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211 Ralph Schwarzkopf Begriindungen und neues Wissen: Die Spanne zwischen empirischen und strukturellen Argumenten in mathematischen Lernprozessen der Grundschule Kurzfassung Dieser Beitrag stellt Beziehungen zwischen theoretischen Ansiitzen aus der Epistemologie und aus der funktionalen Argumentationsanalyse her, durch die sich beide mathematikdidaktischen Forschungsansiitze gegenseitig bereichern. Der Autor erliiutert zuniichst be ide herangezogenen Perspektiven. AnschlieBend werden anhand einer Analyse von Episoden aus dem Mathematikunterricht (4. Klasse der Grundschule), in denen die Kinder fiir die Entwicklung eines Arguments neues Wissen erwerben miissen, exemplarisch folgende Fragen diskutiert: Von welcher Art ist das neu konstruierte Wissen? In welchen argumentativen Funktionen tritt dieses neue Wissen in Begriindungen auf, die Lehrperson und SchUler entwickeln? AbschlieBend werden allgemeinere Erkenntnisse aus den Analysen zur Diskussion gestellt. Abstract This article discusses theoretical relations between social epistemology and functional analyses of arguments. After explaining aspects of both theories, the author gives an analysis of some episodes from a mathematics lesson (about 10 years old children). In these episodes, the students are constructing new knowledge to reason for a statement. The goal of the analysis is to discuss exemplarily the following questions: How can one describe the new knowledge that the students construct to reason for a statement? In which functions of argument does the new knowledge appear? The last part of the paper gives some general results of the analysis to discussion. 1. Einleitung: Argumentieren und Lernprozesse In diesem Beitrag aus der Tradition der interpretativen Unterrichtsforschung geht es um Interaktionsprozesse im Mathematikunterricht der Grundschule, flir die zwei Aspekte charakteristisch sind: Erstens wird in diesen Prozessen argumentiert. Zweitens mussen die Kinder zum Argumentieren erst noch mathematische Erkenntnisse erarbeiten, in diesen Prozessen wird also neues Wissen konstruiert. Der Artikel schlieBt dabei auf der theoretischen Ebene an zwei mathernatikdidaktische Ansiitze an, die rniteinander verbunden und dadurch ein Stuck we iter entwickelt werden sollen. Erstens werden argumentationstheoretische Uberlegungen (Schwarzkopf 2000) fortgefiihrt, die ein Instrument zur strukturellen Analyse von Begriindungen liefem. Zweitens schlieBt der Autor an einen epistemologischen Ansatz von Steinbring (2000a/b) 1 , der die sozialen Bedingungen zur Konstruktion neuen Wissens im Unterricht erkliirt. Dem Autor geht es dabei um die folgende Frage: Welche argumentativen Beziehungen stell en die am Unterricht Beteiligten zwischen "altem" und "neuem" mathematischen Wissen her, wenn sie wiihrend der Bearbeitung eines neuen Unterrichtsinhalts argumentieren? Diese Frage bezieht sich gleichermaBen auf argumentationstheoretische und epistemologische Aspekte des Unterrichts und sie bedarf zuniichst selbst einiger grundsiitzlicher Kliirungen, bevor auf den einer Antwort eingegangen werden kann. Dementsprechend wird in den einleitenden Uberlegungen zuniichst kurz skizziert, was der Autor unter "Argumentationsprozessen" versteht und unter welcher Perspektive er "neues Wissen" betrachtet. 1m zweiten Abschnitt werden die skizzierten Ansiitze I Dieser Beitrag ware ohne die vielen konstruktiven Diskussionen mit Heinz Steinbring, die wir anhand seines Datenmaterials und seiner theoretischen Ergebnisse aus Steinbring 2000a geflihrt haben, nicht zustande gekommen. (JMD 24 (2003) H. 3/4, S. 211-235)

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Ralph Schwarzkopf Begriindungen und neues Wissen: Die Spanne zwischen empirischen und strukturellen Argumenten in mathematischen Lernprozessen der Grundschule

Kurzfassung Dieser Beitrag stellt Beziehungen zwischen theoretischen Ansiitzen aus der Epistemologie und aus der funktionalen Argumentationsanalyse her, durch die sich beide mathematikdidaktischen Forschungsansiitze gegenseitig bereichern. Der Autor erliiutert zuniichst be ide herangezogenen Perspektiven. AnschlieBend werden anhand einer Analyse von Episoden aus dem Mathematikunterricht (4. Klasse der Grundschule), in denen die Kinder fiir die Entwicklung eines Arguments neues Wissen erwerben miissen, exemplarisch folgende Fragen diskutiert: Von welcher Art ist das neu konstruierte Wissen? In welchen argumentativen Funktionen tritt dieses neue Wissen in Begriindungen auf, die Lehrperson und SchUler entwickeln? AbschlieBend werden allgemeinere Erkenntnisse aus den Analysen zur Diskussion gestellt.

Abstract This article discusses theoretical relations between social epistemology and functional analyses of arguments. After explaining aspects of both theories, the author gives an analysis of some episodes from a mathematics lesson (about 10 years old children). In these episodes, the students are constructing new knowledge to reason for a statement. The goal of the analysis is to discuss exemplarily the following questions: How can one describe the new knowledge that the students construct to reason for a statement? In which functions of argument does the new knowledge appear? The last part of the paper gives some general results of the analysis to discussion.

1. Einleitung: Argumentieren und Lernprozesse

In diesem Beitrag aus der Tradition der interpretativen Unterrichtsforschung geht es um Interaktionsprozesse im Mathematikunterricht der Grundschule, flir die zwei Aspekte charakteristisch sind: Erstens wird in diesen Prozessen argumentiert. Zweitens mussen die Kinder zum Argumentieren erst noch mathematische Erkenntnisse erarbeiten, in diesen Prozessen wird also neues Wissen konstruiert. Der Artikel schlieBt dabei auf der theoretischen Ebene an zwei mathernatikdidaktische Ansiitze an, die rniteinander verbunden und dadurch ein Stuck we iter entwickelt werden sollen. Erstens werden argumentationstheoretische Uberlegungen (Schwarzkopf 2000) fortgefiihrt, die ein Instrument zur strukturellen Analyse von Begriindungen liefem. Zweitens schlieBt der Autor an einen epistemologischen Ansatz von Steinbring (2000a/b) 1

, der die sozialen Bedingungen zur Konstruktion neuen Wissens im Unterricht erkliirt. Dem Autor geht es dabei um die folgende Frage: Welche argumentativen Beziehungen stell en die am Unterricht Beteiligten zwischen "altem" und "neuem" mathematischen Wissen her, wenn sie wiihrend der Bearbeitung eines neuen Unterrichtsinhalts argumentieren?

Diese Frage bezieht sich gleichermaBen auf argumentationstheoretische und epistemologische Aspekte des Unterrichts und sie bedarf zuniichst selbst einiger grundsiitzlicher Kliirungen, bevor auf den Versuc~ einer Antwort eingegangen werden kann. Dementsprechend wird in den einleitenden Uberlegungen zuniichst kurz skizziert, was der Autor unter "Argumentationsprozessen" versteht und unter welcher Perspektive er "neues Wissen" betrachtet. 1m zweiten Abschnitt werden die skizzierten Ansiitze

I Dieser Beitrag ware ohne die vielen konstruktiven Diskussionen mit Heinz Steinbring, die wir anhand seines Datenmaterials und seiner theoretischen Ergebnisse aus Steinbring 2000a geflihrt haben, nicht zustande gekommen.

(JMD 24 (2003) H. 3/4, S. 211-235)

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weiter ausgefUhrt, bevor sie im dritten Abschnitt zur Analyse einiger Unterrichtsepisoden herangezogen werden. Hierbei geht es urn die exemplarische Rekonstruktion von verschiedenartigen Begriindungstypen, in denen altes und neues Wissen in verschiedenartiger Weise zueinander in Beziehung gesetzt werden. Der letzte Abschnitt stellt die herausgearbeiteten Typen von Argumenten, niimlich "empirische", "empirisch-konstruktive" und "strukturell-mathematische" Argumente, noch einmal unter einer theoretischen Perspektive vergleichend nebeneinander.

1.1 Argumente und Argumentationen

Unter einem Argumentationsprozess wird ein spezieller interaktiver Prozess verstanden, der durch zwei Aspekte charakterisiert wird (Schwarzkopf2000a):

1. Die am Unterricht Beteiligten fordem explizit eine Begriindung fUr eine mathematische Aussage ein,

2. es werden Begriindungen entwickelt.

Dabei unterscheidet der Autor in Anlehnung an Arbeiten aus der pragmalinguistischen Argumentationstheorie (Klein 1980, Miller 1986) auf der analytischen Ebene zwischen sozialen und inhaltlichen Momenten der Argumentationsprozesse, den Argumentationen und den Argumenten.

Unter der Argumentation werden soziale Merkmale der Interaktion zusammengefasst (s. Schwarzkopf 2000b). Dazu gehoren etwa die Rollenverteilung zwischen den Argumentationspartnem (z.B. wer fragt nach einer Begriindung, wer entscheidet tiber die Angemessenheit von Begrtindungen), das Zustandekommen des Argumentations­prozesses (z.B. Kliiren von Fehlem, Ausriiumen von Strittigkeiten), die Funktion der Argumentation fiir das Lemen (z.B. Regeln des Argumentierens selbst, aber auch Schutz vor Fehlem u.A.).

Unter Argumenten, die in dies em Beitrag im Vordergrund stehen, werden dagegen die inhaltlichen Zusammenhiinge verstanden, die von den Beteiligten in der Argumentation entwickelten werden. Dabei wird in Anlehnung an dieargumentationstheoretischen Arbeiten des Wissenschaftsphilosophen Toulmin (1975) unter einem Argument ein funktionales Gefiige von insgesamt fiinf Komponenten verstanden, das we iter unten im Beitrag erliiutert wird.

Argumentationen werden also als soziale Prozesse zwischen mehreren Individuen verstanden und Argumente sind die in diesen Prozessen zwischen den Individuen produzierten und im Sinne einer Begriindung zueinander in Beziehung gesetzten (schul-)mathematischen Inhalte.

1.2 Theoretische Perspektiven auf das Lemen

Auch bei den epistemologischen Uberlegungen geht es dem Autor urn soziale Prozesse der Konstruktion neuen Wissens, die sich in der Interaktion zwischen den Beteiligten manifestieren. Der Autor nimmt hierzu eine mikrosoziologische Perspektive auf das Lemen ein, durch die insbesondere theoretische Erkenntnisse von Steinbring (2000a) aufgegriffen und weitergefiihrt werden sollen.

In Anlehnung an Miller (1986) unterscheidet der Autor das mathematische Lemen in "relatives" und "fundamentales" Lemen. Unter "relativem Lemen" versteht Miller, kurz formuliert, die Ergiinzung des bisher Gelemten urn neue Fakten. Das "fundamentale Lemen" ist dagegen eine Reorganisation des alten Wissens, durch die Lemgegenstiinde unter einer neuen Perspektive verstanden werden konnen (Miller 1986, S. 140f, zu einer

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ahnlichen Begriffsbildung kommt Hefendehl-Hebeker (1998, 114), wenn sie von einem "shift of view" in mathematischen Lemprozessen spricht).

