Beiträge zur des Bundes - RKI

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robert koch institut © Robert Koch-Institut ISBN 3-89606-138-0 Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes Schilddrüsenhormone und Schilddrüsen- medikamente bei Probanden in den Nationalen Gesundheitssurveys Der Schilddrüse und den von ihr sezernierten Hormonen kommt eine große Bedeutung im hormonellen Geschehen zu. Körperwachstum und -differenzierung sowie vielfältige Aus- wirkungen auf die unterschiedlichsten Stoffwechselvorgänge werden durch die Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Tetraiodthyronin (T4, Thyroxin) beeinflusst. Weiterhin sei das ebenfalls in der Schilddrüse gebildete Kalzitonin mit seinen vielfältigen Wirkungen auf den Calcium-Metabolismus hier erwähnt. Seit vielen Jahren und in vielen Ländern wird über die aus- reichende Versorgung von Mensch und Tier mit dem für die Bildung der Hormone T3 und T4 essentiellen Element Iod nachgedacht. Kampagnen der WHO haben zum Teil erheb- liche Mittel zur Erforschung der Iod-Versorgungslage auch in Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt. Ziel dieser Kam- pagnen soll eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung weltweit mit dem Element Iod sein. In vielen Ländern haben diese Kampagnen zum Einsatz von iodierten Lebens- und Futtermitteln geführt. Bisher liegen jedoch nur wenige bevölkerungsrepräsentative Studien und Erkenntnisse zu den Konsequenzen einer umfassenden Iodie- rung und zur Anwendung von Schilddrüsenhormonen vor. Daher hoffen wir, mit der Vorlage der Daten der Nationalen Gesundheitssurveys der Deutschen Herz-Kreislauf-Präven- tionstudie (DHP) und des Survey-Ost einen Beitrag zur Beschreibung der Situation im Bereich der Anwendung von Schilddrüsenmedikamenten und zur Physiologie der Schild- drüsenhormone T3 und T4 sowie des schilddrüsenstimulie- renden Hormons TSH aus der Adenohypophyse als Steue- rungshormon der Schilddrüse zu leisten. Die sowohl in der Fach- als auch der Laienöffentlichkeit intensiv geführte Diskussion zum Nutzen und zu möglichen Risiken einer weitgehend unkontrollierten Masseniodierung von Lebens- und Futtermitteln sollte in absehbarer Zukunft anhand von validen bevölkerungsrepräsentativen Daten auch aus den Bereichen der Morbidität und Mortalität zu gesund- heitspolitischen Entscheidungen führen, bei denen das Wohl der iodexponierten Bürger Vorrang hat. Gesundheitsberichterstattung des Bundes

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robert koch institut

© Robert Koch-Institut

ISBN 3-89606-138-0

Beiträge zurGesundheitsberichterstattung des Bundes

Schilddrüsenhormone und Schilddrüsen-medikamente bei Probanden in denNationalen Gesundheitssurveys

Der Schilddrüse und den von ihr sezernierten Hormonenkommt eine große Bedeutung im hormonellen Geschehen zu.Körperwachstum und -differenzierung sowie vielfältige Aus-wirkungen auf die unterschiedlichsten Stoffwechselvorgängewerden durch die Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3)und Tetraiodthyronin (T4, Thyroxin) beeinflusst. Weiterhin seidas ebenfalls in der Schilddrüse gebildete Kalzitonin mitseinen vielfältigen Wirkungen auf den Calcium-Metabolismushier erwähnt.Seit vielen Jahren und in vielen Ländern wird über die aus-reichende Versorgung von Mensch und Tier mit dem für dieBildung der Hormone T3 und T4 essentiellen Element Iodnachgedacht. Kampagnen der WHO haben zum Teil erheb-liche Mittel zur Erforschung der Iod-Versorgungslage auch inEntwicklungsländern zur Verfügung gestellt. Ziel dieser Kam-pagnen soll eine ausreichende Versorgung der Bevölkerungweltweit mit dem Element Iod sein.In vielen Ländern haben diese Kampagnen zum Einsatz voniodierten Lebens- und Futtermitteln geführt. Bisher liegenjedoch nur wenige bevölkerungsrepräsentative Studien undErkenntnisse zu den Konsequenzen einer umfassenden Iodie-rung und zur Anwendung von Schilddrüsenhormonen vor.Daher hoffen wir, mit der Vorlage der Daten der NationalenGesundheitssurveys der Deutschen Herz-Kreislauf-Präven-tionstudie (DHP) und des Survey-Ost einen Beitrag zurBeschreibung der Situation im Bereich der Anwendung vonSchilddrüsenmedikamenten und zur Physiologie der Schild-drüsenhormone T3 und T4 sowie des schilddrüsenstimulie-renden Hormons TSH aus der Adenohypophyse als Steue-rungshormon der Schilddrüse zu leisten.Die sowohl in der Fach- als auch der Laienöffentlichkeitintensiv geführte Diskussion zum Nutzen und zu möglichenRisiken einer weitgehend unkontrollierten Masseniodierungvon Lebens- und Futtermitteln sollte in absehbarer Zukunftanhand von validen bevölkerungsrepräsentativen Daten auchaus den Bereichen der Morbidität und Mortalität zu gesund-heitspolitischen Entscheidungen führen, bei denen das Wohlder iodexponierten Bürger Vorrang hat.

Gesundheitsberichterstattung des Bundes

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Robert Koch-Institut, Berlin 2002

Beiträge zurGesundheitsberichterstattung des Bundes

Schilddrüsenhormone und Schilddrüsen-medikamente bei Probanden in denNationalen Gesundheitssurveys

Dr. rer. nat. Hans-Ulrich Melchert, Dr. rer. nat. Bernd Görsch, Dr. rer. nat. Wulf Thierfelder

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

HerausgeberRobert Koch-Institut Nordufer 2013353 Berlin

RedaktionWolf Nießing, Dr. Thomas ZieseGesundheitsberichterstattungRobert Koch-Institut

AutorenDr. Hans-Ulrich Melchert, Dr. Bernd Görsch, Dr. Wulf ThierfelderRobert Koch-Institut

E-Mail: [email protected].: 018 88. 754 - 3400Fax: 018 88. 754 - 35 13

SatzFotosatz Voigt, Berlin

DruckMercedes-Druck, Berlin

ISBN 3-89606-138-0

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Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Datenbasis, Zielstellung und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

3 Schilddrüsenkrankheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.2 Prävalenz der Schilddrüsenkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.2.1 Erhebungsphasen T0 – T1 – T2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.2.2 Erhebungsphasen T2 – TN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

4 Schilddrüsentherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124.2 Prävalenz der Schilddrüsentherapeutikaanwendung . . . . . . . . . . . . . 124.2.1 Erhebungsphasen T0 – T1 – T2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124.2.2 Erhebungsphasen T2 – TN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144.3 Merkmale der Schilddrüsentherapeutikaanwendung . . . . . . . . . . . . . 144.3.1 Herkunft, Anwendung, subjektive Wirkung und subjektive

Verträglichkeit von Schilddrüsentherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144.3.2 Präparatespektrum und Wirkungsstärkegruppen bei

Schilddrüsentherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

5 Schilddrüsenhormonstatus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165.2 Thyroxin-Serumkonzentration bei Probanden in

T0, T1, T2 u. TN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165.2.1 Nullprobanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165.2.2 Schilddrüsen-Monopräparateeinnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175.3 Messungen von Thyroxin T4, Triiodthyronin T3 und

Thyreotropin TSH bei Nullprobanden in T2 und TN. . . . . . . . . . . . . . 175.3.1 Thyroxin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175.3.2 Triiodthyronin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175.3.3 TSH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175.4 Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride, Glukose

und Thyroxin bei Nullprobanden, bei Probanden mit einer Diagnose ICD-9 240 –246 bzw. bei Probanden mit der Diagnose ICD-9 242 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

7 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

8 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Schilddrüsenhormone und -medikamente 3

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1 Vorwort

Schilddrüsenhormone und -medikamente 5

Die Erkrankungen und Funktionsstörungen derSchilddrüse stellen eine wesentliche und nichtnur unter dem Kostenaspekt zu betrachtendeBelastung des öffentlichen Gesundheitswesendar. Insbesondere die Iodmangelkrankheiten wer-den dabei als ein Hauptproblem angesehen. DieBeseitigung des Iodmangels ist ein dringendesgesundheitspolitisches Ziel. Während ausführ-liche Darstellungen zur Physiologie sowie zurDiagnostik und Therapie bei Schilddrüsenkrank-heiten vorliegen, fehlen bevölkerungsrepräsen-tative Daten, welche die wirklichen Verhältnissezum Vorliegen von Schilddrüsenkrankheiten zu-verlässig beschreiben. Ebenso liegen bisher zumGebrauch von Schilddrüsentherapeutika keinebevölkerungsrepräsentativen Daten aus epide-miologischen Studien vor.

Deutschland zählt, wenn auch regional inunterschiedlicher Intensität, zu den klassischenIod-Mangelgebieten. Die Iodversorgung wirdsowohl durch die geologische Herkunft desLebensraumes als auch durch seine geographi-sche Lage beeinflusst. Gemessen an der Empfeh-lung der WHO scheint die allgemeine Iodversor-gung über die Ernährung als unzulänglich.

