalte des Aktionsplans sollen Grundsätze und Kriterien für eine
Priorisierung von Handlungserfordernissen, eine daraus abgeleitete
Konkretisierung von Maßnahmen des Bundes, ein Überblick über konkrete
Maßnahmen anderer Akteure, Aussagen zur Finanzierung der Anpassung
sowie Vorschläge zur Erfolgskontrolle sein" (Bundesregierung 2008: 4). Hierbei
werden auch Antworten gegeben, wie sich EU, Bund und Länder sowie sonst noch
in der Verantwortung stehende Akteure an der Finanzierung der Maßnahmen für
die Deutsche Anpassungsstrategie und dem „Aktionsplan Anpassung“ beteiligen"
(Bundesregierung 2008).
5. 2 Prozedurale Handlungsansätze Der Klimawandel unterscheidet sich von den bereits seit langem existierenden
Umweltproblemen wie z.B. Wasser- oder Luftverschmutzung dadurch, dass er nur
durch geringe Erfahrungen mit der ursächlichen Gefahr, komplexe Ursache-
Wirkung-Beziehungen sowie vielfältige, heterogene und langfristige Effekte
gekennzeichnet ist. Wissenschaftliche Aussagen zum Klimawandel und seinen
(insbesondere regionalen) Folgen sind – und das werden sie auch in Zukunft
bleiben – stets mit einem hohen Unsicherheitsfaktor belegt. Unsicherheit wird hier
also zu einem beherrschenden Element in Entscheidungsprozessen zum Umgang
mit neuen Risiken dieser Art (van Asselt 2005).
Komplexität und Unsicherheit stellen Entscheidungsträger vor besondere
Schwierigkeiten, da die Folgen von Entscheidungen nur sehr schwer oder gar
nicht abzuschätzen sind. Hier werden Governance-Ansätze als Lösung angesehen,
bei denen nicht alleine die kommunalen Behörden Träger der Prozesse der
Stadtentwicklung sind, sondern bei denen es sich um politisch-gesellschaftliche
Entscheidungsfindungen handelt, an denen nicht nur die Bevölkerung sondern
auch demokratische Gremien, andere Fachpolitiken und gesellschaftliche Kräfte,
Wirtschaft und Wissenschaft beteiligt werden und hierarchielos in den Diskurs
treten (vgl. Selle 1996).
Defizite und mögliche Handlungsansätze BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 52
Die Akzeptanz von Entscheidungen ist angesichts der Tatsache, dass
Entscheidungen über den Umgang mit Risiken – so auch Klimafolgen – letztlich
Wertentscheidungen sind, außerordentlich wichtig. Dies trifft vor allem dann zu,
wenn Entscheidungen unter Unsicherheit über Eintrittswahrscheinlichkeit und
Schadensausmaß zu treffen sind. In der Debatte über den globalen Klimawandel
spricht man davon, dass man sich von Wahrscheinlichkeiten („probabilities“) zu
bloßen Möglichkeiten bewegt („possibilities“), weil durch die sich verändernde
Umwelt kein Verlass mehr auf statistische Wiederkehrintervalle besteht, die sich
auf Beobachtungen in der Vergangenheit beziehen (Greiving 2005).
Angesichts der Tatsache, dass Entscheidungen über den Umgang mit Risiken (aus
dem Klimawandel) letztlich Wertentscheidungen sind, ist ein Konsens
außerordentlich wichtig. Dies trifft vor allem dann zu, wenn Entscheidungen unter
Unsicherheit (über die zukünftige Entwicklung des Klimas) zu treffen sind und
viele der erforderlichen Maßnahmen nur durch Eigentümer und Bewohner
umgesetzt werden können, weil sie den baulichen Bestand betreffen, auf den auf
Grund der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG hoheitlich nur sehr begrenzt Einfluss
genommen werden kann (Greiving 2008).
Der Umgang mit den Folgen des Klimawandels verlangt daher eine
Zusammenführung des Ansatzes regionaler Governance-Prozesse mit Ansätzen
eines Risikomanagements. Für die Zusammenführung dieser Ansätze wurde der
Begriff des Risk Governance durch den internationalen Risikorat (International
Risk Governance Council, IRGC) geprägt (vgl. IRGC 2005), der im
Zusammenhang mit der Vorsorge und Anpassung an den Klimawandel auch als
„Klimawandel-Governance“ interpretiert werden kann. Weitergehende
Ausführungen zum Thema enthält die BBSR-Online-Publikation Nr. 26/09
„Klimawandelgerechte Stadtentwicklung: Climate-Proof Planning”.
Der Begriff „Climate-Proof Planning“ ist zunächst noch ein populäres
Schlagwort, welches auf die Notwendigkeit einer klimawandelangepassten
Planung oder – allgemeiner – Entwicklung hinweist. Es wird zumeist im
Zusammenhang mit der Operationalisierung „klima(wandel)verträglicher“
Entwicklung gesehen: Welche Methoden, Instrumente, Indikatoren existieren, mit
denen man sicher stellen kann, dass die gewählten Maßnahmen oder Aktionen zu
Ergebnissen führen, die „climate proof“ sind?
Der Begriff wird hier zur Beschreibung von Planungs- und
Entscheidungsprozessen verwendet, die zum Ziel haben, Raumstrukturen zu
schaffen, welche resilient gegenüber zukünftigen Klimafolgen sind.