Ein fundamentaler Lemprozess ist gegeniiber einem relativen Lemprozess ungleich schwieriger zu realisieren. Wahrend neue Fakten mehr oder weniger "direkt" mitgeteilt werden konnen (vgl. Steinbring 2000b, S. 45), stellt eine Umstrukturierung des bekannten Wissens ein lemtheoretisches Paradoxon dar: Nach Millers Uberlegungen muss neues Wissen das bereits bekannte Wissen zwar systematisch iiberschreiten, zugleich aber mit dem alten Wissen verbunden werden, damit es zu einem fundamental en Lemprozess kommen kann (flir eine ausflihrliche Diskussion dieses Paradoxons in Bezug auf das Lemen von Mathematik s. Steinbring 2000a, S. 29ff, vgl. auch Heuvel-Panhuizen 2003). Auf der einen Seite muss das alte Wissen zunachst als Verstehensgrundlage eines Problems herangezogen werden - anderes Wissen ist nicht verftigbar. Auf der anderen Seite kann diese Verstehensgrundlage nicht nur urn zusatzliche Fakten ausgebaut werden, sondem muss ein Stiick weit umstrukturiert werden, wenn im Sinne Millers fundamentales Lemen stattfindet. Mit Steinbring gesprochen steht eine so1che Wissenskonstruktion stets in einer Spannung ,,[ ... J zwischen einer anfanglich empirischen Deutung elementarer mathematischer Begriffe und einem Verstandnis, daB mathematische Begriffe Beziehungen und Strukturen in symbolisierter und operativer Weise verkorpem [ ... J" (Steinbring 2000b, S. 45).

Wie kann es zu fundamental em Lemen kommen, was kann die Lemenden dazu bewegen, ihr Wissen strukturell zu einer neuartigen Perspektive auf einen Lemgegenstand zu modifizieren? Hierzu bedarf es nach Miller insbesondere bei Grundschulkindem der Interaktion, da die Fahigkeit zum "autonomen Lemen" (Miller 1986, S. 141) noch nicht geniigend we it entwickelt ist. Dabei ist nicht jede Interaktion dazu geeignet, fundamentales Lemen zu ermoglichen:

"Nur von solchen sozialen bzw. kommunikativen Handlungen, deren primares Handlungsziel und deren Funktionsweise genau darin besteht, kollektive Losungen flir interindividuelle Koordinationsprobleme zu entwickeln, kann (wenn iiberhaupt) sinnvollerweise angenommen werden, daB durch sie grundlegende Lemprozesse ausgelost werden konnen. Nur ein sozialer bzw. kommunikativer Handlungstyp scheint diese Bedingung zu erftillen, und diese ist der kollektive Diskurs oder, urn einen etwas genaueren Terminus zu verwenden, die kollektive Argumentation" (Miller 1986, S. 23).

Steinbring rekonstruiert, dass in der Kommunikation eine Balance zwischen einer "Faktenvermittlung" und einer "Deutungskonstruktion" hergestellt werden muss, wenn sie zu einer sozialen Konstruktion von neuem mathematischen Wissen flihren solI:

"Die Konstruktion tatsachlich neuen mathematischen Wissens erfordert die Heraushebung und Benennung einer Beziehung als "dem" neuen mathematischen Gegenstand, der zunachst ontologisch zu deuten ist und dann auch in die logische Struktur des vorhandenen Wissens eingeordnet werden muB" (Steinbring 2000b, S. 45, Hervorhebung im Original).

Diese beiden Bedingungen sieht der Autor insbesondere dann potentiell erflillt, wenn im Unterricht zwischen den Beteiligten eine Strittigkeit auf tritt, die durch eine Argumentation beigelegt wird: Wenn eine bislang unbekannte mathematische Aussage im Interaktionsprozess auftritt und als begriindungsbediirftig anerkannt wird, kann durch die Entwicklung eines Arguments neues Wissen generiert werden. Fundamentales

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Lemen kann dann zustande kommen, wenn bereits bekannte Wissensstrukturen zur Beilegung der Strittigkeit nicht ausreichen, wenn also die Sichtweise auf das mathematische Problem strukturell modifiziert werden muss, urn ein Argument zu entwickeln.

1.3 Einordnung innerhalb der Mathematikdidaktik

Die allgemeinen lemtheoretischen Arbeiten Millers werden in diesem Beitrag spezifisch auf solche Prozessebezogen, die sich als eine "das Beweisen vorbereitende Aktivitat" (Krauthausen 2001) verstehen lassen, in der sich die am Unterricht Beteiligten also mit der Begriindung einer mathematischen Aussage beschiiftigen2. Solche Prozesse entstehen nicht immer "aus der Sache heraus", d.h. man kann sich nicht (immer) auf ein "subjektives Beweisbediirfnis" (Winter 1983) der SchUler verlassen, sondem Argumentationen werden auf der sozialen Ebene "initiiert" (Schwarzkopf 2000b). Aus einer normativen Perspektive heraus gesprochen muss der Mathematikunterricht deswegen - urn das Lemen in und durch Argumentationen zu fordem - geeignete Rahmenbedingungen schaff en, durch die Kinder zur Entwicklung von Argumenten angehalten werden. Zum einen sind die Lehrpersonen gefordert, auf der sozialen Ebene das Argumentieren als eine fUr das Lemen wichtige Form der Kommunikation im Unterricht zu etablieren. Ein weiterer wesentlicher Baustein zur Realisation dieses Ziels sind geeignete Lemkontexte, durch die eine Entwicklung von Argumenten in mathematischen Bereichen, die fUr die Kinder noch neu sind, ermoglicht und gefordert werden kann (vgl. zur Diskussion solcher Lemumgebungen Krauthausen 2001, Eschenburg & Hefendehl-Hebeker 2000, die in der Entwicklung von Begriindungs­zusammenhangen das einzige Erkenntnismittel der Mathematik sehen oder Winter 1983, der die Funktion des Begriindens fUr die Wissensvermehrung hervorhebt).

Solche Lemumgebungen, in denen Argumentationen fur die Wissensentwicklung eine zentrale Rolle spielen, wurden in einem Projekt von Steinbring (2000a) ausgearbeitet und in mehreren vierten Grundschulklassen umgesetzt. Die Unterrichtsvorschlage entsprechen den Standards von "substantiellen Lemumgebungen" (vgl. Wittmann 1995), das Material wurde also mit der Intention aufgearbeitet, insbesondere fundamentales Lemen gerade durch Argumentationen zu ermoglichen und zu fordem. Die Realisierungen der Vorschlage im Unterricht von vierten Grundschulklassen wurden durch eine empirische Untersuchung begleitet und theoretisch aus einer epistemologischen Perspektive aufgearbeitet. Dabei diente vorrangig das "epistemologische Dreieck", ein theoretisches Modell zur funktionalen Aufspaltung von Wissen in Referenzkontexte, Symbole und Begriffe, als Analyse-Instrument zur Rekonstruktion von interaktiv hergestellten Beziehungen zwischen neuem und altern Wissen (Steinbring, z.B. 2000a/b).

In seinen Analysen zeigt Steinbring, dass im Unterricht fundamentales Lemen stattfand, das heiBt Lehrperson und SchUler konstruierten gemeinsam strukturell neues Wissen, das sie zu dem alten Wissen in Beziehung setzten. Die dabei notwendigerweise einzuhaltende Balance zwischen der "Situiertheit" und der "Allgemeinheit" (Steinbring 2000b, S. 44ft) bedeutet insbesondere, dass neues Wissen nicht mit Notationen und Begriffen der Algebra dargestellt oder entwickelt werden kann (und soll). Vielmehr muss auch mit konkret erscheinenden Darstellungsmitteln versucht werden, allgemeine

2 Zu einer anderen mathematikdidaktischen Einbettung der Arbeiten von Miller s. Krummheuer 1992, 1995, 1997a/b, 2001.

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Zusammenhange zu entwickeln, zu formulieren, bzw. zur Argumentation heranzuziehen (vgl. auch Muller & Wittmann 1988):

"SchUlerinnen und SchUler stehen also im Mathematikunterricht vor dem besonderen Deutungsproblem, sich bei mathematischen Zeichen und zugehOrigen Referenzkontexten immer von der Konkretheit der Situation zum Teil zu distanzieren und darin etwas "anderes", eine andere Struktur zu sehen, zu deuten oder zu erkennen" (Steinbring 2000b, S. 48).

Die nachstehenden Analysen und theoretischen Uberlegungen basieren auf der empirischen Untersuchung von Steinbring (2000a) und sollen die theoretischen Ergebnisse seiner Untersuchung aus einer argumentationstheoretischen Sicht her aufgreifen und ein StUck weiter fiihren. Die zentrale Fragestellung ist dabei, welche Typen von Argumenten in der von Steinbring herausgearbeiteten Spanne zwischen "Situiertheit" und "Allgemeinheit" auftreten k6nnen.

2. Vorstellung einer Lernumgebung und theoretische Grundlagen der Analyse

1m Folgenden geht es urn Argumentationen, in denen fundamentales bzw. relatives Lernens rekonstruiert werden kann. Dabei steht die Frage im Vordergrund, in welchen argumentativen Beziehungen neues und altes Wissen zueinander in Beziehung gesetzt wird. Dazu werden Unterrichtsausschnitte aus dem Projekt von Steinbring (2000a) zur Analyse herangezogen. In der zugrunde liegenden mathematischen Lernumgebung dieser Ausschnitte geht es urn Entdeckungen im Kontext von Streichquadraten. Anhand dieser Lernumgebung sollen zuniichst die argumentationstheoretischen und epistemologischen Grundlagen des Autors konkreter skizziert werden. AnschlieBend werden in der Analyse drei Typen von Argumenten exemplarisch rekonstruiert, die als "empirisch", "empirisch-konstruktiv" und "mathematisch-strukturell" bezeichnet werden. Diese analytische Kategorisierung von Begriindungen entspricht nicht der Unterscheidung zwischen "richtig" und "falsch" oder "unmathematisch" und "mathematisch". Sie zielt vielmehr darauf ab, in welchem epistemologischen Status das neue Wissen zwischen "empirischen Fakten" und "strukturellen Perspektiven" in die Argumente eintlief3t. Mit Miller (1986) formuliert unterscheiden sie sich darin, dass zu ihrer Entwicklung relatives bzw. fundamentales Lemen stattgefunden hat.

2.1 Streichquadrate: Ein Beispiel zur Erliiuterung

In der folgenden Darstellung wird darauf verzichtet, verschiedene M6glichkeiten der Behandlung von Streichquadraten aufzuzeigen. Stattdessen wird die Lernumgebung so vorgestellt, wie sie auch in den Unterrichtsstunden, aus denen die nachfolgend analysierten Episoden stammen, realisiert wurde. In den darauf folgenden Abschnitten dient diese Lernumgebung zur Konkretisierung der theoretischen Perspektive des Autors.

