Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich · ses bietet z. B. Jeannine Fiedler, Bauhaus....

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Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie OGM Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich BMÖ 32 | 2016

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Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 32 | 2016

Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich32 | 2016

Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie

OGM

Wien 2017

Der Druck dieses Bandes wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Kultur, Wissenschaft und Unterricht – Abteilung Wissenschaft und ForschungMagistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 7 – Kultur

Alle Rechte vorbehalten© 2017 by Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie, Wien

Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie, Franz-Klein-Gasse 1, 1190 Wienhttp://www.univie.ac.at/oegm

ISSN: 1011-0062ISBN: 978-3-9500851-8-1

Redaktion: Stefan EichertLektorat: Hans Müller, Stefan Eichert

Englisches Lektorat und Übersetzungen: Paul Mitchell, Natascha Mehler, Stefan EichertLayout, Satz und Gestaltung: Karin Kühtreiber

Cover Fotos bzw. Grafiken: Oben links: © Imagno, Wien. Oben rechts: Kartengrundlage: digitales Geländemodell (© Land Niederösterreich); Bearbeitung: Julia Klammer. Mitte links u. unten rechts: Gabriele Gattinger. Mitte rechts: Archiv

Regional- Museum Nikolsburg. Unten links: Werner Murgg. Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau

Inhaltsverzeichnis

Paul GleirscherZur Gründung des Klosters St. Johann in Müstair (Graubünden). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Lukas WertherSiedlungs- und Sozialstrukturen zwischen Spätantike und Hochmittelalter. Archäologische Studien zur Entwicklung einer Siedlungskammer in Nordbayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Adéla Balcárková, David Kalhous und Stefan EichertZur Entwicklung der Grenze im mährisch-österreichischen Grenzgebiet während des 11.–12. Jahrhunderts und zur Rolle der Befestigung von Nikolsburg/Mikulov . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Werner Murgg, mit Beiträgen von Levente HorváthAbgekommene mittelalterliche und frühneuzeitliche Wehrbauten in den Bezirken Hartberg-Fürstenfeld und Südoststeiermark, Steiermark. Aufnahme der Bodendenkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Julia Klammer(Alt-)Wegenetze – Kartierung und Datierung. Aufnahme und Untersuchung des Wegenetzes im nördlichen Dunkelsteinerwald (Niederösterreich) anhand von flugzeuggetragenen Laserscanaufnahmen sowie historischem und modernem Plan- und Kartenmaterial . . . . . . . .135

Elaine Engels, Stefan Etzler, Sophie Habinger, Lilla Kálmánova und Claudia TheuneEin Latrinenbefund aus Salzburg, Sternbräu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Gabriele Scharrer-LiškaEine kleine Henkelflasche aus grafitgemagerter Keramik aus Krummnußbaum, Niederösterreich. Überlegungen zum Kulturtransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Buchrezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

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Buchrezensionen

Silvia Glaser (Hrsg.), Keramik im Spannungsfeld zwischen Handwerk und Kunst. Beiträge des 44. Internationalen Symposiums Keramikforschung im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, 19.–23. September 2011. Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2015. 328 Seiten, 343 meist farbige Abbildungen. Broschur. ISBN 978-3-936688-93-1.

Die vorliegende, reich mit Schwarzweiß- und Farbabbildun-gen illustrierte Publikation in ausgezeichneter Papier- und Druckqualität beinhaltet die Vorträge des 2011 am Germa-nischen Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg abgehalte-nen 44. Internationalen Symposiums für Keramikforschung in gedruckter Form. Die Internationalen Symposien für Keramikforschung werden vom Arbeitskreis für Keramik-forschung seit 1968 einmal jährlich im deutschsprachigen Raum abgehalten1 und verstehen sich als Forschungs- und Diskussionsforum für Keramikfachleute verschiedener Dis-ziplinen (darunter Archäologie, Kunstgeschichte, Ethnolo-gie und Materialforschung) und Keramikern aus der Praxis. Durch die interdisziplinäre Ausrichtung des Arbeitskreises werden im Rahmen der Symposien breite Themenspektren abgedeckt. Um diese Breite zu bändigen, stehen die Tagun-gen jeweils unter einem Oberthema. Wie bereits dem Pu-blikationstitel zu entnehmen, wurde während des Sympo-siums 2011 in Nürnberg Keramik im Spannungsfeld zwischen Handwerk und Kunst untersucht.

Einem Vorwort des Generaldirektors des Germani-schen Nationalmuseums, Ulrich G. Grossmann, und der Sammlungsleiterin Gewerbe und Design am GNM, Silvia Glaser, die für die Veranstaltung des Symposiums 2011 verantwortlich zeichnete, folgen 28 Beiträge der Tagung, Zusammenfassungen in deutscher und englischer Sprache sowie eine Zusammenstellung von Literatur zur Keramik-forschung. Die Artikel sind vorwiegend zu chronologi-schen und materialkundlichen Beitragsblöcken zusammen-gefasst, aber auch zu anderen Themenbereichen. So folgen dem Grundsatzreferat von Uwe Mämpel, Kunst oder Hand-werk – ein Widerspruch der Moderne?, die Themenkomplexe Keramik in der Antike, Keramik aus Funden des Mittelalters und der Neuzeit, Ofenkeramik der Neuzeit, Sozialgeschichte des Haf-nerhandwerks, Technik der Keramik, Steingut, Steinzeug, Irden-ware und Porzellan und schließlich Keramische Großplastik im 20. Jahrhundert.

