Beihefte der Francia - Perspectivia.net · 2018. 11. 12. · manns von Sachsenheim sowie zu Ulrich...

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Beihefte der Francia Bd. 43 1998 Copyright Das Digitalisat wird Ihnen von perspectivia.net, der Online-Publi- kationsplattform der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (DGIA), zur Verfügung gestellt. Bitte beachten Sie, dass das Digitalisat urheberrechtlich geschützt ist. Erlaubt ist aber das Lesen, das Ausdrucken des Textes, das Herunterladen, das Speichern der Daten auf einem eigenen Datenträger soweit die vorgenannten Handlungen ausschließlich zu privaten und nicht- kommerziellen Zwecken erfolgen. Eine darüber hinausgehende unerlaubte Verwendung, Reproduktion oder Weitergabe einzelner Inhalte oder Bilder können sowohl zivil- als auch strafrechtlich ver- folgt werden.

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  • Beihefte der Francia

    Bd. 43

    1998

    Copyright Das Digitalisat wird Ihnen von perspectivia.net, der Online-Publi-kationsplattform der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (DGIA), zur Verfügung gestellt. Bitte beachten Sie, dass das Digitalisat urheberrechtlich geschützt ist. Erlaubt ist aber das Lesen, das Ausdrucken des Textes, das Herunterladen, das Speichern der Daten auf einem eigenen Datenträger soweit die vorgenannten Handlungen ausschließlich zu privaten und nicht-kommerziellen Zwecken erfolgen. Eine darüber hinausgehende unerlaubte Verwendung, Reproduktion oder Weitergabe einzelner Inhalte oder Bilder können sowohl zivil- als auch strafrechtlich ver-folgt werden.

  • KARL-HEINZ SPIES S

    Z U M G E B R A U C H V O N L I T E R A T U R I M S P Ä T M I T T E L A L T E R L I C H E N ADE L

    Wer sic h übe r da s Verhältni s spätmittelalterliche r Adelige r z u Literatu r un d Bildun g informiert, stöß t au f seh r widersprüchlich e Aussagen . Währen d i n zahlreiche n ger -manistischen Publikatione n di e Höf e de r Fürste n un d Grafe n al s literarische Zentre n oder gar als Musenhöfe angesehe n werden, 1 beklage n zeitgenössisch e Autoren i n deut -lichen Worten di e Distanz de s Adels zu Literatu r un d Bildung . Zwa r müsse n di e gern zitierten Wort e Sebastia n Francks , de r Ade l hab e nicht s andere s i m Sin n al s Jagen , Beizen, Saufen , Prasse n un d Spielen , al s ein e bürgerlich e Überzeichnun g angesehe n werden,2 doc h gib t e s auc h genügen d adelig e Stimmen , di e ihre n Standesgenosse n mangelnde Zuwendun g zu r Bildun g vorwerfen .

    Beispielsweise wird i n der am Anfang de s 16 . Jahrhunderts entstandene n Biographi e Wilwolts von Schaumbur g geklagt : so aber nu ein zeit lang der adl alle historien veracht, weder Universitäten oder ander suptil künsten . . . wenig gesuecht, aber weliche das getan, von den andern jungen und unverstandigen verspot, Schreiber gênent.3 Ma g dies e Kriti k eher au f de n Ritterade l gemünz t sein , s o ziele n di e Wort e de s Grafe n Reinhar d vo n Solms (1491-1562) , ei n Studiu m se i keinesfall s standeswidrig, 4 un d ein e Reform -

    1 Vgl . Philip p STRAUCH , Pfalzgräf m Mechthil d i n ihre n litterarische n Beziehungen . Ei n Bil d au s de r schwäbischen Litteraturgeschicht e de s 15 . Jahrhunderts , Tübinge n 1883 , S . 3 ff.; Wolfgang LlEPE , Eli-sabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehun g und Anfänge de s Prosaromans in Deutschland , Hall e 1920 , S. 21; Hartmu t BECKERS , >De r Püeche r haubet , di e vo n de r Tafelrund e Wunde r sagen< . Wiric h vo n Stein un d di e Verbreitun g de s >Prosa-Lancelot < i m 15 . Jahrhundert, in : Wolfram-Studie n 9 (1986 ) S. 17-45 , hie r S . 26. Weitere Beleg e be i Pete r STROHSCHNEIDER , Ritterromantisch e Versepi k im aus -gehenden Mittelalter . Studie n z u eine r funktionsgeschichtliche n Textinterpretatio n de r >Mörin < Her -manns vo n Sachsenhei m sowi e z u Ulric h Fuetrer s >Persibein < un d Maximilian s Ï. >TeuerdankGemeine r Nutze m im Spätmittelake r un d i n de r

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    schrift au s dem Jahr 1565 , die den Unterrich t de r Grafensöhn e i n Latein , Recht , Historie und Sprachen verlangt, 5 au f den Hochade l selbst .

    Vermutlich wa r es möglich, auc h ohn e lese n un d schreiben z u können, allei n auf mündlicher Eben e am Literaturbetrieb teilzuhaben , wie es für die hochmittelalterliche Adelsgesellschaft wahrscheinlic h ist, 6 doc h rückt e im Spätmittelalter di e Lektüre star k in den Vordergrund.7 Wer sich der Literatur bedienen wollte, mußte lesen können, wer an de n neue n humanistische n Bildungsidee n teilhabe n wollte , mußt e Latei n lerne n oder sic h u m Übersetzungen bemühen. 8

    Um di e Frage nach dem Gebrauch von Literatur in der spätmittelalterlichen Adels -gesellschaft beantworte n z u können, is t zuerst au f die Bildun g de r Adeligen einzuge-hen, wobei die Begriffe Bildun g und Literatur in ihrer größtmögliche n Spannweit e zu verstehen sind . I m zweite n Abschnit t geh t e s u m di e quantitativ e un d qualitativ e Analyse der Adelsbibliotheken, währen d i m abschließenden dritte n Tei l der persönli-che Bezu g der Adeligen zu r Literatur dargestell t werde n soll. 9

    Bis zu m 13 . Jahrhundert ware n Adelige , di e lesen un d schreiben konnten , Ausnah -meerscheinungen.10 Di e zunehmende Verschriftlichun g i m Rechts - un d Geschäftsle -ben11 sowi e das Vordringen de r Volkssprache i n den Urkunden sei t dem 14. Jahrhun-

    Frühneuzeit. Geistes - und sozialgeschichtliche Beiträg e zur Frage nac h de r utilitas librorum, in: Biblio-thek und Wissenschaft 9 (1975 ) S . 202-249, hie r S . 233 .

    5 Da s Gutachten befinde t sic h im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden , Abt . 17 1 G, Nr. 60. Es gehört zu einer Reihe weiterer Reformvorschläg e fur die Wetterauer Grafe n au s der zweiten Hälft e de s 16 . Jahrhunderts. Vgl. Rol f GLAWISCHNIG , Di e Bündnispolitik de s Wetterauer Grafenverein s (1565-1583) , in : Nassau-ische Annalen 8 3 (1972) S . 78-98, hier S. 79. Zum politischen Umfel d vgl . auch Geor g SCHMIDT , Der Wetterauer Grafenverein . Organisatio n un d Politik eine r Reichskorporatio n zwische n Reformatio n und Westfälischen Frieden , Marburg 198 9 (Veröffentlichungen de r Historischen Kommissio n fur Hessen 52) S. 259 ff.

    6 Vgl . zu diesem vieldiskutierten Proble m in Auswahl Manfred G . SCHOLZ, Höre n un d lesen. Studien zur primären Rezeptio n der Literatur im 12. und 13 . Jahrhundert» Wiesbade n 1980 » bes . S. 221 ff; Denni s H. GREEN , Übe r Mündlichkei t un d Schriftlichkei t i n de r deutsche n Literatu r de s Mittelalters . Dre i Rezeptionsweisen un d ihre Erfassung , in : Philologie al s Kulturwissenschaft. Studie n zu r Literatur des Mittelalters. Festschrift fü r Karl Stackmann zum 65. Geburtstag, hg . von Ludger GRENZMANN / Huber t HERKOMMER / Diete r WÜTTKE , Göttinge n 1987 , S . 1-20; zusammenfassend Joachi m BUMKE , Höfi -sche Kultur . Literatu r un d Gesellschaf t i m hohe n Mittelalter , 2 Bde, Münche n 1986 , hier Bd . 2, S. 595 ff. sowi e al s aktualisierende Forschungsbilanz , ders. , Höfisch e Kultur . Versuc h eine r kritische n Bestandsaufnahme, in : Beiträg e zu r Geschicht e de r deutsche n Sprach e un d Literatu r 11 4 (1992 ) S. 414-492, hie r S . 477 f.

    7 Vgl . Thomas CRAMER, Geschichte de r deutsche n Literatu r i m späte n Mittelalter , Münche n 1990 , S. 1 1 f. un d Peter NUSSER , Deutsch e Literatu r im Mittelalter . Lebensformen , Wertvorstellunge n un d literarische Entwicklungen , Stuttgar t 1992 , S. 292.

    8 Sieh e unte n S . 89 f. 9 Angesicht s de s vorgegebenen Umfang s versteh t sic h vo n selbst , da ß das Thema nich t erschöpfend ,

    sondern nur in Einzelaspekten au s dem Blickwinkel des Historikers behandel t werden kann. Für freund-liche Hinweis e dank e ic h Iren e ERFEN , Greifswald , un d Birgi t STUDT , Münster . Weiterhi n is t im Rahmen diese s Kolloquiums nu r auf die deutsche n Verhältniss e einzugehen . Fü r England vgl . Nichola s ORME, From Childhoo d t o Chivalry. The Education of the English King s and Aristocracy 1066-1530 , London 1984 und Chris GlVEN-WILSON , Th e English Nobilit y i n the Late Middl e Ages, New York 1987, S . 2 ff.

    10 Vgl . BUMK E (wi e Anm. 6) Bd . 2, S . 605; Herber t GRUNDMANN , Di e Fraue n un d die Literatu r im Mittelalter, in : ders., Ausgewählte Aufsätze , Tei l 3 , Stuttgart 1978 , S. 67-95, hie r S . 76 ff.