Bei den Streichquadraten handelt es sich urn eine arithmetische Lernumgebung, in der es urn ein quadratisches Feld von (hier 3x3) Zahlen geht (s. Wittmann & Muller 1994a!b, Steinbring 2000a). Die Kinder erhalten zuniichst 9 Zahlen, die wie in I I I , I

nebenstehender Abbildung in einem Quadrat angeordnet sind. Ihnen wird anhand dieses Beispiels die folgende so genannte "Streichregel" vorgestellt:

Aus dem Quadrat wird eine Zahl ausgewiihlt und eingekreist. AnschIief3end werden aile weiteren Zahlen aus der zugehorigen Zeile und Spalte gestrichen. Eine weitere, noch nicht gestrichene oder eingekreiste Zahl wird

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eingekreist und wiederum die anderen Zahlen der zugehOrigen Zeile und Spalte gestrichen. Danach bleibt eine Zahl ubrig, die auch noch eingekreist wird. AbschlieBend wird die Summe der drei eingekreisten Zahlen gebildet.

In der ersten Stunde lemen die Kinder die Streichregel kennen und wenden sie auf Quadrate an, in denen sich unterschiedliche Summen ergeben. Die korrekte Anwendung der Regel wird geubt, indem die Kinder jeweils die groBte und die kleinste mogliche Surnme berechnen.

Zu Beginn der zweiten Stunde werden die Kinder mit einem weiteren Quadrat konfrontiert. Sie solIen die Streichregel anwenden und dabei mit einer beliebigen Zahl beginnen. Die Lehrerin "wettet" mit den SchUlem, dass sie aIle erzeugten Summen vorhersagen kann, ohne die von den Kindem eingekreisten Zahlen zu kennen. Bei der Anwendung der Streichregel bemerken die SchUler bereits "den Trick" der Wette: Sie erhalten aIle, unabhiingig von den eingekreisten Zahlen, dieselbe Summe. Das Streichquadrat wird aus diesem Grunde im Unterricht als "Zauberquadrat" bezeichnet.

Der Grund fUr die konstanten Ergebnisse der Streichsummen liegt in der Konstruktion von Streichquadraten: Besteht das Quadrat aus beliebig zusammengestellten Zahlen, so ergeben sich i.A. fUr verschiedene eingekreiste Zahlen auch unterschiedliche Summen. Wenn man aber das Quadrat mittels einer AdditionstabelIe konstruiert, so erhiilt man "Streichquadrate", bei denen sich unabhiingig von den eingekreisten Zahlen immer dieselbe Summe, die so genannte "Streichsumme", als Ergebnis ergibt. (Diese Beziehung gilt natiirlich auch umgekehrt: Man kann zu jedem Streichquadrat zugehorige AdditionstabeIlen

+

10

12

18

13

23

25

31

9 4

19 14

21 16

27 22

konstruieren.) Verantwortlich fUr diese Konstanz ist der Streichalgorithmus: Er sorgt daIlir, dass stets in jeder Zeile und jeder Spalte genau eine Zahl eingekreist wird. Deswegen tritt in jeder moglichen Streichsumme jeder Summand der. TabelIe genau ein Mal auf.

Eine solche Begriindung sollen auch die Kinder im Unterricht entwickeln. Dazu erhalten sie als Arbeitsbliitter das so genannte "Zauberformelheft", (s. Abb. unten), das sie bei der Suche nach Begriindungen unterstUtzen soll.

Zauberformel 1: Rechne die TabelIe aus!

+ 13 9 4

10

12

18

Vergleiche mit deinem Zauberquadrat!

Zauberformel 2: Zauberformel 3: Male die ein- Schreibe die rot gekreisten Zahlen in angemalten Zahlen in die deinem Zauberquadrat Kreise. Finde die dazu rotl gehorigen Plusaufgaben

und schreibe sie in die

23 19 14 Kiistchen!

25 21 16 JbJbJb 31 27 22

Bevor auf die Begriindungsangebote der Kinder niiher eingegangen wird, geht es im Folgenden zuniichst urn die Analyseinstrumente des Autors.

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2.2 Funktionale Argumentationsanalyse

Die oben skizzierte Begriindung flir die Konstanz der Summe in Streichquadraten wird in diesem Abschnitt etwas detaillierter im Sinne der funktionalen Argumentations­analyse betrachtet. Zum besseren VersHindnis des Folgenden bezeichnet der Autor - wie auch im Unterricht geschehen - die Summanden der Additionstabelle (zur Abgrenzung der Zahlen inrierhalb der TabeIle) als "Randzahlen" und das Resultat der Streichsummen als "Streichzahl".

Das zentrale Element der Argumentationsanalyse ist ein Schema des Wissenschafts­philosophen Toulmin (1975), das ein Argument in insgesamt flinf argumentativ­funktionale Komponenten einteilt. Eine detaillierte Beschreibung des Schemas findet sich in Schwarzkopf (2001), in dem vorliegenden Papier wird es nur kurz beschrieben. Ein Argument flir die Konstanz der Streichsumme in einem Streichquadrat konnte gemaB des Schemas folgendermaBen aussehen (die ftinfte Komponente wird we iter unten erlautert):

DATUM KONKLUSION .. Die Summe der

... AIle Streichsummen

Randzahlen ergibt 66. miissen 66 ergeben.

ARGUMENTATIONSREGEL

Die Summe der Randzahlen ist mit der Streichsumme identisch.

STUTZUNG

Das Streichquadrat entsteht aus einer AdditionstabeIle: Jede Randzahl ist Summand von genau einer eingekreisten Zahl.

Wie kommen die unterschiedlichen Funktionen des Arguments zustande? Das Argument wird entwickelt, urn eine in Frage gestellte Aussage zu begriinden. Die Funktion der zu begriindenden Aussage im Argument wird Konklusion genannt. 1m Beispiel solI begriindet werden, dass in dem angegebenen Streichquadrat aIle gemaB der Streichregel konstruierten Summen 66 ergeben. Zur Begriindung der Konklusion muss man gemaB Toulmin weitere Aussagen angeben, die in ihrer Giiltigkeit nicht weiter hinterfragt, also unmittelbar akzeptiert werden. Deren Funktion flir das zu entwickelnde Argument wird Datum genannt. Nun kann natiirlich nicht jede beliebige Aussage, auch wenn sie unumstoBlich richtig ist, in der Funktion eines Datums flir die angegebene Konklusion akzeptiert werden. Wesentlich ist, dass die Konklusion flir die Argumentierenden durch die Angabe des Datums eine hohere Plausibilitat erlangt, kurz formuliert muss das Datum relevant flir die Akzeptanz der Konklusion sein.

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Diese Relevanz wird dadurch expliziert, dass zwischen dem Datum und der Konklusion ein regelhafter Zusammenhang, eine ArgumentationsregeP: gesondert aufgezeigt wird, wenn er den Argumentationspartnem nicht unmittelbar einsichtig ist. 1m Beispiel stellt sich die Frage, warum man von der Summe der Randzahlen auf die Streichsumme schlieBen kann: Die Summe der Randzahlen ist identisch mit der Streichsumme. Solche Regeln konnen i.A., wenn dies auch in der Praxis des Argumentierens in der Grundschule selten so ausfuhrlich geschieht, im Sinne einer "wenn - dann" Beziehung formuliert werden: Wenn die Summe der Randzahlen 66 ergibt, dann ergibt auch die Streichsumme 66.

Durch die Angabe einer solchen Regel wird also die Relevanz des Datums fur die Konklusion geklart. Allerdings hat die Regel selbst zunachst hypothetischen Charakter: Es ist noch ungeklart, aus welchem Grund man sie als giiltig akzeptieren kann und sie kann dementsprechend selbst begriindungsbediirftig werden. Eine Begriindung der Argumentationsregel erfolgt gemaB Toulmin durch die Angabe weiterer Aussagen, deren Funktion als Stiitzung bezeichnet wird. Eine Stiitzung steht i.A. weniger in einem formal logischen Zusammenhang zur Argumentationsregel, sondem sie liefert Plausibilitaten, die von der Richtigkeit der Regel iiberzeugen sollen. Fiir eine Argumentationsregel lassen sich oftmals unterschiedliche Stiitzungen angeben. Beispielsweise ist insbesondere fur Kinder der Verweis auf die Autoritat der Lehrerin eine iiberzeugende Grundlage, urn die Richtigkeit einer Regel zu akzeptieren: Die Lehrerin hat gesagt, dass die Regel stimmt. 1m obigen Beispiel wurde dagegen eine inhaltliche Stiitzung gewahlt und die Argumentationsregel durch einen kombinierten Hinweis auf die Konstruktion des Streichquadrats und die Konsequenz der Streichregel begriindet.

GemaB Toulmin geniigt die inhaltliche Begriindung der Argumentationsregel durch eine Stiitzung nicht dem strengen Anspruch der Giiltigkeit, wie sie etwa in Schliissen der formal en Logik gefordert wird. Vielmehr liefert sie eine inhalt1iche Plausibilitiit, die moglicherweise keine letzte Gewissheit, sondem nur einen gewissen Grad an Uberzeugung erzeugt. Eventuell auftretende Zweifel an der Anwendbarkeit der Argumentationsregel innerhalb des Arguments konnen deswegen durch die Angabe der funften funktionalen Komponente, der Ausnahmebedingung, in das Argument einflieBen. Die Ausnahmebedingung gibt Kriterien an, die zur letztendlichen Akzeptanz des Arguments noch gepriift werden miissten. 1m Beispiel mathematisch giiltiger Argumente ist eine solche Ausnahmebedingung freilich schwer zu finden und erscheint oftmals kiinstlich. Sie ist deswegen in dem oben dargestellten Beispiel nicht ausgefuhrt (fur ein Beispiel s. Schwarzkopf 200 I, s. 260f), wird aber gleichwohl in den unten angefuhrten Analysen rekonstruiert.

Der Autor nutzt das Schema als theoretische Grundlage zur Analyse von Argumenten, die im Unterricht gemeinsam von der Lehrerin und den Kindem entwickelt werden. Er geht dabei davon aus, dass Argumente prinzipiell aus den von Toulmin heraus­gearbeiteten funktionalen Anteilen bestehen. Dieses Analysemittel ist den Beobachteten freilich nicht bekannt, d.h. durch die Analyse werden Strukturen herausgearbeitet, die

3 Toulmin verwendet in seinem Original den Begriff "Warrant". Wiihrend im deutschsprachigen Raum die Ubersetzung "Schlussregel" verbreitet ist, spricht Krummheuer in seinen Arbeiten von "Garanten". Zur Vermeidung von terminologischen Uberschneidungen mit der formalen Logik einerseits und den argumentationstheoretischen Arbeiten Krummheuers andererseits, verwendet der Autor in diesem Beitrag den Begriff ,,Argumentationsregel" (vgl. auch Schwarzkopf2001).

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nicht notwendigerweise mit den sUbjektiven Sinnzuschreibungen der am Unterricht Beteiligten iibereinstimmen (ausflihrlichere methodische Uberlegungen zur funktionalen Argumentationsanalyse finden sich in Schwarzkopf2001, S. 2521). Das Schema dient in dies em Sinne als Strukturierungsmittel des Forschers, durch das die zwischen Lehrerin und Kindem entwickelten Begriindungen gewissermaBen "detaillierter" beschrieben werden konnen, als es den am Geschehen Beteiligten klar ist.

2.3 Neues Wissen aus mikrosoziologischer / sozial epistemologischer Sicht

Kinder, die eine Begriindung wie die oben vorgestellte entwickeln, miissen dazu etwas iiber Streichquadrate lemen. 1m Folgenden solI das "zu Lemende", insbesondere aus der theoretischen Perspektive des symbolischen Interaktionismus, naher betrachtet werden.

