Beiträge zur Frage der allergischen Pathogenese der diffusen Glomerulonephritis. Rheumatische...

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Acta Medics Scandinavica. Vol. CVI, fasc. 1-11, 1941. Aus dem Stenghd-Krankenhaus zu Helsingfors, medizinische Abteilung, Prof. W. Kerppola und Prof. A. Vesa). Beitriige zur Frage der allergischen Pathogenese der difiusen Glomerulonephritis. Ftheumatische Nephritis, Nephritis bei Asthma bronchiale und anderen allergischen Affektionen. \‘on M. CH. EHRSTROM. (Bei der Redaktion am 25 November 1940 eingegaiigeii). Es ist noch nicht allseitig erkannt worden, dass diffuse Glome- rulonephritis eine allergische Manifestation eines sensibilisierten Organismus reprasentieren kann. Fur die Richtigkeit dieser Auf- fassung sprechen schwerwiegende Grunde. Die Beweisr aber fehlen noch, die die Lehren von direkter Toxin- und Bakterien- wirkung umstossen konnten. Schon im Jahre 1907 stellte Schick die Theorie von der allergi- schen Pathogenese der Nephriten auf. Longcope entwickelte diese Theorie weiter in seinen Arbeiten 1917 und 1929. In der zweiten Auflage von *Die doppelseitigen hamatogenen Nieren- erkrankungen, (1931) war Volhard geneigt, dieser Theorie bei- zustimmen, verfiigte aber nicht uber experimentelle Beweise. Diese wurden zum ersten Male in den Jahren 1933 und 1934 von Masugi und seinen Mitarbeitern zur Verfugung gestellt, denen es gelang, das klinische und pathologisch-anatomische Bild einer diffusen Glomerulonephritis durch Sensibilisierungsversuche hervorzu- bringen. Die Experimente fanden bei wiederholten Versuchen und verschiedenen Versuchsanordnungen ihre Bestatigung und

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Page 1: Beiträge zur Frage der allergischen Pathogenese der diffusen Glomerulonephritis. Rheumatische Nephritis, Nephritis bei Asthma bronchiale und anderen allergischen Affektionen.

Acta Medics Scandinavica. Vol. CVI, fasc. 1-11, 1941.

Aus dem Stenghd-Krankenhaus zu Helsingfors, medizinische Abteilung, Prof. W. Kerppola und Prof. A. Vesa).

Beitriige zur Frage der allergischen Pathogenese der difiusen Glomerulonephritis.

Ftheumatische Nephritis, Nephritis bei Asthma bronchiale und anderen allergischen Affektionen.

\‘on

M. CH. EHRSTROM. (Bei der Redaktion am 25 November 1940 eingegaiigeii).

Es ist noch nicht allseitig erkannt worden, dass diffuse Glome- rulonephritis eine allergische Manifestation eines sensibilisierten Organismus reprasentieren kann. Fur die Richtigkeit dieser Auf- fassung sprechen schwerwiegende Grunde. Die Beweisr aber fehlen noch, die die Lehren von direkter Toxin- und Bakterien- wirkung umstossen konnten.

Schon im Jahre 1907 stellte Schick die Theorie von der allergi- schen Pathogenese der Nephriten auf. Longcope entwickelte diese Theorie weiter in seinen Arbeiten 1917 und 1929. In der zweiten Auflage von *Die doppelseitigen hamatogenen Nieren- erkrankungen, (1931) war Volhard geneigt, dieser Theorie bei- zustimmen, verfiigte aber nicht uber experimentelle Beweise. Diese wurden zum ersten Male in den Jahren 1933 und 1934 von Masugi und seinen Mitarbeitern zur Verfugung gestellt, denen es gelang, das klinische und pathologisch-anatomische Bild einer diffusen Glomerulonephritis durch Sensibilisierungsversuche hervorzu- bringen. Die Experimente fanden bei wiederholten Versuchen und verschiedenen Versuchsanordnungen ihre Bestatigung und

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B E I T R A G E Z U R PRAGE D E R ALLERGISCHEN PATHOOENESE usw. 183

es ist nunmehr moglich, durch Sensibilisierung von Versuchstieren Krankheitsbilder hervorzubringen, die allen Obergangen von leichten Herdnephriten zu schweren diffusen Nephriten ent- spreehen. In Obereinstimmung hiermit wird auch die Herdnephri- tis vielfach als allergisch bedingt angesehen und sie sol1 nur eine gelindere Form von allergischer Reaktion als die diffuse Nephritis darstellen.

Es ist das Ziel dieser Ausfiihrungen, die Aufmerksamkeit auf Fiille zu lenken, wo Glomerulonephritis unter BegleitumstPnden auftritt, die fur eine allergische Pathogenese sprechen.

I . Falle uon diffuser Glomerulonephritis, hervorgerufen durch abakfe- rielles Antigen.

Diese beiden Falle wurden von mir schon fruher publiziert, weshalb sie hier nur in ihren Hauptziigen wiedergegeben werden.

Fall 1. Journ. 2392/37. H. A. L. 50jahrige Frau. - Mit 20 Jahren zum ersten Mal Urticaria durch Beeren und Friichte. Einige Jahre spater un- mittelbar nach dem Verzehren grosser Mengen Friichte blutiger Harn und universelles Odem. War mehrere Wochen krank. Dieses wiederholte sich vier Jahre spater. Im Sommer 1937 erlag sie wieder der Versuchung, Fruchte zu essen und erkrankte in der gleichen Form erneut. Kranken- hausaufnahme am 25. 8. 1937 unter dem Bilde einer pro tempore akuten diffwen Glomerulonephritis: Universelles Udem, Hamaturie, Zylindrurie, Albuminurie, Hypertonie (R. R. 235/135 mm Hg) und Hyposthenurie. Nach Bettruhe klangen die Symptome ab, die Hamaturie verschwand und der Blutdruck sank auf 155/88 mm Hg. Hauttestversuche verliefen negativ. - Wurde wiihrend des Krankenhausaufenthaltes zweimaligen Expositions- versuchen ausgesetzt: Erhielt teils Pflaumen, teils xpfel. Beide Male reagierte sie mit Odem, Hypertonie, Hamaturie, Zylindrurie und gesteiger- ter Albuminurie.

Verzehren von Friichten ruft bei einem Zusammenfassung : Patienten das Bild einer diffusen Glomerulonephritis hervor.

Fall 2. Journ. Nr. 626/37. V. A. 43jahriges Fraulein. - Wurde am 28. 1. 1937 in das Krankenhaus mit einer Anamnese aufgenommen, die von Fieberperioden mit Gelenksymptomen und Hautefjloreszenzen berichtete, wodurch der Gedanke auf Erythema nodosum oder Periarteritis nodosa gelenkt wurde. Hauttestversuche ergaben positive Reaktionen auf Milch, Kase und Eier. Wurde Expositionsversuchen ausgesetzt, wobei sie 2 Eier, 100 gr Kase und y' 1 Milch zu verzehren hatte. Erkrankte einige Stunden spater mit schweren Gelenk- und Muskelschmerzen, Fieber, mitgenommener Allgemeinzustand, Dyspnoe und Albuminurie. Wahrend einer darauffolgen-

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den, 2 wochigen Periode verblieb ein Krankheitsbild mit unregelmassigem Fieber, Gelenkschmerzen, doppelseitiger Pleuritis, Pneumonie und Albu- minurie mit Hamaturie und Zylindrurie. Neue Hauteffloreszenzen zeigten sich nicht. Blutdruck verblieb normal um 110/80 mm Hg. Patient ver- liess das Krankenhaus, bevor die Symptome ganz verschwunden waren. Wiederautnahme Sommer 1939. War in der Zwischenzeit teils gesund und in Arbeit, teils hatte sie Fieberperioden mit geschwollenen und emp- findlichen Gelenken. Bei der Wiederaufnahme zeigten sich das Bild einer subakuten Polyarthritis rnit hohem Fieber sowie Symptome von chronischer Nephritis: Albuminurie, mikroskopische Hamaturie, Zylindrurie, Hy- posthenurie, jedoch normaler Blutdruck und keine odeme.

