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2007 HEFT 3/4 KULTUR OÖ. HEIMATBLÄTTER Beiträge zur Oö. Landeskunde I 61. Jahrgang I www.land-oberoesterreich.gv.at

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2007 HEFT 3/4

KULTUR

OÖ. HEIMATBLÄTTERBeiträge zur Oö. Landeskunde I 61. Jahrgang I www.land-oberoesterreich.gv.at

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200761. Jahrgang Heft 3/4

Herausgegeben von der Landeskulturdirektion

OÖ. KÜNSTLERJUBILÄEN. ANALYSE – DOKUMENTATION – REFLEXION

Franz Zamazal: Wilhelm Kienzls Beziehungen zu Orten in Oberösterreich(Teil II der Beitragsreihe „Wilhelm Kienzl und Oberösterreich“) 147

GESCHICHTE IN DER LANDSCHAFT

Christian Steingruber: Forschungsraum KürnbergNeue Erkenntnisse über ur- und frühgeschichtliche Bodendenkmale 165

Michael Kurz: Industriearchitektur im Salzkammergut250 Jahre Brückentragwerk „Gosauzwang“ 191

Josef Simbrunner: Von der Befestigungsanlage zur GrottenbahnMaximilian und die Linzer Türme 202

Thomas Schwierz / Brigitte Heilingbrunner:Sakrale Kleindenkmäler im Bewusstsein der Öffentlichkeit. Eine aktuelle Studie 214

MENSCHENBILDER – LEBENSBILDER

Reinhold J. Dessl: Pfarrvikar P. Konrad Just (1902–1964)KZ-Priester und „Don Camillo des Mühlviertels“ 221

Herbert Bezdek: Gelehrter – „Hochverräter“ – Minister – HöchstrichterEin Lebensschicksal in der bewegten Zeit des Vor- und Nachmärz 230

Kupferschmied, Bürgermeister, Volksdichter:Zur Erinnerung an Franz Hönig (1867–1937) 233

Harry Slapnicka: Neue Gesichter, neue HerausforderungenHeimische Karikatur in der Tast- und Testphase 236

Nachruf für Romuald Pekny 239

„objektiv subjektiv“DAS FORUM DER MEINUNGEN

Josef Demmelbauer: Vom „Geist der Zeiten“ 242

BUCHBESPRECHUNGEN 250

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Medieninhaber: Land Oberösterreich

Herausgeber: Landeskulturdirektion

Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem-plare) und Bestellungen sind zu richten an denSchriftleiter der OÖ. Heimatblätter:

Camillo Gamnitzer, Landeskulturdirektion, Pro-menade 37, 4021 Linz, Tel. 0 73 2 / 77 20-1 54 77

Jahresabonnement (2 Doppelnummern) E 2,–(inkl. 0 % MwSt.)

Hersteller: TRAUNER DRUCK GmbH & Co KG,Köglstraße 4, 4020 Linz

Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger,Steingasse 23 a, 4020 Linz

Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet derjeweilige Verfasser verantwortlich

Alle Rechte vorbehalten

Für unverlangt eingesandte Manuskripte über-nimmt die Schriftleitung keine Haftung

ISBN 3-85393-005-0

Titelbild:

Der „Gosauzwang“, Stich von Maria Laimer.Schultes, 1809 (Beitrag Kurz)

Mitarbeiter:

Dr. Franz ZamazalKnabenseminarstraße 33, 4040 Linz

Christian SteingruberHirschgasse 71, 4020 Linz

Dr. Michael KurzStudienzentrum Basis4822 Bad Goisern 650

Dr. Josef SimbrunnerDoppelbauerweg 4, 4040 Linz

Dr. Thomas SchwierzLichtenberger Straße 96, 4201 Eidenberg

Kons. Brigitte HeilingbrunnerMitterberg 10, 4491 Niederneukirchen

Dr. P. Reinhold J. Dessl, OCistMarktstraße 1, 4201 Gramastetten

HR Mag. Ing. Herbert BezdekNisslstraße 28, 4020 Linz

Prof. Dr. Harry SlapnickaStockbauernstraße 6, 4020 Linz

HR Dr. Josef DemmelbauerParkgasse 1, 4910 Ried i. I.

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Wilhelm Kienzls Beziehungenzu Orten in Oberösterreich

Von Franz Zamazal

4.1. Sein Umfeld für Leben undSchaffen

Die folgenden Zeilen zeigen die be-sondere Lebenssituation von Künstlern,insbesondere eines Ehepaares, dem derBeruf oft nur vorübergehende Aufent-halte an einem Ort ermöglicht.

Nach der Promotion zum Dr. phil. inWien im Jahr 1879 öffnete sich für Kienzlauch der Weg zu einer akademischenKarriere über die Habilitation an einerUniversität. In Wilhelms Brust stecktenaber zwei Seelen: einmal in einem gerin-geren Umfang die Wissenschaft, dannjedoch ganz kräftig der Musiker als Aus-übender und Komponist. Die Entschei-dung fiel zu Gunsten der Letzteren ausund war den Eltern nicht recht, wurdeaber akzeptiert. Und das bedeutete letzt-lich ein langes Wanderleben auf der Su-che nach Kapellmeisterposten und zumBetreiben und Vorbereiten von Auffüh-rungen, insbesondere der Opern bzw.deren Uraufführung. Fixpunkt blieb vor-erst in unterschiedlicher Dauer das El-ternhaus in Graz. Als aber die Soprani-stin Lili Hoke in sein Leben trat, kamLinz als Reiseziel und Aufenthaltsortdazu.

Den Verliebten, Verlobten und Ver-heirateten war die Gemeinsamkeit oftdurch lange berufsbedingte Trennungenerschwert. Lili war durch Engagements

an Theatern gebunden. Wohl hat sie sichnach der Eheschließung von der Bühnezurückgezogen und trat fast ausschließ-lich nur noch in Konzerten, meist mit ih-rem Gatten, auf. Er bemühte sich, im Be-ruf Fuß zu fassen und erlebte dabei vieleAbsagen und ungute Erfahrungen, sodass er sich künftig intensiv der Arbeitan seinen Werken, insbesondere derOpern, widmete. Auf jeden Fall ermög-lichten die Sommerferien Gemeinsames.

Auch als das Ehepaar in Graz ab Jän-ner 1898 und in Wien ab 1917 sesshaftwurde, führten die VerpflichtungenKienzls als Dirigent, Interpret und Kom-ponist in viele Länder Europas. Unterdiesen Umständen ist sein Leben nurepisodenhaft, aber um nichts wenigerherzlich mit Orten in Oberösterreichverbunden: mit Linz über familiäre Be-ziehungen, durch Theater- und Konzert-aufführungen sowie über einen nicht zuvernachlässigenden Bekanntenkreis; mitdem Geburtsort Waizenkirchen durchnahestehende Freunde über Jahrzehntehinweg. Urlaubsorte waren Vöckla-bruck, Losenstein, Micheldorf und Kam-mer am Attersee. Wenn schon die Zeitfür persönliche Besuche in Oberöster-reich nicht reichte oder das Reisen letzt-lich beschwerlich wurde – einen Brief-wechsel gab es immer.

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4.2. Seine Beziehungen zu Linz

Als Bindeglied zur oberösterreichi-schen Landeshauptstadt sind an ersterStelle Gattin Lili und die Schwieger-eltern Dr. Emerich und Anna Hoke1 zunennen. Weiters spielten für seinen Be-kanntenkreis eine Rolle: der „Linzer Mu-sikverein“ als maßgebliche Institutionmit Musikdirektor Prof. August Gölle-rich an der Spitze und die Mitglieder des„Deutschen Clubs“. Die von Kienzl amLinzer Landestheater überwachten undselbst dirigierten Aufführungen seinerOpern wurden bereits im 1. Teil dieserBeitragsreihe (Oö. Heimatblätter, Aus-gabe 1/2-07) erwähnt.

4.2.1. Kienzls erste Gattin Lili,geb. Hoke

Die wesentlichen Quellen für unsereBeschreibung der Lebensstationen derGattin Kienzls bilden einmal die um-fangreiche Autobiographie des Kompo-nisten „Meine Lebenswanderung“2 unddann die musikwissenschaftliche Disser-tation von Ingrid Samlicki-Hagen aus1979,3 welche für die Jahre 1874 bis 1897detailreiche Ergänzungen liefert.

Die Autobiographie ist dem fleißi-gen und über Jahrzehnte konsequentenTagebuchschreiber zu verdanken, demdamit verlässliches Material für das 1926veröffentlichte Buch zur Verfügungstand. Die Wissenschafterin verwendeteauthentische Unterlagen (Tagebücher,Briefe). In beiden Publikationen ist aberder Künstler und Komponist die Haupt-person; unser Anliegen war, die Gattin,soweit wie möglich und ohne den Bei-trag mit Details zu überladen, aus derVersenkung hervortreten zu lassen.

Jugendfoto Marianne Hoke (sitzend), Pauline Hoke,genannt Lili – ohne Datum.

Foto: Oö. Landesmuseum

Die treue Lebensgefährtin ent-stammt der Juristenfamilie Dr. EmerichHoke, war die Erstgeborene, kam am

1 Im 1. Teil dieses Beitrages wurde der Familien-name einheitlich Hocke geschrieben, um dieUnregelmäßigkeiten in den zeitgenössischenPublikationen zu bereinigen. Nun bleibt es aberbei Hoke auf Grund von amtlichen Eintragun-gen (Meldebüchern) und Schriftstücken, dieerst jetzt ermittelt werden konnten.

2 Wilhelm Kienzl, Meine Lebenswanderung. Er-lebtes und Erschautes, Stuttgart 1926. Im Fol-genden zitiert als Lebenswanderung. – Eine ge-raffte Wiedergabe des Textes bringt Hans Sitt-ner, Kienzl-Rosegger, Wien 1953. Im Folgendenzitiert als Sittner.

3 Ingrid Samlicki-Hagen, Die Lehr- und Wander-jahre Wilhelm Kienzls (1874–1897), Phil. Diss.Wien 1979. Im Folgenden zitiert als Samlicki.

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Pauline Hoke, vierzehnjährig – dat. 6. 10. 1873.Foto: Oö. Landesmuseum

13. Februar 1859 zur Welt und wurde amnächsten Tag in der Linzer Pfarre St. Ma-thias „Pauline Anna Emilie“ getauft, aberimmer Lili genannt. Über ihre Jugend istnichts bekannt. Die Eltern ließen ihreGesangsstimme in Graz bei Frau Prof.Weinlich-Tipka ausbilden, in Münchenwurde sie von den Mitgliedern des Hof-theaters Kapellmeister Maier undSchauspielerin Amalia Schönchen un-terwiesen.4 Unter ihrem MädchennamenHoke, auch Hocke geschrieben, beganndie Bühnenkarriere als Sopranistin.

Die erste greifbare Berufsstation –noch in Begleitung ihres Vaters – wardas Mitwirken bei den Bayreuther Fest-spielen im Jahr 1882. Doch ein gewissen-haftes Erfassen dieser Verpflichtungen,für die in der Folge noch mehrere Jahrein Frage kommen, bereitet wegen dernicht immer gesicherten Quellen einigeSchwierigkeiten.

Briefe Wilhelm Kienzls sprechen ein-deutig für ein Engagement im Jahr 1882.5Lili sang im Chor der Blumenmädchenvon Wagners „Parsifal“, sicherlich begin-nend mit der Uraufführung am 26. Juli1882. Kienzl besuchte als begeisterterWagnerianer mehrere Vorstellungen – soam 13. 8. – und lernte im Anschlussdaran Lili Hoke kennen.6 Von dieser Be-kanntschaft schrieb er begeistert an dieEltern nach Hause: „Diese Zeilen [d. h. diehandschriftlichen Grüße] hat ein riesig lie-bes und herziges Mäderl geschrieben, welchesmir mehr ans Herz gewachsen ist, als Ihr es alleglauben könntet.“7 – Später bezeichnete ersie in seiner „Lebenswanderung“ als „eineaus der ruhmbedeckten Schar der Blumenmäd-chen, eine schöne, stimmbegabte Linzerin, undmachte sie zu meiner Lebensgefährtin, um mitihr 33 Jahre lang Freud und Leid zu teilen.“8

Über die Folgejahre bietet die Über-lieferung keine gesicherten Aussagen.Man kann sich nur auf einen HinweisKienzls verlassen, wenn er schreibt: Liliwar „seit 1882 Blumenmädchen“;9 daWilhelm bis 1888 die Parsifal-Vorstellun-gen unter Hermann Levy besucht hat,10

lässt sich daraus folgern, dass auch Liliin diesen Jahren ihre Choraufgabenwahrnahm. Das Wagner-Museum inBayreuth überliefert nur für 1883 dasMitwirken im Festspielchor.11 Noch ein

4 Julius Schuch, Des Meisters „Frau Lili“, in:Hilde Hagen (Hg.), Festschrift zum sechzigstenGeburtstag des Meisters Wilhelm Kienzl, Graz1917, S. 46 f.

5 Samlicki, S. 226, Anm. 707: z. B. Brief vom 15. 9.1882.

6 Ebenda, S. 172.7 Vgl. Anm. 5.8 Lebenswanderung, S. 95.9 Lebenswanderung, S. 99.10 Samlicki, S. 180.11 Danke für die freundliche Mitteilung.

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Fixpunkt ergibt sich aus Kienzls „Lebens-wanderung“: Lili verkörperte 1888 einePatrizierin „in den Meistersingern“,12

und das war wiederum eine Chorauf-gabe.

Diese Zusammenfassung muss nachgegenwärtigem Wissensstand für dasAuflisten der gewiss glücklichen Wo-chen in Bayreuth reichen. Setzen wirnun die chronologische Biografie fort.

Der Parsifal-Aufführungsserie 1882folgte für beide eine mehrwöchige Reisedurch Deutschland, um berufliche Kon-takte zu knüpfen, dann trennten sichvorübergehend ihre Wege; sie kehrte zuden Eltern nach Linz zurück, er fuhr wie-der nach Graz.13

Das Jahr 1883

Im Frühjahr, nach insgesamt fünfmo-natiger Getrenntheit, trafen sich die bei-den wieder in Linz. Lili hat bei der Ge-dächtnisfeier für Richard Wagner im„Deutschen Klub“, dem ihr Vater als Ob-mann vorstand, am 22. Februar die Arieder Elisabeth aus Wagners „Tannhäuser“„fein künstlerisch zur Geltung ge-bracht.“14 Wenige Tage später, am 28. Fe-bruar ebenfalls im „Deutschen Klub“,ließ sich Kienzl mit eigenen Werken hö-ren. In ihnen – so ein Zeitungsbericht –entdeckten wir „einen höchst originellen Cha-rakter, der sich wohltuend von dem gang und ge-ben Chopinismus [sic!] in der modernen Kla-viermusik unterscheidet.“15 Konzert am 2.Mai 1883 in Linz, Redoutensaal.

Diese Veranstaltung wurde im Ver-lauf von mehr als zwei Wochen öfters inder Zeitung angekündigt. Sie war ganzauf den Komponisten und PianistenKienzl ausgerichtet, der „zum ersten Male

in seinem engeren Geburtslande“ ein Konzertgibt und „an einer großen Oper arbeitet“.16

Die Zeitung veröffentlichte dieganze Vortragsfolge:17

„Programm zu dem kommendenMittwoch, den 2. Mai, Abends 7 1⁄2 Uhrim landschaftlichen Redoutensaale untergefälliger Mitwirkung des Fräuleins Pau-line Hoke und der Herren Nowak undSchober stattfindenden Konzerte:1. W. Kienzl: Trio für Klavier, Violine

und Violoncello op. 13 F-moll die Her-ren Nowak, Schober und der Kompo-nist.

2. a) E. Grieg: Solveigs Lied,b) W. Kienzl: ,Der Kuß‘, Gedicht aus

dem Rumänischen, gesungen vonFräulein Pauline Hoke.

3. W. A. Mozart: Fantasie C-moll fürKlavier, Dr. W. Kienzl.

4. W. A. Mozart: Arie und Rezitativ derGräfin aus ,Figaro‘ gesungen vonFräulein Pauline Hoke.

5. a) F. Chopin: Trauermarsch aus op. 35,b) W. Kienzl: Polonaise Bal masque,

Klavierstücke, vorgetragen von Dr.W. Kienzl.

6. a) L. Prochazka: ,Bitterer Vorwurf‘,b) J. Brahms: ,Wiegenliedchen‘,c) C. Goldmark: ,Die Quelle‘, Lieder,

gesungen von Fräulein PaulineHoke.

12 Lebenswanderung, S. 99.13 Samlicki, S. 226 f.14 Tages-Post, 25. Februar 1883, S. 4. – Richard

Wagner starb am 13. Februar in Venedig.15 Tages-Post, 28. Februar 1883, S. 3, und 4. März

1883, S. 3.16 Tages-Post, 15., 24., 27., 29. April und 1. Mai

1883.17 Tages-Post, 27. April 1883, S. 4.

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7. W. Kienzl:a) Kahnszene op. 5,b) ,Kroatentanz‘ aus op. 21,c) Seliges Waldgeheimniß op. 15,d) Serenade aus op. 15, Klavierstücke,

der Komponist.

Karten zu Cerclesitzen a fl. 1,50, Saal-sitzen a fl. 1, Galerie-Sperrsitzen a 70 kr.,Entree a 50 kr. Sind in der k. k. Hofbuch-handlung Vinzenz Fink, Franz-Josefs-platz zu haben.“

Der namentlich nicht gezeichneteBericht über die Aufführung liefert inte-ressante Aufschlüsse aus persönlicherSicht:18 „Die scheidende Saison überraschtenoch mit dem Konzert des Herrn Dr. WilhelmKienzl, welcher sich unserem Publikum alsKomponist und Klavier-Virtuose vorstellte.Sein Klavier-Trio, welches von ihm und denHerren Nowak und Schober in vorzüglicherWeise zur Geltung gebracht wurde, verräth ei-nen fein gebildeten Musiker, der, wenngleich anSchumann sich anlehnend, immerhin das Be-dürfniß hat, sich selbst auszusprechen und diesauch in vornehmer Art thut. Der 2. und 3. Satzgefielen am meisten, namentlich der 3., welcherein reizendes Thema ziemlich breit ausspinntund von bedeutender sinnlicher Wirkung ist.Eine ganz allerliebste Komposition des Konzert-gebers ist ,Der Kuß‘, ein Lied aus dem Rumäni-schen. Unsere liebenswürdige Landsmännin,Fräulein Pauline Hoke, sang mehrere Liederund Recitativ und Arie der Gräfin aus ,Figa-ro’s Hochzeit‘ von Mozart und bewährte sichals trefflich geschulte Konzertsängerin, derensympathische Sopranstimme sich für gewisseAufgaben ganz vorzüglich eignet. Nach dem,was wir von ihr bisher gehört haben, möchtenwir fast behaupten, daß ihrem Naturell derAusdruck des Heiteren und Neckischen mehrzusagen dürfte, als jener großer Leidenschaft,

wozu ja bekanntlich bedeutende Stimmmittelunerläßlich sind. Fräulein Hoke besitzt nebenblühender Jugend eine ganz exquisite Bühnener-scheinung; die stimmliche Befähigung zur dra-matischen Sängerin aber wird erst zu erweisensein. Die Klavierbegleitung sämmtlicher Ge-sangsnummern besorgte Herr Dr. Kienzl, wel-cher übrigens ein ganz virtuoser Klavierkünstlerist und nicht nur durch seine etwas allzu leb-hafte Geberdensprache [sic!], sondern auchdurch seine eigenartige Auffassung und dieEnergie des Anschlages an Hans Bülow19 erin-nert. Das Konzert war verhältnismäßig gut be-sucht.“

Diese Ausführungen sind noch umeinige weitere Sätze aus einem etwas an-deren Blickwinkel zu ergänzen: „Ein aus-erlesenes, ziemlich zahlreiches Publikum ergötztesich an den gelungenen musikalischen Schönhei-ten. . . . Alle Nummern wurden in echt künstle-rischer Weise – wie nicht anders erwartet, exe-cutiert [sic!] und fanden auch dankbarste Aner-kennung“.20

Im Sommer reisten beide nach Bay-reuth, denn Lili war wieder für die Parsi-fal-Produktion engagiert.21 Es folgtenoch ein einwöchiger München-Aufent-halt. Für den Herbst nahm sie ein Enga-gement am Theater in Aachen und Ko-blenz an. – Wilhelm sitzt allein in Graz,dirigiert, komponiert und wird gegenJahresende 1883 als Kapellmeister nachAmsterdam engagiert. Auf der Reisedorthin gibt es in Koblenz ein Wiederse-hen mit Lili.22

18 Tages-Post, 6. Mai 1883, S. 5.19 Hans von Bülow (1830–1894) war ein großer

Bahnbrecher für das moderne Klavierspiel.20 Linzer Volksblatt, 5. Mai 1883, S. 2.21 Vgl. Anm. 11.22 Samlicki, S. 230 f.

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Das Jahr 1884

Nach der Verlobung Anfang Jänner1884 wird Lili als Braut des Kapellmeis-ters auch in Amsterdam als Sopranistinverpflichtet. Doch das Theater macht be-reits gegen Ende März bankrott, einKurzengagement führt beide ans Theatervon Krefeld, und dann folgen noch zweigemeinsame Maiwochen in Linz. Wil-helm macht hier „officielle Visiten alsBräutigam“.23 Erst im Sommer in Bay-reuth und bei einem Aufenthalt in Lo-senstein/Enns im Kreise der Hoke-Fami-lie treffen sie sich wieder. Im Herbst 1884geht Lili ans Theater in Ulm.24

Das Jahr 1885

Wilhelm besucht sie in Ulm, feiertmit ihr im Jänner seinen 28. Geburtstagund findet anschließend in Linz bei Fa-milie Hoke Unterkunft. Lili gastiert zumEnde der Ulmer Wintersaison dreimalam Linzer Landestheater. Ihre Auftrittewerden in den Zeitungen verhältnismä-ßig ausführlich angekündigt.25 In denBerichten über die Vorstellungen werdendas Können als Sängerin und Darstelle-rin sowie die Ausstrahlung gelobt.26

Unerklärlich bleibt jedoch, dass dieentsprechenden Theaterplakate27 sie je-des Mal „vom Stadttheater in Königs-berg“ (ehemals Ostpreußen) ankündig-ten. Welche Bewandtnis es mit diesemHinweis hat, muss offen bleiben, da bisjetzt in dieser Zeit nur das Engagementin Ulm feststeht.

Die Gastspiele fanden statt amSamstag 25. April als Agathe in C. M. v.Webers „Der Freischütz“,28 Donnerstag2. Mai als Donna Anna in Mozarts „Don

Juan“29 und Samstag 7. Mai als Valentinein G. Meyerbeers „Die Hugenotten“.30

Im Mai machte Lili den ersten Be-such in Graz bei Wilhelms Eltern und er-regte das Missfallen der künftigenSchwiegermutter. Den Sommer verbrin-gen die jungen Leute in Au bei Kammeram Attersee und den Oktober wieder inLinz.

Lili gastiert am Linzer Landestheater– angekündigt als „nur einmaliges Gast-spiel“ – am 17. Oktober als Pamina inMozarts „Die Zauberflöte“.31

Im Herbst geht sie an das Theater inReichenberg/Böhmen und kann dortWeihnachten gemeinsam mit Wilhelmverbringen.32

Das Jahr 1886

Kienzls Erstlingsoper „Urvasi“, ander er in den letzten Jahren fleißig gear-beitet hatte, wurde von der DresdnerHofbühne zur Uraufführung angenom-

23 Ebenda, S. 243.24 Ebenda, S. 243–246.25 Der Wortlaut der Ankündigungen ist in jeder

Zeitung bis auf Kleinigkeiten gleichlautend.Von ihrer Wiedergabe wurde abgesehen, dennaussagekräftiger sind die Besprechungen derVorstellungen.

26 Wegen des Umfangs werden die Berichte imAnhang aber auch nur ausschnittsweise abge-druckt.

27 OÖ. Landesmuseum, Theatersammlung, Pla-kate in Mappe 1885.

28 Tages-Post, 24. April 1885, S. 3 (Ankündi-gung); 28. April 1885, S. 5 (Bericht).

29 Tages-Post, 2. Mai 1885, S. 2 (Ankündigung);5. Mai 1885, S. 4 (Bericht).

30 Tages-Post, 5. Mai 1885, S. 3 (Ankündigung);12. Mai 1885, S. 4 (Bericht).

31 Tages-Post, 17. Oktober 1885, S. 3 (Ankündi-gung); 20. Oktober 1885, S. 4 (Bericht).

32 Samlicki, S. 268.

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Theaterprogramm – Linzer Landestheater, 25. 4. 1885, mit Lili Hoke als Gast. Foto: Oö. Landesmuseum

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men, und von Reichenberg aus war esfür Lili nicht weit, diesem Ereignis am 20.Februar 1886 beizuwohnen. Dass sieselbst am Tag zuvor als Elisabeth inWagners „Tannhäuser“ einen schönen Er-folg erzielen konnte, blieb auch den Lin-zern dank einer Notiz in der Tages-Postnicht verborgen.33

Im Laufe des Frühjahrs hat es sich inGraz entschieden, dass Kienzl beim„Steiermärkischen Musikverein“ als Di-rektor bestellt wurde. Diese fixe Positionmit dem gesicherten Einkommen er-möglichte schließlich die Hochzeit, dieam 5. Juli 1886 in Heiligenkreuz bei Mi-cheldorf, Oberösterreich, stattfand.34

Vor der Eheschließung musste sichLili von einem bereits abgeschlossenenEngagement am Theater in Danzig lö-sen, was erfreulicherweise ohne Pro-bleme vor sich ging. Über die für einekirchliche Heirat notwendigen Formali-täten unterrichtet der im Archiv der Lin-zer Stadtpfarrkirche erhalten gebliebeneAkt.35 Die Brautleute wurden in Linz36

und Graz,37 an den jeweiligen ordentli-chen Wohnsitzen, in der Kirche verkün-det und haben sich der Religionsprü-fung unterzogen. In Vertretung des zu-ständigen Linzer Pfarrers nahm Pater Ja-kob Denkgoth, Pfarrer zu Heiligenkreuz,am 5. Juli 1886 die Trauung vor. Trauzeu-gen waren Eduard Hoke, Ingenieur inLinz,38 und Dr. Adolf Knall, Advokat inWien.

Unmittelbar nach der Hochzeitführte die Reise über Passau nach Bay-reuth. Sommerwochen verbrachte dasPaar in Neu-Pernstein bei Micheldorf imKreis der Eltern. Die gemeinsame Woh-nung in Graz wurde mit 14. November1886 bezogen, und beide erfreuten sichvon nun an der häuslichen Vorzüge.39

Von diesem Zeitpunkt an hat sichLili von der Bühne zurückgezogen undsingt, wenn überhaupt, nur noch in Kon-zerten mit ihrem Gatten am Klavier, inOratorien oder in eigenen Liederaben-den.

Im Laufe der wenigen Jahre ihrer Be-rufstätigkeit als Opernsängerin (Sopran)hat sie u. a. folgende Partien verkör-pert:40 Micaela und Frasquita in „Car-men“ von G. Bizet. Donna Anna undDonna Elvira in „Don Giovanni“ von W.A. Mozart. Pamina in „Die Zauberflöte“von Mozart. Jungfer Anna Reich in „DieLustigen Weiber von Windsor“ von O.Nicolai. Agathe in „Der Freischütz“ vonC. M. v. Weber. Valentine in „Die Huge-notten“ von G. Meyerbeer. Selice in „DieAfrikanerin“ von Meyerbeer. Aida in„Aida“ von G. Verdi. Elisabeth in „Tann-häuser“ von R. Wagner.

Die Jahre 1886 bis 1890 mit WohnsitzGraz

Trotz gesicherten Einkommens ka-men beide dem Konzertleben nicht ab-handen, denn zusätzliche Einnahmenwaren immer willkommen.

33 Tages-Post, 24. Februar 1886, S. 4 (Rubrik:„Theater, Kunst und Literatur“): „Des größtenBeifalles hatten sich Frl. Hoke (Elisabeth) undHerr Neidl (Wolfram) zu erfreuen.“

34 Samlicki, S. 286 f.35 Stadtpfarre Linz, Archiv, Eheakten, Nr. 51 a,

aus 1886.36 Wohnhaft Graben Nr. 3, in der Stadtpfarre.37 Wohnhaft Paradeisgasse Nr. 3, in der Stadt-

pfarre.38 Wahrscheinlich handelt es sich um den Onkel

der Braut mit Namen Willibald Edmund (geb.1844).

39 Samlicki, S. 286 f.40 Vgl. Anm. 4. – Samlicki, S. 238.

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Einige bemerkenswerte Auftritte –ohne Anspruch auf Vollständigkeit – inund außerhalb von Graz:41

30. November 1886: Zum ersten Malwar Lili in Graz zu hören, sie sang Liedervon Liszt und die Hallenarie aus „Tann-häuser“.

Sommer 1887: Konzerttourneedurch steirische Kurorte.

7. März 1889: Im Wiener Wagner-Verein mit einigen Liedern.

16. April 1889: Im außerordentlichenWiener Gesellschaftskonzert unter HansRichter mit dem Sopranpart in Bachs„Weihnachtsoratorium“, worüber EduardHanslick eine ärgerliche Rezensionschrieb.

17. Mai 1889: Ausnahmsweise einOpernauftritt: Titelpartie in Kienzls „Ur-vasi“ an der Grazer Oper.

4. Dezember 1889: Wagners „Wesen-doncklieder“ in Graz.

1. April 1890: Festkonzert in Grazmit Lili als „Traumerscheinung“ inKienzls „Heilmar“.

Einen schönen Erfolg erzielte Lili beieinem Hofkonzert zu Bückeburg/Deutschland. Unvergessen bleibt derAbend im Wiener Tonkünstlerverein, beidem sie „mit viel Erfolg Lieder von Brahms beiAnwesenheit des Meisters zu dessen lebhaft ge-äußerter Zufriedenheit“ sang.42

Eine Pionierleistung des Künstler-paares bildeten die vier Grazer „Histori-schen Liederabende“, welche die Ent-wicklung des deutschen Liedes mithöchst stilvoll ausgeführten Gesängenaufzeigten (26. November bis 19. De-zember 1890) und in der Fachwelt starkbeachtet wurden.43

Aus demselben Zeitraum gibt esüber Linz nicht viel zu berichten. Der Be-such der Schwiegereltern in Linz zum

Weihnachtsfest 1887 wurde auch zu ei-nem Konzert im Redoutensaal genützt.Am 6. April 1889 gastierten GrazerKräfte am Linzer Landestheater mit derAufführung der Kienzl-Oper „Urvasi“,bei der Lili die Titelrolle verkörperte.44

Beim „Steiermärkischen Musikver-ein“ wurden in letzter Zeit die Arbeits-umstände für Kienzl unerquicklich, undin dieser Situation kam für ihn das Enga-gement als 1. Kapellmeister nach Ham-burg gerade recht. Er glaubte, damitseine Situation verbessern zu können;leider ist dies nicht eingetreten, dennsein dortiges Wirken war nur von kurzerDauer.45

Das Jahr 1891

Lili sollte bald nach Hamburg nach-kommen, erkrankte aber in Linz fürmehrere Monate, so dass vom 19. Maibis 13. September 1891 ein Kuraufent-halt in Lofer notwendig wurde (Muskel-rheumatismus). Die nicht erfüllten Hoff-nungen in Hamburg hatten wieder einWanderleben ohne eigene Wohnungnach sich gezogen, ähnlich wie in frühe-ren Jahren, aber nun mit dem Schwer-punkt, sich intensiv der Komposition zuwidmen. Verständlich, dass er seinen„Freunden“ mit einer Rückkehr nachGraz keine Freude machen wollte. Daherreisten beide nach Linz und blieben hiervom 18. September 1891 bis 14. Jänner1892. Diese Situation nützte der Kompo-nist für fleißiges Arbeiten und gab Kon-

41 Samlicki, S. 108–306.42 Lebenswanderung, S. 133.43 Samlicki, S. 308.44 Ebenda, S. 306.45 Samlicki, S. 317–323.

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Konzertprogramm – Linzer Redoutensaal (mit unrichtigem Datum, die Aufführung wurde verschoben).

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zerte.46 Konzert am 23. November 1891,Linz, Redoutensaal.

Die Zeitung machte durch mehrereausführliche Ankündigungen47 viel Wer-bung für dieses Konzert. Erwähnt wer-den u. a. die Grazer „historischen Lieder-abende“, Lilis Ruf als eine „hervorra-gende Konzertsängerin und die Erfolgein Wien und in der österreichischen Pro-vinz“. Auch ein Hinweis auf KienzlsOper „Urvasi“, die hier wiederholt mitErfolg aufgeführt wurde, fehlte nicht. Als„piece de resistance“,48 d. h. als Hauptge-richt, werden der Monolog und Dialogaus dem 2. Akt der „Meistersinger“ (Ev-chen, Hans Sachs) hervorgehoben mitdem Hinweis, dass diese Szene in Linz„überhaupt zum erstenmal im Rahmen einesConcertes“ vorgeführt wird. (Anmerkung:Die Linzer Erstaufführung am Theatererfolgte am 27. April 1885.)

Der namentlich nicht gekennzeich-nete Bericht in der Tages-Post (25. No-vember 1891, S. 5) lautet, etwas gekürztwiedergegeben:

„Als wir seinerzeit das Auftreten der FrauLili Kienzl-Hoke ankündigten, stellten wir demmusikliebenden Publicum unserer Stadt einenerlesenen künstlerischen Genuß in Aussicht.Der Ausfall des gestrigen Abends49 hat dieseVorhersage vollkommen bestätigt. Die genannteKünstlerin hatte von jeher die Herzen echterKunstfreunde durch eine Eigenschaft gewonnen,welche in aller Kunst, sei sie selbstschöpferischoder reproducierend, obenan steht. Durch wahrenicht bloß scheinbare Empfindung gesellen sichnoch dazu tüchtige Stimmmittel und eine gedie-gene Schulung, sowie die Vorzüge einer schönenGestalt, so ist es begreiflich, dass alles, was FrauKienzl singt, den Stempel der Vollendung trägt.Sie erntete demgemäß für den Vortrag ihrer Lie-der und Gesänge großen Beifall und viele Her-vorrufe.

In den Ehren des Abends theilten sich nochHerr Concertmeister Emil Kühns, der durchschönen Ton und edlen Vortrag die Zuhörer-schaft zur Bewunderung hinriß; ferner derOpernsänger Herr Alois Hofmann, der imMonologe des Hans Sachs aus den ,Meister-singern‘: ,Wie duftet doch der Flieder‘ und demdarauffolgenden Dialog mit Eva, der Concert-geberin würdig zur Seite stand, sowie auch mitder Händel’schen Baßarie: ,Wer mag den Tagseiner Zukunft erleiden‘, reichlichen Applaus er-zielte.

Eingeleitet wurde das Concert mit einemClaviertrio von Dr. Wilhelm Kienzl, von ihmselbst und den Herren Kühns und Schober inbrillanter Weise gespielt.50 Uns war das Trionoch unbekannt, aber wir fanden die VorzügeKienzel’schen Schaffens: gefällige, leicht ver-ständliche Thematik, innige Vertiefung nach dereinen, feurigen Aufschwung nach der anderenRichtung, auch in diesem Trio zur Geltung ge-bracht. Jede Nummer desselben fand reichlicheAnerkennung.

Die Begleitung der Gesangsvorträge wurdevon Herrn W. Kienzl in ausgezeichneter Weisebesorgt – wir gedenken hier besonders noch derScene aus den ,Meistersingern‘.“

46 Ebenda, S. 323–334.47 Ankündigungen des Konzertes brachte die Ta-

ges-Post vom 5., 11., 13., 14., 15. und 24. No-vember 1891. Letztere Ausgabe am Abend desKonzertes erschienen – jedoch wie damals üb-lich mit dem Folgetag datiert –, brachte nochzwei ankündigende Zeilen.

48 Dieser Ausdruck, der Küchensprache entnom-men, bedeutet hier „im Mittelpunkt stehend“.

49 Das Konzert war ursprünglich, wie auf demProgrammblatt ersichtlich, für 14. Novemberangekündigt. Es musste aber aus uns unbe-kannten Gründen auf 23. November verscho-ben werden.

50 Bei den Mitwirkenden Emil Kühns und FranzSchober handelte es sich um geschätzte LinzerKräfte.

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Das Jahr 1892

Anfang dieses Jahres reisten beidenach München, denn die Oper „Heilmarder Narr“ wurde am Hof- und National-theater angenommen, die Uraufführungam 8. März 1892 unter der Einstudie-rung und Leitung des Komponistenbrachte dessen Verpflichtung als Kapell-meister, beginnend mit 1. September,mit sich.51 Der Sommer gehörte demAufenthalt in Lofer, da Lili wiederumwegen Muskelrheumatismus die Kur ge-brauchte.52 Im Herbst finden sie eineWohnung in München, doch was sovielversprechend begann, währte nurein Jahr, denn der Vertrag galt nichtlänger.53

Das Jahr 1893

Von München aus kamen beide zuden Ostertagen nach Linz. Mit demEnde der Münchner Verpflichtung warwieder das „Wanderleben“ ohne feste ei-gene Wohnung unausbleiblich, also einZustand wie in früheren Jahren, aber mitdem Unterschied, dass sich der Schwer-punkt der Bemühungen noch stärker aufdie Komposition verlagerte. Den Som-mer verlebten sie in Lofer, wo sichdie schöpferische Initialzündung fürdie Oper „Der Evangelimann“ einstell-te.54

Die nächsten Stationen waren Vöck-labruck55 und schließlich in Graz das El-ternhaus. Die Verschiedenheit des Tem-peraments von Mutter und Schwieger-tochter brachte manche Spannungen mitsich. Verständlich, dass das junge Ehe-paar eher nach Linz als nach Grazstrebte.

Das Jahr 1894

Dieses Jahr stand ganz im Zeichender Arbeit an der Oper „Der Evangeli-mann“, welche in Linz (14. Mai bis 25.Mai), in Graz und Bad Aussee immermehr an Gestalt gewann. Am 13. Sep-tember war sie abgeschlossen. Man darfannehmen, dass das Ehepaar in dieserZeit durch berufliche Umstände allen-falls nur kurz getrennt war.56

Das Jahr 1895

Die Vorbereitungen der „Evangeli-mann“-Uraufführung machten die An-wesenheit des Komponisten in Berlin(6. Dezember 1894 bis 29. Mai 1895) not-wendig; Wilhelm wurde dabei von Lilibegleitet. Dem sehr großen Erfolg am4. Mai 1895 folgte die Rückkehr nachGraz. Lili erkrankte, und der Sommer-aufenthalt in Alt-Aussee diente ihr auchfür Solebäder. Doch ihr Gesundheitszu-stand verschlimmerte sich mit Herzbe-schwerden und Atemnot.

Um weitere Aufführungen des„Evangelimann“ vorzubereiten, zu über-wachen und zu dirigieren, unternahmKienzl in der Zeit vom 23. September bis6. November 1895 „Opernreisen“. Wäh-rend dieser Wochen blieb Lili wegen der

51 Samlicki, S. 338–342.52 Ebenda, S. 352–354.53 Ebenda, S. 354–356.54 Samlicki, S. 367. – Bereits der dritte Aufenthalt

in Lofer.55 Ebenda, S. 370.56 Samlicki, S. 371 f.

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angegriffenen Gesundheit in Linz; vonhier hat sie Wilhelm abgeholt.57

Das Jahr 1896

Dieses Jahr steht deutlich im Zeichender „Evangelimann“-Aufführungen.Während der neuerlich notwendigen„Opernreisen“ zu verschiedensten Thea-tern (6. April bis 20. April und 9. Okto-ber bis 30. November 1896) bleibt Liliwieder in Linz und wird anschließendvon Wilhelm abgeholt. Da noch immerkeine fixe Anstellung für den Komponis-ten in Aussicht war und demnach keineeigene Wohnung zur Verfügung stand,zog sich das Ehepaar für eineinhalbJahre auf den „Brodschimpl“ in der Nähevon Graz zurück, welcher der Kienzl-Familie seit langem als Ferienwohnungdiente. In diese Zeit fällt auch ein Besuchdes Ehepaares in Vöcklabruck (7. Mai bis2. Juni 1896).58

Das Jahr 1897

Dieses Jahr hat gut begonnen. Wil-helm feierte bei den Schwiegereltern den40. Geburtstag in Linz und konnte seinneuestes Werk, die Oper „Don Quixote“,auf die er große Hoffnungen setzte, vorgeladenen Gästen am Klavier aufführen.Bald nach seiner London-Reise, zur„Evangelimann“-Premiere (19. Juni bis10. Juli 1897), wurde diese Partitur abge-schlossen.59

Alle bisherigen Erfolge ermöglichtenes dem Ehepaar, sich in Graz niederzu-lassen, denn Kienzl wollte nicht mehrdauernd von seinen alten Eltern getrenntsein. Am 15. Dezember 1896 kamen dieMöbel aus München, und die endgül-

tige Übersiedlung erfolgte am 8. Jänner1898, womit der sehnliche Wunsch, end-lich „wieder ein eigenes Heim“, in Erfül-lung ging.60 Lili sorgte von nun an fürbehaglichen Alltag und vorzügliche Kü-che.61

Über die weiteren Jahre nach 1897

Lilis Arbeit im Haushalt wird immermehr von Krankheit überschattet. Wiebereits erwähnt, unterzog sie sich Kuren,kann die „Opernreisen“ ihres Gattennicht mitmachen und lebte in dieser Zeitbei ihren Eltern in Linz. Aus Briefen Wil-helms erfährt man von der Pflege undFürsorge durch ihre Mutter (1891) undimmer wieder allgemein über gesund-heitliche Beschwerden (1908, 1916).62

Aufgrund dessen darf man annehmen,dass für Lili – wenn überhaupt – dasKonzertieren sicherlich nur noch in be-scheidenem Umfang in Frage kam. DieseVermutung wird durch die Tatsache un-termauert, dass Wilhelm Liederabendemit eigenen Werken fortan nicht mehrmit ihr, sondern mit der Sängerin derBerliner Oper Emmy Destinn veranstal-tete; die Konzerte begannen 1903 in Ber-lin, führten durch Städte Deutschlandsund Österreichs – auch nach Linz – und1905 nochmals nach Berlin.63

57 Samlicki, S. 403–408.58 Samlicki, S. 415 f. – Brodschimpl ist die Be-

zeichnung eines Bauernhofes, nördlich vonGraz am Fuße des Schöckls gelegen (vgl. Sitt-ner, S. 316).

59 Samlicki, S. 433 f.60 Ebenda, S. 438.61 Lebenswanderung, S. 144.62 Österreichische Nationalbibliothek, Hand-

schriftensammlung, Wien, Musiker-Briefe, Re-gesten.

63 Sittner, S. 164.

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Gruppenaufnahme, 30. 7. 1902, beim VI. Deutschen Sängerbundfest; Kaffeejause in Kienzls Sommerwoh-nung im Anwesen „Brodschimpl“ unweit von Graz. Von links nach rechts: Julius Schuck, Heinrich Zöllner,Lili Kienzl, Dr. Ernst Descey, Wilhelm Kienzl, August Göllerich, Elli Stärck (dilettierend als Schauspie-lerin). Foto: Oö. Landesmuseum

Das Leben des Komponisten nahmmit den vielen beruflichen Verpflichtun-gen seinen gewohnten Gang. Die Som-mermonate gehörten seit langem fastausschließlich dem Aufenthalt in BadAussee. Im Oktober 1917, mitten im Ers-ten Weltkrieg mit seiner problemati-schen Versorgungslage, übersiedelte dasEhepaar nach Wien.