Wesentlich fUr die hierbei eingenommene Forschungsperspektive ist der Begriff der Rahmungen (Krumrnheuer 1992). Eine Rahmung ist kurz formuliert der Sinngebungs­horizont eines Individuums, der den Kontext fUr ein Verstehen der Interaktion bereitstellt. Eine Person handelt in einer Interaktion so, wie sie es innerhalb ihrer Rahmung flir sinnvoll erachtet. In dies em Sinne stellt die Rahmung dem Individuum Regeln flir Handlungsaltemativen zur Verfiigung, die es flir sinnvoll erachtet.

Rahmungen sind gleichermaBen priigend for und gepriigt durch Interaktionsprozesse: Zum einen stellen sie Moglichkeiten fiir Handlungsaltemativen zur VerfUgung und formen dadurch den Ablauf einer Interaktion. Zum anderen werden sie durch Signale in einer Interaktion aktiviert, wenn diese als ahnlich zu Situationen empfunden wird, die bereits in der sozialen Gruppe gemeinsam durchlebt wurden und in denen sich gewisse Regeln flir Handlungsaltemativen als erfolgreich flir ein kooperatives Handeln erwiesen haben.

Ein SchUler, der zu Beginn einer Unterrichtseinheit zu Streichquadraten die Streichregel kennen lemt, wird die Situation so deuten, wie er es von anderen Rechenaufgaben gewohnt ist: Er wird versuchen, sich an die Streichregel zu halten und die entstehenden Additionsaufgaben ausrechnen. Die zugehorige Rahmung solI hier als Rechen-Rahmung bezeichnet werden. Innerhalb dieser Rahmung ist es sinnvoll, die Additionen im Sinne einzelner Aufgaben zu berechnen und die Streichregel nicht we iter zu hinterfragen -man muss sich nur an sie halten. Das solI nicht heiBen, dass innerhalb einer solchen Rahmung keine strukturelle Uberlegungen (etwa zu geschickten Rechenstrategien) angestellt werden, allerdings k6nnen diese Uberlegungen eng an die yom jeweiligen Streichquadrat vorgegebenen Zahlen gebunden sein und bleiben. In einer vierten Klassenstufe ist des Weiteren zu erwarten, dass die SchUler bereits iiber diese Strategien verfligen, sie also kein neues Wissen darstellen. In diesem Sinne flihrt die Sichtweise auf ein Streichquadrat innerhalb der Rechen-Rahmung nicht zu strukturell neuen Erkenntnissen. Die Rechen-Rahmung bietet eher die Basis flir neues Faktenwissen - sei es die durch das Berechnen aller Streichsummen gewonnene "sichere" Erkenntnis iiber die konstante Streichsumme im konkreten Zahlenquadrat oder die durch Erfahrungen mit ahnlichen Lemumgebungen gestiitzte "Uberzeugung", dass bei anderen Streichquadraten wohl auch immer dieselbe Summe herauskommen wiirde. Mit Miller (1986) gesprochen, kann innerhalb dieser Rahmung relatives Lemen geschehen. Steinbring (2000b, S. 44) wiirde von einer empirischen Situiertheit des innerhalb dieser Rahmung konstruierbaren Wissens sprechen: Das bekannte Wissen wird urn ein neues Faktum iiber die Konstanz der Streichzahl erweitert.

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Zu einer inhaltlichen Begriindung der konstanten Streichsummen, wie sie etwa oben dargestellt wurde, ist diese Rahmung dementsprechend nicht ausreichend (gleichwohl bietet sie eine Basis fUr andersartige Begriindungen, wie in der Analyse weiter unten heraus gearbeitet wird). Hierzu muss das gesamte Streichquadrat als eine zusammenhangende Struktur neuartig gedeutet werden - die einzelnen Aufgaben diirfen nicht (mehr) als Ausgangspunkt von Rechnungen, sondem miissen selbst als Resultat der Beziehung zwischen der Konstruktion mittels einer Additionstabelle und der Wirkungsweise der Streichregel neu gesehen werden.

Ein solcher Prozess des strukturellen Lernens wird von Krummheuer (1992) Rahmungsmodulation genannt: Der Lemende verlasst nicht ruckartig sein Verstandnis von einem Streichquadrat, sondem er modifiziert seine Sichtweise, ohne dass er sein zuvor konstruiertes Verstandnis vollends aufgibt. 1m Sinne von Miller (1986) wird also das alte Wissen strukturell iiberschritten, zugleich wird aber neues und altes Wissen miteinander verbunden. In dem hier diskutierten Beispiel geht es auch bei der oben vorgestellten Begriindung immer noch urn Rechnungen, urn Additionen, bei denen immer dasselbe herauskommt - alle Rechnungen werden aber unter einem neuen Fokus gesehen und dabei inhaltlich und iiber das konkrete Zahlenbeispiel hinaus gehend zueinander in Beziehung gesetzt. Eine Rahmung, die diese strukturell neue Sichtweise auf das Streichquadrat ermoglicht, wird im Folgenden mathematisch-strukturelle Rahmung genannt. Durch eine solche Rahmungsmodulation wird dem SchUler ein fundamentales Lemen ermoglicht. Steinbring (2000b, S. 44ft) spricht in solchen Fallen davon, dass eine Balance zwischen empirischer Situiertheit der Rechnungen und relationaler Allgemeinheit der Erkenntnisse iiber das hinter dem konkreten Streichquadrate stehende Prinzip hergestelIt wird.

2.4 Der Zusammenhang zwischen Argumenten und Rahmungen

1m Folgenden solI das oben dargestellte Argument im Hinblick auf das neu entwickelte Wissen, insbesondere mit Fokus auf die Modulation zwischen Rechen-Rahmung und mathematisch-struktureller Rahmung, noch einmal aufgegriffen werden.

Die DurchfUhrung der funktionalen Argumentationsanalyse geschieht in der Forschungs­perspektive des Autors eingebettet in die theoretische Perspektive des symbolischen Interaktionismus. Dementsprechend wird die Entwicklung eines Arguments immer im Zusammenhang mit den Rahmungen der am Unterricht Beteiligten untersucht. Eine entscheidende "Schnittstelle" zwischen dem Schema nach Toulmin und dem interaktionistischen Konzept der Rahmungen besteht in der Stiitzung eines Arguments (vgl. Krumrnheuer 1995): Die Stiitzung wird angefUhrt, urn eine Argumentationsregel zu belegen. Uber Sinn und Angemessenheit von Regeln urteilen die Individuen innerhalb ihrer Rahmungen. In unterschiedlichen Rahmungen stehen u.U. verschiedene Regeln fUr sinnvolles Argumentieren zur VerfUgung. So erachtet man in einer innermathematischen Rahmung andere Regeln fUr sinnvoll oder angemessen als in Rahmungen, die etwa in ethischen Argumentationen eingenommen werden. Dementsprechend ist die Rahmung in besonderer Weise verantwortlich dafUr, ob eine Argumentationsregel als richtig und angemessen und damit das Argument als korrekt bzw. iiberzeugend beurteilt oder abgelehnt wird. Anders herum gibt die Explikation einer Stiitzung fUr ein Argument Hinweise darauf, innerhalb welcher Rahmung die Beteiligten den Diskurs deuten.

So ist das Datum (die Summe der Randzahlen ist 66) sowohl in einer Rechen-Rahmung als auch in einer mathematisch-strukturellen Rahmung verstandlich und kann als

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richtiges Faktenwissen akzeptiert und somit "direkt" mitgeteilt werden - es gibt das Ergebnis einer Rechnung an. Der Zusammenhang zur Streichsumme kann aber nur hergestellt, verstanden und inhaltlich akzeptiert werden, wenn diese Rechen-Rahmung hin zu einer mathematisch-strukturellen Rahmung moduliert wurde und dabei von der konkreten Zahl 66 als Ergebnis der gelosten Rechenaufgaben ein Stiick weit abgesehen wird, in anderen Worten: Die konkrete Zahl 66 und damit das gesamte konkrete Zahlenquadrat ist unter Beibehaltung der Konstruktionsregeln austauschbar, wenn die Stiitzung des Arguments verstanden wird.

Fur eine Aussage im Argument gibt es also eine Spanne an Deutungsmoglichkeiten zwischen einer Rechen-Rahmung und einer mathematisch-strukturellen Rahmung. Dadurch ergibt sich ein Verstandigungsproblem in Argumentationen, insbesondere wenn grundschulgemaB fUr die Formulierung des neuen Wissens keine Variablen zur Verfiigung stehen, sondem die konkreten Zahlen als Verstandigungsmittel herangezogen werden. Fur eine adaquate Interpretation eines Datums bedeutet dies, dass es nicht fUr sich allein stehend, sondem erst durch den argumentativ hergestellten Zusammenhang zur Konklusion zwischen Faktenwissen und strukturellem Wissen eingeordnet werden kann. In solchen Argumentationen wird dementsprechend von der Lehrerin ein hoher Grad an Sensibilitat gefordert, wenn sie die Kinder in ihren Wissenskonstruktionen unterstiitzen soll.

Die folgenden Analysen konzentrieren sich auf diese Spanne zwischen konkreten Forrnulierungen allgemeinerer Begriindungen und solchen Begriindungen, die dem konkreten Fall verhaftet bleiben, mit Steinbring (2000b, S. 44ft) gesprochen: Es steht die Frage im Zentrum des Interesses, welche Typen von Argumenten in der Spanne zwischen empirischer Situiertheit und relationaler Allgemeinheit rekonstruiert werden konnen.

3. Argumente im Prozess der Wissenskonstruktion

Ein Argument, wie es oben dargestellt wurde, wird in der Klasse auch tatsachlich entwickelt. Der Autor mochte auf dies en Teil der Stunde hier allerdings nieht eingehen und verweist dazu auf die epistemologischen Analysen von Steinbring (2000b, S. 40ft). 1m Folgenden werden dagegen drei Begriindungen analysiert, die von einigen Schiilerinnen und der Lehrerin in Einzelgesprachen noch wahrend der Partnerarbeitsphase entwickelt werden. Es handelt sich dabei urn ein empirisches, ein empirisch-konstruktives und ein strukturell-mathematisches Argument.

Die Kinder werden dazu aufgefordert, das so genannte "Zauberforrnelheft" (s. Abb. in 2.1) jeweils zu zweit zu bearbeiten. Dazu forrnuliert die Lehrerin den folgenden Auftrag:

"Gestem hatten wir lauter unterschiedliche Ergebnisse, heute sind alle Ergebnisse gleich. Da gibt es einen Trick und den Trick sollt ihr versuchen, herauszufinden: Warum kommt immer 66 heraus, woher wusste ich das vorher?"

Des W eiteren werden die Kinder dazu aufgefordert, ihre Entdeckungen der Lehrerin in Einzelgesprachen mitzuteilen. Aus diesen Einzelgesprachen entstammen die folgenden Episoden.

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3.1 Die erste Szene: Ein empirisches Argument

Zu Beginn der Aufnahme weist die Lehrerin Eva noch einmal darauf hin, dass in der vorangegangenen Stunde verschiedene Streichsummen herausgekommen sind:

I L gestem, da haben wir auch drei Zahlen genommen, aber es kam immer wieder was anderes raus, ne' gestem.