Zusamrnenfassung: Verzehren von Kasc, Eiern und Milch ruft bei einem Patienten Symptome von subakuter Polyarthritis diffuser Glomerulonephritis und Pleuropneumonie hervor.

Diskussion. Es ist wohlbekannt, dass Nahrungsmittelallergie fluchtige

Albuminurie (zusammen mit Urticaria) und fliichtige Arthralgien sowie Gelenkanschwellungen (Rowe) zur Folge haben kann, die wahrscheinlich leichte reversible, allegische Reaktionen darstellen. Bei Hypenensibilitat muss man aber darauf vorbereitet win, dass die allergische Reaktion in Nieren und Gelenken zu schweren, eventuell irreversiblen Veranderungen fiihren kann, die sich in Form von diffuser Glomerulonephritis und subakuter Polyarthritis dokumentieren. Beide Patienten diirften einen solchen extremen Fall von heftiger allergischer Reaktion reprasentieren und berech- tigen offenbar zu folgendem

Schlusfolgerung: Wahrscheinlich entstehen einige Falle von diffuser Glomerulo-

nephritis (und subakuter Polyarthritis) auf Basis einer abakteriellen Allergie. Oder rnit anderen Worten: Abakterielle Allergie scheint zu Veranderungen fiihren zu konnen, die klinisch in Form von diffuser Glomerulonephritis (und subakuter Polyarthritis) zum Ausdruck kommen.

I I . Falle von diffuser Glornerulonephritis bei Asthma bronchiale. FaIl 1. Journ. Nr. 502/37. H. I. K. 43jahrige Frau. - 1929 Keuch-

husten. Danach entwickelte sich ein typisches Asthma bronchiale rnit Antiillen in zeitweise mehrwochigen Zwischenraumen, die zeitweise aber

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BEITRICE Z U R F R A G E D E R ALLERGISCHEN P A T H O C E N E S E usw. 185

auch mehrmals taglich auftreten. Krankenhausaufnahme am 6. 2. 1936 unter der Diagnose Asthma bronchiale, wurde symptomatisch mit Ephe- drin behandelt und erhielt eine Allergol-(Schwefelo1)-Injektionskur. Haut- testversuche verliefen negativ. Allergene konnten nicht nachgewiesen werden. Wahrend der Anfalle hatte der Patient eine leichte Albuminurie, Blutdruck 120/80 mm Hg. Die Asthmaanfalle blieben dann aus bis Ende 1936/Anfang 1937, wo sie, wenn auch in leichter Form, wiederkehrten. Am 7. 1. 1937, unmittelbar nach der Menstruation, beobachtete der Patient, dass der Harn dunkel und triibe, ferner Gesicht und Beine angeschwollen waren. Sie bekam Schmerzen im Kreuz. Wurde am 13. 1. unter der Diag- nose Glomerulonephritis diffusa akuta aufgenommen: Oligurie, Albumin 5 promille, Hamaturie, Zylindrurie, odem im Gesicht und an Beinen, R. N. 32.0 mg yo, Blutdruck 150/90 mm Hg. - Innerhalb 19 Tagen wurde der Harn klar, die Albuminmenge sank auf 2 promille, die Odeme ver- schwanden und der Blutdruck ging herunter auf 110/70 mm Hg. Die Menstruation begann am 28. 1. und horte am 31. 1. auf. Wahrend der Menstruation ein leichter Asthmaanfall. Am 2. 2. wurde der Harn wieder blutig-triibe, das Korpergewicht begann zu steigen, odeme traten erneut auf, die Harnmenge ging herunter und der Blutdruck zeigte eine Tendenz zum Steigen, das heisst, die Nephritis flammte erneut auf. Nach circa 10 Tagen verklangen die Symptome wieder, der Harn wurde makroskopisch M a r und die Albuminmenge sank auf promille. Nach der nachsten Menstruation jedoch und nach jeder folgenden Menstruation wahrend der 4 Monate langen Beobachtungszeit wiederholte sich die gleiche Sache: die Nephritis oerschlimmerte sich unmittelbar nach Beendigung der Men- struation und wahrend der Menstruation hatte der Patient einen leichten Asthmaan f all.

Zusammen fassung: Bei einem Asthmapatienten verschwanden die Asthmaanfalle fur eine Zeit von circa einem Jahr , um daraufhin wiihrend der Menstruation in leichter Form wiederzukehren. Nach einer Menstruation entstand das Bild einer akuten diffusen Glome- rulonephritis. Wahrend einer Beobachtungszeit, die 6 Menstrua- tionsperioden umfasste, wobei der Patient leichte Asthmaanfalle hatte, zeigte die Nephritis nach jeder Menstruation eine starke Akutisierung .

Fall 2. Journ. Nr. 3760/38. I. M. T. 48jahrige, unverheiratete Frau. - Seit dem 30. Lebensjahr hatte der Patient Asthma bronchiale Anfalle gehabt, die mit Hinblick auf Haufigkeit und Intensitat variierten. Seit 1933 viermal im Krankenhaus mit schweren Asthmaperioden gewesen. Die Untersuchung hat dabei die Allergene nicht klarlegen konnen, Herz war sowohl stethoskopisch, rontgenologisch und elektrokardiographisch normal. Keine Symptome von Herzinsuffizienz. Blutdruck war bei jeder Messung normal, iiberstieg nicht 120/70 mm Hg. Wahrend dreier von den 4 schweren Asthmaperioden, die bis zu 7 Tagen dauerten, hatte der Patient

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Albuminurie mit einem sparlichen Sediment, enthaltend Eythrozyten, Leuko- zyten und granulierte Zylinder, gehabt. Die Albuminurie stieg bei einem Anfall bis max. 17 promille Esbach, 5 promille bei einem anderen und 1 promille bei einem dritten. Mit dem Abklingen der Asthmaanfalle nach 3-7 Tagen nahm die Albuminurie ab und verschwand ganz. Ihr Grad stand in keiner offenbaren Proportion zu der Starke des Anfalles: bei einem der schweren Anfalle fehlte namlich die Albuminurie. Hypertonie oder Odem entstanden wahrend der Anfalle nicht.

Zusammenfassung: Bei einem Patienten, der wegen schwerer Asthma bronchiale Anfalle viermal im Krankenhaus gelegen hatte, t ra t parallel mit den Asthmaanfallen 3 ma1 eine starke Albuminurie (max. 17 promille) mit anschliessendem sparlichen Sediment auf.

