Über das Schöne - Geisteskind Das Scheone.pdf · PLOTIN Das Schöne (204 – 270 n. Christus) Das...

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  • PLOTIN Das Schne

    (204 270 n. Christus) Das Schne findet sich die Flle im Bereich des Gesichtes; es findet sich im Bereich des Gehrs, bei der Fgung der Wrter und in der gesamten Musik (denn Melodie und Rhythmus ist etwas Schnes); es finden sich aber auch, wenn wir von dem Sinnenreich hinauf schreiten, schne Beschftigungen, Handlungen, Zustnde, Wissenschaften und endlich die Schnheit der Tugenden; und ob sich ber all diesem noch etwas Schnes findet, wird sich herausstellen. Was ist denn nun dasjenige, welches bewirkt da die Leiber dem Blick schn erscheinen und da das Gehr den Lauten als schnen beistimmt, und wie kommt weiterhin die Schnheit alles dessen zustande was es mit der Seele zu tun hat? Sind alle Dinge vermge ein und desselben schn, oder ist die Schnheit etwas anderes wo sie am Leibe, etwas anderes wo sie an einem ndern ist, und was ist diese eine Schnheit oder die verschiedenen? Gewisse Dinge nmlich sind nicht von ihrer Substanz her schn, sondern durch Teilhabe, wie die Leiber; andre sind an sich Schnheit, wie es das Wesen der Tugend ist. Denn dieselben Leiber erscheinen bald als schn bald als nicht schn; Leib sein mu also unterschieden werden von schn sein. Was ist nun das was hier den Leibern anhaftet? Das soll der erste Gegenstand unserer Untersuchung sein. Was ist es, das den Blick des Beschauers erregt, auf sich lenkt und mitzieht und an dem Anblick sich ergtzen lt? Wenn wir das finden, knnen wir es vielleicht auch als Stufe zur Betrachtung der sonstigen Schnheit verwerten. Ziemlich allgemein wird behauptet, da ein Wohlverhltnis der Teile zueinander und zum Ganzen, und zustzlich eine schne Frbung, die sichtbare Schnheit ausmacht; schn sein bedeute, fr die sichtbaren Dinge und berhaupt fr alles andere, symmetrisch sein, Ma in sich haben. Fr die Verfechter dieser Lehre kann es also nichts einfaches sondern notwendig nur ein zusammengesetztes

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  • Schnes geben; das Ganze ferner kann schn sein, seine einzelnen Teile aber knnen von sich aus nicht schn sein, sondern nur sofern sie zur Schnheit des Ganzen beitragen. Aber wenn denn das Ganze schn ist, so mssen es auch die Teile sein; denn ein Schnes kann doch nicht aus hlichen Bestandteilen bestehen, sondern die Schnheit mu alle Teile durchsetzen. Die schnen Farben ferner, wie auch das Licht der Sonne, da sie einfach sind und also ihre Schnheit nicht auf Symmetrie beruhen kann, bleiben fr sie vom schn sein ausgeschlossen. Und das Gold, wie kann es dann noch schn sein? Und das Funkeln der Nacht, wodurch ist es ein schner Anblick? Auch mte dann bei den Lauten ebenso das Einfache fortfallen; dabei ist doch vielfach der einzelne Ton unter denen die in dem schnen Ganzen sind auch seinerseits schn. Da nun ferner dasselbe Antlitz, ohne da sich die Symmetrie seiner Teile ndert, bald schn erscheint bald nicht, so mu man zweifellos das Schne als etwas anderes ansehen das zum Symmetrischen erst hinzutritt, und das Symmetrische mu seine Schnheit erst durch ein anderes erhalten. Wenn sie dann aber etwa weiterschreiten zu den schnen Beschftigungen und den schnen Gedanken und auch hier die Symmetrie als Grund der Schnheit angeben, was kann man unter Symmetrie bei schnen Beschftigungen Gebruchen Kenntnissen Wissenschaften denn berhaupt noch verstehen? Wie knnen Lehrstze symmetrisch zueinander sein? Sofern sie zueinander stimmen? Nun, auch die schlechten Stze stimmen und passen zueinander; die beiden Stze Selbstbeherrschung ist Torheit und Gerechtigkeit ist nur naive Biederkeit passen und stimmen vllig zueinander. Jede Tugend ist Schnheit der Seele, und zwar eine wahrere Schnheit als die vorher genannten Dinge. Aber in welchem Sinne sollen sie symmetrisch sein? Auch wenn die Seele mehrere Teile hat, knnen sie nicht als Gren und nicht als Zahlen symmetrisch sein; denn nach welcher Proportion sollte eine Zusammensetzung oder Vermischung der Seelenteile statt