Die wichtigste Folgeerkrankung eines chroni-schen Iodmangels ist die Struma (Kropf). In derFachliteratur wird davon ausgegangen, dass mehrals 10 % der Bevölkerung eine tastbare Schild-drüsenvergrößerung aufweisen. Da die ver-größerte Schilddrüse eine Vielzahl von Beschwer-den hervorrufen kann, handelt es sich hierbeinicht nur um ein kosmetisches Problem sondernum eine behandlungsbedürftige Erkrankung.

Durch eine Iodsalzprophylaxe kann die Iod-versorgung wesentlich verbessert werden. Diezweite Verordnung (1993) über die Iodierung desgewerblich zur Lebensmittelherstellung benutz-ten Speisesalzes wird zu einer ausreichenden Ver-besserung des Iodangebotes und des Iodverzehrsführen.

Risiken und Nutzen einer gezielten Iodzu-fuhr werden kontrovers diskutiert. Die Vorlageeiner repräsentativen Beschreibung der gegen-wärtigen Situation in der Iodversorgung ist vonerheblicher Bedeutung. Der vorliegende Beitragberuht auf Daten, die im Rahmen der Surveys der Deutschen Herz-Kreislauf-Präventionsstudie(DHP) erhoben wurden und gibt eine Übersichtüber die Bereiche: Diagnosevergabe bei Schild-drüsenkrankheiten, ambulante Anwendung vonSchilddrüsentherapeutika einschließlich der me-dikamentösen Iodzufuhr und Charakterisierungdes Schilddrüsenhormonstatus. Durch die Anlageder einzelnen Surveys zur DHP ist neben derDarstellung von Situation und Entwicklung inden alten Bundesländern auch die Beschreibungund der Vergleich zur Lage in den neuen Bundes-ländern kurz nach der Wende gegeben. Dies istvon besonderem Interesse, da die in der DDRseinerzeit praktizierte allgemeine Iodsalzprophy-laxe in anderer Form und unter besonderen Ver-hältnissen erfolgte. Der Bericht mit allen Datenund Analysen ist abrufbar unter der Homepage:http://www.rki.ivbb.bund.de/GBE/BEITRAG/SCHILDAT/SCHILDAT.HTM

Erste vorläufige Auswertungen der Daten

des jüngsten Bundes-Gesundheitssurveys (1997–

1999) belegen, dass die Lage auf dem Gebiet

der Anwendung von Schilddrüsentherapeutika

nach wie vor von hohen Gebrauchszahlen

geprägt ist. Eine Verbesserung der epidemio-

logischen Datenlage ist auch deshalb wün-

schenswert, weil seit Schaffung der gesetzlichen

Grundlagen eine umfassende Iodierung von

Lebensmitteln stattfindet, die selbst Produkte

wie Hustenbonbons (z.B. Rachengold®) und

Kleingebäck nicht auslässt. Der in Planung

befindliche Kinder- und Jugend-Survey des

Robert Koch-Instituts kann einen wichtigen

Beitrag zur Klärung der Frage leisten, wie die

derzeitige Iod-Versorgung zu beurteilen ist.

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2 Einführung

Schilddrüsenhormone und -medikamente6

2.1 Grundlagen

Die Schilddrüse nimmt eine zentrale Stellung imHormonhaushalt des menschlichen Organismusein. Auf Grund ihrer Beziehungen zum Drüsen-system hat sie Einfluss auf viele entscheidendeVorgänge. Die Einflussnahme erfolgt über dievon der Schilddrüse produzierten Hormone Thy-roxin (T4) und Triiodthyronin (T3), die direkt inden Blutkreislauf abgegeben werden. Die Schild-drüsenhormone haben eine Vielzahl von Wirkun-gen auf den Eiweiß-, Fett-, und Kohlenhydratstoff-wechsel, das Kreislaufsystem, das zentrale Ner-vensystem und die Muskulatur.

Im Normalfall erhält die Schilddrüse das alsRohstoff für die Produktion ihrer Hormone T3

und T4 erforderliche Iod über die tägliche Nah-rung. Eine ungenügende Zufuhr von Iod hat eine verminderte Produktion von T3 und T4 zurFolge. Durch einen Rückkopplungsmechanismuskommt es zu einem vermehrten Angebot desschilddrüsenstimulierenden Hormons (TSH),wodurch die Schilddrüse zu einer gesteigertenProduktion von T3 und T4 angeregt wird. Dererhöhte TSH-Spiegel führt zu einer Vergröße-rung der Schilddrüse, die als Kropf (Iodmangel-struma, blande Struma) wahrgenommen wird.Jede Schilddrüsenvergrößerung sollte behandeltwerden. Je nach Ursache erfolgt die Therapiemedikamentös oder durch operative Verkleine-rung der Struma.

Ist die Versorgung der Körperzellen mitSchilddrüsenhormonen infolge einer Unterfunk-tion der Schilddrüse unzureichend, so liegt dasallgemeine Krankheitsbild der Hypothyreose vor.Labordiagnostisch lassen sich erhöhte TSH-Spie-gel, erniedrigte T4-Serumspiegel und normaleoder erniedrigte Werte für T3 nachweisen. DieHypothyreose kann mit einem abgesenkten Blut-zuckerspiegel und einer Hypercholesterinämiegekoppelt sein. Die Erscheinungsformen derHypothyreose werden geprägt durch das Alter derbetroffenen Person bei der Manifestation. BeiHypothyreose, deren Ursache in der mangelhaf-ten Funktion der Schilddrüse zu suchen ist, müs-

sen die fehlenden Hormone substituiert werden,womit meist eine gute Rückbildung reversiblerSymptome erreicht wird. Die Hypothyreose isteine der häufigsten endokrinen Krankheiten imAlter, die oft nicht erkannt wird, weil eindeutigeSymptome fehlen oder nur unklar wahrzuneh-men sind.

Das Krankheitsbild der Hyperthyreose wirddurch eine vermehrte Schilddrüsenhormonpro-duktion, die unabhängig von den Regelkreisenund unabhängig vom Bedarf abläuft, oder durcheine Überdosierung von Schilddrüsenhormonenüber längere Zeit verursacht. Die Werte von T4

und/oder T3 im Serum sind erhöht, oft vergesell-schaftet mit einer Hypocholesterinämie. Je nachÄtiologie erfolgt die Therapie medikamentös mitThyreostatika, operativ durch Teilresektion derhyperthyreoten Struma. Die Einnahme von Thy-reostatika senkt die T3- und T4-Serumspiegel.Dies führt zu einer vermehrten TSH-Ausschüt-tung und kann zu einer Strumabildung führen.

Das für die Gesunderhaltung und das rich-tige Funktionieren der Schilddrüse ständig be-nötigte Iod sollte über die tägliche Nahrung auf-genommen werden. Neuere Untersuchungenhaben zwar gezeigt, dass es eine Vielzahl weitererFaktoren gibt – etwa andere Mangelerscheinun-gen und immunologische Mechanismen – die dieSchilddrüsenfunktion beeinflussen. Der Iod-mangel erweist sich jedoch als primär und ihngilt es in erster Linie zu verhindern. Die anderenFaktoren verstärken nur noch die daraus resul-tierenden Störungen.

Für eine hohe Inzidenz und Prävalenz vonIodmangelstörungen sind nach heutigem Er-kenntnisstand in erster Linie die Entfernung vomMeer und die Abgeschiedenheit der betroffenenRegionen, bei gleichzeitiger starker Abhängigkeitvon der örtlichen versorgenden Landwirtschaft,verantwortlich zu machen. Neben den regionalenUnterschieden werden bei den Iodmangelstörun-gen auch geschlechts- und altersbezogene Diffe-renzen registriert. Frauen sind von diesen Störun-gen mehr betroffen als Männer und Ältere eherals Jüngere. Mit der Einführung von Iodsalz-Pro-phylaxe-Programmen und dem vermehrten Ge-

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brauch von Iodsalz sowohl in der Landwirtschaftals auch in der Nahrungsmittelherstellung ist diePrävalenz des endemischen Kropfes zurückge-gangen und der Kretinismus nahezu verschwun-den. Von der Weltgesundheitsorganisation wirdeine nach Bevölkerungsgruppenzugehörigkeitvariierende tägliche Zufuhr von 150–300 µg Iodempfohlen. Ein gesteigerter Iodbedarf besteht inder Schwangerschaft und Stillzeit, ebenso beiKindern und Jugendlichen. Die individuelle Iod-mangelprophylaxe besteht vor allem im Konsumbesonders iodreicher Lebensmittel, hierzu zählenMeeresfische und -früchte und in der Verwen-dung von iodiertem Speisesalz.

Iod ist ein essentielles Spurenelement, das inzu großen Dosen auch toxisch wirken kann. Diehäufigste nicht beabsichtigte Nebenwirkung istdie iodinduzierte Hyperthyreose, deren Therapiesich nicht selten als langwierig erweist. Es mussallerdings darauf hingewiesen werden, dass selbstbei einem täglichen Konsum von 5 g iodiertemSpeisesalz – dies entspricht etwa einem schwachgehäuften Teelöffel – nur ca. 100 µg Iod aufge-nommen werden, eine Menge, die noch weitunterhalb der von der WHO empfohlenen täg-lichen Dosis liegt. Obwohl das Thema immerwieder kontrovers diskutiert wird, lässt sich zurZeit noch keine maximal zulässige tägliche Dosisangeben, oberhalb der nicht mit dem vermehrtenAuftreten von iodinduzierten Hyperthyreosen zurechnen ist. Bei normalem Ernährungsverhaltenwerden die von der WHO empfohlenen Iod-mengen auch unter Berücksichtigung der iod-mangelprophylaktischen Maßnahmen kaum er-reicht. In kritische Bereiche kommt man wohlerst, wenn sich die Effekte mehrerer Maßnah-men, insbesondere bei zusätzlicher medika-mentöser Iod- bzw. Schilddrüsenhormonzufuhr,überlagern.