Diskussion. Es ist vermutlich eine recht allgemeine klinische Beobachtung,

wenn sie auch in der Literatur kaum erwahnt wird, dass Asthma bronchiale Anfalle oft Albuminurie zur Folge haben. Unter 170 Fallen uon Asthma bronchiale (behandelt in dem StengArd-Kranken- haus wahrend der Jahrc 1935-1939) fand ich bei 16 Fallen oder bei circa 10 yo wahrend der Asthmaanfalle Albumin ad 1 promille. In 5 Fallen enthielt der Harn wahrend der Anfalle ausserdem ein sparliches Sediment von Erythrozyten, Leukozyten und Zylindern. Bei keinem dieser Falle, auch nicht bei den beiden obcn relatiertcn Fallen, lag in dem klinischen Bild etwas vor, das zu einer Herz- insuffizienz-Diagnose herechtigte. Die Albuminurie l a s t sich also schwerlich als ein Symptom von Herzinsuffizienz erklaren, das heisst als eine Folge von Nierenstauung. Naher liegt die Erklarung, dass ein intimerer, ursachlicher Zusammenhang zwischen Asthma und Albuminurie existiert. Hierfiir gibt der erste, oben relatierte Fall bestimmtere Anhaltspunkte. Teils alternierten bci diesem Fall die Asthmaanfalle und Anfalle von diffuser Glomerulonephritis, teils fielen sie zusammen und zwar in einer Form, dass die Vor- stellung einer gemeinsamen allergischen Grundlage nicht bei Seite geschoben werden kann. Die wahrscheinlichste Erklarung fur die Nephritis des Patienten scheint die zu sein, dass die Nieren die dominierende Rolle der Schockorgane iibernommen hatten, was sich klinisch als diffuse Glomerulonephritis manifestierte. Der andere Fall mit seiner starken Albuminurie scheint einen ubergang von diesem Fall zu der gewohnlicheren leichten Albu-

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minurie bei Asthmaanfallen zu bilden. Mit Berucksichtigung der friiher relatierten Falle von diffuser Glomerulonephritis, hervor- gerufen durch abakterielles Allergen und mit Beachtung der bekannten Umstande, unter welchen sich allergische Manifesta- tionen aussern, ergibt sich folgende, scheinbar berechtigte

Schlussfolgerung : Es ist wahrscheinlich, dass bei Asthma bronchiale auch die

Nieren Schockorgane werden konnen und dass die Allergie sich dabei klinisch teils in Form von leichter Albuminurie, teils als schwere Albuminurie mit ubergang zu dem vollstandigen klinischen Bild einer diffusen Glomerulonephritis (Periarteritis nodosa?) mani- festiert. Oder mit anderen Worten: Albuminurie und diffuse Glomerulonephritis, die bei Asthma bronchiale angetroffen werden, entstehen wahrscheinlich auf der gleichen allergischen Basis wie das Asthma.

111. Fdle von diffuser Glomerulonephritis in Kombinafion mit Urticaria, allergischem Odem, Polyarthritis, Erythema nodosum und

pleuro-pericardialer Affekiion.

Fall 1 . Journ. Nr. 149/39. M. E. I<. Sljahriges, unverheiratetes Dienst- miidchen. - Seit dem 20. Lebensjahr hat der Patient unter schnell auf- tretenden, teils fluchtigen, teils mehrere Tagc daucrnden Anschwellungen zu leiden gehabt, die meistens um die Augen herum und im Gesicht lokali- siert waren, aber auch in der Haut iiber den Gelenken auftraten. Nament- lich auf Reisen waren die Augenlidanschwellungen sehr lastig. Im Mai 1938 wurde sie wegen Dyspnoe und Stichen in der Brust in das Kranken- haus aufgenommen. Es wurde eine doppelseitige, trockene Pleuritis und trockene Pericarditis konstatiert. War 6 Wochen im Krankenhaus und verliess es als subjektiv gesund, jedoch mit rontgenologisch verbliebenen Pleuraverdickungen, einem vergrosserten Herzschatten und Anzeichen fur Myocard-Affektion im Elektrokardiogramm. Kam im Mai 1939 wieder in das Krankenhaus. Sie hatte in der Zwischenzeit Erythema nodosum (Kil- javanummi Sanatorium) und Polyarthritis, angeschwollene und schmerzende Gelenke gehabt. Bei der Aufnahme litt sie unter schwerer Atemnot, die durch Digitalis nicht beseitigt wurde. G1. thyreoidea war deutlich ver- grossert, der Harn enthielt kein Albumin oder Sediment. Der Blutdruck lag zwischen 110 und 120 mm Hg. Verliess das Krankenhaus auf eigenen Wunsch, wurde aber im September 1939 wieder aufgenomrnen. Sie litt nach wie vor unter Atemnot und hat te grosse odeme an den Unterschenkeln, Gesicht war diffus nngeschwollen. Die Odeme hatten die Konsistenz harter

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*Nephritis-Odemeu. Digitalis und Strophantin plus Novurit brachten weder die Odeme noch die Atemnot zum Verschwinden. Der Patient hatte jetzt einen grossen Struma, Drucksymptome von der Trachea lagen jedoch nicht vor. Rontgenologisch sah man dicke Pleuraschwarten, in denen ein grosser Herzschatten eingebettet lag. Es hatte sich eine Nierenaffektion entwickelt, die das klinische Bild einer chronischen diffusen Glomerulo- nephritis aufwies. Der Harn enthielt (wahrend der ganzen Beobachtungs- zeit bis August 1940) 1-3 promille Eiweiss und ein Sediment mit reich- lichen Erythrozyten, Leukozyten und verschiedenartigen Zylindern. Der Blutdruck stieg und hielt sich auf etwa 140/90 mm Hg. Die Nierenfunk- tion war herabgesetzt, die Maximumkonzentration betrug 1021. Rest- stickstoff 30.0 mg %. Gesichtsodeme. Die Nierenaffektion konnte auch nicht durch Digitalistherapie beeinflusst werden.

Zusammen fassung: Bei einem Patienten, der friiher untrr Odemen vom Typ Qincke litt, entwickelte sicli ein Krankheitsbild mit Symptomen von Polyarthritis, Erythema nodosum, Pleuro- Pericarditis, Myocarditis und diffuser Glomerulonephritis.

Fall 2. Journ. Nr. 2022/40. P. H. 46jahrige Witwe. - Vor 15 Jahren thyreoidektomiert infolge Thyreotoxikose. 1938 Appendektomie, danach mehrere Wochen lang rezidivierendc, ausserliche Thrombophlebiten an den Unterschenkeln. Vor einem Monat Fieber mit etwas entziindetem IIals. Zwei Wochen spater Schmerzen und Anschrvellungen in den Fingergelenken. Gleichzeitig stieg das Fieber erneut und einige Tage spater trat ein typisches Erythema nodosum auf, weshalb der Patient am 10. 6. 1940 in das Kranken- haus kam. Lungen, Herz und Bauchorgane nichts besonderes. Der Harn enthielt kleine Mengen Eiweiss und ein reichliches Sedirncnt von Erythro- zyten, Leukozyten und Zylindern. Der Blutdruck, welcher vor einem Jahr bei 120 mm IIg lag, betrug 180/llO mm Hg. Im Verlauf von 3 Wochen verschwanden diese Symptome von Glomerulonephritis, wahrend der Blut- druck auf 135/80 mm Hg sank. - Gegen die Erythema nodosum Efflor- eszenzen wurde Aminophenazon (Pyramidon) gegeben, was in einer uni- versellen Urticaria resultierte. - Der Stuhl enthielt Bandwurmeier (botrio- cephalus latus), weshalb der Patient eine Wurmkur durchmachte, nachdem die Nierensymptome abgeklungen waren. Nach der Bandwurmkur (mit Bitterwasser und Philicin) trat wieder unioerselle Urticaria auf und zahl- reiche neue Erythema nodosum Effloreszenzen offenbarten sich. Gleichzeitig wurde der Harn wieder leicht blutig.

Zusarnmenfassung: Bei einem Patienten, der nach einer Append- ektomie rezidivierende ausserliche Thrombophlebiten gehabt hatte, entwickelte sich ein aus Symptomen von Erythema nodosum, Polyarthritis, diffuser Glomerulonephritis und Urticaria zusammen- gesetztes Krankheitsbild. Die Symptome verschlimmerten sich infolge einer Diarrhoe nach einer Bandwurnikur.