Hinsichtlich der Wissenschaftsdisziplinen umfasst der vorliegende Band Beiträge aus den Bereichen Archäolo-gie (beispielsweise von Böhmer, Glinkowska und Ora-wiec, Gresse, Grunwald, Hanauska und Sonnemann, Heege, Hermann, Klein, Kluttig-Altmann, Kühne), Kunstgeschichte (unter anderem von Bober-Tubaj, Döry, Grimm, Orelli-Messerli, Petri, Remky, Richter), Religionsgeschichte (von Merthen, Kaszab-Olschew-ski) und Ethnographie (von Kerkhoff-Hader, Klusch, Peschel-Wacha, Roşca). Dabei wurden einerseits the-

1 Näheres dazu unter https://www.duesseldorf.de/hetjens/arbeits-kreis/index.shtml [Zugriff: 09.05.2016].

oretische (Beiträge von Mämpel, Kerkhoff-Hader) an-derseits realienspezifische Ansätze in den Vordergrund ge-stellt. Hinsichtlich der Zuweisung zu Milieugruppen liegen sowohl Beiträge über Keramik aus dem Herstellermilieu (beispielsweise von Bober-Tubaj, Böhmer, Glinkowska und Orawiec, Grunwald, Hanauska und Sonnemann, Heege, Klein, Matthes, Mousset) aber auch solche über Keramik aus dem Verbrauchermilieu (unter anderem von Hermann, Kluttig-Altmann, Kühne) vor.

Geographisch liegt der Schwerpunkt der Beiträge auf-grund der Herkunft der Forscher und ihrer jeweiligen Arbeitsfelder im (ehemals) deutschsprachigen Raum. Die Referenten präsentierten Forschungs(-zwischen-)ergebnis-se aus Deutschland, Österreich, aber auch Belgien, Luxem-burg, der Schweiz, Polen und Rumänien.

Der vorliegende Band weist somit eine umfassende Bandbreite auf, sowohl was Geographie, Zeitstellung und Wissenschaftsdisziplinen betrifft. So stellt sich manchmal die Frage, wie die Tagungsbeiträge gegliedert bzw. anein-ander gereiht wurden. Aufgrund der Vielfältigkeit der The-men hätte die Gliederung des Tagungsbandes auch anders erfolgen können – und die gleiche Frage wieder aufgewor-fen. Als Herausgeberin eines Tagungsbandes muss man sich für eine Gliederung trotz ihrer (meist gegebenen) Unzu-länglichkeit entscheiden – was Silvia Glaser getan hat.

Das Vorwort beinhaltet den Ablauf der Tagung mit ih-ren Fachvorträgen, Posterpräsentationen und Exkursionen. Warum sich das GNM als Austragungsort des Internationa-len Symposiums für Keramikforschung 2011 besonders ge-eignet hat, wird an Hand des Stellenwertes verschiedenster Keramikgattungen in den Sammlungen des GNM darge-stellt. Im Anschluss werden die Inhalte der einzelnen Vor-träge kurz angesprochen. Schließlich wird die Interdiszip-linarität als Stärke des Arbeitskreises für Keramikforschung betont und die Möglichkeiten für die Symposiumsteilneh-mer hervorgehoben, nicht nur den Fokus der jeweils eige-nen Disziplin wahrzunehmen, sondern auch Einblicke in andere Fächer zu gewinnen.

Zu Beginn beschäftigt sich Uwe Mämpel in seinem Grundsatzreferat unter dem Titel Kunst oder Handwerk – ein Widerspruch der Moderne? programmatisch mit dem Ta-gungsthema. Der Autor analysiert die Entwicklung der Be-griffe „Handwerk“ und „Kunst“ am Beispiel keramischen Schaffens und legt dabei den Schwerpunkt auf eine wis-senschaftshistorische Betrachtung des Themas. Detaillier-ter geht Mämpel auf die Entwicklungen der Begriffe ab dem 17. Jahrhundert ein, verweist auf die Einflüsse kerami-scher Fachschulen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts im deutschsprachigen Raum2 und der Industrie sowie die Rolle des Bauhauses nach dem ersten Weltkrieg.3 Der

2 Umfassend zur Entstehung, Entwicklung und Bedeutung Kerami-scher Fachschulen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Sally Schöne, Zeichensaal, Labor und Werkstatt. Keramische Fachschulen in Deutschland zwischen Kaiserreich und Zweitem Weltkrieg. Halle an der Saale 2004.

3 Eines der Ziele des Bauhauses war die Zusammenführung von Kunst und Handwerk. Einen Überblick zur Geschichte des Bauhau-ses bietet z. B. Jeannine Fiedler, Bauhaus. Potsdam 2011.

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Autor kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass sich die Bedeutung des althochdeutschen Begriffes (h)antwerc kaum verändert hat, jener des Begriffes „Kunst“ jedoch sehr. Das wichtigste Kriterium heute, Kunst von Handwerk zu un-terschieden, sei die Freiheit der Kunst.

Mämpels Grundsatzbeitrag zum Tagungsthema folgt der Themenblock Keramik in der Antike, wobei sich beide Beiträge mit religionsgeschichtlichen Themen beschäf-tigen. Claudia Merthen schreibt über Realität im Bild? Zur Deutung der Bildsprache auf griechischer Grabkeramik vom 8. bis 5. Jahrhundert v. Chr. Die Autorin untersucht Kera-mik aus Athen und Attika mit szenischen Darstellungen, die als Quelle zur Rekonstruktion von Begräbnisritua-len dienen. Darunter befinden sich eher handwerklich ausgeführte, aber auch hochqualitative, eher künstlerisch ausgeführte Vasen, die teilweise von den Herstellern sig-niert wurden. Aufgrund von Vergleichen können jedoch auch nicht signierte Stücke Werkstätten zugewiesen wer-den. Diese Grabkeramik weist Formen der Gebrauchske-ramik auf, allerdings in stark übersteigerter Größe – dies erforderte besondere technische Fertigkeiten in der Her-stellung. Die Frage nach der Authentizität der szenischen Darstellungen bejaht die Autorin eher. Im Gegensatz zur Gebrauchskeramik wurde die Grabkeramik kaum expor-tiert oder nachgehahmt. Sie wurde mit stereotypen, aber auch sehr persönlichen Darstellungen versehen und blieb ein lokal attisches Phänomen.