2 E Ja.

3 Lund warum kommt jetzt bei diesem Zauberquadrat, warum sind da immer 66 heraus.

Die Lehrerin betont zunachst die Besonderheit des jetzt behandelten Streichquadrats: Wahrend in der vorangegangenen Stunde in einem anderen Zahlenquadrat verschiedene Summen herauskamen, ist das Ergebnis bei diesem Quadrat stets 66. AnschlieBend kennzeichnet sie dieses Phanomen in Zeile 3 als eine Aussage, die von den Kindem begriindet werden solI. Eva lasst sich auf diese Begriindungsaufforderung ein und es entsteht die folgende kurze Argumentation fur die eingeforderte Konklusion: "Es kommt bei diesem Zauberquadrat immer 66 heraus".

4 E wei I das genau das gleiche wie da ist

5 L jaah .... warum kommt gerade 66 raus und warum kommt nicht 77 heraus. ... woran liegt das.

6 E wei I 14 + 21 + 31 nun mal 66 sind

7

8

9

L

E

L

ja,dann

und nicht 77.

nee das ist noch nicht ... wie weit habt ihr denn dann-, macht mal noch weiter, macht mal noch weiter. vielleicht kommt ihr dann noch drauf.

In Zeile 4 stellt Eva einen Vergleich an, der zunachst fur den Interpreten unverstandlich ist. Vermutlich zeigt sie dabei auf ihr Arbeitsblatt, die Kameraaufnahme liefert dazu aber keine gesicherte Erkenntnis. Mit diesem Vergleich gibt sich die Lehrerin nicht zufrieden und fragt "genauer" nach, indem sie ihre Begriindungsaufforderung wiederholt. Zugleich verschlirft sie diese, indem sie ein weiteres, als fiktiv gekennzeichnetes Ergebnis fur die Streichsumme liefert: Es hatte ja auch 77 herauskommen konnen. Eva bringt daraufhin (Zeilen 6 und 8) eine Aussage hervor, durch die sie offenbar die Konklusion belegt sieht: 14+21+31 ergeben in der Tat 66 und sicher nicht 77. Es handelt sich hierbei urn eine konkrete Aussage in Form einer exemplarischen Rechnung, die von der Schiilerin als unbestreitbar dargestellt und von der Lehrerin kurz bestatigt wird. Ihr wird deswegen vom Autor die argumentative Funktion eines Datums zugesprochen: "Eine der Summen ergibt 66".

Dabei unterstellt der Interpret Eva die Einnahme einer Rechen-Rahmung, insbesondere sieht Eva den Zusammenhang zwischen den berechneten Aufgaben nicht struktureIl, sondem eher im Sinne eines Faktums: Sie liefem dasselbe Ergebnis. GemaB dieser Interpretation und im Nachhinein wird der zunachst unklar gebliebene Vergleich aus Zeile 4 entsprechend einer Argumentationsregel und einer Stiitzung folgendermaBen interpretiert: Das Datum wird als exemplarische Aussage dafiir angesehen, dass aIle berechneten Summen dasselbe Ergebnis liefem. Evas Vergleich "weil das genau das gleiche wie da ist" bezieht sich nach dieser Interpretation also darauf, dass aIle von ihr berechneten Streichsummen zum selben Ergebnis fuhrten.

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BegrOndungen und neues Wissen: 223

Auf diese Weise kann innerhalb einer Rechen-Rahmung die Konklusion flir den konkreten Fall des behandelten Streichquadrats auch tatsachlich belegt werden und das Begriindungsangebot der Schiilerin lieBe sich etwa durch die folgende Argumentations­regel im Sinne Toulmins "vervollstandigen": Wenn man aIle Summen berechnet hat und immer 66 herauskam, dann kann man sicher sein, dass kein anderes Ergebnis herauskommt.

Die Lehrerin gibt sich mit diesem Begriindungsangebot nicht zufrieden und fordert die Schiilerin in Zeile 9 dazu auf, sich we iter mit dem Arbeitsblatt zu beschaftigen ("macht mal noch weiter"). Mit dieser Aufforderung beurteilt sie allerdings weder eine der von Eva gemachten Aussagen als falsch, noch weist sie explizit darauf hin, dass es in der von ihr gewiinschten Begriindung nicht urn bloBes Ausrechnen gehen solI, d.h. auch die Relevanz der von Eva hervorgebrachten Aussagen fUr die eingeforderte Konklusion wird nicht abgestritten.

Versteht man die AuBerung der Lehrerin wortlich im Sinne eines "Weitermachens", also als Aufforderung zum Ankniipfen an das bisher Herausgefundene, dann kann man ihre Kritik so verstehen, dass die Stiitzung in der prasentierten Weise noch nicht vollstandig ist, damit die Begriindung akzeptiert werden kann. GemaB Toulmin kann man die Kritik der Lehrerin deswegen hier im Sinne der flinften Funktion eines Arguments, einer Ausnahmebedingung, interpretieren: Die Uberpriifung einiger faIle reicht nicht aus, vielmehr miissen aIle moglichen Rechnungen iiberpriift werden, damit die Argumentationsregel akzeptiert und die Konklusion als gesichert gelten kann. Entsprechend dieser Interpretation wurde von Eva und der Lehrerin das folgende Argument gemeinsam entwickelt:

Eine der Summen ergibt 66.

Wenn man die Summen entsprechend der Streichregel berechnet, kommt 66 heraus.

Bei allen anderen berechneten Summen kam dasselbe heraus.

.. .. Es kommt bei dies em Zauberquadrat immer 66 heraus.

.: ....................................... . : AUSNAHMEBEDINGUNG . :

Man hat noch nicht alle Summen berechI let.

.........................................

In diesem Argument zeigt sich stabil die eingenommene Rechen-Rahmung der Schiilerin: Die Streichsummen werden als unzusammenhangende Aufgaben angesehen, die alle gerechnet werden miissen, wenn man wirklich sicher sein will, dass sie auch alle dasselbe Ergebnis liefern. In diesem Sinne bezeichnet der Autor das Begriindungs­angebot als empirisches Argument: Es wird mit Hilfe einer geeignet groBen Sammlung von Fakten jeder einzelne Fall iiberpriift, ohne dass ein struktureller Zusammenhang zwischen den Fakten gesehen werden miisste. Dieses Argument ist nicht falsch, sofem aIle Streichsummen iiberpriift wurden. Es fiihrt allerdings nicht aus der Rechen-Rahmung hinaus und dient zu einer reinen Sicherung des Faktenwissens tiber das vorliegende Streichquadrat, ohne einen strukturellen Erkenntnisgewinn tiber

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Streichquadrate im Allgemeinen. Dementsprechend besteht auch das dabei herangezogene neue Wissen nur aus einem Faktum: Die Streichsummen im behandelten Streichquadrat ergeben aIle 66. Dieses Argument ist ein Beispiel flir eine Begriindung innerhalb einer Rechen-Rahmung, zu deren Entwicklung relatives Lemen stattgefunden hat.

In der zweiten Szene wird ein anderer Typ von Argumenten vorgesteIlt, zu dessen Entwicklung relatives Lemen stattfindet.

3.2 Die zweite Szene: Ein empirisch-konstruktives Argument

Die nachfolgende Episode stammt aus derselben Stunde, fand aber nicht direkt im Anschluss an die Argumentation zwischen der Lehrerin und Eva statt. Die Schiilerinnen Judith und Maren beginnen das Gesprach, indem sie behaupten, das gestellte Problem geli:ist zu haben.

59 J ja, also wir wissens

60 L ja gut, komm her.

61 J (legt ihr Zauberformelheft auf den Tisch) namlich jetzt- , wir haben die so rausbekommen. wir haben jetzt hier- , wir haben dies ganze Teil (zeigt auf die erste Seite des Blattes) nur mit total anderen Zahlen gemacht. so. , so, so und dann immer auch wenn hier 22 plus 13, so und hier, ahm ahm, sag ich mal 29 plus 13 , so und hier 11 plus 13 stande , so und das alles auch mit demjetzt dann addierst ,ja'

62 L rnhm (nickt mit dem Kopj)

63 J ahm dann kame auch immer das gleiche Ergebnis raus.

In dieser AuBerungsfolge erscheinen unter der Perspektive des Autors mindestens zwei Aspekte als wesentlich: Erstens bezieht sich Judith explizit auf das von der Lehrerin bereitgestellte Arbeitsblatt. Die beiden Schiilerinnen haben die erste Aufgabe als Konstruktionshinweis flir Streichquadrate gedeutet und entsprechend aus einer anderen Additionstabelle ein weiteres Zahlenquadrat erzeugt4. Zweitens bezieht sich die Schiilerin weder auf die Zahlen des urspriinglichen Streichquadrats, noch auf die Zahlen innerhalb des selbst konstruierten Zahlenquadrats. Vielmehr berichtet sie ausschlieBlich von den Randzahlen der neuen Tabelle und spricht von einer nicht we iter spezifizierten konstanten Summe im neuen Zahlenquadrat.

Dementsprechend kann man sagen, dass sich Judith in der Argumentation nicht direkt auf die von der Lehrerin eingeforderte Konklusion bezieht - schlieBlich kommt weder das konkrete Streichquadrat noch die Zahl 66 in der AuBerung der Schiilerin vor. Es stellt sich also zunachst die Frage, flir welche Konklusion hier argumentiert wird, oder mit den Worten der Kinder: Was wissen die Schiilerinnenjetzt (s. Zeile 59)?

Beide oben genannten Aspekte sprechen daflir, dass das Begriindungsangebot der Schiilerin iiber das gegebene Streichquadrat hinausgeht. Sie setzt die Konstanz der Streichsumme unabhangig von den konkreten Zahlen in Beziehung zu der Konstruktion einer Additionstabelle mittels eigener vorab gewahlter Randzahlen. GemaB dieser Interpretation argumentiert die Schiilerin daflir, dass die Konstanz der Streichsumme in

4 Ob sie dazu siimtliche Randzahlen neu gewiihlt oder nur einige ausgetauscht haben (die erwiihnte 13 tritt in dem von der Lehrerin vorgegebenen Streichquadrat auch auf), ist dem Interpreten nicht bekannt.

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Streichquadraten auf die Konstruktion mittels einer Additionstabelle zuriickgefUhrt werden kann. In diesem Sinne sieht der Interpret die Konklusion des Arguments in der Behauptung, dass die konstante Streichsumme etwas mit den Randzahlen einer Additionstabelle zu tun hat.

Die Schiilerinnen haben offenbar die Aufgabe auf dem Arbeitsblatt, das thematisierte Streichquadrat als Additionstabelle zu erstellen, als Konstruktionshinweis fUr weitere Zahlenquadrate gedeutet. In ihrer AuBerung erliiutert Judith, dass ihr neues Zahlenquadrat wie das vorgegebene Streichquadrat aus einer Additionstabelle entstanden ist ("wir haben dies ganze reil [ ... ] nur mit total anderen Zahlen gemacht"). Diese Entstehung des neuen Zahlenquadrats wird nicht weiter hinterfragt, sondem als Beleg dafUr gekennzeichnet, dass die Konstanz der Streichsumme etwas mit den Randzahlen einer Additionstabelle zu tun hat - eine entsprechende Aussage wird deswegen hier vom Autor in der Funktion eines Datums interpretiert.