Von einem langwierigen Leiden be-fallen, starb Lili am 3. November 191964

in Bad Aussee und wurde am Ortsfried-

hof bestattet. Für die Schwere der Krank-heit spricht, dass eine Rückkehr nachWien nicht mehr möglich war.

64 Die „Lebenswanderung“ S. 220 nennt als To-desdatum den Allerseelentag. Lt. Auskunft desPfarramtes Bad Aussee ist jedoch der 3. No-vember richtig. – Vgl. Tages-Post, 5. November1919, S. 3: „Frau Lili Kienzl †“. – Herrn Schuldi-rektor Siegfried Fleck, Waizenkirchen, gebührtfür die wertvollen Hilfeleistungen herzlicherDank.

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Gedenktafel für Kienzls erste Frau Lili an der Kirchevon Bad Aussee. Foto: Friederike Mayrhuber

Wilhelm Kienzls Dankschreiben an die Linzer Fa-milie Winkler für erwiesene Anteilnahme.

Foto: Archiv der Stadt Linz

ANHANG – Berichte über Lili Hoke als Gast am Linzer Landestheater.

Aus den meist umfangreichen Berichten in den Zeitungen65 wurden nur dieAbschnitte über die Sopranistin herausgehoben. Dabei werden neben den künstleri-schen Leistungen auch einige Einblicke in den seinerzeitigen Theaterbetrieb eröffnet.Mit Absicht wurden von den in Linz erscheinenden Zeitungen hier nur die „Tages-Post“ und „Linzer Zeitung“ berücksichtigt. – Sämtliche Artikel wurden vom jeweili-gen Autor weder mit Namen noch mit Kürzel gekennzeichnet.

a) als Agathe in C. M. v. Webers „Der Freischütz“,in: Tages-Post, 28. April 1885, S. 5.

„Vorgestern debutierte Fräulein Lili Hoke als Agathe in Webers ,Freischütz‘ mit ausgespro-chenem Erfolge. Die junge Dame, eine Linzerin, besitzt neben einer hübschen Bühnenerscheinungeine in allen Lagen gut ausgeglichene sympathische Sopranstimme von edlem Timbre und vortreffli-cher Schulung. Fräulein Hoke sang sowohl die Recitative als auch die beiden Arien im zweiten undvierten Acte mit schönem dramatischen Ausdrucke und verdiente den reichlich gespendeten Beifallin vollstem Maße . . . Ueberhaupt war die gestrige [sic!] ,Freischütz‘-Aufführung, welche HerrKapellmeister Krones dirigierte, eine der besten in der gegenwärtigen Saison.“

65 Im fortlaufenden Text wurden kleinere Auslassungen nicht extra gekennzeichnet.

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in: Linzer Zeitung, 28. April 1885, S. 439.

„Die Oper ,Der Freischütz‘ bot ein ganz besonderes Interesse durch das Auftreten desFräul. Pauline Hoke in der Rolle der Agathe. Fräul. Hoke besitzt eine sehr schöne, pastöse Sopran-stimme von in allen Lagen edlem Timbre, welche bei der guten Schule, dem echt künstlerischen Auf-fassungsvermögen der Sängerin die beste Verwertung findet. Die geschätzte Gastin [sic!], vomPublicum freundlich empfangen, errang einen vollständigen Erfolg und wurde im Laufe des Abendsallein und im Vereine mit den anderen Trägern der Hauptpartien gewiß nahezu ein dutzendmalgerufen. Dieser Beifall galt aber nicht bloß der Linzerin, sondern vorzugsweise der Künstlerin, wel-che die echt deutsche Mädchengestalt Agathens in idealer Auffassung wiederzugeben verstand unddem schauspielerischen und musikalischen Theile ihrer Aufgabe in seltener Weise gerecht wurde. Inder großen Scene und Arie des zweiten Actes entzückte sie das Publicum durch den durchgeistigten,fein nuancierten Vortrag, welchem auch die richtige dramatische Steigerung nicht abgieng [sic!],sehr schön, mit tiefer Empfindung trug sie auch die Cavatine in As-dur vor. Die Linzer haben alleUrsache, auf ihre hochbegabte Landsmännin mit Recht stolz zu sein.

Die Aufführung war eine würdige. Herr Kapellmeister Krones dirigierte dieselbe mit vie-ler Umsicht, nur schien uns bei dem ,Victoria‘-Chore zu Anfang des ersten Actes, dann [bei] demJägerchore das Tempo etwas überhastet.“

b) Als Donna Anna in W. A. Mozarts „Don Juan“,in: Tages-Post, 5. Mai 1885, S. 4.

„Fräulein Lili Hoke wagte sich über die Donna Anna, eine der gewaltigsten Sopran-Par-tien in der gesammten Opernliteratur. Die talentierte junge Sängerin sang das grandiose Recitativvor der Leiche ihres Vaters und die ein riesiges Stimm-Materiale erfordernde ,Rache-Arie‘ mit schö-nem dramatischen Ausdrucke und temperamentvoller Leidenschaftlichkeit, so daß an ihrer eminen-ten Begabung für das dramatische Fach wohl nicht mehr gezweifelt werden kann. Ihre spätere Leis-tung, insbesondere in der Brief-Arie, fiel freilich etwas ab, das Organ klang stark ermüdet, doch istdies mit Rücksicht auf die außerordentlichen stimmlichen Anforderungen, welche diese Partie stellt,und bei der Jugend der geschätzten Debutantin wohl begreiflich und kann uns nicht hindern, demFräulein zu dem schönen Erfolge auch des gestrigen Abends vom Herzen Glück zu wünschen . . .[Die Sänger der Rolle des Gouverneurs und des Masettos] boten befriedigende Leistun-gen, ebenso der Chor und das Orchester unter der Leitung des Herrn Kapellmeisters Krones. HerrHagen, zu dessen Benefiz die gestrige Vorstellung stattfand, wurde mit einer lebhaften Beifallssalveempfangen und mit reichen Blumenspenden von dem gutbesuchten Hause ausgezeichnet.“

in: Linzer Zeitung, 6. Mai 1885, S. 471.

„Die Aufführung der Oper ,Don Juan‘ litt an den Folgen einer ungenügenden Vorberei-tung. Wenn man weiß, daß dieses Riesenwerk Mozarts in wenigen Tagen studirt [sic!] werdenmußte, daß einige Solokräfte in ihren Partien neu waren, dann lässt sich sehr viel erklären; derar-tige Opernvorstellungen müssen von langer Hand vorbereitet sein und dürfen nicht überstürzt wer-den. Fräulein Lili Hoke gab als Donna Anna eine neue Probe ihres schönen, vielversprechendenTalentes. Diese Partie zählt zu den größten Aufgaben einer dramatischen Sängerin. Die hohe Lage,in welcher dieselbe geschrieben ist, erfordert eine bedeutende stimmliche Kraft, und nur einer sehr

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geschulten Sängerin kann die vollständige Bewältigung derselben gelingen. Fräulein Hoke hatteihre Rolle richtig aufgefaßt, sie brachte dieselbe durch Erscheinung, Spiel und die gesangliche Durch-führung zur besten Geltung. Die Recitative, insbesonders die Erzählung des Abenteuers mit DonJuan, die beiden großen Arien sang sie mit dem erforderlichen dramatischen Ausdrucke, mit feinerNuancirung, auch mangelte ihr bei der Rache-Arie nicht die nöthige Kraft. Was uns bei dieser Sän-gerin so sympathisch berührt, ist die Gewissenhaftigkeit, mit welcher sie den Intentionen des Com-ponisten gerecht zu werden sucht, was ihr bei ihrer seltenen musikalischen Begabung auch stetsgelingt. Fräulein Hoke wurde im Laufe des Abends durch mehrmalige Hervorrufe und Beifall aufoffener Scene ausgezeichnet.“

c) Als Valentina in G. Meyerbeers „Die Hugenotten“,in: Tages-Post, 12. Mai 1885, S. 4.

„Das Gastspiel des großherzoglich badischen Hofopernsängers Herrn Oberländer brachteuns vor Schluß der Saison noch eine sehr gelungene Aufführung der ,Hugenotten‘ und eine Repriseder ,Meistersinger‘ . . . Die ,Hugenotten‘-Aufführung gewann auch noch durch die vorzüglicheBesetzung der drei Frauenrollen besonderes Interesse. Die Valentine möchten wir als die beste bishe-rige Leistung des Frls. Hoke bezeichnen. Stimmlich vollkommen ausreichend, sang die begabte jungeDame diese hochdramatische Partie mit großem leidenschaftlichen Ausdrucke, geschmackvoll imVortrage und mit vornehmer Auffassung . . ..Da auch Chor und Orchester unter Herrn Kapell-meister Floderers Direction ihre volle Schuldigkeit gethan haben, so gestaltete sich die gesamte Auf-führung zu einer äußerst würdigen.“

in: Linzer Zeitung, 10. Mai 1885, S. 488.

„In Fräulein Pauline Hoke fand Herr Oberländer eine würdige Partnerin. Hatte diesevielversprechende Sängerin schon als ,Agathe‘, dann als ,Donna Anna‘ ihre Begabung für das dra-matische Fach unzweifelhaft bewiesen, so setzte sie durch ihre ,Valentine‘ den bisherigen Leistungendie Krone auf. Durch diese Leistung gieng [sic!] jener unbeschreibliche, echt poetische Zug, welcherdieselbe zu einer künstlerischen stempelt. Insbesonders haben wir des gefühlwarmen Vortrages imDuette mit Marcell zu gedenken. Im vierten Acte fand sie die richtigen dramatischen Accente undstand sowohl was Spiel und Gesang betrifft, ganz auf der Höhe ihrer Aufgabe.“

d) Als Pamina in W. A. Mozarts „Die Zauberflöte“,in: Tages-Post, 20. Oktober 1885, S. 4.

„Wenn wir nun von der gestrigen Vorstellung berichten können, daß das bis auf das letztePlätzchen gefüllte Haus der Aufführung bis zum letzten Geigenstrich mit Andacht lauschte undfast jede einzelne Nummer mit rauschendem Beifall begleitete, und wenn das Publicum das Theaterin gehobener Stimmung verließ, so glauben wir, die Gesammtleistung unserer Operngesellschaftnicht besser charakterisieren zu können, als wenn wir sagen, sie hat gestern für Mozart Prosely-ten66 gemacht.

66 Proselyt bezeichnet einen „von einer Partei zu einer anderen Übertretenden“; hier im Sinne von ei-nem zu Mozart Bekehrten.

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Auf die Einzelleistungen übergehend, beginnen wir mit dem liebenswürdigen Gaste, Fräu-lein Lili Hocke. Die ebenso jugendfrische als stattliche Dame fasste die Pamina als hochdramatischePartie, wie allenfalls die Donna Anna, auf und führte sie in dieser Auffassung entsprechendenkräftigen Linien mit Consequenz und unleugbar bedeutendem dramatischen Talente durch. Eineentschieden musikalische Natur, versteht sie Mozart ganz vorzugsweise zu singen. Ihre sympathi-sche, in der Mittellage ganz besonders ansprechende Sopranstimme, die einfache, edle Phrasierungund ausdrucksvolle Declamation vereinigten sich zu einer schönen künstlerischen Wirkung, welchevom Publicum auch durch lebhaften und verdienten Applaus gewürdigt wurde.

Der Chor übertraf sich selbst und empfand nach längerer Zeit wieder einmal das süßeGefühl des Applauses. Das Orchester interpretierte die in den reinsten Schönheitslinien sich bewe-gende Mozart’sche Orchestrierung mit wahrer Pietät. Die vorzügliche Aufführung dirigierte HerrKapellmeister Floderer, den wir zu dem höchst ehrenvollen Erfolge beglückwünschen.“

in: Linzer Zeitung, 20. Oktober 1885, S. 1091.

„Fräulein Hoke, von ihrem früheren Gastspiele noch in bestem Andenken, sang diePamina mit vieler Innigkeit und hatte Gelegenheit, ihre bedeutenden Stimmmittel zu entfalten. DieStimme ist wirklich schön und in allen Registern ausgeglichen; auch wusste Fräulein Hoke demCharakter der Königstochter den Anstrich zarter Jungfräulichkeit und einer gewissen Naivetät[sic!] zu verleihen. Die geschätzte Künstlerin wurde vielfach durch stürmischen Beifall und zahl-reiche Hervorrufe ausgezeichnet . . . Die herrliche Ouverture wurde von unserem Orchester mitSchwung und lobenswerter Präcision vorgetragen . . . Das Haus war sehr gut besucht.“

Anmerkung

Der dritte Teil dieser Beitragsreihe erscheint in Heft 1/2-2008 und enthält weitere persönliche sowiekünstlerische Kontakte zu Linz und einigen anderen Orten in Oberösterreich.

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Forschungsraum Kürnberg: Neue Erkenntnisse überur- und frühgeschichtliche Bodendenkmale

Von Christian Steingruber

Die Abhandlung „Die Kürnberg-burg – Ur- und frühgeschichtliche Denk-male am Kürnberg“ (2003)1 hat Impulsegesetzt, die diesen von der Fachwelt jahr-zehntelang weitgehend unbetreuten For-schungsraum wieder verstärkt in den Fo-kus wissenschaftlicher Aufmerksamkeittreten ließen. Exkursionen mit Archäolo-gen, Historikern, Geologen und anderenSpezialisten erbrachten seither eine er-freuliche Reihe neuer Erkenntnisse. Ei-nige Bodendenkmale, die als abgekom-men galten, wurden dank der Hinweisevon Heimatforschern lokalisiert, bei derAufarbeitung historischer Quellen kames zu einer engen Zusammenarbeit mitdem Oö. Landesarchiv, dem Oö. Lan-desmuseum und dem Museum derStadt Linz/Nordico.

Kleinere archäologische Sondierun-gen an den Wallburgen „G’schloß“ und„Gugerl“ zeitigten mittlerweile ebenfallsbemerkenswerte Resultate. MehrereDenkmale, die in der Abhandlung von2003 nur kurz erwähnt worden waren(etwa die römische Militärziegelei beiFall, der römische Gutshof in der Kriftoder die St.-Achatius-Kirche in Edrams-berg), wurden unter Berücksichtigungneuerer Forschungsergebnisse ihrerseitsfrisch aufgearbeitet.

Gugerl (Kleine Burg)

Art des Denkmals: Ringwall, Höhensiedlung.Zeitstellung: Frühbronzezeit (Neuzeit).Heutiger Zustand: relativ gut.Kurzbeschreibung: urgeschichtlicher Ringwall;

elliptische Form; Wallhöhe: 1–3 m, umwallteFläche: 0,5 ha.Archäologische Untersuchung: Söllinger (1880er-Jahre).Funde: Keramikscherben.Verbleib: Studiensammlung des Linzer Stadt-museum Nordico.Lokalisation: Donauleiten.Verortung: KG Wilhering, MG Wilhering, VBLinz-Land.

Die Kleine Burg, die heutzutagemeist „Gugerl“2 genannt wird, ist ein el-liptisch geformtes Hochplateau in derDonauleiten. Die in Wilheringer Urkun-den des 12./13. Jh. mehrfach genannte„Burchecke“ dürfte mit der Kleinen Burgidentisch sein.3

1 Christian Steingruber, Die Kürnbergburg. Oö.Heimatblätter, Heft 3/4, 57. Jahrgang, Linz 2003,S. 69–114.

2 Der Name Gugerl dürfte sich von Gupf, Kogel,rundlicher Hügelgipfel, herleiten.

3 In der bekannten Literatur über den Kürnbergwurde die Burchecke mit der rechtwinkeligenAbzweigung des habsburgischen Wildzaunes„Bannwall“ im Quellgebiet des Friedgrabens,nahe dem sogenannten Dreischrankengattern,gleichgesetzt. An dieser Lagestelle ist aber bisauf den habsburgischen Wildzaun, der im 12./13. Jh. noch gar nicht existiert haben kann, keinBauwerk feststellbar. Der einzig markante Ortim Tal des Friedgrabens, auf den die Bezeich-nung „Burchecke“ zutreffen könnte, ist die„Kleine Burg“. Offenbar war diese alte Befesti-gung schon den Klosterschreibern aufgefallen;mangels genauerer Kenntnisse hat man sie als„Burch“ (Burg) bezeichnet. Die „Ecke“ wie-derum lässt sich dadurch erklären, dass derFriedgraben und somit auch der Grenzverlaufunterhalb des Gugerls seine Richtung in einemscharfen Winkel ändert.

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Die an drei Seiten durch Steilabfällezu Donau, Friedgraben und Schwarzgra-ben geschützte Lagestelle prädestiniertedas Gugerl als Wehranlage. Ein Quellen-bereich im Südwesten gewährleistete zu-dem die Wasserversorgung.

Dieses Hochplateau wird durch ei-nen zweifachen Ringwall gesichert. InRichtung Donautal ist der Ringwall nichtverifizierbar; stattdessen dehnt sich hierder habsburgische Wildzaun „Bann-wall“, der vom Friedgraben quer übersGugerl in Richtung Schwarzgraben undweiter führt. Offenbar wurden beim An-legen des Bannwalles im 16. Jh. Teile desRingwalles eingeebnet.4

Um das Rätsel der Wallanlage amGugerl zu lösen, hatte P. Bernhard Söl-linger, Archivar im Stift Wilhering, inden 1880er-Jahren eine Grabung durch-geführt, über deren Ergebnisse leidernichts bekannt ist. Die Spuren dieser ers-ten Sondierung am Gugerl sind jetztnoch sichtbar.5

Im 20. Jh. wurde das Gugerl, ohnejede wissenschaftliche Abstützung,6 ge-meinhin als mittelalterlicher Hausberg7

interpretiert. Bei einer Begehung imFrühjahr 2003 bemerkte der Verfasser ur-geschichtliche Tonscherben, die in einerWindwurfgrube zum Vorschein gekom-men waren. Nach einer Begutachtung imSommer 2003 durch Archäologen desBundesdenkmalamtes, des Museumsder Stadt Linz und des Institutes für Ur-und Frühgeschichte an der UniversitätWien verfasste Erwin M. Ruprechtsber-ger (Nordico) 2006 einen Fundberichtüber das frisch gesammelte Material,den er für diesen Beitrag dankenswerterWeise zur Verfügung gestellt hat:

„Im Kürnberger Wald wurde im Bereichder ,Kleinen Burg‘, des sog. ,Gugerls‘ nächst

Gugerl: frühbronzezeitliches Henkelgefäß (Ampho-re). Foto: C. Streingruber

dem Friedgraben, ein Baum durch eine Sturmböentwurzelt. Im Erdreich der mächtigen Baum-wurzeln waren Keramikscherben enthalten, de-ren markanteste Stücke frühbronzezeitliche For-men aufweisen.

Das Gesamtgewicht der geborgenen Frag-mente beträgt ca. 3,5 kg. Darunter erwähnens-

4 Ernst Fietz meint, dass beim Anlegen des Bann-walls „alte Wallanlagen benutzt“ wurden, insbe-sondere bei der Burchecke und beim Gugerl(vgl. Fietz 1967, S. 40 f.). Dies dürfte unrichtigsein, es lassen sich im gesamten Verlauf keineAnhaltspunkte finden, wonach der Bannwallur- oder frühgeschichtliche Wälle zur Basis hat.

5 In Benesch’ Planskizze ist die Grabungsstelleals „1–2“ eingezeichnet. Benesch 1910, Fig. 7,S. 162.

6 Menghin 1923, S. 27. Reitinger 1968, S. 475.7 Der Begriff „Hausberg“ bezeichnet Turmhügel-

burgen aus einem künstlich aufgeschüttetenHügel, der von einem oder mehreren Wällenbzw. Gräben umgeben ist. Solche Anlagen ent-standen hierzulande vor allem im 11. und 12. Jh.(vgl. Dehio-Handbuch Oberösterreich, Band 1,Mühlviertel, Wien 2003, S. XXV).

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wert sind Randbruchstücke mit Knubben undHenkelansatz, solche mit horizontaler Wulst-auflage mit Einkerbzier oder mit eingestochenenKreismotiven, das kleine Fragment eines Siebge-fäßes mit dichtem Lochbesatz (Dm der Löcher ca.0,2 cm) und einige Wandscherben mit senkrechteingekerbten Strichverzierungen.

Ein bauchiges Henkelgefäß konnte auf ca.1⁄3 des ursprünglichen Bestandes aus kleinenFragmenten zusammengesetzt werden. MdsDmca. 7,5 cm. Erhaltene Höhe ca. 17 cm.

Die erwähnten Verzierungen und Formenfinden Entsprechungen im Fundbestand aus derehemaligen Lehmgrube Reisetbauer am LinzerFroschberg und vom Linzer Hauptplatz (J. Rei-tinger, Linz – Reisetbauer und St. Florian amInn. Ein Beitrag zur frühen Bronzezeit Ober-österreichs: ArchA 23, 1958, 1–50. E. M.Ruprechtsberger, Frühbronzezeitliche Keramikvom Linzer Hauptplatz, Linz 1979).

Ein Fragment hat allerdings keinerlei Pen-dant. Es ist dies ein flaches Bodenstück (Dm ca.8 cm) mit schräg nach oben ansteigendem Wan-dungsansatz. Eine Ausbuchtung des Bodensweist eine runde Ausnehmung auf (Dm0,7 cm). Funktion und Form sind derzeit unbe-kannt und wohl auch singulär.

Sämtliche Funde sind in der Studiensamm-lung des Nordico – Museums der Stadt Linz.“

Der Fundkomplex ist jedenfalls so zuinterpretieren, dass auf dem Höhenpla-teau des Gugerls eine Siedlung der frü-hen Bronzezeit bestanden hat. Der dop-pelte Ringwall dürfte ebenso dieser Epo-che zuzuordnen sein. Die ursprünglichangenommene „jungsteinzeitliche Sied-lungsstufe“ hat sich nicht bewahrheitet.

Ergänzende wissenschaftliche Explo-rationen sind vorgesehen, mangels an Fi-nanzmitteln aber auf unbestimmteDauer verschoben.8

Plan des Ringwalles auf dem Gugerl (Ludwig Be-nesch, 1910). Original: Oö. Landesmuseum

G’schloß

Art des Denkmals: Wallburg, Burgstall.Zeitstellung: Bronzezeit, Hochmittelalter.Heutiger Zustand: durch rezente Forststraßebeschädigt.Kurzbeschreibung: Abschnittsbefestigung imZwiesel Donau – Hainzenbach; Kernwerk:30 « 70 m; mit 3 Wallgräben gesichert; imVorbereich ein 4. Wallgraben.Archäologische Untersuchung: Oö. Landesmu-seum (2001).Funde: Keramikscherben, gebrannter Lehm,Holzkohle, Bronzenadel.

8 Abschließend muss man noch erwähnen, dassdas denkmalgeschützte Gugerl bei Auffors-tungsarbeiten im Sommer 2006 erheblich be-schädigt wurde. Dies ist umso bedauerlicher,als die Forstverwaltung des Stiftes Wilheringanlässlich einer Begehung im Jahr 2004 zuge-sagt hatte, die ur- und frühgeschichtlichenDenkmale des Kürnberges „zu schonen“.

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Verbleib: Oö. Landesmuseum, Studiensamm-lung des Nordico, Privatsammlung Krems-lehner.Lokalisation: Donauleiten, Mündung Hain-zenbach in die Donau.Verortung: KG Holzheim, SG Leonding, VBLinz-Land.

Die hohe felsige Kuppe östlich derMündung des Hainzenbaches in die Do-nau, gegenüber Schloss Puchenau,durchziehen mehrere mächtige Wallgrä-ben. Der Volksmund nennt die Lage-stelle das „G’schloß“, weil man hier seitjeher ein versunkenes Schloss vermutethat.

Im Sommer 2001 bemerkte der Ver-fasser, dass beim Bau einer Forststraßedie inneren Wälle und das Kernwerk er-heblich beschädigt worden waren – dasAbraummaterial wies in Hülle und Fülleurgeschichtliche Tonscherben auf! DerVerfasser alarmierte daraufhin das Oö.Landesmuseum und das Linzer Nordico,

wo man die Zerstörung schlichtweg zurKenntnis nehmen musste, da dasG’schloß nicht unter Denkmalschutzsteht.9

Immerhin entschied man sich beimOö. Landesmuseum in Zusammenarbeitmit dem Institut für Ur- und Frühge-schichte an der Universität Wien zur Do-kumentation des größeren der zwei an-geschnittenen Wälle, welcher zugleichder innerste ist. Hierzu wurden zwei Stu-fen in den ca. 4,5 Meter hohen Wall ein-gearbeitet, wodurch 3 Profile entstanden,die erfasst wurden. Dabei kamen wiederurgeschichtliche (bronzezeitliche) Re-likte zutage, außerdem wurde Holzkohleaus unterschiedlichen Brandschichtengeborgen.

Die an der Basis des innersten Wallsentdeckte, größere Steinpackung10 lässtauf eine befestigte Siedlung der Bronze-zeit schließen. Im frühen Hochmittelalterwurde der strategisch hervorragendePlatz offenbar für den Bau einer Holz-burg wiederbenutzt. Die Verziegelungan der Krone des Walles indiziert wahr-scheinlich eine mit Lehm beschmierte,durch Kriegseinwirkung abgebrannte,Palisadenmauer.

Die Funde lagern nun im Depot desOö. Landesmuseums bzw. in der Studi-ensammlung des Nordico; eine Bronze-

9 Die Anlage der für die Denkmalpflege ungüns-tig trassierten Forststraße wurde vom Verf. inder Abhandlung 2003 (Oö. Heimatblätter, Heft3/4) irrtümlich der Forstabteilung des StiftesWilhering unterstellt. Laut Fundbericht vonOliver Rachbauer, Institut für Ur- und Frühge-schichte an der Universität Wien, gehört dasWaldstück der Fam. Schoißengeyr aus Wilhe-ring, die auch den Bau der Forststraße veran-lasst haben dürfte.

10 Freundliche Mitteilung von Oliver Rachbauer.Die Wallburg G’schloß. Plan von L. Benesch,1910. Original: Oö. Landesmuseum

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nadel (vermutlich aus der Frühbronze-zeit) kam in die Privatsammlung vonKarl Kremslehner, St. Pantaleon.

Die weitere wissenschaftliche Unter-suchung bzw. die Unterschutzstellungdes beachtlichen Bodendenkmales„G’schloß“ sind in Aussicht genommen,beides konnte jedoch, wie gehabt aus fi-nanziellen Gründen, noch nicht realisiertwerden.

Pingenfeld „In den Grüben“

Art des Denkmals: Pingen.Zeitstellung: ur- und frühgeschichtlich.Heutiger Zustand: gut (2003), ab 2004 aufge-forstet und teilweise mit Holzschutt verfüllt.Kurzbeschreibung: ca. 60 Pingen (Schürf-bzw. Entnahmegruben); Durchmesser: ca.5–10 m, Tiefe: ca. 1–3 m.Archäologische Untersuchung: ??Funde: ??Lokalisation: 0,5 km südöstlich des Gipfels(Kote 526 m).Verortung: KG Wilhering, MG Wilhering, VBLinz-Land.

Die Annahme des Verfassers, dass essich bei den trichterförmigen Grubennahe dem Gipfelplateau, die bis in diejüngste Zeit als „Wohngruben“ bzw.„Bombentrichter des 2. Weltkrieges“missdeutet worden waren,11 um soge-nannte „Pingen“ handelt,12 konnte beiBegehungen mit den Fachleuten FranzGillmayr (Nordico), Heinz Gruber (Lan-deskonservatorat für OÖ), Hubert Press-linger (Metallurgische Abteilung derVoest Alpine), Erwin M. Ruprechtsber-ger sowie Peter Trebsche (Institut für Ur-und Frühgeschichte an der UniversitätWien) bestätigt werden.

Es liegen eindeutige Anzeichen fürprimitive, tagebauartige Bergbautätig-keit vor. Welches begehrenswerte Mate-rial bzw. Mineral in den Pingen geför-

dert wurde, ist noch ungeklärt. Ebensodie Frage der Datierung, zumal die Ab-baumethoden von der Jüngeren Stein-zeit bis ins Mittelalter sehr ähnlich wa-ren.

Archäologische Untersuchungengleichartiger Pingen im nahen Bayernhaben ergeben, dass man in diesen Gru-ben zur Keltenzeit bzw. im Frühmittelal-ter sogenanntes Raseneisenerz gewann13

– in der strengeren Auslegung des Be-griffes kein eigentliches Erz, sonderneine Absonderung von Eisen an derOberfläche nasser und mooriger Ge-biete. Da der Südostabhang des Kürn-berges früher sehr sumpfig war (überlie-fert ist der Flurname „Rosssumpf“),könnte es auch hier zur Absonderung

11 Der Begriff „Wohngrube“ entspringt einer Inter-pretation aus dem 19. Jh. und der damaligenVorstellung, die Menschen hätten in solchenLöchern gehaust. Die moderne archäologischeForschung hat ergeben, dass eingetiefte Sied-lungsobjekte immer auf Wirtschaftsbauten ver-weisen, die zwischen den oberirdischen Wohn-bauten angelegt waren. Die Deutung der Gru-ben als „Bombentrichter“ ist v. a. deshalb rund-weg abzulehnen, weil diese anders aussehenund die Gruben bereits in einer Planskizze vonLudwig Benesch aus dem Jahre 1910 (!) einge-zeichnet sind.

12 Im heutigen Sprachgebrauch steht der berg-männische Begriff „Pinge“ (Binge) für einen beiBergbauarbeiten, meist durch den Einsturz alterTiefbaugruben, entstandenen Einbruchtrichter.Ursprünglich bezeichnete der Terminus jedochdie Tätigkeit des „Pingens“ (= „Aufschürfens“).Ein „aufgepingter“ Gangzug war eine im ober-flächennahen Bereich aufgeschürfte Ganglager-stätte. Unter „Pinge“ verstand man früher alsozugleich einen Schurf, ein tagebauartiges, pri-mitives Bergwerk.

13 Klaus Schwarz, Zur spätlatenezeitlichen undmittelalterlichen Eisenerzgewinnung auf dersüdlichen Frankenalb bei Kehlheim. Jahresbe-richt der bayerischen Bodendenkmalpflege 6/7,1965/66, S. 35–66.

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von Raseneisenerz gekommen sein. Dienassen Flächen verschwanden erst mitder Anpflanzung von Fichten-Monokul-turen.14

Manche Wissenschafter indes deu-ten die Pingen als Entnahmegruben, dieMaterial (etwa Lehm) zur Errichtung desRingwalles bzw. von Wohnbauten liefer-ten. Der Lehm mochte dazu gedient ha-ben, die Außenseite der Ringwallbefesti-gung zu verkleiden, um ihr ein repräsen-tatives Aussehen zu geben. (Eine solcheVerkleidung konnte beim sogenanntenKeltenwall am Linzer Freinberg archäo-logisch verifiziert werden15). Sollte sichdiese zweite Hypothese bewahrheiten,behielte der Terminus „Pinge“ natürlichnicht minder Gültigkeit.

Eine geplante, detaillierte archäologi-sche Untersuchung der Kürnberger Pin-gen durch das Linzer Nordico16 schei-terte bislang . . . am lieben Geld.

Burgstall Aichberg(„Römischer Spitzgraben“)

Art des Denkmals: Burgstall (Hausberg)Zeitstellung: Spätmittelalter.Heutiger Zustand: von Sandgrube zerstört.Kurzbeschreibung: Hangsporn mit Abschnitts-graben.Archäologische Untersuchung: ??Funde: Mühlstein aus feinkörnigem Feldspat-Sandstein (Dm 87,5 cm, Dicke 13,5 cm).Verbleib: Oö. Landesmuseum (TechnischeAbteilung).Lokalisation: ca. 0,1 km südwestlich der Ort-schaft Aichberg. Flurname Burgstallland.Verortung: KG Holzheim, SG Leonding, VBLinz-Land.

Das Bodendenkmal wurde ab 1932durch den Bau einer Sandgrube syste-matisch und komplett abgetragen, einearchäologische Sondierung ist dahernicht mehr möglich. Der frühere Stand-

ort konnte jedoch lokalisiert werden:Südwestlich der Ortschaft Aichberg er-streckte sich ein bewaldeter Hangsporn,der durch einen Abschnittsgraben(Spitzgraben) vom Hinterland abgerie-gelt war. Für den Sachverständigen ErnstFietz stellt das Erdwerk den Überrest ei-ner römischen Wachtstation dar, welchedie Straße zum Wachturm am Hirschlei-tengraben zu sichern hatte; darob habesich die Bezeichnung „Römischer Spitz-graben“ eingebürgert. Römische Fundefehlen aber gänzlich; ein 1932 im Spitz-graben gefundener Mühlstein stammtaus dem Mittelalter.

Franz Brosch17 und Norbert Grab-herr18 deuteten das Erdwerk als mittelal-terlichen Sitz. Wilheringer Urkundenvon 1335 und 1357 nennen tatsächlichein ritterbürtiges Geschlecht zu Alhar-ting, das hier gesessen sein dürfte.

14 Freundliche Mitteilung von Altförster Leo Wie-ser (Leonding).

15 Erwin M. Ruprechtsberger, Archäologiesom-mer 1995 – Vom Linzer Raum nach Bibracte(Burgund). Linzer Archäologische Forschun-gen. Sonderheft XV, Linz 1996, S. 4.

16 Erwähnenswert ist noch, dass in dem 2007 er-schienenen Buch „Der Kürnbergwald“ von D.Gelbmann die Annahme alter Bergbautätigkeitam Kürnberg heftig in Abrede gestellt bzw. so-gar ins Lächerliche gezogen wird. Eine sachlichfundierte Erklärung für die Entstehung der Gru-ben kann der Autor jedoch nicht anbieten, erspricht nur von „Was-Weiß-Ich-Gruben“. DaGelbmann, wie er selbst einräumt, von Archäo-logie nicht viel versteht, wäre es besser gewe-sen, diesen Kommentar zu unterlassen und diegeplante, weiterführende wissenschaftliche Un-tersuchung der Pingen nicht a priori zu diffa-mieren.

17 Franz Brosch, Litzlburg und Lützlburg. Oö.Heimatblätter, Heft 4, 1. Jahrgang, Linz 1947, S.289 ff.

18 Grabherr 1975, S. 76.

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Römische (?) Quellfassung Hinterbrühl

Art des Denkmals: Fundort einer Quellfassung.Zeitstellung: Römerzeit (?).Heutiger Zustand: durch Sandgrube zerstört.Kurzbeschreibung: Quellfassung aus Ziegelma-terial.Archäologische Untersuchung: ??Funde: Ziegel.Verbleib: Oö. Landesmuseum.Lokalisation: Hinterbrühl, ca. 0,6 km westlichder O. Alharting.Verortung: KG Leonding, SG Leonding, VBLinz-Land

Auch die Lagestelle dieses nichtmehr vorhandenen Denkmals war, dankeines freundlichen Hinweises von KarlGötzendorfer (Leonding), lokalisierbar.Zur Fundgeschichte: 1950 meldete derHeimatforscher Karl Karning dem Oö.Landesmuseum die Aufdeckung einermerkwürdigen Anlage in Alharting, ge-nauer in der Hinterbrühl am Fuße desKürnberges, etwa 50 Meter über demvom Kürnberg herabkommenden Quiri-bach. Die Untersuchung durch den Prä-historiker Franz Stroh ergab einen amehesten als Quellfassung interpretierba-ren Bodeneinbau aus römischem Ziegel-material. Ob der Fundkomplex, der auchImbrices19 freigab, aus römischer odernachrömischer Zeit stammt, konnte da-mals nicht entschieden werden.20 DieQuellfassung ist in den 1960er-Jahrendurch die Sandgrube der Fa. Wibau lei-der zerstört worden.

Burg Kürnberg

Art des Denkmals: Erdsubstruktion einer Burg.Zeitstellung: Hoch- oder Spätmittelalter.Heutiger Zustand: mittelmäßig.Kurzbeschreibung: stark verworfene Erdsub-struktion einer mittelalterlichen Burg aufHangsporn, im Zwiesel zweier Bäche; ovalerGrundriss; Ausmaß: ca. 100 « 50 m.

Archäologische Untersuchung:Benesch (1900/01).Funde: Keramikscherben, Asche, Tierkno-chen.Verbleib: Burgmuseum Reichenstein f Oö.Landesmuseum, Privatsammlungen (dieFunde von Benesch sind verschollen).Lokalisation: 0,8 km nordöstlich der Pfarrkir-che Dörnbach bzw. 0,2 km nordwestlich desBauernhauses „Schneiderbauer“ (Schneiderin Kürnberg).Verortung: KG Rufling, SG Leonding, VBLinz-Land.

Walter Aspernig kam in seiner Dis-sertation „Die Geschichte des Kürnbergsbei Linz“ zu dem Schluss, dass am Kürn-berg bei Wilhering kein gleichnamigesRittergeschlecht existiert habe; die inWilheringer Urkunden des 12. Jh. ge-nannten Kürnberger seien Bauern gewe-sen, die auf einem Gut gehaust hätten.Die Errichtung der gleichnamigen Burgwurde von Aspernig für etwa das Jahr1280 unter Konrad von Kapell angenom-men; vorher hätte es weder eine Burgnoch eine Herrschaft Kürnberg gege-ben.21 Aspernigs Auffassung war für dielokale Heimatforschung bis in die jüngs-te Vergangenheit offiziell verbindlich,obwohl sich da und dort längst Zweifelregten. So gelangte Alois Zauner (Oö.Landesarchiv) schon 1981 in einer wis-senschaftlich profunden Abhandlung zudifferenzierteren Resultaten.22 Fazit: be-reits der 1140/1147 genannte Konradvon Kürnberg, der von Aspernig amKirnberg bei Rudling23 lokalisiert wurde,

19 Imbrices (lat.); als Deck- oder Firstziegel Be-standteil der Dachdeckung, manchmal auch fürAbflussrinnen verwendet.

20 Jahrbuch des Oö. Musealvereines, 95. Band,Linz 1950, S. 20.

21 Aspernig 1968, S. 44 ff.22 Zauner 1981, S. 150 ff.23 OG. Hinzenbach, VB Eferding.

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ist mit großer Sicherheit am Kürnbergbei Wilhering ansässig gewesen. DieserKonrad von Kürnberg gehörte jedenfallsdem niederen Ritteradel an, da derHochfreie Ulrich von Wilhering gewisskeinen Bauern als Zeugen einer Kirchenschen-kung ins obere Mühlviertel geholt hatte.Konrad saß vermutlich auf einem Her-rensitz, der auf dem Hangsporn nord-westlich des Bauernhofes „Schneider inKürnberg“ zu lokalisieren ist.24

Um 1155 urkundet Gerold vonKürnberg als Grundnachbar des Klos-ters Wilhering. Ein Walter von Kürnberg

scheint dann 1161 in einer Urkunde AbtGebhards II. von Wilhering unter den„kleinen ritterlichen Leuten“ auf. Nachdem Aussterben der Kürnberger gegenEnde des 12. Jh. wechselte der Sitz Kürn-berg vermutlich ins Eigentum des Minis-terialen Ernst von Traun, der sich auchErnst von Kürnberg nannte. Der Ausbaudes Sitzes Kürnberg zur Feste erfolgtevor 1286 unter Konrad von Kapell. NachKonrads Tod um 1315 ging der Besitz andie Kapeller von Steyregg. Diese ließenBurg und Herrschaft Kürnberg durchPfleger verwalten. Nach dem Aussterbendes letzten männlichen Kapellers um dieJahre 1406 / 07 gelangten Burg und Herr-schaft an die Liechtensteiner. 1426 wirddie Burg zum letzten Mal urkundlich er-wähnt.

Die Annahme des Verfassers, wo-nach die Feste Kürnberg in der Liechten-steiner Fehde25 zerstört wurde, lässt sichderzeit wissenschaftlich nicht beweisen,gewinnt aber eine gewisse Erhärtung

24 Die Annahme, an der Lagestelle der Kapel-ler’schen Feste habe ein Vorgängerbau existiert,wird durch Keramikscherbenfunde untermau-ert, die dem 11. bis 12. Jh. zuzuweisen sind (Da-tierung durch Restaurator Franz Gillmayr, Nor-dico). Ins 11. bis 12. Jh. verweisen auch die vonAltförster Leo Wieser (Rufling) aufgefundenenKeramikscherben mit Bodenzeichen („Sonnen-symbole“). Der Gebrauch von Bodenzeichenverschwand im 13. Jh.

25 In dieser Fehde sagte Christoph von Liechten-stein, unterstützt durch Graf Wolfgang vonSchaunberg, Kaiser Friedrich III. den Kampf an.Von seinen festen Burgen Steyregg, Ottens-heim, Waxenberg, Reichenstein und Kürnbergaus führte der Liechtensteiner seine Kriegszüge,zerstörte landesfürstliche und passauische Be-sitzungen und belagerte 1476/77 den Kaiser indessen späterer Residenz, der Burg zu Linz. Vgl.Fritz Mayrhofer u. Willibald Katzinger, Ge-schichte der Stadt Linz. Linz 1990, S. 58 ff.

Die Burg Kürnberg hat Ludwig Benesch 1910 eben-falls in einer hervorragenden Grundrisszeichnungminuziös festgehalten.

Original: Oö. Landesmuseum

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durch die archäologischen Untersuchun-gen, die Ludwig Benesch schon 1901 amBurghügel vorgenommen hat. Beneschentdeckte eine massive Brandschicht mitTonscherben, Asche und Tierknochen.26

Es kann also zumindest davon ausge-gangen werden, dass die Feste im 15. Jh.durch einen Brand zerstört wurde.

Unverändert umstritten ist, ob Kai-ser Maximilian I. für sein JagdschlossNeu-Sachsenburg in Neubau Materialvon der niedergebrannten Burg ab-zweigte. Da der letzte Rest des Jagd-schlosses, das sogenannte Kellerstöckl,vor einigen Jahren demoliert wurde,steht Mauerwerk für Vergleichszweckeleider nicht mehr zur Verfügung.

Aspernig meint, es wäre „unwahr-scheinlich, wenn nicht überhaupt un-möglich“, dass Maximilian durch Wilhe-ringer Untertanen für den SchlossbauMaterial von der Burg wegführen ließ,sei sie doch damals (um 1518) noch imBesitz der Liechtensteiner gewesen.27

Aspernig vernachlässigt in seinen Über-legungen freilich die Auswirkungen derLiechtensteiner Fehde, die letztlich mitder Niederlage des Christoph von Liech-tenstein endete. Dieser verlor um 1492den Pfandbesitz über die Herrschaft Ot-tensheim,28 ab 1512 dürfte er auch derHerrschaft Kürnberg mitsamt demWildbann verlustig gegangen sein; le-diglich der „Schneiderbauer“ verbliebbei den Liechtensteinern.

Dagegen, dass Maximilian I. die ab-gebrannte Burg Kürnberg als Material-depot verwendete, spricht umso weni-ger, als zahlreiche Entnahmegruben amBurghügel emsige Steinbruchtätigkeitverraten und sogar Grundmauern her-ausgerissen sind.