Tünde Kaszab-Olschewski beschäftigt sich in Mit den Göttern speisen – Keramikgefäße bei rituellen Handlungen mit einem Thema der römischen Archäologie bzw. Religi-onsgeschichte. Nach einer kurzen Einführung zur Definiti-on des Begriffes „Religion“ und der Religion der Römer, geht die Autorin auf die Äußerungen römischer, religiöser Praxis ein. Dazu zählte auch die Abhaltung von Kultmah-len. In der Folge beschäftigt sich Kaszab-Olschewski mit Keramikgefäßen, die beim Mithras- und bei Matronenkul-ten bzw. bei sakralen Mahlen im Rahmen dieser Kulte, verwendet wurden. Sie stellt die Frage, welche Gefäßty-pen verwendet wurden, ob es sich dabei um Alltagsgefä-ße oder Sonderformen handelte und ob anhand der ver-wendeten Gefäße die Kulte unterschieden werden können. Sie äußert die Vermutung, dass Keramik im Kult mehrfach verwendet wurde, nach dem kultischen Gebrauch jedoch nicht mehr für profane Zwecke genutzt werden konn-te. So ergab sich insgesamt ein hoher Keramikbedarf, der durch teilweise im Umfeld der Heiligtümer nachgewiese-ne Töpfereien bedient wurde. Sowohl im Mithras- als auch im Matronenkult wurde einfache Gebrauchskeramik ver-wendet, aber auch eigene Kultgefäße dienten dazu. Letzte trugen kultspezifische Darstellungen, die für den jeweiligen Kult typisch waren und damit auch klar zuordenbar sind.

Der folgende Themenblock, Keramik aus Funden des Mittelalters und der Neuzeit, beginnt mit einem eher kunst-historisch orientierten Beitrag von Gerald Volker Grimm. In Eine hochmittelalterliche Henkelflasche mit gefälschtem Kai-sersiegel beschäftigt sich der Autor mit einem keramischen Altfund ohne archäologischen Befund. Einführend schil-dert Grimm die Fundgeschichte der Henkelflasche und

beschreibt anschließend auch den Anforderungen der ar-chäologischen Wissenschaften entsprechend das Gefäß in Form, Scherbenqualität und Herstellungstechnik. In Fol-ge schildert Grimm die morphologische Entwicklung der Form der Henkelflasche in Hoch- und Spätmittelalter bis zur Flasche der Neuzeit um auch so zu einer zeitlichen Einordung des besprochenen Stückes zu gelangen. Das „Siegel“ wurde als Tonscheibe auf die Flasche aufgelegt und dann mit einer Darstellung, die jener des Kaisersie-gels Konrads II sehr ähnlich ist, gestempelt. Grimm geht weiter auf das Phänomen von Siegeln auf hoch- und spät-mittelalterlichen Gefäßen ein, ebenso wie auf das Phäno-men der mittelalterlichen und neuzeitlichen Fälschungen. Seine stringent geführten Ausführungen bringen ihn zu dem Schluss, dass es sich bei der vorliegenden Henkelfla-sche bzw. dem applizierten Siegel um eine mittelalterliche Fälschung handelt.

Mit einem archäologisch aufgearbeiteten Thema aus dem keramischen Herstellermilieu beschäftigen sich Pet-ra Hanauska und Thorsten Sonnemann in ihrem Beitrag Der Scherbenhügel von Dippenhausen bei Geisenheim-Mari-enthal – neue Forschungen zu alten Ausgrabungen. Die Autoren untersuchen die Töpfereiwüstung Dippenhausen, wo im 13./14.  Jahrhundert Irdenware, Protosteinzeug und Fast-steinzeug (die sog. manganviolette Ware) hergestellt wur-de. Für die unter dem Begriff „Keramik Rheingauer Art“ zusammengefasste Keramik fehlt bislang eine umfassende Aufarbeitung. Die Forschungsgeschichte zu Dippenhausen reicht bis 1860 zurück. Die schon lange bekannte Fundstel-le wurde lange durch Raubgrabungen beeinträchtigt, bis 1964 erste archäologische Grabungen durchgeführt wur-den, die die Erfassung der Produktpalette der Töpfereien erlaubte. Chemische Analysen in Form der Energiedisper-siven Röntgenfloureszenzanalyse bilden neben der Form-analyse eine weitere Grundlage für die Charakterisierung der Produkte aus Dippenhausen und in Folge die Ermitt-lung der Absatz- und Verbreitungsgebiete sowie Abgren-zung zu anderen Töpfereien. Hanauska und Sonnemann streben weitere Grabungen zur Klärung der Stratigraphie des Scherbenhügels und der Ofenanlagen an. Geländepro-spektionen zur Ermittlung der Herkunft der verwendeten Rohstoffe wurden durchgeführt.