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Diskussion. Die Patienten reprasentieren Falle, wo diffuse Glomerulo-

nephritis gleichzeitig mit oder in direktem Anschluss an Affektionen allergischer Natur, d. h. allergischem 6dem und Urticaria, in Erscheinung trat und die mit Erythema nodosum und Polyarthritis kombiniert war. Sie sind gleichzeitig ein Beispiel fur eine ziemlich gewohnliche Erscheinung, dass namlich bei demselben Individuum Erythema nodosum, Polyarthritis und Nephritis gleichzeitig oder auch in unmittelbarer Aufeinanderfolge auftreten. Die Pathoge- nese des Erythema nodosum und der rheumatischen Polyarthritis ist ebenso umstritten gewesen wie die der diffusen Glomerulonephri- tis. Die allergische Theorie von ihrer Entstehungsart hat immer mehr Terrain gewonnen; vielfach hat man sie sich ganz zu eigen gemacht (Swift 1929, Klinge 1933). Ilire Neigung, sich mitein- ander und mit Nephritis zu kombinieren, sclieint fur eine gemein- same Pathogenese zu sprechen und der Umstand, dass sie im Zusammenhang mit allergischen Manifestationen auftreten, wie bei den zwei oben relatierten Fallen, ist geeignet, die Theorie weiterhin zu starken, dass diese gemeinsame Pathogenese in einer allergischen Reaktion fusst. Man kann sich nicht von dem Ein- druck freimachen, dass es sich um Falle handelt, wo der Orga- nismus sensibilisiert - allergisch - ist und wo verschiedene Organe gleichzeitig oder nach der Reihe Sitz fur die allergische Reaktion werden .

Schlussfolgerung: Falle, wo Glomerulonephritis in Kombination mit Erythema

nodosum, Polyarthritis und allergischen Manifestationen auftritt (wie Urticaria und allergisches udem) sind geeignet, die Theorie von der allergischen Pathogenese dieser Affektion zu starken.

I V . Falle uon rheumatischer Nephritis.

Salvesen hat neulich (1938) in einer Arbeit die rheumatische Nephritis zur Diskussion aufgenommen. Aus seiner Literatur- ubersicht geht hervor, dass die rheumatische Nephritis - d. h. eine Nephritis, die wahrend (in seltenen Fallen unmittelbar vor) oder gleich nach einer rheumatischen Attacke auftritt - als eine

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sellene Erscheinung (0.5-2 yo) betrachtet wird und dass das kli- nische Bild sehr off dern Bild einer gewohnlichen diffusen Glomerulo- nephritis enfsprichf, wenn auch Falle mii charakieristischen Merk- malen (Lumbalschmerzen) beschrieben werden. Die Affektion wird als gutartig angesehen, kann aber chronisch werden. Patholo- gisch-anatomische Untersuchungen wurden nur in geringem Aus- mass vorgenommen. Klinge (1933) untersuchte metodisch die Nieren von Patienten, die im Verlauf einer rheumatischen Attacke gestorben waren und fand teils fokale Nephrifen vom T y p Lohlein, teils subakute diffuse Glomerulonephrifen. Dariiber hinaus fand er aber auch in sechs Fallen, bei denen er Serienschnitte von ver- schiedenen Teilen der Nieren anfertigte, periuasculare lymphocytare Inflammafionsherde und in einem Fall Arterio- und Arteriolo- Nekrose mit Bildung von eigentiimlichen Knoten, die aus ephithe- loiden Zellen, grosseren und kleineren Lymphozyten und poly- nuclearen Zellen zusammengesetzt warcn. Er betrachtet die peri- vasculare lymphocytare Inflammation als typisch fur die Nieren bei akutem Rheumatismus (Polyarthritis). Craciun, Visineanu, Gingold und Ursu (1933) beschreiben Falle, die sie akute rheuma- tische Nephropathie nennen, wo der pathologisch-anatomische Befund aus einer Pauciglomerulitis in Form einer proliferativen und desquamativen Capsulitis ohne Halbmondbildungen und ohne Leukozytose oder interstitielle Veranderungen bestand und die in eine adhasive Capsulitis mit schliesslicher Fibrosis der Glomeruli iiberging. Die Affektion verliefe ohne Hamaturie, haitte somit nicht das vollstandige klinische Bild einer akuten Glomerulo- nephritis.

Die knappen pathologisch-anatomischen Datcn konnen also dahin zusammengefasst werden, dass wir bei rheumatischer Nephri- tis, ausser dem ublichen Bild einer (fokalen oder) diffusen Glome- rulonephritis auch Bilder antreffen, die wir nicht gewohnt sind, bei weinen)) Fallen diffuser Glomerulonephritis zu finden.

Salvesen berichtct iiber 6 von ihm selbst beobachtete Fallc, wo die Diagnose rheumatische Nephritis infolge gleichzeitiger oder in unmittelbarer Folge aufeinander auftretende Polyarthritis und Nephritis gestellt wurde. Bei 5 dieser Falle war das klinische Bild und ihr Verlauf der gleiche wie bei einer ordinaren diffusen Glome- rulonephritis, bei dem sechsten Fall traten in einer eigenartigen Form abwechselnd Gelenk- und Nierensymptome auf. Patho-

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logisch-anatomische Untersuchungen wurden nicht vorgenommen. Weiterhin findet er einerseits, dass von 286 Patienten rnit akuter oder chronisch diffuser Glomerulonephritis 28 oder 10 % Poly- arthritis reumatica in der Anamnese hatten (kierin nicht ein- berechnet sind die 6 relatierten Falle) und dass andererseits von 212 Patienten mit Polyarthritis reumatica 10 oder 4.7 yo akute diffuse Glomerulonephritis hatten. Er rechnet also rnit 16 Fallen yon rheumatischer Nephritis bei einem Material von 212 Poly- arthritis reumatica plus 286 akuten und chronischen Glomerulo- nephriten, was 3.2 yo der ganzen Patientenanzahl entspricht oder mit anderen Worten: 16 Falle von rheumatischer Nephritis unter 296 diffusen Glomerulonephriten = 5.4 yo. Seine Schlussfolgerun- gen laufen darauf hinaus, dass die rheumatische Nephritis nicht so selten ist, wie lltere Autoren glaubten und dass ihre Prognose (Neigung chronisch zu werden) ungiinstiger ist, als man fruher annahm, weshalb Veranlassung vorlage, der Affektion grossere Aufmerksamkeit als bisher zu widmen. Aus der Arbeit geht weiter hervor, dass Salvesen die Moglichkeit rheumatischer Nephriten ohne oder mit geringen Symptomen von Gelenken und Herz vor- aussetzt; deshalb empfiehlt er Salicyltherapie sowohl bei rheuma- tischen Nephriten und Nephritis unbekannter 8tiologie. Er hebt auch Edstrom’s Beobachtungen uber die grosse Parallelitat zwi- schen diffuser Glomerulonephritis und Polyarthritis reumatica nicht nur vis A vis pathogenetischer und epidemiologischer sondern auch vis A vis geographischer Ausbreitung, Saison- und Alters- variationen hervor und stellt seine eigenen Beobachtungen den- jenigen Edstrom’s gegenuber.

Als Erganzung zu Salvesen’s Arbeit und Literaturiibersicht kann erwahnt werden, dass Volhard nur selten eine Nephritis bei Polyarthritis reumatica gefunden hat und dass nach Fishberg’s Auffassung eine wirklich echte Glomerulonephritis nur in Aus- nahmefallen eine Polyarthritis kompliziert. Fishberg zitiert Rolly, der unter mehreren tausend Fallen von Polyarthritis nicht mehr als 0.67 yo akute Nephritis fand. Auch von diesen konnten nicht alle als echte diffuse Glomeruloncphriten betrachtet werden. Veil wiederum ist der Auffassung, dass akute Nephritis eine oisolierte Manifestation)) von rheumatischem Fieber darstellt und gibt eine Charakteristik des klinischen Bildes einer solchen Nephritis, eine Beschreibung, die dem Leser jedoch nichts anderes sagt, als die

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Beschreibung einer b)gewohnlichen* Glomerulonephritis. Baehr und Schifrin untersuchten die Nieren von 235 Patienten, die an rheuma- tischer Herzaffektion gestorben waren und fanden nur 3 Falle von Glomerulonep hritis.