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  • haben? Und der Geist, worin sollte dann seine Schnheit bestehen, wenn er fr sich allein ist? So kehren wir zu unserm Ausgangspunkt zurck und wollen zuerst bestimmen was denn nun das Schne an den Leibern ist. Es gibt nmlich etwas Schnes das schon beim ersten Blick wahrgenommen wird; das vernimmt die Seele gewissermaen und spricht es aus; indem sie es erkennt, billigt sie es und fgt sich ihm sozusagen; wenn ihr Blick dagegen auf das Hliche trifft, so wendet sie sich um, verweigert sich ihm und lehnt es ab, denn es stimmt nicht zu ihr und ist ihr fremd. Wir behaupten nun, wenn die Seele das ist was ihr wahres Wesen ist, und das heit: auf der Seite der Wesenheit steht die in der Welt die obere ist, so ist es das Verwandte oder auch nur die Spur des Verwandten, dessen Anblick sie erfreut und erschttert; sie bezieht das auf sich selbst und erinnert sich ihres eigensten Wesens und dessen was ihr angehrt. Aber wie kann denn eine hnlichkeit dieser Erdendinge mit der oberen Welt bestehen? Und mgen sie auch, da es eine hnlichkeit gibt, irgendwie hnlich sein - wieso kann aber das obere und das irdische beides schn sein? Das geschieht, so lehren wir, durch Teil haben an der Gestalt (Idee). Denn alles Formlose ist bestimmt Form und Gestalt anzunehmen; solange es daher keinen Teil hat an Begriff und Gestalt, ist es hlich und aus-geschlossen von der gttlichen Vernunft; das ist das schlechthin Hliche; hlich ist aber auch das was von der Form und dem Begriff nicht voll bewltigt wird, weil die Materie eine gnzlich der Idee entsprechende Formung nicht zulie. Die Idee tritt also hinzu; das was durch Zusammensetzung aus vielen Teilen zu einer Einheit werden soll, das ordnet sie zusammen, bringt es in Zusammenhang und macht es einheitlich mit sich bereinstimmend, da ja sie selbst einheitlich ist und das Gestaltete soweit es ihm, das aus Vielem besteht, mglich ist, auch einheitlich sein soll; ist es so zur Einheit gebracht, so sitzt auch schon die Schnheit an ihm und teilt sich den Teilen so gut mit wie dem Ganzen; trifft aber die Idee auf ein bereits Einheitliches, aus gleichartigen

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  • Massenteilchen Bestehendes, so teilt sie die Schnheit dem Ganzen mit; so wie die Schnheit bald, durch die Kunst, einem ganzen Hause mit seinen Teilen gegeben wird, bald, durch eine Naturkraft, einem einzelnen Stein. Der schne Krper also entsteht durch Teilnehmen an der von den Gttern kommenden Form. Die Erkenntnis dieses Schnen nun vollzieht dasjenige Vermgen der Seele, welches dazu bestimmt ist; es ist berufen zu befinden ber Dinge seines Bereiches, sofern auch die brige Seele mit urteilt; vielleicht aber entscheidet auch die Seele allein, indem sie das Schne nach der Idee, die bei ihr wohnt, abmit, die Idee als Norm des Richtigen bei der Entscheidung verwendet. Aber wie 1 kann denn die Schnheit die am Leibe ist mit jener die vor und ber dem Leibe ist, bereinstimmen? Und wie kann der Baumeister das Haus drauen, welches er nach der Idee des Hauses in seinem Innern abgestimmt hat, schn nennen? Nun, weil das uere Haus, wenn man von den Steinen als Masse abstrahiert, eine Teilung (Individuation) der inneren Idee vermge der ueren Masse der Materie bedeutet, eine Sichtbarwerdung des Unteilbaren in der Vielheit. Erblickt nun die Wahrnehmung die Idee an den Krpern, welche die wegen ihrer Gestaltlosigkeit widerstrebende Realitt bewltigt und zur Einheit verbindet, und die Form, welche hervorleuchtend ber den ndern Formen thront, so fat sie das Vielfltige der Leibeserscheinung zusammen, hebt es empor, bringt es hinan zur Stufe des Innern, welches unteilbar ist, und berliefert es ihm als ein bereinstimmendes, zu ihm Passendes, Befreundetes; so wie einem edlen Mann schon die aufleuchtende Spur der Tugend im Gesicht eines Jnglings wohltut, welche bereinstimmt mit dem Eigentlichen, dem drinnen. Die Schnheit der Farbe ist ein Einfaches vermge einer Form, indem das Dunkel in der Materie bewltigt wird durch die Anwesenheit des Lichtes, welches unkrperlich ist, Gedanke und Gestalt. Daher denn auch das Feuer als solches vor den ndern Krpern schn ist; denn es hat den Rang der Idee im Verhltnis zu den ndern