Auch der Beitrag Die spätmittelalterliche und neuzeitliche Keramikproduktion in Mayen in der Eifel von Lutz Grun-wald beschäftigt sich mit einem im Herstellermilieu an-gesiedelten Thema. Während zu spätantiker und frühmittel-alterlicher Keramikproduktion in Mayen schon zahlreiche Publikationen vorliegen,4 wird in diesem Beitrag die Töpfe-

4 Vgl. dazu Kurt Böhner, Die fränkischen Altertümer des Trier Landes. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit, Serie B1, 1958; Lutz Grunwald, Anmerkungen zur Mayener Keramik-produktion des 9.  bis 12. Jahrhunderts. Archäologische Nachweise – wirtschaftsgeschichtliche Aussagen – historische Einbindungen. In: Lutz Grunwald, Heidi Pantermehl und Rainer Schreg (Hrsg.), Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle für Produktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts. RGZM-Tagun-gen 13, Mainz 2012, 143–160; Mark Redknap, Medieval pottery production at Mayen: recent advances, current problems. In: David Gaimster, Mark Redknap und Hans-Helmut Wegner (Hrsg.),

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rei in Mayen vom 13. bis ins 20. Jahrhundert beleuchtet, ein Aspekt, zu dem bisher kaum Forschungsergebnisse vorlie-gen und der derzeit zu den Forschungsschwerpunkten des Autors5 zählen. Grunwald beleuchtet das Thema anhand archäologischer Funde und Befunde sowie schriftlicher Quellen. Im 13. Jahrhundert reichte das Mayener Export-gebiet bis 200 km entlang des Rheins. Die Absatzregionen der Neuzeit sind bisher unbekannt, eine Forschungslücke, die der Autor zu schließen bestrebt ist. Im Spätmittelalter verliert Mayen das Monopol in der Keramikproduktion im Moselmündungsgebiet, bleibt aber wohl dominierend. Im Spätmittelalter umfasst die Mayener keramische Produkt-palette besonders drei Gruppen: die klingend hart, redu-zierend oder oxidierend gebrannte Ware, Faststeinzeug und bei niederer Temperatur gebrannte, weiße Ware, die teil-weise mit einer braunen Lehmengobe überzogen ist. In der Neuzeit wurde vor allem glasierte Ware produziert, teilwei-se mit Malhornverzierung. Ab dem frühen 19. Jahrhundert ist in Mayen auch Steingutproduktion nachweisbar. Das Ende der Mayener Keramikproduktion ist in den Jahren zwischen 1941 und 1943 anzusetzen. Die Exportwirtschaft Mayens geriet wohl in der zweiten Hälfte des 13. und im 14.  Jahrhundert unter Druck. Möglicherweise kam es zu einem Wissenstransfer nach Höhr. Bis ins 20. Jahrhundert versorgten die Mayener Töpfereien nachweislich den loka-len Markt, was auch durch Schriftquellen belegt ist. Für die Neuzeit ist aus potentiellen Exportregionen jedoch nichts über Mayener Ware überliefert. Für das 18. und 19. Jahr-hundert ist jedoch zu vermuten, dass unter dem sog. „Kob-lenzer Steingeschirr“ auch Ware aus Mayen zu finden ist, da auch zu dieser Zeit in zahlreichen Orten des Moselmün-dungsgebietes Keramikproduktion erfolgte und von einer regelrechten Töpfereiregion auszugehen ist. Um jedoch die Mayener Produkte in den möglichen Exportregionen zu identifizieren, bedarf es noch einer klaren Definition der in Mayen hergestellten Waren jener Zeit.

Auch Herbert Böhmer beschäftigt sich mit einem Thema aus dem Herstellermilieu. Er nähert sich dem As-pekt der Qualitätszeichen auf Graphitkeramik des 15. und 16. Jahrhunderts auf Passauer und Obernzeller Keramikpro-dukten an. Dass Rand- und Henkelfragmente dieser Zeit in der Regel gestempelt sind, ist hinlänglich bekannt. Böh-mer untersucht großen Mengen von Material aus bekann-ten Fundstellen, die jedoch weitgehend ohne stratigraphi-sche Dokumentation sind. Er beschreibt Scherbenqualität, Oberfläche und Morphologie der Gefäße detailliert. Wei-ters geht der Autor auf die Rohstoffquellen, welche die Passauer Hafner nutzten, ein und berücksichtigt dabei auch Schriftquellen. Im Zusammenhang mit der Scherbenquali-tät beschreibt er auch die Aufbereitung des Graphits. In der

Zur Keramik des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit im Rheinland. Medieval and later pottery from the Rhineland and his markets. BAR International Series 440, Oxford 1988, 3–37.

5 Zuletzt: Lutz Grunwald, Keramische Luxuswaren aus den spätmit-telalterlichen Töpfereien von Mayen (Lkr. Mayen-Koblenz). Anmer-kungen zu Werkstätten und zwei Krugfragmenten mit anthropo-morphen Verzierungen. Archäologisches Korrespondenzblatt 45/1, Mainz 2015, 137–151.

Gegenüberstellung von Scherbenqualitätengruppen und dem Vorkommen verschiedener Marken kommt Böhmer zu dem Schluss, dass (wie bereits bekannt)6 gestempelte Kreuzmarken mit Beizeichen Werkstattmarken sind. An-dere Marken jedoch, vor allem das sog. Andreaskreuz und das V im Ring, sind Qualitätsmarken, die mit der Scher-benqualität korrelieren. Während mit dem Andreaskreuz gemarkte Gefäße keinen oder nur sehr wenig Graphit ent-halten und daher von „minderer“ Qualität sind, haben mit einem V im Ring gemarkte Gefäße einen hohen Graphit-anteil und damit fast Tiegelqualität.