Ziel des Climate Proofings ist es, im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen
Raumentwicklung bzw. nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung ein hohes
Niveau an Resilienz und Anpassungsfähigkeit gegenüber den aktuellen und
zukünftigen Folgen des Klimawandels sicherzustellen. Bei der Ausarbeitung und
Defizite und mögliche Handlungsansätze BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 53
Annahme bzw. Genehmigung von Programmen, Plänen und Projekten sollten
daher die möglichen Auswirkungen von Umwelt- und Klimaveränderungen, die für
diese relevant sind, berücksichtigt werden. Dabei müssen unterschiedliche
Klimaszenarien sowie die Exposition und Vulnerabilität der jeweiligen
Raumentwicklungsziele gegenüber den Folgen des Klimawandels berücksichtigt
werden. Der Umgang mit Unsicherheit ist Bestandteil dieser Planungen.
Der „Climate-Proof-Bericht“ könnte zum einen die Ergebnisse regionaler
Klimaszenarien sowie die zentralen Aussagen einer Expositions- und
Vulnerabiltätsanalyse dokumentieren. Darüber hinaus sollte der Bericht
insbesondere Aussagen darüber enthalten, wie auf die zunehmende Exposition
und Vulnerabilität reagiert wird und welche Zielsetzungen im Plan, Programm
oder Projekt besonders die Resilienz und Anpassungsfähigkeit der Planung
sicherstellen sollen. Weitergehende Ausführungen zum Thema enthält die BBSR-
Online-Publikation Nr. 26/09 „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung: Climate-
Proof Planning”.
Ein Ansatz zur Gewährleistung eines Climate Proofing besteht in der Verwendung
des Entscheidungsunterstützungswerkzeuges (DSS).
Als Weiterentwicklung des bestehenden „regionalen Handlungs- und
Aktionsrahmens Klimaanpassung“ (BMVBS/BBSR 2009a) ist das DSS klar auf die
Handlungsmöglichkeiten der Stadtentwicklung im Bereich Klimaanpassung
fokussiert, um die spezifischen planerischen Kompetenzen herausarbeiten zu
können. Eine Bewertung der Betroffenheit durch die Folgen des Klimawandels
bzw. die Sensitivität einer Gemeinde nimmt das DSS daher bewusst nur indirekt
vor, indem sich der Anwender über die Auswahl der passenden
Nutzungsmöglichkeit bzw. konkreter Maßnahmen auf solche konzentriert, die
geeignet erscheinen, die ihm bekannten für seine Gemeinde relevanten
klimabezogenen Probleme zu lösen. Dieses Vorgehen erscheint auch flexibler, da
unabhängig von Umfang und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten zur
Verwundbarkeit eine Nutzung des DSS möglich ist.
Für die Anwender bestehen dabei vier Nutzungsmöglichkeiten des DSS, um der
Bandbreite möglicher planungspraktischer Bedürfnisse gerecht werden zu
können:
1. Unterstützung bei der Stadtentwicklungsplanung oder der
Flächennutzungsplanung: Hierbei werden alle Handlungsfelder der
Stadtentwicklung berücksichtigt, einzelne Handlungsfelder können durch
die Anwender manuell abgewählt werden.
2. Unterstützung bei der Prüfung der Klimarelevanz von Projekten bzw.
Vorhaben von Investoren: Je nach Raumbezug oder Fragestellung können
hier einzelne Handlungsfelder durch den Benutzer aufgerufen und
abgearbeitet werden.
Defizite und mögliche Handlungsansätze BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
Klimawandelgerechte Stadtentwicklung 54
3. Unterstützung bei der Erarbeitung einer Klimaanpassungsstrategie
4. Teilfragen zur Klimaanpassungsstrategie
Die Struktur des DSS orientiert sich für die Nutzungsmöglichkeiten 1 und 2 an
Handlungsfeldern der Stadtentwicklung, während der Nutzer, der auf eine
Klimaanpassungsstrategie abzielt, über die in den Expertisen „Stadtklimawandel“
und „Leistungspotenziale der Stadtentwicklung“ erläuterten
Betroffenheitsbereiche an die Maßnahmen herangeführt wird. Als Handlungsfelder
wurden deklariert:
A. Siedlungsflächenentwicklung B. Stadtgestalt und Städtebau C. Grün-, Frei- und Landschaftsraum D. Verkehr und Mobilität E. Sport und Freizeit F. Stadtgesellschaft (Gesundheit) G. Wissen und Bildung H. Kultur und Denkmalpflege I. Technische und Soziale Infrastruktur J. Wirtschaft und Einzelhandel K. Tourismus
Den vorgenannten Handlungsfeldern werden aus dem Gesamtkatalog aller
möglichen Anpassungsmaßnahmen die entsprechend geeigneten bzw. relevanten
zugeordnet. Die Gemeindegröße und der Status der Gemeinde
(kreisfrei/kreisangehörig/Gemeindeverband) wirken hierbei als Filter, so dass für
die jeweiligen Nutzer ungeeignete Maßnahmen ausgeblendet werden.
Das DSS weist den Nutzer auf bestehende Zielkonflikte und Synergien zwischen
von ihm ausgewählten Maßnahmen hin und unterstützt ihn auf diese Weise bei
der Entwicklung einer konsistenten Strategie. Zugleich werden in einer Datenbank
weiterführende Informationen zu Gesetzestexten, wissenschaftlicher Literatur
Best-Practises und Förderprogrammen gegeben.
Defizite und mögliche Handlungsansätze BBSR-Online-Publikation, Nr. 22/2009
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