Zudem stellt die Schiilerin fest, dass ihr neues Zahlenquadrat ebenfalls ein Streich quadrat ist ("dann kiime auch immer das gleiche Ergebnis raus."). Judith betont, dass sie die Zahlen geiindert, die Konstruktionsweise in Form einer Additionstabelle aber 'beibehalten hat. Diesen Aspekt in ihrer AuBerung kann man in Form einer Argumentationsregel zwischen dem Datum und der Konklusion interpretieren: Wenn man irgendwelche Randzahlen wahlt und aus ihnen eine Additionstabelle herstellt, wird das Innere des Zahlenquadrats ein Streichquadrat. Diesen rege1haften, allgemeinen Zusammenhang zwischen Datum und Konklusion stiitzt die Schiilerin aber weniger im Sinne einer mathematischen Struktur, sondem ausschlieBlich auf die Basis ihres Beispiels, an dem sie das Zutreffen dieser Regel beobachten konnte. Dementsprechend sieht der Interpret diese empirische Beobachtung der Schiilerin als Stiitzung des Arguments an. GemiiB dieser Interpretation wurde von Judith das folgende Argument konstruiert:

Aus einer neuen Additions- Die Konstanz der tabelle entsteht ein neues .... Streichsumme hat etwas mit

Streichquadrat. den Randzahlen zu tun.

Wenn man andere Randzahlen nimmt, bleibt die Konstanz der Streichsumme erhalten.

I In einem selbst konstruierten Beispiel war das so. I -- -

Die Lehrerin gibt sich auch in dies em Gespriich, trotz ihrer signalisierten Zustimmung, nicht mit der Begriindung zufrieden:

64 L rnhm. richtig. super. iihm , und ,ja , aber , wo findest du denn jetzt hier die Zahl 66' (zeigt auf das Zaubeiformelheft) warum kommt denn gerade 66 immer heraus

65 66

67

M J

L

muss nicht.

doch muss.

so wie es jetzt hier ist , kommt da immer 66.

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68 MIJ ja

Die Leistung der Schiilerin wird ausdriicklich gelobt. Zugleich weist die Lehrerin aber darauf hin, dass die Schiilerinnen ihr allgemein gehaltenes Argument auch auf das konkrete Ergebnis der Streichsumme beziehen sollen - die Begriindung von Judith erklart nicht, warum im Beispiel gerade 66 als Streichsumme herauskommt (Zeile 64). Die kurze Reaktion von Maren (Zeile 65) deutet darauf hin, dass sie diese Kritik zunachst ablehnt - moglicherweise deutet sie die AuBerung der Lehrerin von einem allgemeineren Standpunkt aus und merkt an, dass sich nicht bei jedem Streichquadrat als Streichzahl 66 ergeben muss. Judith scheint die Kritik der Lehrerin, passend zu der Interpretation des Autors, als exemplarische Formulierung der allgemeinen Konstanz von Streichsummen zu deuten, zumindest widerspricht sie nicht. Die Lehrerin macht aber in Zeile 67 noch einmal deutlich, dass sich die 66 nur auf ihr vorgelegtes Beispiel bezieht. Es solI vermutlich noch geklart werden, wie man die konkrete Streichsumme auf die Randzahlen strukturell zuriickfiihren kann. 1m weiteren Gesprach behiilt Judith die Gesprachsleitung der Kinder in der Hand:

69 J ja , wei I

70 M (unverstiindlich)

71 J ja ,ja, weil wir 10 plus 13,12 plus 13 ,18 plus 13,10 plus 9, (zeigt dabei mit ihrem Stift jeweils auf die entsprechenden Zahlen auf der ersten Seite des Zauberformelheftes) ja ahm ,ja dann jede Zahl plus eine von denen. also, jede Zahl plus die 3. (zeigt mit dem Stift auf die oberen drei Randzahlen)

72 L irgendwo steckt hier die Zahl 66 (zeigt auf das gesamte Zahlenquadrat) such- guck mal ob ihr sie irgendwo entdeckt. die Zahl 66.

In ihrer Reaktion bezieht sich Judith zum ersten Mal auf das von der Lehrerin vorgegebene Streichquadrat. Wiederum nennt sie ausschlieBlich die Randzahlen der zugehOrigen Additionstabelle, die sie im Sinne des AusfiilIens der Tabelle miteinander in Beziehung setzt und macht dadurch klar, wie sich das Streichquadrat aus den Randzahlen durch entsprechende Additionen konstruieren lasst.

Dieser Zugang ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu dem vermutlich von der Lehrerin erwarteten Argument. Allerdings setzt die Schiilerin die Randzahlen nicht zu der 66 in Beziehung - weder addiert sie die Zahlen, noch bezieht sie sich auf die Funktion der Streichregel. Vielmehr betont sie noch einmal einen Aspekt ihres zuvor entwickelten Arguments: Das von den Schiilerinnen entwickelte Zahlenquadrat wurde genau so konstruiert wie das von der Lehrerin prasentierte Streichquadrat - da dieses Zahlenquadrat ebenfalls ein Streichquadrat ist, muss die Konstanz der Streichsumme mit dieser Konstruktionsweise zusammenhiingen. Das Gesprach.endet dementsprechend mit der Aufforderung der Lehrerin, die Additionstabelle noch einmal in Bezug auf die konkrete Streichsumme weiter zu untersuchen.

In dem Argument wird die Idee herangezogen, Streichquadrate mittels einer Additionstabelle zu konstruieren. In diesem Sinne handelt es sich urn ein "konstruktives" Argument. Die herangezogene Idee ftihrt bereits "auf den richtigen Weg", allerdings wird sie von den Schiilerinnen nicht strukturell hinterfragt, sondem in der Funktion eines Datums, also ohne weitere Begriindung, in das Argument eingebracht. Die rekonstruierte Stutzung des Arguments macht deutlich, dass diese Idee weniger als strukturelIes,

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sondem eher als Faktenwissen in das Argument einflieBt: Der argumentativ gerechtfertigte Zusammenhang zwischen Additionstabellen und Streichquadraten wird durch ein konstruiertes Beispiel hergestellt, das nicht strukturell, sondem nur in Bezug auf die unterstellte Konstruktionsvorschrift und die Rechenergebnisse auf das vorgegebene Streichquadrat bezogen wird. In diesem Sinne bezeichnet der Autor diese Begriindung als ein empirisch-konstruktives Argument.

Ob die Schiilerinnen in der Lage wiiren, zu einer vorgegebenen Streichzahl auch ein passendes Streichquadrat zu konstruieren, bleibt dabei fniglich, denn die Streichzahl selbst wird in Judiths Argument nicht einbezogen. Dementsprechend wird das neue Wissen nicht mit den bereits bekannten Aspekten von Streichquadraten verbunden, mit anderen Worten: Die strukturell orientierte Frage, warum die Additionstabelle zu einem Streichquadrat fUhrt, tritt in der Argumentation zugunsten einer empirischen Uberpriifung, dass die neue Additionstabelle zu einem Streichquadrat fUhrt, in den Hintergrund. Der zu dem Argument fUhrende Lemprozess kann also dem relativen Lemen zugesprochen werden: Die Schiilerin erweitert ihr bisheriges Wissen im Sinne eines Faktums um eine neue Regel, d.h. es findet keine strukturelle Modifikation ihrer eingenommenen Sichtweise auf Streichquadrate statt.

Ein Beispiel flir strukturelle Uberlegungen iiber Streichquadrate solI in der folgenden Argumentation vorgestellt werden.

3.3 Die dritte Szene: Ein strukturell-mathematisches Argument

Unmittelbar im Anschluss an die erste in diesem Beitrag diskutierte Episode kommt die Schiilerin Kim zur Lehrerin und priisentiert ihre Uberlegungen.

10 K (zeigt L die erste Seite ihres Heftes mit den Zauberformeln) mhm, wir wissen es jetzt- jetzt. man kann ja sechs- man kann ja die 66 in verschiedene 3 Sachen teilen

11 L ja 12 Kimmer. und das kann man ganz oft machen.

13 L ja.

14 K so dass dann 9 Sachen rauskommen. und wenn man da dann irgendwie die 22, die 21 und die was weiB ich was nimmt, dann kommen da immer 66 raus. oder wenn man die 31, die 16 und die 9- 19 nimmt, dann kommen da auch 66 raus.

15 L jaaa. iihm .... das stimmt Kim. das hast du alles richtig herau- oder habt ihr richtig herausgefunden (zeigt auf das Blatt). wichtig ist jetzt, iihm, warum (sieht Kim an) kommt immer 66 heraus und nicht zum Beispiel 77 oder 100 oder

Kim kiindigt zuniichst an, die Lasung des von der Lehrerin gestellten Problems priisentieren zu kannen ("wir wissen es jetzt"). Die Schiilerin beginnt die Argumentation mit dem Hinweis darauf, dass die 66 "in verschiedene drei Sachen geteilt werden kann" (Zeile 10). Wenn man dies geniigend oft macht, so ihre vorgestellte Uberlegung, erhalt man schlieBlich neun (verschiedene) Zahlen, die anschlieBend zum Ausgangspunkt flir das Rechnen werden und von denen jeweils drei gemiiB der Streichregel ausgewiihlte Zahlen in der Summe 66 ergeben (Zeilen 12, 14). Kim betont dabei, dass es nach der Wahl der neun Zahlen nicht darauf ankommt, welche Zahlen eingekreist werden - zwar stellt sie konkrete Zahlenbeispiele vor, weist aber zugleich darauf hin, dass die Zahlen

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selbst irrelevant sind, indem sie im ersten Beispiel nicht alle drei Zahlen nennt ("und die was weiB ich was nimmt").

Keine der von Kim gemachten Aussagen werden von der Lehrerin bestritten oder in ihrer Richtigkeit hinterfragt - sie bestatigt im Gegenteil, dass Kim und ihre Partnerin alles richtig herausgefunden, also etwas Richtiges gelemt zu haben. Allerdings gibt sich die Lehrerin mit dem Begriindungsangebot auch nicht zufrieden, sondem wiederholt ihre Begriindungsaufforderung. Dies interpretiert der Autor dahingehend, dass die Lehrerin nach einer argumentativen Verbindung zwischen der Konstruktion der 9 Zahlen innerhalb der Streichquadrats und der konstanten Streichsumme fragt. Dementsprechend weist der Interpret den bislang von Kim gemachten AuBerungen die Funktion eines Datums fur ein Argument zu. Die Reaktion der Lehrerin wird als Aufforderung an Kim verstanden, dieses Argument durch eine Stiitzung oder eine Argumentationsregel we iter auszubauen, damit die Konstanz der Streichsumme als Konklusion akzeptiert werden kann. Kim und die Lehrerin haben gemaB dieser Interpretation bislang das folgende Argumentfragment hervorgebracht:

Die Zahlen sind so gewiihlt worden, 1m behandelten dass die Streichsummen das vorher .. Zauberquadrat ergibt die

festgelegtes Ergebnis 66 lief em. Streichsumme immer 66

Dem Autor erscheint hierbei die Rolle der 66 fur das noch zu vervollstandigende Argument als wesentlich: 1m Gegensatz zu den vorigen Argumenten wird diese Zahl nun nicht als Resultat einer Vielzahl von Additionsaufgaben angesehen. Vielmehr werden im Gegenteil die Summanden der Streichsumme als Resultat der 66 als gewahlter Ausgangszahl gedeutet.