    11 Vgl . CRAMER (wie Anm. 7 ) S . 283 f. un d NUSSE R (wi e Anm. 7) S . 239 ff. mi t Blic k au f die städtischen

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    dert12 machte n jedoc h ein e Neuorientierun g de r Adelserziehun g notwendig . Diese r Anpassungsdruck lastet e nicht nur auf den Ritteradeligen , di e sich in ihrer Tätigkeit als Amtmann ode r Ra t eine s Fürste n imme r häufige r mi t Schriftstücke n befasse n un d ihrer bürgerliche n gelehrte n Konkurrente n erwehre n mußten, 13 sonder n auc h au f de n Regenten selbst . S o wa r Kaise r Kar l IV. seinem Onkel , de m französische n König , später sehr dankbar, da ß dieser ihm während seine r Jugendjahre a m französischen Ho f Bildung hatt e zutei l werde n lassen , obwoh l de r Onke l selbs t höchsten s Elementarun -terricht genosse n hatte. 14 I n de r Goldene n Bull e postuliert e Kar l IV. deshalb konse -quenterweise eine angemessene Unterrichtung de r künftigen Kurfürste n i n lateinische r Grammatik sowi e in italienische n un d slavische n Sprache n zwische n de m siebte n un d dem vierzehnte n Lebensjahr. 15

    Daß derle i Kenntnisse bei den regierenden Kurfürste n noc h nich t vorhanden waren , belegt ei n Schreibe n de s Pfalzgrafe n Ruprech t I. von 1379 , i n de m e r de m französi -schen Köni g entschuldigend erklärte , seine lateinische Antwort käm e so spät, quia sola materna lingua utimur et simplex laicus sumus et litteras ignoramus, weil e r nu r sein e Muttersprache gebrauche , ei n einfache r Lai e se i un d nich t lese n un d schreibe n kön -ne.16 E s fäll t i n diese m wi e i n andere n Fälle n allerding s schwer , de n Bildungsgra d näher z u bestimmen , d a di e Bedeutun g vo n litteras ignorare zwischen Analphabeten -tum un d bloße r Lateinunkundigkei t schwanke n kann. 17 Für die Söhne der Grafen vo n der Mar k fordert e Leopol d vo n Northo f i n de r Mitt e de s 14 . Jahrhunderts, da ß dies e gebildet werden sollten , d a es bei einem Fürste n ode r Magnaten ei n arge r Mange l sei , wenn diese r nich t lese n könne. 18

    Verhältnisse, doch schreite t de r Verschriftlichungsprozeß i n den landesherrliche n Kanzleie n im 14 . Jahr-hundert ebenfall s star k voran. Vgl . Hans PATZE , Neue Typen de s Geschäftsschriftgutes im 14 . Jahrhun-dert, in : De r deutsch e Territorialstaat i m 14 . Jahrhundert, Tei l 1 , hg . vo n Han s PATZE , Sigmaringe n 1970 (Vorträg e un d Forschunge n 13 ) S . 9-65 un d Dietma r WiLLOWEiT , Di e Enrwicklun g un d Ver -waltung de r spätmittelalterliche n Landesherrschaft , in : Deutsch e Verwakungsgeschichte , hg . vo n Kur t G. A. JESERICH / Han s POH L / Geor g Christop h VO N UNRUH , Bd . 1 , Stuttgar t 1983 , S. 66-142, hie r S. 10 6 ff .

    12 Vgl . allgemein Ingebor g STOLZENBERG, Urkundenparteien un d Urkundensprache . Ei n Beitra g zur Fra -ge de s Aufkommen s de r deutschsprachige n Urkunde n a m Oberrhein , in : Archi v fur Diplomatik 7 (1961) S . 214-289; 8 (1962 ) S . 147-26 9 mi t de m Hinweis , da ß de r Ade l be i de r Einfuhrun g de r volkssprachigen Urkund e eine wichtige Rolle spielte. (S . 247 f.) Speziel l fur die im Adelsleben besonder s wichtigen Lehnsurkunde n Karl-Hein z SPIESS , Lehnsrecht, Lehnspoliti k un d Lehnsverwakun g de r Pfalz -grafen be i Rhei n i m Spätmittelalter , Wiesbade n 197 8 (Geschichtlich e Landeskund e 18 ) S . 33 f .

    13 Vgl . WILLOWEI T (wi e Anm . 11 ) S . 11 1 f . 14 Vgl . Vita Carol i Quarti . Di e Autobiographie Karl s IV. Einführung, Übersetzun g un d Kommenta t vo n

    Eugen HILLENBRAND , Stuttgar t 1979 , S . 82 f . 15 Loren z WEINRICH , Quelle n zu r Verfassungsgeschichte de s römisch-deutschen Reiche s im Spätmittelalte r

    (1250-1500), Darmstad t 198 3 (Freiher r vo m Stein-Gedächtnisausgab e 33 ) Nr . 94 b , S . 393 f. Vgl . hierzu Laetitia BOEHM, Konservativismu s un d Modernitä t i n de r Regentenerziehun g a n deutsche n Höfen i m 15 . und 16 . Jahrhundert, in : Humanismus i m Bildungswese n de s 15 . und 16 . Jahrhunderts, hg. vo n Wolfgan g REINHARD , Weinhei m 198 4 (Mitteilun g XII der Kommissio n fü r Humanismusfor -schung) S . 61-93, hie r S . 61 ff .

    16 Deutsch e Reichstagsakten , Älter e Reihe , Bd . 1 , Münche n 1867 , Nr . 149 , S . 263. Hierz u un d z u de n Nachfolgern Ruprecht s I. vgl. BACKE S (wie Anm. 1 ) S . 80 ff .

    17 Vgl . Herbert GRUNDMANN , Litteratus-illitteratus . De r Wandel eine r Bildungsnor m vo m Altertum zu m Mittelalter, in : ders. , Ausgewählt e Aufsätze , Tei l 3 , Stuttgar t 1978 , S . 1-66 , hie r S . 65 mi t de r Inter -pretation de r Aussag e Ruprecht s L , wonac h diese r »wede r lese n noc h schreibe n noc h Latei n konnte« . Vgl. auch BUMKE , Höfisch e Kultu r (wi e Anm. 6) Bd . 2, S . 607 ff .

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    Im 15 . Jahrhunder t mehre n sic h be i de n Söhne n de s Hochadel s di e Hinweis e au f einen Schulbesuch , seltene r au f ei n Studium. 19 Ma n mu ß be i de r Auswertun g diese r Zeugnisse allerding s au f di e de n Jugendliche n zugedacht e Roll e i n de r Familienord -nung achten . S o sin d e s meis t di e Zweit - ode r Drittgeborenen , di e i m Hinblic k au f eine geistliche Karrier e zuers t ein e Schule un d dan n di e Universitä t besuchten , d a de r Bezug eine r Pfründ e i n eine m Domkapite l i n de r Rege l eine n zweijährige n Universi -tätsbesuch voraussetzte. 20 Fü r di e Erstgeborenen , di e al s Nachfolge r i n de r Regent -schaft ausersehe n waren , erachtet e ma n jedoc h ein e Hauslehrererziehun g ode r Schul -ausbildung al s ausreichend , wobe i au f Latei n un d dami t eine n direkte n Zugan g zu r gelehrten Bildun g i n de r Rege l verzichte t wurde .

    Typisch dürft e di e Ausbildun g de r gräfliche n Brüde r Johan n un d Philip p vo n Solms-Lich gewese n sein . De r 146 5 al s erster geborene Johann besuch t mi t 9 und 1 0 Jahren i n Begleitun g eine s Hofmeister s di e Domschul e z u Mainz , wurd e aber bereit s mit 1 2 Jahren zusamme n mi t eine m Zuchtmeister , eine m Marschall , eine m Knech t und eine m Page n a n de n Ho f de s Triere r Erzbischof s geschickt , u m dor t höfisch e Umgangsformen z u lernen. Sein jüngerer Bruder Philipp ging ebenfalls mi t 9 Jahren i n Mainz zur Schule , immatrikulierte sic h mit 1 1 Jahren i n Heidelberg , mi t 1 2 in Erfurt , wo e r mi t 1 4 Jahre n zu m Ehrenrekto r gewähl t wurde . De r Universitätsbesuc h i n diesem Alter dient e jedoch nich t de m eigentliche n Studium , sonder n sollt e durch di e Vermittlung vo n Lateinkenntnisse n au f diese s vorbereiten. Mi t 1 5 Jahren tra t Philip p jedoch di e Nachfolge seine s plötzlich verstorbene n Bruder s an , d . h. de r genealogisch e Zufall hatt e für eine n Regenten gesorgt , dessen Gesichtskreis sich wohl schon nach de r kurzen Zei t a n de r Universitä t deutlic h vo n de m seine s Bruder s abhob. 21

    Es ka m übrigen s relati v häufi g vor , da ß de r besse r ausgebildet e Zweit - ode r Dritt -geborene wege n eine s Todesfall s dan n doc h noc h zu r Regierun g gelangt e un d dan n seine auf der Schul e ode r de r Universitä t geweckte n literarische n Interesse n weiterver -folgte.22 S o is t de r vo n de r Germanisti k wege n seine s Mäzenatentum s gegenübe r Ul -

    18 Di e Chronik der Grafen vo n der Mark von Levol d von Northof , hg . von Frit z ZSCHAECK , Berli n 21955 (MGH. SS, NS VI) S. 98: Quampropter consulo, quod comités de Marka, qui fuerintpro tempore, suosfilios ponant ad discendum litteras. Nam magnus est defectus in principe vel magnate nescire litteras. Auc h hie r stellt sic h da s Proble m eine r angemessene n Übersetzung , Vgl . Levol d vo n Northof . Di e Chroni k de r Grafen vo n de r Mark , übersetz t vo n Herman n FLEBBE , Münster , Köl n 195 5 (Di e Geschichtsschreibe r der deutsche n Vorzei t 99 ) S . 157 : »Deshalb geb e ich de n Rat , da ß di e künftigen Grafe n vo n de r Mar k ihre Söhn e studiere n lassen . Den n e s is t ei n arge r Mange l be i eine m Fürste n ode r Edelherrn , wen n e r nicht lese n kann. « D a Levol d i n de n nächste n Zeile n nu r vo n geeignete n Hauslehrer n spricht , dürft e litteras discere nicht mi t »studieren « übersetz t werden .

    19 Vgl . Raine r Christop h SCHWINGES , Deutsch e Universitätsbesuche r i m 14 . un d 15 . Jahrhundert , Stutt -gart 198 6 (Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte de s Alten Reiches 6) S. 375 ff. un d Karl-Hein z SPIESS, Famili e un d Verwandtschaf t im deutsche n Hochade l de s Spätmittelalter s (13 . bi s Anfang de s 16. Jahrhunderts ) Stuttgar t 199 3 (Vierteljahrschrif t fü r Sozial - un d Wirtschaftsgeschichte , Beihef t 111 ) S. 462 ff .

    20 Vgl . Gerhard FOUQUET , Da s Speyerer Domkapite l i m späte n Mittelalte r (ca . 1350-1540) , Mainz 198 7 (Quellen un d Abhandlungen zu r mittelrheinischen Kirchengeschicht e 57 ) S . 46, 164 ff.; Michae l HOLL -MANN, Da s Mainze r Domkapite l im späte n Mittelalte r (1306-1476) , Main z 199 0 (Quelle n un d Ab -handlungen zu r mittelrheinische n Kirchengeschicht e 64 ) S . 1 9 ff.; SCHWINGE S (wi e Anm. 19 ) S . 390.