Einc Synthese der Literaturangaben scheint pro primo zu ergeben, dass der Begriff rheumatische Nephritis recht diffus ist und dass pro secundo Autoren, die mit diesem Begriff umgehen, eine rheumatische Nephritis fur selten halten (mit Ausnahme von Salvesen, der betont, dass die rheumatische Nephritis kein allzu seltenes Leiden ist).

Wahrend der Jahre 1935-1939 hatte ich Gelegenheit, in den1 StengSrd-Krankenhaus 120 Falle von diffuser Glomerulonephritis selbst zu untersuchen und zu verfolgen. Eine Analyse dieses Mate- rials rnit Hinblick auf das Vorkommen von rheumatischer Nephritis ergibt als Hesultat 22, nachstehend summarisch wiedergegebene Falle:

Fall 1. Journ. Nr. 795/35. L. K. 25jahrige, weibliche Biiroangestellte. - Aufnahme 1. 4. 1935. Vor 10 Tagen Angina mit Fieber ad 38'. I n den letzten Tagen Schmerzen, Anschwellungen und Empfindlichkeit in ver- schiedenen, grossen Gelenken. Einige Tage leicht geschwollenes Gesicht. Ham: Albumin 0.2 promille, E. - L. granulierte und Zellen-Zylinder. Reststickstoff 46 mg %. R. R. 145/100. S. R. 100 mm/l Std. - Nach &inem Monat symptomfrei.

Fall 2. Journ. Nr. 688/35. 0. R. 39jahrige Arbeiter-Ehefrau. - Auf- nahme 13. 3. 1935. Vor 2 Wochen Angina mit Fieber ad 38'. Seit einigen Tagen wieder Fieber, Schmerzen, Anschwellungen und Empfindlichkeit in den meisten Gelenken. Harn dunkel, Gesicht und Unterschenkel ge- schwollen. Starke Kopfschmerzen. Ham: Albumin 1 promille. E. + L. + granulierte Zylinder. R. R. nur 115 mm Hg, sinkt aber wahrend der Kon- valeszenz auf 95 mm Hg und wird dabei fixiert. S. R. 93 mm/l Std. - Nach einem Monat symptomfrei, abgesehen von vereinzelten Erythrozyten i m Harn.

Fall 3. Journ. Nr. 349/35. S. M. 25jahrige, weibliche Buroangestellte. - Aufnahme 5. 1. 1935. Vor 4 Jahren Gelenkrheumatismus. Keine An- gina. Vor 5 Tagen migrierende Anschwellung, Schmerzen und Empfind- lichkeit in den grossen Gelenken. Kopfschmerzen, Atemnot und An- schwellung der Augenlider. Harn: Albumin 1 promille, E. +, L. +, granulierte und Erythrozyten-Zylinde. R. R. 130/90, sinkt wahrend der Konvaleszenz auf 90 mm Hg. S. R. 121/1 Std. Nach 3 Monaten Gelenke symptomfrei, im Harn Spuren von Eiweiss und sparliche Erythrozyten.

Fall 4. Journ. Nr. 2679/36. N. K. 30jahriger Landwirt. - Aufnahme 20. 11. 1936. Tonsillotomie vor 20 Jahren. Mitte September Otitis.

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B E I T R A G E Z U R P R A C E D E R A L L E R G I S C H E N P A T H O G E N E S E USW. 193

2 Wochen spater Schmerzen, Anschwellungen und Empfindlichkeit in den Beingelenken. Wurde in das Provinzialkrankenhaus zu Tavastehus aufgenomrnen, wo ausser Polyarthritis eine Nephritis rnit reichlicher Albuminuric, Hamaturie, Blutdruck um 165 m m Mg und odeme konsta- tiert wurden. Jetzt Albumin 0.2 promille, 12. +, L. +, Zylinder ver- schiedener Art. R. R. 140/90 mm Hg. S. R. 9 mm/l Std. Reststickstoff 40 mg %. Gelenksymptome abgeklungen. - Wurde nach 4 Tagen un- behandelt entlassen.

Fall 6. Journ. Kr. 1493/36. L. V. 33jahrige, weihliche Biiroangestellte. - Aufnahme 18. 5 . 1936. Vor 6 Jahrcn Angina und Gelenkrheumatismus, danach Klappenfchlcr. Vor 3 Wochen Angina und dann eine Woche Schmerzen, Anschwellungen und Empfindlichkeit in den meisten grosseren Gelenken und Fingergelenken. Leichte Anschwellungen im Gesicht und an den Unterschenkeln. Cor mitrale. Harn: Albumin 2 promille, E. +, L. +, granulierte und Zellen-Zylinder. R. N. 50 mg %. R. R. 165 mm Hg. S. R. 72 mm/l Std. - Entlassung nach 3 Monatcn mit Albumin +, R. R. 140 mm Hg iind Hyposthenurie. Gelenke frei bis auf gelegentliche Sch merzen.

Fall 6. Journ. Nr. 463/36. L. A. 59jHhrige Frau. - Aufnahme 20. I . 1936. Vor 2 y2 Jahren in der Diakonisscnanstalt zu Helsingfors wegen einer akuten Polyarthritis und Nephritis behandelt. Dic Gelenke wurden ge- sund, die Nephritis verblieb. Bei der Aufnahme uriimisch. R. R. 215/100, odeme im Gesicht und an den Beinen. Harn: Albumin +, E. +, L. +, granulierte und hyaline Zylinder. Exitus innerhalb des ersten Tages.

Fall 7. Journ. Nr. 1133/36. R. V. 35jahriger Schneider. - Aufnahmr 12. 5. 1936. Friiher, im Novcmber 1935, im Krankenhaus rnit einer akuten Polyarthritis und einer Nephropathie mit niedrigem Blutdruck, jedoch niit Hamaturie und reichlichem Albumin. Entlassung auf eigenen Wunsch. Jetzt diverse Gelenke etwas geschwollen, schmerzend und empfindlich. Cor mitrale. Das Bild einer Nephrosonephritis, Albumin urn 10 promille herum, splrlichr Erythrozyten, Leukozyten und granuliert,e Zylinder. Hyposthenurie. Reststickstoff 56 mg "/. R. R. 115 mm Hg. Zeitweise generalisierte odeme. Hohe Blutcholesterinwerte. - Entlassung nach 2 Monaten mit unverandertem Status.

Fall 8. Journ. Nr. 536/36. 0. K. 22jahriger Biiroangestellter. - Auf- nahme 1. 2. 1936. Keine Angina. 1932 und 1935 Gelenkrheumatismus nach Erkaltung. 1934 wurde Cor mitrale konstatiert. Ende Januar ,Er- kidtungo, einige "age spiiter Schmerzen, Anschwellungen und Empfind- lichkeit in einer grossen Anzahl Gelenke. Augenlider geschwollen. Harn: Albumin ca. 1 promille, E . +, I,. +, liyaline, granulierte und Zellen- Zylinder. R. R. sinkt von 130 auf 100 mm Hg. S. R. 79 mm/l Std. Coin mitrale. - Nach einer Woche ohne Gelenksymptome, jedoch rnit persi- stierenden IIarnbefunden entlassen.

Fall 9. Journ. Nr. 554/37. I . A. 4Ojahrige Arbeiter-Ehefrau. - Aufnahme 19. 1. 1937. Um Weihnachten Angina. Eine Woche spater I 3 - A d a med. scandinav. Val. C V I .