Der folgende Beitrag von Michaela Hermann, Kera-mik aus zwei renaissancezeitlichen Massenfunden in Augsburg – ein erster Überblick, entfernt sich aus dem Herstellermilieu und wendet sich dem Verbrauchermilieu zu. Sie stellt zwei Fundkomplexe vor, die vermutlich Abfall aus dem gesam-ten Augsburg enthalten und in die erste Hälfte des 16. Jahr-hunderts zu datieren sind. Beide Fundkomplexe fallen aufgrund zahlreicher Exemplare sonst nur selten vorkom-mender Gefäßtypen auf und enthalten einerseits Objekte aus vermutlich lokaler Produktion, andererseits eindeutige Importware. Dieses Fundmaterial spiegelt Augsburgs Rol-le als eine der politisch und wirtschaftlich dominierenden Reichsstädte der Frühneuzeit. Zur Importware zählen vor allem sog. Siegburger Trichterhalsbecher aus Steinzeug und Fayencen aus Venedig (blauer Dekor) sowie Faenza oder Siena (mehrfarbiger Dekor). Auch Sgrafittokeramik ver-mutlich norditalienischer Provenienz findet sich hier. Süd-deutschen Manufakturen (ev. Südtiroler) sind die Fragmen-te von Eulengefäßen zuzuweisen. Ebenso süddeutschen Manufakturen zuzuweisen ist polychrom glasierte und teil-weise auflagenverzierte Irdenware. Daneben werden auch Sonderformen wie Beutelbecher, Vogeltränken und diver-se Beleuchtungsgeräte erwähnt.

Ralf Kluttig-Altmann beschäftigt sich mit Zieglerde-ckel aus Wittenberg und Einbeck – Ziegeleiprodukte abseits von Baukeramik. Er untersucht deckelförmige, meist aufwän-dig verzierte Keramikobjekte, deren Funktion lange unbe-kannt war. Für eine gelegentlich geäußerte Interpretation der Deckel in Zusammenhang mit Luftheizungen sieht Kluttig-Altmann keine eindeutigen Zusammenhän-ge. Vielmehr vermutet er aufgrund der Gebrauchsspuren eine multifunktionale Verwendung im Bereich der Küche, vor allem als Verschluss von Metallgrapen oder auch als Glutlöscher.

Saskia Gresse begibt sich mit ihrem Beitrag wieder in das Herstellermilieu. Funde aus einem Nürnberger Hand-werkerhaus sind möglicherweise teilweise als Töpfereiabfall zu identifizieren, auch wenn (aufgrund der beschränkten Grabungsfläche?) keine eindeutigen Produktionsanlagen nachgewiesen werden konnten. Die Funde umfassen vor

6 Teilweise sind aufgrund der Beizeichen – oft auch Buchstaben – Töpfermeister und ihre Produkte eindeutig zu verbinden. Vgl. dazu Rudolf Hammel, Werkstattmarken der „Hafner in der Zell“. Volks-tümliche Keramik aus Europa 2, München 1982, 104–122. Rudolf Hammel, Werkstattmarken der „Hafner in der Zell“ Teil II (L–Z). Volkstümliche Keramik aus Europa 3 = Bayerische Schriften zur Volkskunde 1, München 1990, 71–86.

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allem frühe Malhornware und besonders auch Töpfereiab-fall, wozu Brennhilfen und auch Fehlbrände zählen. Dies ist besonders erwähnenswert, da bislang keine Funde, die auf eine Hafnerwerkstatt verweisen würden, aus Nürnberg bekannt sind. Zweifellos sind in Nürnberg Hafnerwerkstät-ten zu erwarten, da diese aufgrund von Schriftquellen ein-deutig belegt sind.

Holger Klein begibt sich mit seinem Beitrag Muskau oder Triebel? Forschungsstand und Provenienzbestimmung eben-falls in den Herstellerbereich, wenn auch nicht direkt in Werkstätten, sondern vielmehr in den Bereich der Abfall-halden. Als „Muskauer Steinzeug“ werden braune oder blaue Steinzeuggefäße des 17. und 18.  Jahrhunderts mit charakteristischem Kerbschnittdekor bezeichnet. Die Ge-fäße stammen jedoch nicht ausschließlich aus Muskau, sondern auch aus weiteren, nahe gelegenen Töpferorten, nämlich Triebel (Trzebiel), Teuplitz (Tuplice) und Jocks-dorf ( Jagłowice), die heute in Polen liegen. Dies erkann-ten bereits die frühen Protagonisten der Forschung zu „Muskauer Steinzeug“, wie Konrad Strauss oder Jo-sef Horschik. In den letzten Jahren kamen vor allem in Polen zahlreiche neue archäologische Funde und Befun-de zur Steinzeugproduktion der Region zu Tage, was zum Anlass genommen wurde, sowohl diese Grabungsergebnis-se als auch Surveys bzw. Oberflächenaufsammlungen der letzten Jahre einer umfangreichen Auswertung zuzuführen. Im Zuge dieses Projektes versuchte man die Erzeugnisse der nahe zueinander gelegenen Produktionsorte zu diffe-renzieren. Die Differenzierung von Scherben aus Muskau einerseits und Triebel, Teuplitz und Jocksdorf andererseits war mittels Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) möglich und korreliert mit bereits optisch erkennbaren Unterschie-den der Scherben. Weitere Untersuchungen zu einer wei-teren Differenzierung sind geplant.

Barbara Glinkowska und Tadeusz Orawiec beschäf-tigen sich in ihrem Beitrag Die Anfänge des Bunzlauer Stein-zeugs im Licht archäologischer Untersuchungen ebenfalls mit dem Herstellermilieu im heutigen Polen. Anlass dazu wa-ren archäologische Grabungen in Bunzlau (Bolesławiec) 2007, bei welchen auch Abfallgruben untersucht wurden. Daraus traten das bislang älteste Bunzlauer Faststeinzeug sowie Bunzlauer Keramik mit braunen Lehmglasuren und kobaltblauen Feldspatglasuren zu Tage. Weiters fanden sich eindeutige Belege für das Herstellermilieu, wie Brennhil-fen, Fehlbrände und Proben von keramischen Massen und Glasuren. Aufgrund der starken Fragmentierung des Mate-rials und nicht klar zu trennender Straten erfolgte die Da-tierung der Gefäßfunde an den Anfang des 16. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts aufgrund technischer und mor-phologischer Merkmale.