Kürnberg, „Seeberg“ und die „MappaGeographica“ des L. F. v. Rosenfelt

In D. Gelbmanns Buch „Der Kürn-bergwald“ (s. Fußnote 16) taucht – wie-der einmal – die These auf, der authenti-sche Name der Burg Kürnberg wäre„Seeberg“. Seit Müllner, Neweklowsky,Grabherr, Aspernig und Zauner sindsich die Burgen- und Geschichtsforschermehrheitlich darin einig, dass die Anlagezu allen Zeiten Kürnberg und nicht an-ders hieß. Die vereinzelte „Seeberg“-Befürwortung geht im Wesentlichen aufden Heimatforscher Karl Karning ausLeonding zurück. Dieser hatte um 1937im Oö. Landesmuseum eine alte, ver-meintlich schweinslederne Landkarteaufgestöbert, die am Standort der BurgKürnberg beim Bauernhof „Schneider-bauer“ ein Schloss „Seeberg“ eingezeich-net trägt. In der Meinung, das Karten-werk stamme aus dem 15./16. Jh., be-trachtete er es als seriöse mittelalterlicheQuelle. Heute wissen wir, dass Karningeine Karte aus der ersten Hälfte des18. Jh., und zwar die pergamentene (!)„Mappa Geographica“ des LeopoldFranz von Rosenfelt vor sich hatte, in deru. a. Rufling und dessen nähere Umge-bung beschrieben werden. Die prächtigeDarstellung des Schlosses entspringt rei-ner Fantasie; auf dem Hügel beim„Schneiderbauer“ waren im 18. Jh. nach-weislich nur noch Ruinen vorhanden. (L.F. v. Rosenfelt war im Fortifikationsbau

26 Ludwig Benesch, Das Kürnberg-Rätsel. Unter-haltungsbeilage der Linzer Tagespost, Linz1901, Nr. 46–48.

27 Aspernig 1968, S. 73.28 Norbert Grabherr, Burgen und Schlösser in

Oberösterreich. Linz 1970, S. 26.

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tätig und Kartograph in den DienstenPrinz Eugens. Ansonsten weiß man vonihm nur wenig).

Nach vorherrschender wissenschaft-licher Auffassung handelt es sich bei derBezeichnung „Seeberg“ um einen vonder einheimischen Bevölkerung benutz-ten Vulgonamen, abgeleitet von demHöherücken südlich der Anlage. Derar-tige Namensabwandlungen sind hierzu-lande gang und gäbe, man denke z. B. anBurg Haichenbach, die im Volksmundnach einem nahen Bauernhof „Kersch-baumer-Schlössl“ heißt. (Übrige Doku-mente oder Publikationen, in denen derBegriff „Seeberg“ vorkommt, sind nichtbekannt.)

Burg Mühlbach

Art des Denkmals: Erdsubstruktion einer Burg.Zeitstellung: (Bronzezeit), Hochmittelalter.Heutiger Zustand: durch rezente Forststraßebeschädigt.Kurzbeschreibung: Abschnittsbefestigung aufHangsporn; Größe des Kernwerkes: ca. 50 «15 m; im SO ein mächtiger, doppelter Wall-graben; im NW ein einfacher Wallgraben;rund um das Erdwerk eine Hangstufe.Archäologische Untersuchung: ??Funde: Keramikscherben.Verbleib: Burgmuseum Reichenstein f Oö.Landesmuseum, Studiensammlung des Nor-dico.Lokalisation: 0,8 km nördlich der Burg Kürn-berg bzw. 0,7 km südöstlich des Bauernhofes„Hackl am Berg“.Verortung: KG Rufling, SG Leonding, VBLinz-Land.

Die Mutmaßung des Verfassers, dassdie gesuchte Burg Mühlbach mit dervon Ludwig Benesch 1910 entdecktenWehranlage im sogenannten SteyreggerWald am Kürnberg-Westhang identischist, wird durch jüngste wissenschaftliche

Einsichten29 untermauert. (Benesch hattedas Erdwerk als „Sperrfeste F“30 bezeich-net, in der Heimatforschung ist es, we-gen seiner Nähe zum heute nicht mehrbestehenden Bauernhof „Wagner amBerg“, auch als „Randbefestigung Wagneram Berg“ geläufig).

Erste Indizien, wonach es sich beidieser Wehranlage um die 1189 urkund-lich genannte Burg Mühlbach handelt,lieferte schon der Forscher NorbertGrabherr, doch diesem unterliefen beiden Verortungsangaben erhebliche Feh-ler, weswegen der Eindruck entstand, erhätte eine andere Burg gemeint.31 Dankder urkundlichen Erhebungen, die AloisZauner für das Oö. Landesarchiv durch-geführt hat, sind zum Rittergeschlechtder Mühlbach nun neue erhellende Fak-ten verfügbar:

1159 werden, anlässlich von Grund-stückstauschverhandlungen, ein Konradvon Mühlbach und dessen Bruder Wal-ter als Passauer Ministeriale genannt. Ineiner Urkunde des Abtes Gebhard II.von Wilhering wird Konrad dann noch-mals als Passauer Ministerial angeführt.Das Wilheringer Stiftsbuch von 1244–54/57 wiederum erwähnt Konrad alsMinisterial der Wilhering-Waxenberg,möglicherweise gab es ein doppeltesDienstverhältnis.

Konkret scheinen in der Grenzbe-schreibung anlässlich eines Grund-stückstausches (zwischen dem KlosterWilhering und Pfarrer Pilgrim von Schö-nering) „Dominus Konrad von Mühl-

29 Zauner 1981, S. 151 f. Die Planskizze auf S. 189basiert allerdings noch auf den falschen Veror-tungsangaben von Norbert Grabherr.

30 Benesch 1910, Fig. 13, S. 173 f.31 Grabherr 1975, S. 80.

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bach“ sowie dessen Burg auf.32 Aus demTauschvertrag, zwischen Konrad v.Mühlbach und dem Kloster zwischen1189 und 1201 abgeschlossen, geht her-vor, dass Konrad seine Güter in Mühl-bach und Kürnberg gegen Besitztümerin „Durinstetin“ einwechselt.33 Nach er-folgtem Tauschhandel taucht Konradum 1206 unter den Pfarrangehörigenvon Gramastetten auf. Seine Linie er-baute dann vermutlich die kleine BurgMühlberg, die 1270 mit Dietmar vonMühlberg urkundlich erwähnt wird.34

Das Ende der Burg Mühlbach amKürnberg liegt im Dunkel der Ge-schichte; höchstwahrscheinlich ist dieFeste nach dem Grundstückstausch umdas Jahr 1200 verlassen worden.35

Eine wissenschaftliche Untersu-chung und Unterschutzstellung der letz-ten Reste von Burg Mühlbach wäreumso wünschenswerter, als sich in die-sem Bereich auch eine bronzezeitlicheSiedlung oder Befestigung befunden ha-ben dürfte, deren Erforschung interes-sante Aufschlüsse verspräche.

Burg Wilhering

Art des Denkmals: Erdsubstruktion einer Burg.Zeitstellung: (Jungsteinzeit, Römerzeit), Hoch-mittelalter.Heutiger Zustand: Lagestelle planiert bzw.überbaut.Kurzbeschreibung: erhaltener Kernwerksbe-reich ca. 25 « 35 m.Archäologische Untersuchung: Rath (1932).Funde: Keramikscherben, Teller, Topfkacheln.Verbleib: Stiftssammlung Wilhering f Oö.Landesmuseum (?).Lokalisation: Gasthaus „Donaualm“, BäckereiWilflingseder.Verortung: KG Wilhering, MG Wilhering, VBLinz-Land.

Auf einem Felsenkopf hoch über derDonau, an einem alten Flussübergang,thronte im 11./12. Jh. der Stammsitz derhochfreien Herren Wilhering-Waxen-berg, die Burg Wilhering. Leider ist vonjener bedeutenden Anlage fast nichtsmehr erhalten; lediglich die Erdsub-struktion ist noch heute, zwischen derBäckerei Wilflingseder und dem Gast-haus „Donaualm“, in Ansätzen erkenn-bar.

Auch zur Geschichte dieses Ge-schlechtes hat Alois Zauner intensiveund präzise Forschungen angestellt: Derhäufig zitierte „Alram von Wilhering“ wirdnur im gefälschten Stiftsbrief des Non-nenklosters Erla erwähnt und ist daherbesser zu streichen. Als ältester Vertreterdes Geschlechtes beglaubigt ist „Aribo deWilheringen“, der in den Traditionen desKlosters Vornbach unter zahlreichenVertretern des Formbacher Grafenge-schlechtes zusammen mit Bernhard vonAschach auftritt.

Als Herrschaftssitz des Aribo giltBurg Wilhering, die vermutlich in derzweiten Hälfte des 11. Jh. erbaut wurde(als „Castrum“ urkundlich erwähnt wirdsie allerdings erst um 1146/49).

32 „ . . . et decimas quas habuit infra viam, que dedomo domini Chunradi de Mulenbach Schon-heringen descendit et ascendit de eadem domoin montem Churenberc.“ UBLOE 2, 314, Nr.213. Zauner 1981, S. 151.

33 O. Türkstetten, MG Gramastetten, VB Urfahr-Umgebung.

34 Burgstall 0,4 km östlich des Bauernhofs „Groß-Mühlberger“ (KG und OG Lichtenberg, VB Ur-fahr-Umgebung).

35 Die im 14. Jh. urkundlich genannten Mühlba-cher (1307 Hertel von Mulbach; 1322 Gunthervon Edramsberg und sein pruder von Mulpach)dürften nicht mehr auf der Burg im SteyreggerWald, sondern auf einem Gut im Mühlbachtalgesessen sein.

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Schon Aribo dürfte nördlich der Do-nau Rodungen vorgenommen haben;diese Rodungstätigkeit wurde ab 1100von Ulrich I. von Wilhering stark inten-siviert. So gründeten Ulrich I. und seineGemahlin Otilia 1110 die Pfarre Grama-stetten, die durch den Passauer Bischofungesäumt den Rang einer Pfarre erhielt.Um diese Zeit dürften auch die bedeu-tenden Burgen Ottensheim, Rotenfelsund Waxenberg errichtet worden sein.

Ulrich II. und sein Bruder Cholo II.betrieben in Wilhering die Gründung ei-nes Zisterzienserklosters, die um 1146abgeschlossen war. Etwa gleichzeitigverlegten die Herren von Wilhering ih-ren Herrschaftssitz auf die wesentlich si-cherere Burg Waxenberg inmitten ihresRodungsbezirkes.

1147 brach Ulrich II. gemeinsam mitMarkgraf Ottokar von Steyr zum zwei-ten Kreuzzug auf, von dem er nicht mehrzurückkehren sollte. Um 1150/51 starbendie Wilhering-Waxenberg mit Cholo II.im Mannesstamm aus. Schon bald nachseinem Tod dürfte Burg Wilhering auf-gegeben worden sein. Beim Neubau desZisterzienserklosters ab 1195 wurde siewahrscheinlich als Steinbruch verwen-det.

Cholos Tochter Elisabeth, die das vä-terliche Erbe übernahm, heiratete um1170 Wernher von Griesbach, einenwichtigen Vertreter des in Bayern ansäs-sigen, hochfreien Geschlechtes. Der Eheentstammten drei Söhne: Walchun,Cholo und Heinrich.

Um das Jahr 1209 ist jenes tragischeEreignis anzusetzen, bei dem Walchun,der die Herrschaft Wilhering-Waxen-berg übernehmen sollte, „durch einenPfeil durchbohrt wurde und starb“.Cholo von Griesbach, dem nach des

Bruders Tod das Erbe zugedacht war,starb um das Jahr 1214. Der dritte Bru-der Heinrich, ursprünglich für eine geist-liche Laufbahn bestimmt und als Pfarrervon Gramastetten sowie Kanonikus vonBamberg bezeugt, trat in den Laienstandüber und vereinigte den Besitz derGriesbacher und Wilhering-Waxenber-ger in einer Hand. Heinrich starb um dasJahr 1221.

Nach seinem Tod meldeten sowohlder Bischof von Passau als auch die Ba-benberger Ansprüche auf das reicheErbe an. Nachdem sich beide Parteiengeeinigt hatten, fiel der gesamte Griesba-cher Besitz westlich der Großen Mühl andas Bistum; die Herrschaft Wilhering-Waxenberg ging an das Haus Babenbergüber.

Erwähnenswert ist noch, dass imJahre 1932 P. Gebhard Rath, damals Ar-chivar und Bibliothekar am Stift Wilhe-ring, den Kernwerksbereich der ehedemmächtigen Dynastenburg archäologischuntersuchte. Dabei wurden die 1,10 bis1,30 Meter starken Fundamente freige-legt. Unter einer der Grundmauern fan-den sich die Reste einer prähistorischenFeuerstätte und an Keramik neben prä-historischen, römischen sowie mittel-alterlichen Fragmenten ein Teller ausdem 11./12. Jh., ferner neuzeitliche Topf-kacheln. Allem Anschein nach war derstrategisch ausgezeichnete Standort vonBurg Wilhering also schon in der römi-schen Epoche und davor besiedelt.36

Neolithische Werkbank

Art des Denkmals: Fundstelle der Jungsteinzeit.Zeitstellung: Jungsteinzeit.

36 Rath 1937, S. 472 f.

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Heutiger Zustand: Fundstelle einplaniert; Gra-nitfindling vorhanden.Kurzbeschreibung: ??Archäologische Untersuchung: ??Funde: Flachbeil aus Serpentin, Tierknochen,Tonscherben, Kohle, Feuersteine.Verbleib: Oö. Landesmuseum.Lokalisation: 0,4 km südlich des Gasthauses„Donaualm“, knapp westlich des Transfor-mators bei Unterhöf; westlicher Fahrbahn-rand.Verortung: KG Wilhering, MG Wilhering, VBLinz-Land.

Das Denkmal zählt zur Reihe jener,die dank der Hinweistätigkeit von JosefZankerl aus Wilhering – Zeuge der ar-chäologischen Grabungskampagne imZusammenhang mit dem Bau der Efer-dinger Bundesstraße 1934/35 – wieder-entdeckt werden konnten. Im Frühsom-mer 2006 wurde es von Erwin M. Rup-rechtsberger begutachtet, die beabsich-tigte Präsentation in einer Ausstellungdes Nordico unterblieb aber wegenTransportschwierigkeiten.

Zur Fundgeschichte: 1935 wurdenwährend des Baues der Eferdinger Bun-desstraße (Nibelungenstraße) neben ei-nem flachen neolithischen Granitfind-ling, der offenbar als Werkbank gedienthatte, zahlreiche Artefakte aus der sel-ben Ära geborgen, darunter ein Flachbeilaus Serpentin, Tierknochen, Tonscher-ben, Kohle und mehr als 200 Feuersteine(Silexabsplisse).37 Die Fundstätte istbeim Straßenbau einplaniert worden,der Granitfindling wurde jedoch auf An-regung von Ernst Fietz an den westlichenFahrbahnrand verfrachtet, wo man ihnnoch heute sehen kann.

Empfehlenswert wäre die Aufstel-lung einer Informationstafel, damit dasDenkmal nicht versehentlich demoliertwird, wie es leider mit dem sogenannten

Erratischen Naturblock (Naturdenkmaldes Landes OÖ, Nr. 27) an der gegen-über liegenden Straßenseite geschehenist.

Keltischer (?) Ziegelofen

Art des Denkmals: Ziegel-, Back- oder Töpfer-ofen.Zeitstellung: ?Heutiger Zustand: einplaniert.Kurzbeschreibung: ??Archäologische Untersuchung: ??Funde: ??Lokalisation: Unterhöf, Linzer Straße 48.Verortung: KG Wilhering, MG Wilhering, VBLinz-Land.

Die Lagestelle des nicht mehr vor-handenen Denkmals war ebenfalls aufeine Mitteilung von Josef Zankerl hineinwandfrei zu orten. Unweit der Neu-mühle38 war beim Bau der EferdingerBundesstraße 1935 ein alter Brennofenzum Vorschein gekommen, den ErnstFietz als keltischen Ziegelofen deutete,weil man in unmittelbarer Nähe jung-eisenzeitliche Keramik (Kammstrich-ware) gefunden hatte.

Fietz berichtete: „Dieser Ziegelofenwar wohl das einfachste Bauwerk, dasman sich denken kann. Es wurde einfacheine Kammer aus dem gewachsenen to-nigen Erdreich heraus gestochen, so dassdrei Seiten eine natürliche Wand hatten.Wie die vierte Seite aussah, konnte leidernicht mehr ermittelt werden, da dieseUntersuchung den Straßenbau zu sehr

37 Ernst Fietz, Auf dem Weg zum römischen Zie-gelofen bei Wilhering. Oö. Heimatblätter, Heft1/2, 29. Jahrgang, Linz 1975, S. 61.

38 Die Neumühle stand westlich des Hauses Lin-zer Straße 48; sie wurde in den 1950er-Jahrenabgebrochen. Der letzte Müllner war Josef Zan-kerl.

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aufgehalten hätte. Jedenfalls muss derOfen lange benützt worden sein, weildas umgebende wandbildende, tonigeErdreich durch die Ofenhitze ca. 70 cmhart gebrannt war.“39

Die moderne Archäologie hegtZweifel an Fietz’ Interpretation; die Kel-ten hatten noch nicht die Kenntnisse,Ziegel zu brennen.40 Wahrscheinlicherist eine Herkunft aus späterer Zeit, oderes handelte sich um einen Back- bzw.Töpferofen. Die Einplanierung schließtwissenschaftliche Untersuchungen leiderauch in diesem Fall aus.

Römische Militärziegelei bei Fall undder „Ziegelbrief“

Art des Denkmals: Fundort einer Militärziege-lei.Zeitstellung: Römerzeit (4. Jh. n. Chr.).Heutiger Zustand: Lagestelle planiert bzw.überbaut.Kurzbeschreibung: Militärziegelei, bestehendaus Zweikammeröfen und Verwaltungsge-bäuden.Archäologische Untersuchung: Rath (1934–35).Funde: Münzen, Schlüssel, Messerfragmente,Fibeln, Dach- und Mauerziegel, „Ziegel-brief“, etc.Verbleib: Privatsammlung Rath (verschollen),Leondinger Stadtmuseum, Turm IX (Leih-gabe des Oö. Landesmuseums), Gipsmodelleines Ziegelofens im Oö. Landesmuseum.Lokalisation: 0,8 km östlich der O. Fall; Bru-dermühlsiedlung, Mühlbachbrücke.Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

Zu diesem verschwundenen, wie-derum aufgrund der Angaben J. Zan-kerls genau lokalisierten Denkmalkom-plex gibt es eine interessante Neuinter-pretation, doch zunächst gerafft dieFundgeschichte: Schon in den 1880er-Jahren hatte man in der Flur „Alte Burg“zahlreiche Gegenstände aus römischer

Epoche geborgen, die anschließend demOö. Landesmuseum (Francisco-Caroli-num) gespendet wurden. Rechtzeitig vorFertigstellung der Eferdinger Bundes-straße erkundete P. Gebhard Rath dieStätte noch einmal und konnte dabei dieMauerreste einer großen römischen Mi-litärziegelei der II. italischen Legion, be-stehend aus gewölbten Zweikammer-öfen sowie Verwaltungsgebäuden, freile-gen.

Unter den hoch bedeutenden Objek-ten – bronzene Münzen, Schlüssel, Mes-serfragmente, Fibeln – fanden sich auchzahlreiche Dachziegel, teilweise mit denStempeln „AL“ und „Ursicinus“ verse-hen.41 Der Betrieb der Ziegelei ist daherins 4. Jh. und somit in die Zeit datierbar,da auch der Wachturm am Hirschleiten-graben im Kürnbergwald erneuertwurde.

Das sicherlich bemerkenswertesteStück war eine rechteckige Ziegelplatte(34 « 26 cm), die als Baumaterial gedienthatte und auf der vor dem Brennen vierZeilen eines briefähnlich formulierten la-teinischen Textes eingekratzt wordenwaren. Weitere Zeilen unter dem Textwaren nur mit pseudo-inschriftlichenZeichen gefüllt. (Außer dem „Ziegel-brief“ barg Rath eine mit dem AL-Rund-stempel der Auxiliares Lauriacenses sig-

39 Ernst Fietz, Auf dem Weg zum römischen Zie-gelofen bei Wilhering. Oö. Heimatblätter, Heft1/2, 29. Jahrgang, Linz 1975, S. 61.

40 Eine gewisse Ausnahmestellung nimmt derhallstattzeitliche Fürstensitz Heuneburg (beiSigmaringen, Baden-Württemberg) ein, derdurch eine Mauer aus – allerdings – luftge-trockneten Lehmziegeln geschützt war. DieseLehmziegelmauer wurde vermutlich durch ei-nen südländischen Festungsmeister errichtet(vgl. Konrad Spindler, Die frühen Kelten. Stutt-gart 1983, S. 69 f.).

41 Rath 1937, S. 479 f.

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Leider verschollen: der römische „Ziegelbrief“ ausdem Mühlbachtal.

Originalfoto: Oö. Landesmuseum

nierte Platte, die ähnliche pseudo-inschriftliche Zeichen trug).

Den Text des „Ziegelbriefes“ inter-pretierte G. Rath als römische Kursive,die übrigen Zeichen als germanische Ru-nen.42 Helmut Arntz und Alexander Ga-heis widersprachen dem bald; sie er-blickten im „Ziegelbrief“ eine antikeFluch- oder Zaubertafel.43

In jüngster Zeit beschäftigte sichauch der Experte Günther E. Thürynochmals mit dem „Ziegelbrief“; seinerAnsicht nach ist der Text so zu überset-zen:

„Dem Herrn Geflügelmäster/Wurstfabri-kanten Victorianus einen Gruß! Bald wirst Dumeinen Brief bekommen haben, wie ich das be-schließen werde. Du wirst meinen Brief glück-lichst entgegennehmen (und) sollst (dann dar-

aus) erfahren: ich war mit der Livia zusam-men!“

Folgt man dieser aktuellen Interpre-tation, enthielte der „Ziegelbrief“ wederFluch- noch Zaubersprüche, vielmehrdie profane Privatkritzelei eines in derMilitärziegelei Beschäftigten.44

Nach Abschluss der Rath’schen Gra-bungsaktivitäten (1935) beseitigte dasProjekt „Eferdinger Bundesstraße“ Teileder römischen Anlage endgültig. Bei derErrichtung von Wohnhäusern in den1960er-Jahren wurde die Ziegelei erneutangeschnitten, eine Gelegenheit, die J.Zankerl noch zahlreiche weitere Fundebescherte. Zuletzt, vor wenigen Jahren,wurde von Siegfried Frenzel noch einerömische Scheibenfibel (Tierfibel) ge-borgen.45 „Ziegelbrief“ und Ziegelplatte,als unersetzliche archäologische Zeug-nisse lange in der Privatsammlung vonGebhard Rath aufbewahrt, sind nachdessen Ableben (am 2. März 1979) be-trüblicherweise in Verlust geraten.

Scharmerhügel

Art des Denkmals: Fundort einer Siedlung.Zeitstellung: Spätbronzezeit, Jungeisenzeit.Heutiger Zustand: Fundstelle abgetragen.Kurzbeschreibung: ??

42 Gebhard (Florian) Rath, Deutschlands ältesterRunenfund in Oberdonau. Ein einzigartigesDokument aus der Vorzeit des germanischenVolkes. Volksstimme, 1938.

43 Helmut Arntz u. Alexander Gaheis, Die Ziegelvon Wilhering, Oberdonau. Ein lehrreicher„Runenfund“. Runenberichte, Band 1, Heft 4,Leipzig 1942, S. 129–134.

44 Günther E. Thüry, Oberösterreichs „ältesterBrief“. Zur spätantiken Ziegelinschrift von Wil-hering. Jahrbuch des Oö. Musealvereines, 149.Band, I. Abhandlungen, Linz 2004, S. 255–259.

45 Peter Trebsche, Archäologische Funde aus Neu-bau bei Linz. Linzer Archäologische Forschun-gen, Sonderheft XXVI, Linz 2001, S. 27.

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Archäologische Untersuchung: Rath (1936).Funde: Keramikscherben, Spinnwirtel, Bron-zenadel mit Scheibenkopf, Messer mit ver-zierter Griffzunge, Knochenwerkzeuge, Tier-knochen, Hüttenlehm, Reibstein (Granit).Verbleib: Stiftssammlung Wilhering f Oö.Landesmuseum.Lokalisation: 0,3 km südwestlich der römi-schen Militärziegelei.Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

Im Frühling 1936 nahm P. GebhardRath auch am sogenannten Scharmerhü-gel,46 300 Meter südwestlich der Militär-ziegelei, eine Versuchsgrabung vor. Sieerbrachte bronzezeitliche Tonscherben,jungeisenzeitliche Spinnwirtel, eineBronzenadel mit Scheibenkopf, ein Mes-ser mit verzierter Griffzunge, Knochen-werkzeuge, Tierknochen, Hüttenlehmsowie einen „rotgeglühten“ Reibstein ausGranit.47 Rath interpretierte die Stätte alsSiedlung der späten Bronzezeit. Zusam-men mit vielen anderen verheißungsvol-len, archäologisch unausgeschöpften,Fundgebieten wurde der Scharmerhügelbeim Bau der Eferdinger Bundesstraßegrößtenteils eingeebnet.

Bründl in Fall

Art des Denkmals: diverse Fundorte (Siedlung,Gräber, Ziegelofen, Steinbruch, Mühlstein).Zeitstellung: Jungsteinzeit, Römerzeit.Heutiger Zustand: Fundstellen einplaniert bzw.überbaut.Kurzbeschreibung: ??Archäologische Untersuchung: Straberger(1880er-Jahre).Funde: Keramikscherben, Steingeräte, Silex-splitter, Spinnwirtel, Ziegelfragmente, Ton-röhren, Mühlstein etc.Verbleib: Oö. Landesmuseum.Lokalisation: Ortschaft Fall, Gasthaus „Bründlin Fall“, Ziegleranwesen.Verortung: KG Wilhering, MG Wilhering, VBLinz-Land.

Inmitten der Donauauen, auf einerehemaligen Halbinsel, die bestens vorHochwasser geschützt ist, stehen dieHäuser von Fall. Aus geologischer Sichtist die Halbinsel dem Kürnbergmassivzuzuordnen, da Granit- und Gneisvor-kommen bekannt sind.

Gegen Ende des 19. Jh. wurden hierviele Artefakte aus der Jungsteinzeit (Ke-ramik, Steingeräte, Silexsplitter, Spinn-wirtel aus Ton und Stein) gefunden, dieauf eine neolithische Siedlung hin-weisen.48 Weiters entdeckte man im Kel-ler des „Bründlwirtes“ eine Bestattung,die vom damaligen Konservator desOö. Landesmuseums/Francisco-Caroli-num, Josef Straberger, der spätrömi-schen Epoche zugerechnet werdenkonnte.49

Straberger führte dann im engerenUmkreis Versuchsgrabungen durch.Freigelegt wurden größere Mengen vonrömischen Ziegelfragmenten, Gefäß-scherben, Tonröhren und das Mauer-werk eines Ziegelofens, in dessen unmit-telbarer Nachbarschaft sich nach JosefZankerl das Ziegleranwesen befundenhaben muss – knapp unter der Erdober-fläche stieß man auf ein Gewölbe.

Erwähnenswert ist auch der Granit-steinbruch (100 Meter nordwestlich desZiegleranwesens), in dem ein römischerMühlstein entdeckt wurde. Dieses be-merkenswerte Objekt, lange im Privat-besitz von J. Zankerl, wurde 2006 dem

46 Der Name „Scharmerhügel“ dürfte sich vondem Bauernhof „Scharmayr“ in Edramsberg ab-leiten.

47 Reitinger 1968, S. 473.48 Reitinger 1968, S. 470.49 Ein weiterer Skelettfund beim Roden eines

Obstbaumes im Garten des Bründlanwesens er-gab sich Anfang der 1960er-Jahre.

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Oö. Landesmuseum übergeben. DerSteinbruch selbst ist nicht mehr vorhan-den, er wurde beim Bau des KraftwerkesOttensheim um 1973 zugeschüttet.

Burg Edramsberg

Art des Denkmals: Burgstall (Hausberg).Zeitstellung: Spätmittelalter.Heutiger Zustand: einplaniert.Kurzbeschreibung: ??Archäologische Untersuchung: ??Funde: ??Lokalisation: Ortschaft Edramsberg, Bauern-hof „Mittermayr“ (Edramsberger Straße 40).Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

In der Ortschaft Edramsberg standeinst der Sitz der Edramsberger, diewahrscheinlich Verwandte der Mühlba-cher waren. Bereits 1155 urkundet ein„Heitfogus de Edramesberge cum filiis Ditmaroet Hugone“, der als Konverse ins Stift Wil-hering eintritt.50 1322 werden „Gunthervon Edramsberg und Chunrat sein pruder vonMulpach“ erwähnt. 1472 gelangte der Sitzals landesfürstliches Lehen an Christophvon Hohenfeld.51 Während jener Kriegs-handlungen, die als LiechtensteinerFehde bekannt sind, wurde BurgEdramsberg 1477 von den Truppen desChristoph v. Liechtenstein belagert, er-obert und zerstört.52

Der Standort der gebrochenen Festewar stets umstritten. Pfarrer HeinrichHagleitner53 suchte die Burg am Eisels-berg, wo sich tatsächlich zwei namenloseErdwerke befinden. Weiters meinte Hag-leitner, die Burgen Edramsberg undSchönering wären identisch, was auf-grund der urkundlichen Nachrichten al-lerdings kaum denkbar ist.

Eine schriftliche Notiz von ErnstFietz vom 21. 3. 1936 erwähnt einen „ver-wallten Hausberg, auf dem eine Kapelle

zum Hl. Sebastian stand“. Bezeichnet istdamit die Lagestelle der abgekommenenSt.-Achatius-Kirche nördlich des „Mit-termayrhofs“,54 wo manche Forscher dieehemalige Burg unter Vorbehalt ansie-deln. Auch die Überlieferung der frühe-ren Besitzer des Hofes (Familie Pührin-ger) berichtet davon, dass sich hier ein„Burgplatz“ erstreckt hat; in diesem Be-reich soll auch eine starke Fundament-mauer vorhanden sein.

Heute ist von der Feste Edramsbergnichts mehr erkennbar, die verschiedent-lich angenommene Lagestelle beim„Mittermayrhof“ wurde schon vor Jah-ren einplaniert.55

St.-Achatius-Kirchlein (Mittermayrkircheoder Sebastianikapelle)

Art des Denkmals: Kirche, Friedhof.Zeitstellung: Hoch- und Spätmittelalter, Neu-zeit.Kurzbeschreibung: Gesamtlänge 16,5 m, Breite7 m, Höhe der Seitenmauern 5,5 m, Höhedes Dachwerkes 4,3 m.Heutiger Zustand: Kirche im Frühjahr 1936 ab-gebrochen.Archäologische Untersuchung: ??Funde: 3 Sandsteinplastiken; Größe: 25 « 25« 40 cm.Verbleib: Stiftssammlung Wilhering.56

50 Zauner 1981, S. 118.51 Grabherr 1975, S. 79.52 Walter Neweklowsky, Burgensterben. Über den

Verfall unserer Burgen und Schlösser. Oö. Hei-matblätter, Heft 3/4, 19. Jahrgang, Linz 1965,S. 17.

53 Heinrich Hagleitner, Die Altpfarre Schönhe-ring. Schönering 1933.

54 Ernst Fietz, Hinweise zur Landeskunde vonOö., Band 4. Linz o. J., S. 115.

55 Grabherr 1975, S. 79.56 Von den drei im Stift Wilhering verwahrten

Sandsteinplastiken sind derzeit nur noch zweiauffindbar, die dritte ist verschollen.

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Lokalisation: Ortschaft Edramsberg, Bauern-hof „Mittermayr“ (Edramsberger Straße 40).Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

Wenige Meter nördlich des Bauern-hofs „Mittermayr“ stand also das be-merkenswerte St.-Achatius-Kirchlein,im Volksmund einstens auch Mitter-mayrkirche bzw. Sebastianikapelle be-nannt. Ungeklärt ist, ob es sich dabei ur-sprünglich um die Kapelle von BurgEdramsberg oder um die Hauskirche ei-ner Wilheringer „Grangie“ gehandelthat, die schon um das Jahr 1200 existierthaben soll.

Urkundlich erwähnt wird die Kircheerst gegen Ende des 15. Jh.: In einemBrief ersucht der Wilheringer Abt Tho-mas den Bischof von Passau Georg Has-ler um Erlaubnis, die Messe auf einemtragbaren Altar zu lesen, da die im Besitzdes Stiftes Wilhering stehende St.-Acha-tius-Kirche von LiechtensteinischenSöldnern bis zum Chor niedergebranntworden war.

In den Pestjahren des 16. oder 17. Jh.wurde der Sakralbau dem hl. Sebastiangeweiht; die Toten bestattete man unter-halb des Kirchenhügels.57 Die Legendeberichtet, dass nur eine einzige Bewoh-nerin von Edramsberg die „SchwarzePest“ überlebt hätte; zum Dank habe siedie Renovierung der baufälligen Kirchegelobt. 1733 wurde die Kirche durchBrandstiftung erneut schwer beschädigtund rasch ein weiteres Mal wieder auf-gebaut. In der Zwischenkriegszeit warihr Zustand schon sehr schlecht; 1936wurde das Gotteshaus schließlich wegenBaufälligkeit – und auch wegen Platz-mangels – demoliert. Eine Planskizze, inSchönerings Pfarrarchiv gehütet, hältfest, wie das Kirchlein zuletzt ausgese-hen hat.58

Beim Abriss kamen in der westli-chen Grundmauer drei Sandsteinplasti-ken zum Vorschein, die Menschenköpfeund einen Widder darstellen.59 Dank derInitiative von P. Gebhard Rath konntendiese kunstgeschichtlich wertvollenFundstücke im letzten Augenblick vorder Vernichtung gerettet werden. Rathdeutete die Plastiken als „provinzial-

57 Beim Abriss der Sakristei um 1925/26 wurdenGebeine gefunden, die von diesem Pestfriedhofstammen dürften. Weitere Gebeine fand manbeim Bau eines Wohnhauses unterhalb (süd-lich) des Mittermayrhofs (Flurname: Schlacht).

58 Die Planskizze zeigt den Zustand nach der be-absichtigten, aber nie durchgeführten Restau-rierung durch Baumeister Priesner, Ottensheim.Das Türmchen über dem Eingang fehlt in derSkizze.

59 P. Gebhard Rath beschrieb die Plastiken folgen-dermaßen: „Zwei zeigen je einen Menschen-kopf, von denen der eine den Eindruck einerMaske macht, während der andere den Kopf ei-nes mit antikisierendem Haar und Bart dar-stellt. Gemeinsam sind beiden Köpfen die ge-waltigen Glotzaugen, die runden hoch stehen-den Ohrmuscheln, die Bildung des Mundesund der Oberlippen. Der dritte Stein zeigt inder Kehlung einen Widderkopf mit eingedreh-tem Gehörn. Das Stück mit dem antikisieren-den Menschenkopf trägt auf der – vom Be-schauer – rechten Seite in erhabener, ovalerUmrahmung, auf der ein geflochtener Kranzliegt, einen Kinderkopf, ebenfalls mit Glotzau-gen und hoch stehenden runden Ohrmuscheln.Der Stein mit dem Widderkopf zeigt auf derlinken ungekehlten Seitenfläche einen Bärenmit Kinderköpfchen, das bei der Arbeit abge-schlagen und nur zur Hälfte geborgen werdenkonnte, es hat dieselben Glotzaugen und Ohr-muscheln. Diese beiden letzteren Stücke mitden Plastiken an den Seitenflächen dürften alsoso angebracht gewesen sein, dass die mit Bild-hauerarbeit verzierten Seitenflächen einandergegenüber gestanden haben.“ Franz Gruber, DieSandsteinplastiken von Edramsberg. Jahresbe-richt Stiftsgymnasium Wilhering, Wilhering1979.

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römische Erzeugnisse der keltischen Be-völkerung“, sie dürften aber nach über-einstimmender Beurteilung von Kunst-historikern und Archäologen dem frü-hen Hochmittelalter zugehören. Unge-klärt ist, wie sie in die Grundmauer derSt.-Achatius-Kirche gelangt sind; ver-mutlich handelt es sich um sogenannteSpolien.60

Zum Gedenken an die St.-Achatius-Kirche wurde vor einigen Jahren, nächstder alten Lagestelle, eine Kapelle errich-tet.

Lugmayr in Reith

Art des Denkmals: Mittelalterliches Gebäude,Fundort zahlreicher Ziegel.Zeitstellung: Spätmittelalter, frühe Neuzeit(1350–1620).Heutiger Zustand: Fundstelle einplaniert; der-zeit Garten.Kurzbeschreibung: zweigeschossiges Nebenge-bäude (Speicher, Auszugshaus?), Grundrissquadratisch (ca. 5 « 5 m), Basis: Bruchstein-mauerwerk, Erd- und Obergeschoss: Ziegel.Beim Abriss des Gebäudes 1982 wurden voneinem Heimatforscher zahlreiche Mauerzie-gel geborgen.Archäologische Untersuchung: ??Funde: 10 Mauerziegel (R1–R10), 1 Ziegel-bruchstück (R11).Verbleib: Wiener Ziegelmuseum, PenzingerStraße 59, 1140 Wien.Lokalisation: Bauernhof „Lugmayr in Reith“,Reither Straße 6, 4073 Wilhering.Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

Wenige Meter nördlich des Bauern-hofes „Lugmayr in Reith“ erhob sich bisSeptember 1982 ein im Grundriss qua-dratisches, zweigeschossiges Gebäude,das früher ein Speicher oder Auszugs-haus gewesen sein dürfte. Nach alten Fo-tos setzte sich das Fundament aus Bruch-

steinmauerwerk, das Erdgeschoss wiedas Obergeschoss aus Ziegeln zusam-men.

Quadratische Fundamente undMauerziegel bei der Abbruchstelle ver-anlassten Heimatforscher Johann Hus-sak, auf Reste eines römischen Burguszu schließen. Um seine These zu erhär-ten, bemühte er sich in der Folge um dieBergung markanter Fundstücke.

Im April 1983 wurden 10 Mauerzie-gel (R1–R10) sowie ein Ziegelbruchstück(R11) dem Wiener Ziegelmuseum zurUntersuchung übergeben. 1984 urteilteder dortige Gutachter Karl Koller: DieMauerziegel R1–R8 (vermutlich auchR9) entsprechen einem Format, dashauptsächlich in den Jahren 1530–1620und später gebräuchlich war. Der Mau-erziegel R10 entspricht einem bevorzugtin den Jahren 1350–1450 und hernachverwendeten Formatmuster. Das Bruch-stück R11 konnte nicht genau bestimmtwerden.61

Aufgrund dessen scheidet die Vari-ante „römischer Burgus“ offenbar aus.Bei den von Johann Hussak in Augen-schein genommenen Fundamenten wirdes sich um die Grundmauern des unmit-telbar anschließenden Nebengebäudes(spätmittelalterlichen Bauernhofes) ge-handelt haben, der als „Hof dacz demLueg“ bereits 1348 urkundlich genanntwird.62

60 Wieder verwendete Bauteile bzw. dekorativeElemente aus einem älteren Bau.

61 Der Dank des Verfassers gilt Gertraud Fendler(Wilhering), die freundlicherweise eine Kopiedes Gutachtens zur Verfügung gestellt hat.

62 Wilheringer Heimatbuch, Band 2. Wilhering2006, S. 71.

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Wallanlagen Kirchmayrholz undLugmayrholz

Art des Denkmals: 2 Wallanlagen.Zeitstellung: ?Heutiger Zustand: schlecht.Kurzbeschreibung: Kirchmayrholz: Erdwall(Grenzwall?) von ca. 400 m Länge. Lugmayr-holz: Viereckige Verwallung (Schanze?), ca.100 « 80 m.Archäologische Untersuchung: ??Funde: ??Lokalisation: Winkeln bei Schönering, 0,7 bis 1 kmsüdöstlich der Pfarrkirche Schönering.Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

Die beiden Waldparzellen südöstlichder Ortschaft Winkeln bergen zwei ver-schliffene Wallanlagen, die schon 1911von Ludwig Benesch in einer Planskizzebeschrieben worden sind. Jene im östli-cheren Gehölz, von Benesch „Löber-bauerholz“ und mittlerweile allgemein„Lugmayrholz“ genannt, zeigt gewisseÄhnlichkeit mit einer „Keltenschanze“.Es ist das eine volkstümliche Bezeich-nung für die vor allem in Bayern und Ba-den-Württemberg häufig anzutreffendenReste viereckiger keltischer Wallanlagen.Lange Zeit als Kultbezirke interpretiert,dürften sie nach neueren archäologi-schen Untersuchungen als einstige land-wirtschaftliche Objekte (Gutshöfe) anzu-sehen sein.

Viereckige Schanzen wurden auchim Spätmittelalter und in der Neuzeit,etwa in den Bauernkriegen, errichtet, so-dass eine exakte Datierung bis heutenicht möglich ist. Benesch erwähnt nocheine dritte Wallanlage in einem Wald-stück südlich des „Langbauernguts“ inThalham, die er als „keltischen Einzel-hof“ interpretierte.63 Diese Anlagedürfte wohl einem alten Grenzwall zuge-hören.

Burgstall im Lugmayrholz

Art des Denkmals: Burgstall (Hausberg).Zeitstellung: Mittelalter.Heutiger Zustand: schlecht.Kurzbeschreibung: Hausberganlage mit kegel-stumpfförmigem Kernwerk; aus der natürli-chen Berglehne durch Ausheben eines gutausgeprägten Grabens herausgeschnitten.Archäologische Untersuchung: ??Funde: ??Lokalisation: Winkeln bei Schönering; 0,7bis1 km südöstlich der Pfarrkirche Schöne-ring; 0,15 km nördlich des Bauernhofs „Lug-mayr in Reith“.Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

Ebenfalls im „Lugmayrholz“, unweitder Viereckschanze, dehnt sich auf ei-nem Hangsporn nebst einem Bach dieseverschliffene Hausberganlage mit ke-gelstumpfförmigem Kernwerk. Im Jahre1159 urkunden die Passauer Dienstman-nen „Gerhoh von Reith“ und dessen Bruder„Gottfried von Winkeln“, die sich mögli-cherweise mit diesem Sitz in Beziehungbringen lassen.64

Burgställe bei Schönering (Eiselsberg)

Art des Denkmals: 2 Burgställe (Hausberge).Zeitstellung: Mittelalter.Heutiger Zustand: mittelmäßig.Kurzbeschreibung: Hausberganlage mit kegel-stumpfförmigem Kernwerk; aus der natürli-chen Berglehne durch Ausheben eines gutausgeprägten Grabens herausgeschnitten.Archäologische Untersuchung: ??Funde: ??Lokalisation: Eiselsberg (0,7 km nordöstlichder Pfarrkirche Schönering).Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

63 Ludwig Benesch, Spuren keltischer Einzelhöfe.Wiener Landwirtschaftszeitung, 64. Jahrgang,Nr. 4907.

64 Zauner 1981, S. 158.

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Ein hochfreies Geschlecht, das sichzuerst nach Schönheringen, später nachBlankenberg65 benennt, ist urkundlichvon 1094 bis 1192 belegt. Es dürfte sei-nen Stammsitz in Schönerting an derVils (Niederbayern) gehabt haben, dasich in Schönering bei Wilhering eineentsprechende Dynastenburg bislangnicht nachweisen ließ.

1362 wird eine Feste zu Schöneringurkundlich erwähnt, die sich im Besitzdes Bischofs von Passau befindet und alsLehen an Adelsgeschlechter wie die Ai-stersheimer, Gruber und Hohenfeldervergeben wird.66

1477 wird Burg Schönering in derLiechtensteiner Fehde „verbrannt undverwüstet“. 1481 überlässt der PassauerBischof Georg Hasler dem ChristophHohenfelder und dessen Söhnen dieBurg Jochenstein an der Donau als Er-satz für die zerstörte Feste.67 Burg Schö-nering verschwindet von da an aus denUrkunden.