Die Schiilerin lasst sich auf die Aufforderung der Lehrerin im Sinne einer Vervollstandigung des Arguments ein und argumentiert konsistent zu ihren bislang vorgestellten Uberlegungen weiter:

16 K ja weil da (zeigt auf das Blatt) das nicht die Zahlen da davon sind, das sind ja keine Zahlen, die man geteilt hat dadurch, mit der 77.

17 L (dreht kurz abwagend ihre rechte Hand)

18 K das sindja nicht die drei-, alle Zahlen die man durch 77 teilen kann

19 L ja, aber durch 66 kannst du die doch auch nicht teilen. (zeigt auf das Blatt) das geht ja

In ihrer Reaktion auf die Kritik der Lehrerin weist Kim darauf hin, dass die 77 nicht die Ausgangszahl zur Konstruktion des Streichquadrats war. Hierbei ergibt sich, wie die AuBerung der Lehrerin in Zeile 19 zeigt, ein sprachliches Problem zwischen den beiden Argumentationspartnerinnen. Die Schiilerin lasst sich aber in ihren weiteren AuBerungen nicht auf die von der Lehrerin angemahnte, im Unterricht vermutlich standardisierte Bedeutung des Worts "Teilen" im Sinne einer Division ein, sondem flihrt mit ihrer Argumentation fort:

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20

21

K

L

ja gut, gut. (zeigt auf das Blatt) das sind aber alles Zahlen, die man, man- also das sind nicht aIle Zahlen von der 66 durch 3. aber wenn,.ill (zeigt auf das Blatt) wenn man jetzt 77 hiitte, dann miisste man dann zum Beispiel 52 hinmachen. dann miisste man da noch 5 hinmachen zum Beispiel und dann noch 20.

[ ... ] ahm, Kim, iiberleg noch mal ganz genau, wie diese Zahlen hier entstanden sind (zeigt auf das Blatt) und dann iiberleg noch mal, wie das-, wo du die 66 findest. geht die Zauberformeln weiter durch, vielleicht kommt ihr dann noch drauf.

In Zeile 20 zeigt die Schiilerin eine argumentative Verbindung zwischen der 66 als Ausgangspunkt zur Konstruktion des Streichquadrats und der Notwendigkeit, als Streichsumme dann auch 66 zu erhalten, auf. Hierzu argumentiert sie mit Hilfe der von der Lehrerin angebotenen Alternative fiir die Streichsumme im Sinne einer fiktiven Ausgangsbasis, durch die ein Streichquadrat mit anderen Streichsummanden entstehen wiirde. Mathematisch formuliert argumentiert die Schiilerin indirekt: Wollte man die 77 als Streichsumme erhalten, dann miisste man die Zahlen im Streichquadrat entsprechend wahlen. Diese Argumentationsregel stUtzt Kim wiederum durch zwei Zahlenbeispiele, in denen sie mogliche Summanden zur Erzeugung eines Streichquadrats mit der 77 als Streichsumme angibt. Diese Summanden konnen im behandelten Streichquadrat nicht wieder gefunden werden, dieses Streichquadrat kann also nicht zu einer alternativen Streichsumme fiihren.

Wiederum weist die Lehrerin die von Kim vorgestellten Uberlegungen und damit auch das Argument nicht als falsch zurUck. In ihrer Kritik fordert sie die Schiilerin aber explizit dazu auf, sich noch einmal Gedanken iiber das Zustandekommen der 66 zu machen. Innerhalb des Begriindungsangebots von Kim ist dieser Hinweis schwer zu verstehen - schlieBlich erscheint die 66 im Argument der Schiilerin als Ausgangspunkt fUr Uberlegungen, wahrend sie von der Lehrerin als ein Resultat von weiteren Uberlegungen gekennzeichnet wircl. Aus cler Perspektive cler funktionalen Argumentationsanalyse lasst sich die Kritik der Lehrerin im Sinne einer Ausnahme­bedingung verstehen: Das Argument ist nicht falsch, allerdings ist dieses Streichquadrat anders als von der Schiilerin unterstellt entstanden. Insgesamt wurde das folgende Argument rekonstruiert:

Die Zahlen sind so gewahlt i

1m behandelten worden, dass die Streichsummen .. Zauberquadrat ergibt die das vorher festgelegtes Ergebnis

.. 66liefern. Streichsumme immer 66. I

Wenn die Streichsummen ein AUSNAHMEBEDINGUNG anderes Ergebnis lief ern soIlen, muss Dieses Quadrat wurde anders

man die Zahlen anders wahlen. konstruiert.

l Fiir die 77 brauchte man Zahlen wie 52, 20 und 5. I

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Die Schiilerin Kim zeigt in dieser Argumentation, dass sie die Rechen-Rahmung bereits moduliert hat: Sie betrachtet die Streichsummen nicht mehr als Ausgangspunkt fUr Rechenaufgaben, die 66 als gemeinsames Resultat haben, sondem umgekehrt die 66 als Ausgangspunkt fUr die Konstruktion der Zahlen im Streichquadrat. Des Weiteren argumentiert sie mit einem fiktiven Streichquadrat zur Streichsumme 77 und schlagt Zahlen fUr das Innere eines solchen Quadrats vor. Dieses Argument wird vom Autor als strukturell-mathematisches Argument bezeichnet, wei 1 die Zahlen im Streichquadrat in einem strukturellen Zusammenhang gedeutet werden: Sie fungieren nicht als Summanden von Aufgaben, sondem selbst als Ergebnisse einer tiber der Berechnung der Streichsumme stehenden Aufgabe. Die tibergeordnete Aufgabe ist nicht an die vorgegebene 66 gebunden, wie Kim anhand der altemativen, von der Lehrerin vorgegebenen Streichzahl 77 anmerkt. Wesentlich fUr das Argument ist nur die Struktur dieser Aufgabe, also eine additive Zerlegung(das "Teilen", wie Kim es bezeichnet), die zu einem Streichquadrat fUhrt. Diese strukturelle Uberlegung geht tiber das konkrete Streichquadrat hinaus - Kim entwickelt Regeln fUr den prinzipiellen Umgang mit beliebigen Streichquadraten und konstruiert gemaB der vorgestellten Interpretation tiber Fakten hinausgehendes, strukturelles Wissen. Mit Miller formuliert, fand zur Entwicklung dieses Arguments fundamentales Lemen statt.

Die Schiilerin formuliert ihre strukturelle Idee mittels der ihr zur Verfiigung stehenden bzw. zur VerfUgung gestellten Sprache, also groBtenteils anhand von Zahlenbeispielen. Die konkrete Ausdrucksweise fUr ihre strukturellen Uberlegungen ist vor allem fUr die Grundschule gleichermaBen typisch wie notwendig (vgl. Steinbring 2000b, S. 29). Sie erschwert es der Lehrerin, die dahinter liegende Idee als eine tiber die Konstruktion von Faktenwissen hinausgehende, neue Uberlegung zu erkennen. 1m obigen Beispiel zeigt sich diese Schwierigkeit besonders in der Funktion, die der neuen Idee innerhalb des Arguments zugeschrieben wird: Durch die Interaktion zwischen Lehrerin und Schiilerin erfUllt die Idee die argumentative Funktion eines Datums. Sie erhlilt also einen argumentativen Status, der typisch ist fUr Faktenwissen, etwa im Sinne von Rechnungen mit richtigem Ergebnis. Auf diese prinzipielle Schwierigkeit der interaktiven Entwicklung von strukturellen Argumenten im Lemprozess mittels konkreter sprachlicher Mittel wird im letzten Abschnitt des Artikels noch einmal eingegangen.

Die Anwendung des neu konstruierten strukturellen Wissens auf die Praxis, also etwa die Entwicklung weiterer Streich quadrate entsprechend Kims Vorschlag, wiirde fUr die Schiilerin sicher zu einer kaum losbaren Aufgabe fUhren. Allerdings bestand das von der Lehrerin gestellte Problem auch nicht darin, Streichquadrate zu konstruieren, sondem "nur" deren Zustandekommen zu erklaren - in diesem Sinne begrtindet Kim gewissermaBen die Machbarkeit, ohne auf die Konsequenzen der Methode einzugehen.

4. Zusammenhiinge zwischen Wissenskonstruktionen und Argumenten

Lemumgebungen in der Grundschule sind i.A. an konkrete Zahlen und endliche Probleme gebunden. Viele arithmetische Aufgabenformate selbst sind dabei fUr die Zukunft der Kinder irrelevant - es ist etwa unwesentlich, ob die Schiilerinnen aus den oben analysierten Episoden in 10 lahren noch wissen, wie man Streichquadrate konstruiert. Vielmehr besteht die Intention solcher konkreten Lemumgebungen darin, Phanomene wie die Konstanz der Streichsumme zum Anlass zu nehmen, sich unter einer strukturellen Perspektive mit den konkreten Lemumgebungen zu beschaftigen. Dadurch sollen mathematische Erkenntnisse gewonnen werden, die einen tiber die exemplarischen Kontexte hinausgehenden, allgemeinen Charakter besitzen und den

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eigentlichen epistemischen Wert der Aufgabe darstellen. Argumentationen, die innerhalb einer substantiellen Lemumgebung (Wittmann 1995) entwickelt werden, bieten eine gute Chance, mathematische Einsichten zu konstruieren. Aus einer normativen Perspektive gesprochen sollte es bei solchen Argumentationen also darum gehen, ein innerhalb der Lemumgebung zunachst empirisch beobachtetes Phanomen strukturell zu erklaren und dadurch Einsichten zu gewinnen, die tiber das konkrete Phiinomen hinaus von Bedeutung fur das mathematische Lemen sind.

Allerdings lassen die beobachteten Phanomene innerhalb der Lemumgebungen neben mathematisch-strukturellen Argumenten immer auch solche zu, die dem Konkreten verhaftet bleiben. Derartige Argumente sind nicht falsch, sondem sie unterliegen einer anderen Auffassung dessen, was eine Begriindung leisten solI. In diesem Beitrag wurden drei Typen von Argumenten vorgestellt, die in den abschlieBenden Bemerkungen noch einmal erlautert werden sollen. Die folgende Tabelle liefert einen Uberblick dariiber, welche Art von Wissen in solchen Argumenten tiber ein Phanomen konstruiert wird:

empirisch empirisch - konstruktiv strukturell - mathematisch

Uberpriifung aller FaIle Ubertragung der V or- Auswirkungen von hypo-im Beispiel: gehensweise auf weitere thetisch zugrunde liegenden

Beispiele: Strukturen:

Gibt es ein Phanomen? Bleibt das Phanomen Wie kann man das Phanomen erhalten? erzeugen?

In welchen argumentativen Funktionen werden in dies en Typen von Argumenten neues und altes Wissen zueinander in Beziehung gesetzt?