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  • Elementen, es ist das oberste seiner Stellung nach und der feinste von allen Krpern wie es seiner Nhe zum Unkrperlichen entspricht; es nimmt allein die ndern Krper nicht in sich auf, whrend die ndern es aufnehmen (die ndern Krper knnen erwrmt, das Feuer aber nicht abgekhlt werden): so ist dem Feuer denn auch primr die Farbe eigen, und die ndern Krper entnehmen erst von ihm die Gestaltung durch Farbe; daher leuchtet und glnzt es, wie es einer Idee zukommt. Was aber nicht von der Form bewltigt wird, bekommt ein blasses Licht und gehrt nicht mehr zum Schnen, da es nicht voll an der Gestaltung durch die Farben Teil hat. Bei den Tnen ferner sind es unsinnliche Harmonien welche die sinnlichen hervorbringen; sie lassen die Seele des Schnen innewerden, indem sie ihr an einem ndern das ihr Gleiche zeigen. Den sinnlichen Harmonien ist es eigen dem Ma unterworfen zu sein, nicht in jedem beliebigen Zahlenverhltnis, sondern nur in demjenigen welches der schaffenden Idee dienlich ist die Herrschaft zu erlangen. Damit genug von den sinnlich schnen Dingen; Abbilder und Schatten die aus der oberen Welt gewissermaen entflieen und in die Materie hinabgehen, verursachen es da sie wohlgeformt sind und ihr Anblick entzckt. Zur Betrachtung des oberen Schnen, das zu erblicken der Wahrnehmung nicht mehr vergnnt ist, sondern ohne die Sinne sieht es die Seele und versteht es - zu dieser Betrachtung mu man hinaufsteigen und die Wahrnehmung unten lassen. Wie ber das sinnlich Schne nicht sprechen kann wer es nicht gesehen oder nicht als schn begriffen hat, also etwa ein Blindgeborener, so kann auch ber die Schnheit geistiger Ttigkeiten nicht sprechen wer nicht diese Schnheit geistiger Ttigkeiten und Wissenschaften und hnlicher Dinge bejaht, nicht ber das Leuchten der Tugend, wer sich nie vor Augen gehalten wie schn das Antlitz der Gerechtigkeit und Migkeit - schner als Morgenstern und Abendstern; vielmehr mu man sehend sein mit dem Sinn mit dem die Seele derartige Dinge schaut, und wenn man sie