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194 M . CH. E H R S T R ~ M .

Schmerzen, Anschwellungen und Empfindlichkeit in verschiedenen Ge- lenken, die seitdem samtlich mit migrierendem Charakter krank waren. Seit einer Woche Gesicht, Hande und Fiisse geschwollen, Hals wiedcr enziindet. Ham: Albumin 7.5 promille, E. +, L. +, granulierto und Zellen- Zylinder. R. R. sinkt langsam von 140/100 auf 110/75 mm Hg. S. R. 17 mm/l Std. R. N. 26 mg %. - Nach 4 Monaten entlassen mit R. H. 110/75 mm Hg, hat aber leichte Hamaturie und Albuminurie. Gelenke frei.

Fall 10. Jourxi. Nr. 1645/37. T. 0. 35jiihriger Arbeiter. - Aufnahme 30. 10. 1936. Vor 3 Wochen Angina. Harn damals als eiweissfrei konsta- tiert. Eine Woche spater Schmerzen, Anschwellungen und Empfindlich- keit in samtlichen grosseren Gelenken und vor einer Woche starke An- schwellungen im Gesicht und an den Beinen. Bei der Aufnahme Gelenke frei. Harn: Albumin 3 promille, E. +, L. +, granulierte und Zellen- Zylinder. Hyposthenurie. Reststickstoff 67 mg %. R. R. 142/100 mm Hg. S. R. 79 mm/l Std. - 16. 6. 1937 Exitus an Uramie nach einer langeren Periode von Isosthenurie. R. R. stieg auf 160/125. Gelenke teilweise ange- griffen, Anfang Mai eine Skleritis.

Fall 11. Journ. Nr. 1091/38. I. G. 35jahrige, weibliche Biiroangestellte. -- Aufnahme 19. 3. 1938. Seit dem 11. Lebensjahr dreimal nach Angina Gelenkrheumatismus und Chorea, zuletzt 1932. 1936 wurde Nephritis konstatiert, Blutdruck damals 165 mm Hg. Einige Wochen Schmerzen und leichte Anschwellungen in verschiedenen Gelenken. Harn: Albumin 0.5 promille, E. +, L. +, hyaline Zylinder. R. R. 250/180 mm Hg. S. R. 4 mm. Creatinin clearens 68.5 %. Reststickstoff 32 mg %. - Entlassen 28. 4. mit ziemlich unverandertem Status.

Fall 12. Journ. Nr. 331/38. W. G. 29jahriges Dienstmadchen. - Auf- nahme 22. 12. 1938. 12. 12. Angina, 10 Tage spater leichte Anschwellung im Gesicht, starke Riickenschmerzen. Ham: Albumin + +, E. +, I,. 4 , granulierte und Zellen-Zylinder. R. R. 140 mm Hg, sinkt wahrend der Konvaleszenz auf 110 mm Hg. Reststickstoff 35 mg yo. S. R. 80 mm/l Std. 4. 1. wieder Angina und akute Polyarthritis. - 2. 2. 1938 bis auf noch hohe S. R. (40 mm/l Std.) als symptomfrei entlassen.

Fall 13. Journ. Nr. 890/38. H. 0. 32jahriger Arbeiter. - Aufnalime 25. 2. 1938. Vor 5 Jahren Gelenkrheumatismus, seitdem oft Perioden mit Oelenkanschwellungen und Schmerzen in den Gelenken. Vor 2 Wochen Angina. Eine Woche spater leichte Anschwellung im Gesicht. Vor 2 Tagen Gesicht und Beine stark geschwollen, auch die meisten Gelenke geschwollen, empfindlich und schmerzhaft. Harn: Albumin 2 promille, E. +, L. +, granulierte und Zellen-Zylinder. R . R. 150/100 mm Hg, sinkt wahrend der Konvaleszenz auf 110/65 mm Hg. Reststickstoff 28 mg %. 8. R. 46 mm/l Std. Cor mitrale. Nach zwei Monaten symptomfrei entlassen.

Fall 14. P. S. 47jiihriger Kontorschef. - Am 5. 6. 1939 in das Eira- Krankenhaus autgenommen. Vor 5 Jahren Zahninfektion mit Gelenk- rheumatismus und ,Myocarditisa. Vor zwei Monaten wurde normaler

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B E I T R A C E ZUR P R A G E D E R ALLERCISCHEN P A T H O G E N E B E usw. 195

Blutdruck konstatiert. Chronische Tonsillitis rnit oft vorkommender deichter Anginas. Gestern plotzlich einstundiger Gedachtnisschwund, gleichzeitig linkes Auge blind. Harn: Albumin 5 promille, E. +, L. +, granulierte und Zellen-Zylinder. Gesichtsodem und Odeme an den Unter- schenkeln. R. R. 170/130 mm Hg. R. N. 50 mg %. S. R. 80 mm/l Std. Einige Tage nach der Aufnahme migrierende Polyarthritis. - Gelenk- symptome verschwanden nach ca. 6 Wochen, die Nephritis nahm das Bild einer Nephrosonephritis rnit starker Odemtendenz an. Nach einem Jahr Nierenstatus der gleiche, mit Rehberg 100 cmslmin. und 12-20 promille Eiweiss. R. R. 200/130.

FalI 16. Journ. Nr. 688/39. L. K. 14jahriges Madchen. - Aufnahme 28. 1. 1939. Mit 5 Jahren Angina mit Gelenkrheumatismus und Herz- fehler. Erkrankte 12. 1. rnit Halsentziindung und jetzt einige Tage Schmerzen im Kreuz, leichte Gesichtsodeme. Harn: Albumin 0.5 promille, E. +, L. f, vereinzelte Zylinder. Reststickstoff 35 mg %, sinkt auf 25 mg %. Blutdruck 126 mm Hg. - 16. 2. symptomfrei.

Fall 16. K. T. 30jiihriger Kaufmann. Privatpatient 10. 3. 1938. Vor 9 Jahren Polyarthritis nach Angina. Jetzt R. R. 185/110. Harn: Albu- min +++, E. +, L. f , granulierte Zylinder. Hyposthenurie. R. N. 50 mg yo.

F d l 17. Journ. 451/39. S. M. 26jahrige Naherin. - Aufnahme 26. 9. 1938. Vor 5 Jahren Angina und Polyarthritis. Vor einem Monat Angina und einige Wochen spater starke Anschwellungen im Gesicht und am Unterkorper. Harn: Albumin 4 promille. E. +, L. +, hyaline und granu- lierte Zylinder. Reststickstoff 42 mg %, R. R. 200/110 mm Hg. S. R. 80 mm/l Std. - Im Januar 1939 Hyposthenurie, Reststickstoff 52 mg %, Indikan f, R. R. 200 mm Hg, Albumin 2-4 promille.

FdZ 18. Journ. 809/38. K . F. 55jahriger Schneider. - Aufnahme 16. 2. 1938. Vor 2 Jahren Gelenkrheumatismus nach Angina. Um Weih- nachten 1937 Angina, Ruckenschmerzen, dunkler und sparlicher Harn. Harn: Albumin 4 promille, E +, L. +, granulierte Zylinder. Hyposthen- urie. Reststickstoff 40 mg %. R. R. 240/140 mm Hg. S. R. 47/1 Std. - Nach einem Monat Exitus an Uramie rnit Reststickstoff. 85 mg %, Indikan +.

Fall 10. Journ. Nr. 1619/37. K. E. 38jahrige Frau. - Aufnahme 18.5.1937. Vor 2 Jahren Gelenkrheumatismus nach Angina. Vor 3 Wochen Angina. Seitdem Atembeschwerden und starke Anschwellungen im Ge- sicht und an den Beinen. Harn: Albumin 6 promille, E. f, L. +, hyaline, granulierte und Zellen-Zylinder. Reststickstoff 34 mg %. R. R. 175/100 mm Hg. Pleuraschwarten auf beiden Seiten. - 3. 6. R. R. 155/95, Albumin 0.5 promille, Sediment sparlicher, Odeme verschwunden.