2.2 Datenbasis, Zielstellung 2.2 und Methodik

Im Rahmen der Deutschen Herz-Kreislauf-Prä-ventionsstudie (DHP) wurden die Daten desNationalen Untersuchungs-Surveys (NUS) in dreiErhebungsphasen (T0: 1984–1986, T1: 1987–

1988 und T2: 1990–1991) und 1991/1992 in denneuen Bundesländern (TN), gewonnen. PrimäresZiel war das Sammeln von repräsentativen Daten,die die gesundheitliche Lage in Deutschland cha-rakterisieren und parallel dazu die Erfassung vonDaten zum Arzneimittelgebrauch und zur Arz-neimittelverträglichkeit. Da gleichzeitig Serum-proben der Probanden gewonnen wurden, konn-ten über Laboranalysen subjektive Angaben ge-stützt und mit einer Reihe von Laborwertenergänzt werden. Der bestehende Erhebungs-apparat bot auch die Möglichkeit, parallel Datenzum ambulanten Arzneimittelgebrauch und zurArzneimittelverträglichkeit zu erfassen.

Die Daten wurden in den jeweiligen Erhe-bungsphasen an repräsentativen Stichprobenbezüglich Alter, Geschlecht und Region der bun-desdeutschen Wohnbevölkerung der 25- bis 69-Jährigen erhoben. Der Stichprobenumfang jeErhebungsphase betrug ca. 5.000 Personen inden alten Bundesländern und ca. 2.600 in denneuen – hier allerdings wurden die 18- bis 79-Jährigen erfasst. Sämtliche Angaben beziehensich auf die bundesdeutsche Wohnbevölkerung.Personen in Krankenhäusern, Altenheimen oderähnlichen Einrichtungen wurden dagegen nichtmit einbezogen.

Zur Erfassung der Arzneimittelanwendungin den letzten sieben Tagen vor der Befragungerfolgte die Übernahme und Codierung – Basiswar die fünfstellige anatomisch-therapeutischeKlassifikation (AT-Code) der European Pharma-ceutical Market Research Association (EPHMRA)– der reinen Arzneimitteldaten auf der Grundlageder vorzuweisenden Medikamentenpackungenbzw. Packungsbeilagen nach strengen Algorith-men. Die Angaben zur Indikation, zur Be-schwerdenbesserung und zur Verträglichkeit derMedikamente beruhten auf den Aussagen derProbanden. Eine anschließende Überprüfung derAngaben durch Mediziner und Pharmazeutentrug zur Verbesserung der Datenzuverlässigkeitbei.

Die im Zusammenhang mit der Schilddrü-senproblematik interessierenden Messungen vonTSH, T3 und T4 wurden nur an Teilmengen derGesamtheiten in den einzelnen Erhebungspha-sen vorgenommen.

Der vorliegende Datenbestand des Arznei-mittelsurveys soll vorrangig als Grundlage für

Schilddrüsenhormone und -medikamente 7

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repräsentative Aussagen zum Arzneimittelge-brauch und den damit verknüpften unerwünsch-ten Wirkungen dienen. Da die Datenerhebungzur Arzneimittelanwendung nur als Begleitungder NUS-Datenerhebung konzipiert war, werdendie auch hier nicht zu vermeidenden Einschrän-kungen natürlich in weitem Maße durch dieAnlage des NUS bestimmt. Die nachträglichenLaborbestimmungen von T3, T4 und TSH undderen Verknüpfungen mit den Laborwerten derDHP ergänzen diesen Datenbestand. VorrangigesZiel dieses Beitrages ist die Beschreibung derSituation vor dem Beginn weit reichender Maß-nahmen zur Iodmangelprophylaxe anhand dervergebenen Diagnosen bei Schilddrüsenerkran-kungen, der ambulanten Anwendung von Schild-drüsentherapeutika und der Aussagen zumSchilddrüsenhormonstatus, da nach der letztenErhebung TN Ende 1993 die zweite Verordnungzur Änderung der Vorschriften über iodiertesSpeisesalz in Kraft trat. Damit ist eine Möglich-keit gegeben, in späteren Erhebungen Auswir-kungen und Effizienz der durchgeführten Iod-salzprophylaxe-Maßnahmen zu bewerten, eventu-elle Verbesserungen oder Verschlechterungen zuerkennen.

Der vorliegende Bericht behandelt in dreiAbschnitten die Themen »Schilddrüsenkrankhei-ten«, »Schilddrüsentherapeutika« und »Schild-drüsenhormonstatus«. Vorrangig interessierendabei geschlechts- und altersbezogene Präva-lenzdarstellungen, Trends über den Zeitablauf T0 – T1 – T2 in den alten Bundesländern und ab-

weichende Entwicklungen in den neuen Bundes-ländern. Daneben werden auch weitere Fragestel-lungen, wie etwa die nach regionalen Abhängig-keiten, untersucht. Der Vergleich zwischen denalten und den neuen Bundesländern beschränktsich auf die Phasen T2 und TN, da diese an-nähernd denselben Zeitbezug haben. Zur Charak-terisierung des Schilddrüsenhormonstatus wirdeine umfassende Beschreibung der Thyroxinkon-zentration im Serum von Nullprobanden und vonProbanden mit Schilddrüsenhormon-Monopräpa-rate-Einnahme in den Erhebungsphasen T0, T1,T2 und TN gegeben. In ihrer Gesamtheit bietendie Laborwerte einen Ansatz zur Beschreibungder Prävalenz latenter Schilddrüsenstörungen,d.h. bisher nicht erkannter und unbehandeltgebliebener Erkrankungen der Schilddrüse.

Der Hauptakzent der Darstellungen liegt bei den probandenbezogenen Untersuchungen.Wegen des angestrebten allgemeinen Charaktersder Aussagen erfolgte eine Beschränkung aufeinige wenige Variablen. Beabsichtigt ist, allge-meine Muster bei den Schilddrüsenkrankheiten,bei der Einnahme von Schilddrüsentherapeutikaund beim Schilddrüsenhormonstatus hinsicht-lich dieser Variablen zu charakterisieren unddabei wesentliche Faktoren qualitativ und quanti-tativ zu bewerten. Hierin eingeschlossen sindauch die Beschreibung des Krankheitenspek-trums, des Präparatespektrums und weitererMerkmale, wie zum Beispiel Marktanteile undWirkungsstärken bei den Präparaten u.ä., sowieRisikobetrachtungen.

Schilddrüsenhormone und -medikamente8

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3 Schilddrüsenkrankheiten

Schilddrüsenhormone und -medikamente 9

3.1 Vorbemerkungen

Grundlage der nachfolgenden Betrachtungen zueinzelnen Diagnosen und Medikamenten sinddie Angaben zu den Fragenkomplexen des Arz-neimittel-Anamnesebogens. Das heißt insbeson-dere, alle entsprechenden Aussagen sind immerim Zusammenhang mit einer ambulanten Arz-neimittelanwendung zu sehen. Primär war in derErhebung die Erfassung der Arzneimittelanwen-dung, auf deren Grundlage dann weitere Parame-ter erfragt wurden. In diesem Sinne ist auch dieAngabe der Diagnosen nach der ICD-9 zu sehen.Das Spektrum der notierten Diagnosen spiegeltnicht das vollständige Krankheitsgeschehen inder Wohnbevölkerung wider, sondern nur das imZusammenhang mit der Anwendung von Arznei-mitteln verknüpfte, und dies auch nur für dieAnwendung in den letzten sieben Tagen vor derBefragung. Die Kontaktierung medizinischer Ein-richtungen ist allerdings im hohen Maße mit derVerschreibung von Medikamenten verbunden.Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die aufge-führten Diagnosen nicht vom behandelnden Arzt

vergeben wurden, sondern erst nachträglich aufGrundlage der subjektiven Angaben des Proban-den zur Erklärung einer Medikamentennutzungvon medizinisch geschultem Personal eingetra-gen worden sind. Obwohl in dieser Vorgehens-weise eine Reihe von Unwägbarkeiten liegt,geben die erfassten Informationen einen erstenallgemeinen Überblick zur Charakterisierung derGesamtsituation bei den Schilddrüsenkrankhei-ten. Auf der Grundlage der repräsentativen Stich-proben zur Wohnbevölkerung in den einzelnenErhebungsphasen geben sie einen Einblick in dasSpektrum der diagnostizierten und medikamen-tös behandelten Schilddrüsenerkrankungen.

3.2 Prävalenz der Schilddrüsen-3. 2krankheiten

3.2.1 Erhebungsphasen T0 – T1 – T2

Auf der Grundlage der Gesamterhebung T0/T1/T2 gibt die Tabelle 2 einen Überblick zurPrävalenz der Schilddrüsenkrankheiten. Die Ge-samterhebung T0/T1/T2 weist für die Krank-heiten der Schilddrüse eine Prävalenz von 5,5 %aus. Mit 4,9 % aller Probanden entfällt dabei aufdie Diagnosegruppe ICD-9 240, 241, 244, 246der weitaus größere Anteil. Eine Hyperthyreose-Diagnose (ICD-9 242) wurde bei 0,6 % der Pro-banden gestellt.