Wegen der kapitalen Zerstörung desFestungsbaues in der LiechtensteinerFehde treten hier ähnliche Lokalisie-rungsprobleme auf wie bei BurgEdramsberg. Heinrich Hagleitner68

meinte, die Burg wäre am Eiselsberg ge-standen und zudem mit Burg Edrams-berg identisch; in Anbetracht der Quel-lenlage ist letzteres aber kaum realis-tisch.

Norbert Grabherr entdeckte zweiErdwerke am westlichen Abfall des Ei-selsberges, die als Standort der Burg inFrage kommen könnten.69 Das naheEdramsberg gelegene, größere Erdwerkist als Hausberganlage mit kegelstumpf-förmigem Kernwerk anzusprechen. Esentstand dadurch, dass man einen tiefenGraben aus der natürlichen Berglehneherausgeschnitten hat. Das zweite Erd-

werk, 150 Meter südlich, ist von derStruktur her ähnlich, aber kleiner.

Ob es sich bei einer dieser Wehranla-gen um die gesuchte Burg Schöneringhandelt, konnte noch nicht eruiert wer-den.

Hochmayrdiele in der Krift

Art des Denkmals: Erdsubstruktion einerBurg?Zeitstellung: Mittelalter?Heutiger Zustand: mittelmäßig.Kurzbeschreibung: inselartig situierter Hügelim Zwiesel zweier Bäche; nach Osten undSüden durch einen künstlichen Graben ge-schützt; ebenes Plateau von ca. 30 « 50 m.Archäologische Untersuchung: ??Funde: ??Lokalisation: Krift, Thalham bei Schönering;0,9 km südlich der Pfarrkirche Schönering.Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

Im dicht verwucherten Talgrund desRossbaches, der sogenannten „Krift“, er-hebt sich in unmittelbarer Nähe zum rö-mischen Gutshof inselartig ein oval ge-formter Hügel, der im Volksmund„Hochmayrdiele“ genannt wird.70 Der

65 Hochmittelalterliche Burg an der Großen Mühl(KG Pürnstein, MG Neufelden, VB Rohrbach).

66 „1362 die Vest ze Schönhering; 1375 Wernhartvon Aistersheim zu Schönhering; 1427 Engel-hart der Grueber hat zu Lehen den Sitz zwSchönhering vom Bistum Passau; 1472 HannsHohenfelder zu Schönhering gesessen.“ Grab-herr 1975, S. 80.

67 Walter Neweklowsky, Burgensterben. Über denVerfall unserer Burgen und Schlösser. Oö. Hei-matblätter, Heft 3/4, 19. Jahrgang, Linz 1965,S. 18.

68 Heinrich Hagleitner, Die Altpfarre Schönhe-ring. Schönering 1933.

69 Grabherr 1975, S. 80.70 Der „Hochmayr“ ist ein Bauernhof in Schöne-

ring, zu dem das Grundstück gehört hat.

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Hügel wird im Westen und Nordendurch steile Abfälle zu Bachläufen (Ross-bach, Reither Bach) geschützt, nachOsten ist er durch einen anscheinendvon Menschenhand geschaffenen Gra-ben abgetrennt. Das ovale Höhenplateauder Hochmayrdiele macht seinerseits ei-nen künstlich zugerichteten Eindruck,Hinweise auf Massivbebauung sind je-doch nirgends zu erkennen.

Ernst Fietz’ (offenbar an mündlicheÜberlieferung von P. Gebhard Rath71 an-gelehnte) Annahme eines römischenTempels, also eines Sakralbaues, ist beisolch exponierter Lage fragwürdig. Derwehrhafte Eindruck lässt eher an einemittelalterliche Burg denken – vielleichtdie gesuchte Burg Schönering? In einerPlanskizze von Ludwig Benesch ist dasObjekt als „K“ eingezeichnet.72

Römischer Gutshof (Badegebäude) inder Krift

Art des Denkmals: Fundort eines römischenGutshofes (Villa rustica) und einer Badean-lage (Balneum).Zeitstellung: Römerzeit.Heutiger Zustand: nach Ende der Grabungenzugeschüttet.Kurzbeschreibung: ??Archäologische Untersuchung: Straberger (1888),Rath (1936), Engelmann – Schwanzar (1994–2001).Funde: siehe Fundberichte.Verbleib: Oö. Landesmuseum.Lokalisation: Krift, Thalham bei Schönering;1,2 km südlich der Pfarrkirche Schönering.Verortung: KG Schönering, MG Wilhering,VB Linz-Land.

Bereits 1812 wurden auf einem Felddes „Langbauerngutes“ zu Thalham„viele Römermünzen, Geschirre, Pena-ten73 und anderes mehr“ geborgen.74

1886 fand man „Fragmente von Estrich,

bemaltem Wandanwurf, Ziegel, Thon-und Marmorplatten, Röhren von Heiz-anlagen in größerer Menge“.75

1888 wurden unter der Leitungvon Josef Straberger, Konservator amOö. Landesmuseum/Francisco-Caroli-num, erste Grabungen durchgeführt unddie Fundamente eines Gebäudes aufge-deckt, dessen Mauerschutt eine weiteregroße Menge von Ton- und Marmor-platten, bemalten Maueranwurf, Estrich-fragmente etc. enthielt.76

P. Gebhard Rath untersuchte 1936die Fundstelle erneut, wobei er auf rohgefügte Grundfesten stieß, die er als Fun-damente hölzerner Wirtschaftsbauten(Vorrats- oder Speicherräume) deutete.Zutage geförderte Bruchstücke von Röh-renziegeln (Tubuli) sowie verschieden-farbig bemalter Wandbewurf legtennahe, dass man hier das Hauptgebäudeeines römischen Gutshofes entdeckthatte.

Südlich davon stellte Rath separateBaureste fest und vermutete dort dasHerrenhaus, konnte aber wegen einerjungen Waldkultur nicht weiter graben.

1992 wurde bei einer Begehung mitChristine Schwanzar (Oö. Landesmu-seum), Marianne Pollak (Bundesdenk-

71 Ernst Fietz, Hinweise zur Landeskunde vonOö., 4. Band. Linz o. J., S. 141.

72 Benesch, 1911, Fig. 9, S. 180.73 Penaten sind in der römischen Mythologie die

Götter der Vorratskammer, die zusammen mitden Laren in jedem Haushalt als Beschützer desHauses verehrt wurden.

74 Benedikt Pillwein, Geschichte, Geographie undStatistik des Erzherzogtums Österreich ob derEnns, 3. Theil: Der Hausruckkreis, 1830, S. 5.

75 Josef Straberger, Mitteilungen der Zentral-Kommission, neue Folge XIII, 1887, CCXLVIII.

76 Josef Straberger, Mitteilungen der Zentral-Kommission, neue Folge XV, 1889, 228 f. Be-nesch 1911, S. 183 f.

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Pater Gebhard Rath mit Studenten bei den Grabungsarbeiten 1936 am Hauptgebäude des römischenGutshofs in der Krift. Foto: Oö. Landesmuseum

malamt) und Josef Zankerl eine Häufungvon Ziegel- und Keramikfragmenten ander Stelle beobachtet, wo Rath das Her-renhaus vermutet hatte. Daher entschiedman sich für eine abermalige Untersu-chung der Krift. Bei dieser Grabungs-kampagne (1994–2001) wurde das luxu-riös ausgestattete Badegebäude des rö-mischen Gutshofes freigelegt,77 vomHerrenhaus indes trat nicht die geringsteSpur zutage.

Zusammenfassende Übersicht

Die ältesten am Kürnberg aufgelese-nen Artefakte (Steinbeile, Steinbeilfrag-

mente, Klopfsteine, Reibsteine, Keramik-scherben) stammen aus der Jungstein-zeit. Obwohl konkrete Hinweise aufSiedlungen oder Befestigungsanlagen inder Regel nach wie vor fehlen, bezeugendiese Bodenfunde, dass der Steinzeit-mensch den Kürnberg beging und auchbewohnte. Wissenschaftlich erwiesen istu. a. die jungsteinzeitliche Besiedlungder ehemaligen Halbinsel von Fall. Inunmittelbarer Nähe, in Unterhöf, wurdeeine Werkbank aus derselben Epoche

77 Josef Engelmann, Römische Badeanlage inThalham. Jahrbuch des Oö. Musealvereines,Band 146/I, Linz 2001, S. 187 ff.

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mitsamt zahlreichen Werkstücken aufge-funden.

Aus der Bronzezeit datiert die ersteBaustufe des Ringwalles am Gipfel, dereine für damalige Verhältnisse beträchtli-che, in Ausmaß und Struktur noch uner-forschte, Siedlung geschützt habendürfte; die umwallte Fläche umfasst im-merhin 6,5 Hektar. Weitere befestigteSiedlungen der Bronzezeit gab es ver-mutlich in der Donauleiten (G’schloß,Gugerl) sowie im Steyregger Wald beiDörnbach.

Eine wichtige bronzezeitliche Nekro-pole befand sich in der Reingrub amSüdwesthang des Kürnberges, wo vieleHügelgräber (sogenannte Tumuli) vonden Bestattungsbräuchen jener Epochekünden.

Einzelne Relikte aus der Älteren undJüngeren Eisenzeit bestätigen die Anwe-senheit der Kelten am Kürnberg. Es wirdvermutet, dass sie den verfallenen bron-zezeitlichen Ringwall zu einer Flucht-burg ausbauten. Eine spätkeltischeStadtsiedlung, ein sogenanntes Oppi-dum, konnte bisher aber nicht nachge-wiesen werden.

Die am Rand des Gipfelplateaushäufig anzutreffenden Trichtergruben(sog. Pingen) bezeugen primitive tage-bauartige, auch von den Kelten gepflo-gene, Bergbautätigkeit. Die zeitliche Zu-ordnung der Pingen ist noch offen.

In der Römerzeit wurden entlang derDonau zahlreiche Wachtürme, soge-nannte Burgi, errichtet, von denen maneinen, an der Mündung des Hirschlei-tenbaches in die Donau, bereits in den1930er-Jahren entdeckte und inzwischenarchäologisch untersuchte bzw. konser-vierte. Weitere römische Wachtürmekönnte es in Ufer und Fall gegeben ha-ben.

Bei der einstigen Mündung desMühlbaches in einen Nebenarm der Do-nau errichteten die römischen Militärbe-hörden eine bedeutende Ziegelei, die auszwei mächtigen Öfen sowie Verwal-tungsgebäuden bestand. Die dort ge-brannten Ziegel kamen höchstwahr-scheinlich beim Wachturm am Hirschlei-tengraben und andernorts in Noricumzum Einsatz. Von der Militärziegelei istleider nichts mehr erhalten.

Bereits vor geraumer Zeit wurden inder Krift bei Thalham die Mauerreste ei-nes römischen Gutshofes (Villa rustica)aufgespürt; neueste Untersuchungenbrachten eine luxuriöse, zum Gutshofgehörige Badeanlage (Balneum) ansLicht.

Mit dem Rückzug der Römer gegenEnde des 5. Jh. und dem Beginn desFrühmittelalters tritt vorerst eine gewisseLeere bei den archäologischen Fundenauf. Erst mit dem Auftreten der Baiern/Bajuwaren verdichten sich die Fundewieder. So wurden bei Edramsberg undSchönering zahlreiche Körpergräber ausdieser Epoche freigelegt. Im Frühmittel-alter wurde der alte Ringwall offensicht-lich zu einer Fluchtburg ausgebaut.Möglicher Anlass dafür waren die Awa-renkriege des 8. Jh. bzw. die Ungarn-kriege des 10. Jh. Die beiden mächtigenVorwälle (Bajuwaren-, Sachsenwall)dürften gleichfalls aus dieser unruhigenÄra stammen.

Im Hochmittelalter entstanden anden Abhängen des Kürnberges mehrereBurgen. Die größte repräsentierte, in derOrtschaft Ufer, die Burg der hochfreienHerren von Wilhering-Waxenberg. Ne-ben ihnen waren es die Ministerialenge-schlechter der Kürnberger und derMühlbacher, die Herrensitze anlegten.

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Die Burg Kürnberg erhob sich beimBauernhof „Schneiderbauer“, die BurgMühlbach knapp nördlich davon imSteyregger Wald. Von beiden Anlagenist die Erdsubstruktion erhalten geblie-ben. Eine Holzburg, deren genaue Be-zeichnung nicht überliefert ist (das soge-nannte G’schloß), beherrschte die Mün-dung des Hainzenbaches in die Donau.Herrensitze befanden sich auch in Schö-nering und Edramsberg; zumindestdiese beiden wurden 1477 in der Liech-tensteiner Fehde zerstört.

Im Spätmittelalter und in der Neu-zeit hatte der Ringwall am Kürnbergseine strategische Funktion eingebüßt,wurde von der einheimischen Bevölke-rung bei kriegerischen Auseinanderset-zungen aber noch als Fliehburg benutzt.

Etliche jagdtechnische Einrichtungender frühen Neuzeit, Jagd- und Forsthäu-ser (Hirschenstadel, Jäger im Kürnberg),eine Quellfassung (Kaiserbründl) sowieein ausgedehnter Wildzaun (Bannwall)bekunden schließlich die Rolle des Kürn-berges als Jagdrevier der Habsburger;vor allem Maximilian I. hatte hier oftund gern dem Weidwerk gefrönt.

Zeittafel

Altsteinzeit (Paläolithikum):bis 8000 v. Chr.

Mittelsteinzeit (Mesolithikum):8000–6000 v. Chr.

Jungsteinzeit (Neolithikum):6000–2300 v. Chr.

Frühbronzezeit: 2300–1600 v. Chr.Mittelbronzezeit (Hügelgräberkultur):

1600–1200 v. Chr.Spätbronzezeit (Urnenfelderkultur):

1200–800 v. Chr.

Ältere Eisenzeit (Hallstattkultur):800–450 v. Chr.

Jüngere Eisenzeit (La-Tene-Kultur):450–15 v. Chr.

Römerzeit (Antike):15 v. Chr. bis 488 n. Chr.

Frühmittelalter: 488–1000 n. Chr.Hochmittelalter: 1000–1250 n. Chr.Spätmittelalter: 1250–1500 n. Chr.Neuzeit: ab 1500 n. Chr.

Literaturverzeichnis

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Knittel 1743Franz Anton Knittel, Mappa (Karte vom Kürn-berg), 1743.

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Steingruber 2006Christian Steingruber, Ur- und frühgeschichtliche

Denkmäler am Kürnberg bei Wilhering, Wilherin-ger Heimatbuch, Band 1, Wilhering 2006.

Theuer 1924Erwin Theuer, Bericht über die Grabungen amKürnberg, Wiener Prähistorische Zeitschrift XI,Wien 1924.

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Wieser 1884Franz (von) Wieser, Der Burgwall auf dem Kürn-berg, Mitteilungen der AnthropologischenGesellschaft in Wien, XIV. Band, Wien 1884.

Wieser 1994Leo Wieser, Notizen zum Kürnberg, Führungdurch die Hauptverteidigungsanlagen des Kürn-bergs und seiner vorhistorischen Siedlungsspu-ren, Leondinger Gemeindebrief, Leonding 1994.

Zauner 1981Alois Zauner, Die Anfänge der Zisterze Wilhe-ring, Mitteilungen des Oö. Landesarchivs, Band13, Linz 1981.

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„Wo aus dem Thal der rasche Wildbach dränget,Stell’t sich das Monument der Baukunst dar;Auf kühnen Pfeilern, wie in Lüften hängetDie Brücke, welche stets bewundert war.“

Karl Lindner, 18191

Industriearchitektur im Salzkammergut:250 Jahre Brückentragwerk „Gosauzwang“

Von Michael Kurz

Dem nicht schwindelfreien Wande-rer verlangt das Passieren des imposan-ten Tragwerks, das sich im Grenzgebietzwischen den Gemeinden Gosau, Hall-statt und Bad Goisern in luftiger Höheüber den Gosaubach spannt, wie eh undje einiges an Überwindung ab, der Bauselbst galt anno dazumal als Meisterleis-tung zeitgenössischer Ingenieurskunst.Von Reisenden und Gästen bis in dieEisenbahn-Ära des 19. Jahrhunderts be-wundert und besungen, ist der „Gosau-zwang“, neben der Steegklause und derChorinsky-Klause eines der bedeutends-ten Monumente historischer Industriear-chitektur im Salzkammergut, heuer 250Jahre alt geworden. Anlass genug, in derChronik des 1969 modernisierten, zu-weilen vom Hauch des Kuriosen um-wehten Viadukts ausführlicher zu blät-tern.

Baugeschichte

Die beschränkten Holzressourcen iminneren Salzkammergut erlaubten eszum Ende des 16. Jahrhunderts nichtmehr, die im Salzbergwerk Hallstatt ge-

wonnene Sole gänzlich an Ort undStelle zu versieden. So ging man 1595 anden Bau einer Pipeline, über welche dieüberschüssige „Sulze“ schon ein Jahrspäter von Hallstatt nach Ischl und ab1607 in die neue Sudhütte in Ebensee ge-langte. Ein ständiges Manko an dem un-ter Aufsicht des Ischler BergmeistersKalß realisierten Großprojekt (34 Kilo-meter Leitungsstrecke, zusammenge-setzt aus vorerst 13.000 Holzröhren vonjeweils bis zu viereinhalb Metern Länge)war jedoch die technische Überwindungder vom Gosaubach tief in die Trasse derSoleleitung eingeschnittenen Schlucht.Dies sollte bis zur Mitte des 18. Jahrhun-derts ein unzureichend gelöstes Problemdarstellen.

Anfangs hatte man die Leitung, densogenannten „Sulzstrenn“, auf der Hall-stätter Seite ab dem Sulzstübel in fünfhölzernen Strängen geführt und damitden Gosaubach auf einer niedrigenBrücke übersetzt. In den von eisernenRingen umwehrten Rohren strömte die

1 Lindner, K.: Das Kaiserlich-Königliche Ober-österreichische und Steyermärkische Salzkam-mergut mit den Umgebungen. Wels, 1819.

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Sole unter stetig anwachsendem Druckvom rechten Talhang herab und stiegdann – im Zwange – die jenseitige Steil-böschung wieder hinauf. Die Höhendif-ferenz betrug 12h2’ (= 23,4 Meter) imFallen, respektive 10h4’ (= 20,2 Meter) imSteigen. Der eminenten Belastung hiel-ten die Holzröhren und deren Verbin-dungen trotz der Eisenarmierung nurbedingt stand, so dass es häufig zu Ma-terialbrüchen und dadurch zu Solever-lusten kam. (Von dieser ältesten Bach-übersetzung, die der Plan N 22 des Wie-ner Hofkammerarchivs belegt, hat sichder Name „Gosauzwang“ bis in die Ge-genwart erhalten.)

Die Hallstätter Brandkatastrophevon 1750, der außer 35 Häusern im Zen-trum auch die Salzproduktionsanlagenzum Opfer gefallen waren, brachte eineDiskussion in Gang, den lokalen Sudbe-trieb einzustellen und die Sole sämtlichin Ebensee zu versieden. Die Hof-Banco-Deputation, eine Behörde der staatlichenFinanzverwaltung, entschied sich 1751zur Wiederaufnahme des Sudbetriebs,jedoch in deutlich reduziertem Umfang.2

Um das Gros der Sole aus Hallstattkünftig in Ebensee verarbeiten zu kön-nen, stattete man die Pipeline 1751/52durchgehend mit einem zweiten Rohr-strang aus,3 1756 kam ein dritter hinzu.Durch den permanenten Anstieg derTransportkapazitäten wurde die tech-nisch befriedigende Überwindung desGosautals von da an immer dringlicher.

Die Hofkammer hatte hiefür zu-nächst eine Trassenvariante erwogen.Dabei sollte die Leitung mit nur mäßi-gem Gefälle so lange in das RichtungGosau steigende Tal geführt werden, bisdessen Sohle und der Gosaubach ohneaufwändiges Brückenbauwerk in gerin-

ger Höhe überquert werden konnten. InFolge sollte die Leitung auf der gegen-überliegenden Talseite herausgeführtund beim kleinen Solestübchen wiederins bestehende Rohrsystem eingebun-den werden. Gründliche Kostenrech-nungen, die vollständig erhalten und imHofkammer- und Finanzarchiv aufbe-wahrt sind, sprachen schließlich klar füreine Brückenvariante. Ein den Gosau-bach in großer Höhe überspannendesTragwerk, auf dem der „Strenn“ mitgleichmäßig niedrigem Gefälle verlegtwerden konnte, verhieß wesentliche Vor-teile – unter anderem die signifikanteAbsenkung des Flüssigkeitsdrucks.

Die schwierigen Bodenverhältnissemachten zwei Steinkastengründungenerforderlich,4 die wiederum möglichstschlanke Pfeiler mit minimaler Eigenlastbedingten. Aus der Unterteilung des ins-gesamt 129 Meter langen Tragwerks insechs Felder von 16 bis 21 Metern Weiteergab sich das Konstruktionsschema mitfünf 10,4 bis 30,7 Meter hohen Haupt-pfeilern zwischen den beiden Brückenla-gern.

Ausgeführt wurden die Pfeiler inKalkstein-Quadermauerwerk mit qua-dratischer Querschnittsfläche; die Sei-tenlängen der Querschnitte beliefen sich

2 Vgl. dazu: Commissions Relation dieses ho-chen Mittels Hoff Raths Hr. v. Quiex die zuHaalstatt abgebrunnenen Sallz Pfannen betr.sambt Beylagen, Hofkammerarchiv Wien, AltesBancale, rote Nummer 286, alte Aufstellungs-nummer 9693, Januar 1751.

3 Schraml, C., 1932: Das oberösterreichische Sa-linenwesen vom Beginne des 16. bis zur Mittedes 18. Jahrhunderts. Wien, S. 147.

4 Kefer, Karl: Salzbergs Manipulations Beschrei-bung, 1. Band, Handschrift 1807, nicht foliiert.Zentralbibilothek der österreichischen Salinen,Signatur XII H 3.

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bei den zwei höchsten Pfeilern an derBasis auf 3,8 bzw. 3,6, bei den niedrigenauf 2,8 Meter. Die Quader der Pfeiler-kronen, mit ihrer Dimension von 0,7 «0,8 « 0,4 Metern ein Gewicht von jeweilsbis zu knapp einer halben Tonne5 errei-chend, mussten mittels Flaschenzügen30 Meter vertikal bewegt werden. DieQuerschnitte im Kronenbereich redu-zierten sich bei allen Pfeilern auf 2,3 Me-ter Seitenlänge, das entspricht einer Ver-jüngung der Seitenflächen um 2 Zoll proHöhenklafter und einer Steigung von2,7 %. Mit der Verjüngung der Pfeilerwurde – ein optischer Zusatzeffekt! – dieHöhenentwicklung perspektivisch wirk-sam unterstrichen.

Die Baugeschichte des mehr als 40Meter aufragenden Viadukts ist aus denAkten der Saline lediglich lückenhaft re-konstruierbar, da viele Quellen fehlen.Nähere Rückschlüsse gestatten zumin-dest die Einlaufprotokolle des Salzober-amtes in Gmunden. Im Jänner 1755wurde demnach das HofschreiberamtHallstatt zur Übermittlung einer Kopiedes mit Hans und Andre Kirchschlagersowie mit Adam Egger abgeschlossenenKaufvertrages „betreff der zu dem GosauZwang benöthigten Straß Baumen“ aufgefor-dert.6 Dabei wird erwähnt, dass bereitsim Vorjahr, 1754, eine Kommission dasVorhaben umfangreich geprüft habe.

Eine Lokalchronik vermerkt für1755: „dieses Jahr ist der Sulzzwang über dieGosa gebaut worden“.7

De facto zog sich der Bau zwei Jahrelänger hin; das heikelste Problem stelltedas Spannwerk dar – es waren dies dieHolzüberleger, welche die Brückenpfei-ler verbinden sollten. Die Schwierigkei-ten damit werden vom Salzoberamt wie-derholt geschildert:

„Es hat der Hans Klieber, ein Zimmer-knecht, dem das Spannenwerk am Gosauzwangzu verfertigen vom diesseitig gehorsamsten Hof-schreiberamt anvertrauet worden ist, ange-bracht, das er die zu dem Spannenwerk eingelie-ferten Holzsorten (welche zwar die in dem Con-tract vorgeschriebenen Mässereyen allerdingshalten) nicht gebrauchen könne.“8

Klieber fertigte schließlich ein Mo-dell, anhand dessen er weiterarbeitenkonnte. Die Bewältigung dabei immerwieder auftretender Widrigkeiten wurdeübrigens da und dort mit „schwarzerKunst“ oder gar mit dem Teufel in Zu-sammenhang gebracht. Auch erzählteine örtliche Saga oder Mär nicht ohne(regionales Selbstbewusstsein evozie-rende) Ironie, dass sich die für den Brü-ckenbau zuständige Hofkammer-Kom-mission zur Beratung der weiteren Vor-gangsweise einmal in die angrenzendeGosaumühle zurückgezogen und dortbeim jungen Wein gemeinsam „nachge-dacht“ hätte. Als die Beamten hinterher,in bereits leicht aufgeräumter Stim-mung, die Praktikabilität ihres gefasstenBeschlusses am Objekt testen wollten,hätte „ein schlauer Zimmermeister dasWerk in der Zwischenzeit bereits vollen-det . . .“ (Abb. 1).

5 Die Maße für diese Berechnung sind entnom-men aus: Plan Aschauer, Sepp, Gosauzwangüber das Gosaubachtal bei Hallstatt, Aufrissund Schnitte, Maßstab 1 : 250 bzw. 1 : 50, Sali-nenverwaltung Hallstatt 1931.

6 Oö. Landesarchiv, Salzoberamtsarchiv, Indexund Einlaufprotokoll 1755, Hs. 7, S. 124.

7 Auszug aus der Chronik von Hallstatt nachMathias Bernegger, Michael Aicher, LeopoldEngleithner (Bibliothek Musealverein Hall-statt); die Chronik wurde über Jahrhunderte,mit Hinzufügung der Lebensspanne des jeweili-gen Schreibers, fortgesetzt.

8 Oö. Landesarchiv, Salzoberamtsarchiv, Indexund Einlaufprotokoll 1757, Hs. 9, S. 662.

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Abb. 1: Die in einer spöttischen Anspielung auf die „Kommission der Hofkammer“ gipfelnde Saga vomGosauzwang, illustriert von Winfried Aubell. Aus: Oö. Kulturzeitschrift Salzkammergut, Heft 1/1981

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Abb. 2: Der Gosauzwang ca. 1781. Finanz- und Hofkammerarchiv Wien, Signatur H-112.

Apropos: Interessant ist, dass in denQuellen der Saline stets Hans Klieber alsSchöpfer des Spannwerkes genanntwird, während sonst allein der, desglei-chen aus Gosau stammende, Zimmer-meister Johann Spielbüchler aufscheint.9

Den Termin der Gesamtfertigstel-lung weisen die Chroniken, ohneDatumsnennung, einhellig mit Sommeroder Herbst 1757 aus.

In der Literatur wird oft die Frageaufgeworfen, wie man die mächtigen„Ensbäume“, welche die Pfeiler horizon-tal miteinander verbanden, nun tatsäch-lich emporgehoben hat; die massivenKanthölzer besaßen eine Querschnitts-fläche von 20 « 25 cm,10 waren ergo beieiner Länge von maximal 21 Meternetwa 800 Kilogramm schwer. Vergleichtman dieses Gewicht mit jenem der Qua-der im Pfeilerkronenbereich (470 Kilo-gramm), ist gut vorstellbar, dass dieKanthölzer, nachdem sie horizontal anzwei Pfeilerfüßen positioniert waren, anjedem Ende mit jeweils einem Flaschen-zug bis zur Krone hochgehievt wurden.

Umfangreichere Reparaturen amGosauzwang, der seine Funktion biszum heutigen Tag ungeschmälert erfüllt,

wurden in den Jahren 1782, 1805, 1811,1813 und 1894 vorgenommen.11 1969wurde das hölzerne Tragwerk demoliertund durch eine Stahlkonstruktion mittrogförmigem Trägerquerschnitt er-setzt,12 dessen seitliche Teile als horizon-tal verbrettertes Geländer ausgebildetsind.

9 Heinse, G. schreibt in „Linz und seine Umge-bungen“, Linz, auf S. 187: „Im Jahre 1756 erbautedieses Werk, welches wohl kühn mit manchen hochge-rühmten Werken des Alterthums verglichen werdenkann, ein gemeiner Maurer, namens Klüber“. Alle an-deren Quellen nennen Spielbüchler. Möglicher-weise war „Klieber“ der Hausname des Gosau-ers, denn der Name war schon damals sehrhäufig. Heute allerdings ist der Hausname nichtmehr bekannt, weitere nähere Untersuchungenzu Johann Spielbüchler können nur auf Mut-maßungen fußen, weil einfach zu viele gleicheNamensträger in den Gosauer Pfarrmatrikenaufscheinen. Der Familienname „Klieber“ exi-stierte damals in der Gegend überhaupt nicht.

10 Vgl. dazu Anm. 2.11 Schraml, C., 1934: Das oberösterreichische Sa-

linenwesen von 1750 bis zur Zeit nach denFranzosenkriegen. Wien, S. 123.

12 Fellner, A., 1999: Bergmännisches Handwörter-buch für Fachausdrücke im Salzbergbau- undSudhüttenwesen. Wien, S. 237.

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Literarische Rezeption

Zwar war das Salzkammergut bisins 19. Jahrhundert touristisch weithinunerschlossen, doch kaum ein Reisenderkonnte sich der Faszination entziehen,die vom Gosauzwang ausging.

Auf Anordnung Kaiser Franz I. un-ternahm der böhmische Geologe JohannBaptist Bohadsch 1763 eine „Prospek-tionstour“ durch das Kammergut; ersollte mögliche Kohlevorkommen son-dieren, welche der Saline eine spürbarewirtschaftliche Erleichterung gebrachthätten. Bohadsch’ Berichte, mit hoherSachkenntnis abgefasst und reich an in-teressanten Details zum Leben der Men-schen vor Ort, kamen 1782 in Druck, ge-rieten aber rasch in Vergessenheit. Ihnenverdanken wir die erste „reiseliterari-sche“ Notiz über den Gosauzwang:

„Vor der Gosaumühle sah ich sieben vier-eckete Säulen, worauf hölzerne Tramen gelegetund über die Säulen zugespitzte Dächer aufge-stellet sind. Ich fragte meinen Wegweiser, wasdieses Gerüste zu bedeuten habe? Der mir zurAntwort gab, dies seye der Gosauzwang, wor-auf die Röhren liegen, durch welche die Sulzenach Lambach geführet wird. Dieses prächtigeGerüste stehet auf 7 Säulen von weißlichtemMarmor quadratweise aufgerichtet, wovon diemittleren zwey 102 Schuhe lang und am Fuße 4Schuhe breit sind. Auf diesen Säulen sind 3 höl-zerne Röhren nebeneinander gelegt, welche dieSalzsulze von dem Hallstätter Salzberg bisLambach, das ist 4 Meilen weit, führen. Hiermusste ein Gerüst aufgeführet werden, weil dieBerge weit von einander stehen, und zwischenselben der Gosaubach in den Hallstättersee flie-ßet.“13

15 Jahre darauf schwärmte ein Mine-raloge namens Herrmann: „Ein Theil derhiesigen Sole wird 4 Meilen weit bis nach Lam-pad oder Ebensee geleitet, zu welchem Ende

24000 Stück gebohrte Röhren zusammengesetztsind. Bey der sogenannten Gosaumühle liegensie auf 7 Säulen von weißem Marmor, welcheseinen frappanten Anblick verursacht und einemdie berühmten Wasserleitungen der Römer inErinnerung bringt.“14

Unter den frühen Reisenden des 18.und 19. Jahrhunderts waren es meistGeologen und andere Naturwissen-schafter, welche die Region bekanntmachten. Am genauesten analysiert wer-den die Zustände im Salzkammergut ander Zeitenwende um 1800 in dem Buchdes Arztes und oft zitierten Gelehrten Jo-seph August Schultes (1809). Kaum einAspekt entging Schultes’ aufmerksamenund wachen Augen, auch wenn sich derAutor – als „säkularer bayerischer Partei-gänger“ – zwischendurch zu polemi-schen Äußerungen über den StaatÖsterreich insgesamt und zu Seitenhie-ben auf die hiesige katholische Kirche imBesonderen hinreißen ließ; seine Mel-dungen sind durch die Bank fundiertund zeigen sehr guten Informations-stand. Über den Gosauzwang schreibtSchultes: „Die zweyte Abtheilung führt überdie hohen und steilen Felsen und den im Jahre1757 aufgeführten sogenannten Gosauzwang,

13 Born, I., 1782: Hrn. Johann Bohadsch Berichtiber seine auf allerhöchsten Befehl im Jahr 1763unternommene Reise nach dem Oberösterrei-chischen Salzkammerbezirk. In: Abhandlungeneiner Privatgesellschaft in Böhmen zur Auf-nahme der Mathematik, der vaterländischenGeschichte und der Naturgeschichte, S. 91–227,hier S. 179. „Lambach“ ist der alte Name fürEbensee.

14 Herrmann, H., 1793: Nachricht von einer Reisenach den Salzwerken in Oberösterreich imJahre 1778, In: Chemische Annalen für Freundeder Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushal-tungskunst und Manufakturen, S. 3–21, hierS. 12.

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der aus 7 steinernen Pfeilern besteht, wovon derhöchste 23 Klafter hoch ist, eine Strecke von12204 Klaftern oder 3 Postmeilen 204 kleineMeilen bis Ischl . . .

Dieser Gosauzwang ist einer der merkwür-digsten und kühnsten Gebäude in den oberöster-reichischen Salinen, ein Gegenstück zu dem be-kannten Traunfalle, vielleicht eben so oft wiedieser, und auch so wie dieser nie nach Würdevon einigen Kupferstechern, die ich nie Künstlernennen werde, dargestellt. Da wo die Gosauaus dem schaurigen Gosauthale hervorströmt inden Hallstädter See, trennt eine mächtigeSchlucht den Berg, über welchen hinab die Was-serleitung, die die Sohle führt, gen Ischl hinab-läuft. Mehr als 23 Klafter hoch über dem Seeliegen die Röhren, und mehr als 80 Klafter breitist die Schlucht, über welche die Röhren gelegtwerden sollten. Da war nun kein anderes Mit-tel, als Thürme zu bauen, und die Sohle über dieThürme wegzuleiten. Dieser Thürme von Qua-dersteinen sind nun 7 in die Schlucht hineinge-baut, und der höchste derselben ist 27 Klafterhoch. Über die Endspitzen dieser Pfeiler wegläuft nun 80 Klafter lang das Röhrenwerk hin,in welchem die Sohle strömt. Der Name desMeisters, der diesen kühnen Bau wagte, ver-dient noch aufbehalten zu werden: es war derBergmann Johann Spielbüchler.“15

1807 zog der „Zwang“ wieder einenböhmischen Reisenden in seinen Bann:„Ungefährt 3⁄4 Stunden vom Stög landeten wirbey der Gosaumühle um den berühmten Gosau-zwang zu sehen, welcher auch für den Layen, fürjenen, den blos die Neugierde hieher lockt, un-streitig eine der ersten Merkwürdigkeiten desKammergutes ist . . . Man mag die schwin-delnde Höhe mit dem Auge von unten erklim-men, oder von oben herab, tief unter sich die fel-senfortwälzende Gosach, in weißem Schaumeaufgelöst, mit zerstörender Gewalt durch einefürchtliche Wildnis daher brausen sehen, immernöthigt dieses unsterbliche Denkmahl menschli-

cher Größe gleich viel Bewunderung und Er-staunen ab.“16

Im Juni 1808 freute sich das ganzeSalzkammergut auf den ersten BesuchKaiser Franz I. Jahrzehnte waren seitdem letzten Aufenthalt eines regieren-den Monarchen vergangen, entspre-chend fielen die Feierlichkeiten aus.Schon am 10. Juni ließ der Salzoberamt-mann die gesamte Stadt Gmunden, dieumliegenden Gebirge sowie das Seeufererleuchten und einen Tempel auf demHauptplatz errichten. Tags daraufschiffte der Monarch mit seiner drittenGattin Maria Ludovika nach Ebenseeüber und setzte seine Fahrt nach Ischl„auf der Achs mit 6 bespannten Pferden undzwei Vorreitern“ fort. Dem Ischler Pfann-haus und Salzberg wurde die Ehre zuteil,von den allerhöchsten Herrschaften be-sichtigt zu werden. Nach einem Kurzauf-enthalt in Aussee und am Grundlsee zogdie kaiserliche Entourage nach Hallstatt:„Bey dieser Anlandung war eine dreifachegrüne Triumph Pforte errichtet, durch welchemitten der kaiserliche Koblschiff anlandete undbey dero Austritt beider kaiserlichen Majestä-ten wurde ihnen von der gegenwärtigen Mengedas Vivat zugerufen, während der Zug in dasAmtshaus ginge, stunden von See hinauf dieersten Pfartlschützen, in grünen Kleidern undHüten, dann die Bergleut, sonders die Heuerund Heuerknechte in weißen Kleidern Paradi,mit ihren Werkzeugen, vor dem Amtshaus dawiederum eine Pforte aufgericht standen wie-derum 2 Schützen, durch das Amtshaus die

15 Schultes, J., 1809: Reisen durch Oberösterreichin den Jahren 1794, 1795, 1802, 1803, 1804 und1808. Tübingen, 2. Teil, S. 63 f.

16 Mader, J., 1809: Reise von Böhmisch-Krumaudurch das Obderennsische Salzkammergutnach Salzburg und Berchtesgaden im Herbste1807. Prag, S. 116.

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Schulkinder mit Lehrern, die dem Kaiser undder Kaiserin das Vivat alle zugleich mit hellerstimm zuruften“ schildert euphorisch einezeitgenössische Quelle.17

Weiter ging das „Sightseeing“-Pro-gramm mit der Visitation des Gosau-zwanges, wobei es sich der Kaiser nichtnehmen ließ, höchstpersönlich über dieBrücke zu schreiten, was „großen Eindruck“machte. 1814 kam nochmals ein gekrön-tes Haupt, Franz I., hierher. Die illustrenBesuche sollte ein Denkmal bei der Sole-leitung für alle Zeiten in Erinnerung hal-ten; den Auftrag hiezu erteilte man kei-nem Geringeren als Franz Anton Zauner– Direktor der Maler- und Bildhauer-klasse der Akademie der BildendenKünste in Wien und einer der führendenklassizistischen Bildhauer. Zauner lie-ferte bis 1822 einige Entwürfe, doch dieAusführung des mehrere Tausend Gul-den teuren Monumentes unterblieb,nicht zuletzt wegen der damals ziemlichleeren Staatskasse.

Die kaiserlichen Aufenthalte undden Plan einer Büste besang der Salinen-beamte Karl Lindner mit hymnischemPathos:

„Der Wand’rer starr’t beym Aufblick, und esenget

Die Furcht ihm seine Brust, sie sträubt seinHaar;

Er zittert, beb’t beym Eintritt in die Brücke,Doch stand hier der Monarch mit festem

Blicke.

. . . Er wird ja auch sein Bild aus Erz unsschenken;

Der spät’sten Nachwelt heil’gstes Angedenken.

Entlang der Brücke strömt, unwillig,schäumend

Das flüss’ge Salz stets an des Felsens Hang;

Abb. 3: Unausgeführter Entwurf von Franz AntonZauner für das Denkmal Franz I. beim Gosau-zwang.18

Strebt sein Gefängnis oft sich hochaufbäumend

Mit starker Kraft zu sprengen, und imDrang . . .“19

Friedrich Joachim von Kleyle, Güter-direktor Erzherzog Karls, hatte das Bau-werk 1810 bestaunt: „Wer sich die Kühnheitdieses Baues versinnlichen will und auf gefahr-

17 Chronik von Bernegger, Engleitner (Anm. 7),S. 90.

18 Hofkammerarchiv, Karten- und Plänesamm-lung, Münz- und Bergwesen, Präsidium, Ge-schäftszahl 1032 ex 1822, S. 143/1.

19 Lindner K., 1819 (Anm. 1), S. 10.

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losen Höhen nicht vom Schwindel ergriffen zuwerden fürchtet, der gehe auf dem Pfade zwi-schen den Sulzenröhren über diese Brücke, undsehe, wenn er Gelegenheit dazu findet, einerAusbesserung derselben zu. Er wird nicht ohneSchaudern in den wild unter ihm fortrauschen-den Bach hinunter blicken, aber wenn er vonunten den Zimmermann über einen schmalenBalken von einem Pfeiler zum andern rutschensieht und etwas einzufügen oder zu verklam-mern, oder morsches Holz abzuschlagen, wäh-rend neben ihm der Maurer in seinem schwan-kenden Kasten unstät herumbaumelt um die be-schädigten Pfeiler zu flicken – so wird er seinenBlick mit Bangigkeit wegwenden. Die Pfeilerwerden der Zeit noch lange trotzen. Nur einerder mittlern musste bis itzt zum Theil mit eiser-nen Stangen bepanzert werden; weil sich einigeQuaderstücke herauszudrängen schienen: aberdas Holzwerk muss alle 20 bis 25 Jahre erneu-ert werden. Vielleicht kommt einst ein zweyterSpielbüchler (so hieß der Mann, welcher imJahre 1757 den Gosauzwang baute) und vollen-det das Werk, indem er die Pfeiler mit gemauer-ten Bögen verbindet.“20

Wahrscheinlich animierte F. J. vonKleyle Erzherzog Karl zu dessen Salz-kammergutreisen (1812 und 1817), beidenen der „Held von Aspern“ auch denGosauzwang bestieg.21

Nach der Eröffnung des Ischler Ba-des 1822 gehörte eine „Partie zum Go-sauzwang“, neben der 1819 eröffnetenChorinsky-Klause, zu den schönstenAusflügen. Staatskanzler MetternichsTochter Leontine, 1826 in Ischl zur Kurweilend, ergriff ebenfalls die Gelegen-heit: „Wir sind zum Gosauer Zwang, einergroßen Brücke, die zwei Berge verbindet, die voneinem Abgrund getrennt sind. Wir sind dar-über gegangen, aber Gräfin Fuchs hat der Mutdazu gefehlt.“22

Künstlerische Rezeption

Datieren die frühesten Beschreibun-gen schon aus der Zeit um 1760, mussteder Gosauzwang auf künstlerische Ab-bildungen bis in die 1790er-Jahre warten.Zuerst waren es die „Salinenzeichner“(eine einheimische Amateurgruppe ausdem Dunstkreis der Saline), die sich, aufInitiative ihres vermutlichen Begründersund Nestors, Unterbergmeister FranzSteinkogler, des Monuments annahmen.

„[Es gibt] einige, 1792 nur unter Beamtenvertheilte, und eben deßwegen selten gewordeneAnsichten des Salzkammergutes, vom Unter-bergmeister Steinkogler zu Hallstatt gezeichnet,und vom ehemaligen Bergmeister, Daniel Kess-ler, zu Ischl, gestochen. Diese Ansichten sind inder Zeichnung richtig, aber nicht fein im Stich;sie lieferten a) den Gosauzwang b) den Wald-bachstrub c) die Wasserfälle beym Kaiser Fran-zens Berghause zu Ischl d) den Mühlbach beyHallstatt.“23

Matthäus Baumgartner und JohannEngleitner, beide desgleichen in der Sa-line tätig, zeichneten den Gosauzwangdreimal – ca. zwischen 1795 und 1805;die bereits in den 1840er-Jahren „seltengewordenen“ Ansichten der „Salinen-

20 Kleyle, F., 1814: Rückerinnerungen an eine Reisein Österreich und Steyermark im Jahre 1810.Wien, S. 122. Kleyle war der Vater von Sophie,verheiratete Löwenthal, der unglücklichenLiebe von Nikolaus Lenau.