FaU 20. Journ. Nr. 458/37. M. U. 16jahriger Laufbursche. - Auf- nahme 9. 1. 1937. Jedes Jahr mehrere Male Angina im Verlauf von drei

S. R. 103 mm/l Std.

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196 M. CH. EHnSTROM.

Jahren, wonach sich Cor mitrale entwickelte. Vor 3 Worhen Angina. Vor 4 Tagen Anschwellungen im Gesicht und an den Beinen, Atemhi.- schwerden und spiirlicher Harn. Harn: Albumin 3.5 promille, E. +, L. -+ , granulierten und Zellen-Zylinder. Myposthenurie. Reststickstoff 40 nig y;, . R. R. 160 mm Hg. S. R. 31 mm/l Std. Hydroperirwdiurn und Lungen- stauung. - 27. 2. Alburnin- und Sedimentfrei, R. R. 110 mm Hg, Odcmr verschwunden.

Fall 21. Journ. Nr. 317/36. W. E. 35jiihriger Monteur. - Aufnahnie 19. 12. 1935. Oft Angina, vor 3 Jahren wurde Cor mitrale konstatiert. Vor 2 Wochen Schnupfen, I-lusten und Halsentziindung. Heit cinigen: Tagen Atemnot, Anschwellungen irn Gesicht und an den Beinen. l larn Albumin 3 promille, E. +, L. +, granulierte und Zellen-Zylinder. Hyposthenurie. Reststickstoff 92 mg yo. R. R. 160/100 mm Hg. S. R. 110 mm/l Std. - 1. 2. 1936 Spuren von Albumin, R. R. 125/75 rnm Ilg.

Fall 22. Journ. Nr. 1166/35. R. A. 2ljiihrige Iiellncrin. - Aufnahinc 4. 6. 1935. Vor 2 Jahren Angina mit darauffolgendeni Gelenkrheumatismus. Vor ca. 3 Wochen Angina, die nach einer Woche rexidivierte. Seit einigen Tagen Anschwellungen im Gesicht und an den Beinen. Harn: Albumin 8 promille, E. +, L. +, hyaline und graiiulierte Zylinder. Reststickstoff 51 mg %. R. R. 150/105 mm Ilg. 8. R. 47 mm/l Std. -N~ach 3 1/2 Monatrn Albumin c,a. promille, R . R. 140/90 mm Hg. Keine odeme.

Diskussion.

Die Falle 1-14 cntsprechen der Definition des Bcgriffcs rheu- matische Nephritis, namlich diffuse Glomerulonephriten niit &lc- men und Hypcrtonie, die iiri unmittelbaren Anschluss an cine akute Polyarthritis auftraten. In den Fallen 15-22 tratcn bci deni gleichen Patienten sowohl Polyarthritis und Nephritis auf, jedoch zii verschiedencn Zeiten. Die Zeitintcrvallc crstrecken sirli auP 2-9 Jahre. In sieben der Falle von der ersten Gruppe ist akute Polyarthritis zwei oder inelirere Male im Lebcn des Patienten ent- standen.

In dem 120 Falle umfassenden Material von diffusen Glomcrulo- neyliriten t ra t also wheumatische Nephritis)) bei 11.5 yo auf und bei 18.3 Yo der Falle entstanden Polyarthritis und Nephritis 1)ei der gleichen Person. Diese Ziffern sind bcmcrkenswert hohere als Salvesen's und zeigen tatsachlich cine griissere Frequenz von wheumatischer Nephritis)) als andere Autoren friiher berichtetcn.

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Es diirfte schwer halten, diesen Sachverhalt abschliessend zu erklaren. Eine plausible Erklarung, die auch von Salvesen ange- deutet wurde, findet man, wenn man die u. a. von Edstrom gezeigte grosse Parallelitat in der geographischen Ausbreitung und Saison- variation zwischen Polyarthritis reumatica und diffuser Glome- rulonephritis in Beriicksichtigung zieht. Wahrscheinlich haben wir mit klimatologischen Faktoren zu tun , die die Frequenz der Polyarthritis und Glomerulonephritis in verschiedenen Landern bestimmt. So hat z. B. Pel eine wschreckende Haufigkeito von Nephriten in einem Klima mit vorherrschend nasskaltem, sehr unbestandigen Wetter, ))an den Meereskiisten nordlicher Gegendenn gefunden. Die Haufigkeit von Polyarthritis in solchen Gegenden ist allgemein bekannt. Es erscheint daher natiirlich, dass Salvesen in Nonvegen und ich in Finnland eine grossere Frequenz der Kom- bination Polyartliritis-Glomerulonephritis als Autoren siidlicherer Lander gefunden haben.

Wie aus der Literaturiibersicht hervorging, wird die rheuma- tische Nephritis im Einklang mit ihrem Namen als eine durch Polyarthritis bedingte Nephritis aufgefasst und man hat nach klinischen und pathologisch-anatomischen Kennzeichen zur Unter- scheidung zwischen rheumatischer Nephritis und Nephritis anderer &.iologie gesucht.

Das klinische Bild bei der sogenannten rheumatischen Nephritis, gemass den Beschreibungen in der alteren Literatur, denjenigen Salvesen’s und den Beobachtungen bei meinen eigenen Fallen unterscheidet sich abgesehen von den Sy’mptomen, die auf Poly- arthritis zuriickzufiihren sind, nicht von Bild einer anderen diffusen Glomerulonephritis. Die fur rheumatische Nephritis charakteris- tischen Schmerzen im Kreuz waren bei Salvesen’s Fallen nicht vorhanden, wohl aber bei 3 meiner Falle. Andererseits treten Riickenschmerzen als ein nicht seltenes Symptom bei Nephriten auf, die keinen Zusammenhang mit polyarthritischen Attacken gehabt haben. Von meinen Fallen wurde, im Gegensatz zu der im Allgemeinen hervogehobenen giinstigen Prognose, wenigstens 10 chronisch und 2 fiihrten zum Tode.

Die pathologisch-anatomischen Untersuchungen haben ge- zeigt, dass es unter den rheumatischen Nephriten Falle gibt, die sich von anderen Nephriten nicht unterscheiden, dass aber auch Verhderungen spezifischer Natur vorkommen. Diese patholo-

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gisch-anatomischen Feststellungen sind also das Einzige, was fur die Notwendigkeit einer Unterscheidung der rheumatischen Nephri- tis von der gewohnlichen diffusen Glomerulonephritis spricht.

Von meinen 14, als wheumatische Nephritis, rubrizierten Fallen traten 9 nach einer Angina tonsillaris und 2 nach Infektionen der oberen Luftwege einschliesslich der Ohren auf. Bei samtlichen 8 Fallen (einer unsicher), wo ein langerer Zeitraum zwischen Nephri- tis und Polyarthritis lag, ging Angina der Polyarthritis oder Nephri- tis, oder aber beiden voraus.

Man kann also konstatieren, dass in den 22 Fallen Angina ionsillaris das eine Ma1 Polyarthrifis, das andere Ma1 Nephritis und das drirte Ma1 wheumatische Nephritis,, d . h. Glornerulonephrifis und Polyarthritis gleichzeifig im Gefolge harte.