Ebenfalls mit dem Herstellermilieu beschäftigt sich der folgende Beitrag aus der Schweiz von Andreas Heege. In Die Hafnerei Staub in Langenthal, Kanton Bern, 1730 bis 1870 beschäftigt sich der Autor mit einer über vier Generatio-nen betriebenen Werkstatt. Nach einem einleitenden Ab-schnitt über die Töpfereiforschung in der Deutschschweiz ab dem 6. Jahrhundert wendet sich Heege seinem eigent-lichen Thema zu, der Untersuchung der Hafnerei Staub,

die sowohl Geschirrkeramik (u.a. Mahlhornware) wie auch Ofenkeramik herstellte und Öfen baute. Der Autor fand bei diesem neuzeitarchäologischen Projekt ideale Bedin-gungen vor, da er die Auswertung archäologischer Befunde und Funde mit dem Studium noch stehender Kachelöfen und reichlich vorhandener Archivalien verknüpfen konnte. Zu den archäologisch nachweisbaren Resten der Werkstatt zählten u.a. jene von zwei rechteckigen, stehenden (für die Deutschschweiz zwischen 1500 bis zum 20.  Jahrhundert typischen) Öfen, von einem kleinen Nebenofen zur Her-stellung von Blei-Zinn-Asche (für die Glasurherstellung), Brunnen zur Wasserversorgung und Gruben zur Lehmla-gerung, die sekundär mit Betriebsabfällen verfüllt wurden. So ergab sich ein dichtes Bild zu Lebensumständen und Arbeitsweise der Hafner der Familie Staub.

Mit dem weiträumigen Vertrieb europäischer Kera-mik beschäftigt sich der Beitrag von Christoph Kühne über Steinzeug Westerwälder Art des 17.  Jahrhunderts in Bri-tisch-Nordamerika am Beispiel der Jamestown-„New Towne“ in Virginia/USA – ein Überblick. Der Autor stellt zunächst ausführlich die Forschungsgeschichte zu Jamestown-New Towne, das während des 17.  Jahrhunderts Hauptstadt der britischen Kolonie Virginia war, dar, einschließlich der archäologischen Grabungen in den 1930er- und 1950er-Jahren. Ebenso skizziert Kühne die Ausbreitung des Stein-zeugs Westerwälder Art mit den entstehenden Koloni-alreichen. Schließlich wendet er sich dem eigentlichen Thema des Beitrages zu. Dies umfasst die Untersuchung von Steinzeug Westerwälder Art, das während der erwähn-ten Grabungen zu Tage gefördert wurde und das den bis-her umfangreichsten bekannten Fundkomplex dieser Ware außerhalb Europas darstellt. Die Funde blieben bis heute weitgehend unbearbeitet. Im Zuge einer Projektvorberei-tung nahm Kühne eine Typologisierung der Funde, vor-erst ohne Befundeinbindung, vor. Der Autor gleicht sei-ne archäologischen Ergebnisse jedoch auch sorgfältig mit Schriftquellen ab.

Einen kunsthistorischen Zugang wählt der folgende Beitrag von Kristen Remky über Ofenkeramiken. Eine Aus-wahl aus dem Bestand des Suermondt-Ludwig-Museums Aachen. Die Autorin geht dabei allgemein auf Sammlungsaufgaben und -strategien von Museen um 1900 ein. Damals waren Entstehungszeit und Provenienz der Sammlungsobjek-te meist irrelevant und daher gibt es dazu oft auch keine Aufzeichnungen. Remkys Beitrag stellt den Versuch einer zeitlichen Einordnung und Provenienzzuweisung mittel-alterlicher und frühneuzeitlicher Ofenkacheln (vor allem von Reliefkacheln) aufgrund stilistischer und kunsthistori-scher Vergleiche dar.

Auch der folgende Beitrag von Ludwig Döry über Wendel Dietterlin und die Hafnerfamilie Vest wählt einen kunsthistorischen Zugang zum Thema. Der Autor versucht dabei, Motive von der Hafnerfamilie Vest zuzuweisenden Reliefkacheln von zeitgenössischen Druckgrafiken herzu-leiten, welche den Hafnern als Vorbilder dienten.

Claudia Peschel-Wacha beschäftigt sich ebenfalls mit Ofenkeramik. Sie untersucht „Annamirl“ – ein Figurenofen aus dem Rokoko, einen Hinterladerofen aus den Bestän-

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den des Österreichischen Museums für Volkskunde. Die Autorin nähert sich dem Ofen von mehreren Seiten. Sie beschreibt den technischen Aufbau und die Funktion des Ofens, zieht stilistische Vergleiche und Vergleiche zu an-deren Figurenöfen und geht ausführlich auf die Metapho-rik der Annamirl-Figur ein. Dazu arbeitet sie Archivalien und Schriftquellen auf, welche die „Fund“-Geschichte des Figurenofens bis zu seinem Eingang in dies Sammlungs-bestände des Museums nachvollziehen lassen. Durch diese äußerst vielfältige Betrachtungsweise zeichnet Peschel-Wacha ein sehr lebhaftes Bild der Figurenöfen und kon-kret des vorliegenden Annamirl-Ofens, der vermutlich um 1770 im salzburgisch-oberösterreichischen Raum entstan-den sein dürfte.