Empirische Argumente sichem das Auftreten eines Phanomens durch eine (mehr oder weniger systematische) Priifung aller moglichen Falle innerhalb des konkreten Problems: Eine sorgraltige empirische Beobachtung liefert und sichert die Erkenntnis, dass das unterstellte Phiinomen tatsachlich auf tritt, allerdings ohne Hinweise auf eine zugrunde liegende, erklarende Struktur zu erzeugen. In diesem Sinne kann die Konstanz der Streichsumme als neues Wissen verstanden werden, fUr dessen Richtigkeit argumentiert wird. Dementsprechend tritt das neue Wissen in der Konklusion auf, wahrend alle anderen argumentativ-funktionalen Anteile den alten Wissensstrukturen verhaftet bleiben5

• Das neue Wissen selbst hat dabei den Status eines Faktenwissens, das alte Wissen wird durch keine Komponente des Arguments systematisch iiberschritten. Das argumentativ gesicherte Wissen tiber die konstanten Streichzahlen ist - wenn es aus­schlieBlich auf diese Weise gesichert wird - eine neue Erkenntnis im Sinne des relativen Lemens (Miller 1986), bzw. im Sinne der empirischen Situiertheit (Steinbring 2000a, S. 463f).

Empirisch-konstruktive Argumente iibertragen das Phiinomen auf andere Beispiele und iiberpriifen, ob es dort ebenfalls beobachtet werden kann. Die Erkenntnis, dass in dem vorgegebenen Problem das Phanomen auf tritt, wird dadurch - im argumentations­theoretischen Sinne - nicht begriindet. Sie wird gewissermaBen in der Argumentation vorausgesetzt und wie ein bekanntes, gleichsam schon altes Wissen verwendet. Das neue Wissen, das in diese Argumente einflieBt, besteht aus Kenntnissen iiber Konstruktions­bedingungen des Phanomens. 1m Beispiel begriinden die Schiilerinnen Judith und

5 Sollte die Frage, ob alle Falle iiberpriift wurden, zu kombinatorisehen Uberlegungen fUhren, wiirde der Autor nieht mehr von empirisehen Argumenten spreehen.

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Maren, dass die Konstanz der Streichsumme durch das Aufstellen einer Additionstabelle erreicht wird. Dieses neue Wissen weist iiber das konkret vorgegebene Zahlenquadrat hinaus und ist in Form von regelhaftem Wissen in der Konklusion und in der Argumentationsregel rekonstruierbar. Die Argumentationsregel selbst und damit das neu konstruierte Wissen wird allerdings nicht strukturell hinterfragt, ihre Begriindung geschieht auf empirischer Ebene durch die Beobachtung eines weiteren Beispiels, das als Bestatigung der Regel angesehen wird. Dementsprechend weist die neue Idee des Arguments zwar in die "richtige" Richtung, d.h. eine korrekte Regel flieBt in das Argument ein, zugleich fiihrt das Argument selbst aber nicht zu strukturellen Einsichten iiber das Phanomen. In dieses Argument flieBen neue Erkenntnisse ein, die im Sinne des relativen Lemens das alte Wissen erganzen: Das Wissen wird zwar durch eine neue Regel erweitert, der Anschluss an das alte Wissen geschieht allerdings auf der empirischen Ebene einer reinen Beobachtung des Phanomens und die Wissens­erweiterung ist dementsprechend der empirischen Situiertheit (Steinbring 2000b) verhaftet.

Weder empirische, noch empirisch-konstruktive Argumente sind "unmathematisch" oder gar "falsch" - vielmehr sind sie als experimentelle Stationen auf dem Weg zur Konstruktion mathematischen Wissens wesentliche Bestandteile des Lemprozesses. Sie bleiben allerdings, vor all em in der argumentativ gesehen entscheidenden Funktionen der Stiitzung, dem konkreten Phiinomen verhaftet und lassen dementsprechend keine iiber das Phanomen hinausweisenden, strukturellen Anderungen des (alten) Wissens erkennen: In der Stiitzung wird auf eine rein empirische Beobachtung von Fakten verwiesen. In der Kommunikation sind sie relativ einfach zu verstehen, sie entsprechen den von Steinbring herausgearbeiteten "direkt mitteilbaren konkreten Eigenschaften des Gegenstands der Kommunikation in seiner logischen, deduktiven Darstellung von Fakten und Regeln" (Steinbring 2000b, S. 45) - plakativ formuliert sind sie so konkret, wie sie sich anh6ren. Strukturell-mathematische Argumente sind weitaus schwieriger zu verstehen und zu charakterisieren, insbesondere weil sie sich sprachlich und auf den ersten Blick kaum von den empirisch gestiitzten Argumenten unterscheiden. Argumentationstheoretisch lasst sich Kims Begriindung als Beispiel fUr ein Argument verstehen, das im Sinne Steinbrings (2000a, S. 464ft) in der Kommunikation eine Balance zwischen einer Faktenvermittlung und einer Konstruktion neuer Deutungen fUr das Streichquadrat herstellt: Auch in solchen Argumenten werden konkret benannte Zahlen und Rechnungen verwendet, allerdings in der Funktion eines Beispiels, das zur Erlauterung allgemeinerer Erkenntnisse herangezogen wird. Diese Formulierungen im Sinne konkreter Rechnungen verfUhren dazu, in ihnen auch nur konkrete Fakten zu sehen - im obigen Beispiel scheint die Lehrerin in Kims AuBerungen kaum andersartige Wissenskonstruktionen zu erkennen als in dem ersten, von Eva entwickelten Argument (zumindest reagiert sie in der Argumentation in einer sehr ahnlichen Weise). Auf den zweiten Blick, mit der MuBe des Beobachters, lassen sich allerdings in Kims Begriindung strukturelle Elemente entdecken, die tiber eine empirische Beobachtung hinausweisen. Die in der Analyse rekonstruierte Idee besteht darin, die Streichzahl nicht mehr als Resultat von unzusammenhangenden Rechenaufgaben, sondern als strukturierenden Ausgangspunkt fUr die Rechnungen innerhalb des Streichquadrats anzusehen. In diesem Sinne grenzt sich das Argument von einem empirischen Argument

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ab, das Phanomen wird nicht mehr nur beobachtet, sondem durch eine Umstrukturierung des Problems zu erzeugen versucht.

Worin unterscheidet sich Kims Angebot von einem empirisch-konstruktiven Argument? Zwar enthiilt auch Kims Argument Hinweise auf die Konstruktion eines Streichquadrats - nach ihren Uberlegungen miissen die Zahlen innerhalb des Quadrats durch eine Vielzahl angemessener additiver Zerlegungen der Streichzahl konstruiert werden. Allerdings flihrt sie diese Konstruktion nicht durch, entscheidend flir ihr Argument ist die prinzipiel/e Moglichkeit der Zerlegungen, d.h. dieses Argument basiert nicht auf einer tatsachlich durchgefiihrten Konstruktion neuer Streichquadrate. Insbesondere wei I die Konstruktion eines Streichquadrats gemaB der von Kim vorgestellten Idee die Schiilerin vor kaum losbare Probleme stellen wiirde, wird dieses Argument yom Autor nicht als konstruktiv bezeichnet.

Was aber macht ihr Begriindungsangebot zu einem mathematisch-strukturellen Argument? Der wesentliche Punkt hierbei ist, dass Kim die durch das Zahlenquadrat vorgegebenen Aufgaben unter einer neuen Perspektive deutet. Die jeweils eingekreisten Zahlen innerhalb des Streichquadrats dienen in der ersten, empirischen Phase des Unterrichts als Ausgangspunkt der Rechnungen, die iiberraschender Weise aile zu demselben Ergebnis flihren. In der neuen, von Kim konstruierten Perspektive auf das Problem erscheinen diese Zahlen nicht mehr als Ausgangspunkt von Rechnungen, sondern selbst als Ergebnis einer iibergeordneten Rechnung, der Zerlegung der Streichzahl in entsprechende Summanden. Mit Winter (1982) gesprochen, wird hierbei das Gleichheitszeichen in den Streichsummen nicht mehr nur von links nach rechts als "ergibt" gedeutet, sondem das Resultat dieser Rechnungen als Ausgangspunkt neuer Uberlegungen herangezogen. Diese neue Perspektive auf die Streichsummen entspricht einer strukturellen Neuordnung des aiten, iiber das Streichquadrat gewonnenen (empirischen Fakten-) Wissens, also einem fundamentalen Lemprozess. Die konkreten, im Streichquadrat vorgegebenen Zahlen selbst werden unwesentlich, allein ihre Eigenschaft, die Streichzahl angemessen zu zerlegen, wird von Kim herangezogen. Dementsprechend kommt es fiir Kim nicht in Frage, dass eine andere Streichzahl herauskommen kann - hierzu miissten die Zahlen innerhalb des Quadrats eine andere Eigenschaft besitzen, was von der Schiilerin exemplarisch durch eine Zerlegung der 77 charakterisiert wird.

Kim versucht also in ihrem Argument, strukturell hinter das empirisch gefundene Phiinomen zu blicken. Das neue Wissen, das dabei in das Argument einflieBt, wird nicht begriindet und auch nicht im Sinne einer konkreten Konstruktion ausgebaut. Es erhiilt allerdings auch nicht "nur" den Status eines Datums, sondem kann auch in den Funktionen der Argumentationsregel und der Stiitzung rekonstruiert werden: Das neue Wissen wird als strukturelle Ausgangsbasis zur Klarung des Phiinomens herangezogen, in seiner "Praktikabilitat" allerdings nicht weiter untersucht.

AbschlieBend soll noch einmal betont werden, dass die Kategorisierung in empirische, empirisch-konstruktive und mathematisch-strukturelle Argumente nicht als "Stufenfolge" hin zum "richtigen" mathematischen Argumentieren verstanden werden sollte. Vielmehr soll sie dazu dienen, das Spektrum an moglichen, innerhalb ihres jeweiligen Geltungsanspruchs richtigen und auch mathematischen Argumenten ein Stiick weit aufzuf"achern. Fur ein besseres Verstehen von Chancen und Problemen der Verstandigung im Mathematikunterricht in Argumentationsprozessen erscheint dem Autor eine solche Unterscheidung als hilfreich. Aber auch flir eine Thematisierung der

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Argumente im Unterricht kann es sicher von Vorteil sein, mit den Kindem tiber ihre Argumente unter dem Fokus des neuen Wissens zu diskutieren. Die Diskussion mit den Kindem sollte sich dann nicht darin ersch6pfen, ob eine Begriindung richtig oder falsch ist, sondem mit erfassen, was durch die Begriindung neu gelemt worden ist.

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Anhang: Transkriptionsregeln (Auszug der hier verwendeten Regeln) 1. Linguistische Zeichen:

Eine Zeile beginnt genau unterhalb des letzten Lautes aus der vorigen AuBerung: auffallig schneller Anschluss, z.B.

M Das ist doch null

F null

2. Paralinguistische Zeichen:

genau.

unddu­

was'

sicher

kurzes Absetzen innerhalb einer AuBerung, max. eine Sekunde

mittlere Pause, max. drei Sekunden

Senken der Stimme am Ende eines Wortes oder einer AuBerung

Stimme in der Schwebe am Ende eines Wortes oder einer AuBerung

Heben der Stimme, Angabe jeweils hinter des entsprechenden Wortes

Auffallige Betonung

3. Weitere Charakterisierungen:

(schreibt) u.li. Charakterisierung der Handlungen der entsprechenden Person

Dr. Ralph Schwarzkopf Universitlit Dortmund Fachbereich 01, Institut fur Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts 44221 Dortmund Email: [email protected]