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  • erblickt, weit mehr als bei dem sinnlich Schnen sich freuen, entzckt und gepackt sein, denn nun rhrt man an das Eigentliche. Betroffenheit, se Erschtterung, Verlangen, Liebe, lustvolles Beben, das sind Empfindungen die gegen jegliches Schne eintreten mssen. Auch gegen das nicht Sichtbare kann man sie erleben, es erleben sie auch eigentlich alle Seelen, aber strker die liebebewegteren unter ihnen, so wie die leibliche Schnheit alle sehen, aber nicht alle in gleicher Strke von ihr angestachelt werden, sondern einige in besonders starkem Ma, von denen man spricht sie lieben. Die nun also liebebewegt sind auch gegen das Nicht-sinnliche, die mu man fragen: was empfindet ihr gegenber den schnen Ttigkeiten, den schnen Sitten, dem mavollen Charakter, berhaupt bei tugendhafter Leistung und Gesinnung und bei der Schnheit der Seele? Und wenn ihr eure eigene innere Schnheit erblickt, was empfindet ihr dabei? Warum seid ihr in Schwrmerei und Erregung und sehnt euch, euer Selbst aus dem Leibe zu versammeln und nur mit ihm zusammenzusein? Das nmlich sind die Empfindungen dieser echten Liebebewegten. Und was ist der Gegenstand dieser ihrer Empfindungen? Nicht Gestalt nicht Farbe nicht irgend eine Gre, sondern die Seele, selbst farblos, in sich tragend die farblose Selbstbeherrschung und den Glanz der ndern Tugenden: in euch selbst wahrzunehmen oder beim ndern zu schauen Groherzigkeit, gerechten Sinn, lautere Selbstzucht, die Tapferkeit mit ihrem ernsten Antlitz, Wrde und Zchtigkeit, welche sich in einem ruhigen, von keiner Wallung und keiner Leidenschaft erregten Seelenzustand ausbreiten, und ber alle diesem leuchtend den Geist, den gottgleichen. Das ist es was wir bewundern und lieben; aber wieso nennen wir das schn? Nun, es ist so und erscheint so, und wer es sieht kann nicht leugnen, da es das wahrhaft Seiende ist. Und was ist es wahrhaft? Eben schn. Aber es bleibt noch zu untersuchen durch welchen Zug seines Wesens es die Seele liebenswert macht. Was ist es das aus allen Tugenden gewissermaen als ihr Licht

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  • hervorleuchtet? Vielleicht tun wir gut das Gegenteil einmal ins Auge zu fassen, das Hliche in der Seele, und es dem Schnen gegenberzustellen; denn es knnte wohl zu unserer Untersuchung beitragen, was das Wesen des Hlichen ist und weshalb es als solches erscheint. Nehmen wir also eine hliche Seele, zgellos und ungerecht, voll von vielen Begierden, von vieler Wirrnis, in ngsten wegen ihrer Feigheit, in Neid wegen ihrer Kleinlichkeit, auf alles sinnend worauf denn sterbliche, niedrige Wesen zu sinnen pflegen, unredlich allerwegen, vertraut mit unreinen Lsten, und so lebend da sie das Hliche, das ihr vom Krper widerfhrt, als etwas Lustvolles empfindet. Eben diese Hlichkeit nun, mssen wir von ihr nicht sagen da sie hinzutritt als ein ueres bel? Denn es entstellt sie, macht sie unrein und durchsetzt sie mit Schlimmem, da ihr Leben und Wahrnehmen nicht mehr rein ist, sondern durch die Beimischung des beln verdunkelt und reichlich mit Tod durchsetzt, da sie nicht mehr sehen kann was eine Seele sehen soll, und nicht mehr die Ruhe hat in sich selbst zu verweilen, da sie immer nach auen, zum Niedern, Dunkeln hingezerrt wird. Da sie also, meine ich, verunreinigt ist, hin- und hergerissen wird durch die Anziehung der Wahrnehmungsobjekte, viel Leibliches in sich trgt, viel Materielles berhrt und in sich aufnimmt, so hat sie durch die Vermischung mit dem Niedrigen eine fremde Gestalt angenommen. So tritt, wenn einer in Schlamm oder Lehm eintaucht, seine vorige Schnheit nicht mehr in Erscheinung, sondern man sieht nur das was von Schlamm oder Lehm an ihm haftet; fr den ist doch das Hliche ein fremder Zusatz, und es ist nur seine Aufgabe, wenn er wieder schn sein will, sich zu waschen und zu reinigen, dann ist er wieder was er war. So drfen wir wohl mit Recht die Hlichkeit der Seele als eine fremde Beimischung, eine Hinwendung zum Leib und Stoff bezeichnen, und es bedeutet also hlich sein fr die Seele nicht rein und ungetrbt sein, sondern wie Gold mit Schlacke verunreinigt; entfernt man nur die Schlacke, so bleibt