21 Criste, O., 1914/15: Reisebriefe des ErzherzogsCarl. In: Jahrbuch für die Landeskunde vonNiederösterreich XIII bis XIV, S. 464.

22 Metternich, T., 1990: Leontine: das intime Tage-buch der Tochter Metternichs; von 1826 bis1829, 14. bis 18. Lebensjahr. Wien, S. 86.

23 Pillwein, B., 1843: Geschichte, Geographie undStatistik des Landes ob der Enns. 2. Theil; DerTraunkreis – Linz, S. 91.

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Abb. 4: Das Tragwerk in einem Stich von Maria Laimer. Schultes, 1809.

zeichner“ sind verschollen, ebenso ist dieAmateurgruppe längst verschwunden.

Die eigentliche „künstlerische Ent-deckerin“ des Viadukts allerdings warMaria Laimer, Tochter des HallstätterBergmeisters Daniel Kessler. In ihremSchaffen (bekannt sind bis dato an die50 Werke aus den Jahren 1790 bis 1816)ist der Gosauzwang mit nicht wenigerals zehn Versionen vertreten.

Joseph August Schultes ließ MariaLaimer fünf Stahlstiche, darunter auchwelche vom Gosauzwang, anfertigenund kommentierte: „Künstlern ist es viel-leicht nicht uninteressant, an einer Frau Lamer[sic], geborene Kessler zu Ischel, eine Künstlerinzu finden, die, wenn sie das Glück einer Bil-dung für Kunst genossen hätte, vielleicht etwashätte leisten können. Sie verkauft einige Zeich-

nungen der Gegenden im Salzkammergut, diewenigstens den Verdienst der größten Genauig-keit haben.“24

Kurz darauf erschien der Band „DieÖsterreichische Schweiz oder mahleri-sche Schilderung des Salzkammergutesin Österreich ob der Enns“ von FranzSartori, ein streckenweise billiger Ab-klatsch der Publikationen des älterenSchultes; den Titel ziert ein Gosau-zwang-Bild Laimers unter noch krasserverfälschtem Namen („S. Langer“).25

Besonders für ausländisches Publi-kum bedeutsam war die Aufnahme einer

24 Schultes, J., 1809 (Anm. 15), S. 166.25 Sartori, F., 1813: Die Österreichische Schweiz

oder mahlerische Schilderung des Salzkam-mergutes in Österreich ob der Enns. Wien, S.308.

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Laimerschen Gosauzwang-Vedute in dasepochale Werk „Voyage pittoresque enAutriche“ von Alexandre Comte De LaBorde, ediert 1821 in Paris.

In den 1820er-Jahren nahm derLandschaftsmaler, Zeichner und Litho-graf Jakob Alt den Gosauzwang in seine„Vorzügliche Ansicht des k. k. Salzkam-mergutes und dessen Umgebung inOberösterreich“ auf.

Namhafte Künstler wandten sichdem Tragwerk fernerhin nicht mehr zu.Rang und subjektiver Wert der Baulei-stung schrumpften natürlich im Zeitalterder Eisenbahn, als gigantische Brückendie Täler zu überziehen begannen. Allge-mein ist der Gosauzwang aber eine z. B.gern auf Postkarten gebannte touristi-sche Attraktion geblieben.

Bilder, wie sie Anfang des 19. Jahr-hunderts geschaffen worden sind, wärenmittlerweile – nebenbei erwähnt – garnicht mehr möglich, denn die Sicht aufdas Viadukt ist seit langem von hohenBäumen verdeckt. Jüngere Überlegun-gen, die historische Holzkonstruktionwiederherzustellen, konnten bisher, vorallem aus Kostengründen, nicht umge-setzt werden. Neben dem „Zwang“ istheute eine kleine Erinnerungsstätte ein-gerichtet, die von seiner GeschichteKunde gibt.

Das letzte Wort zum 250-jährigenBestandsjubiläum sei dem Dichter über-lassen. Carl Adam Kaltenbrunner (1804–1867), Enns, seinerseits der Faszination„Gosauzwang“ erlegen, hat dem Monu-ment Verse gewidmet, die als Zeugniszeitloser Würdigung gelten dürfen.

Der Gosau-Zwang

Hin über der beschäumten Gosau Wogen,Bezwingend ihr Ergrimmen tief im Grunde,Hat hier des Baues meisterhafte KundeDes Salzes Lauf von Berg zu Berg gezogen.

Ihr, des Granites hohe, luft’ge Bogen,Ersonnen und vollführt in guter Stunde,Wie Siegessäulen steht ihr über’m Schlunde,Wo noch die Zeit umsonst ihr Amt gepflogen.

Ihr möget stehn, wie dort die Berge ragen,Die, Hohn erwidernd allen Ungewittern,Nie vor Zertrümmerung und Ende zittern.Ihr möget stets den Segen heilig achten,Der reich entquillet aus der Hallstatt Schachten,Den ihr bestimmt seyd schützend

fortzutragen!26

(Der Dank des Autors gilt ThomasNussbaumer von den Salinen Austriaund DI Dr. tech. Friedrich Idam für hilf-reiche Hinweise und Unterstützung.)

26 Kaltenbrunner, C., 1835: Vaterländische Dich-tungen. Linz, S. 193.

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Von der Befestigungsanlage zur GrottenbahnMaximilian und die Linzer Türme

Von Josef Simbrunner

Einleitung

Der in der oö. Landesgalerie aufbe-wahrte reichhaltige Schatz an Kunstwer-ken bedarf ständiger Pflege. Gern bin ichdem Ersuchen der Direktion der oö.Landesmuseen nachgekommen, dieKosten für die Restaurierung einigerAquarelle zu übernehmen. Die Wahl derLeiterin der Grafischen Sammlung,Mag. Monika Oberchristl, war auf vierWerke des Kammermalers von Erzher-zog Maximilian d’Este, Johann MariaMonsorno, gefallen, welcher einst Teileder Linzer „Turmlinie“ dokumentierthatte. So begann ich mich mit dieserhistorischen Befestigungsanlage und de-ren Urheber eingehender zu beschäfti-gen – das Ergebnis meiner Recherchen,Nachforschungen und Quellenstudienwird hier vorgestellt. (An wissenschaftli-cher Fachliteratur zum Thema sei unteranderem die Arbeit von Erich Hillbrandempfohlen.)

Geschichtlicher Hintergrund –Die „Franzosenkriege“

Im Verlauf der „Franzosen- oderKoalitionskriege“ wurde die oö. Landes-hauptstadt dreimal, 1800/1805/1809, vonder Armee Napoleons besetzt und ge-

plündert. Die am 15. 8. 1800 durch einenkatastrophalen Großbrand zerstörtenVerteidigungsanlagen hatte man nichtwieder aufgebaut, wonach Linz, militä-risch gesehen, zu einer offenen Stadt ge-worden war, was sich postwendend bit-ter rächte.

Im zweiten Koalitionskrieg (1798–1802) rückten die französischen Truppennach ihrem Sieg bei Hohenlinden am3. 12. 1800 ungestüm gen Westen vorund besetzten drei Tage vor Weihnach-ten die oö. Metropole. Die kaiserlichenTruppen hatten sich notgedrungen zu-rückgezogen, nur Urfahr wurde von denÖsterreichern gehalten. Die „Revoluti-onshorde“ raubte und plünderte nachBelieben und hinterließ ungeachtet desam 25. 12. 1800 in Steyr geschlossenenWaffenstillstands, dem am 9. 2. 1801 derFriede von Luneville folgte, ein wirt-schaftlich ausgeblutetes Linz.

Der dritte Koalitionskrieg brachteden Österreichern am 15. 10. 1805 beiUlm eine vernichtende Niederlage:23.000 Mann wurden von Napoleon ein-geschlossen und gefangen. Die Straßenach Wien über Linz stand offen, dieStadtverantwortlichen sahen sich vomschnellen Vordringen der Franzosen völ-lig überrascht. Bonaparte selbst traf am

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4. 11. 1805 in Linz ein, nahm bis zum9. 11. Logis im Landhaus und empfinghier den kaiserlichen Abgesandten zu –fruchtlosen – Verhandlungen. Am 13. 11.eroberte Napoleon Wien, siegte am2. 12. in der Dreikaiserschlacht von Aus-terlitz und diktierte nach dem Waffen-stillstand von Znaim am 26. 12. 1805 denFrieden von Pressburg, den demüti-gendsten Frieden in der österreichischenGeschichte.

Aufgrund der Kriegshandlungen lagLinz wirtschaftlich neuerlich total dar-nieder, doch ihren Gipfel hatte die Notnoch immer nicht erreicht.

1809 – Höhepunkt der Verzweiflung

Nachdem sie die Österreicher beiRegensburg in einer Serie von Gefechtenschwer getroffen hatten, rückten dieFranzosen 1809 zum dritten Mal überBayern in unser Land ein. Angesichtsder drohenden Gefahr sollte Linz einestrategische Schlüsselstellung als Sam-melpunkt der verschiedenen österreichi-schen Heeresteile erhalten, konnte dieseFunktion aber mangels eigenen Befesti-gungsschutzes nicht erfüllen. Der kaiser-liche General Hiller hatte sich, von derHauptarmee abgeschnitten, am 3. 5. vorden nachdrängenden Franzosen über dieTraun zurückgezogen. Linz war damitabermals Durchzugsstation, die Bevöl-kerung verzweifelt. (Urfahr verweigertedie Übergabe, 31 Häuser wurden vonden Besatzern daraufhin strafweise inSchutt und Asche gelegt.) Um den Vor-marsch der Franzosen nach Wien zu ver-zögern, stellte sich Hiller noch am 3. 5.dem napoleonischen Marschall Mas-

sena bei Ebelsberg entgegen; beimTraun-Übergang entbrannte ein heftigesRückzugsgefecht, in dem die österreichi-schen Truppen tapferen Widerstand leis-teten und dem Feind hohe Verluste zu-fügten.

Hiller fürchtete dennoch eine Um-klammerung, nahm seine Truppen ge-gen Asten zurück, ging über die Ennsund bei Krems über die Donau, um sichmit der Armee Erzherzog Karls zu verei-nigen.

Ebenfalls schon am 3. 5. hatte Napo-leon das Schlachtfeld von Ebelsberg be-sichtigt und im „Baumgartnerhofe“(Gottschalling 12) übernachtet, wo ihmeine Deputation der Stände ihre Aufwar-tung machte.

Vier Tage darauf überschritt er dieEnns und erschien bereits am 10. 5. vorden Toren Wiens, das er am 13. 5. nachkurzer Beschießung besetzte.

Im folgenden Aufeinandertreffen beiAspern und Eßlingen (21./22. 5.) solltensich Erzherzog Karl und General Hillerruhmreich bewähren: erstmals wurdeNapoleon in offener Feldschlacht ge-schlagen, der Mythos von der Unbesieg-barkeit des Korsen war damit gebro-chen, die entmutigten Völker schöpftenfrisches Selbstvertrauen.

Linz, in dem noch bis Anfang 1810französisches Militär einquartiert war,hatte aber nicht nur unter den direktenAuswirkungen des Krieges – auf öster-reichischer Seite erwarb sich dabei u. a.der junge Josef Graf Radetzky von Ra-detz erste Meriten –, sondern auch we-gen der unverschämten Reparationsfor-derungen Napoleons über Jahre furcht-bar zu leiden.

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Die Ausgangslagen im Vergleich: Militärische Trümpfe der Franzosen

Die Überlegenheit der napoleonischen Ar-mee in den Koalitionskriegen hatte mehrereGründe. Bonapartes Generäle besaßen erstklas-sige Kenntnisse in der Geographie und im Kar-tenlesen, sodass sie jeden strategisch wichtigenPunkt mit größter Schnelligkeit erreichen, mili-tärisch ungünstigen Situationen jedoch ge-schickt aus dem Weg gehen konnten. Ein weite-rer Grund für die enorme Schlagkraft der Fran-zosen lag in deren unter Carnot völlig umge-krempeltem Wehrsystem: nicht mehr Söldnerund Abenteurer standen der Koalition gegen-über, sondern ein hoch motiviertes Volksheer,das in nationaler Begeisterung für NapoleonsZielvorgaben zu äußergewöhnlichen Leistun-gen bereit war. Eine besondere, die Motivationwirksam anheizende Rolle spielte in der franzö-sischen Armee ferner die „Marseillaise“, seit1879 Frankreichs Nationalhymne, die beim Zugins Feld gemeinsam angestimmt wurde und alsschallender Schlachtruf den Gegner erzitternließ.

Ungleich schlechtere Auspizien hatte dieLage auf österreichischer Seite. Obwohl dieAufstellung der Landwehr – um den Kampf ge-gen Napoleon zu einem „Volkskrieg“ zu ma-chen, sollten alle waffenfähigen Untertanen re-krutiert werden – eine gewaltige Leistung Erz-herzog Karls war, litt die Ausbildung am Fehlengeeigneter Offiziere und Instruktoren. Zudemkonnte die Moral der Österreicher mit je-

ner der Franzosen nicht annähend Schritt hal-ten. Die Uniformierungsvorschrift vom 20. 8.1808 z. B. verlangte keinerlei einheitliche Mon-tur und sah zur äußeren Kennzeichnung derLandwehrmänner lediglich ein Messingschildmit der Kreis- bzw. Bataillonsangabe vor, wel-ches am Hut (!) zu tragen war. Wie mäßig dieKriegsbegeisterung der Österreicher gewesenist, ersieht man auch daran, dass sich wehrun-willige Burschen dem Einberufungsbefehl nichtselten durch Flucht bis nach Bayern entzogenund dann von der Dienerschaft ihrer Grundher-ren buchstäblich, mitunter sogar unter Einsatzvon Bluthunden, gejagt wurden, was man „Bua-mafanga“ nannte.

Um den Einmarsch der „Grande Armee“ inLinz anno 1809 rankt sich übrigens ein notie-renswertes episodisches Detail: Am Tag derSchlacht vom 3. 5., in der es um die Traun-brücke sowie um das Schloss und den OrtEbelsberg gegangen war, wurden die österrei-chischen Verteidiger durch das ungeschlosseneund nur relativ langsame Vordringen der Trup-pen Marschall Massenas vor der allerschlimm-sten Katastrophe bewahrt. Zu danken war diesder glücklichen Regie des Zufalls oder, wennman will, dem unverhofften Beistand des Dio-nysos; die Franzosen, die von Wilhering ausanmarschiert kamen, hatten nämlich dem dorti-gen Stiftswein in der Nacht davor mehr als aus-giebig zugesprochen.

Der Prototyp

Auf die Erfahrungen aus den Franzo-senkriegen* hatte zunächst die „General-geniedirektion“ in Wien mit dem Planzur Ausarbeitung eines sogenannten„Reichsbefestigungssystems“ reagiert.Die Entwürfe erwiesen sich allerdings alsviel zu aufwändig und landeten in derSchublade.

Das Projekt, das daraufhin Erzher-zog Maximilian Joseph von Österreich-Este auf Basis der Ideen des Franzosen

Marc-Rene de Montalembert erarbei-tete, wich davon prinzipiell ab. Es um-fasste ein Verteidigungssystem aus frei-

* Aller Unbill zum Trotz zeitigte die Präsenz fran-zösischen Militärs in der oö. Kapitale auch einGutes: Unter dem ständigen LandesgouverneurPuthod, der auf Hygiene und Reinlichkeit höch-sten Wert legte, wurde im Frühsommer 1809 dieKanalisierung der Landeshauptstadt in Angriffgenommen. Bis September desselben Jahreswar das Entsorgungsnetz, das mit den altenSenkgruben aufräumte und von dem Linz nochlange profitieren sollte, zu großen Teilen fertiggestellt.

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stehenden, vorgeschobenen Geschütz-türmen, deren Abstand so gewähltwurde, dass sie sich mit ihrem Artillerie-feuer gegenseitig Deckung geben konn-ten. Für den Fall, dass dem Feind einDurchbruch gelingen sollte, war er auchinnerhalb der Befestigungslinie direkt zubeschießen und damit weiterhin wirk-sam zu bekämpfen. Bei jedem Turm wa-ren sämtliche Verdecksgeschütze auf ei-nen einzelnen Punkt ausrichtbar, waskonzentrische Feuerkraft garantierte;eine andere, besondere Idee Maxi-milians bestand in der Umsäumung derTürme mit einer ringförmigen Erdauf-schüttung („Glacis“), die keinen totenWinkel entstehen ließ und die Bautenselbst zum größten Teil vor Beschussschützte.

Die wichtigsten Einfallstore derMonarchie wie u. a. Prag, Troppau, Mys-lenice, Lemberg, Rozwadow, Pola, Mai-land, Bregenz und Linz sollten auf dieseWeise bewehrt werden, doch eine kon-krete Umsetzung erfuhr das Projektschließlich nur in der oö. Landeshaupt-stadt. Zur Zeit seiner Errichtung erregtedas neuartige Befestigungssystem beiden Militärs europäischer Staaten gro-ßes Aufsehen – beim preußischen Gene-ralstab ebenso wie z. B. in Frankreich.

Von Kaiser Franz I. hatte Maximiliandie Genehmigung erhalten, zunächst aufeigene Kosten einen „Probeturm“ zubauen, an dem man die Tauglichkeit derAnlage in natura testen wollte. (Die Vor-finanzierung aus eigener Tasche wardem Erzherzog deshalb möglich, weilihn sein Onkel und Taufpate MaximilianFranz, Erzbischof und Kurfürst vonKöln, zum Universalerben bestimmthatte, wodurch er über Nacht zu einemder reichsten Männer der Familiewurde.)

„Probeturm“ im Feuerhagel

Zum Standort des „Probeturms“wählte man den Freinberg – östlichdes Jägermayr. Am 26. 10. 1828 warder Bau zur Gänze fertig, die Bestückungmit Kanonen geschah im Sommer 1829,und im Herbst selbigen Jahres (17.–19. 9.) wurde der Turm in Anwesenheitdes Kaisers, der Kaiserin sowie der Erz-herzöge Ludwig, Johann und Antondem vorgesehenen artilleristischen Be-schusstest und zugleich Sprengversu-chen ausgesetzt. Zuerst wurde vom„Probeturm“ aus eine beim Jägermayr er-richtete Demontierbatterie unter Feuergenommen (247 Schüsse aus 10 acht-zehnpfündigen Kanonen), tags daraufbeharkte diese Batterie das Probebau-werk zwei Stunden lang mit 4 acht-zehnpfündigen Feldkanonen, 4 zehnp-fündigen Haubitzen, 3 sechspfündigenund 4 zwölfpfündigen Raketenge-schützen (insgesamt 504 Granaten). Einzweieinhalbstündiger Geschosshagelaus 2 dreißigpfündigen und 2 sechzigp-fündigen Mörsern sowie 2 vierundzwan-zigpfündigen und 4 dreißigpfündigenRaketengeschützen (insgesamt 232 Gra-naten) beendete am dritten Tag die „Feu-ertaufe“.

Das Resultat des Testes war rundumzufriedenstellend; vom technischen Er-findergeist Maximilians zeugt u. a., dasser die Zielgenauigkeit sowie die Feuerge-schwindigkeit der Geschütze mithilfeselbstkreierter Methoden klar verbes-serte und obendrein den Schusswinkelzu erweitern wusste. (Den Linzer Magi-stratsherren hatte der Erzherzog übri-gens die Errichtung einer Hängebrückeüber die Donau – statt des alten Holz-tragwerks – auf eigene Kosten angebo-ten; die Stadtväter schlugen das Of-

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J. M. Monsorno: Ansicht des „Probeturms“ auf dem Freinberg gleich nach der Fertigstellung.Foto: Oö. Landesmuseen

fert aber aus, da ihnen das Projekt nichtsicher genug erschien.)

Für die Nachwelt dokumentiert

Auch die Momente der Beschießungim September 1829 hat MaximiliansKammermaler Johann Maria Monsornoin einem seiner Aquarelle festgehalten.Der Historien- und Porträtmaler, am21. 11. 1768 in Varena di Fiemme beiAmpezzo als Spross einer italienischenBauernfamilie geboren, studierte ab1790 an der Wiener Akademie undwurde dort von Hubert Maurer, Profes-sor der Historischen Zeichenschule, un-terrichtet. Etwa 1800 wandte er sich der

Porträt- und Miniaturmalerei zu, ausdem Jahre 1803 datieren einige Bildnisseder Familie des Fürsten Schwarzenberg.Um 1813 weisen zahlreiche Anträge undBerichte Monsorno (der Vorname warinzwischen eingedeutscht worden) alsden besten Porträtkünstler seiner Zeitaus. 1820–1822 begleitete er den HerzogFerdinand von Toscana auf einer ausge-dehnten Reise nach Norditalien, in dieösterreichischen Alpenländer sowienach Wien und Südmähren. 1825 lernteihn Maximilian von Österreich-Estekennen, die Bestellung zum Kammerma-ler erfolgte drei Jahre später. Im AuftragMaximilians dokumentierte Monsornonicht nur die Beschießung des „Probe-turms“ am Freinberg; bei seinen späteren

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Aufenthalten (1829–1833) entstandenebenso Aquarelle von der Errichtung ei-nes der Türme am Pöstlinberg, von einerFestlichkeit am Verdeck des Zwölfer-turms in Leonding sowie Szenen ausdem biedermeierlichen Linz. Über dieDokumentation einzelner Bauphasenhinaus lassen die Bilder deutlich erken-nen, auf welch lebhaftes Interesse diesesBefestigungsprojekt bei der hiesigen Be-völkerung und speziell beim Militär ge-stoßen war. Ab 1833 verfertigte Mon-sorno noch einige weitere Aquarelle mitMotiven aus Linz, Enns und Steyregg,ehe er am 10. 11. 1836 in Wien verstarb.Den Tod seines Kammermalers betrau-erte Maximilian tief: „Er war ein sehr guterMensch, sehr anhänglich, gut denkend, und inseiner Kunst geschickt.“ (1958 konnten dieoö. Landesmuseen aus dem Antiqua-riatshandel vier Aquarelle Monsornosmit Darstellungen von Objekten desFestungsgürtels erwerben – siehe Einlei-tung.)

Entstehung der Gesamtanlage

Nach dem positiven Beschießungs-test begann man 1830 mit den Vorberei-tungen zum Bau der eigentlichen An-lage, des gesamten „Befestigten Lagers“. In-nerhalb von sechs Jahren waren danndas Fort auf dem Pöstlingberg, 32 Türmesowie die beiden Anschlusstürme an derDonau nahezu vollendet. (1832, genauam 21. 7., überzeugte sich der Kaiservom Fortschritt der Arbeiten persönlich;zur Feier des Tages, an dem auch diePferdeeisenbahn Linz–Budweis eröffnetwurde, gab es anschließend die obge-nannte Festveranstaltung im Zwölfer-turm.)

Wie aus dem Lageplan ersichtlich,wurden die Befestigungstürme einzelnstehend und ringförmig um die ganzeStadt gruppiert. Bei der „Neuen Welt“bzw. an der Wiener Straße mit Turm 1beginnend, zog sich der Bogen zunächstnach Westen und weiter auf den Höhen-rücken des Freinbergs gegen Nordwes-ten. Jenseits der Donau spannte er sichin östlicher Richtung über die Hängedes Pöstlingbergs, um bei Heilham wie-der auf das rechte Donauufer zu wech-seln und, innerhalb des Augebiets ver-laufend, mit Turm 32 den Kreis im Sü-den zu schließen. Alle Objekte erhiel-ten Frauennamen, zur numerischen Be-zeichnung verwendete man römischeZiffern.

Die Befestigungslinie bestand aus:

– dem Fort am Pöstlingberg– 27 Normaltürmen (Nrn. 1 bis 16, 18

bis 25, 30 1⁄2, 31 und 32). Eine Nummer17 gab es – offiziell – nicht, dafürwurde ein Turm mit „30 1⁄2“ gezählt.

– 5 Segmenttürmen (Nrn. 26–30)– 2 Vorwerken („Viktoria“, zwischen den

Nrn. 11 und 12, „Constantia“, gegendas Diesenleitental zu)

– den beiden Anschlusstürmen an derDonau

– 2 kasemattierten Batterien („Thekla“,zwischen den Nrn. 15 und 16, „Klara“,zwischen den Nrn. 16 und 18)

Die Abstände zwischen den Türmenbewegten sich in „Kartätschenschuss-weite“ (450 bis 900 Schritte). Im Ernstfallsollten die Objekte mit einer Linie vonSchanzpfählen als militärischem Hinder-nis verbunden werden, außerdem warzwischen den Klausen „Adelgunde“ und„Kunigunde“ die Sperre der Donaumittels einer Kette geplant. Der an zwan-

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Die Lage der einstigen Maximilians-Türme. Skizze nach H. Schoenauer, Die Maximilians-Thürme in Linz,Passau 1850. Zeichnung: Dr. A. Marks

zig Stellen vorgesehene Bau von Zwi-schenbatterien gelangte nicht zur Aus-führung. An Besatzung waren für dieGesamtanlage 40.000 Mann berechnet.

Das Fort auf dem Pöstlingberg

Als ragendes Zentrum der Verteidi-gungsanlage fungierte das Fort auf demPöstlingberg. Von der beherrschendenHöhe herab bietet sich, wie auf der Aus-sichtsplattform unverändert nachvoll-ziehbar, ein vollständiger Rundblick aufden Linzer Raum. Im Einzelnen bestanddas Fort aus zwei – den Normaltürmen

entsprechenden – großen Türmen (II,„Beatrix“, hier wurden später die Grot-tenbahn und die Märchenwelt eingerich-tet, IV, „Maria“, heute Bergstation derPöstlingbergbahn), sowie aus vier klei-nen (I, „Othilie“, heute Musikheimquar-tier, III, „Julia“, dieses als Offiziersturmbezeichnete Objekt galt schon 1843 sei-ner hohen Feuchtigkeit wegen als unbe-wohnbar und wurde 1856 völlig umge-baut bzw. modernisiert, V, „Euphemia“,heute Aussichtsplateau, VI, „Noth-burga“, dieser Turm war nur für Hau-bitzen- und Infanteriefeuer eingerichtetund besaß keine Plattform). Verbundenwaren die Türme des Forts durch Mau-

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J. M. Monsorno: Blick auf die Fundamentgrube des Mittelturms (heutigen Grottenbahnturms) am Pöstling-berg um 1832. Foto: Oö. Landesmuseen

Die Linzer Pöstlingbergkirche 1830 – vor Errichtung des Forts. Auch dieses Aquarell wurde von Maxi-milians Kammermaler im Auftrag des Erzherzogs geschaffen. Foto: Museum der Stadt Linz

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ern („Kurtinen“), zwischen den TürmenIV und V verlief ein kasemattierter Wall.In den Kasematten, bombensicherenRäumen aus Mauerwerk zur Unterbrin-gung der Mannschaften oder zur Einla-gerung von Material, befand sich auchdie sogenannte „Blutkammer“, wo allen-falls eingedrungene Feinde ein letztesMal aufgehalten – und im Nahkampfunschädlich gemacht werden sollten.Durch eine in der Festungsmauer ausge-brochene Türöffnung konnten die Pa-trouillen von dort auf einer Leiter in denGraben gelangen; die mit Eisentorenverschlossene Pforte im Bereich des „Ro-sengartens“ ist, links von der Bahnend-station, noch heute sichtbar. Der „Rosen-garten“ ist auf altem Festungsboden an-gelegt, in dem Wall und Graben planiertwurden. (Vor dem Festungsbau er-streckte sich hier der PöstlingbergerFriedhof.) Ein für den Kürnberg geplan-tes, zweites und ähnliches Fort wurdenicht verwirklicht.

Die Normaltürme

Mit einer Normhöhe von 13 Meternsetzten sie sich aus drei Stockwerkenund dem Geschützverdeck zusammen.Jedes Stockwerk hatte im Grundriss dreikonzentrische Mauerringe aus Bruch-stein, die Gewölbe wurden aus Ziegel-steinen erbaut. Die Türme waren von ei-nem Graben umgeben, davor lag dasschon erwähnte „Glacis“, ein z.T. mitBruchsteinmauern verstärkter Erdwall.Die Distanz zwischen Glacisrand undTurmverdeck belief sich auf 13 Meter,die beiden unteren Geschosse (Magazin-und Wohnstock) waren in die Erde ver-senkt und lagen daher unter dem ur-

sprünglichen Geländeniveau. Im unters-ten Sektor, dem Magazinstock, warenMunitions- und Lebensmittelvorräte fürvier Monate deponiert, der innersteMauerring barg jeweils eine Zisterne.Der Wohnstock bot 60 Soldaten Unter-kunft, im Geschoss darüber, dem Schar-tenstock, befanden sich 7 siebenpfün-dige Haubitzen, die zum Einsatz kom-men sollten, sobald das Verdeck vomFeind getroffen wurde. Der Eingang inden Schartenstock war über eine Zug-brücke von der Rückseite des Turmesauf ursprünglichem Geländeniveau er-reichbar. Das „Glacis“ wurde auf seinerder Stadt abgewandten Seite ein Stock-werk hoch aufgeschüttet, sodass nur deroberste Teil des Turmes mit dem Ver-deck darüber hinausragte. Von diesemoffenen Verdeck aus sollten potenzielleAngreifer mit 11 achtzehnpfündigen Ka-nonen bekämpft werden, die dank ihrer– damals – neuartigen Lafetten nach al-len Richtungen feuern konnten. In Frie-denszeiten war für das Verdeck ein ab-nehmbares Holzdach vorgesehen, dieTürme selbst waren untereinander miteiner Straße verbunden und hatten aus-nahmslos Sichtkontakt. Die Besatzungder Normaltürme belief sich auf 112Mann, kommandiert wurden sie von ei-nem Offizier oder Feuerwerker.

Segmenttürme

Die Türme an der Donau waren klei-ner und hatten einen segmentförmigenGrundriss. Sie besaßen lediglich denMagazinstock und einen kombiniertenWohn- und Schartenstock. Diese aus-führungstechnische Abweichung vonden Normaltürmen war aus statischenGründen notwendig; der weiche Boden

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der Donauauen hätte schwerere Bau-werke nicht zu tragen vermocht.

Die Donauanschlüsse

Links und rechts der Donau lagendie sogenannten Anschlüsse. An dieKlause direkt am Ufer schloss sich eineMauer, die den Abhang hinaufführteund in einer Warte endete. An den Klau-sen eingemauerte Eisenringe dientenzum Einhängen einer Kette, mit der imFall des Falles die Donau abgesperrt wer-den sollte.

Noch erhaltene Befestigungsteile

Außer den hauptsächlich für kultu-relle Zwecke umfunktionierten Türmenam Pöstlingberg sind bis heute erhaltenund größtenteils nach wie vor verschie-denartig genützt:

– „Probeturm“/Freinberg (zum Colle-gium Aloisianum gehörend)

– Turm 9, „Appolonia“ (StadtmuseumLeonding)

– Turm 10, „Gertrude“ (Wohnungen)– Turm 12, „Agnes“ (Künstlerklause)– Turm 13, „Genoveva“ (Kulturdenkmal

im Eigentum der StadtgemeindeLeonding)

– Klause „Adelgunde“ (Burschen-schaftsturm)

– Turm 18, „Katharina“ (nunmehrWohnhaus, im Zweiten Weltkrieg alsFlak-Stützpunkt schwer bombenbe-schädigt)

– Turm 19, „Dorothea“ (Wohnhaus)– Turm 20, „Cäcilia“ (Ruine)– Turm 24, „Ehrentrude“ (Weinturm)– Turm 25, „Winfriede“

Von der Entwicklung überrollt –Einer neuen Zukunft entgegen

1858, kaum zwanzig Jahre nach ih-rer Übergabe an die österreichischeArmee, wurde die mit so großem Inter-esse verfolgte und mit gewaltigen Ko-sten errichtete Befestigungsanlage auf-gelassen. Der rasante Fortschritt aufdem Gebiet der Waffenentwicklunghatte das „Turmkonzept“ innerhalb die-ser knappen Zeitspanne vollständigüberrollt und den militärstrategisch-wehrtechnischen Wert der Objekte defacto auf Null reduziert; der hohe mate-rielle Aufwand für ihre Erhaltung zumangestammten Zweck war einfach nichtmehr länger zu verantworten! Ein aller-letztes Mal in Verteidigungsbereitschaftversetzt wurden 1866 die Türme am lin-ken Donau-Ufer, doch schon vier Jahredarauf schrieb man auch sie zum Ver-kauf aus. 1878, während der österreichi-schen Besetzung Bosniens und der Her-zegowina, wurde die türkische Besat-zung der Festung Bihac in einigen Tür-men interniert. Nach Aufhebung des fürden Turmlinienbereich verhängten Bau-verbots startete die Stadt Linz 1883 ei-nen Ideenwettbewerb zur Erstellung ei-nes „Generalregulierungsplans“, womitein neues Kapitel in der Geschichte die-ser architektonisch reizvollen, das Land-schaftsbild fortan als behäbige Wächterzierenden Rundbauten aufgeschlagenwurde. Die Facetten ihrer offiziellen oderprivaten Nutzung waren und sind seit-dem mannigfaltig, und geradezu phanta-stisch mag mit Blick auf die Grotten-bahn am Pöstlingberg der Gedanke an-muten, dass hier just eine ehemalige mi-litärische Bastion zum vielbesuchtenFremdenverkehrsziel und Kinderpara-dies geworden ist.

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Maximilian – der „geistige Vater“

Maximilian Joseph von Österreich-Este,geistiger Vater und Namensgeber der LinzerBefestigungsanlage, erblickte am 14. 7. 1782 alsdritter Sohn Erzherzog Ferdinands (einesSprösslings von Maria Theresia und Franz vonLothringen) und der Maria Beatrix Este in Mo-dena das Licht der Welt. Als Enkel Maria There-sias und Neffe von Kaiser Josef II. verbrachte erseine Jugend in Monza, wo ihn der ExjesuitDraghetti erzog und die Familie 1796 nach demEinmarsch Napoleons in Mailand vor den fran-zösischen Truppen fliehen musste. Sie ließ sichschließlich in Wiener Neustadt nieder; ab 1801studierte Maximilian an der TheresianischenMilitärakademie, trat – nunmehr schon Oberst– in den Deutschen Orden ein und wurde am1. 3. 1804 in der Wiener Deutschordenskirchezum Ordensritter geschlagen. 1805 machte erden Feldzug im Hauptquartier Erzherzog Karlsmit und avancierte zum Generalmajor. Durchdie Heirat seiner Schwester Maria Ludowika

mit Franz I. Schwager des Kaisers geworden,kämpfte er 1809 in Deutschland gegen die Fran-zosen. Nach der erwähnten Niederlage bei Re-gensburg (23. 4. 1809) deckte Maximilian denRückzug der österreichischen Armee über dieDonau. Dann sollte er der Armee vorauseilenund Linz durch Feldverschanzungen verteidi-gungsbereit machen, was aber, wie geschildert,in der kurzen Zeit und mangels baulichenSchutzes ein Ding der Unmöglichkeit war.

Die Erfahrungen aus diesem Krieg liefertendem Erzherzog – Fachmann für Artillerie sowieFestungsbau und nach einem Einsatz in Sieben-bürgen bereits Artilleriebrigadier – entschei-dende Impulse zur Planung und Ausführungder Befestigungsanlage am Linzer Standort. Inder Folge wurde ihm das Großprojekt zu einerLebensaufgabe, das Land ob der Enns zur zwei-ten Heimat. 1830 erwarb er die Herrschaft unddas Schloss Ebenzweier in Altmünster, das ererweitern ließ. Um die Arbeiten an der „Turm-

Maximilian als Hoch- und Deutschmeister. Ölbildvon Franz Stecher (1814–1853).

Das Grabmal von Erzherzog Maximilian d’Este amOrtsfriedhof von Altmünster. Foto: J. Simbrunner

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linie“ optimal überwachen zu können, zogMaximilian 1831 nach Linz, wohnte hier bis1839 und erwarb in den nächsten Jahren auchdie Herrschaft Puchheim, die er dann den Re-demptoristen zur Verfügung stellte. Der Erzher-zog, der am 1. 6. 1863 in Schloss Ebenzweierden letzten Atemzug tat, liegt am Ortsfriedhofvon Altmünster begraben. Die Nichte, Gräfinvon Chambord, hatte seinen testamentarischenWillen zu vollstrecken. Sehr gläubig und äu-ßerst sozial eingestellt, hat Maximilian vielekirchliche Einrichtungen nachhaltig gefördert,sei es in der Kranken- und Altenpflege, im Un-terrichtswesen oder im seelsorglichen Dienst.

Nachdem der „Probeturm“ am Freinbergaufgrund seiner extremen Stadtnähe nicht mehrfür den ihm ursprünglich zugedachten Zweckin Frage gekommen war, ließ der Erzherzog die-ses Objekt aufstocken, daneben das kleineKirchlein zum hl. Maximilian erbauen, undschenkte beides den Jesuiten, die er – nach Auf-hebung des Ordens im Zuge der Säkularisie-rung – 1833 wieder in die oö. Landeshauptstadtgerufen hatte. Am 22. 11. 1833 schreibt Maximi-lian seinem Bruder Ferdinand: „Da andere Ge-

bäude für eine Klostergemeinde hier nicht zu finden wa-ren, so kam mir der etwas bizarre Gedanke, welcheraber nicht unausführbar ist, in den Sinn, dieselben (dieJesuiten, Anm. d. Red.) in dem von mir zuerst ge-bauten Thurme einzuquartieren und zu diesem Behufezwei Stockwerke aufzusetzen.“ Das Vorhaben wurdevom Jesuitengeneral zunächst für unrealisierbargehalten, nach Ausführung einiger Zu- und An-bauten konnte Maximilian dem Orden am 9. 8.1837 jedoch die neue Residenz übergeben. DieAnlage am Freinberg ist noch heute Teil der je-suitischen Mittelschule, des 1912 gegründetenCollegium Aloisianum. 1851 bis 1853 ließ derErzherzog überdies – im Stil des anschließen-den Turmes – ein kleines Seminargebäude er-richten, dem 1860 noch Anbauten auf beidenSeiten hinzugefügt wurden. Mit dieser großmü-tigen Unterstützungstätigkeit setzte Maximilianauch ein Zeichen persönlichen Dankes den Je-suiten gegenüber, zu denen er, angefangen vonseinem Erzieher Draghetti bis hin zu seinemNaturkundelehrer Johann Christoph Stelzham-mer aus Unterweißenbach/OÖ. – später Rektorder Wiener Universität –, ein Leben lang ausge-prägten Bezug hatte.

Literatur

Hillbrand Erich: Die Türme von Linz. Erzherzog Maximilians Festungssystem für Linz. In: HistorischesJahrbuch der Stadt Linz 1984.

Kreczi Hanns: Linz, Stadt an der Donau.

Marks Alfred: Bilddokumente zur Geschichte der Maximilianischen Befestigung von Linz.

Mayrhofer-Katzinger: Geschichte der Stadt Linz.

Wopelka Hans: Oberösterreich in der Franzosenzeit.

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Sakrale Kleindenkmäler im Bewusstsein derÖffentlichkeit. Eine aktuelle Studie

Von Thomas Schwierz und Brigitte Heilingbrunner

Einleitung

Kapellen und Bildstöcke sind seit Jahrhunderten Fixpunkte in der heimi-schen Kulturlandschaft und integraler Bestandteil unserer überlieferten Volkskultur,die sich nach jüngsten Parolen „im Aufwind“ befinden soll, andererseits warnendenStimmen zufolge von „Zerfallserscheinungen“ bedroht ist. Außer Debatte steht, dassunsere sakralen Kleindenkmäler vielerorts latent an Strahlkraft verlieren und vonbreiten Bevölkerungsschichten heute kaum noch angemessen wahrgenommen wer-den. Deshalb hat es sich der Arbeitskreis für Klein- und Flurdenkmalforschung beimOö. Forum Volkskultur zur Aufgabe gemacht, Sinn, Zweck und oftmals verschüt-tete Bedeutung der baulichen Kleinodien am Straßen- oder Wegesrand neu vorAugen zu führen.

Als Teil dieses Bemühens versteht sich die nachfolgend vorgelegte Studie, inder wir den aktuellen Stellenwert von Kapellen, Bildstöcken etc. im öffentlichenBewusstsein ermittelten. Es wurde analysiert, worauf Zustimmung, Indifferenz oderAblehnung beruhen, ob Unterschiede in der Wohngegend (Stadt/Land) mitspielen,inwieweit der Bildungsgrad Einfluss hat, und vieles andere mehr. Neben der Sondie-rung des allgemeinen Wissensstandes bzw. der allgemeinen Interessenslage war esunser Hauptanliegen, durch gezielte Information zur verstärkten Wiederbeachtungjenes althergebrachten kulturellen Erbgutes und damit zu dessen Überleben auch inZukunft beizutragen.

Methodik

Die jeweilige individuelle Haltung wurde mit einem eigens hiefür entworfe-nen, anonymen Fragebogen erkundet. Um einen repräsentativen Querschnitt zugewährleisten, legten wir die Bögen bei diversen Veranstaltungen in verschiedenenLandesteilen Oberösterreichs sowie im Wartebereich von Spitalsambulanzen aufund befragten Jugendliche höherer Schulstufen bzw. Fachschulen. Die Fragen imersten Teil betrafen das Interesse an der Regionalgeschichte und die persönliche Ein-stellung zur Religion und zu sakralen Kleindenkmälern. Im zweiten Teil erhoben wirdemographische Daten zur Subgruppenanalyse unterschiedlicher Bevölkerungs-schichten.

Die Antworten wurden nach wissenschaftlichen Kriterien („logistische multi-variate Regressionsanalyse“) statistisch ausgewertet.

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Ergebnisse

Zwischen September 2006 und April 2007 gelangten 390 vollständig ausge-füllte Bögen zur Analyse. Die Ergebnisse im Einzelnen:

Frage 1: Interessieren Sie sich für die Geschichte Ihrer näheren Umgebung?

Das Interesse an der Regionalgeschichte hängt im Allgemeinen vom Alter,der Religiosität und vom spezifischen Bildungsgrad ab.

Ältere und religiösere Menschen sowie Maturanten und in LehrberufenTätige lagen hier deutlich vorn. Leute mit alleinigem Hauptschulabschluss, aberauch Akademiker, gaben ein schwächeres Interesse an.

Frage 2: Sind Sie religiös?

Die Religiosität wird vom Alter, dem Geschlecht, dem spezifischen Bil-dungsgrad, der Herkunft und vom Interesse an Geschichte entscheidend mitbe-stimmt.

Ältere Menschen, Frauen und Angehörige mittlerer Bildungsstufen sind imSchnitt religiöser. Ebenso sind auf dem Land oder in Kleinstädten Aufgewachsenehäufig religiöser als Großstädter. Analog zu Frage 1 bezeichneten sich Personen mitniedrigerer Schulbildung und Akademiker als für Glaubensdinge weniger aufge-schlossen. Eine Korrelation zwischen der Religiosität und der Beziehung zur Regio-nalgeschichte ist insgesamt evident.

Frage 3: Nehmen Sie Kapellen/Bildstöcke am Wegrand wahr?

Besonders der Konnex zwischen Alter und spezifischer Bildung kam wiederklar zur Geltung. Religiosität und Bezug zur Geschichte stellen gute Voraussetzun-gen für die Wahrnehmung sakraler Kleindenkmäler dar. Bildstock- und Kapellenbe-sitzer schenken ihnen, naturgemäß, von vornherein vermehrte Aufmerksamkeit.