Man fragt sich, ob es unter solchen Umstanden iiberhaupt moglich ist, den Begriff rheumatische Nephritis beizubehalten, d. h. die Falle von Nephritis, welche gleichzeitig mit Polyarthritis entstanden, in einc Sonderklasse zu bringen und sie als rheumatische Nephritis zu rubrizieren. Die Folge wiirde die sein - welche Konse- quenz auch Salvesen zog - dass sich unter den postanginosen Nephriten, die in ihrer Krankheitsgeschichte kein deutliches rheu- matisches Fieber haben, doch Fhlle von werborgenen rheuma- tischen Nephriten, befinden konnten. Wir hatten also mit zwei Gruppen von postanginosen Nephriten zu' rechnen: den rheumati- schen und den ugewohnlichen,.

Einfacher und klinisch ansprechender ist die Erklarung des Phanomens, die auf der Auffassung fusst, dass sowohl Glomerulo- nephritis und Polyarthritis auf allergischen Weg entstehen. Diese Erklarung lauft darauf hinaus, dass bei einer Sensibilisierung des Organismus bei Angina tonsillaris mit darauffolgender allergischer Reaktion diese Reaktion auf verschiedene Weise vor sich gehen kann. Man kann von einer rheumatischen und einer nephritischen Reaktion sprechen. Bei der ersteren werden vorzugsweise die Gelenke zu Schockorganen, die fur die Reaktion typischen pathologischen Veranderungen treten aber nicht nur in den Gelenken sondern auch in anderen Organen, wie Herz, Arterien, Lungen und Nieren auf. Bei der letzteren werden hauptshchlich die Nieren zu Schock- organen, der fur die Reaktion typische Kapillarschaden und Arte- riolspasmen treten aher auch in anderen Organen, wie Haut, Herz, den serosen Hhuten und Gehirn auf. Die rheumatische Reaktion

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BEITRACE Z U R P R A C E D E R ALLERGISCHEN P A T H O C E N E S E usw. 199

ruft das klinische Bild einer akuten Polyarthritis reumatica mit ihren Symptomen von Gelenken und Herz hervor. Die patholo- gisch-anatomischen Veranderungen in anderen Organen ver- bleiben im grossen und ganzen klinisch stumm. Die nephritische Reaktion ruft das klinische Bild einer diffusen Nephritis mit ihren Symptomen von der Haut (Odeme) und serosen Hauten (Ergusse) hervor.

Exogene und endogene (teilweise unbekannte) Faktoren sind entscheidend dafur, ob die postanginose allergische Reaktion sich fur die rheumatische oder nephritische Reaktionsart - oder beide gleichzeitig - bestimmt. In dem ersteren und letztgenannten Fall (wheumatische Nephritis))) ist es klar, dass man in den Nieren pathologisch-anatomische Veranderungen antreffen kann, die auf dcr rheumatischen Reaktion beruhen, aber diese Verdnderungen haben in den meisien Fallen nichts mit der klinischen Manifesfafion der diffusen Glomerulonephritis zu fun, sondern bleiben klinisch stumm. Die von Klinge gefundenen perivascularen, lymphocytaren Inflam- niationsherde und epitheloiden Knoten sowie Craciun’s Pauciglo- merulitis scheinen ihre Erklarung offenbar auf diese Weise zu finden.

Durch die Anwendung der allergischen Erklarungsform in der Frage der rheumatischen Nephritis kommt man gewissermasscn zu einem uberraschenden Resultat.

Einerseits findet man, dass der klinische Begriff rheumatische Nephritis ganz und gar abgeschafft werden kann: vom allergisch- pathogenetischen Gesichtspunkt aus existiert kein Unterschied zwischen einer diffusen Glomerulonephritis, die allein oder in Kombination mit Polyarthritis auftritt. Man kann, wenn man will, den Namen rheumatkche Nephritis fur die pathologisch-anatomi- schen Veranderungen beibehalten, die bei Polyarthritis in den Nieren angetroffen werden, in den meisten Fallen aber klinisch stumm bleiben.

Andererseits sind gerade diese Falle, wo bei einem Patienten nach einer Angina das eine Ma1 Polyarthritis, ein anderes Ma1 Nephritis und ein drittes Ma1 sowohl Polyarthritis und Nephritis entstehen, dazu angetan, die Theorie von der allergischen Patho- genese der rheumatischen Polyarthritis und diffusen Glomerulo- nephritis zu starken. Sie gehoren zu der gleichen Klasse, wie die friiher relatierten Falle, wo Polyarthritis und Glomerulonephritis mit anderen allergischen Affektionen kombiniert wurden.

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200 M . CH. E H R S T R O M .

Schluss folgerung.

Der Umstand, dass rheumatische Polyarthritis und diffuse Glomerulonephritis bei demselben lndividuum oft gleichzeitig oder in geringen Zeitanstanden auftreten, ist geeignet, die Theorie von der allergischen Pathogenese dieser Affektionen zu starken. Der klinische Begriff rheurnatische Nephritis, der gebildet wurde, urn eine Nephritis zu charakterisieren, die wlihrend oder im unmittel- baren Anschluss an eine rheumatische Attacke auftritt, kann ab- geschafft werden, wenn man die Theorie von der allergischen Pathogenese der rheumatischen Polyarthritis und diffusen Glomc- rulonrphritis akzeptiert.

Zusammenfassung und Konklusionen.

Es war das Ziel dieser Ausfuhrungen, die Aufmerksamkeit auf Falle zu lenken, wo diffuse Glomerulonephritis unter Beglrit- umstanden auftritt, die fur eine allergische Pathogenese sprechen.

1. Es wurde iiber 2 Falle von Nahrungsmittelallergie berichtet, bei denen die Zufuhr des Allergenes die klinischen Bilder von diffuser Glomerulonephritis (und subakuter Polyarthritis) hervor- rief. Die Wahrscheinlichkeit liegt nahe, dass es unter Nephriten (und Polyarthriten) einige Falle gibt, die auf Basis von nicht- bakterieller Allergie entstehen.

2. Es wurde uber Falle von diffuser Glomerulonephritis und Albuminurie bei Asthma bronchiale berichtet und die Vermutung ausgesprochen, dass diese Nierenaffektionen auf der gleichen allergischen Basis wie das Asthma entstanden.

3. Es wurde uber Falle berichtet, wo diffuse Glomerulonephritis, Polyarthritis und Erythema nodosum unter Begleiturnstanden auftraten, die fur eine allergische Pathogenese dieser Affektionen sprechen.

4. Es wurde eine kurze Literaturiibersicht uber den Begriff rheumatische Nephritis gegeben und uber 14 eigene Falle berichtct, die diesem Begriff entsprechen. Es hat sich gezeigt, dass die Kom- bination Nephritis-Polyarthritis als postanginose Komplikation in Finnland keine Seltenheit ist und dass Nephritis und Poly- arthritis ost bei demselben Individuum auftreten. Die Nephriten, die gleichzeitig mit Polyarthritis auftreten, scheinen keine he-

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B E I T R A G E Z U R F R A G E D E R A L L E R G I C S H E N P A T H O G E N E S E usw. 201

sonderen klinischen Kennzeichen aufzuweisen, die zu der Schaffung des klinischen Begriffes wheumatische Nephritis, berechtigen. Pathologisch-anatomische Kennzeichen bei diesen Nephriten scheinen in den meisten Fallen klinisch stumm zu verbleiben und konnen dem gleichzeitigen Vorhandensein rheumatischer Affek- tionen zugeschrieben werden. Wenn man die Theorie von der allergischen Pathogenese der rheumatischen Polyarthritis und diffusen Glomerulonephritis akzeptiert, kann der klinische Be- griff rheumatische Nephritis abgeschafft werden und Nephriten, die im Verlaufe einer rheumatischen Attacke auftreten, konnen klinisch anderen Nephriten gleichgestellt werden. Der Begriff rheumatische Nephritis wiirde somit nur eine pathologisch-anato- mische Bedeutung erhalten.

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