    21 Vgl . SPIES S (wi e Anm . 19 ) S . 46 3 f . 22 Z u diese m >Rollenwechsel < vgl . Aloy s SCHULTE , De r Ade l un d di e deutsch e Kirch e i m Mittelalter ,

    Stuttgart 1922 , S . 265 ff; SPIES S (wie Anm. 19 ) S . 286 f. ; Joachi m BUMKE , Mäzen e im Mittelalter . Di e

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    rieh Fuetre r gerühmt e Herzo g Albrech t IV. von Bayer n ebens o wi e de r u m di e Bil -dung a m Heidelberge r Ho f bemüht e Kurfürs t Friedric h I. von de r Pfal z ursprünglic h gar nich t zu m Regente n bestimm t gewesen. 23

    Für di e zur Nachfolge ausersehene n Söhn e erachtete man de n Besuc h fremder Höf e und ein e militärisch-ritterliche Ausbildung auch noch im 15 . Jahrhundert wichtiger als eine tiefergehend e Bildung , wi e di e beide n folgende n Beispiel e belege n sollen . Wild -und Rheingra f Johann V. hat i n knappe n autobiographische n Notize n seine n Ausbil -dungsgang festgehalten : Da ich Johann in meines vatters seligen hauß gewesen und uff-erzogen war dreitzehen jähr, sasse ich uff zu reyten in dem viertzehenden jähr meines alters, nemmlich in dem jähr nach Christi geburt tausendt vierhundert undfunfizig, und schickte mich mein vatter seliger in Welschlandt zu dem bischoffen von Verdun. Von demselbigen käme ich zu Herr Johannen von Vinstingen, der war ein marschalk ... von Burgundien etc., der war einer von Welschen Newer Burgck, bey demselbigen war ich drey jähr und er thet mir meinen hämisch an.24 Mi t 1 6 Jahren erhiel t Johann demnac h seinen Harnisch , d. h. e r hatt e sein e höfisch-militärisch e Ausbildungsphas e abgeschlosse n un d kämpft e von nu n a n akti v i m Schlachtfel d mit .

    Graf Eberhar d vo n Württemberg , de r 144 5 geboren e Soh n de r wege n ihre r litera -rischen Interesse n gerühmte n Erzherzogi n Mechthil d vo n Österreich , verlo r i m Alte r von fünf Jahren de n Vater . Sein Lehrer berichtet , e r habe seinem aufgeweckten Schüle r auch Latei n beibringe n wollen , doc h hätte n ih m di e Vormünder diese s Vorhaben mi t dem Hinwei s untersagt , e s genüge , wen n Eberhar d i n de r Volkssprach e lese n un d schreiben lerne. 25 Die Ausbildung kann insgesamt auch nicht lange gedauert haben, d a Eberhard 145 9 mi t 1 4 Jahren zu r Regierun g gelangte . Da s Fehle n gelehrte r Bildun g war ih m offensichtlic h schmerzlic h bewußt , zumal e r sic h mi t seine r au s Oberitalie n stammenden Fra u wede r au f Latei n noc h Italienisc h unterhalte n konnte. 26 Noc h i m

    Gönner un d Auftraggebe r de r höfischen Literatu r i n Deutschlan d 1150-1300 , Münche n 1979 , S. 55 f . und unte n S . 97.

    23 Z u Albrech t IV., der al s fur den geistliche n Stan d bestimmte r dritte r Soh n i n Italie n studierte , vgl . Gerhard ScHWERTL , Art. Albrecht IV. der Weise, in: Lexikon des Mittelalters 1 (1980) Sp . 315 f.; Hors t WENZEL, >All s in ai n sum m z u pringen< . Fuetrer s >Bayerisch e Chronik < un d sei n >Buc h de r Abenteue r am Ho f Albrechts IV., in: Mittelalter-Rezeption , hg . von Pete r WAPNEWSKI , Stuttgar t 1986 , S . 10-31 , hier S . 1 2 un d neuerding s Bern d BASTERT , De r Münchne r Ho f un d Fuetrer s >Buc h de r Abenteuer n Literarische Kontinuität i m Spätmittelalter , Frankfur t a.M./Ber n u.a . 199 3 (Mikrokosmos 33) . Zu Kur -fürst Friedric h I., der als nachgeborener Brude r die Vormundschaft übe r seinen Neffen ausnutzte , um an die Regierun g z u gelangen , vgl . Karl-Hein z SPIESS , Erbteilung , dynastisch e Räso n un d transpersonal e Herrschaftsvorstellung, Di e Pfalzgrafe n be i Rhei n un d di e Pfal z im späte n Mittelalter , in : Di e Pfalz . Probleme eine r Begriffsgeschicht e vo m Kaiserpalas t au f dem Palatin bis zum heutige n Regierungsbezirk , hg. vo n Fran z STAAB , Speye r 1990 , S . 159-181 , hie r S . 17 7 f .

    24 Hans-Walte r HERRMANN , Autobiographisch e Aufzeichnunge n de s Wild - un d Rheingrafe n Johan n V., in: Deu s qui mutâ t tempora. Mensche n un d Institutione n i m Wande l de s Mittelalters . Festschrif t fü r Alfons Becker , hg . vo n Ernst-Diete r HEH L / Hubertu s SEIBER T / Fran z STAAB , Sigmaringe n 1987 , S. 335-353, hier S . 348.

    25 Vgl . GRUNDMANN , Litteratu s (wi e Anm . 17 ) S . 65 f . Herzo g Ludwi g IX. von Bayern-Landshu t (geb. 1417 ) mußte auf Weisung seines Vaters ebenfalls au f eine gelehrte Bildung verzichten. Vgl. BACKE S (wie Anm. 1 ) S . 84, Anm. 109 .

    26 Vgl . Württemberg im Spätmittelalter . Ausstellun g de s Hauptstaatsarchiv s Stuttgar t un d de r Württem -bergischen Landesbibliothek . Katalog , bearb . vo n Joachi m FISCHE R / Pete r AMELUN G / Wolfgan g IRTENKAUF, Stuttgar t 1985 , S . 1 4 ff .

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    Alter vo n 2 9 Jahre n kauft e e r sic h ein e lateinisch e Schulgrammatik , doc h zeig t si e keinerlei Benutzungsspuren. 27

    Am Ende des 15 . Jahrhundert s scheine n jedoch humanistisch e Bildungsanforderun -gen s o wei t vorgedrunge n z u sein , da ß Lateinkenntniss e fur einen fürstliche n ode r gräflichen Regente n übliche r wurden. 28 Was gerade fur den Hochade l festgestell t wur -de, dürft e mi t eine r gewisse n Phasenverschiebun g auc h fü r de n Ritterade l zutreffen . Während Bildun g fü r di e Landesherren i n erste r Lini e nu r ein e Prestigeangelegenhei t war, d a si e jederzei t au f di e Sachkompeten z ihre s Rate s zurückgreife n konnten , be -deutete si e fü r de n Ritterade l ei n wichtige s Mittel , u m sic h fur den Diens t al s Amt-mann ode r a m Fürstenho f z u qualifiziere n un d nebe n de n bürgerliche n gelehrte n Räten z u behaupten. 29 Auc h be i diese r Adelsgrupp e weis t als o di e Bildungskurv e i m Spätmittelalter ständi g nac h oben . Thoma s Cramer zeichnet allerding s i n seine r >Ge-schichte de r deutsche n Literatu r i m Spätmittelalte n fur das 15 . Jahrhunder t ei n völli g anderes Bild: »Die Kulturinteressen de s niederen Adels verlagern sich vollends weg von der Literatu r au f Selbstdarstellungsforme n vo n höhere m Demonstrationswert : Tur -niergesellschaften bedeute n de m Kleinade l meh r al s di e schöne n Künste . Welc h ge -ringe Roll e da s Buc h i m Lebe n de s Kleinadel s noc h spielt , zeige n beispielhaf t di e Inventarlisten vo n 5 8 fränkischen Adelssitzen , i n dene n nac h de n Bauernkriege n Ent -schädigungsansprüche angemelde t werden: nur i n sechs Fällen werden überhaup t eini -ge wenige Büche r erwähnt , religiöse s Schrifttum, Sachtext e un d selte n ei n vereinzelte s Werk de r deutsche n weltliche n Literatur.« 30 Dies e Darstellun g reiz t z u doppelte m Widerspruch, den n zu m eine n wird hie r unterstellt , da ß i m Hochmittelalte r fas t jede r Ritter mehrer e Bänd e mi t Minnedichtun g au f seine r Bur g hatt e un d sic h wei t meh r fur Literatur al s fur Turniere interessierte , wofü r e s überhaup t keine n Bele g i n de n Quellen gibt; 31 zu m andere n ha t Cramer nicht beachtet , da ß Rudol f Endre s i n seine r

    27 Ibid . S . 12 9 ff. Graf Eberhar d lie ß sic h zahlreich e lateinisch e Werk e übersetze n un d diskutiert e dere n Inhalt mi t seine r gelehrte n Umgebung . Vgl . hierzu Klau s GRAF , Geschichtsschreibun g un d Landesdis -kurs i m Umkrei s Gra f Eberhard s i m Bar t vo n Württember g (1459-1496) , in : Blätte r fü r deutsch e Landesgeschichte 12 9 (1993 ) S . 165-193 un d Diete r MERTENS , Eberhar d i m Bar t un d de r Humanis -mus, in : Eberhat d un d Mechthild . Untersuchunge n z u Politi k un d Kultu r i m ausgehende n Mittelalter , hg. vo n Hans-Marti n MAURER , Stuttgar t 199 4 (Lebendig e Vergangenhei t 17 ) S . 35-81 .

    28 Vgl . BOEH M (wi e Anm. 15 ) S . 78 ff. un d BACKE S (wi e Anm. 1 ) S . 82 ff. Der allmählich e Anstie g de r Bildungsanforderungen läß t sic h be i Georg SCHUSTE R und Friedric h WAGNER , Di e Jugend un d Erzie -hung de t Kurfürste n vo n Brandenbur g un d König e vo n Preußen , Bd . 1 , Berli n 190 6 (Monument a Germaniae Paedagogic a 34) erkennen . Di e Lateinkenntniss e reichte n woh l kau m fur das Verständni s schwieriger Text e aus . Markgra f Albrech t Achille s vo n Brandenbur g schrie b 147 4 a n Kaise r Friedrich III., der ih m eine n lateinische n Vertragsentwur f zugestell t hatte : ist durch mein geschickten mir zubracht und wais es gerad als wol als vor. dann es ist latein und bit eure gnad, ir wollet den brive, den ich geben solpost stilum cancellarie in deutsch machen lassen, das ich den verstee, dann ir wißt wol, das ich nicht ein guter latennist bin. so bin ich ainiger hieher vor dem sterben geflohen und hab nymants gelerts bei mir. Politische Cotresponden z de s Kurfürste n Albrech t Achilles , hg . von Feli x PRIEBATSCH , 3 Bde, Leipzi g 1894-1898, hie r Bd . 1 , Nr . 983 , S. 750.