Zwischen den Geschlechtern zeigt sich einmarkanter Unterschied. Die Prävalenz der Schild-drüsenkrankheiten ist mit 8,9 % in der Frauen-population etwa fünfmal so hoch wie bei denMännern (1,8 %). Dieses Verhältnis bleibt aucherhalten, wenn jede der beiden hier ausgewiese-nen Diagnosegruppen gesondert betrachtet wird– Struma-Hypothyreose-Diagnosegruppe ICD-9240, 241, 244, 246 (8,1 % versus 1,6 %) bzw.Hyperthyreose-Gruppe ICD-9 242 (0,9 % versus0,2 %).

Die Aufschlüsselung nach den MerkmalenGeschlecht, Alter, Region und Gemeindegröße

Tabelle 1Diagnose-Codes nach der International Classification of Diseases ICD-9

3. Endokrinopathien, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten sowie Immunitätsstörungen

Krankheiten der Schilddrüse

– blande diffuse Struma und n. n. bez. Struma

– blande knotige Struma

– Hyperthyreose mit und ohne Struma

– angeborene Hypothyreose

– erworbene Hypothyreose

– Thyreoiditis

– sonstige Krankheiten der Schilddrüse

Hauptgruppen und Einzeldiagnosender Schilddrüsenerkrankungen ICD-9

240 –279

240 –246

240

241

242

243

244

245

246

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offenbart bereits die wesentlichen Tendenzen,wobei für zusätzliche vergleichende Betrachtun-gen die Variablen Gesundheitszustand und Schul-bildung einbezogen wurden.

Bezüglich des Alters ist eine signifikante Dif-ferenz nachweisbar. Werden unter Bezugnahmeauf den Altersmedian (46 Jahre) alle Probanden,die nicht älter als 46 Jahre sind, in einer Gruppeder jüngeren Probanden zusammengefasst undentsprechend die über 46-Jährigen zu einer Grup-pe der älteren, so liegt die Prävalenz der Schilddrü-senkrankheiten in der Gruppe der älteren Proban-den signifikant über der in der Gruppe der jünge-ren (6,2 % versus 4,8 %). Diese Aussage gilt auchin der jeweiligen Geschlechtsgruppierung.

Die bekannte regionale Abhängigkeit derPrävalenz der Schilddrüsenkrankheiten zeichnetsich ebenfalls, wenn auch nur grob ab. Fasst mandie küstennahen Bundesländer Schleswig-Hol-stein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen unterHinzunahme von Berlin zu einer Nord-Gruppeund die restlichen Bundesländer zu einer Süd-Gruppe zusammen, so zeigt sich ein deutlichesNord-Süd-Gefälle in der Prävalenzausprägung(2,8 % versus 6,3 %). Dieser Unterschied, der sichauch bei der Struma-Hypothyreose-Gruppe zeigt(2,4 % versus 5,7), ist für die Hyperthyreose-Gruppe so nicht nachweisbar.

Auch zwischen der Gemeindegröße und derPrävalenz der Schilddrüsenkrankheiten bestehtein statistischer Zusammenhang. Fasst man dieGemeinden mit einer Einwohnerzahl bis unter

50.000 zu einer Gruppe kleiner und mittlererGemeinden und die restlichen zu einer Gruppeder größeren Gemeinden zusammen, so ist diePrävalenz der Schilddrüsenkrankheiten in derGruppe der kleineren Gemeinden signifikanthöher (6,1 % versus 4,5 %). Insbesondere fürGroßgemeinden über 500.000 Einwohner wirdeine deutlich geringere Prävalenzrate ausgewie-sen.

Im Zeitverlauf der Erhebungen T0, T1 undT2 treten im wesentlichen zwei Effekte hervor.Zum einem erhöht sich mit den Phasen T1 undT2 die Prävalenz der Schilddrüsenkrankheitendeutlich gegenüber T0 (4,8 % versus 5,7 % versus5,9 %) und zum anderen zeigt sich im Verlauf derErhebungen eine offensichtliche Umschichtungbei der Vergabe von Diagnosenummern. Entfie-len in T0 noch über die Hälfte der vergebenenDiagnosen auf die Nummer ICD-9 246, so gehtdieser Anteil in den folgenden Phasen und beson-ders in T2 zurück. Parallel dazu erhöht sich derAnteil der Diagnosenummern ICD-9 240 und241, auf die in der Phase T2 schließlich ca. 70 %aller Diagnosen aus der Gruppe der Schilddrü-senkrankheiten entfallen. Sowohl die Prävalenz-erhöhung als auch die Umverteilung bei derDiagnosevergabe über den Zeitablauf T0 – T1 –T2 könnten ihre Erklärung in dem erweitertenEinsatz einer empfindlicheren Labordiagnostik,die eine bessere Zuordnung der speziellen Schild-drüsenfunktionsstörungen gestattet und die denAnteil unscharf diagnostizierter Erkrankungen

Schilddrüsenhormone und -medikamente10

Tabelle 2 Prävalenzen medikamentös behandelter Erkrankungen nach Indikation bzw. Indikationsgruppen (T0/T1/T2)

Stichprobenumfangmit Indikation aus ICD-9-Klasse

ICD-9 240 –279*

Krankheiten der Schilddrüse (240 –46)

blande diffuse Struma (240)

blande knotige Struma (241)

Hyperthyreose mit /ohne Struma (242)

erworbene Hypothyreose (244)

sonst. Krankheiten d. Schilddrüse (246)

Gewichtete Stichprobe gesamt

15.388

11,8 %

5,5 %

1,5 %

0,8 %

0,6 %

0,9 %

1,8 %

T0

2.303

6,8 %

1,5 %

0,4 %

0,0 %

0,4 %

0,7 %

MännerT1

2.592

7,7 %

1,8 %

0,3 %

0,1 %

0,3 %

0,3 %

0,9 %

T2

2.578

8,3 %

2,0 %

0,7 %

0,6 %

0,2 %

0,3 %

0,2 %

T0

2.445

13,9 %

7,9 %

1,2 %

0,2 %

0,9 %

1,5 %

4,3 %

Frauen T1

2.743

15,1 %

9,3 %

2,5 %

0,6 %

1,1 %

1,4 %

3,9 %

T2

2.726

18,0 %

9,5 %

3,6 %

3,2 %

0,8 %

1,2 %

0,7 %

* Endokrinopathien, Ernährungs- u. Stoffwechselkrankheiten

Page 11: Beiträge zur des Bundes - RKI

zurückgehen lässt, finden. Die Darstellung zuden Prävalenzen in den einzelnen Altersgruppender jeweiligen Erhebungsphase bietet dagegenein eher diffuses Bild. Die Aussagen zur Alters-abhängigkeit werden allerdings bestätigt.

Hinsichtlich der Gemeindegröße bestätigtsich, dass in größeren Gemeinden mit einem ver-minderten Risiko einer Schilddrüsenerkrankungzu rechnen ist. In den Großgemeinden mit mehrals 500.000 Einwohnern halbiert sich diesesRisiko. Der Hintergrund hierfür könnte in unter-schiedlichen Ernährungsgewohnheiten und ins-besondere in der mehr oder weniger starkenAbhängigkeit von der Landwirtschaft der Regiongesehen werden. Diese Abhängigkeit ist natur-gemäß gerade bei kleineren Gemeinden, wo sichdie Bevölkerung mehr von den Produkten desUmlandes ernährt, recht ausgeprägt. Eine weitge-hende Entkoppelung von Nahrungsproduktionund Verzehr scheint dagegen eher in den Bal-lungsräumen wirksam zu sein.

3.2.2 Erhebungsphasen T2 – TN

Die Situation in den neuen Bundesländern (TN)wurde den Ergebnissen aus der ErhebungsphaseT2 in den alten Bundesländern gegenübergestellt.Als wesentlicher Unterschied zu den Erhebungenin den alten Bundesländern – neben einer deut-lich geringeren Prävalenz der diagnostiziertenSchilddrüsenkrankheiten ICD-9 240–246 – istfestzustellen, dass sich in den neuen Bundes-ländern vergleichbare strukturelle Unterschiedebezüglich Altersgruppenzugehörigkeit, Regionund Gemeindegröße nicht abzeichnen. Einzigzwischen den Geschlechtern zeigt sich wieder mit1,4 % bei den Männern und 6,8 % bei den Frauenein markanter Prävalenzunterschied. Der Anteilder Personen mit einer Hyperthyreose-DiagnoseICD-9 242 ist mit 0,1 % gering. Bei der Vergabeeiner Diagnose aus der Gruppe ICD-9 240, 241,244, 246 liegt das erhöhte relative Risiko im Ver-gleich zu den Männern für die Frauen etwa aufdemselben Niveau wie in den alten Bundeslän-dern in der Phase T2. Im Vergleich der beidenErhebungen T2 und TN ist in den neuen Bun-desländern ein deutlich geringeres Risiko für Diagnosestellungen aus dieser Gruppe zu konsta-tieren. Inwieweit diese Differenz durch pro-phylaktische Maßnahmen und Ernährungs-gewohnheiten der Vergangenheit bzw. durchnoch aus der Vergangenheit bestehende gerin-gere labordiagnostische Möglichkeiten in denneuen Bundesländern erklärbar ist, kann hiernicht geklärt werden.