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  • das Gold zurck und ist schn, sobald es vom Fremden losgelst nur mit sich selbst zusammen ist; so ergeht es auch der Seele: lst sie sich von den Begierden die sie durch die zu innige Gemeinschaft mit dem Leibe erfllen, befreit sie sich von allen ndern Leidenschaften und reinigt sich von den Schlacken der Verkrperung und verweilt allein mit sich, dann hat sie das Hliche, das ihr aus einem fremden Sein kommt, restlos abgelegt. So ist denn also, wie es die Lehre der Alten sagt, die Migkeit und Tapferkeit und jegliche Tugend und auch die Weisheit selber eine Reinigung; und das ist auch die verhllte Meinung der Mysterien, die richtig lehren, da der nicht Gereinigte im Hades im Schlamm liegen wird, denn das Unreine ist mit dem Schlamm vertraut durch seine Schlechtigkeit, so wie die Schweine, da sie unreinen Leibes sind, am Unreinen ihre Lust haben. Was ist denn auch wahre Selbstzucht anderes als keine Gemeinschaft pflegen mit den Lsten des Leibes, sie fliehen da sie unrein und des Reinen unwrdig sind? Tapferkeit ferner heit den Tod nicht frchten, der Tod aber ist die Trennung der Seele vom Leibe: davor frchtet sich der nicht, der es liebt allein (mit seiner Seele) zu sein. Und Seelengre bedeutet ja doch, von den Erdendingen absehen knnen. Und Weisheit ist Denken in Abwendung von dem Unteren, und fhrt die Seele zum Oberen hinauf. Durch solche Reinigung wird die Seele Gestalt und Form, vllig frei vom Leibe, geisthaft und ganz dem Gttlichen angehrig, aus welchem der Quell des Schnen entspringt und von wo alles andere kommt das ihr angestammt ist. Wird so die Seele hinaufgefhrt zum Geist, so ist sie in noch hherem Grade schn; denn der Geist und was bei ihm wohnt, das ist fr sie keine fremde sondern die wesenseigne Schnheit, weil sie dort allein wahrhaft Seele ist. Deshalb heit es mit Recht, da fr die Seele gut und schn werden Gott hnlich werden bedeutet, denn von ihm stammt das Schne und berhaupt die eine Hlfte des Seienden; oder vielmehr ist das wahrhaft Seiende das Schne, das nicht wahrhaft Seiende aber das Hliche, und das ist zugleich das

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  • ursprnglich Bse; so ist auch anderseits Gutes und Schnes, Gte und Schnheit identisch. Schn und gut, hlich und bse ist also auf dem gleichen Wege zu untersuchen. Als Erstes ist anzusetzen die Schnheit, welche zugleich das Gute ist; von daher wird der Geist unmittelbar zum Schnen, und durch den Geist ist die Seele schn; und das weitere Schne dann, in den Handlungen und Ttigkeiten, kommt von der gestaltenden Seele her; und die Leiber schlielich, welche man schn nennt, macht die Seele dazu; denn da sie ein Gttliches ist und gewissermaen ein Stck des Schnen, so macht sie das was sie anrhrt und bewltigt, schn, soweit es an der Schnheit Teil haben kann. So mssen wir wiederum hinaufsteigen zum Guten, nach welchem jede Seele strebt. Wenn einer dies gesehen hat, so wei er was ich meine, in welchem Sinne es zu-gleich schn ist. Erstrebt wird es sofern es gut ist, und unser Streben richtet sich auf es als auf ein Gutes; wir erlangen es nun indem wir hin auf schreiten nach oben, uns hinaufwenden und das Kleid ausziehen das wir beim Abstieg angetan haben, so wie beim Hinaufschreiten zum Allerheiligsten des Tempels Reinigung gefordert wird und Ablegung der bisherigen Kleider und man nackt hinaufsteigt; bis man dann, beim Aufstieg an allem was Gott fremd ist vorbergehend, mit seinem reinen Selbst jenes Obere rein erblickt, ungetrbt, einfach, lauter, es von dem alles abhngt, zu dem aufblickend alles ist, lebt und denkt, denn es ist Ursache von Leben Denken und Sein; wenn man dieses also erblickt, von welcher Liebe, welcher Sehnsucht wird man da ergriffen in dem Wunsch sich mit ihm zu vereinigen, und wie lustvoll ist die Erschtterung! Wer es nmlich noch nicht gesehen hat strebt zu ihm als zum Guten; wer es aber erblickte, der darf ob seiner Schnheit staunen, er ist voll freudigen Verwunderns, einer Erschtterung die nicht schdlich ist, er liebt wahre Liebe, er lacht des brennenden Begehrens, berhaupt aller anderen Liebe und verachtet was er frher fr schn hielt. So geht es denen welche die Gestalt eines Gottes oder Dmons erblickt haben, sie knnen die