Frage 4: Was sagen Ihnen Kapellen/Bildstöcke?

Historisch Orientierte, in Lehrberufen Tätige, Maturanten und Akademikersehen darin vorrangig bzw. zunächst Objekte der Kulturgeschichte. Bei vorhande-ner Religiosität geben Kapellen und Bildstöcke für gewöhnlich auch Anstoß zuBesinnung und entsprechenden Gedanken. Auffallend oft – siehe Frage 2 – bejahtenauch Personen mit niedrigerem Schulabschluss jene anregende Wirkung.

Frage 5: Würde Sie interessieren, warum Kapellen/Bildstöcke errichtet wurden und aus welcherZeit sie stammen?

Abermals bestätigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen Alter, spe-zifischem Bildungsgrad, geschichtlichem Interesse und Religiosität.

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Geschichtliche Ausgerichtetheit und Religiosität wecken simultan Interesseam historischen Hintergrund von sakralen Kleindenkmälern. Erneut waren es pri-mär Angehörige mittlerer Bildungsstufen und ältere Personen, die ein solchesbekundeten. Akademiker reagierten bei dieser Frage ebenfalls in gewissem Maßepositiv.

Frage 6: Sollen Kapellen/Bildstöcke erhalten/restauriert werden?

Geschichtsbewusste und religiöse Menschen sowie Vertreter höherer Bil-dungsstufen plädierten eher für Erhaltung und/oder Restaurierung. Akademikerzeigten sich hier im Durchschnitt wiederum vergleichsweise indifferent.

Diskussion

Sakrale Kleindenkmäler haben eine wechselhafte Geschichte. Bildstöcke, imUrsprung auf die aus Frankreich stammenden Totenleuchten der Gotik zurückge-hend, hielten in Gestalt von Lichtsäulen bald auch auf heimischen Friedhöfen Ein-zug1 und sind dort ab dem ausklingenden 14. Jahrhundert nachweisbar.2 Nach demprotestantischen „Bildersturm“3 brachte das Patent von Kaiser Ferdinand III. ausdem Jahr 1650, in dem der Herrscher dazu aufrief, die demolierten „Stainern oderandere Creutz vnd BettMarterSäulen“ wieder zu errichten,4 einen neuen Aufschwung.Eine zwischenzeitliche Hochblüte erfuhr die Wertschätzung des sakralen Kleindenk-mals dann im 19. Jahrhundert.5

Mittlerweile werden Marterl, Wegkreuze etc. nur noch vereinzelt frisch auf-gestellt, entweder zum Gedenken an tragisch bis glimpflich ausgegangene Ereig-nisse oder einfach aus „frommer Meinung“.6 Als ein typisches Motiv unserer Tagegesellen sich diffuse Glaubensvorstellungen und romantische Allüren hinzu.

Vor einem halben Jahrhundert schrieb Franz Hula in der Einleitung seinesBuches „Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs“: „Draußen auf dem Lande, wodie Überlieferungen im Volke tiefer wurzeln als beim Stadtmenschen, ist das Verständnis für denBildstock lebendiger geblieben. Dort ist er für viele noch immer Kultmal, mit dem religiösen Empfin-den des Volkes aufs innigste verbunden. Dem Städter ist er bestenfalls ein willkommener Vorder-grund für sein Lichtbild, ansonsten geht er achtlos an ihm vorbei.“7

1 Hula F., Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs. Wien 1948. S. 28, 30, 32, 33.2 Hula F., Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs. Wien 1948. S. 32, 33.3 Schiller L., Zur Geschichte der Pfarre Gramastetten. In: Beiträge zur Landes- und Volkskunde des

Mühlviertels. Band 13. Rohrbach 1929. S. 170.4 Schwierz T., Sakrale Kleindenkmäler und Gedenkstätten in Gramastetten. Gramastetten 2003. S. 10,

11.5 Schwierz T., Sakrale Kleindenkmäler und Gedenkstätten in Gramastetten. Gramastetten 2003. S. 10.6 Schwierz T., Sakrale Kleindenkmäler und Gedenkstätten in Gramastetten. Gramastetten 2003. S. 10,

11, 266–269.7 Hula F., Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs. Wien 1948. S. 9.

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Patent von Kaiser Ferdinand III., erlassen am 16. September 1650 (Österreichisches Staatsarchiv, Wien:HHStA, kaiserliche Patente K13).

Mit der ländlichen Herkunft schien das „Verständnis“ automatisch garantiertzu sein. Heute ist eine differenziertere Betrachtung erforderlich. Wie unsere Studieergab, hängt die individuelle Beziehung zu sakralen Kleindenkmälern eben nichtallein damit zusammen, ob jemand vom Land stammt oder Städter ist. In ersterLinie kommt hier die Religiosität zum Tragen (die bei Landbewohnern nur stärkerins Gewicht fällt).

Neben der Herkunft wird die Religiosität vom Alter, dem Geschlecht undvom spezifischen Bildungsgrad mitbestimmt. In einer demographischen Studiegelangte der Wiener Pastoraltheologe Univ.-Prof. DDr. Paul Michael Zulehner zuganz ähnlichen Resultaten. Auch er stellte fest, dass die Religiosität auf dem Land,bei Frauen und allgemein bei älteren Zeitgenossen größer ist.8 Lediglich den Bil-dungsstand betreffend divergieren die Ergebnisse. Während Zulehners 1981 veröf-fentlichte Studie Personen mit niedrigerem Schulabschluss als besonders religiös

8 Zulehner P. M., Religion im Leben der Österreicher. Dokumentation einer Umfrage. Wien 1981. S. 44,45, 116, 117.

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auswies, fanden wir ein relatives Maximum bei Maturanten und Vertretern vonLehrberufen, d. h. im Bereich der mittleren Bildungsstufen.

Hand in Hand mit der Religiosität gehen das Interesse an der Geschichte desnäheren Wohnumkreises und die Aufgeschlossenheit für (dessen) sakrale Klein-denkmale; es drückt sich darin, unverändert, die Suche nach einem spirituellen undkulturellen Standort aus, der geistig wie ethnologisch mit „Heimat“ umschriebenwerden kann.

Wenn fortgeschrittenes Alter zu den Faktoren zählt, die eine positive Einstel-lung zu Geschichte und Religion begünstigen, mag sich das vordergründig damiterklären, dass ältere Menschen „halt aus einer anderen Zeit stammen“. In Wahrheithinkt dieser Schluss, denn unbeschadet der rückläufigen Tendenz, welche die Veran-kerung im Glauben z. B. während der letzten Jahrzehnte weitum erkennen ließ,konnte – wie bereits angedeutet – auch Zulehner zeigen, dass die Hinwendung zurReligion im Laufe eines Lebens generell zunimmt.9 10 Analog scheint das fürsGeschichtsbewusstsein und für das Interesse an sakralen Kleindenkmälern zu gel-ten. Nicht nur von heutigen Hauptschulabsolventen, die „cool“ sein wollen undKreuzstöckl als „Stempen“ oder „Überbleibsel von Gestern“ abtun,11 darf man hoff-nungsvoll erwarten, dass sie im Laufe ihres Lebens darüber nachzudenken begin-nen, wo sie stehen und wozu sie überhaupt da sind. Die Frage nach dem „Wohin“impliziert, religiös wie kulturell, automatisch die nach dem „Woher“. So bleibt dieZuversicht, dass zumindest ein Teil der jetzt Jungen die kulturellen und spirituellenTraditionen irgendwann aufnimmt und deren Wert wiederentdeckt.

Tradiertes besteht fort, wenn sich sein Sinn im lebendigen Kontakt zum Hierund Jetzt stets aufs neue erfüllt und bestätigt. Sakrale Kleindenkmäler lediglich alsElement der Kultur bzw. als Landschaftsdekoration zu betrachten oder zu behan-deln, wird zu deren Überleben nicht reichen. Die Einstellung auch zu diesen Bauwer-ken muss letztlich von einem inneren Bedürfnis, einer Sehnsucht getragen werden,von dem Bewusstsein, dass sie die Gegenwart einer höheren Macht im Alltag repräsen-tieren.

Wenn im Vorjahr der „Aufwind“ der Volkskultur proklamiert wurde, sokommt dieser nicht von alleine – man muss dafür etwas tun!12 Der große oberöster-reichische Heimatforscher Dr. Adalbert Depiny schrieb schon 1929, der beste „Hei-matschutz“ sei letzten Endes nicht der Zwang des Gesetzes, sondern die Erziehungzur Verbundenheit mit der eigenen Kultur und den in ihr tradierten Werten.13 Einesolche Erziehung vermag jungen Menschen Wurzeln und Grundlagen mitzugeben,die spätestens in jenem Lebensabschnitt wesentlich werden, da das Individuumanfängt, über sich und den eigenen Standort nachzudenken.

9 Zulehner P. M., Religion im Leben der Österreicher. Dokumentation einer Umfrage. Wien 1981. S. 45.10 Zulehner P. M., Kehrt die Religion wieder? Ostfildern 2001. S. 24, 249, 284, 285.11 Beispiele aus den „sonstigen Antworten“ auf die Frage 4.12 Leitspruch des Oö. Forums Volkskultur beim Fest der Volkskultur, 15. bis 17. September 2006, in

Steinhaus bei Wels.13 Depiny A., Die Kleindenkmäler unserer Heimat. In: Heimatgaue 10. Jg., Heft 1. Linz 1929. S. 87.

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Das „Augenbründl“ im Bildgraben in Gramastetten. Foto: Thomas Schwierz

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Aus seiner, die Thematik nur im Überblick erfassenden, Studie zieht derArbeitskreis für Klein- und Flurdenkmalforschung folgendes Resümee: Der „Hebel“ist bei zwei Bevölkerungsgruppen anzusetzen, bei den Schulkindern und Erwachse-nen ab dem mittleren Alter. Vor allem bei Volksschülern kann z. B. durch Erzählender Geschichten, die sich um Kapellen und Bildstöcke ranken, mühelos Interessegeweckt werden, ebenso sind Ausflüge oder die Anregung zum Schmücken oderZeichnen der Kleindenkmäler mögliche Anknüpfungspunkte für – spätere – Refle-xion und Rückbesinnung. Die Erwachsenen selbst lassen sich oft gar nicht ungernetwa für Renovierungsarbeiten gewinnen, sie möchten nur dazu eingeladen undangesprochen werden. Last, not least, könnte die intensivierte Miteinbindung loka-ler Klein- und Flurdenkmäler (sei es auf dem Gebiet der Information, der Forschung,bei Marterlwanderungen, Osterspaziergängen, Maiandachten oder Feldmessen)gerade draußen in den Gemeinden zu einem noch bunteren Pfarrleben Mannigfa-ches beisteuern.

Musterbeispiel für ein „lebendiges“ Kleindenkmal

Seitdem das „Augenbründl“ im Bildgraben bei Gramastetten saniert undneu gestaltet worden ist (Herbst 2006), erfreut sich dieses schlichte Kleindenkmalimmer wieder regen Besuchs. An schönen Tagen wandern ganze Familien den Waldhinunter, verweilen in kurzer oder längerer Andacht vor dem Marienbild, und es istermunternd zu sehen, mit welch verloren geglaubter Selbstverständlichkeit Kindernmanchmal erklärt wird, dass sie sich hier „. . . die Augen waschen“ sollen.

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Pfarrvikar P. Konrad Just (1902–1964):KZ-Priester und „Don Camillo des Mühlviertels“

Von Reinhold J. Dessl

Seine Bekanntheit weit über dieGrenzen der eigenen Pfarre hinaus be-stätigt schon ein kurzer Blick in dasnachstehende, keinen Anspruch aufVollständigkeit erhebende Quellen- undLiteraturverzeichnis, von der Originali-tät und Streitbarkeit seines Wesenszeugt eine Unzahl verschiedenster Anek-doten, emsig gesammelt in Zeitungsarti-keln und sonstigen Veröffentlichungen,um seine Lebensgeschichte und seinWirken dem Vergessen zu entreißen. DieRede ist von dem langjährigen, gern als„Don Camillo des Mühlviertels“ betitel-ten Gramastettner Pfarrer P. Konrad Just,dessen sprichwörtliche Zivilcourage,Natürlichkeit und Volksnähe ua. der re-nommierte Autor Dr. Fritz Habeck indem Roman „Der Piber“ (1965) ver-ewigte.

Habeck, 1962 zeitweise ins Mühl-viertel übersiedelt, hat in diesem WerkJust als „Pater Kajetan von Pirkham“ einmarkantes literarisches Denkmal gesetzt.„Pater Kajetan saß nun schon seit bald dreißigJahren in Pirkham, las die Messe, spendete dieSakramente, sorgte aber auch für die zum Pfarr-hof gehörende Landwirtschaft; die Zufälle derWitterung und die Wirksamkeit neuer Dünge-mittel waren für ihn so wichtig wie für seineBauern, den abendlichen Wirtshausgesprächenfehlten darum nie die Themen, und wenn manihn auch öfter mit blauer Monteurhose und offe-nem Hemd als mit Habit oder weißem Kragensah, genoss er doch mehr Achtung bei seiner Ge-meinde als mancher andere Pfarrer, der zwarsein Brevier, aber kein Thomasmehl kennt.“1

Ein in Dachau entdecktes, vom StiftWilhering im Vorjahr herausgegebenesSchriftdokument P. Konrads schildertseine Erlebnisse in den Konzentrations-lagern Dachau und Buchenwald 1938 bis1945. „Wie außer Atem geschrieben mutet an,was P. Konrad Just nach seiner Befreiung aus7-jähriger KZ-Haft zu Papier brachte. Manspürt aus jeder Zeile die Nähe des Erlebten undErlittenen . . . Tapfer und mit Würde ging erdurch die KZ-Hölle und brachte die Kraft auf,der Nachwelt über das Unfaßbare zu berichten.Seine eindringliche Warnung vor dem Verges-sen ist heute so aktuell wie vor 60 Jahren.“2

Herkunft und Ausbildung

Josef Just wurde am 19. März 1902 inHruschau/Schlesien als Kind einer Eisen-bahnerfamilie geboren. Die Schule be-suchte Josef in Alt-Oderberg und dannin Teschen. Hautnah erlebte er die natio-nalen Auseinandersetzungen zwischenTschechen und Deutschen, den Zusam-menbruch der Donaumonarchie und die„Vertreibung“ auch der eigenen Familie,die 1919 in Walding in Oberösterreichein neues Zuhause fand. (Ein Neffe P.Konrads, Justus Just, hat in seinem Buchdie Wurzeln der Familie im nationalenSpannungsgeflecht eingehend beschrie-ben.)3

1 Habeck, 264 f.2 Buchdeckeltext von Just, Meine Erlebnisse.3 Justus Just, a. a. O.

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Als junger Priester.

Josef beendete seine in Schlesien be-gonnenen Gymnasialstudien 1921 inLinz und trat am 19. August selbigenJahres in das Zisterzienserstift Wilheringein, wo er den Ordensnamen Konrad er-hielt. Das Theologiestudium absolvierteer in den Hauslehranstalten der StifteMehrerau und St. Florian. Am 20. Au-gust 1925 verband er sich in der Feierli-chen Profess für immer mit dem StiftWilhering, wurde im Jahr darauf (am 29.Juni) zum Priester geweiht, feierte Primiz

in Walding und trat am 16. Oktober1926 seinen Dienst als Kooperator in derPfarre Gramastetten an, die abgesehenvon der siebenjährigen Unterbrechungdurch die KZ-Haft sein einziger Seelsor-geposten bleiben sollte.

Es ist bezeichnend, was ihm einehemaliger Professor aus dem StiftMehrerau in seiner Gratulationsadressezur Priesterweihe geschrieben hatte:„Offen gestanden, Sie waren Zeit Ihres Hier-seins zwar nicht der regulärste, mir aber derliebste von den auswärtigen Klerikern, und daseinfach, weil Sie eine ehrliche Haut sind.“4

Beginn des Wirkens bis zur Verhaftung

Als erste Akzente seines Wirkens inGramastetten können die Gründung dermarianischen Kongregation für jungeFrauen und die Ansiedelung von Kreuz-schwestern zur Führung eines Kinder-gartens und einer Arbeitsschule genanntwerden. „Da sandte Gott einen neu geweihtenPriester, Hochw. H. P. Konrad Just, einen Schle-sier, voll Feuereifer und Tatkraft. Schon bei sei-ner Priesterweihe faßt er den Entschluß: Fallsim Orte seiner Wirksamkeit die marianischeKongregation und eine Schwesternanstalt feh-len, werde er diese dort gründen.“5

Als ihm die Gemeindevertretungbeim Kindergartenprojekt die Unterstüt-zung versagt, übernimmt Just zusam-men mit Primararzt Dr. Josef Brunnerdie Sache kurzerhand in Eigenregie undsorgt für eine provisorische Unterbrin-gung der Kinder. Damit fiel der Start-schuss nicht nur für den Kindergarten inGramastetten, sondern auch für die 78-

4 Pfarrarchiv.5 Chronik „Marienheim“.

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jährige segensreiche Tätigkeit der Kreuz-schwestern im Ort.

Im neu etablierten Heim der Kreuz-schwestern (Markt Nr. 9), das 1929 ein-geweiht wurde, gab es dann auch einenVereinssaal für Versammlungen und Ki-novorführungen, welche der Herr Pfar-rer persönlich hielt. So ward das legen-däre Pfarrkino des P. Just geboren, das ernach der Unterbrechung durch die KZ-Zeit bis zu seinem Tod weiter betrieb.Hier fanden auch Theateraufführungenunter P. Konrads Leitung statt. Im Win-ter wurden Fortbildungskurse für diebäuerliche Jugend veranstaltet; vieleVorträge steuerte Just selbst bei.

In seinen Predigten setzt sich P. Kon-rad bald offen, gefährlich offen, mit demNationalsozialismus und dessen kir-chenfeindlicher Ideologie auseinander.Schon aus dem Jahr 1934 ist ein Manu-skript erhalten, in dem er mutig ein fal-sches Führertum angeprangert hatte:„Der Mensch ist zu groß, um einem bloßenMenschen um des Menschen willen zu gehor-chen. Der Autorität ist nur soweit zu gehorchen,als sie nichts Sündhaftes befiehlt.“6 Am Tagdes Einmarsches Hitlers in Österreich,am 12. März 1938, wird er wegen wie-derholter regimekritischer Äußerungenverhaftet. Man will ihn auf einem Seiten-weg aus dem Ort schaffen. Just aber be-steht darauf, mitten durch den Marktweggeführt zu werden, weil er ja „nichtsUnrechtes getan“ habe.

Sieben Jahre in der Hölle von Dachauund Buchenwald

Tags darauf – nach der Einvernahmebeim Bezirksgericht Ottensheim – wie-der frei gelassen, durfte Just nicht mehr

nach Gramastetten zurückkehren, son-dern musste sich in seinem Heimat-kloster der Polizei zur Verfügung halten.Am 16. März wurde er des Kooperator-postens in Gramastetten offiziell entho-ben. Zehn Tage später erhielt der greiseWilheringer Abt Gabriel Fazeny (1915–1938) Besuch von einer Gramastettner„Nazi“-Delegation, die ihn wissen ließ,Just hätte für den Fall, dass er in Grama-stetten noch einmal gesehen werde, mitder Verhaftung und dem Abtransportnach Dachau zu rechnen. Inzwischensammelt man weiter Material gegen ihnund schreckt auch nicht davor zurück,Schulkinder zu verhören. Am 10. Juniwurde P. Konrad endgültig verhaftet undin das Polizeigefängnis Linz gebracht. P.Robert Kepplinger7 vermerkte in derPfarrchronik: „In der Anklage heißt es, daßdie Pfarrbevölkerung wünsche, daß P. Konradnach Dachau komme, auch seien seine Predigtenvon den Leuten gemieden worden. Gerade dasGegenteil ist wahr. Und erst jetzt kann man all-gemein hören: Was P. Konrad vom National-sozialismus gesagt hat, das ist genau eingetrof-fen.“8

Die Überstellung nach Dachau er-folgte am 25. Juli 1938. Nach demütigen-der Begrüßung und anfänglicher Einzel-haft wird Just vom 15. Oktober bis2. Dezember 1938 mit sieben WochenDunkelhaft bei rigorosem Nahrungsent-zug bestraft. Nur jeden vierten Tag be-kommt er etwas zu essen. „Der Hungerwar so groß, daß mir öfter der Gedanke kam,den eigenen Kot zu essen. Doch der Gedanke anmeine Priesterwürde hielt mich davon ab.

6 „Meine Predigten“.7 Pfarrer in Gramastetten von 1913 bis zu seiner

von den Nazis erzwungenen Absetzung am16. Juni 1938; gest. am 5. 2. 1945 in Traberg.

8 Pfarrchronik, 196.

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Just (Zweiter von rechts) beim „Tütenkleberkommando“ in Dachau.

Ich kostete etwas Schmierseife, benagte dieWaschseife, um mir zu helfen. Die Kräfteschwanden so schnell, daß ich auch tagsüber innarkotischen Schlaf verfiel. Durch die ständigeDunkelheit wurden die Säfte des Körpers vergif-tet. Träge kreisten die Gedanken, und über alldem lasteten mit bleierner Schwere auf mir dieungewisse Zukunft und das brutale Geschehenum mich . . .“9

Am 19. Oktober 1938 bekam P. Kon-rad auch die gefürchteten 25 Stockhiebe,wobei die Füße eingespannt wurden, da-mit man sich nicht rühren konnte, unddie Häftlinge die Schläge selber mitzäh-len mussten. „Wie gut ist doch Gott, dachteich mir. Du hattest so viel Angst, und noch vorder Bestrafung ging mein Herz derart schnellund bis zum Hals hinauf vernehmbar, daß ichmeinte, mich träfe der Herzschlag. Und nunwar alles vorbei, es war wie eine Art Narkoseüber mich gekommen und so hatte ich alles ertra-

gen können. Mir war feierlich zu Mute, undaus ganzem Herzen dankte ich dem lieben Gott,der die Seinen auch im bittersten Elend nichtverläßt.“11

Am 27. September 1939 nach Bu-chenwald verlegt, durchlitt er dort – bis6. Dezember 1940 – noch Grauenvolle-res als in Dachau. „Buchenwald war fürch-terlich, die Schüsse saßen locker. Mit Prügelnwurden die Häftlinge traktiert, viele zu Tode ge-droschen.“12 In Buchenwald erkrankte Justan der Hungerruhr, die er im Nachhinein

9 Just, Meine Erlebnisse, 46.10 f Seite 226. Dieser Brief muss vor dem Oster-

fest 1942 geschrieben worden sein, da er auf dieWahl des Gramastettner Pfarrers P. BalduinWiesmayer (1889–1948) zum Abt des StiftesWilhering am 11. November 1941 Bezugnimmt.

11 Just, Meine Erlebnisse, 58.12 OÖ. Heimatblätter 1986, Heft 1, 8.

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aber als Hilfe Gottes bezeichnete, weil imKrankenlager eine vorübergehende Lin-derung der Quälereien stattfand. Wiedurch ein Wunder genas er wieder.

Fast viereinhalb Jahre hindurch, vom7. Dezember 1940 bis 26. April 1945, warP. Konrad schließlich erneut im KZDachau. Eine gewisse Erleichterung be-deutete die Zuteilung zum so genannten„Tütenkleberkommando“; eine kleineGruppe von Priestern musste Papiertü-ten für die Plantage des Lagers kleben.Da fallweise ein Bischof unter ihnen war,nannte man die Gruppe auch „DachauerDomkapitel“. Als einer der letzten über-lebenden Dachauer KZ-Priester erzählteJohann Steinbock (1909–2004) im Jahre1997 Schülern der PolytechnischenSchule Gramastetten vom KZ-Alltag derPriester und von seinem Beisammenseinmit P. Konrad, der im Lager u. a. eineZeit lang Barbierdienste geleistet undseinen geistlichen Leidensgenossen dieHaare geschnitten hatte.13

Ein nachhaltiger Trost für die Priesterwar die Eröffnung der Lagerkapelle am21. Jänner 1941 gewesen. Just notiertemit geradezu emphatischer Begeiste-rung: „Das Unerhörte wird wahr. Der Herr-gott hält Einzug in Dachau. In dieser Hölle, dieDachau war und blieb bis zum Schluß, wohnteder Herrgott vom 22. Jänner 1941 bis zur Auf-lösung des Lagers und darüber hinaus ununter-brochen unter den Geächteten. Er war unsertreuester Freund. Zu einer Zeit schon, als Hit-lers Macht sich noch auf der Höhe befand, dieWelt . . . uns zu vergessen schien, wir als dieAusgestoßenen des deutschen Volkes galten, warder Herr bei uns. Er hatte den Stab über unsnicht gebrochen, im Gegenteil, er wollte uns zei-gen, daß er diesmal das ganz Schwache undHilflose auserwählt hatte, um einer Welt derGötzenanbetung und des Gigantenkultes zu zei-

gen, was er durch die Kraft des allerheiligstenAltarsakramentes Großes schaffen kann.“14

Kurz vor der Besetzung des Lagersdurch die Amerikaner am 26. April 1945wurden die Häftlinge auf einem Todes-marsch Richtung Ötztal getrieben. Am30. April durch die beherzte Befreiungs-aktion zweier Jesuiten gerettet, findet P.Konrad zusammen mit anderen Mitbrü-dern Zuflucht im Kloster der Josefs-schwestern in Percha am StarnbergerSee. Hier schreibt er unter dem unmittel-baren Eindruck der KZ-Gräuel seine Er-lebnisse nieder, aus denen schon mehr-fach zitiert wurde. Wieder in Gramastet-ten, bringt er die Ereignisse noch einmalin der Pfarrchronik zu Papier. Im Gegen-satz zu dem in Percha verfassten Berichtklingt jetzt, die Situation des Heimge-kehrten betreffend, Bitteres an: „Die Hei-mat enttäuschte uns mancherseits. Schon inSalzburg waren wir fünf österreichischen Geist-lichen über den Empfang und die Behandlungtief betrübt. Die Heimat hat zum Teil nichtsoder sehr wenig gelernt. Wir verlangten keinenTriumph oder sonst dergleichen. Aber nicht ein-mal die Aufmerksamkeit, die man Bettlernschuldig ist aus christlicher Nächstenliebe, fan-den wir mancherorts. Manche schlafen noch!Das war eine bittere Enttäuschung für uns.Man hat nicht den Eindruck, daß man die volleGefahr des Hitlerismus erkannt hat.“15

„Don Camillo des Mühlviertels“

Vom 1. September 1945 an leitete P.Konrad Just nun die Pfarre Gramastettenals Pfarrprovisor bzw. als Pfarrvikar wei-ter – bis zu seinem plötzlichen Tod 1964.

13 Video.14 Just, Meine Erlebnisse, 110.15 OÖ. Heimatblätter 1986, Heft 1, 14.

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Brief von P. Just aus dem KZ Dachau. Ein Teil fiel der Zensur zum Opfer.10

In diesen zwanzig Jahren gelangt dasBild des Geistlichen, den P. JohannesLenz, ein Mithäftling aus Dachau, als„originelle Kampfnatur und unermüdlichen Ar-beiter“16 charakterisiert hatte, zu seinervollen Ausprägung. Die Schrecken unddas Grauen der Konzentrationslagerzeitwaren nicht spurlos an ihm vorüberge-gangen. Er, der Zeuge und Opfer sol-chen Unrechts geworden war, wird nochsensibler für das kleinste Unrecht undkann sein von Natur aus feuriges Tem-perament selten zügeln.

Von inniger Frömmigkeit und tiefsterLiebe insbesondere auch für die Mutter-gottes von Fatima beseelt, segnete Justgern . . . und konnte daneben fürchterlichfluchen. So anerkannt niveauvoll seinePredigten waren – gelegentlich kam es

„mittendrin“ zu unvorstellbaren Wutaus-brüchen. Mit Behörden, geistlichen undweltlichen Vorgesetzten lag P. Konradgrundsätzlich im Kampf, und auch mitseinen Köchinnen führte er „Krieg“, sodass, laut Chronik, es kaum eine längerbei ihm aushielt. Armen und einfachenLeuten gegenüber erwies sich der Gra-mastettner Pfarrherr im Allgemeinen je-doch als sehr zuvorkommend und mild-tätig.

Dennoch dürfte dem resoluten Got-tesmann zumindest in einem, glaubhaftbelegten, Fall – ganz nach der Manierdes berühmten geistlichen Romanhel-den aus Italien – halb dienstlich die

16 Lenz, 251.

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P. Konrad im Kreis ehemaliger KZ-Priester mit Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner.

„Hand ausgerutscht“ sein. Es war imSommer 1953, als Just einem Nachbars-bauern, dessen Hühner auf den frischbestellten Acker des Pfarrers herüberge-wechselt waren, in „heiligem (?) Zorn“eine schallende Ohrfeige verabreicht ha-ben soll. Der „Mühlviertler Bote“ griffdie Begebenheit auf und widmete ihr imJuli 1953 auf dem Titelblatt eine Karika-tur mit der Schlagzeile „Es war vielleichtder Don Camillo“, ohne P. Konrad jedochausdrücklich zu nennen . . .

Die wohl geläufigste Anekdote ranktsich um des Pfarrers Gewohnheit, als be-geisterter Traktorfahrer und Nicht-Auto-besitzer alle Besorgungen in Linz perTraktor zu erledigen. Als er dabei ir-gendwann bei Rot über die Kreuzungfuhr, stoppte ihn prompt ein Polizist.Und weil Hochwürden bei der LinzerExekutive bereits bekannt war, sprach

ihn der Wachmann auch gleich richtigan: „Herr Pfarrer, warum halten Sie sichnicht an die Verkehrsvorschriften!?“Worauf dieser, schlagfertig wie er war,mit der Frage konterte: „Halten Sie im-mer die Zehn Gebote?!“ Typisch für Justsknorrigen Humor unter anderem auchfolgende Episode: In der NachbarspfarreOttensheim war für einen 13. OktoberVisitation durch den Bischof angekün-digt, der P. Konrads Mitbrüder merklichaufgeregt entgegensahen. Er aber sprachihnen Mut zu mit den Worten: „Seid’sdoch froh! Der 13. ist doch Fatima-Tag!Und die Muttergottes bändigt alle –auch den Bischof!“

Der glühende Marienverehrer fandseinen Tod bei einer Marienmesse: am22. Oktober 1964, während des Morgen-gottesdienstes, erlag er vor den Stufendes Gramastettener Hochaltares einem

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„Es war vielleicht der Don Camillo.“ Aus: „DerMühlviertler Bote“, Juli 1953.

Schlaganfall. (Die schicksalhafte Paral-lele zum Ende des 1987 selig gesproche-nen bayerischen „Volksseelsorgers“ undgeistigen NS-Widerstandskämpfers Pa-ter Rupert Mayer, der am Allerheiligen-tag 1945 – in München – ebenfalls wäh-rend eines Gottesdienstes von einemSchlaganfall ereilt worden war, drängtsich in diesem Zusammenhang förmlichauf.) Der spätere Wilheringer Abt Gott-fried Hemmelmayr, damals Kooperatorin Gramastetten, hatte P. Konrad Justnoch die Letzte Ölung spenden können,dann war ein ungemein bewegtes, dra-matisches Leben ausgehaucht. Ein Le-ben, das einen maßgeblichen Vertreterder Pfarre Gramastetten in engste Berüh-rung brachte mit dem Nazi-Schreckendes 20. Jahrhunderts, das geprägt warvon denkwürdiger Originalität, Mensch-lichkeit und zuweilen auch Skurrilität.Ein Leben, das durch die Hölle geführthatte, selbst dort der Liebe Gottes begeg-nete und berufen war, diese auf indivi-duell unnachahmliche Weise weiter zuvermitteln.

P. Konrad auf dem Traktor.

Quellen

Stiftsarchiv Wilhering: Professkatalog

Pfarrarchiv Gramastetten:„Meine Predigten“ und „Meine Vorträge“ (ab etwa1927), handgeschrieben und gebunden, 300 Sei-ten.Über 100 Briefe und Postkarten P. Konrads ausden Lagern Dachau und Buchenwald sowie wei-tere Briefe und Briefkonzepte.„Tagebuch“, handgeschrieben und gebunden (1945und 1946), 201 Seiten.Handschriftlicher Bericht Justs über die Inhaftie-rung 1938–1945, in: Pfarrchronik Gramastetten, I.Teil, 1878–1948, 210 ff.; abgedruckt in: Fr. Rein-hold Dessl OCist und Bernhard Prokisch, EinOberösterreicher in Dachau und Buchenwald.Bericht des Pfarrvikars von Gramastetten; P. Kon-rad Just OCist, über seine Inhaftierung 1938–1945,

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in: Oberösterreichische Heimatblätter (40. Jg.),1986, Heft 1, 3–14; mit einleitenden biographi-schen Notizen.

Archiv der Kreuzschwestern in Linz:Chronik der Anstalt „Marienheim“ Gramastetten,Kindergarten und Arbeitsschule, 1927–1966.

Archiv der Gedenkstätte KZ Dachau (32.795):„Bericht über meine Erlebnisse durch 7 Jahre in den LagernDachau – Buchenwald – Dachau“, fertig gestellt vonP. Konrad Just am 5. Juni 1945 in Percha (hg. vomZisterzienserstift Wilhering: P. Konrad Just, MeineErlebnisse in den KZ-Lagern Dachau und Buchenwald1938–1945, Stift Wilhering 2006).

Einige Zeitungsartikel:„Bestrafte Neugier. Das rasende Butterfaß“, in: „Mühl-viertler Bote“ vom 16. Dezember 1952.„Es war vielleicht der Don Camillo“, in: „MühlviertlerBote“ vom 11. Juli 1953.„Landpfarrer schreibt an Bundeskanzler und fordert einVerbot der FKK im Mühlviertel“, in: „Der SonnenmenschHelios“, Nr. 95, Jg. 1961, 4.„Unvergessen: Pater Just/„Don Camillo“ des Mühlvier-tels“, in: KFB-Zeitung vom Februar 1991, 16.„Populäre Priester der alten Zeiten (3). Die Muttergottesbändigt alle“, in: Volksblatt-Magazin vom 12. April1996.

Literatur

Paulus Nimmervoll, Die Schicksale des Zisterzienser-stiftes Wilhering während der Zeit des Nationalsozialis-mus 1938–1945. Kirchengeschichtliche Diplomar-beit. Linz 1970, 4 f., 82 f. (zum Teil abgedruckt im60. Jahresbericht des Stiftsgymnasiums Wilhering1969/70, 18–73).

Jakob Fried, Nationalsozialismus und katholische Kirchein Österreich, Wien 1947, 110 f.

Johann Mittendorfer, Oberösterreichische Priester inGefängnissen und Konzentrationslagern zur Zeit des Na-tionalsozialismus (1938–1945). Kirchengeschichtli-che Diplomarbeit, Linz 1976 (abgedruckt im 72.und 73. Jahresbericht des Bischöflichen Gymnasi-ums Kollegium Petrinum 1975/76 und 1976/77.Kurzbiographie von P. Konrad Just mit weiterenLiteraturangaben im Jahresbericht 1976/77, 60 f.).

Bruno Gattringer, Don Camillo im Mühlviertel. DieVerhängnisse des Landpfarrers Konrad Just. Geschichtenaus mündlicher Überlieferung und aus eigener Erfahrung,hg. im Eigenverlag, o. J.

Justus Just, Aus der Reihe gedrängt. Das Schicksal derKZ-Priester, Norderstedt 2005.

Eugen Weiler, Die Geistlichen in Dachau, Mödling1971, 326.

Johann Maria Lenz, Christus in Dachau, Wien 1956,75, 251, 397, 399.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi-derstandes (Hg.), Widerstand und Verfolgung in Ober-österreich 1934–1945. Eine Dokumentation (Bd. 2),Wien 1982, 19, 221.

„Halten Sie immer die zehn Gebote?“ Anekdoten um Pfar-rer Just von Gramastetten, in: Jahrbuch der DiözeseLinz 1980, 213 f.

Roman:Fritz Habeck, Der Piber, Wien – Hamburg 1965,262 ff.

Video:P. Konrad Just. Ein Priester mit Zivilcourage. Ein Filmder Polytechnischen Schule Gramastetten in Zu-sammenarbeit mit Hermann Luckeneder und P.Reinhold Dessl, Gramastetten 1997. Dazu dieSchülerzeitung „Justpost“, Juni 1997.

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Gelehrter – „Hochverräter“ – Minister – HöchstrichterEin Lebensschicksal in der bewegten Zeit des Vor- und Nachmärz

Von Herbert Bezdek

Sein außerordentlich verlaufenesLeben hatte ihn in schicksalsschwererStunde mit Situationen von extremer in-nermenschlicher Dramatik konfrontiert– zur 200. Wiederkehr seines Geburts-tags sei die Biographie dieses hohenoberösterreichischen Beamten der k. u. k.Monarchie im 19. Jahrhundert ein wenignäher beleuchtet.

Anton Joseph Hye wurde am 26.Mai 1807 in Gleink bei Steyr als Sohndes Pflegers der dortigen Religions-fondsherrschaft geboren. Die Mutter(Mädchenname Gall) war eine nahe Ver-wandte sowohl des durch seine Schädel-lehre bekannt gewordenen Universitäts-professors Franz Joseph Gall als auchdes „josephinischen“ Bischofs JosephAnton Gall, der als zweiter Oberhirte dienoch junge Diözese Linz 18 Jahre hin-durch leitete. Nach Studien im StiftKremsmünster und an der UniversitätWien sowie zweijähriger Tätigkeit alsAktuar beim Magistrat Steyr bzw. in derAdvokaturpraxis promovierte der jungeOberösterreicher 1831 zum Doktor derRechte. Dann ließ er sich in Wien nieder,doch die Verbindung zu seiner engerenHeimat ist nie abgerissen.

Als Supplent an der UniversitätWien und Konzipient in einer angesehe-nen Advokaturkanzlei wurde Hye 28-jährig Professor an der TheresianischenRitterakademie und schon mit 35 Jahrenals Ordinarius auf den Wiener Lehrstuhlfür österreichisches Kriminalrecht beru-

Anton Joseph Hye (1807–1894).

fen. Dort maßgeblich an der Erstellungeiner juridisch-politischen Studienord-nung beteiligt, avancierte er bereits 41-jährig zum Hofrat und zum General-sekretär im Justizministerium.

Nun griffen die turbulenten Ereig-nisse des Jahres 1848 in die steile Kar-riere des Oberösterreichers ein: Am 12.März, in politisch zunehmend explosiverLage, hatte die Studentenschaft bei einerunter der Leitung ihrer Professoren ab-

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gehaltenen universitären Zusammen-kunft eine Adresse direkt an den Kaiser,u. a. mit der Forderung nach Rede- undPressefreiheit sowie Installierung einerallgemeinen Volksversammlung, gerich-tet. Hye, amtlichem Befehl unterstehend,vermochte es, die aufgebrachten Studen-ten, die ihm in begeisterter Verehrung er-geben waren, zu beruhigen und er-reichte, dass das Papier dem Monarchennicht im Wege einer unkontrolliertenMassendemonstration, sondern durchden Rektor, ihn selbst und einen weite-ren Professor übermittelt wurde. Diedaraufhin von der Studentenschaft ge-gründete akademische Legion wählteHye zu ihrem Oberkommandanten; ausdieser Position heraus konnte er Exzesseverhindern und kriminelle Agitatoren,auch unter persönlichem Einsatz, derGerichtsbarkeit zuführen.

Binnen Kürze allerdings sollte eszum Bruch kommen: Geschreckt durchden innerhalb der akademischen Legionmehr und mehr aufflammenden Radika-lismus, den eingeschleuste „Fremdele-mente“ noch schürten, trat Hye zurückund verfocht von da an als Angehörigerdes Bürger- und Studentenausschussesdie Regierungslinie. Damit schlug dieBegeisterung der Studenten für ihrenProfessor in blanken Hass um: Die ver-fügte Auflösung der Legion führte zuden Barrikaden des 28. Mai 1848, auf de-nen die revoltierende Menge einen Gal-gen mit dem Bild Hyes aufrichtete.

Und jetzt drohte ihm mit einem Malhöchste Gefahr auch aus dem „eigenenLager“; der gleichzeitig gebildete Volks-sicherheitsausschuss ordnete ob Hyesursprünglich „pro-studentischen Enga-gements“ dessen Verhaftung und Verset-zung in den Anklagestand wegen Hoch-

verrats an, begangen durch einen „An-griff auf die Souveränität des Volkes unddie österreichische Staatsverfassung“(!).

Ungeachtet der beantragten Todes-strafe wurde die Causa an das Kriminal-gericht weitergeleitet, wo die Wahrheitbald ans Licht kam; man sprach den An-geklagten in allen Punkten frei und be-scheinigte ihm, dass er sich als Beamter„korrekt verhalten habe“. Hye erhielt ei-nen längeren Amtsurlaub und zog sich,aufgrund seiner erwiesenen Integritätmit beruflichen Angeboten regelrechtüberhäuft, vorerst nach Oberösterreichzurück.

Schon im Dezember 1848 wurde er,der seinen Posten im Ministerium verlo-ren hatte, wieder eingestellt, als Ministe-rialrat mit Organisationsarbeiten sowiemit der Herausgabe des Reichsgesetz-blattes betraut und als Präses derjudiziellen Staatsprüfungskommission.Wenngleich – aus angeblichen Unverein-barkeitsgründen – zur Aufgabe desLehramts gezwungen, brachte es Hye inder Folge zum Geheimen Rat, zum In-spektor des Gefängniswesens, zum Lei-ter der legistischen Sektion des Justiz-ministeriums und schließlich zum Sek-tionschef.

Zu seiner reichen fachpublizistischenTätigkeit – neben vielen Aufsätzenedierte er Werke zum österreichischenStrafgesetz, zur Strafprozessordnungund zur Schwurgerichtsbarkeit – tratennun umfassende Agenden im Justizres-sort. Angeführt seien nur die Heraus-gabe der 22-bändigen Sammlung derGesetze 1848 bis 1860, die Neuerstellungu. a. des Presse- und des Strafgesetzessowie der Organisationsgesetze für dieRechtsberufe; auch wirkte Hye am Mili-tärstrafgesetzbuch mit und redigierte die

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Normen für das österreichische Gefäng-niswesen.

Dieses erfolgreiche Wirken erfuhr1853/54 höchste offizielle Anerkennungdurch die Verleihung des Ritterkreuzesdes Leopoldsordens und die Erhebungin den Ritterstand mit dem heimatbezo-genen Adelsprädikat „von Glunek“(= Gleink).

Ins Übergangskabinett Beust als Jus-tizminister berufen, wurde Hye parallelLeiter des Ministeriums für Kultur undUnterricht, in welcher Position er mit –für ihn als ehemaligen Klosterschülersehr unangenehmen – Konkordatsfra-gen zu tun hatte. Nach dem Rücktritt derGesamtregierung wurde seine ministe-riale Tätigkeit in ehrenvoller Form been-det; Hye erhielt den Orden der EisernenKrone I. Klasse, wurde in den Freiherren-stand erhoben, Herrenhausmitglied aufLebenszeit und Mitglied sowie ständigerReferent des neu etablierten Reichsge-richtes (Vorläufer unseres Verfassungs-gerichtshofes). In letztgenannter Eigen-schaft gab er die Sammlung der Er-kenntnisse dieses Höchstgerichtes von1869 bis 1892 heraus.