Schilddrüsenhormone und -medikamente 11

Page 12: Beiträge zur des Bundes - RKI

4 Schilddrüsentherapeutika

Schilddrüsenhormone und -medikamente12

4.1 Vorbemerkungen

Mit den Arzneimittelerhebungen in den PhasenT0, T1, T2 und TN wurden sowohl Medikamenteder ärztlichen Verschreibung als auch die freiver-käuflichen Präparate erfasst. Auf diese Weisekonnte das tatsächliche Einnahmeverhalten dereinzelnen Probanden in seiner Vollständigkeiterfasst werden. Begleitende Laborauswertungenvon Blut und Serum können die Angaben stüt-zen.

Untersuchungsziel des vorliegenden Ab-schnitts sind die Arzneimittel der Schilddrüsen-therapie (AT-Code-Gruppe H03) mit ihren drei Un-tergruppen Schilddrüsenpräparate (H03A), Thy-reostatika (H03B) und Iodtherapeutika (H03C).

Wegen ihres grundsätzlich anderen Wir-kungsprinzips werden bei Gruppenbildungen dieThyreostatika gesondert behandelt und Schild-drüsenpräparate und Iodtherapeutika zusammen-gefasst. Diese Gruppenbildung ist nicht zwin-gend diagnosegestützt, da in der Praxis u.a. auchHyperthyreosen eine Behandlung mit Nur-Schild-drüsenpräparaten oder einer Kombination vonSchilddrüsenpräparaten und Thyreostatika erfah-ren können.

Im Gesamtspektrum aller ambulanten Arz-neimittelanwendungen der letzten sieben Tage,hier geht auch die Multimedikation mit ein, neh-men die Präparate der Schilddrüsentherapie mit4 % in der Gesamterhebung einen nicht un-wesentlichen Platz ein.

Die Angaben des Arzneimittel-Anamnesebo-gens gestatten u.a. eine detaillierte Bestimmungder konsumierten Präparate nach Präparate-namen, Herkunft, Darreichungsweg, Dosierung,Einnahmefrequenz, subjektiver Wahrnehmungeiner Wirkung und subjektiver Verträglichkeit.Im Vordergrund der Untersuchungen standendabei neben den Veränderungen, die sich im Ver-laufe der Erhebungen vollzogen, die zwischenMännern und Frauen beziehungsweise zwischenalten und neuen Bundesländern zu registrieren-den Unterschiede. Hierin eingeschlossen sindauch eine Darstellung des Präparatespektrums

der Schilddrüsentherapeutika und eine Beschrei-bung der Marktanteile von einzelnen Präparatenund Wirkungsstärkeklassen.

4.2 Prävalenz der Schilddrüsen-4. 2therapeutikaanwendung

4.2.1 Erhebungsphasen T0 – T1 – T2

Die Tabellen 3 und 4 geben einen Überblick zurPrävalenz der Schilddrüsentherapeutikaanwen-dung. Die Gesamterhebung T0/T1/T2 weist fürdie Anwendung von Schilddrüsentherapeutikaeine Prävalenz von 5,5 % aus. (Derselbe Wertwurde für die Prävalenz der Schilddrüsenkrank-heiten gefunden.) Mit einer Prävalenz von 5,1 %entfällt dabei auf die Gruppe der Schilddrüsen-präparate der weitaus größte Anteil. Thyreostatikawendeten 0,3 % und Iodtherapeutika 0,2 % derProbanden an.

Wie im Fall der Schilddrüsenkrankheitenzeigt sich zwischen den Geschlechtern wieder dermarkante höchst signifikante Unterschied. DiePrävalenz der Schilddrüsentherapeutikaanwen-dung ist mit 9,0 % in der Frauenpopulation fünf-mal so hoch wie bei den Männern (1,8 %). DiesesVerhältnis bleibt auch in jeder der drei hierbetrachteten Arzneimitteluntergruppen erhalten– Schilddrüsenpräparate (8,4 % versus 1,7 %),Thyreostatika (0,5 % versus 0,0 %) bzw. Iodthera-peutika (0,4 % versus 0,1 %).

Bezüglich des Alters ist eine signifikante Dif-ferenz nachweisbar. Die Prävalenz der Schild-drüsentherapeutikaanwendung in der Gruppe der Probanden älter als 46 Lebensjahre (Alters-median) liegt signifikant über der in der Gruppevon Probanden mit einem Alter unterhalb von 46 Lebensjahren (6,2 % versus 4,8 %). Diese Aus-sage gilt auch in der jeweiligen Geschlechtsgrup-pierung (Männer: 2,2 % versus 1,4 % und Frauen:9,7 % versus 8,3 %).

Lage und Größe des Wohnortes beeinflussendie Prävalenz der Schilddrüsentherapie-Präpara-

Page 13: Beiträge zur des Bundes - RKI

teanwendung. Werden die küstennahen altenBundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg,Niedersachsen, Bremen unter Hinzunahme vonBerlin zu einer Nord-Region und die restlichenalten Bundesländer zu einer Süd-Region zusam-mengefasst, so zeigt sich die regionale Abhängig-keit der Anwendungsprävalenz von Schilddrü-sentherapeutika in deutlich geringeren Prävalenz-werten für den Norden (3,0 % versus 6,3 %).

Dieser Unterschied zeigt sich auch in der Schild-drüsenpräparate-Gruppe (2,6 % versus 5,9 %).Während sich für die Thyreostatika-Gruppe dasVerhältnis umkehrt – hier ist die Prävalenz imNorden höher – (0,4 % versus 0,2 %), ist für dieIodtherapeutika-Gruppe kein signifikanter Unter-schied nachweisbar. Für Gemeinden mit einerEinwohnerzahl unter 50.000 ist die Prävalenz derSchilddrüsentherapeutikaanwendung signifikant

Schilddrüsenhormone und -medikamente 13

Tabelle 3 Prävalenz der Arzneimittelanwendung nach Erhebungsphase, Geschlecht und ATC-Klassifizierung der angewendeten Präparate (T0/T1/T2)

Stichprobenumfang

– davon mit Arzneimittelanwendung in den letzten 7 Tagen

– davon in der AT-Code-Gruppe

H03 Schilddrüsentherapie

H03A Schilddrüsenpräparate

H03B Thyreostatika

H03C Iodtherapeutika

Gewichtete Stichprobe gesamt

15.388

60,4 %

5,5 %

5,1 %

0,3 %

0,2 %

T0

2.303

50,2 %

1,5 %

1,4 %

0,0 %

0,1 %

Männer T1

2.592

44,7 %

1,8 %

1,8 %

0,1 %

0,0 %

T2

2.578

48,2 %

2,0 %

1,8 %

0,0 %

0,1 %

T0

2.445

76,8 %

7,8 %

7,6 %

0,4 %

0,2 %

Frauen T1

2.743

69,3 %

9,4 %

9,0 %

0,6 %

0,2 %

T2

2.726

71,9 %

9,7 %

8,5 %

0,4 %

0,9 %

Tabelle 4 Prävalenz der Schilddrüsentherapeutika-Anwendung bezüglich ausgewählter Faktoren (T0/T1/T2)

Probanden

Männerdavon in der Altersgruppe

25–29 Jahre

30–39 Jahre

40–49 Jahre

50–59 Jahre

60–69 Jahre

Frauendavon in der Altersgruppe

25–29 Jahre

30–39 Jahre

40–49 Jahre

50–59 Jahre

60–69 Jahre

Gewichtete StichprobeT0/T1/T2 (WEIGHT4) Probanden

gesamt

15.388

7.474

1.047

1.811

1.866

1.675

1.076

7.914

1.016

1.755

1.819

1.707

1.618

davon Probanden mit Arzeimittelanwendung in der AT-Code-Gruppe Iodthera-

peutika

0,2 %

0,1 %

0,1 %

0,1 %

0,0 %

0,1 %

0,4 %

0,9 %

0,3 %

0,6 %

0,2 %

0,2 %

Thyreo-statika

0,3 %

0,0 %

0,0 %

0,0 %

0,1 %

0,1 %

0,5 %

0,2 %

0,2 %

0,6 %

0,4 %

0,9 %

Schilddrüsen-therapie

5,5 %

1,8 %

1,4 %

1,2 %

2,0 %

2,3 %

2,0 %

9,0 %

6,1 %

8,3 %

9,8 %

10,5 %

9,2 %

Schilddrüsen-präparate

5,1 %

1,7 %

1,3 %

1,0 %

1,9 %

2,3 %

1,9 %

8,4 %

5,5 %

7,9 %

8,9 %

10,0 %

8,5 %

Page 14: Beiträge zur des Bundes - RKI

höher als in den übrigen Gemeinden (6,2 % ver-sus 4,6 %). Für Großgemeinden mit mehr als500.000 Einwohnern wird eine deutlich gerin-gere Prävalenzrate ausgewiesen.

Im Zeitverlauf der Erhebungen steigt diePrävalenz der Schilddrüsentherapeutikaanwen-dung von 4,7 % in der Phase T0 auf 5,7 % und5,9 % in den Phasen T1 und T2.