    29 Vgl . SCHWINGE S (wi e Anm . 19 ) S . 38 2 ff. ; BOEH M (wi e Anm . 15 ) S . 6 6 ff . un d Raine r A . MÜLLER , Universität un d Adel . Ein e soziostrukturell e Studi e zu r Geschicht e de r bayerische n Lande s Universität Ingolstadt 1472-1648 , Berli n 197 4 (Ludovic o Maximiliane a 7 ) S . 44 ff. ; SCHMID T (wi e Anm . 5 ) S. 265 f . un d Jan-Dir k MÜLLER , Gedechtnus . Literatu r un d Hofgesellschaf t u m Maximilia n L , Mün -chen 198 2 (Forschunge n zu r Geschicht e de r ältere n deutsche n Literatu r 2) S . 37 ff

    30 CRAMER (wie Anm . 7 ) S . 58 . 31 Vgl . BUMKE, Höfisch e Kultu r (wi e Anm. 6) Teil 2, S. 601 ff un d Sabine KRÜGER , Da s Rittertum i n den

  • Zum Gebrauc h vo n Literatu r i m spätmittelalterliche n Ade l 91

    Darstellung de s Bildungsniveau s fränkische r Adeliger , au s de r di e Passag e betreffen d die Burgeninventare stammt , ausdrücklich »di e humanistisch gebildete n Mitgliede r de r adligen Familie n i m Fürstendiens t ode r be i de r Kirche « un d dere n Bibliotheke n un -berücksichtigt gelasse n hat. 32

    Knapp resümieren d wir d ma n sage n dürfen , da ß i m 15 . Jahrhunder t di e Fähigkeit , in de r Volkssprach e z u lese n un d z u schreiben , dan k de s Schulbesuch s i m Ade l all -gemein verbreite t war . Di e wichtigst e Voraussetzun g fur den Gebrauc h vo n Bücher n war demnach vorhanden . Wende n wi r uns nu n de r Frag e zu , welche Büche r i m Spät -mittelalter vo n de n Adelige n angeschaff t wurden . Ein e Antwor t fäll t ga r nich t leicht , da au s de r Zei t vo r 150 0 nu r wenig e Bücherverzeichniss e vo n Adelige n vorliegen. 33 Nicht selte n ha t di e älter e Forschun g deshal b au s de n erhaltene n Buchbestände n Rückschlüsse au f de n Erwerbe r gezogen , ohn e allerding s eingehender e Recherche n durchzufuhren.

    Diese Vorgehensweis e sei a n de m imme r noc h häufi g zitierte n Wer k vo n Han s Wegener übe r di e deutsche n Bilderhandschrifte n de s späte n Mittelalter s i n de r Hei -delberger Universitätsbibliothe k demonstriert . E r geh t einfac h davo n aus , daß di e von ihm beschriebene n Handschrifte n de s 15 . Jahrhunderts zumeis t au s de r Privatbiblio -thek de r pfälzische n Kurfürste n stamme n un d da ß si e i n de r Zei t ihre r Entstehun g sofort gekauf t wurden . Auf diese Weise unternimmt de r Autor de n Versuch, sogar den Anteil einzelne r Mitgliede r de r kurfürstliche n Famili e a n de r Sammlun g herauszufin -den.34 D a sic h de r pfälzisch e Bücherbestan d nich t nu r durc h Käufe , sonder n auc h durch Erbgäng e erweiterte , ei n Bücherinventa r fü r da s 15 . Jahrhunder t fehl t un d

    Schriften Konrad s von Megenberg , in : Herrschaf t un d Stand . Untersuchunge n zu r Sozialgeschicht e im 13. Jahrhundert , hg . vo n Jose f FLECKENSTEIN , Göttinge n 197 7 (Veröffentlichunge n de s Max-Planck -Instituts fur Geschichte 51 ) S . 302-328, hie r S . 306 ff.

    32 Vgl . Rudol f ENDRES , Adelig e Lebensforme n i n Franke n im Spätmittelalter , in : Adelige Sachkultu r de s Spätmittelalters, Wie n 198 2 (Veröffentlichunge n de s Institut s fur mittelalterliche Realienkund e Öster -reichs 5 ) S. 73-104, hie r S . 100 . Zu de n Bücherverluste n au f den fränkische n Adelsburge n vgl . ausfuhr -lich Kar l ScHOTTENLOHER , Schicksal e vo n Bücher n un d Bibliotheke n i m Bauernkrieg , in : Zeitschrif t für Bücherfreund e 1 2 (1908/09 ) S . 396-408, hie r S . 404 ff .

    33 Mittelalterlich e Bibliothekskatalog e Deutschland s un d de r Schweiz , hg . vo n de r Bayerische n Akademi e der Wissenschaften i n München, Bd . 1 : Die Bistümer Konstan z und Chur , München 1918 , S. 176-17 9 (Landgraf Johan n vo n Lupfen-Stühlingen , 1467) , S . 281-283 (Herzogi n Mechthil d vo n Österreic h 462); Bd . 3: Bistu m Augsburg , Eichstätt , Bamberg , Münche n 1932-1962 , S . 157-161 (Grafe n vo n Öttingen, 15 . Jh.) ; Bd. 4: Bistümer Passa u und Regensburg , Freising , Würzburg, München 1977-1979 , S. 15-16 (Grafe n vo n Ortenburg , Mitt e 15 . Jahrhundert), S . 459-62 (Herzo g Albrecht IV. von Bayern , 1476), S . 494-495 (Ritte r Erhard Raine r von Schambach , 1376) , S. 705-714 (Herzogi n Mechthil d vo n Österreich, 1462 , vgl . Bd . 1 , S . 281-283). Weiterhi n Regeste n de r Grafe n vo n Katzenelnboge n 1060-1486, 4 Bde, bearb . vo n Kar l E . DEMANDT , Wiesbade n 1953-5 7 (Veröffentlichunge n de r Hi -storischen Kommissio n fur Nassau 11 ) Nr . 154 6 (Gra f Wilhel m I L vo n Katzenelnbogen , 1375) , Nr. 4159 (Gra f Philip p vo n Katzenelnbogen , 1444) .

    34 Vgl . Hans WEGENER , Beschreibende s Verzeichni s de r deutsche n Bilderhandschrifte n de s späten Mittel -alters in der Heidelberger Universitäts-Bibliothek , Leipzi g 1927 , S. VI-VII, 111 f. De r Autor beruf t sic h dabei au f Konra d BURDACH , Di e pfälzische n Witteisbache r un d di e altdeutsche n Handschrifte n de r Palatina, in : Centralblatt fur Bibliothekswesen 5 (1888) S . 111-133 , der aber sehr vorsichtig mi t seine n Zuweisungen ist , während WEGENER seine Hypothesen i n einer plakativen Besitzerübersich t präsentiert . Für neu e Erkenntniss e z u de n kurpfälzische n Bibliotheke n vgl . Bibliothec a Palatina . Katalo g zu r Aus-stellung vo m 8 . Jul i bi s 2 . Novembe r 198 6 Heiliggeistkirch e Heidelberg , Textband , hg . vo n Elma r MITTLER, Heidelber g 198 6 un d BACKE S (wi e Anm . 1 ) S . 9 2 ff .

  • 92 Karl-Heinz Spie ß

    gerade i m 16 . Jahrhundert mi t große r Begeisterun g Handschrifte n au s ältere r Zei t erworben wurden , is t di e von Wegene r i m Anhan g vorgenommen e Besitzzuweisun g der Handschrifte n i n höchstem Maß e hypothetisch. 35

    Vor einigen Jahren ha t Alan Deighto n anhan d de r Bibliothek der Grafen vo n Man-derscheid-Blankenheim vorgeführt , wi e ein e methodisc h sauber e Kauf - ode r Be -sitzzuschreibung übertrieben e Vorstellunge n vo m Umfan g eine r Adelsbibliothe k re -duzieren kann. 36 Wa r vorhe r vermute t worden , di e Bibliothe k wär e bereit s i m 14 . Jahrhundert entstanden , di e 1323 angelegte >Tristan

  • Zum Gebrauc h vo n Literatu r i m spätmittelalterliche n Ade l 93

    Legendenbuch un d weitere n geistliche n Schrifte n i n geringe r Zahl . Hinz u trate n Arz -nei- un d Kräuterbücher , ei n Werk übe r Pferde , di e Jagd ode r Waffen un d i n seltene n Fällen noc h ei n ode r zwe i unterhaltend e Bücher . I n einige n Geschlechter n konzen -trierten sic h di e praxisorientierten un d standesspezifische n Literaturinteresse n soga r i n einem einzige n Buch , da s als Familienbuch übe r Generatione n fortgeführ t wurd e un d eigenhändige Notize n übe r Pilgerfahrten , Jagd , Heraldik , Turniere , Krieg e un d Fa -milienereignisse enthielt. 41

    Im Vergleich z u den ritteradelige n Handbibliotheke n weise n di e gräflichen Bücher -bestände quantitativ e un d qualitativ e Unterschied e auf . Sieh t ma n einma l vo n de n bereits 137 5 erwähnte n deutsche n Bücher n de s Grafen Wilhel m vo n Katzenelnboge n ab, z u denen de r »Jünger e Titurel« , ein e Bibel , ei n »Passional « un d de r »Trojaroman « gehörten, s o fallen di e frühesten Nachrichte n i n das 15 . Jahrhundert.42 Aus dieser Zei t sind au s de n Bibliotheke n de r Grafe n vo n Nassau-Bred a un d de r Grafe n vo n Man -derscheid-Blankenheim run d 3 0 Handschrifte n erhalten , s o da ß de r ursprünglich e Bestand erheblic h größe r gewese n sei n dürfte. 43 Dasselb e gil t fü r di e Bibliothe k de r Grafen vo n Katzenelnbogen , den n 144 4 befande n sic h i n eine r de r beide n Residenz -burgen insgesam t 3 1 Handschriften i n zwei Kisten. 44 Es spricht also einiges dafür , da ß ein au s de r zweite n Hälft e de s 15 . Jahrhundert s stammende s Bücherverzeichni s de r Grafen vo n Öttinge n mi t run d 7 5 Bände n fü r dies e Adelsgruppe repräsentati v ist. 45

    Die nebe n geistliche r un d weltliche r Erbauungs - un d Unterhaltungsliteratu r ange -führte juristisch e Gebrauchsliteratu r de r Grafe n vo n Öttingen , wi e z.B . da s Kaiser -recht, de r »Sachsenspiegel« , di e Goldene Bull e oder ei n Landrechtsbuch , weis t au f die Verwendung dieser Bücher fü r di e alltägliche Regierungspraxis hin . Der vielgebraucht e Terminus >Privatbibliothek < suggerier t eine alleinige Benutzun g durc h de n Regenten, 46 doch wa r de r Ho f j a imme r zugleic h auc h Verwaltungszentru m un d mußt e deshal b den Amtleute n un d Räte n einschlägig e Literatu r zu r Verfügun g stellen . Ma n sollt e deshalb künftig besse r von Hof - ode r Residenzbibliothek sprechen . I n de m Zugan g zu der Bibliothe k ihre r jeweiligen Herre n lieg t möglicherweis e auc h di e Erklärun g dafür , warum sic h di e meiste n Ritteradelige n mi t eine r kleine n Handbibliothe k begnügten .