In später Entscheidung wählte ihndas Universitätskollegium der WienerAlma Mater Rudolfina zum RektorMagnificus, eine nach der alten Univer-sitätsverfassung „letztmals mögliche Sel-tenheit“. An seinem 70. Geburtstag

wurde Hye als Mitschöpfer der letztengroßen Gesetzeswerke in der österreichi-schen Monarchie und Wegbereiter unse-res Rechtsstaates von der Juristenweltgeradezu stürmisch gefeiert. Mit der Ver-leihung des Großkreuzes des Leopolds-ordens, der Übertragung der Kanzler-schaft des Ordens der Eisernen Kroneund der Ernennung zum Ehrenbürgerder Stadt Wien komplettierte sich diemehr als achtbare Liste offizieller Aner-kennungen.

Hye, dessen zwei Ehen fünf Kinderentsprossen, starb hoch betagt am 8. De-zember 1894 in Wien. Bestattet liegt er inder Familiengruft in Steinhaus bei Wels –der Kreis zu seiner oberösterreichischenHeimat ist damit geschlossen. Die unbe-irrbare Einstellung Hyes zum Recht undzur Rechtlichkeit könnte nichts treffen-der widerspiegeln als der Leitspruch, dersich auf seinem Wappen findet: „Fiatiustitia, ne pereat mundus.“

Literatur

Wilhelm Brauneder (Hg.): Juristen in Österreich.Verlag Orac, Wien 1986.

Alois Zauner – Harry Slapnicka (Hg.): Oberöster-reicher, Bd. I, Oö. Landesverlag, Linz 1981.

Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexi-kon des Kaisertums Österreich. Wien 1856–1891.

Eva Obermayr-Marnach: Österreichisches Bio-graphisches Lexikon, III. Bd., Verlag Böhlau, Graz– Köln 1965.

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Kupferschmied, Bürgermeister, Volksdichter:Zur Erinnerung an Franz Hönig (1867–1937)

„Landlerischer“ Humor und schalk-hafte (Selbst-)Ironie waren nicht nurGründzüge seiner einmaligen Persön-lichkeit, sondern, in sprachlich singulä-rer Umsetzung, auch Markenzeichen sei-nes Werks, das vor allem dadurch fort-besteht. Zum 70. Todestag von FranzHönig soll eine konzise Rückschau aufLeben und Schaffen des populären ober-österreichischen Mundartdichters andieser Stelle nicht fehlen.

Hönigs Start ins Dasein war alles an-dere denn leicht: Am 24. Oktober 1867in Ried im Innkreis zur Welt gekommen,wurde er bereits im Alter von fünf JahrenVollwaise.1 So wuchs der Bub im Eltern-haus seines Vaters, beim Onkel, demKupferschmied Karl Racher,2 in Krems-münster auf. Der Markt sollte ihm Le-bensmittelpunkt bleiben, das Schmiede-handwerk, gleich den aus Bad Hall stam-menden Vorfahren, zur Erwerbsbasiswerden.

Nach Besuch der Volksschule undder Ausbildung im Familienbetrieb gingder frischgebackene Geselle, wie damalsnoch üblich, auf Wanderschaft, die ihnnach Ried, Windischgarsten und Linzführte. 1890 – der Onkel war inzwischenverstorben – kehrte Hönig zurück, führtedie Schmiede gemeinsam mit RachersWitwe weiter und übernahm den Betrieb(heute Marktplatz 16) nach seiner Ver-ehelichung3 mit Maria Harschetzky, derTochter eines Steuereinnehmers, imJahre 1900.

Für die Poesie verwendete der jungeFranz fast jede freie Minute, notierte

manchmal auch mitten unterm Schmie-den Verse oder Gelegenheitsdichtungenschnell auf braunes Packpapier. Frühhatte sich sein ureigener Stil entfaltet,und schon in der vom Stelzhamerbund1899 herausgegebenen Anthologie „Ausda Hoamat“, die Schaffensbeispiele we-sentlicher Mundartautoren versam-melte, war er mit drei Werken vertreten,darunter „Der Bürgertag“, eine treffendeSatire auf das Wirtshausleben derKremsmünsterer Marktbewohner.

1 Der Vater, August Hönig, aus Kremsmünstergebürtig, war als gelernter Pharmazeut mitkünstlerisch-innovativem Mut in die Fotogra-fenbranche umgestiegen und in Ried der Ersteseines Fachs. Die Mutter, Anna Revitzky, Guts-besitzerstochter aus dem damaligen Ungarn,war von Beruf Erzieherin.

2 Zur familiären Vorgeschichte: Franz HönigsGroßvater August war 1838 durch die Ehe-schließung mit der Witwe Katharina Racherzum Mitbesitzer der Kremsmünsterer Kupfer-schmiede (seinerzeit Markt 35) geworden. Inder Folge waren dort vier „Racher“-Kinder unddrei „Hönig“-Kinder, unter ihnen der Vater vonFranz, als Halbgeschwister miteinander aufge-wachsen. – Karl, der als Ältester der „Racher“-Kinder die Schmiede weiterführte, hat dann1872/73 den verwaisten Franz bei sich aufge-nommen.

3 Dieser ersten Verbindung entstammten zweiKinder, August, Franzens Nachfolger, und Mar-garete, die nach Shanghai ausheiratete. – Auf-grund des frühen Todes seiner Gattin (1905)vermählte sich Hönig im selben Jahr erneut,und zwar mit der Gastwirtstochter Anna Dobl-hofer. Der zweiten Ehe entsprang ein Mädchen,Anna; sie siedelte sich in Wien an, war dortLehrerin und erhielt durch Heirat den NamenKudernak-Hönig.

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Fraglos sind es bereits die Jahre zwi-schen 1890 und etwa 1910 gewesen, indenen Hönigs literarische Produktionihre Hochblüte durchlief. Von der kanti-gen Direktheit vieler seiner unvergesse-nen Reime, in denen oft (Zeit-)Kritischesmitklingt, kündet unter anderem dieserVierzeiler:

„Sag’s außa, wia’s is,nur koa zuckersüaßs Gfries,nur koa scheinheiligs Lob,liaba krompat und grob.“

Kompetenz, Geradlinigkeit undWeitblick zeichneten Franz Hönig auchals Bürgermeister von Kremsmünsteraus, in welchem Amt er von 1909 bis zuseinem Tod 1937 die beherrschende Per-sönlichkeit der Marktgemeinde war.Wichtige Kommunaleinrichtungen ent-standen unter seiner Ägide, der Ankaufdes noch heute genützten Dilettanten-theaters geht ebenfalls auf ihn zurück.Allgemein beliebt und gesellschaftspoli-tisch wie kulturell äußerst engagiert, ge-staltete er während der 1930er-Jahre beiRadio Linz Rundfunksendungen, hieltals glänzender Rezitator, auch der eige-nen Werke, landauf landab Lesungenund war Mitglied etlicher lokaler Ver-eine, so der Tanzkapelle „Die Trudinger“oder des Gesangsvereins, für den er zweiLiedtexte schrieb – „Mei herzigliabsSchatzerl“, „Kremsmünster“, letzterervertont von Pater Altmann Keller.

Mit der Zuerkennung der Ehrenbür-gerschaft erstattete die Marktgemeindeihrem Oberhaupt zum Sechziger blei-bende Reverenz. Wie groß seine Popula-rität war, wird u. a. daran sichtbar, dassman sein Porträt 1920 sogar als Motivfür das Design des Notgeldes derKommune heranzog; das bürgermeister-

Franz Hönig anno 1927. Im selben Jahr war ihmauch die Ehrenbürgerschaft der MarktgemeindeKremsmünster verliehen worden.

liche Konterfei prangte vom 10-Heller-Schein.

Fünf Tage nach Vollendung des Sieb-zigers, am 29. Oktober 1937, wurde Hö-nig unerwartet aus einem bis zuletzt ar-beitserfüllten Leben gerissen: Im LinzerKrankenhaus der Barmherzigen Brüdererlag er den Folgen eines während einerKehlkopfoperation erlittenen Herzver-sagens.

Beigesetzt ist Franz Hönig, der sichselbst gerne als „Volksdichter“ apostro-phiert sah, in der Kremsmünsterer Fami-liengruft.

(Beitrag nach Unterlagen von Bri-gitta Oberhuber und der Marktgemein-de/Mag. Siegfried Kristöfl.)

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Zur Reihe der vom Autor veröffentlichten Mundartbände:„Unsa Landl“ (1899)„Da Mostschädl“ (1902)„Lost’s ma zua“ (1907)

Posthum wurden bisher aufgelegt:„Vor’n Feierabend“ (Anfang 1938, gleich nach Hönigs Tod)„Unser Landl – Unser Leben“ (1997)„Sag’s außa, wia’s is!“ (2007, ausgewählte Gedichte, vom Kremsmünsterer Kulturver-ein „Franz Hönig“ unter Brigitta Oberhuber zum 70. Todestag/140. Geburtstag inNeuauflage herausgebracht)

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Neue Gesichter, neue Herausforderungen:Heimische Karikatur in der Tast- und Testphase

Von Harry Slapnicka

Mit dem Antritt der neuen österrei-chischen Koalitionsregierung sind teilsneue Gesichter und zugleich neue, viel-fach erst zu meisternde, Herausforde-rungen ins Blickfeld auch der politischenKarikatur unseres Landes gerückt. AlsNewcomer aus Oberösterreich stehen,neben der bekannten Figur des gebürti-gen Steyrers Wilhelm Molterer, zwei So-zialdemokraten frisch im Visierkreis,nämlich Justizministerin Maria Bergerund Sozialminister Erwin Buchinger,beide Mühlviertler, an die sich die Kari-katuristen, ganz wie bei den Nicht-Ober-

österreichern, ebenfalls erst allmählichherantasten müssen. Oft genug sind esja – man denke an Molterers „Dreitage-bart“ – markante individuelle Kleinigkei-ten, die den Menschen und Politiker un-verwechselbar charakterisieren, ihndurch die Kunst des zündenden Strichsauf Anhieb wiedererkennbar werden las-sen.

Dass populistische Einzelaktionenbei den Männern der spitzen Feder nurbedingt verfangen, darum weiß ErwinBuchinger spätestens seit Februar diesesJahres, als er – für einen zugegeben gu-

Erste Annäherungen an Sozialminister Erwin Buchinger und Justizministerin Maria Berger (W. Salz-mann, „Neues Volksblatt“, 4. 4. 2007, 15. 2. 2007).

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An der fließenden Grenze zwischen Karikatur undKunstwerk: Wilhelm Molterer, aufgefasst von G.Haderer („Rundschau“ 13/2007).

ten Zweck – öffentlich seine Haarprachtopferte: Mit zwei Ausnahmen (OÖN,5. 2. 2007, Die Presse, 10. 2. 2007) fandder Gag praktisch keinerlei karikaturisti-schen Niederschlag im Blätterwald.

Rekordverdächtige Aufmerksamkeitgenießt Wilhelm Molterer, den die Kari-katuristen bereits als Landwirtschaftsmi-nister und VP-Klubobmann sehr gernebedienten, auch in seinen neuen Funktio-nen als Vizekanzler und, speziell, Finanz-minister. Vor allem in den Printmedienseiner oberösterreichischen Heimat boo-men Molterer-Konterfeis mit einerDichte, wie es bis dato nur bei Landes-hauptmann Erwin Wenzl zu beobachtenwar. Apropos: Seit einigen Jahren ist eshier bei uns die „Kronen-Zeitung“, die

wöchentlich auf die zweite politischeEbene „hinabsteigt“ und sich in ihrerOberösterreichausgabe ausschließlichder Landespolitik widmet – unter kräfti-ger karikaturistischer Berücksichtung al-ler Coleurs, angefangen von LH JosefPühringer bis hin zu den Mitgliedern derLandesregierung, den Parteisekretärenund (im Falle Paschings; Milan A. Ilic)lokalen Ortsgewaltigen, sprich Bürger-meistern.

Von der Kurzlebigkeit karikaturisti-scher Zuwendung können hingegen aufBundesebene Politiker wie WolfgangSchüssl, Frau Gehrer, Andreas Khol oderder einst von Oberösterreich nach Wienausgezogene Verkehrstaatssekretär Ku-kacka längst ein Lied singen: flugsschwindet das Interesse, sobald Karriere-sterne verblasst sind oder die soge-nannte Popularitätskurve nach untenweist.

Wenn von Alt-Kanzler Schüssel ineiner biographischen Skizze vermerktwird, er zeichne gelegentlich selber Kari-katuren, so sei hier verraten, dass auchder oberösterreichische Landeshaupt-mann Josef Schlegel (ÖVP, 1869–1955)in manch langweiliger Sitzung kurzer-hand selbst zum Stift gegriffen undFreund oder Gegner karikiert hatte, wo-bei eines dieser Elaborate sogar als Ak-tenstück erhalten blieb.

Unverändert ist es also die Politik,deren sich die Karikatur mit Vorliebe an-nimmt, weithin abseits liegt etwa dieWirtschaft, wiederum ein wenig besserbelichtet sieht sich die Kultur, ja sogardie Kirche; in schöner Regelmäßigkeitwird z. B. Kardinal Schönborn „aufge-spießt“, der neue Linzer Bischof LudwigSchwarz fand in Lois Lessing einen wir-kungsvollen Karikaturisten, und die ausLinz gebürtige ehemalige Superinten-

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Wilhelm Molterer – als Finanzminister bei den Karikaturisten noch beliebter (G. Peichl/Ironimus, „Staats-zirkus“; „Die Presse“ vom 6. 3. 2007).

dentin des Burgenlandes Gertrud Knollwurde Ende des Vorjahres in den OÖN(BUL, 31. 10. 2006) zur Zielscheibe fastschon bösartigen Spotts.

An das Goethe-Wort, wonach einMensch „erst ab dem 40. Lebensjahr fürsein Gesicht verantwortlich ist“, fühlteman sich in Anbetracht von BUL’s kultu-rellem OÖN-„Adventkalender 2006“ un-willkürlich erinnert: Dem zeichnerischenVersuch, die oberösterreichische Sänge-rin Christina Stürmer zu erfassen, wider-setzte sich die Jugendlichkeit dieserDame sichtbar . . .

Aufs Ganze gesehen erscheint dieZukunft der Karikatur im Lande jeden-falls wohl gesichert, einerseits durch die

latente Herausforderung des steten de-mokratisch bedingten Wandels politi-scher Verhältnisse, andererseits durcheine erkennbare innere Ausweitung desMetiers selbst, das unterdessen immerstärker auch in die Bereiche der Wer-bung oder verschiedenste benachbarteSektoren der Kunst vordringt. So über-rascht etwa eine Inseratreihe für die„Freie Bühne Wieden“ mit karikaturähn-lichen Darstellungen der einzelnenSchauspieler, und die Entwürfe für dieneuen Puppen der Bühne „Wien-Raben-hof“ stammen, um ein zweites Exempelanzuführen, von keinem anderen alsdem renommierten oberösterreichischenKarikaturisten Gerhard Haderer.

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Nachruf für Romuald Pekny

Jetzt ist die Bühne leer. RomualdPekny ist abgegangen. Keiner kann ihnersetzen. Er war für die Bühne geboren,ein Glücksfall für die Hochkultur unse-res Theaters, unter deren Auflösungauch er zu leiden hatte. Er hat in seinenbesten Jahren viele Bühnengestalten sovollkommen geprägt, dass man sie sich,solange Romuald Pekny sie spielte, garnicht anders besetzt vorstellen konnte.Für uns Ältere eine lebendigeErinnerung, für viele Junge eine Legende,die sie nie zu sehen bekommen haben.Es ist nur einigen wenigen Menschenvorbehalten, ein ganzes Stück Zeitaltermit sich ins Grab zu nehmen. Was dieBerufung wie den Beruf des Schauspie-lers angeht, wird man von einer „ÄraPekny“ sprechen können, die sich in sei-ner Person erfüllt und abgeschlossenhat.

Pekny hat keinen Zweifel daran ge-lassen, dass er ein königliches Handwerkbetreibt. Sein Rollenrepertoire liest sichwie eine Enzyklopädie der dramatischenWeltliteratur: Er hat Erzengel, Ritter, Todund Teufel gespielt, bei Shakespeare undSchiller die Könige, die philosophischenNarren bei Nestroy, die Ganoven beiBrecht und Dürrenmatt, Tartuffe undJohn Gabriel Borkmann, Hamlet undAdolf Eichmann, er stand in der Reiheder letzten großen Verwandlungsschau-spieler, wie Bassermann und WernerKraus, in seiner Generation gewiss derVielseitigste.

Er stand als kaputter Frontsoldat,quasi mit Bajonett und Gasmaske vorder Türe der Burgtheaterheroine MariaEis und bat sie um erste künstlerische

Hilfe. Max-Reinhardt-Seminarist, der erdann wurde, hielt er sich an die vomMeister bei der Seminar-Eröffnung ge-forderte Regel, der Schauspieler müssewie in einen Orden eingetreten sein.

Hier, am Landestheater Linz, hat erseine ersten Schritte auf professionellenBühnenboden gesetzt. In einer unvor-stellbar steilen Karriere hatte er 1959 anden Münchner Kammerspielen seinekünstlerische Heimat gefunden, so wiediese Bühne in ihm ihren Protagonisten.Er debütierte als „Der Unbestechliche“von Hofmannsthal. Ein solcher war erauch im Leben, er wagte es, einem FritzKortner die Hauptprobe von Richard III.abzusagen und weigerte sich, die demü-tigenden Casting-Zwänge eines FedericoFellini mitzumachen.

Er umgab sich mit einer weihevollenAura, aber ein Komödiant war er auch.Er beherrschte ein mit seiner Stimme si-cherlich verklungenes Pathos. Dass Ro-muald Pekny sein Darstellerdasein tat-sächlich als eine Art Priestertum ver-stand, hat ihn aber nie abgehalten, oftauch den frivolen Spaßmacher der Paw-latschenbühne von der Leine zu lassen;seine Kollegen wissen das.

Sprache und Stimme waren sein Bo-gen und sein Instrument, das er virtuosbeherrschte. Er brachte seine eigeneWortmusik ein, war zu erkennen an sei-ner diskreten Manier, die Konsonantenzu akzentuieren und die Endsilben zuverlängern, wie ein guter Walzerdirigentdie zweite Viertelnote. Das war höchstesHandwerk, aber doch nur der Rahmenfür sein unnachahmliches Talent, sich

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nicht nur die Sprache der jeweiligenRolle anzueignen, sondern die des Dich-ters selbst erkennen zu lassen. Hierinhätte Romuald Pekny ein Vorbild für dienachfolgende Schauspielergenerationsein können. Das wird aber die nicht er-reichen, welche zeitgemäß auf unserenBühnen Bilderflut und Sprachverlustüben, das Handwerk verachten, die Lite-ratur misshandeln und denen Wortme-lodie, erfülltes Pathos und Versmaß ver-ächtliche Fremdsprachen sind. Peknywusste das. Aber er hat sich nichts ab-handeln lassen von seiner Herkunft ausdem Wien des Arthur Schnitzler undaus den Kulissen der Nestroy-Bühne.

Romy konnte wunderbar staunenund genießen. Wenn er uns – selten ge-nug – auf dem Rinklhof besuchte,pflegte er sich auf eine bäuerliche Milch-bank zu setzen und umher zu blicken. Erwar voller Bewunderung für die Detailsdes Hauses oder der Natur. Dann nahmer seine Eindrücke hinüber in einen tie-fen langen Schlaf. Wenn er wieder auf-wachte, wollte er heimfahren. Eva hattemit Cornelia ja alles Wichtige bespro-chen. Alle waren glücklich – Romy hatte,fast wortlos, alles ausgestrahlt und er-lebt, was es nur gab.

Der starke Stamm einer Familie mitmanchmal wechselnden Besetzungenwar für Romuald sein überlebenswichti-ger Schutzmantel. Er selbst hatte darindie Privilegien einer Ehrenmitglied-schaft. Eva, wie durch Vorsehung für ihnbestimmt durch den gleichen Tag, dasgleiche Jahr der Geburt, eine magischeZwillingspartnerschaft; Thomas, der des

Vaters Profil geerbt hat und sein Theater-gespür mit dazu, der den Eltern dieFreude seiner ganz selbstständigen Kar-riere als Bühnenbildner und Kunstpä-dagoge machen konnte; schließlich dieals Tochter umarmte Adelheid, selbereine beseelte Darstellerin, die sich auchbei den schlimmsten Abstürzen niemalshilflos zeigte, buchstäblich bis zum letz-ten Atemzug für Romuald da war.

Irgendwann ist er wortkarg gewor-den. Was solle er schon reden, meinteder große Rhetoriker, es sei doch schonalles gesagt. Viele Bemühungen, ihnnoch einmal auf die Bühne zu führen,scheiterten an Romys gewollter Abge-schiedenheit. Und es holte ihn dieseKrankheit ein, die alle trifft, welche überihre geistige Lebensgrenze hinaus amLeben bleiben – eine Gnade oder eineStrafe? Jetzt ist er als Sterbender an sei-nen künstlerischen Ausgangsort heim-gekehrt.

Unter den Bühnenkünstlern seinerZeit ist Romuald Pekny ein „Anderer“gewesen. Folgen wir den Spuren vonPeknys großer Fantasie, könnte er in ei-ner anderen Welt gelebt haben, in einerArt „Goldenem Zeitalter“, in dem dieGrenzen zwischen Kunst und Religion,die zwischen Künstler und Priester, ja,die zwischen Priester und Gott noch flie-ßend waren. Möge er in einem solchenHimmel so gut aufgehoben sein wie inunserer Erinnerung, die wir ihn erlebtund geliebt haben; denn so einen wirdes nie wieder geben.

Prof. Dr. Hellmuth Matiasek(Staatsintendant a. D.)

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Kammerschauspieler Professor RomualdPekny wurde am 1. Juli 1920 in Wien alsSohn eines österreichischen Schauspielersgeboren und starb am 9. November 2007

in einem Linzer Krankenhaus nach langer,schwerer Krankeit. Er zählte zu den bedeu-tendsten Charakterdarstellern des deut-schen Sprachraumes und wurde durchRollen in zahlreichen Fernsehspielen undLiteraturverfilmungen, u. a. als PredigerAbraham a Santa Clara, einem breiterenPublikum bekannt. Mit der Schauspielerinund Schriftstellerin Eva Petrus-Pekny ver-heiratet, lebte er zuletzt in Bad Aussee.Seine Beisetzung am Linzer Pöstlingberg-Friedhof, von Pekny ausdrücklich verfügt,begründet sich nach Angabe der Witwedamit, dass sie beide in der Pöstlingberg-kirche vor den Traualtar getreten seien,Sohn Thomas hier geboren worden warund die Karriere ihres Mannes in Linz be-gonnen habe. Neben dem hiesigen Lan-destheater waren speziell die Redoutensäleeine der ersten, wichtigen Stationen inPeknys Bühnenlaufbahn. Als ein weitererBerührungspunkt sind seine späteren, ein-drucksvollen Rezitationen im Dunstkreisdes Adalbert-Stifter-Institutes zu nennen,wo sich Pekny fast immer mit AdalbertStifter und dessen Werk auseinander-setzte.

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„objektiv subjektiv“ DAS FORUM DER MEINUNGEN

Vom „Geist der Zeiten“

Von Josef Demmelbauer

In seinem wenig bekannten Buch„Geistige Strömungen in Österreich1867–1918“, das zuerst den Liberalismus,gefolgt vom Katholizismus, darstellt, zi-tiert der promovierte Jurist Albert Fuchs(1905–1946) aus den 1911 erschienenen„Austriaca“ von Hermann Bahr1 dessenSchilderung seines ersten Besuchs beiden Eltern in Linz nach Beginn seinesWiener Universitätsstudiums. Dabrachte er seinem Vater, dem Notar Dr.Alois Bahr, „zeitlebens im oberösterrei-chischen Landtag ein Hauptredner desLiberalismus“,2 die Nachricht nachHause: „. . . Der Liberalismus ist aus, eineneue Zeit bricht an, Platz für uns . . .“3

Der Abstieg der liberalen Parteihatte begonnen, christlich-konservative,deutsch-nationale und sozialistischeAnschauungen gewannen an Boden.

Der Zeitgeist begann sich zu drehen.„Zeitgeist – Was ist das?“ So übertiteltder Berliner Staatsrechtler Albrecht Ran-delzhofer seinen Beitrag zur Festschriftfür Rupert Scholz,4 Staatsrechtler undzeitweiliger Verteidigungsminister unterHelmut Kohl. Dieser Beitrag ist ein Bei-spiel dafür, dass der Blick eines Juristensich auch auf die geistigen Strömungen,die Staat und Gesellschaft beeinflussen,zu richten hat.

Der „Zeitgeist“ oder der „Geist derZeiten“ hat seit jeher große Geister be-schäftigt: Als erster ist Herder, seit 1776bis zu seinem Tode 1803 in Weimar le-

bend, zu nennen; zum – verstiegenen –„Weltgeist“ emporgehoben hat ihn Hegel(1770–1831), vor allem in seiner „Ge-schichte der Philosophie“. Auf den Bo-den der Vernunft gestellt hat ihn Goetheim ersten Teil des „Faust“. Dort will derBüchermensch Wagner, der Famulus, indie antiken Schriftsteller eintauchen, umBelehrung über den Weltzusammen-hang zu gewinnen:

„Verzeiht! Es ist ein groß Ergetzen,Sich in den Geist der Zeiten zu

versetzen; . . .“

Darauf antwortet ihm Faust als Goe-thes Sprachrohr:

„Was ihr den Geist der Zeiten heißt,Das ist im Grund der Herren eigner

Geist,In dem die Zeiten sich bespiegeln.“

Der Zeitgeist ist in der überzeugen-den Sicht Goethes also nicht höhererHerkunft, er kommt als „im Grund derHerren eigner Geist“ von den Menschen.

1 Sh. Demmelbauer, Oö. Heimatblätter 2004,Heft 3/4, S. 170 ff.

2 Hermann Bahr, Rudigier (1916); dazu kurz be-reits in FN 1, S. 170.

3 Albert Fuchs, „Geistige Strömungen . . .“, Nach-druck der Ausgabe 1949 im Löcker Verlag,Wien 1978, S. 280.

4 Pitschas/Uhle (Hg.), Festschrift für RupertScholz. Duncker & Humblot, Berlin 2007, 1186Seiten, Leinen, EUR 126,–.

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Daraus folgert Randelzhofer, dass mitdem Begriff Zeitgeist eine Strömung an-gesprochen wird, „der man zumindestkritisch, wenn nicht gar klar ablehnendgegenübersteht“.

Wir kehren nun zu Hermann Bahrzurück, und zwar zunächst ins Jahr 1916.Aus dem Atheisten der Studentenzeitwar ein frommer Katholik geworden.Am 11. Juli 1916 schreibt er aus Salzburgan seinen „sehr verehrten, lieben Freund“Josef Redlich:5

„. . . . ; ich habe mein . . . Büchl überRudigier (Weltgeschichte mit Kindheits-erinnerungen drollig bahrisch ver-mischt) kaum fertig . . .“ Es handelt sichum den biographischen Essay „Rudigier“mit einer, wie er an Redlich schreibt,rücksichtslosen Abrechnung mit dem Jo-sephinismus.

Franz Joseph Rudigier, ein gebürtigerVorarlberger, war als Bischof von Linz(1853–1884) und als solcher seit 1861Landtagsabgeordneter, ohne dass er ge-wählt werden musste, „eine Zentralfigurdes kirchlichen und politischen LebensOberösterreichs“. So Harry Slapnicka imAbschnitt „Vom Josephinismus zum po-litischen Katholizismus“ seines Buches„Oberösterreich unter Kaiser Franz Jo-seph (1861 bis 1918)“. Was HermannBahr in seinem „Büchl“ breit darstellt,fasst Slapnicka kurz wie folgt zusammen(S. 268 leicht gekürzt):

Rudigiers Hirtenbrief gegen die Mai-gesetze 1868 (Trennung von Kirche undSchule, Ehegesetz u. a.) wird „wegen desdarin enthaltenen Verbrechens der Stö-rung der öffentlichen Ruhe“ beschlag-nahmt, eine gerichtliche Untersuchungdurch die Staatsanwaltschaft eingeleitet.Rudigier vertritt die Rechtsansicht, aufGrund des Konkordats sei für ihn ein

weltliches Gericht unzuständig. Da ersich deshalb weigert, einer gerichtlichenVorladung Folge zu leisten, wird er am5. Mai 1869 zwangsweise vorgeführt;am 12. Juni 1869 wird er zu einer Geld-strafe von 50 Gulden oder 14 Tagen Ker-ker verurteilt, vom Kaiser von sich ausaber begnadigt.

Hinter dieser Haltung des Bischofssteht der Widerstand der katholischenKirche gegen den Zeitgeist. Hören wirzunächst Hermann Bahr (Rudigier,S. 42):

„. . . Die josephinische Staatskirchewar 1848 eingebrochen. Seit in denGrundrechten des Frankfurter Parla-ments und selbst in der preußischen Ver-fassung den Religionsgesellschaften dasRecht der Selbstbestimmung zugespro-chen worden war, konnte doch auch indem katholischen Österreich die Kirchenicht länger in staatlicher Haft blei-ben . . .“

Das war das Ende des Josephinis-mus, in dem die katholische Kirche zwarprivilegiert, aber auch unter besonderestaatliche Aufsicht gestellt war. Das Kon-kordat von 1855 räumte der Kirche ins-besondere im Schul- und Eherecht soweitreichende Rechte ein, dass AntonGraf Auersperg, der sich als DichterAnastasius Grün nannte, von einem „ge-druckten Canossa“6 sprach. Der Wider-

5 Sh. Brauneder (Hg.), Juristen in Österreich,Orac, Wien 1987, S. 344 f.; Fuchs (FN 3), S. 36 f.

6 Harry Slapnicka, Oberösterreich unter KaiserFranz Joseph (1861–1918), S. 266; ders., Christ-lichsoziale in Oberösterreich, S. 61 ff. ZumKonkordat sh. auch Vocelka, Thron und Altarim alten Österreich, in: Norbert Leser (Hg.), Re-ligion und Kultur an Zeitenwenden. Auf GottesSpuren in Österreich (1984), S. 200 ff., u. a. mitEpigrammen Grillparzers gegen das Konkor-dat.

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stand dagegen wuchs stetig. Da Pius IX.jede paktierte Revision verweigerte,mündeten die Spannungen in einen Kul-turkampf.7

Heute stimmt die Staatsethik der ka-tholischen Kirche weitgehend mit denstaatlichen Grundwerten überein. Nochim Syllabus errorum, den Papst Pius IX.mit der Enzyklika Quanta cura vom8. Dezember 1864 verkündet hatte, wur-den von der heutigen Kirche allgemeinanerkannte staatsethische Aussagen zuden „praecipui nostrae aetatis errores“,zu den „Hauptirrtümern“ des Jahrhun-derts gezählt, zum verderblichen Zeit-geist, gegen den sich die Kirche wehrenmüsse, wie es dann der Hirtenbrief Rudi-giers tat. E. R. Huber fasst in der 2. Auf-lage des 4. Bandes seines in acht Bändegegliederten Werkes „Deutsche Verfas-sungsgeschichte seit 1789“ die 80 Lehr-sätze des Syllabus zusammen (S. 652 ff.),die z. B. die liberalen Grundrechte derReligionsfreiheit, der Kultusfreiheit undder Meinungsfreiheit zurückweisen, imAbschnitt IV den Sozialismus undKommunismus sowie die Geheimgesell-schaften, Bibelgesellschaften u. ä. ableh-nen; die Kirche wird darin definiert alseine wahre und vollkommen freie Ge-sellschaft, die von ihrem göttlichen Stif-ter mit eigenen unvergänglichen Rech-ten ausgestattet ist. Die These 80 wendetsich schließlich gegen jede Aussöhnungwie jedes Sichabfinden der Kirche mitdem Fortschritt, dem Liberalismus undmit der modernen Zivilisation. Bereits1832 hatte sich Papst Gregor XVI. in derEnzyklika „Mirari vos“ gegen „denWahnsinn, es solle für jedermann dieFreiheit des Gewissens verkündet underkämpft werden“, gewandt und diePressefreiheit verurteilt.8

Mit dem ihr entlaufenden „Zeitgeist“konnte und wollte sich die Kirche nichtabfinden, folglich auch nicht Bischof Ru-digier in dem zu seiner Verurteilung (mitanschließender Begnadigung) führendenHirtenbrief mit der Passage: „Vorzüglichsind es seit Monaten die österreichi-schen Staatsgesetze vom 25. Mai d. Js.,an welchen die Lüge die ganze Kraft er-probt. Es ist nicht auszusprechen, wieviel Irriges in dieser Hinsicht bereits vonEinzelnen und von Versammlungen, inWort und Schrift, nahmentlich in den Ta-gesblättern behauptet, und wie vielerMenschen Sinn durch solche Behaup-tungen bereits jämmerlich verderbtwurde.“ (Bild Nr. 17 nach S. 272 bei Slap-nicka, FN 6.)

Die Erbitterung des Bischofs wirdaus der im Folgenden skizzierten Ent-wicklung verständlich:

Die Maigesetze 1868, die Bischof Ru-digiers Hirtenbrief betraf, entzogen derKirche wieder gewisse ihr im Konkordatüberlassene Gebiete der staatlichen Ge-setzgebung; dies gebot der Grund-rechtskatalog der Dezember-Verfassung1867, der in seinem Kern noch heute gel-tendes Verfassungsrecht ist. So wurdendurch sie– „die Vorschriften . . . des ABGB über

das Eherecht für Katholiken wieder-hergestellt, die Gerichtsbarkeit in Ehe-sachen der Katholiken den weltlichen

7 Katholisches Soziallexikon, 2. Auflage 1980(Tyrolia/Styria), Artikel „Kulturkampf“.

8 Isensee, Ethische Grundwerte im freiheitlichenStaat, in: Werte Rechte Normen, Beiträge zuden Salzburger Hochschulwochen 1978, S. 131(164/165); Csaky, Kulturkampf, Freisinn und Li-beralismus im Österreich der siebziger undachtziger Jahre des 19. Jahrhunderts, in: Nor-bert Leser (FN 6), S. 186 ff.

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Gerichtsbehörden überwiesen undBestimmungen über die bedingte Zu-lässigkeit der Eheschließung vor welt-lichen Behörden“ (die sogenannteNotzivilehe) erlassen; ferner

– die „oberste Leitung und Aufsichtüber das gesamte Unterrichts- und Er-ziehungswesen“ dem Staat zugespro-chen; schließlich

– die „interkonfessionellen Verhältnisse“allein staatlichen Normen unterstellt:Es sind dies insbesondere Religions-bekenntnis der Kinder und der Reli-gionswechsel.9

1870 wird das Konkordat durch denKaiser gekündigt, in den Maigesetzen1874 für den innerstaatlichen Bereich zurGänze aufgehoben.

Wandlungen des Zeitgeistes

Randelzhofer hat in seinem oben an-geführten Festschrift-Beitrag (S. 92/93)darauf aufmerksam gemacht, dass aufGrund wissenschaftlicher Entdeckungen– man denke nur an die „Pille“ –, techni-scher Entwicklungen wie Fernsehen oderInternet und dgl. oder Veränderungenim Bereich der religiösen, weltanschauli-chen und politischen Ideen sich der Zeit-geist rascher als in den vergangenenJahrhunderten wandelt. Dazu kommtnoch seine Segmentierung. Bereits 1841hatte der Staatsrechtler und PolitikerCarl Theodor Welcker im Staatslexikonvon Rotteck/Welcker10 zum Stichwort„Öffentlichkeit“ im Hinblick auf die all-gemeine Beschleunigung der geschichtli-chen Entwicklung geschrieben:

„So ist der Zeitgeist heute ein indus-trieller, morgen mehr auf die höhereKultur gerichtet, heute politisch, morgen

religiös, heute mehr liberal und aufklä-rend, morgen mehr fromm und monar-chisch.“

Heutige Strömungen des Zeitgeistes

Wenn der Zeitgeist in vielfältigen Be-reichen wirkt und wenn er sich in vielenvon ihnen relativ rasch wandeln kann,während er sich in anderen lange hält,so ist es schwer, ihn zu fassen. Dazukommt noch, dass die Beurteilung desvielfältigen Zeitgeistes – die Engländerverwenden den Plural „spirit of thetimes“ – auf der subjektiven Weltan-schauung des jeweiligen Betrachters be-ruht. Randelzhofer beschränkt sich des-halb auf eine Auswahl, „die natürlichsubjektiv ist. Andere würden vielleichteine andere Auswahl treffen.“ Folglichlassen sich auch in diesen Zeilen nichtannähernd alle Strömungen des heuti-gen Zeitgeistes ansprechen und schongar nicht beurteilen. Was den einen be-geistert, „wie wir’s dann zuletzt so herr-lich weit gebracht“, ist für den anderenein Greuel; die politischen Ideologienund die daraus entstandenen Parteien,vornehmlich im 20. Jahrhundert, sinddafür Beispiel genug.

9 Aus: Brauneder, Österreichische Verfassungs-geschichte, 16. Kap. II C – Laisierung des Staa-tes, in der 7. Auflage (1998), S. 157 f. Dieses be-währte Studienbuch wird in kurzen Zeitabstän-den neu aufgelegt, zuletzt 10. Auflage aus 2005.Sh. auch Csaky (FN 8), S. 195/196.

10 Das „Staatslexikon“ genoss auch in Österreich„höchste Autorität“: Csaky (FN 8), S. 190/191.Es liegt in einem Neudruck vor: „Das Staats-Lexikon. Encyklopädie der sämtlichen Staats-wissenschaften für alle Stände“, 2. Auflage, Al-tona 1845–1848. 12 Bände mit zusammen 9692Seiten. Leinen. Antiquariat und Verlag Keip,Frankfurt am Main.

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Die von Randelzhofer getroffeneAuswahl betriffta) den Gleichheitssatz,b) Schicksal als einklagbaren Rechtsver-

lust,c) Umweltschutz,d) antiautoritäre Erziehung unde) den Abbau bürgerlicher Werte.

„Andere würden vielleicht eine an-dere Auswahl treffen.“ Das ist gewiss.Unbestreitbar sind aber der Gleichheits-satz und der Umweltschutz.

Zum Gleichheitssatz

Seit der französischen Revolution1789 mit ihrem Ruf nach „Freiheit,Gleichheit und Brüderlichkeit“ ist derGleichheitssatz „Geist der Zeiten“. DieGleichheit vor dem Gesetz ist in unsererDemokratie „schon symbolisch durchdie Aufnahme im B-VG“ allen anderenGrundrechten vorangestellt.11 Bereits imKremsierer Entwurf12 von 1849 und spä-ter im Staatsgrundgesetz über die allge-meinen Rechte der Staatsbürger13 heißtes wie im heutigen Bundes-Verfassungs-gesetz (B-VG), dass vor dem Gesetz alleStaatsbürger gleich sind. Art. 7 Abs. 1zweiter Satz B-VG zeigt jedoch die Stoß-richtung dieses Satzes an: „Vorrechte derGeburt, des Geschlechtes, des Standes,der Klasse und des Bekenntnisses sindausgeschlossen.“ Es geht also um die Be-seitigung alter Privilegien und um dieHerstellung von Chancengleichheit, z. B.im Schulbereich, wo der Streit um dieGesamtschule weitergeht. Die normativeGleichheitsaussage gewinnt ihr Gewichtdaraus, dass die Menschen trotz ihrertatsächlichen Verschiedenheit in be-stimmten Beziehungen gleichbewertetwerden müssen. Freilich gilt dieses Ge-bot nur für gleiche Tatbestände; unglei-

che Tatbestände müssen zu unterschied-lichen Regelungen führen.14 Den gleich-sinnigen Art. 3 des Bonner Grundgeset-zes erläutern Dürig, Scholz und Her-zog15 im Kommentar Maunz/Dürig auf382 (!) Seiten.

Der Analytiker der Gleichheit, Ale-xis de Tocqueville, der auch ihre Gefah-ren für die Freiheit erkannte, zitiert 1848im Vorwort zur 12. Auflage seines „Klas-sikers“ „Über die Demokratie in Ame-rika“ aus dem Beginn dieses um 1835 er-schienenen Buches: „. . . Denkt man, dieDemokratie, die das Feudalwesen zer-stört und die Könige besiegt hat, werdevor den Bürgern und vor den Reichenzurückschrecken? . . .“16 Die lange Wirk-mächtigkeit des Gedankens der Gleich-heit hält an. Das müssen auch jene zuge-ben, die diesen Zeitgeist für übersteigerthalten; und das sind nicht wenige!

Umweltschutz

Im Verhältnis zum Gleichheitssatz istder Umweltschutz ein junger Zeitgeist.Ins allgemeine Bewusstsein ist er vor al-lem durch den Bericht des Club of Rome

11 Oberndorfer, Art. 1 Rz 27, in: Korinek/Holou-bek (Hg.), Österreichisches Bundesverfassungs-recht (Lose-Blatt-Ausgabe seit 1999).

12 In: Heinz Fischer/Gerhard Silvestri (Hg.), Textezur österreichischen Verfassungs-Geschichte(Wien 1970), S. 41.

13 In: Heinz Fischer/Gerhard Silvestri (FN 11),S. 91.

14 Mayer, B-VG3 (2002) Art. 2 StGG III. 1; Pern-thaler, Österreichisches Bundesstaatsrecht(2004), S. 694–696.

15 Der ehemalige deutsche Bundespräsident, einStaatsrechtler ersten Ranges, steuert zur Fest-schrift Scholz den Beitrag „Staatszielbestim-mungen“ (S. 219 ff.) bei.

16 In: dtv Bd. 6063, S. 3.

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zur Lage der Menschheit gedrungen.Die Originalausgabe war 1972 unterdem Titel „The limits to Growth“ erschie-nen, bereits 1973 folgte als rororo Bd.6825 die deutsche Übersetzung als „DieGrenzen des Wachstums“ und erhielt so-gleich den Friedenspreis des deutschenBuchhandels, vielleicht das einzige Buch,das in den letzten Jahrzehnten einenneuen Zeitgeist auf – voraussichtlich –lange Dauer zum Entstehen gebrachthat.

Der Umweltschutz wurde in Öster-reich knapp vor „Hainburg“,17 nämlicham 27. November 1984, in Deutschland1994, jeweils verfassungsrechtlich alsStaatsziel verankert.

Die hohen Arbeitslosenzahlen derletzten Jahre drängten den Umwelt-schutz nur kurzzeitig zurück, die Klima-frage hat ihm neuen Auftrieb gegeben.Er wird uns als Zeitgeist wohl lange be-gleiten!

Abbau bürgerlicher Werte

Pünktlichkeit und Sorgfalt im Alltaghaben nicht mehr denselben hohen Stel-lenwert wie früher; arg treiben es soge-nannte Wirtschaftspolitiker mit demSparsinn der Bürger, einer einstigenexistenziellen Notwendigkeit, als das so-ziale Netz, über dessen teilweise rück-sichtsloses Ausnützen heute auch ge-klagt wird, noch nicht so eng geknüpftwar wie heute: Es wird zum Konsumaufgerufen, um die Wirtschaft anzukur-beln. Im selben Atemzug wird der Bür-ger zur privaten Vorsorge ermahnt, weildie sozialen Netze nicht mehr in derLage sind, den seinerzeitigen Verspre-chungen von der gesicherten Pension

auf hohem Niveau gerecht zu werden.Das Wort „Pflegenotstand“ wird in dieWelt gesetzt.