4.2.2 Erhebungsphasen T2 – TN

Die Situation in den neuen Bundesländern (TN)wurde den Ergebnissen aus der ErhebungsphaseT2 in den alten Bundesländern gegenübergestellt.Die Anwendungsprävalenz ist mit 4,2 % in denneuen Ländern deutlich geringer als in den altenLändern mit 6,8 %. In der Anwendung von Thy-reostatika zeichnet sich zwischen alten undneuen Bundesländern kein signifikanter Unter-schied ab.

4.3 Merkmale der Schilddrüsen-4. 3therapeutikaanwendung

4.3.1 Herkunft, Anwendung, subjektive Wirkungund subjektive Verträglichkeit von Schilddrüsentherapeutika

In der Regel werden die Präparate dieser Arznei-mittelgruppe vom Arzt verschrieben bzw. mitge-geben. Der zunächst hoch erscheinende Wert von13,4 % für in T0/T1/T2 ohne Rezept gekauftenThyreostatika relativiert sich angesichts der gerin-gen Gesamtmenge an Präparaten dieser Gruppe.

Vorwiegende Einnahmepraxis ist die täglicheAnwendung. Nur bei den Iodtherapeutika wirdhiervon abgewichen, wo ein hoher Anteil zwarnicht täglich, so doch regelmäßig konsumiertwird.

In der subjektiven Bewertung von Wirkungund Verträglichkeit ist ein überwiegend positivesUrteil zu registrieren. Die Mehrheit der Schild-drüsentherapeutikaanwender stellte eine Besse-rung der Beschwerden fest. Unverträglichkeits-reaktionen wurden selten und wenn, dann inleichten Ausprägungen, wahrgenommen. Mit

2,7 % der in T0/T1/T2 konsumierten Schild-drüsentherapie-Präparate liegt die Rate der mehroder weniger nicht verträglichen Schilddrüsen-präparate deutlich unter der in der Phase T0 fürsämtliche Arzneimittelanwendungen ermittelten,wo für ca. 5 % aller auf Grund ärztlicher Ver-schreibung bzw. in Selbstmedikation konsumier-ten Medikamente eine eingeschränkte Verträg-lichkeit festgestellt wurde. Allerdings fällt hier dieGruppe der Thyreostatika mit 8,9 % heraus.

Im Verlauf der Erhebung T0/T1/T2 nahmenüber 93 % der Schilddrüsentherapeutikaanwen-der Schilddrüsenpräparate ein, wobei die Mono-präparate dominierten (80,2 %). Im Vergleich istder Anteil der Thyreostatika und Iodtherapeutikadagegen mit jeweils unter 5 % gering. WährendKombipräparate, sonstige Präparate und Thyreo-statika über die Erhebungsphasen ihre Anteile beiden Schilddrüsentherapeutikaanwendern nichtänderten, ist beim Anteil der Monopräparate vonT0 zu T2 ein Rückgang zu verzeichnen (84,4 %versus 74,7 %), der aber durch eine gleichzeitigeZunahme bei den Iodtherapeutika kompensiertwurde (2,6 % versus 8,8 %).

Zwischen Männern und Frauen sind in derVerteilung der Anteile einzelner Präparategrup-pen Unterschiede zu registrieren. Als signifikanterweist sich jedoch nur die Differenz in denAnteilen der konsumierten Kombipräparate. Beimännlichen Schilddrüsentherapeutika-Anwen-dern ist dieser Anteil deutlich höher als bei weib-lichen (17,9 % versus 10,9 %).

4.3.2 Präparatespektrum und Wirkungsstärkegruppen bei Schilddrüsentherapeutika

Das Angebot an Schilddrüsentherapeutika ist au-ßerordentlich vielfältig. Insgesamt wurden, wennunterschiedliche Wirkungsstärken eines Präpa-rats gesondert gezählt werden, fast fünfzig ver-schiedene Einzelpräparate genannt, wobei derenAnteile am Gesamt-Schilddrüsentherapeutika-konsum in den einzelnen Erhebungsphasen erheblichen Veränderungen unterworfen sein können. Neue Therapieempfehlungen und Kos-tenanalysen werden dabei einen nicht zu unter-schätzenden Einfluss auf diese Wechsel in denMarktanteilen gehabt haben.

Schilddrüsenhormone und -medikamente14

Page 15: Beiträge zur des Bundes - RKI

Bei den Schilddrüsenhormonen entfällt mitAbstand der Hauptteil der eingesetzten Präparateauf die Monopräparate L-Thyroxin Henning undEuthyrox. Die am häufigsten bei Schilddrüsen-Mono-Präparaten verschriebene Tagesdosis lagbei einer Wirkungsstärke von 100 µg. Zwischenden Altersgruppen ist allerdings eine erheblicheVariation bei den Anteilen der Wirkungsstärke-gruppen zu beobachten.

Auffällig ist hier, dass das Präparatespektrumder verschiedenen Schilddrüsentherapeutika inden neuen Bundesländern gegenüber den altenBundesländern wesentlich eingeschränkt ist, wasnicht allein in dem kürzeren Erfassungszeitraumbegründet sein kann.

Schilddrüsenhormone und -medikamente 15

Page 16: Beiträge zur des Bundes - RKI

5 Schilddrüsenhormonstatus

Schilddrüsenhormone und -medikamente16

5.1 Vorbemerkungen

Die Beschreibung des Schilddrüsenstatus kanndurch eine TSH-Messung im Serum wesentlichqualifiziert werden. Die Synthese und die Sekre-tion von TSH werden bei niedrigen T3- und T4-Spiegeln angeregt. Andererseits unterdrückenerhöhte zirkulierende Schilddrüsenhormonspie-gel die TSH-Produktion. Erhöhte TSH-Spiegelweisen fast immer auf eine primäre Hypothy-reose hin, wobei T3- und T4-Spiegel erniedrigtsind. Hohe Schilddrüsenhormonspiegel sind mitder primären Hyperthyreose verbunden, dieTSH-Werte sind hier abgesenkt bzw. nicht mehrnachweisbar. Während basale TSH-Konzentratio-nen zwischen 0,3 und 3,5 mU/l eine manifesteFunktionsstörung ausschließen, ist in den Über-gangsbereichen die Durchführung einer TRH-Stimulation zum Nachweis bzw. Ausschluß einerlatenten Funktionsstörung notwendig.

Die Bestimmung der gesamten Konzentra-tion von Thyroxin (T4) im Humanserum ist oftdie einleitende Maßnahme, um den Schilddrü-senhormonstatus eines Patienten zu beschreiben.Als geschätzter Normalbereich – dieser hängtzusätzlich u.a. auch von der angewandten Ermitt-lungsmethode und der geographischen Lage ab – werden Werte von 5–12 µg/dl angegeben.Erhöhte T4-Spiegelwerte werden z.B. bei Hyper-thyreose oder Überdosierung mit Schilddrüsen-hormonen gefunden, erniedrigte bei Hypothy-reose, thyreostatischer Behandlung oder anderenNicht-Schilddrüsenerkrankungen. Andererseitskönnen im Frühstadium einer Schilddrüsener-krankung oder auch bei endemischer Iodmangel-struma normale Werte gefunden werden. Ein-fluss auf den T4-Spiegel hat auch die Arznei-mittelanwendung.

Als weiteres diagnostisches Hilfsmittel beider Beurteilung des Schilddrüsenstatus diente dieBestimmung des zirkulierenden Gesamt-Tri-iodthyronin (T3) im Humanserum. Ernährungsbe-dingter Iodmangel führt trotz normalen Schild-drüsengewebes zu einer unzureichenden Produk-tion von Schilddrüsenhormonen. In diesen Fällen

ist die T4-Serumkonzentration oft gering, wäh-rend die TSH-Konzentration erhöht ist. ErhöhteTSH-Spiegel weisen in Verbindung mit niedrigenT4-Werten normalerweise auf eine Hypothyreosehin. Bei Vorliegen eines Iodmangels zeigen dieseWerte zusammen mit einem normalen oder leichterhöhten Serum-T3 bei den meisten Personeneine euthyreote Hormonlage an. Leicht erhöhteT3-Spiegel können auch während der Schwanger-schaft, unter Östrogentherapie sowie bei Über-dosierung mit Levothyroxin auftreten. Mit einerAbsenkung des Spiegels ist u.a. bei schwerenErkrankungen, bei Mangelernährung, bei Nieren-versagen oder unter Therapie mit iodhaltigenPräparaten zu rechnen. Als geschätzter T3-Nor-malbereich werden Werte von 0,8–2,0 µg/l ange-sehen, wobei auch hier der spezielle Bezug zuruntersuchten Population herzustellen ist.

Die Angabe von definierten Referenz-(Nor-mal-)bereichen muss hier unscharf gehalten wer-den, da deren Festlegung im Zusammenhang mitder Probandenpopulation, der geographischenLage, Ernährungs- und Umweltbedingungen u.ä.steht. Auch für einen so gewählten Normal-bereich gilt, dass diagnostische Aussagen auf derBasis von Laborwerten immer im Zusammen-hang mit anderen Informationen getroffen wer-den sollten.