    Die fürstliche n Bibliotheke n übertrafe n di e de r übrige n Adelsgruppen , d a si e al s Ausdruck de s fürstliche n Prestigeanspruch s galten , wi e de r Pfälze r Kurfürs t Otthein -

    41 Ers t i m Verlau f de s 16 . Jahrhunderts beganne n humanistisc h ode r theologisc h interessiert e Angehörig e des Ritteradels, größere Bibliotheken anzulegen . Vgl. PLETICH A (wi e Anm. 40) S . 24 ff.; Karl Ferdinan d BESSELMANN, Di e Mindelburger Bibliothe k de r Famili e von Frundsberg . Untersuchunge n zu m Bestan d und zu r Funktio n eine r schwäbischen Adelsbibliothek de s 16 . Jahrhunderts, in : Bibliothek un d Wissen -schaft 2 4 (1990 ) S . 157-226 ; Volke r HONEMAN N / Helgar d ULMSCHNEIDER : Da s Verzeichni s de r Bücher des Hans Pleickar d von Berlichinge n (fl594) , in : Archiv fur die Geschichte de s Buchwesens 2 0 (1979) Sp . 834-894.

    42 Sieh e Anm. 33. 43 Sieh e Anm. 36 un d 37 . 44 DEMAND T (wi e Anm . 33 ) Nr . 4159 . 45 Mittelalterlich e Bibliothekskatalog e (wi e Anm . 33) Bd . 3, S . 157-161 . Vgl . auc h MERTEN S (wi e

    Anm. 28) S . 76 ff, de r di e Bibliothe k Gra f Eberhard s vo n Württember g rekonstruiert . Heut e könne n der Bibliothek noch 2 9 Bänd e zugewiesen werden, daneben sin d 34 Eberhard dediziert e Werke bekannt , die sic h möglicherweis e auc h i n seine m Besit z befanden .

    46 Ger t A. ZISCHKA, Klein e Geschicht e de r Privatbibliothek , Münche n 1968 ; Ladislaus BUZAS , Deutsch e Bibliotheksgeschichte de s Mittelalters , Wiesbaden 1975 , S . 12 1 ff

  • 94 Karl-Heinz Spie ß

    rieh in seinem 155 8 entstandenen Testamen t treffen d formulierte . E r is t der Meinung , daß e s ein recht fürstlich werck ist, ein stattliche ansehnliche Bibliothek ...zu haben und auf die nachkommen zu erhalten, wie dan viel löbliche verständige könige undfiirsten nach außweißung der historien sich deßen vor diser zeit beflißen . . .47 Da ß auc h sein e Vor -gänger i m 15 . Jahrhundert s o dachten, zeig t sich an de r übe r 15 0 Bänd e umfassende n Bücherschenkung vo n Kurfürs t Ludwi g III. zugunsten de r Heidelberge r Universität , die nac h seine m To d 143 8 a n da s Heidelberge r Heiliggeist-Stif t gelangte, 48 un d a n dem Vermächtnis des Kurfürsten Friedric h L, der seinen natürlichen Söhne n 11 8 Bän-de zukommen ließ , wobei die eigentliche Residenzbibliothe k ja noch weiter bestand. 49 Vor diese m Hintergrun d nimm t sic h di e gemä ß de m Ehrenbrie f Püterich s vo n Rei -chertshausen mi t mindesten s 9 4 Bände n ausgestattet e Bibliothe k Mechthild s vo n Österreich durchau s angemessen aus , handelt e s sich doch nich t u m di e Büchersamm -lung eine r Hauptresidenz , sonder n eine s Witwensitzes. 50 Leide r fehle n zuverlässig e Angaben au s dem 15 . Jahrhunder t übe r di e Bibliotheken andere r Fürsten, 51 doc h dar f man nich t unbesehe n di e Bibliotheksverhältniss e de r Pfälze r Kurfürste n au f ander e Höfe übertragen , sonder n mu ß nebe n persönliche n Vorliebe n auc h da s Ranggefäll e innerhalb de s Fürstenstande s einkalkulieren .

    Kommen wi r nu n z u de r fü r unse r Them a einschlägige n Frage , welchen Gebrauc h die Adeligen von ihren Bücher n machten , wobei der Hochade l im Vordergrund stehe n soll. De r i n de r Literatu r häufi g angestellt e Rückschlu ß vo m bloße n Besit z eine s Bu -ches au f da s literarisch e Interess e de s Eigentümers 52 is t rein e Spekulatio n un d läß t außer acht , da ß Adelsbibliotheken grundsätzlic h i n de r Hand de s Regenten verbliebe n und von diesem auf den Nachfolger weite r vererbt wurden. Di e Bücher zählten wie die Urkunden un d di e sogenannte n Hauskleinodie n z u de r Besitzmasse , di e nich t de r Herrschaft entfremdet , sonder n höchsten s a n Familienangehörig e verliehe n werde n durfte, abe r imme r wiede r a n di e Stammlini e zurückfalle n mußte. 53

    47 Bibliothec a Palatin a (wi e Anm. 34) S . 3. Weitere bibliotheksgeschichtlic h wichtig e Verfugungen i n de m Testament werden ibid . S . 12 zitiert. I m Hochmittelalte r nah m da s Mäzenatentum di e Rolle der Biblio -thek ein . Vgl . BUMKE (wie Anm. 22) S . 65 ff.

    48 Bibliothec a Palatin a (wi e Anm . 34) S . 6 ff. Di e Büche r ware n zu m Tei l geziel t fur diese Schenkun g erworben worden . Vgl . Colette JEUDY, Manuscrits acheté s a Paris en 1420 par Loui s III, comte palati n du Rhin , in: Bibliothe k un d Wissenschaf t 1 6 (1982 ) S. 31-40.

    49 BERG/BODEMAN N (wi e Anm. 35) S. 1 ff, 10 f. 50 Z u Mechthild von Österreich , de r Schweste r Kurfürs t Friedrich s I., vgl. Bernhard THEIL , Literatu r un d

    Literaten a m Ho f de r Erzherzogi n Mechthil d i n Rottenburg , in : Zeitschrif t fü r Württembergisch e Landesgeschichte 4 2 (1983 ) S . 125-144 ; STROHSCHNEIDE R (wi e Anm . 1 ) S . 26 ff.; Renate KRUSKA , Mechthild vo n de r Pfalz . I m Spannungsfel d vo n Geschicht e un d Literatur , Frankfur t a . M./Bern u. a. 1989 (Europäisch e Hochschulschrifte n Reih e I» 1111).

    51 Ein e Vorstellun g vo n de r Bibliothe k Herzo g Albrecht s IV. von Bayer n vermittel t di e 147 6 erfolgt e Schenkung vo n 4 3 hebräische n Handschrifte n a n da s Dominikanerkloste r St . Blasius i n Regensburg . Mittelalterliche Bibliothekskatalog e (wi e Anm. 33) Bd . 4, S . 459-462.

    52 S o gib t e s fur die Autoren, di e sich mi t de m Ehrenbrie f Jacob Püterich s vo n Reichertshause n un d de n darin erwähnte n Bücher n de r Herzogi n Mechthil d beschäftige n (vgl . Anm. 50) , kaum Zweifel , da ß di e erwähnte Literatu r de n Geschmac k de r Fürsti n widerspiegelt , doc h könne n di e Büche r genaus o durc h ihren Eheman n ode r au f andere n Wege n i n di e Bibliothe k gelang t sein .

    53 Vgl . SPIES S (wi e Anm. 19 ) S . 15 5 ff. und pointier t Rol f SPRANDEL , Gesellschaf t un d Literatu r im Mit -telalter, Paderborn , München , Wien , Züric h 1982 , S. 120: »Eine Unterscheidung zwischen de m Schat z mit de n Kleinodie n un d de r Büchere i gab e s nicht. «

  • Zum Gebrauc h vo n Literatu r im spätmittelalterliche n Ade l 95

    Aufschlußreich i n diese r Hinsich t is t di e bereits kur z erwähnt e Verfugung de s Gra -fen Wilhelm von Katzenelnbogen übe r seine deutschen Büche r aus dem Jahr 1375 . Da er mi t seine r Fra u kein e Kinde r hatt e un d deshal b vo n seine m Brude r beerb t wurde , gestand e r ih r i m Fall e seines vorzeitigen Tode s größere Freiheite n z u als sonst üblich . Sie durfte deshal b di e deutschen Büche r de s Grafen , nämlic h de n »Titurel« , die groß e Bibel, das »Passional« und den »Trojaroman«, die ihr offenbar seh r ans Herz gewachsen waren, ausnahmsweis e au f ihre n Witwensit z mitnehmen , doc h ware n si e nach ihre m Tod wiede r a n de n rechtmäßige n Erbe n zurückzugeben. 54

    Da i m adelige n Erb - un d Ehegüterrech t da s Erb - un d Nutzungsrech t a m gemein -samen Hausrat , z u de m nebe n de m Silbergeschir r auc h di e Büche r zählten , gena u geregelt war , fehle n gewöhnlic h Hinweis e au f die Büche r i n de n Testamenten . S o ha t sich di e germanistisch e Forschun g imme r wiede r gewundert , waru m di e Herzogi n Mechthild ihr e i m Ehrenbrie f Püterich s erwähnte n 9 4 Büche r nich t i n ihre m anson -sten s o ausfuhrlichen Testamen t nennt. 55 Si e sind vielleicht i n de n Kleinodien , Silber -geschirren un d dem Hausra t inbegriffen , di e an ihren Sohn Eberhard gehen , wobei das ausgenommen ist , was laut ihre m Ehevertra g be i kinderlose r Eh e wieder a n da s Hau s Österreich gelange n soll . Möglicherweis e fiele n darunte r auc h di e Bücher , s o da ß entweder Gra f Eberhar d vo n Württember g ode r de r damal s regierend e Senio r de s Hauses Österreich , Kaise r Friedric h III., als Erbe de r Büche r i n Frag e kommt. 56

    Ist somit bloße r Besit z eines Buches wenig aussagekräftig fü r de n Gebrauch , s o darf aus Werken , di e i m Auftra g geschriebe n sind , au f persönliche s Interess e a m Tex t ge -schlossen werden.57 Weiterhin war es leicht fur den Hochadel , sich Bücher kopieren zu lassen.58 Ei n Schreibe r ode r Kapla n stan d i n de r Residen z imme r zu r Verfügung , s o daß nu r noc h da s Pergamen t ode r da s Papie r besorg t werde n mußte. 59 I m 15 . Jahr-hundert konnt e ma n sic h auc h scho n Handschrifte n be i Händler n kaufen , di e au f Vorrat arbeiteten. 60 Nich t selte n liefer n personengebunden e Wappe n ode r di e Eintra -

    54 Vgl . DEMAND T (wi e Anm. 33) Nr . 154 6 und ders. , Rheinfel s un d ander e Katzenelnbogene r Burge n al s Residenzen, Verwaltungszentren un d Festunge n 1350-1650 , Darmstad t 199 0 (Arbeite n de r Hessische n Historischen Kommission , Neu e Folg e 5 ) S . 71 f .