Die Scheidungsrate ist so hoch wienoch nie. Der Kreis der vom Sakra-mentscharakter der Ehe Überzeugtenwird laufend kleiner. 2007 ist die Gebur-tenrate wieder in die Nähe jenes Wertesabgesackt, der vor der Einführung desKindergeldes mit der umstrittenen Zu-verdienstgrenze erreicht worden war(OÖN, 21. Juli 2007). Günter Grass hat1980 einem kleineren Werk (mit 180Seiten) über ein Lehrerehepaar, beideStudienräte aus Itzehoe, die zwischendem „Kind Ja“ und dem „Kind Nein“ un-entschlossen sind, den Titel „Kopfgebur-ten oder die Deutschen sterben aus“ ge-geben.

Auf der letzten Seite dieses Bucheslässt Grass Folgendes geschehen: Auf ih-rer Fahrt nach Hause läuft ihnen „einJunge vor den Wagen, ohne dass (außer scharfbremsen) etwas passiert.

Es ist ein Türkenjunge, der, neun oder zehnJahre alt, lachend noch einmal Glück hat. aufihn warten weitere Türkenjungen, die mit ihmsein Überleben feiern. Jetzt kommen aus Neben-straßen und Hinterhöfen, von überall her im-mer mehr Kinder, die alle fremdländisch sind.Indische, chinesische, afrikanische, heitere Kin-der. Sie beleben die Straße, winken aus Fenstern,springen von Mauern, werden zahllos. Allefeiern den kleinen Türken, der nochmal Glückgehabt hat. Sie umdrängen, betasten ihn. Sieklopfen den gut erhaltenen VW ab, in dem un-ser kinderloses Lehrerpaar sitzt und nicht weiß,was sagen auf deutsch.“

17 Vgl. Wolfgang Hauer, Hainburg (1985).

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Was gehört noch zum „Zeitgeist“

Auf diese Frage werden die Antwor-ten, wie schon gesagt, vielfältig und un-terschiedlich sein. Die antiautoritäre Er-ziehung würde ich nicht mehr dazu zäh-len, sie ist auch nie Gemeingut gewor-den. Dagegen wächst der Erziehungs-notstand: Scheiternde Ehen, Überbelas-tung der verdienenden Eltern, von derWerbung angeheizte hohe Konsumer-wartungen bei stagnierenden, ja wegender angespannten Lage auf dem Arbeits-markt eher fallenden Einkommenser-wartungen, die allgemeine Reizüberflu-tung, schwindende religiöse Bindungu. a. tragen dazu bei. Wo der Glaubeschwindet, wächst der Aberglaube, dieLeute glauben dann, wie Chesterton ge-sagt haben soll, nicht etwa an nichts,sondern an alles Mögliche. Der Zu-nahme religiös weitgehend Desinteres-sierter steht eine Zunahme von Sektenund neuen Religionen weltweit gegen-über. Gleichzeitig erstarkt der religiöseFundamentalismus, nicht nur im militan-ten Islam, und die Welt wird hierbei inGut und Böse18 eingeteilt. Kriege neh-men den Charakter von Kreuzzügen an(„Schurkenstaaten“).

Die permanente Musikberieselungbezeichnet ein Komponist moderner se-riöser Musik zu Recht als akustischeUmweltverschmutzung. In den öffentli-chen Verkehrsmitteln muss man unfrei-willig die banalsten Handy-Unterhaltun-gen mitanhören.

Fazit

Mit Randelzhofer in seinem Fest-schriftbeitrag (S. 96) vermögen wir „ei-nen über alle Lebensbereiche herrschen-

den und allgemein akzeptierten Zeitgeistheute nicht mehr festzustellen.“ Der Zeit-geist wirkt vielmehr in unterschiedlichenBereichen und in wesentlich rascheremWandel als früher. Ein allgemein gültigerZeitgeist ist daher nicht zu erkennen, sei-nen verschiedenen Erscheinungen be-gegnen die Menschen oft zustimmend,häufiger aber kritisch.

„Wider die Albernheit der Spaß-,Spiel- und Mediengesellschaft erhebtsich der heilige Ernst.“19 Und das nichtnur im Konflikt zwischen islamischerund westlicher Kultur.

Mutig ist dem herrschenden Zeit-geist Alexander Solschenizyn entgegengetreten. Schon im ersten Teil seinesvierbändigen opus magnum „Das RoteRad“, in dem 1972 in deutscher Überset-zung erschienenen „August Vierzehn“mit der russischen Niederlage in derSchlacht von Tannenberg, ist er Fragennach der Veränderung der Welt durchden Zeitgeist nachgegangen, lässt seineRomanfiguren diskutieren über denSinn der Geschichte, die ideale Gesell-schaft, ihre Herbeiführung, ihre Gefähr-dung, über den Niedergang der Kultu-ren.

Eine geradezu alttestamentarischeWucht spricht aus seiner Harvard-Rede1978:

„Der Weg, den wir seit der Renaissancedurchschritten haben, hat uns an Erfahrung be-reichert, aber wir haben jenes Ganze, Höhereauf dem Weg gelassen, das irgendwann unserenLeidenschaften und unserer Freiheit von Verant-wortung eine Grenze gesetzt hatte. Zuviel Hoff-

18 Peter Strasser, Professor für Rechtsphiloso-phie, Graz, in: Mitteilungen 2007 des Katholi-schen Hochschulwerkes Salzburg, S. 38.

19 Isensee, Blasphemie, in Festschrift RupertScholz (FN 4), S. 251.

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nung haben wir in die politisch-sozialen Umge-staltungen gesetzt – und es zeigte sich, daß dieseuns des Allerkostbarsten berauben, das wir be-sitzen: unseres Innenlebens. Im Osten wird esvom Parteimarkt mit Füßen getreten, im Westenvom Wirtschaftsmarkt . . .

Wenn es tatsächlich wahr wäre, daß – wieder Humanismus propagiert hat – der Menschnur für das Glück geboren wäre, so wäre ernicht auch geboren für den Tod. Aber eben ausder Tatsache, daß er körperlich dem Tod be-stimmt ist, ergibt sich seine Aufgabe hier auf Er-den als eine geistige: nicht die Jagd nach Alltäg-lichem, nicht die Suche nach optimalen Mittelnzur Erlangung von Gütern, um diese dann fröh-

lich durchzubringen, sondern das Tragen einernicht ablegbaren, schweren Schuldigkeit, so daßder Lebensweg in erster Linie zu einem Strebennach moralischer Erhebung wird: den Lebens-weg als ein Wesen höheren Grades zu verlassen,als man ihn angetreten hat. Wir kommen nichtumhin, die Skala der Werte zu überprüfen, dieunter den Menschen als solche gelten, und unsüber ihre Fehleinschätzung heute zu wundern.. . . Nur die freiwillige Erziehung des Menschenzu klarer Selbstbeschränkung erhebt die Men-schen über den Materialfluß der Welt.“20

Es lohnt sich auch heute noch, da-rüber nachzudenken.

20 In: Isensee (FN 8), S. 168/169.

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Buchbesprechungen

Heribert Wenninger, Die heimliche Fahne. JungeChristInnen im Widerstand gegen den Nationalsozialis-mus. Roman, 1957. Neuauflage 2006 mit informativenRahmentexten. Wagner-Verlag, Harrachstraße 7, 4020Linz. 215 Seiten, EUR 17,–. ISBN 978-3-902330-16-1

Er gehörte zur Gründergeneration der Katho-lischen Jugend OÖ. und stand als überzeugterChrist, wie viele seiner Gesinnungskameraden,von der ersten Stunde an in vorprogrammiertemKonflikt mit der braunen Gewaltherrschaft imLande: Jugendgruppen aufzubauen, sich regelmä-ßig zu treffen und zu vernetzen – das bedeutetemutige Opposition, dafür drohten Arrest, KZ undTod. Heribert Wenninger und seine Freunde gin-gen indes entscheidende Schritte weiter – im vol-len Bewusstsein der Gefahr, aber auch ihrer Ver-antwortung als gläubige Katholiken inmitten vonWillkür und Unterdrückung. Die spannende Ge-schichte dieser entschlossenen, von 1937 bis 1944im und aus dem Stillen wirkenden Gemeinschafthat Wenninger nach dem Krieg in Romanformaufgearbeitet, die Veröffentlichung des Manu-skripts jedoch nicht mehr erlebt: Am 23. August1953 fand er unter tragischen Umständen bei ei-ner Traunsteintour – dreißigjährig – den Bergtod.

Zur 60-Jahr-Feier ihres Bestehens hat die Ka-tholische Jugend OÖ. das Werk, das Seite fürSeite mit schicksalhafter Dramatik konfrontiert,neu herausgebracht. Um informative Texte berei-chert, verdient die Zweitauflage breiteste Auf-merksamkeit – als beispielhaftes Zeugnis fürchristlichen Bekennermut, Zivilcourage und Glau-benstreue in menschenverachtender Zeit. Landes-hauptmann Dr. Josef Pühringer bei der offiziellenPräsentation im Theatersaal des Linzer Jesuiten-konvents: „Verlässlichkeit, Zu-etwas-Stehen sindwichtige Werte. Die Lektüre dieses Buches kanndas auch heute gut vermitteln!“

Literatur und Kritik. Mai 2007 = Nr. 413/414, 112Seiten. Otto-Müller-Verlag, Salzburg. Die Zeitschrift er-scheint jährlich in fünf Doppelnummern. JahresaboEUR 28,–, Einzelheft EUR 6,80.

Die OÖ. Heimatblätter greifen immer wiederüber ihre eigentlichen geographischen Grenzenhinaus, etwa in Heft 3/4-2006, wo der aus London

gebürtige und nun im „tiefsten Mühlviertel“ le-bende William Mason den Heimatbegriff analy-siert. Auch durch Buchbesprechungen holen siedie Welt nach Oberösterreich, doch ist diesesLand in Geschichte und Gegenwart ihr Haupt-thema.

Ist jemand ein Freund der Literatur der deut-schen Sprache und jener in West und Ost, Nordund Süd, so bieten ihm die Beiträge in „Literaturund Kritik“ vielfältige Anregung. Nach dem Zwei-ten Weltkrieg von Gerhard Fritsch, Rudolf Henzund Paul Kruntorad, damals klingende Namen,begründet, berichtet dieses Literaturmagazin un-ter der Schriftleitung von Karl-Markus Gauß u. a.über das reichhaltige kulturelle Leben der Länderim Osten und Südosten, die einst Teil der altenDonaumonarchie waren. So finden wir im Mai-Heft 2007 eine Rezension von Alois Woldan überdie Familiensaga „Längst nicht mehr koscher“ vonClaudia Erdheim. Das Buch spielt, da die Hand-lung einsetzt, im österreichischen Galizien, das1918 polnisch war und Ende des Zweiten Welt-kriegs der Ukraine einverleibt wurde. Meistkennen die jungen Leute von heute daraus nurLemberg, Literaturfreunden fallen dazu aber etwaJoseph Roth oder Manes Sperber ein, GertrudFussenegger war als Kleinkind dort. Neben vielenanderen Besprechungen rezensiert „Furche“-Redakteur Cornelius Hell den neuen Roman derSüdtirolerin Sabine Gruber, aus dem klar wird:„Die Welt des Gesunden ist eine andere als die desKranken.“ Altenpflege und Dialyse sind u. a. The-men dieses Romans mit dem Titel „Über Nacht“.

Aus dem „Literaturteil“ sei der Beitrag deroberösterreichischen Autoren Adelheid Dahime-ne/Leopold Federmair über Wels und eine japani-sche Stadt herausgehoben. Ein anregendes Heft,eine empfehlenswerte Zeitschrift!

Josef Demmelbauer

Österreichischer Amtskalender 2007/2008. Wien:Verlag Österreich 2007. 1872 Seiten, gebunden,EUR 150,70.

Dieses wiederholt vorgestellte Verzeichnisenthält diesmal unter anderen folgende wesentli-che Neuerungen:

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– die neue SPÖ/ÖVP-Bundesregierung,– die neuen Bundesministerien,– die aktualisierten Daten aller 2357 Gemeinden,– die aktuellen Daten (Fläche, Einwohner, Ge-

bäude) der Statistik Austria.

Letzte Änderungen wurden bis unmittelbarvor Druckbeginn Mitte Juni eingearbeitet. Wie-derum sehr empfehlenswert! J. D.

Brigitte Heinzl: Der Bildhauer Thomas Schwan-thaler (1634–1707). Archivalien, redigiert von GeorgWacha. Aufnahmen von Franz Trost. Hrsg. von der Ge-sellschaft für Landeskunde – OÖ. Musealverein und demMuseum Innviertler Volkskundehaus Ried i. I. Gesamt-herstellung Moserbauer Druck & Verlag, Ried i. I.; o. J.(2007). 200 Seiten mit vielen Farbabbildungen,21 « 27,5 cm. EUR 29,–.

Man muß allen, die am Erscheinen diesesWerkes beteiligt waren, dankbar sein, gibt es dochnun endlich eine Monographie über den erstenbedeutenden Meister dieser Künstlerfamilie. Äu-ßerer Anlaß hiefür war der 300. Todestag desMeisters, dem im Museum Innviertler Volks-kundehaus in Ried i. I. auch eine interessante Aus-stellung gewidmet war, bei der er vor allem auchals Zeichner vorgestellt wurde. Ausführliche Ein-leitungskapitel beschäftigen sich mit der „Ent-wicklung der barocken Skulptur in Oberöster-reich“ und dem „Leben Thomas Schwanthalers“.Dabei wird auch die Heirat seines Vaters in Riedmit der Tochter eines Hoffischers in „Troschburg“erwähnt, mit welchem Ort, wie er als „Throsch-burg“ in den Archivalien aufscheint, Trostburg amInn in Bayern gemeint ist. Es folgt das „Topo-graphische Werkverzeichnis“ und der umfang-reiche „Archivalische Anhang“.

Selbstverständlich wurden Werke von Tho-mas Schwanthaler im Rahmen allgemeinerSchwanthaler-Publikationen bereits ausführlichbehandelt, so z. B. auch im Katalog der geradezulegendären Ausstellung im Jahre 1974 im Stift Rei-chersberg, wo sich im Stiftshof die berühmtebronzene Michaelstatue als Brunnenfigur befin-det. Schon an diesem Beispiel zeigt sich die Pro-blematik der Zuschreibungen. Heinzl nimmt an,daß Thomas Schwanthaler nur den Entwurf hiefürgemacht hat, obwohl er in Raten insgesamt 68 fl.für „S. Michaels pildnus“ erhielt. Das ist übrigensdie Besonderheit dieser Publikation, daß sie einenausführlichen archivalischen Anhang (an dessenZustandekommen mehrere in der Danksagung

erwähnte Persönlichkeiten beteiligt waren) ent-hält, auf den, soweit vorhanden, bei jedem Objekthingewiesen wird, genauso die bisherige Erwäh-nung in der Literatur. Und hier ergibt sich wie-derum die Frage, weshalb sie, anders als die bishe-rigen Forscher, manches dem Thomas zuschreibt,andere Werke aber nicht; Begründungen hiefürfehlen zumeist.

Bei jeder Kirche, in der sich ein Werk ThomasSchwanthalers befindet – sie sind alphabetisch an-geführt – wird zunächst ein kleiner Hinweis aufdie Geschichte der Kirche gegeben, der allerdingsauch nicht immer zielführend ist. Z. B. heißt es beiRußbach im Bezirk Hallein „Pfarrkirche Hl. Kreuz:Filialkirche von Abtenau“. Neben dem Ortsnamenist jeweils der Bezirk und das Bundesland angege-ben, in Deutschland, etwa bei Erlach, der Regie-rungsbezirk und der Landkreis. Bei Wolfegg heißtes allerdings nur „Deutschland“; das Schloß liegtöstlich von Weingarten in Baden-Württemberg.Bei der Altarskulptur in der Bründlkapelle in Pöt-ting bei Andrichsfurt, eine „Not Gottes“, heißt es„Gnadenstuhl“; bei der Literatur wird auf eine Ar-beit von W. Oberwalder in den OÖ. Heimatblät-tern verwiesen; auf der angeführten Seite suchtman den Betreff jedoch vergeblich.

Einen besonderen Dank verdient FotografFranz Trost, der uns eine Fülle sehr guter Aufnah-men bescherte, die vom Verlag gut eingearbeitetwurden. Jedem Schwanthaler-Freund und jedemkunstgeschichtlich Interessierten sei dieses Werkempfohlen. Dietmar Assmann

Stärker (Hrsg.): Medizinrecht. Stand 1. Juni 2007.Wien 2007: Verlag Österreich. 646 Seiten, broschiert,EUR 78,–.

Diese umfangreiche Textsammlung enthältneben den Krankenanstaltengesetzen des Bundesund der Länder die wichtigen einschlägigenBund-Länder-Vereinbarungen über die Neustruk-turierung des Gesundheitswesens und der Kran-kenanstaltenfinanzierung für die Jahre 2005 bis2008 sowie die Patientencharta. Weiters enthaltensind die Berufsrechte der Ärzte und des Gesund-heits- und Krankenpflegepersonals, das einschlä-gige Arbeitszeitrecht, das DokG sowie die neuengesetzlichen Regelungen über die Patientenverfü-gung, und das alles auf dem Stand vom 1. Juni2007. Ein nützliches Werk! J. D.

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Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik.Festschrift für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag.Herausgegeben von Rainer Pitschas und Arnd Uhle. Ber-lin: Duncker & Humblot, 2007. XVIII, 1168 Seiten, geb.,EUR 126,–.

Der durch diese gewichtige Festschrift Ge-ehrte ist ein führender deutscher Staatsrechtlerund war daneben auch politisch tätig, 1988/1989war er Verteidigungsminister im Kabinett Kohl.Die Festschrift enthält nach dem Grußwort vonHelmut Kohl äußerst lesenswerte Beiträge u. a. zu„Staatsrecht und Politik“, zum Thema Europa, zurStaatsmodernisierung, zum Infrastrukturrechtund zum Staatskirchenrecht. Aus dem Abschnittüber Grundrechte und Staatszielbestimmungensei der Beitrag des Bonner Staatsrechtlers JosefIsensee, der vor nun fast 30 Jahren bei den Salz-burger Hochschulwochen einen vielbeachtetenVortrag über „Ethische Grundwerte im freiheitli-chen Staat“ gehalten hatte, wegen seiner Aktuali-tät für jeden politisch, geistesgeschichtlich und re-ligiös Interessierten herausgehoben und vorge-stellt. Der Beitrag (S. 251 ff. des Buches) nimmtseinen Ausgang von den dänischen Karikaturendes Propheten Mohammed als Paradigma für denvon S. Huntington bereits 1996 prognostizierten„clash of civilisations“, den „Kampf der Kulturen“,und bezieht ihn auch in den Skandal um die Mo-zart-Oper „Idomeneo“ an der Deutschen OperBerlin im Herbst 2006 ein. Ein fundamentaler Ge-gensatz zwischen islamischer Tradition und west-licher Moderne durchzieht die Welt, hier die Ab-solutheit des Glaubens, der Gottesstaat, dort derliberale Relativismus, für den die vitale Religiosi-tät des Islam kein Verständnis hat. „Wider die Al-bernheit der Spaß-, Spiel- und Mediengesellschafterhebt sich der heilige Ernst.“

Dafür hat man Verständnis, doch der Funda-mentalismus verstieg sich sogar zu einem Mord-aufruf gegen den Verfasser der „SatanischenVerse“; die Reaktion auf die Regensburger Rededes Papstes ist noch in frischer Erinnerung. Dage-gen hält Isensee, dass der Rechtsstaat, der gegen-über religiös motivierter Gewalt Toleranz übt, Bei-hilfe zur Intoleranz praktiziere. Nach den westli-chen Verfassungen umschließe die Religionsfrei-heit auch die Abkehr von Gott und die Anklagegegen Religion und Kirche etwa aus Enttäuschungüber den Widerspruch zwischen dem Ideal christ-licher Vollkommenheit und kirchlich-gesellschaft-licher Realität. So wie Heine blieb Nietzsche, derGott für tot erklärte, von ihm abhängig, wie seinGedicht „Dem unbekannten Gott“ nachweist: „Ich

will dich kennen, selbst dir dienen.“ Von der staat-lichen Grundrechtsordnung her ist, so Isensee, dieNegation der Religion ihrerseits Religion oderweltanschauliches Bekenntnis. Die christlichenKirchen haben seit der Aufklärung und der Evolu-tionstheorie gelernt, auch andere Überzeugungenals die ihre, ohne sie zu billigen, zu ertragen.

Wer sich mit dem rechtlichen Schutz des Hei-ligen auch aus theologischer und geschichtlicherSicht näher befassen will, dem sei der ebenfalls2007 bei Duncker & Humblot erschienene Band42 der Reihe „Wissenschaftliche Abhandlungenund Reden zur Philosophie, Politik und Geistesge-schichte“ mit dem Titel „Religionsbeschimpfung“empfohlen (139 Seiten, EUR 42,–).

Man sieht: Juristische Festschriften fördernauch Grundlagen des Rechts zu Tage.

Josef Demmelbauer

Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer: Grundriss desösterreichischen Bundesverfassungsrechts. 10.,durchgesehene und ergänzte Auflage, Wien 2007: ManzVerlag. XLI, 850 Seiten, broschiert, EUR 78,–.

Seit 1976 ist der „Walter/Mayer“, nun mit derMitautorin Gabriele Kucsko-Stadlmayer, das gän-gigste Lehrbuch des Verfassungsrechts und be-darf somit keiner weiteren Empfehlung. Die Neu-auflage entspricht dem Stand vom 1. 1. 2007, be-zieht aber bereits spätere Änderungen wie die imJuni 2007 beschlossene Wahlrechtsreform ein,welche die Legislaturperiode des Nationalrats auffünf Jahre verlängert, das Wahlalter auf 16 Jahreabgesenkt und die Möglichkeit der Briefwahl ein-geführt hat. Das Werk nimmt auch auf die lau-fende Diskussion über eine grundlegende Verfas-sungsreform Bedacht (Rz 106–110). Sie soll ein„großer Wurf“ werden, was den Keim des Schei-terns in sich trägt. Dieser „Methode des Planensim großen Stil“ steht die von Karl Popper (Die of-fene Gesellschaft und ihre Feinde I, UTB,S. 213 ff.) als Ad-hoc-Technik bezeichnete Me-thode gegenüber, die die dringlichsten Übel be-kämpft und was gut ist belässt, sich also bemüht,„durch ein kluges Voranschreiten die öffentlichenGebrechen nach und nach zu verdrängen, ohnedurch gewaltsame Maßregeln zugleich oft eben-soviel Gutes mit zu verderben“ (Eckermann, Ge-spräche mit Goethe, dtv 6065, S. 715). Vermutlichwird man mit dem „großen Stil“ nicht ans ange-peilte Ziel kommen, und vielleicht ist es auch bes-ser so! Josef Demmelbauer

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Otto Lackinger: Die Linzer Industrie im 20. Jahr-hundert. Hrsg. vom OÖ. Landesarchiv, HerstellungTrauner Druck, Linz 2007. 380 Seiten mit vielen Tabellen.

Gleich in seiner Einleitung räumt der Autor,ehemaliger Leiter der Abt. Statistischer Dienstbeim Amt der Oö. Landesregierung und Hono-rarprofessor, mit der irrigen Meinung auf, Linzwäre erst mit der Gründung der Hermann-Göring-Werke (VÖEST) zur Industriestadt gewor-den. Tatsache ist vielmehr, dass Linz schon imJahre 1900 ein beachtliches industrielles Potentialaufwies. So erzeugte z. B. die LokomotivfabrikKrauss u. Comp. AG allein zwischen 1900 und1913 insgesamt 550 Lokomotiven, die Zahl derBeschäftigten stieg von 313 im Jahre 1902 aufmehr als 1000 im Jahre 1914.

Nach einigen methodischen Bemerkungen,insbesondere zur Definition des Begriffs „Indus-trie“ sowie zur räumlichen Bezugsbasis, hat sichdoch das Stadtgebiet von Linz von 19,5 km2 imJahre 1900 auf gut 96 km2 im Jahre 1939 erweitert,folgt das Kapitel über „Die Linzer Industrie in derk. u. k. Monarchie von 1900 bis 1918“, anschlie-ßend die Darstellung der „Kriegsindustrie im Er-sten Weltkrieg“, wobei situationsbedingt z. B. dieAufträge für die Schiffswerft ernorm zunahmen,während die Nahrungsmittel- und die Textilindus-trie schwere Einbußen erlitten.

Die Ausgangslage nach dem Kriegsende1918 war für die weitere Entwicklung wesentlichschwieriger als nach dem Zweiten Weltkrieg, wa-ren doch durch den Zerfall der Monarchie völligandere Produktions- und Absatzbedingungen ge-geben. Nach der Währungsstabilisierung 1924 be-gann sich auch die Linzer Industrie zu konsolidie-ren und erreichte zwischen 1927 und 1929 einenHöhepunkt, der bislang viel zu wenig beachtetwurde. Die Weltwirtschaftskrise in den Dreißiger-jahren bescherte natürlich auch der Linzer Indus-trie einen enormen Dämpfer.

Die ab 1938 einsetzende zweite Industrialisie-rungsperiode wurde und wird z.T. noch immerfälschlicherweise als Beginn der Industrialisierungvon Linz bezeichnet, mit welcher Meinung derAutor gründlich aufräumt. Er verweist neben ei-ner genauen Darstellung der Entwicklung der ein-zelnen Betriebe auch auf die in den Rüstungsbe-trieben eingesetzten Zwangsarbeiter. Die verhee-rende Situation bei Kriegsende, insbesonderedurch die durch Bomben verursachten Zerstörun-gen, zeigt sich wohl am besten daran, dass im Mai1945 das Potential und die Beschäftigungszahl an-

nähernd auf den Stand von 1929 zurückgefallenwaren.

Dank der ERP-Wirtschaftshilfe, auch als„Marshall-Plan“ bezeichnet, konnten sich auch dieLinzer Industriebetriebe viel rascher konsolidie-ren als nach dem Ersten Weltkrieg. In weiteren Ka-piteln werden das diverse Auf und Ab mit Hoch-konjunkturen, Krisen, dem Zusammenbruch derverstaatlichten Industrie und ihrer Neustrukturie-rung ein interessanter „Rückblick 1945–1995. VomTrümmerfeld zum Industriezentrum“ und schließ-lich eine Kurzfassung „Hundert Jahre Linzer In-dustrie-Entwicklung (1900–2000)“ geboten.

Neben den 59 aufschlussreichen Tabellen imText gibt es im Anhang zehn weitere Tabellen mitden einzelnen Linzer Industriebetrieben sowie einLiteratur- und Quellenverzeichnis. Lackinger istWissenschafter genug, um auch im Text anhandvon Fußnoten seine Aussagen, die nicht seltengängigen Klischeevorstellungen widersprechen,zu untermauern. Damit entstand ein nicht nur fürLinzer, Heimatforscher und versierte Wirtschafts-geschichtler interessantes Werk. Schade, dass eskein Register und keine Abbildungen (mit Aus-nahme des Umschlags) enthält.

Dietmar Assmann

Saria (Hg.): Der „Stand der Technik“. Wien/Graz2007: Neuer Wissenschaftlicher Verlag – NWV. 145 Sei-ten, broschiert, EUR 34,80.

Der Untertitel dieses aus Einzelbeiträgen be-stehenden Bandes weist ihn als die Darstellungder rechtlichen und technischen Aspekte der„Technikklauseln“ aus. So wird der „Stand derTechnik“ abgehandelt für das Bauwesen, die Infor-mationstechnik sowie für die Bereiche der Elek-trotechnik und der Metallurgie. Im Kunstmarkthat sich der verwandte Begriff des „state of the art“etabliert. Große praktische Bedeutung erlangt der„Stand der Technik“ im Zivilprozess, wenn es etwaum Schadenersatz geht, weitreichend ist er vor al-lem im Umweltrecht. Um ein aktuelles Beispiel zubringen: Ist die neuerdings statt der geplantenFreileitung vielfach geforderte Verkabelung einer380-kV-Starkstromleitung bereits „Stand derTechnik“? In tatsächlicher Hinsicht ist hiezu fest-zuhalten, dass sich im Nieder- und Mittelspan-nungsbereich, also im Verteilernetz, im Gegensatzzum Übertragungsnetz, einem Hochspannungs-verbundnetz mit einer Spannung von 110 kV und

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darüber, Erdkabel bereits weitgehend durchge-setzt haben, also „Stand der Technik“ sind. Dage-gen beträgt im Übertragungsnetz die Trassen-länge in km zum Stichtag 31. Dezember 2005 inÖsterreich bei

Spannungsebene: 110 kV 220 kV 380 kVFreileitung: 6.128 1.882 1.246Kabel: 437 3 22

Für die 380-kV-Spannungsebene bedeutetdies, dass der Anteil der Freileitungen bei denTrassenlängen 98,3 Prozent beträgt. Diese Tatsa-che ist, abgesehen von den Kosten, ein Indiz da-für, dass die Verkabelung in diesem Bereich nicht„Stand der Technik“ ist; es findet sich bestätigt inden gleichlautenden Definitionen des „Standesder Technik“ im Umweltrecht, wonach die Funk-tionen der entsprechenden Technologien erprobtund erwiesen sein müssen. Hiezu obliegt der Be-hörde eine eingehende Begründungslast. Keines-falls kann nach der Rechtsprechung schon als„Stand der Technik“ gelten, „was irgendwo bereitsfunktioniert“. Viel „schärfer“ ist dagegen derRechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Tech-nik“, der aber oft mit dem „Stand der Technik“verwechselt wird. Bei jenem Begriff muss der Ent-wicklungsstand der Technologie nicht „erprobtund erwiesen“ sein; er wird jedoch im Wesentli-chen nur für besonders brisante Bereiche einge-setzt, insbesondere im Atomrecht und im Gen-technikrecht.

Dieses Beispiel zeigt, wie folgenreich die ge-naue Begriffsabgrenzung für die Praxis ist. DerBand empfiehlt sich somit von selbst.

Josef Demmelbauer

Alois Brandstetter: Ein Vandale ist kein Hunne.St. Pölten – Salzburg 2007: Residenz Verlag im NÖ. Pres-sehaus, 2. Auflage 2007. 207 Seiten, geb., EUR 19,90.

Auf den neuen „Brandstetter“ haben offenbarso viele gewartet, dass der ersten Auflage im Jahrihres Erscheinens sogleich eine zweite gefolgt ist.Das neue Buch hat somit keine Empfehlung nötig.Es ist entgegen der Ankündigung zwar kein Ro-man, dafür aber wieder ein „echter Brandstetter“geworden. Und das zählt mehr! Nach einem et-was schwächeren Beginn läuft der Autor zu ge-wohnter großer Form auf. Diese Formulierungwird erlaubt sein, weil Brandstetter auch den Fuß-ball aus seinen Betrachtungen über Gott und dieWelt nicht ausschließt (Rapid und Austria als Jau-

sengegner deutscher und anderer Mannschaften:S. 80). Brandstetters Betrachtungen sind wie im-mer des Nachdenkens wert, sie werden meistspielerisch amüsant vorgetragen, dahinter stehtaber Ernst.

Seinen Ausgang nimmt das Buch von einemunbekannten Sprayer, der wie einst Josef Kyselakin Wien Hauswände in Klagenfurt „verziert“. Umdiese Vandalenakte kreisen Brandstetters Einfällezu Privatisierung/Liberalisierung, Polizei/Gendar-merie (jeweils S. 112), den Paulus-Brief an die Ga-later (S. 72 ff., 136), zum Shoppen, das er mit dem„Schoppen“ in der oö. Mundart vergleicht (S. 146),oftmals zu Jugend und Zeitgeist oder Bildungs-und Schulreform, bis zu Günter Grass’ später SS-Beichte (S. 161 ff.) und und und . . . Nie über-kommt ihn Hass, obwohl ihm manches missfällt,was rundum geschieht (S. 157), weil er, „ein ironi-scher Autor“, weiß, dass der Mensch „um der ge-brechlichen Einrichtung der Welt willen“ (H. v.Kleist) der Nachsicht bedarf. Ein bildungsgesättig-tes Buch des Universitätsprofessors für deutschePhilologie mit Hausverstand und funkelndemWortwitz. Ein echter und brillanter Brandstetter!

Josef Demmelbauer

Georgina Szeless: Augustinus Franz Kropfreiter.Linz, Trauner Verlag, 2007. 96 Seiten mit zahlreichenNotenbeispielen, Abbildungen und einer Musik-CD.ISBN 3-85487-991-1; ISBN 978-3-85487-991-6.

Kurz nach dem Tod A. F. Kropfreiters war derWunsch da, Leben und Schaffen dieses Kompo-nisten, Organisten, Chorregenten und Lehrers inseinen Grundzügen festzuhalten. Dieser Zeit-punkt eröffnet Chancen und stellt auch gewisseAnforderungen an die Verfasser der Biografie ei-ner Künstlerpersönlichkeit, im Falle Kropfreiterseines Komponisten, dessen Werke schon zu Leb-zeiten weltweit auf Konzertprogrammen präsentwaren. Das macht es nicht leicht, die vielen Erwar-tungen der Leser zu erfüllen.

Die Autorin, selbst als Musikkritikerin eini-ger Linzer Tageszeitungen und an der Seite Hed-wig Ebermanns, „der Lebensinterpretin“ Kropfrei-ters, als Gesangssolistin tätig, kennt – so ist anzu-nehmen – seine Werke aus dem Konzertleben sehrgenau. Sie legt sich jedoch darauf fest, eine „Er-zählung über Leben und Werk“ (S. 11) zu verfas-sen. Den Entwicklungsweg des Komponisten anHand seines Schaffens aufzuzeigen, war leider

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nicht ihre Absicht. Einleitend bringt der Stifts-dechant Dr. Ferdinand Reisinger, der KropfreitersWirken sehr aufmerksam verfolgte, eine einfühl-same Schilderung seiner Persönlichkeit als Ange-höriger des Klosters. Hier wäre auch interessantgewesen, wie ihn gleichaltrige oder ältere Mitbrü-der oder Freunde erlebt haben.

In dieser Lebensgeschichte wird auf die erstemusikalische Ausbildung und frühe musikalischeBetätigung im Volksschulalter eingegangen. Dasssich die musikalische Unterweisung zwischenzehntem und siebzehntem Lebensjahr ausschließ-lich auf den regulären Musikunterricht im Gym-nasium beschränkt hätte, ist nicht recht überzeu-gend. Da müsste man auch einfügen, dass derspätere Orgellehrer Prof. Walter Pach an der Mu-sikakademie Wien in den frühen Fünfzigerjahrenan der Musikschule der Stadt Linz unterrichtete.

Wer Kropfreiter und sein sehr selbstkritischeskompositorisches Schaffen etwas genauer kannte,weiß auch um die Durststrecken, die ihn oft längeran der Ausführung konzipierter oder in Arbeit be-findlicher Werke hemmten. Hier wäre es ange-bracht gewesen, auf Erfolge als Komponist zu ver-weisen, die ihm wieder Auftrieb gegeben haben.So war zum Beispiel Kropfreiters „KonzertanteMusik für Orgel und zehn Bläser“ anlässlich derWeihe der Orgel des Brucknerhauses (1974) einHighlight, welches das übrige Konzertprogrammin den Schatten stellte. Dieser herausragende Er-folg ist auch im Werkverzeichnis deutlich erkenn-bar. Hier wird auch das Fehlen von Konzertkriti-ken von Uraufführungen und weiteren Auffüh-rungen bedeutender Werke als Mangel empfun-den. Dadurch wäre auch die aktuelle Position desKomponisten Kropfreiter im gegenwärtigen Mu-sikleben und in der Musikgeschichte erkennbargeworden. Hinweise auf Artikel in Musiklexikaund einschlägige Fachliteratur hätten ebenfallsdazu beitragen können. Im Sinne einer möglichstvollständigen Dokumentation – der Zeitpunktdes Erscheinens dieser Biografie wäre ideal geeig-net gewesen, manches festzuhalten, was in weni-gen Jahrzehnten vergessen ist – hätte man einigeszumindest in Listen erfassen können. Die etwaseinengende Konzentration auf die Lebensge-schichte des Komponisten erwähnt kaum dessenTätigkeit als Konzertorganist. Wohin wurde ereingeladen, welches Repertoire spielte er außerseinen Improvisationen, wie äußerten sich dieMedien dazu? Die nicht wenigen Schallplatten-einspielungen und Rundfunkaufnahmen hätteman zumindest auflisten können. Welche Werke

bevorzugte er als Regens chori des Stiftes, welcheGesangssolisten und welche Instrumentalistenzog er heran? Viel zu kurz kommt auch seine Tä-tigkeit als Veranstalter der traditionsreichen Or-gelkonzerte an der Brucknerorgel. Neben seinerLehrtätigkeit bei den Sängerknaben des Stifteshatte Kropfreiter auch einige Privatschüler, diehier nicht erwähnt werden. Diese Erwartungen er-füllen hoffentlich spätere Publikationen. Daschronologische Werkverzeichnis in Tabellenformgibt einen raschen Überblick über die verschiede-nen Gattungen bzw. Besetzungen seiner Werke.Aufschlussreich wären auch Daten über Auftrag-geber und Uraufführungen, Interpreten und Ortesowie weitere bedeutende Aufführungen. Ein be-sonders wertvolles Dokument ist die beigelegteCD mit einer Orgelimprovisation aus dem Jahr1969.

Im Schriftbild wäre es von Vorteil gewesen,Originaltexte kursiv zu schreiben, um sie deut-licher abzuheben. Trotz Rechtschreibprüfungdurch Textprogramme fordert die automatischeSilbentrennung doch eine letzte Korrektur durchden Autor. Karl Mitterschiffthaler

Egbert Bernauer – Franz Farnberger: Die St. Flo-rianer Sängerknaben. Linz, Trauner Verlag, 2007.304 Seiten mit zahlreichen Fotos und Faksimile.ISBN 978-3-85499-244-8.

Der Trägerverein „Freunde der St. FlorianerSängerknaben“ legt aus Anlass seines zehnjähri-gen Bestehens dieses Buch vor, das als Geschichteder St. Florianer Sängerknaben zu verstehen ist.Die beiden Autoren sind selbst mit deren Ge-schichte eng verbunden. Egbert Bernauers Groß-vater und Vater waren als Erzieher bzw. Lehrer derSängerknaben tätig, Franz Farnberger ist nunmehrschon fast 25 Jahre mit großem Erfolg deren musi-kalischer Ausbildner und Kapellmeister.

Bernauer versucht die Geschichte des Kna-bengesanges im Stift St. Florian seit den Anfän-gen des Klosters im Rahmen der sicher sehr weitzurückreichenden Klosterschule darzustellen. Lei-der sind wenige Dokumente erhalten, die dazuRückschlüsse erlauben. Die Mitwirkung derChorknaben in den Gottesdiensten als Altardie-ner oder Sänger war eine wesentliche Aufgabe derKlosterschüler. Manches ließe sich aus der leidernoch nicht erforschten Musikpflege des Stiftes imMittelalter erschließen. Neben einigen angeführ-ten musikhistorischen Details wären einige be-

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kannte Daten über die liturgischen Osterspiele,die mehrstimmige Musikpraxis, Gesangsstiftun-gen, frühe Orgelbauten, die Musikausbildung derLehrer an den aufblühenden Universitäten u. dgl.zu ergänzen. Ab dem Barock konnte der Autordas Bild etwas umfassender zeichnen. Hier ist dieSchreibweise des Familiennamens Krampfl (S. 37)durch Kampfl (S. 36) richtig zu stellen. Zu ergän-zen wäre, dass in der Regierungszeit Kaiser Jo-sephs II. (S. 42 f.) die Existenz des Stiftes und da-mit auch der Sängerknaben in Frage stand – überdie weitere Verwendung der Chrismanorgel hatteman schon Überlegungen angestellt. Für das 19.Jahrhundert stand dem Autor eine wesentlich bes-sere Quellenlage zur Verfügung. Dabei gerät abermanches zu langatmig, wenn Details, die für dieGeschichte der Sängerknaben unbedeutend sind(etwa die Aufsatz- und Briefschreibübungen desSängerknaben Anton Bruckner und deren Nie-derschlag in dessen Briefen aus späteren Jahren),sehr ausführlich dargestellt werden. Für Zitate ausBruckner-Briefen wäre die neue, wesentlich reich-haltigere, 1998 und 2003 erschienene Briefausgabeheranzuziehen. Die Amtszeit des Propstes Mi-chael Arneth als Pontifikat (S. 50) zu bezeichnen,ist wohl etwas übertrieben. Das unter dem Chor-regenten Ignaz Traumihler und seinen Nachfol-gern gepflegte Kirchenmusikrepertoire hätte manaus den zeitgenössischen Abschriften im Musik-archiv erschließen können. Der Stiftsorganist undKomponist Josef Gruber stammt nicht aus Wöl-lersdorf (S. 47), sondern aus Wösendorf, woraufer sich auch in einem Pseudonym bezieht.

Der künstlerische Leiter Franz Farnbergerlässt seine nahezu 25-jährige Tätigkeit in einerChronik Revue passieren. Er stellt das Alltagsle-ben der Sängerknaben im Internat, die Koordina-tion des Schulbesuchs mit den vielen Aufgabender Sängerknaben, die zahlreichen Einstudierun-gen, Konzerte, solistischen Mitwirkungen anOpernhäusern, die Tätigkeit in der Kirchenmusikder Stiftskirche und schließlich auch die Erfolge

der Sängerknaben sehr objektiv, wie einer, der da-bei war und bestens Bescheid weiß, dar. Dass diebeachtlichen Erfolge, die künstlerische Entwick-lung der „Florianer“ auf höchstes professionellesNiveau seinem uneingeschränkten Einsatz, vor al-lem seinen pädagogischen Fähigkeiten und sei-nem großen Können als Knabenstimmbildner zuverdanken sind, ist nur zwischen den Zeilenherauszulesen. Schlicht und bescheiden qualifi-ziert Farnberger die Erfolge mit „die Kritiken fie-len gut aus“. Seine Chronik lässt uns in der Näheerfahren, welche Erfolge die Sängerknaben in derFerne errungen haben. Um die internationalen Er-folge etwas deutlicher zu machen, hätte er gemes-sen an den vielen Aufführungen etwas mehr unddurchaus umfangreicher Konzert- und Opernkri-tiken einfließen lassen können. Dass aber nochweitere Mitarbeiter am Erfolg seiner Arbeit betei-ligt waren und sind, bringt er in seinen abschlie-ßenden Dankesworten zum Ausdruck.

Der nachhaltige kulturgeschichtliche Wertdieser Bildungsarbeit ließe sich auch daran ermes-sen, inwieweit die Sängerknabenausbildung einstarkes Fundament für spätere Sänger- und Musi-kerkarrieren war. Es wäre die Mühe wert, jeneSängerknaben aufzuspüren, die eine weitere mu-sikalische Ausbildung absolvierten und Sänger,wie etwa Kurt Azesberger und Rudolf Schasching,oder Musiker wurden. Dabei würde man auch aufErich Urbanner (*1936), Professor für Komposi-tion an der Musikhochschule Wien, und sicher-lich auf einige weitere stoßen. Auch eine Chrono-logie der Schallplatten, CDs, Rundfunkaufnah-men, Fernsehaufnahmen u. dgl. würde die Vielfaltder Leistungen der Sängerknaben umfassendersichtbar machen.

Viele Fotos sind spontane Schnappschüsseund als solche echte Dokumente; wegen ihrer oftgeringen fotografischen Qualität hätte man sie inkleinerem Format wiedergeben können, um dieseMängel etwas zu verstecken.

Karl Mitterschiffthaler

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KULTUR

OÖ. HEIMATBLÄTTERBeiträge zur Oö. Landeskunde I 61. Jahrgang I www.land-oberoesterreich.gv.at

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