5.2 Thyroxin-Serumkonzentration 5 .2bei Probanden in T0, T1, T2

und TN

5.2.1 Nullprobanden*

In den drei Erhebungsphasen T0, T1 und T2 wur-den bei 1541 zufällig ausgewählten Nullproban-den (1036 Männer, 505 Frauen) die Konzentra-tionen von Gesamtthyroxin im Serum ermittelt.Die gemessenen Werte lagen bei den Männern

* Nullprobanden: Probanden ohne Arzneimittelanwen-dung

Page 17: Beiträge zur des Bundes - RKI

zwischen 3,9 und 16,4 µg/dl und bei den Frauenzwischen 2,6 bis 16,8 µg/dl Serum. In der Erhe-bungsphase TN wurden die Serumproben von401 Nullprobanden (256 Männer, 145 Frauen) ausden neuen Bundesländern analysiert. Hier lagendie Thyroxinkonzentrationswerte zwischen 2,9und 17,3 µg/dl (Männer) bzw. zwischen 4,9 und15,7 µg/dl (Frauen). Bezüglich der Gesamter-hebung T0/T1/T2 sind die T4-Werte der Nullpro-banden nur im mittleren Bereich annähernd nor-malverteilt.

5.2.2 Schilddrüsen-Monopräparateeinnehmer

In den drei Erhebungsphasen T0, T1 und T2 wur-den bei 618 Schilddrüsen-Monopräparateeinneh-mern (103 Männer, 515 Frauen) die Konzentratio-nen von Gesamtthyroxin im Serum ermittelt. Diegemessenen Werte lagen bei den Männern zwi-schen 4,6 und 19,5 µg/dl und bei den Frauenzwischen 2,8 bis 19,3 µg/dl. Über die gesamteErhebung T0/T1/T2 ergaben sich als Mittelwerte8,5 µg/dl (Männer) bzw. 9,8 µg/dl (Frauen). Inder Erhebungsphase TN wurden die Serumpro-ben von 32 Schilddrüsen-Monopräparateeinneh-mern (3 Männer, 29 Frauen) aus den neuen Bun-desländern analysiert. Hier lagen die Thyroxin-konzentrationswerte zwischen 5,3 und 15,3 µg/dl(Männer) bzw. zwischen 4,3 und 17,7 µg/dl(Frauen) mit den entsprechenden Mittelwertenvon 7,6 bzw. 10,7 µg/dl.

5.3 Messungen von Thyroxin T4,5 .3Triiodthyronin T3 und Thyreo-

tropin TSH bei Nullprobanden in T2 und TN

5.3.1 Thyroxin

Insgesamt wurden in T2 bei 375 zufällig ausge-wählten Nullprobanden (212 Männer, 163 Frauen)die Konzentration von Gesamtthyroxin im Serumermittelt. Die gemessenen Werte lagen bei denMännern zwischen 3,8 und 10,9 µg/dl bzw. beiden Frauen zwischen 3,5 und 16,1 µg/dl Serummit den Mittelwerten 6,8 µg/dl (Männer) bzw.

7,3 µg/dl (Frauen). In der Erhebungsphase TNwurden die Serumproben von 259 Nullprobanden(155 Männer, 104 Frauen) aus den neuen Bundes-ländern analysiert. Hier lagen die Thyroxinkon-zentrationen zwischen 3,8 und 17,3 µg/dl (Män-ner) bzw. zwischen 4,6 und 16,5 µg/dl (Frauen)mit den entsprechenden Mittelwerten von 7,1bzw. 7,3 µg/dl. Die wesentlichen Tendenzen desAbschnittes 4.2.1 können hier übertragen werden.

5.3.2 Triiodthyronin

Die Konzentration von T3 im Serum wurde in derPhase T2 bei 222 Nullprobanden (117 Männer, 105Frauen) ermittelt. Die gemessenen Werte lagenbei den Männern zwischen 0,9 und 2,4 µg/l bzw.bei den Frauen zwischen 0,8 und 2,4 µg/l Se-rum, wobei sich für beide Geschlechtsgruppie-rungen der gleiche Mittelwert von 1,4 µg/l ergab.In TN wurden die Serumproben von 118 Nullpro-banden (60 Männer, 58 Frauen) analysiert. Hierlagen die gemessenen T3-Konzentrationen beiden Männern zwischen 0,8 und 3,0 µg/l bzw. beiden Frauen zwischen 0,7 und 3,1 µg/l. Der Mittel-wert war in beiden Gruppierungen mit 1,3 µg/lwieder gleich. Das Niveau der T3-Konzentrationzeigt eine relative Konstanz. Differenzen zwi-schen den Werten von Männern und Frauen, vonT2 und TN und von verschiedenen Altersgruppenerwiesen sich im allgemeinen als nicht signifi-kant.

5.3.3 TSH

Die Konzentration von TSH im Serum wurde inT2 bei 374 Nullprobanden (212 Männer, 162Frauen) ermittelt. Die gemessenen Werte lagenbei den Männern zwischen 0 und 6,5 mU/l bzw.bei den Frauen zwischen 0 und 3,4 mU/l Serum,wobei sich für beide Geschlechtsgruppierungender gleiche Mittelwert von 1,1 mU/l ergab. In TNwurden die Serumproben von 259 Nullprobanden(155 Männer, 104 Frauen) analysiert. Die gemesse-nen TSH-Konzentrationen lagen hier bei denMännern zwischen 0 und 2,9 mU/l bzw. bei denFrauen zwischen 0 und 3,3 mU/l mit den entspre-chenden Mittelwerten von 1,0 (Männer) bzw.0,9 mU/l (Frauen). Werte außerhalb des Berei-

Schilddrüsenhormone und -medikamente 17

Page 18: Beiträge zur des Bundes - RKI

ches von 0,1 bis 4 mU/l traten selten auf. DieTSH-Werte von T2 und TN waren nicht normal-verteilt. Ihre Verteilungen zeigen eine ausge-prägte Rechtsschiefe. Geschlechtsunterschiedeerwiesen sich weder in T2 noch in TN als signifi-kant. Dagegen war das TSH-Niveau in T2 erkenn-bar höher als in TN. Bei den Frauen war dieserUnterschied signifikant.

5.4 Gesamtcholesterin, 5. 4HDL-Cholesterin, Triglyceride,

Glukose und Thyroxin bei Null-probanden, bei Probanden miteiner Diagnose ICD-9 240 – 246bzw. bei Probanden mit derDiagnose ICD-9 242

Soweit eine Bestimmung möglich war, liegen vonsämtlichen Probanden aus T0/T1/T2/TN u.a. dieAnalysenwerte zu Gesamtcholesterin, HDL-Cho-lesterin, Triglyceride und Glukose vor. Entspre-chend der Vorgehensweise in Abschnitt 2.2 wirdnachfolgend unterschieden nach Nullprobanden

(Probandengruppe 0) und nach Probanden, dieeine der Diagnosen ICD-9 240, 241, 244 oder246 angaben (Probandengruppe I), und nach Pro-banden mit der Diagnose ICD-9 242 (Probanden-gruppe II). Für die Probanden der Gruppen I undII gilt grundsätzlich, dass eine Arzneimittel-anwendung stattfand, die in der Regel in der Ein-nahme von Schilddrüsentherapeutika bestand,die bei Multimorbidität bzw. Multimedikationallerdings auch weitere Präparate aus anderenArzneimittelklassen betreffen konnte. Damit liegtin diesen Probandengruppen immer eine Über-lagerung von Krankheitsbildern mit Wirkungender Arzneimitteltherapien vor.

Bei einem Vergleich der Probandengruppenin T0/T1/T2 zeigte sich bei den Frauen der Pro-bandengruppe I für alle vier Parameter und beiden Männern für Gesamtcholesterin eine signifi-kante Verschiebung in die Risikobereiche. Für dieProbandengruppe II gab es für Männer wie fürFrauen nur bei den Glukosewerten eine signifi-kante Verschiebung in den kritischen Bereich.Eine detailliertere Bewertung des Risikos zeigteneben den Geschlechtsdifferenzen auch erheb-liche altersbedingte Effekte, die die krankheits-bezogenen Risiken relativierten.

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6 Zusammenfassung

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Auf der Grundlage von im Zeitraum 1984–1992in vier Erhebungsphasen gewonnenen Daten zurCharakterisierung der gesundheitlichen Lage inDeutschland wurden Aussagen zur Prävalenz vonSchilddrüsenkrankheiten, zur Anwendung vonSchilddrüsenpräparaten und zum Schilddrüsen-hormonstatus getroffen. Während die ersten dreiaufeinanderfolgenden Erhebungsphasen T0, T1und T2 die alten Bundesländer betrafen, konntedie letzte Erhebung TN bereits in den neuen Bun-desländern durchgeführt werden, so dass Ost-West-Vergleiche möglich wurden. Auf Grund deroriginalen Erhebungsabsichten war die Daten-erfassung primär nicht auf den Problemkreis»Schilddrüse« bezogen. Deshalb kamen auchkeine sonographischen und szintigraphischenMethoden zur Registrierung von Schilddrüsen-veränderungen zum Einsatz. Obwohl hierdurchdie vorliegenden Untersuchungsergebnisse imganzen relativiert werden, ermöglichte der in na-hezu einem Jahrzehnt aufgebaute Datenbestanddie Schilddrüse betreffende Analysen. Insgesamterfassten die repräsentativen Stichproben der vierPhasen, die ein annäherndes Abbild der deut-schen Wohnbevölkerung bezüglich Geschlecht,Alter und Region darstellen, über 15.000 Proban-den im Alter von 25 bis 69 Jahren. VorrangigeAbsicht war es, die Situation bei den ambulantbehandelten Schilddrüsenkrankheiten zu be-schreiben sowie Angaben zum Schilddrüsenhor-monstatus der deutschen Wohnbevölkerung zumachen, um auf deren Grundlage die gegenwärti-gen Verhältnisse beurteilen bzw. die Wirkungzukünftiger allgemeiner iodsalzprophylaktischerMaßnahmen besser einschätzen zu können.