    55 Vgl . KRUSK A (wi e Anm . 50 ) S . 34 mi t Abdruc k de s Testament s vo m 1.10.148 1 au f S . 122-14 5 un d Joachim FISCHER , Das Testament de r Erzherzogin Mechthil d vo n Österreic h vo m 1 . Oktober 1481 , in: Eberhard un d Mechthil d (wi e Anm. 28) S . 111-16 3 (Editio n mi t ausfuhrliche n Erläuterungen) .

    56 Fü r die letztgenannte These spricht di e Existenz von zwe i Büchern ihre s Mannes i n Wien . Vgl . BACKE S (wie Anm. 1 ) S . 190. Bislan g ha t sic h die Such e nac h de n verschollene n Bücher n au f di e kurpfälzisch e Bibliothek i n Heidelber g konzentriert . Vgl . THEI L (wi e Anm . 50) S . 12 8 f. sowi e BERG/BODEMAN N (wie Anm. 35) S . 2. FISCHE R (wi e Anm. 55 ) S . 12 0 f. sieh t Eberhar d al s wahrscheinlichen Erblasse r an .

    57 Vgl . CRAMER (wie Anm . 7 ) S . 3 0 f. , 8 6 f. ; WENZE L (wi e Anm . 23 ) S.U. 58 Kopiertätigkei t erwähn t be i BECKER S (wi e Anm. 1 ) S. 27; DEIGHTO N (wi e Anm. 36) S . 268; Mittelal -

    terliche Bibliothekskataloge (wi e Anm. 33) Bd . 3, S. 158 . Herzogin Elisabet h von Mecklenburg ließ sich um 147 6 zwei Büche r abschreiben un d zahlt e fur das Pergament zwe i Mark , fü r da s Binden ein e Mar k und fü r da s Kopieren je zwei Mark. Geor g STEINHAUSEN , Deutsch e Privatbriefe de s Mittelalters, Berlin 1899 (Denkmäle r de r deutsche n Kulturgeschicht e 1,1 ) Nr . 233.

    59 DEMAND T (wi e Anm. 33) Nr . 6084, 1 3 bring t eine n Rechnungseintra g vo n 144 9 betreffen d de n Ka -plan des Grafen Philip p von Katzenelnbogen : 4 albus vorpapyr hern Henrich zo eym buch, schreiffer mym hern. Ein weitere s Beispie l i n Mittelalterlich e Bibliothekskatalog e (wi e Anm. 33) Bd . 3, S . 15 8 f .

    60 Rudol f KAUTSCH , Diebol t Laube r un d sein e Werkstat t i n Hagenau , in : Centralblat t fur Bibliotheks-wesen 1 2 (1895) S . 1-21 ; Werne r FECHTER , Der Kundenkrei s de s Diebold Lauber , in : Zentralblat t fü r Bibliothekswesen 5 5 (1938 ) S . 121-146 ; Hans-Joachi m KOPPITZ , Studie n zu r Tradierun g de r weltli -chen mittelhochdeutsche n Epi k i m 15 - und beginnende n 16 . Jahrhundert, Münche n 1980 , S . 34 ff .

  • 96 Karl-Heinz Spie ß

    gung der individuellen Devis e den direkten Bezu g zum Auftraggeber ode r Käufe r eine s Werkes.61

    Ob die Handschrift ode r das Buch dann auch intensiv gelesen wurde,62 läßt sich nur in Ausnahmefällen belegen . De r bereit s angesprochen e Gra f Eberhar d vo n Württem -berg sol l al s Erwachsene r große s Interess e a n de r Bücherlektür e gehab t haben , wa s durchaus glaubhaf t ist , da zahlreiche Bände mit seine r Devise Attempto erhalten sind. 63 Doch nu r von eine m Buc h läß t sic h anhand eigenhändige r Zusätz e un d Randnotize n mit Gewißhei t sagen , daß de r Gra f e s intensi v studier t un d übe r den Inhal t mi t seine r Umgebung diskutier t hat . E s handelt sic h u m eine n de r erste n Bestselle r de s 15 . Jahr -hunderts, nämlic h Werne r Rolevinck s deutsch e Ausgab e de s »Fasciculu s temporum« , die eine n Abri ß de r Weltgeschichte bi s i n di e damalige Gegenwar t lieferte. 64

    Weiterhin lasse n Anspielunge n au f literarisch e Werk e i n Malereie n au f einzelne n Burgen, be i de r Vergab e von Vorname n wi e Parzifal und Herzelaude oder de r direkt e Bezug au f de n Inhal t eine s Buche s di e Rezeptio n durc h adelig e Lese r festmachen. 65 Zur letztgenannten Kategori e gehört die Passage in dem 149 1 entstandenen Testamen t Graf Gerhards II. von Sayn, in der er seinen Söhnen Titurel und Brackenseil, d.h . woh l den »Jüngere n Titurel« al s Lektüre un d Richtschnu r fü r ei n adelsgemäße s Lebe n emp-fiehlt. E s sei die göttlichste Lehre , die man i n deutsche n Bücher n fände , den n e s seien dort di e Tugenden un d Ehre n z u finden, nac h denen sic h Fürsten un d Herre n richte n sollten.66

    Wenn Thoma s Cramer behauptet, de r »Titurel « se i wege n seine r Tenden z zu r Al -legorie un d wege n seine r konsequente n Entfernun g au s de r erfahrbare n Wirklichkei t vom Adel geschätz t worden , un d hierfü r da s Sayne r Testamen t anfuhrt , dan n wir d e r der Quell e nich t gan z gerecht. 67 De r Gra f knüpf t nämlic h sein e Empfehlun g mi t de n Worten und wir wysen sij darumb in den Tyterel und Brackenseil a n gan z konkret e Ermahnungen. Daz u gehör t auc h di e Forderung , einträchti g z u lebe n un d da s Lan d

    61 A m beweiskräftigsten sin d Wappen, die nicht auf dem Vorsatzblatt, sondern z. B. i n einer Initial e als Teil der Handschrif t überliefer t wurden . Vgl DEIGHTO N (wi e Anm. 36) S . 268. In bezug auf die Devisen sei auf das bekannte Beispie l des Grafen Eberhar d von Württemberg verwiesen , desse n Motto Attempto au f allen bishe r bekanntgewordene n Bände n au s seine r Bibliothe k z u finde n ist . Vgl . Württember g im Spätmittelalter (wi e Anm. 26) S . 139.

    62 KNAU S (wi e Anm. 37) S . 579: »Wiewei t allerding s dies e aristokratische n Bibliophile n di e Büche r auc h lasen, die sie bestellten oder erwarben, das bleibt zu fragen.« Vgl . CRAMER (wie Anm. 7) S. 25 f. mi t dem Hinweis auf eine 133 4 fur Landgraf Heinrich II. hergestellte, aber unvollständig illustriert e Handschrift , deren Benutzungsspure n nu r s o wei t reichen , wi e Bilde r vorhande n waren .

    63 Vgl . Anm. 27 un d 61 . 64 Vgl . Württember g im Spätmittelalte r (wi e Anm , 26 ) S . 14 1 ff. un d ausfuhrlic h GRA F (wi e Anm . 27)

    S. 16 9 ff. 65 Vgl . Werner FECHTER , Das Publiku m de r mittelhochdeutschen Dichtung , Frankfur t a. M. 193 5 (Deut -

    sche Forschunge n 28 ) S . 27 ff.; BESSELMAN N (wi e Anm. 41) S . 216 f. ; BUMKE , Höfisch e Kultu r (wi e Anm. 6) S . 488. Z u de n Malereie n vgl . besonder s Helmu t STAMPFER , Adelig e Wohnkultu r de s Spät -mittelalters i n Südtirol , in : Adelige Sachkultu r de s Spätmittelalter s (Veröffentlichunge n de s Institut s fur mittelalterliche Realienkund e Österreich s 5 ) Wien 1982 , S. 365-376. Di e Iwein-Freske n au f Rodeneg g behandelt ausführlic h Joh n B . FREED, Nobl e Bondsmen . Ministeria l Marriage s i n th e Archdioces e o f Salzburg, 1100-1343 , Ithaca , Londo n 1995 , S . 224 f . (mi t Abbildungen) .

    66 Code x diplomaticu s Rheno-Mosellanus , hg . vo n Wilhel m GÜNTHER , Tei l 4 , Koblen z 1825 , Nr . 385, S. 700-708.

    67 CRAMER (wie Anm . 7 ) S . 8 9 f .

  • Zum Gebrauc h vo n Literatu r i m spätmittelalterliche n Ade l 97

    nicht z u teilen , wa s noc h mi t de m berühmte n Bibelzita t Omne regnum divisum in se desolabitur unterstrichen wird , da s sic h auc h i n de r Goldene n Bull e befindet. 68 Z u dieser fü r de n Hochade l essentielle n Verhaltensregel 69 konnte n abe r di e Söhn e de s Grafen i m »Titurel « ein e gan z a n de r Realitä t orientiert e Stell e nachlesen :

    Vil lande wirt gemeilet / und an werdicheit geletzet, swenn man si geteilet / und si mit mangen herren sint besetzet. die lute sint ot niht gelich des mutes: der ziuhet hin, her wider der. / da von zerint den landen eren und gutes. 70

    In de n nächste n Zeile n schilder t de r Dichte r noc h di e schlimme n Auswirkungen , wenn sic h ein e edl e Leibesfruch t gege n di e ander e wendet , un d betont , da ß be i tu -gendhaftem Verhalte n beid e Brüde r ihr e Würd e vermehre n könnte n anstat t si e i m gegenseitigen Kamp f z u mindern. 71 De r »Titurel « dient e demnac h seine m gräfliche n Leser, de r übrigen s auc h zuvo r Geistliche r gewese n war, 72 nich t nu r zu r mythologi -schen Erhöhun g seine s Standes , sonder n auc h al s Handlungsmaxim e fur einen Lan -desherren.