Thomas Schindler wendet sich in seinem Beitrag ei-nem sozialgeschichtlichen Thema zu, dem er sich vor allem durch die Aufarbeitung von Schriftquellen, jedoch in Ver-bindung mit der Auswertung von Realien, annähert. Die-se Arbeitsstrategie wählen auch die Autoren der folgenden Beiträge bis zu jenem von Wolf Matthes. Unter dem Titel „Im Fall einem Meister seine haußfrau oder kind mitt todt ab-gingen“ – Zur Funeralkultur von Töpferkooperationen setzt sich Schindler mit spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zunftordnungen und ihren Vorschriften zum Umgang mit verstorbenen Kooperationsmitgliedern auseinander.

Auch Horst Klusch beschäftigt sich in seinem Beitrag mit Zunftordnungen aus kunsthistorisch-volkskundlicher Perspektive. In Habaner Hafnerordnungen prägen Habaner Fa-yencen untersucht Klusch in der heutigen tschechischen Republik und in der Slowakei entstandene Habaner Ha-ferordnungen aus dem 16. und 17.  Jahrhundert. Diese Zunftordnungen enthielten vor allem religiöse und ethi-sche Richtlinien, gaben aber auch Anweisungen zur Ke-ramikgestaltung, besonders hinsichtlich der zu verwenden-den bzw. verbotenen Glasurfarben. Parallel dazu zeichnet Klusch die stilistischen Entwicklungen der im 17.  Jahr-hundert in Siebenbürgen erzeugten Habaner-Gefäße so-wie der im 18.  Jahrhundert entstandenen künstlerischen Novitäten und setzt diese stilistischen Entwicklungen in Kontext zu den Vorschriften der Zunftordnungen.

Wolf Matthes nimmt in seinem Beitrag eine eher technische Betrachtungsweise ein. Er untersucht Das Re-zeptbüchlein des Daniel Herrmann im Bernischen Historischen Museum. Ein Beitrag zur Technik historischer Fayenceglasu-ren und –farben des 18. Jahrhunderts. Matthes analysiert, wie die beiden vorangegangen Beiträge, Schriftquellen, in diesem Fall das Rezeptbuch des Daniel Herrmann, und stellt Vergleiche mit anderen, ähnlichen Handschriften des 18.  Jahrhunderts an. Das Rezeptbuch beinhaltet die Zu-sammensetzung der Glasurrezepte, die Herstellung der ein-zelnen Farbtöne und Glasuren in eigenen Öfen. Matthes transkribiert jedes einzelne Rezept und kommentiert es.

Rainer Richter beleuchtet sein Beitragsthema „Faïence noire de Namur“ Schwarze Oberflächen auf Keramik-gefäßen aus kunsthistorischer Sicht. Nach einem kurzen Ex-kurs zur Tradition schwarzer bzw. sehr dunkler Keramik seit dem Neolithikum geht er auf das sehr beliebte schwarz glasierte Geschirr des 18. Jahrhunderts ein. Dabei handelte

es sich vor allem um Kaffee- und Teekannen. Sie wurden unter britischem Einfluss in Westeuropa hergestellt und vertrieben.

Jean-Luc Mousset untersucht in Die Rolle Septfontaines in der Steingutproduktion des 18. Jahrhunderts (1767–1786) die Anfänge einer Manufaktur, die seit rund 250 Jahren auch heute noch beliebtes Tischgeschirr herstellt, nämlich jene von Villeroy&Boch. Mousset nähert sich dem The-ma aus dem Herstellermilieu durch die Auswertung von Archivalien in Verbindung mit Realien aus Sammlungs-beständen. Als Glücksfall erwies sich dabei, dass die Anfän-ge der Manufaktur archivalisch ausgesprochen gut doku-mentiert sind und zudem die Erzeugnisse durch Marken eindeutig zu identifizieren sind. Die Manufaktur in Sept-fontaines wurde durch die Brüder Boch gegründet. Die kontinuierliche Entwicklung der Manufaktur stützte sich auf Betriebsspionage und eigene Versuche zur Herstellung von Steingut. Mousset geht auch auf die gegenseitigen Beeinflussungen in Form und Dekor von Septfontaines und zeitgleichen Steingutmanufakturen in Frankreich, Lu-xemburg, Belgien und England ein und setzt so die Strate-gien der Manufaktur Septfontaines in einen überregiona-len Kontext.

Marion Roehmer untersucht in ihrem Beitrag Der Weg der Rose – Thüringer Porzellan für die Nordseeküste vorwie-gend aus kunsthistorischer Perspektive das Phänomen, dass ab ca. 1760 in Thüringen große Mengen von Teegeschirr in hoher Qualität hergestellt wurden. Dieses war überwie-gend für den Export an die Nordseeküste und dort ansäs-sige bürgerliche Abnehmer bestimmt. Als beliebtestes De-kor erwies sich die sog. „Thüringer Rose“, das dann auch als „Ostfriesische Rose“ bezeichnet wurde. In Thüringen produzierten zahlreiche Manufakturen bis in das 20. Jahr-hundert für Ostfriesland. Roehmer geht auch auf beliebte andere Dekore der Teegeschirre ein und ergänzt ihre Dar-stellungen mit einem kleinen Exkurs zur Teekultur.

Ein einziges keramisches Objekt aus kunsthistorischer bzw. historischer Perspektive untersucht Belinda Petri in ihrem Beitrag Der Riesenkrug von Hubert Schiffer – zwischen Kunst und Handwerk. Dieser Riesenkrug befindet sich in den Sammlungsbeständen der Aachener Museen. Hubert Schiffer, der den Krug angefertigt hatte, gilt als letzter Kunsttöpfer Raerens. Schiffer beschrieb selbst seine Vorge-hensweise, seine Versuche und seine Motivation und fer-tigte im späten 19. Jahrhundert den Riesenkrug an. Seine Entstehung ist in Zusammenhang mit der „Renaissance“ des rheinischen Steinzeugs ab der Mitte des 19.  Jahrhun-derts zu sehen, die durch den patriotisch geprägten Geist des Historismus aufkam.