Krankheiten der Schilddrüse mit ihren ent-sprechenden ICD-9-Diagnosen konnten aufGrund der gegebenen Beschränkungen bei derDatenerfassung nur im Zusammenhang miteiner Arzneimittelanwendung in den letzten sie-ben Tagen vor der Befragung betrachtet werden,so dass hier nur die diagnostizierten und ambu-lant medikamentös therapierten Schilddrüsen-krankheiten in die Bewertung eingingen. Die aufdieser Basis ermittelte Prävalenz der Schilddrü-senkrankheiten (ICD-9 240–246) lag in der Ge-

samterhebung T0/T1/T2 bei 5,5 %. Geschlechtund Alter prägten zum Teil markant die Ergeb-nisse. Der Geschlechtsunterschied in der Präva-lenz der Schilddrüsenkrankheiten war erheblich.Für Männer wurde ein Wert von 1,8 % ermittelt,bei den Frauen war der Wert fünfmal höher(8,9 %). Ebenso zeigte sich in der Gruppe derälteren Probanden eine deutlich höhere Prävalenzals in derjenigen der jüngeren. Im Vergleich zuden 25- bis 29-Jährigen trat bei den 40- bis 59-Jährigen nahezu eine Verdopplung des Risikosein. Ebenso zeichneten sich für diese Gruppe derSchilddrüsenkrankheiten deutliche Bezüge diesesRisikos zur Region und zur politischen Gemein-degrößenklasse ab. Das Nord-Süd-Gefälle wurdedabei bestätigt, das Risiko gegenüber den küsten-nahen Bundesländern stieg auf über das Doppeltein den südlicher gelegenen Ländern. In größerenGemeinden scheint ein vermindertes Risiko vonSchilddrüsenerkrankungen zu bestehen. EineUrsache hierfür könnte in der weitgehenden Ent-koppelung von Nahrungsproduktion und Verzehrin den Ballungsräumen liegen. Eine über dieErhebungsphasen zu registrierende leichte Zu-nahme der Prävalenz muss auch vor dem Hinter-grund der sich in diesem Zeitraum verbessern-den Diagnosemöglichkeiten gesehen werden.Umfangreichere und empfindlichere Laboranaly-sen ermöglichen heute die Entdeckung vonStörungen, die in der Vergangenheit noch uner-kannt blieben. Auch in den neuen Bundesländernbestand der markante Prävalenzunterschied zwi-schen den Geschlechtern im nahezu gleichenVerhältnis wie in den alten Ländern, die Bezügezur Altersgruppe, zur Region oder zur Gemeinde-größe erwiesen sich hier allerdings als nicht sig-nifikant. Insgesamt lag die Prävalenz der Schild-drüsenkrankheiten sowohl bei den Männern alsauch bei den Frauen deutlich unter derjenigender alten Bundesländer.

Die Schilddrüsentherapeutikaanwendungwurde in den Klassen Schilddrüsenpräparate,Thyreostatika und Iodtherapeutika analysiert. DieKomplexität der Schilddrüsenstörungen undihrer entsprechenden Therapien spiegelte sich inder Anwendung von Einzelpräparaten bzw. von

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Präparatekombinationen aus diesen Klassenwider. Mit Abstand wurden am häufigsten Präpa-rate der Klasse Schilddrüsenpräparate eingenom-men. 5,1 % aller Probanden hatten eine Anwen-dung aus dieser Klasse, der Anteil der Thyreo-statika bzw. der Iodtherapeutika war dagegen vergleichsweise gering. Auf Grund der engen Verknüpfungen zeigte die Prävalenz der Schild-drüsentherapeutikaanwendung ein fast de-ckungsgleiches Bild zur Prävalenz der Schild-drüsenkrankheiten, so dass sich die Aussagen zurGeschlechts- und Altersabhängigkeit wieder-holten. Ebenso könnten die bei den Schilddrüsen-krankheiten gegebenen Resultate aus den Risiko-betrachtungen auf die Einnahme von Schilddrü-senpräparaten exkl. Thyreostatika übertragenwerden. Schilddrüsenpräparate wurden überwie-gend vom Arzt verschrieben, täglich eingenom-men und in der Regel gut vertragen. EineAusnahme bildeten hier die Thyreostatika, beidenen eine eingeschränkte Verträglichkeit fest-gestellt wurde. In der Anwendung dominiertendie Schilddrüsen-Monopräparate, über 4/5 derSchilddrüsentherapeutikaanwender nahmen Prä-parate dieser Arzneimittelklasse ein. Am häufig-sten wurden tägliche Dosen mit einer Wirkungs-stärke von 100 µg Thyroxin verschrieben.

Parameter wurden für unterschiedlicheNiveaus ermittelt. Soweit die Zustimmung derProbanden vorlag und die Serumproben eineBestimmung zuließen, erfolgte u.a. eine Bestim-mung von Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin,Triglyceride und Glukose. Zur Beurteilung desSchilddrüsenhormonstatus konzentrierten sichdie Untersuchungen auf Nullprobanden und aufSchilddrüsen-Monopräparateanwender. Von allenSchilddrüsen-Monopräparateanwendern undeiner Zufallsauswahl der Nullprobanden wurdendie Thyroxin-(T4)-Konzentrationen im Serumermittelt. Ergänzend erfolgten für die Erhebungs-

phasen T2 und TN bei einer Zufallsauswahl derNullprobanden Messungen von Thyroxin (T4),Triiodthyronin (T3) und Thyreotropin (TSH).Dabei lag das besondere Interesse in der Analysekritischer Bereiche dieser Werte. Die zum Teildeutlichen Geschlechts- und Altersunterschiedezeigten sich auch in den vorliegenden Untersu-chungen. In der Regel lag das mittlere T4-Niveauder Frauen sowohl bei den Nullprobanden alsauch bei den Präparatekonsumenten über demje-nigen der Männer. Zugleich war bei den weib-lichen Nullprobanden eine leichte Zunahme mitdem Alter zu beobachten. Das Niveau der Thy-roxinkonzentration lag bei den Schilddrüsen-Monopräparateeinnehmern im allgemeinen überdemjenigen der Nullprobanden. Diese Differenzzeichnete sich besonders deutlich in T2 und beiden Frauen ab. Für die weiblichen Präparatekon-sumenten wurden drei wesentliche Effekte regis-triert: Das T4-Niveau war dosisabhängig, in derPhase T2 deutlich erhöht und zur mittlerenAltersgruppe »40–49 Jahre« hin merklich abge-senkt. Die Parameter Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride und Glukose wurden vorallem danach ausgewertet, wie sich im Vergleichzu den Nullprobanden in den Gruppen derSchilddrüsenkranken die Anteile der für dieseParameter als ungünstig angesehenen Werte ver-änderten. Zwar wurden in den Krankengruppendeutliche Abweichungen zu den Nullprobandenregistriert, gegenüber den geschlechts- und alters-bedingten Effekten fielen die krankheitsbe-zogenen Veränderungen jedoch gering aus. Nen-nenswerte Effekte als Zeichen einer gestörtenStoffwechsellage in der Gruppe der Schilddrüsen-kranken zeigten sich vor allem bei den Glukose-werten. Bei den Nullprobanden ergaben sichbeachtenswerte Korrelationen zu T4 nur be-züglich der Triglyceride und des HDL-Choleste-rins.

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7 Schlussbemerkung

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Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jah-ren eine nahezu vollständige Iodierung von indu-striell angebotenen Lebensmitteln, Süßigkeitenund Fertiggerichten – auch von solchen, die alsDosenkonserven angeboten werden – erfolgt undauch Tiefkühlgerichte mit iodiertem Speisesalz inden Handel gebracht werden, ist es dringlich, denIodstatus in der Bevölkerung nach diesen Maß-nahmen zu überprüfen. Dies ist insbesonderedeshalb notwendig, weil die Hersteller iodierterLebensmittel zur Zeit keine zuverlässigen analy-tischen Daten über den tatsächlichen Gehalt dervon ihnen angebotenen Einzelprodukte erhebenund für epidemiologische Forschungen zur Ver-fügung stellen können. Wirklich repräsentativeBevölkerungs-Surveys und die Anwendung adä-quater analytischer Verfahren zur Bestimmungdes Iodgehalts in Harn- oder Serumproben sowie

zur Ermittlung des Schilddrüsenhormonstatuskönnen einen essentiellen Beitrag zur sicherenBeurteilung der augenblicklichen Situation leis-ten. Neuere und zuverlässigere analytischeMethoden stehen zur Verfügung, um analytischsichere Aussagen zum Iodgehalt von Harn-,Serum- oder Milchproben zu machen. Sowohlunter dem Gesichtspunkt der Gesundheitssiche-rung der Gesamtbevölkerung und zur Verhinde-rung einer möglichen Über-Iodierung als auchunter Berücksichtigung der Vermeidung vonunnötigen Kosten im Gesundheitswesen sindForschungsarbeiten zu diesen Fragen essentiell.Der Kinder- und Jugend-Survey des Robert Koch-Instituts wird bei Durchführung adäquater Mes-sungen zu den angesprochenen Problemen wich-tige Informationen liefern.

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