    Zusätzlich z u diesen einschlägige n Zeugnisse n fü r de n Gebrauc h vo n Literatu r wer -den i n de r ältere n Forschun g noc h Widmunge n eine s Werke s a n ein e Perso n al s Beweis fur deren literarische n Interesse n angesehen . Ma n sollt e aber nich t auße r ach t lassen, da ß ein e Widmung durchau s einseiti g vom Autor au s erfolgen konnte , u m di e Aufmerksamkeit eine s Fürste n ode r Grafe n au f sic h z u ziehen. 73

    Am weiteste n fortgeschritte n is t de r Gebrauc h vo n Literatur , wen n ma n sic h nich t mehr mi t de r Lektür e begnügt , sonder n selbs t zu r Fede r greift . Nac h Pete r Nusse r schrieben zwe i Frauen de s Hochadels, nämlich Herzogi n Eleonor e von Österreic h un d Gräfin Elisabet h vo n Nassau-Saarbrücken , i m 15 . Jahrhunder t di e erste n deutsche n Prosaromane,74 währen d ander e Autore n korrekte r vo n Übertragunge n französische r Chansons d e geste in da s Deutsch e sprechen . I m Fall e von Eleonor e habe n allerding s Historiker scho n frü h Zweife l angemeldet , o b di e in Schottland un d a m französische n

    68 WEINRIC H (wi e Anm . 15 ) Nr . 94a , S . 31 8 f . 69 Vgl . zu de n Bemühunge n de s Hochadel s u m di e Einhei t de s Landes SPIES S (wi e Anm. 19 ) S . 204 ff. 70 Albrecht s Jüngerer Titurel , Bd . 111,2, hg. von Kur t NYHOLM , Berli n 199 2 (Deutsch e Text e de s Mittel -

    alters LXXVII) Str . 6316. 71 Jüngere r Titure l (wi e Anm. 70) Str . 6316 f . 72 Vgl . Rüdiger KRÜGER , Studie n zur Rezeption des sogenannten >Jüngere n Titureh, Stuttgar t 1986 , S. 17 6

    und Ronal d NEUMANN , Gra f Gerhard II. von Sayn , kaiserliche r Femestatthalte r un d kurfürstliche r Rat, in: Kaiser Friedrich III. (1440-1493) i n seiner Zeit, hg. von Paul-Joachim HEINIG , Köln , Weimar, Wie n 1993 (Forschunge n zu r Kaiser - un d Papstgeschicht e de s Mittelalters , Beiheft e z u Johan n Friedric h BÖHMER, Regest a Imperi i 12 ) S . 377-398, hie r S . 378.

    73 Vgl . Württemberg im Spätmittelalte r (wi e Anm. 26) S . 13 4 ff.; BUMKE, Mäzene (wi e Anm. 22) S . 65; Werner MALECZEK , Di e Sachkultu r a m Hof e Herzo g Sigismund s vo n Tiro l (fl496) , in : Adelige Sach -kultur de s Spätmittelalters , Wie n 198 2 (Veröffentlichunge n de s Institut s fur mittelalterliche Realien -kunde Österreich s 5 ) S . 133-167 , hie r S . 16 3 f .

    74 Vgl . NUSSE R (wi e Anm. 7 ) S . 292. Auc h Ursul a LIEBERTZ-GRÜN , Höfisch e Autorinnen . Vo n de r Re -naissance bi s zu m Humanismus , in : Deutsch e Literatu r vo n Frauen , Bd . 1 : Vom Mittelalte r bi s zu m Ende de s 18 . Jahrhunderts, hg . von Gisel a BRINKER-GABLER , Münche n 1988 , S . 39-64, bezieh t beid e Frauen al s Verfasserinne n ein . Nebe n Christin e d e Piza n wir d nu r noc h Margareth e vo n Österreic h (1480-1530), di e mi t ihre m Hofkrei s Gedicht e verfaß t habe n soll , zum Krei s de r adelige n Autorinne n gezählt.

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    Königshof aufgewachsene un d dan n mi t Herzo g Sigismund verheiratet e Fra u wirklic h fähig gewese n sei n soll , de n komplexe n Romanstof F »Pontu s un d Sidonia « selbs t z u übertragen, zumal ihr e Übersetzertätigkei t nu r durc h da s Vorwor t eine s nac h ihre m Tod erschienene n Drucke s bezeug t ist. 75 Mittlerweil e is t Eleonore s Schriftstellerruhm auch be i de n Germaniste n verblaßt, 76 doc h zweifel t kau m jeman d a n de r literarische n Tätigkeit Elisabeth s vo n Nassau-Saarbrücken, 77 obwoh l auc h si e ers t nac h ihre m To d als Übersetzerin bezeichne t wird .

    Als wichtigste Grundlag e fü r di e behauptete Übersetzertätigkei t Elisabeth s dien t di e subscriptio i n de r zwische n 1455/72 , d.h . nac h de m To d de r Gräfi n entstandene n Prachthandschrift de s »Loher und Maller« , die von ihre m Soh n Johann III. in Auftra g gegeben wurde . Dor t wir d Elisabeth s Mutte r Margareth e al s Verfasserin de r französi -schen Vorlage angegeben, währen d Elisabet h selbs t 143 7 den Tex t in s Deutsch e über -tragen habe n soll. 78 Zeitlich noc h weite r entfern t is t di e Vorrede de s 150 0 entstande -nen ältesten Drucke s von »Huge Scheppel«. Hier wird Graf Johann III. als Abschreiber der französischen Vorlag e aus einer alten Chronik z u St . Denis be i Paris angeführt un d wiederum sein e Mutte r al s Übersetzerin. 79

    75 Vgl . Margaret e KöFLE R / Silvi a CARAMELLE , Di e beide n Fraue n de s Erzherzog s Sigmun d vo n Öster -reich-Tirol, Innsbruc k 1982 , S . 93 ff. un d MALECZE K (wi e Anm. 73) S . 166 , de r anhan d eine s eigen -händigen Briefe s di e sprachlichen Problem e Eleonore s vo r Augen führt .

    76 Vgl . Hanne s KÄSTNER , >Pontu s un d Sidonia < i n Innsbruck . Appel l un d Apologi e i m Hofroma n de s 15. Jahrhunderts , in : Jahrbuch de r Oswal d vo n Wolkenstei n Gesellschaf t 2 (1982/83 ) S . 99-128, hie r S. 11 0 f. sowi e jetz t abschließen d Reinhar d HAHN , >Vo n frantzosischer zunge n i n teütsch. < Da s litera -rische Lebe n a m Innsbrucke r Ho f de s spätere n 15 . Jahrhunderts un d de r Prosaroma n >Pontu s un d Sidonia (A K Frankfur t a.M./Ber n u.a . 199 0 (Mikrokosmo s 27 ) S . 73 ff. Wenig überzeugen d is t dage-gen de r Versuc h vo n Albrecht CLASSE N un d Pete r DINZELBACHER , Weltlich e Literatu r vo n Fraue n de s Mittelalters. Bemerkungen zu r jüngeren Forschung , in : Mediävistik 8 (1995) S . 55-73 , hie r S , 66, Eleo -nore au s inhaltliche n Gründe n doc h noc h al s Autorin z u retten . Ernüchtern d is t auc h di e Feststellung von BACKE S (wi e Anm . 1 ) S . 19 0 betreffen d de n Heidelberge r Hof : »Nicht s sprich t dafür , da ß di e französischsprachigen Prinzessinnen , z u dene n auc h di e englisch e Königstochte r Bianc a zählte , franzö -sische Literatu r mi t nac h Heidelber g gebrach t un d Übersetzunge n angereg t haben. «

    77 Vgl . LIEP E (wi e Anm. 1) ; Pete r VOLKELT , Elisabet h vo n Lothringen , Gräfi n z u Nassa u un d z u Saar -brücken i n Geschichte , Literatu r un d Bildend e Kunst , in : Zeitschrift fü r di e Geschichte de r Saargegen d 6/7 (1956/57 ) S . 37-54; Gerhar d SANDER , Elisabet h vo n Nassau-Saarbrücke n un d ihr e Prosaromane , in: Saarländische Lebensbilder , Bd . 1 , Saarbrücken 1982 , S. 31-56; Bernhar d BURCHERT , Di e Anfäng e des Prosaroman s i n Deutschland . Di e Prosaerzählunge n Elisabeth s vo n Nassau-Saarbrücken , Frank -furt a.M./Ber n u.a . 198 7 (Europäisch e Hochschulschrifte n I, 962); Jan-Dirk MÜLLER , Späte Chanso n de geste - Rezeptio n un d Landesgeschichte . Z u de n Übersetzunge n de r Elisabet h vo n Nassau-Saar -brücken, in : Wolfram-Studien 1 1 (1989) S . 206-226; Wolfgang HAÜBRICHS , >Di e Kraft vo n franckrich s Wappen

  • Zum Gebrauc h vo n Literatu r i m spätmittelalterliche n Ade l 99

    Trotz der überzeugend klingende n Wort e sollte man sic h von de r Vorstellung lösen , Graf Johann III. habe sich in St. Denis als Kopist betätig t und seine Mutter habe dann während ihre r Regentschaf t de s Lande s 143 7 un d späte r al s Witw e i n ihre n Muße -stunden zu r Fede r gegriffe n un d vie r Roman e bedutschet.

    Zur Begründun g diese r Thes e läß t sic h gan z allgemei n sagen , di e Hochadelige n konnten i m Spätmittelalte r zwa r lese n un d schreiben , abe r si e schriebe n nu r selte n eigenhändig. Fas t all e Korrespondenzen, auc h intim e Brief e zwische n Ehegatten , wur -den vo n Schreiber n de r Grafe n un d Fürste n geschriebe n un d i n For m gebracht . Nu r wenn ein Schreiber aus irgendeinem Grun d nich t zur Hand war oder es die Bedeutun g der Angelegenhei t ode r di e Höflichkei t erforderte , bemüht e ma n sic h notgedrunge n selbst. Findet ma n einen eigenhändigen Briefeine s Hochadelige n i m Archiv, so fällt i n der Rege l die ungelenke und kau m lesbare , weil ungeübte Handschrif t auf. 80 Schreiben war ein e niedri g bezahlt e Dienstleistung , di e ei n Fürs t ode r Gra f i n Anspruch nahm , aber nich t selbs t ausübte. 81

    do fursten vnd herren wol die warheit in hören I do ouch diß buch vßgeschriben ist in welsche / vnddett es der wolgeborne graff herr Johann graffzu Nassaw vnd zu Sarbrücken herr zu heinßberg c vß schriben / vnd zu Sarbrücken macht es sin muter genant Elyzabeth von Lottringen greffyn zu widmont zu tütsch. Vnnd hab ich Conrat heyndorffer den schlechten text begriffen also kurtz so ich yemmer kund. (Di e Kürze l de r Vorlag e wurden aufgelöst. )