Der folgende Beitrag von Anna Bober-Tubaj beschäf-tigt sich wie jener von Barbara Glinkowska und Tadeusz Orawiec mit Bunzlauer Keramik. Bober-Tubajs Beitrag Der Einfluss der Bunzlauer Keramischen Fachschule auf die Ent-wicklung des Designs und der Technologie des Bunzlauer Stein-zeugs bis 1918 jedoch nimmt eine kunsthistorische Pers-pektive ein. Die 1897 gegründete Bunzlauer Keramische Fachschule ist eine von mehreren keramischen Fachschu-len, die im späten 19. Jahrhundert in Mitteleuropa entstan-

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Buchrezensionen

den.7 Ziel dieser Fachschulen war, die Qualität der jeweils örtlichen Keramikproduktion zu heben. Die Bunzlauer Keramische Fachschule beeinflusste sowohl Formgebung als auch Glasuren und ihre Vorgaben und Anregungen wurden von Manufakturen (Seiffert, Reinhold, Paul) aufgegriffen, die bis zum zweiten Weltkrieg erfolgreich produzierten.

Aus volkskundlicher Perspektive beschäftigt sich Kar-la Bianca Roşca mit Handwerk und Kunst der Töpferfamilie Colibaba in Rădăuţi (Nordostrumänien). Roşca beschreibt die zeitgenössische Keramik aus Rădăuţi, die sich grob in Gebrauchskeramik mit Malhorndekor und Zierkeramik differenzieren lässt. Sie geht auf Arbeitstechniken, Formen-schatz und Dekor ein und stellt die rumänische Keramik in einen zeitlichen und regionalen Kontext. Die Autorin sieht für die gegenwärtige Keramik Siebenbürgens drei Her-kunftsstränge, nämlich jene der dakischen Schwarzkeramik, der römischen Irdenware und der byzantinischen Keramik mit geritztem Dekor.

Der vorletzte Beitrag des Tagungsbandes, Ars plastica – „denn thönern waren damals die berühmtesten Bilder der Gott-heiten, stammt von Bärbel Kerkhoff-Hader und schließt den Kreis der Beiträge und knüpft gleichsam an den ein-leitenden theoretischen Artikel von Uwe Mämpel an. Die Autorin geht auf die Formbarkeit des Materials und die Frage, ob ein Artefakt ein Kunstwerk sei, ein und wen-det sich der Thematik der keramischen Plastik in Europa ab dem 17.  Jahrhundert v. Chr. unter einem volkskundli-chen-theoretischen Aspekt zu. Sie gendert diese Thema-tik (Genderfragen sind aktuell ein wesentliches Thema im volkskundlich-ethnologischen Diskurs), indem sie sich dann dem Auftritt der Frau oder der weiblichen Sicht der

7 Vgl. Sally Schöne, Zeichensaal, Labor und Werkstatt. Keramische Fachschulen in Deutschland zwischen Kaiserreich und Zweitem Weltkrieg. Halle an der Saale 2004.

Dinge zuwendet und auf die Bedeutung einzelner Kera-mikerinnen, vor allem des frühen 20. Jahrhunderts, ein-geht, wie beispielsweise Theresia Hebenstreit oder Hilde Würtheim.

Der letzte Beitrag des vorliegenden Tagungsbandes, Porzellanplastik: Ganz groß stammt von Barbara von Ore-lli-Messerli. Die Autorin setzt sich aus kunsthistorischer Perspektive mit Großplastiken aus Porzellan auseinander und schlägt dabei einen Bogen von der Großtierplastik des 18. Jahrhunderts in Meißen bis zu in Italien hergestellten Porzellan-Großplastiken des späten 20.  Jahrhunderts von Jeff Koons. Orelli-Messerli bemerkt richtig, dass die Herstellung von keramischen Großplastiken eine Kunst ist, die Technik erfordert. Es ist ein anspruchsvolles Unterfan-gen, das technische Probleme aufwirft – die gleichen im 18. Jahrhundert wie auch im späten 20. Jahrhundert.

Abschließend und nicht als Teil des Symposiums ist im vorliegenden Band die Literatur zur Keramikforschung – Fol-ge 25, zusammengestellt von Werner Endres, publiziert. Diese Reihe begann Werner Endres bereits im Jahr 1978, indem er Artikel zur Keramikforschung im deutschspra-chigen Raum bibliographierte, eine vor dem Zeitalter von Open Access und Literaturdatenbanken im Internet höchst verdienstvolle Aufgabe. Während – wie in der vorliegen-den Zusammenstellung vermerkt – diese Bibliographien in den ersten Jahrzehnten in den Bayerischen Blättern für Volkskunde erschienen, wurden die letzten beiden Folgen 24 und 25 in Tagungsbänden veröffentlicht. Erst der von Werner Endres zusammengestellten Bibliographie folgen die deutschen und englischen Zusammenfassungen der Tagungsbeiträge.

In Summe hat die Herausgeberin Silvia Glaser zeit-nah zur Tagung einen gelungen Tagungsband vorgelegt. Durch die geographische und zeitliche Breite sowie Viel-falt der wissenschaftlichen Zugänge wird die vorliegende Publikation auch auf breites Interesse stoßen.

Dr. Gabriele Scharrer-LiškaUniversität Wien

VIAS – Interdisziplinäre Forschungsplattform für ArchäologieFranz-Klein-Gasse 1

1190 WienÖsterreich

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