    80 Di e Aussagen stütze n sic h wesentlich au f eigene Beobachtunge n anhan d vo n Archivalien. Ein e hilfswis -senschaftliche Auswertun g is t geplant . Vgl . vorläufi g Geor g STEINHAUSEN , Geschicht e de s deutsche n Briefes, Tei l 1 , Berlin 1889 , der au f das Problem de r Eigenhändigkei t allerding s nich t eingeht . Die s gil t leider auc h fü r di e Editio n vo n Erns t FRIEDLÄNDER , Brief e fürstliche r Fraue n au s de m Hohenzollern -hause, in : Hohenzollern-Jahrbuc h 1 (1897 ) S . 113-125 . Ausführlic h äußer t sic h Reinhar d STAUBER , Herzog Geor g vo n Bayern-Landshu t un d sein e Reichspolitik . Möglichkeite n un d Grenze n reichsfurst -licher Politi k i m wittelsbachisch-habsburgische n Spannungsfel d zwische n 147 0 un d 1505 » Kall -münz/Opf. 199 3 (Münchene r Historisch e Studien , Abteilun g Bayerisch e Geschicht e 15 ) S . 809 ff. z u den Anlässe n fü r eigenhändig e Schriftzeugniss e de s Herzogs , be i dene n e s sich jedoc h i n de r Rege l u m Zusätze z u de n Schriftstücke n de r Kanzle i handelt . E r stell t fest : »Gan z eigenhändig e Urkunde n ode r Briefe de r bayerische n Herzög e sin d i m Spätmittelalte r ein e groß e Ausnahme « (S . 810). Fü r weiter e Hinweise vgl . STEINHAUSE N (wi e Anm. 58 ) Nr . 192 : Abdruck eine s kau m leserliche n Briefe s vo n de r Hand de s Kurfürste n Albrech t vo n Brandenbur g u m 147 5 mi t weitere n Belege n fü r di e unleserlich e Handschrift de s Kurfürsten; Erns t KOCH , De r Lebensausgang und di e Bestattung Graf Wilhelms IV. zu Henneberg, in : Zeitschrift de s Vereins für Thüringisch e Geschicht e un d Altertumskunde Neu e Folge 1 2 (1902) S . 433-488, hie r S . 437, 44 0 druck t zwe i Brief e de s au f eine r Romreis e befindliche n Grafe n a n seine Gemahli n ab , die mi t Ausnahme de r Schlußzeil e vo n eine m Schreibe r stammen . Di e Brief e Karl s des Kühne n sin d nu r vo n ih m unterzeichnet , abe r nich t vo n ih m geschrieben. Vgl . De r Briefwechse l Karls de s Kühne n (1433-1477) . Inventar , hg . vo n Werne r PARAVICIN I unte r Mitwirkun g vo n Sonj a DÜNNEBEIL u.a . (Kiele r Werkstücke , Reih e D , Bd . 4) Tei l 1,1995 , S . 1 1 ff. Selbstverständlic h gib t e s auch Ausnahme n vo n de r Regel . S o schrie b Eleonor e vo n Portugal , di e au s eine m stärke r de r Schrift -lichkeit zugewandte n Kulturrau m stammend e Gemahli n Kaise r Friedrich s III., eigenhändige Brief e i n einem passable n Deutsch . Vgl . Katherine WALSH, Deutschsprachig e Korresponden z de r Kaiseri n Leo -nora vo n Portugal , in : Kaise r Friedric h III. (1440-1493) i n seine r Zei t (wi e Anm. 72) S . 399-445 mi t Edition un d Abbildun g vo n vie r Briefen . Friedric h III. schrieb ebenfall s gelegentlic h selbst , doc h läß t sich der Umfang de r eigenhändigen Korresponden z be i dem gegenwärtige n Forschungsstan d noc h nich t abschätzen. Vgl . Heinric h KOLLER , Zu r Bedeutun g de r eigenhändige n Brief e Kaise r Friedrich s III., in: Geschichte der Zentraljusti z i n Mitteleuropa . Festschrif t fur Bernhard Diestelkam p zu m 65 . Geburtstag, hg. vo n Friedric h BATTENBER G / Filipp o RANIERI , Weimar/Köln/Wie n 1994 , S . 119-129 .

    81 Di e Bezeichnun g eine s Fürste n al s scriptor galt al s groß e Beleidigung , di e entsprechend e Reaktione n hervorrief. Vgl. BACKE S (wie Anm. 1 ) S. 78. Vgl. auch oben S . 85 und MÜLLE R (wi e Anm. 29) S . 42 mi t dem Hinweis , daß >Schreiber< das Schimpfwort de s Adels für sein e studierten Standesgenosse n darstellte .

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    Auch di e hochadelige n Fraue n habe n anscheinen d selte n eigenhändi g geschrieben . Von viele n mögliche n Beispielen 82 sol l nu r Barbar a Gonzaga , di e Ehefra u de s scho n erwähnten Grafe n Eberhar d vo n Württemberg , angeführ t werden . Si e stand mi t ihre r Familie in Mantua i n regem Briefkontak t i n italienischer Sprache , doch is t ein Brie f an ihren Brude r deutsc h abgefaßt , wei l ihr italienische r Sekretä r gerade nich t d a war {und ich hett üch in welsch oder lattin geschriben, so hab ich diser zyt minen schriber nit by mir).85 Barbar a hätt e j a ihre m Brude r eigenhändi g eine n italienische n Brie f schreibe n können, doc h lag ihr der Gedanke so fern, da ß sie lieber auf einen deutschen Schreibe r zurückgriff.

    In bezu g auf di e Autorschaft Elisabeth s von Nassau-Saarbrücke n könnt e ma n aller -dings einwenden , si e habe di e Roman e mündlic h übersetz t un d eine m Schreibe r dik -tiert. Dagege n sprich t allerdings , da ß si e selbst zugibt , nich t di e erforderlich e Sprach -kompetenz zu besitzen, u m komplexe Sachverhalt e deutsc h zu formulieren. 143 2 mu ß sie nämlich eine n französische n Briefpartner , de r au f schnelle Antwort hofft , mi t de n Worten vertrösten , daz ich myne amptlude und retde und die jhene, die soliche brieffe zu dutschem verstentenisse brengen mochten, ytze nit bij mir, sonder sij an den Ryn zu ernstlichen treffelichen dagen geschieket han, darumb ich uwern gnaden zu dieser zijt nit follenclich uff soliche schriffi geantworten kan. 84

    Vermutlich ha t Elisabet h di e Übersetzun g de r Chanson s d e geste einem zwei -sprachigen Sekretä r aus ihrer Umgebung übertragen un d vielleicht die eine oder ander e mündliche Hilfestellun g gegeben . Fü r di e Zeitgenossen un d insbesonder s fü r de n au f den Ruh m seine s Hause s bedachte n Soh n de r Gräfi n wa r e s gan z natürlich , dies e Vorgabe in einer Prachthandschrif t al s Autorschaft fur Elisabeth zu reklamieren, sprac h ein Angehöriger de s Hochadel s doc h gan z selbstverständlic h vo n >seinem < Brief , auc h wenn e r seine m Sekretä r nu r gro b di e Kerngedanke n mitgeteil t un d diese r di e stili -stisch sauber e Formulierun g un d di e Niederschrif t besorg t hatte. 85

    82 Vgl . STEINHAUSE N (wi e Anm. 58 ) Nr . 189 : Kurfurstin Ann a von Brandenbur g ha t ihre m Gatte n eine n eigenhändigen Brie f geschrieben , abe r kein e Antwor t erhalten . Si e vermutet , e r hab e de n Brie f wege n ihrer schlechte n Handschrif t nich t lese n können , un d beauftrag t eine n Schreibe r mi t de r neuerliche n Ausfertigung.

    83 Vgl . Württemberg i m Spätmittelalte r (wi e Anm. 26) S . 22 f . 84 Landesarchi v Saarbrücken , Bestan d Nassau-Saarbrücke n II, Nr. 3112/12 vo m 4.6.1432 . Adressa t de s

    Briefes is t René von Anjou, der in seinem Schreiben vom 31. Mai Elisabeth gebeten hatte , seinem Bote n die Antwor t schriftlic h mitzugeben . E s geh t u m Schäden , di e René aus de r Bur g Varsber g zugefüg t wurden. Di e de n verwickelte n Streitfal l ausfuhrlic h schildernd e Antwor t Elisabeth s bzw . ihre r Rät e datiert vo m 17 . Juni. Di e Beschäftigun g mi t de n Korrespondenze n de r Gräfi n Elisabet h vo n Nassau -Saarbrücken erfolgt e i n eine m gemeinsa m mi t Prof . Dr . Albrech t Greul e un d Mainze r Studente n be -triebenen Editionsprojekt , da s kur z vo r de m Abschlu ß steht . Bislan g ha t sic h nu r VÖLKEL T (wi e Anm. 77) S . 41 über die Sprachkompetenz Elisabeth s Gedanken gemacht : »Sie regierte ih r Land al s eine deutsche Fürstin , di e de r deutsche n Landessprach e al s gebürtig e Französi n i n erstaunliche m Maß e mächtig gewesen ist , derart, da ß si e offenbar ohn e Schwierigkeite n au s dem Französische n in s Deutsch e zu übersetze n vermochte. «

    85 Vgl . in diesem Kontex t die von BACKE S (wie Anm. 1 ) S. 48 zitierte Textpassage aus einer mi t prächtige n Miniaturen geschmückte n Pergamenthandschrif t mi t eine r Weltchroni k de s Rudol f vo n Em s un d eine r Vita der Heiligen Elisabeth : Dise zween bûcher hat erzuget der edel hochgeborne furste hertzoge Ruprecht der elter pfalntzgraue by dem Rine dez heilichen Romischen riches oberster droch sesze und herzöge in beigern. Anno M.CCC.LX. quinto. Da s Ver b erzeugen bedeute t hie r >mache n lassen< .

  • Zum Gebrauc h vo n Literatu r i m spätmittelalterliche n Ade l 101

    Die vorgetragen e Thes e wir d durc h jünger e germanistisch e Untersuchunge n ge -stützt, di e de n Epenzyklu s primä r al s Ausprägung de s Geschichts - un d Gesellschafts -bildes eine r selbstbewußte n Dynasti e interpretieren. 86 Vo r diese m Hintergrun d sollt e man künfti g di e angeblich e Beteiligun g vo n dre i Familienmitglieder n a n de r Entste -hung de r Roman e sehen .

    Abschließend seie n di e wichtigste n Ergebniss e kur z zusammengefaßt . Lebt e de r Ade l bis in s 14 . Jahrhundert weitgehen d analphabetisch , s o finde t i m 15 . Jahrhundert ei n grundlegender Wande l zu r Lese - und Schreibfähigkei t statt . Be i den künftige n Regen -ten stan d allerding s weiterhi n di e höfisch e Erziehun g i m Vordergrund , währen d ge-lehrte Bildun g ehe r de n nachgeborene n Söhne n zutei l wurde . Di e Funktio n vo n Bil -dung differiert e auc h j e nac h Zugehörigkei t zu m Hoch - ode r Ritteradel .

    Ebenso lasse n sic h be i de n Adelsbibliotheke n funktional e un d standesspezifisch e Unterschiede erkennen . De r Gebrauc h vo n Literatu r durc h de n Hochade l kan n i m 15. Jahrhundert unterstellt , aber nu r i n seltene n Fälle n eindeuti g nachgewiese n wer -den. Weni g wahrscheinlich is t dagege n ein e schriftstellerisch e Tätigkei t i m Hochadel .

    Ohnehin dar f di e adelig e Beschäftigun g mi t de r Literatur , di e verständlicherweis e im Mittelpunk t de s germanistische n Fachinteresse s steht , angesicht s de r große n An -ziehungskraft vo n Jagden, Turnieren un d Feste n auf die Hochadeligen nu r als eine von vielen Ausdrucksforme n de s höfischen Dasein s verstande n werden .

    86 Vgl . MÜLLE R (wi e Anm . 77 ) S . 21 3 un d HAUBRICH S (wi e Anm . 77 ) S . 18 .