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  • Schnheit anderer Leiber nicht mehr wie sonst bejahen; was aber erlebt erst der welcher das Schne selbst schaut, an und fr sich und in seiner Reinheit, nicht mit Fleisch und Krper befleckt, nicht auf Erden nicht im Himmel, sonst wre es nicht rein, denn das alles ist fremde Zutat und Mischung und nicht ursprnglich, sondern stammt erst eben von jenem Oberen. Sieht er nun also Jenes, welches alle Dinge ausstattet und ihnen mitteilt, wobei es aber in sich beruht und seinerseits nichts empfngt, und verweilt er in der Schau dieses Hohen und geniet sie und wird ihm hnlich, was fr eines Schnen bedarf er da noch ? Denn dies ist ja selbst die Schnheit an sich und ursprnglich, und macht die welche es lieben schn und lieblich. Darum denn auch der grte, hchste Wettkampf der Seelen geht um dessentwillen ja die ganze Anstrengung geschah, nicht verlustig zu gehen dieser herrlichsten Schau, welche den der sie erlangt selig macht, da er seligen Anblicks geniet. Wem es aber nicht glckt der ist wahrhaft unglcklich; denn nicht wer schne Farben und schne Leiber, nicht wer Macht, mter, den Knigsthron nicht erlangt, ist unglcklich, sondern allein wer dies eine nicht erlangt, dessen habhaft zu werden einer Knigsthron und Herrschaft ber die ganze Erde, das Meer und den Himmel fahren lassen soll, ob er vielleicht wenn er das alles hinter sich lt und gering achtet und sich jenem Einen zuwendet, es erblicken knnte. Aber welches ist nun der Weg, welches das Mittel? Wie kann man die berwltigende Schnheit erschauen, die drinnen bleibt im heiligen Tempel und nicht nach auen herausgeht da sie auch ein Ungeweihter sehen knnte? So mache sich denn auf und folge ihr ins Innere wers vermag, und lasse das mit Augen Gesehene drauen und drehe sich nicht um nach der Pracht der Leiber wie einst. Denn wenn man die Schnheit an Leibern erblickt, so darf man nur nicht sich ihr nhern, sondern mu erkennen da sie nur Abbild, Abdruck und Schatten ist, und fliehen zu jenem von dem das Irdische Abbild. Denn wenn einer zu ihr eilen wollte und sie ergreifen als sei sie ein Wirkliches, so geht es ihm wie jenem

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  • Mann von dem irre ich nicht eine Sage meldet die hierher zu ziehen ist: der sah ein schnes Bild auf dem Wasser, wollte es ergreifen, aber strzte in die Tiefen der Flut und ward nicht mehr gesehen; ganz ebenso wird auch wer sich an die schnen Leiber heftet und nicht von ihnen lt, hinabsinken nicht mit dem Leibe aber mit der Seele in dunkle Tiefen die dem Geiste strend sind; so bleibt er als Blinder im Hades (im Dunkel) und lebt schon hier wie einst dort nur mit Schatten zusammen. So lat uns fliehen in die geliebte Heimat - dieser Rat entspricht eher der Wahrheit. Und worin besteht diese Flucht und wie geht sie vor sich? Wir werden aufs Meer hinauseilen wie Odysseus von der Zauberin Kirke oder von Kalypso, wie Homer sagt, und deutet damit, meine ich, an: er wars nicht zufrieden zu bleiben obgleich er die Lust hatte die man mit Augen sieht, und der Flle wahrnehmbarer Schnheit geno. Dort nmlich ist unser Vaterland von wo wir gekommen sind, und dort ist unser Vater. Was ist es denn fr eine Reise, diese Flucht? Nicht mit den Fen sollst du sie vollbringen, denn die Fe tragen berall nur von einem Land in ein andres, du brauchst auch kein Fahrzeug zuzursten das Pferde ziehen oder das auf dem Meere fhrt, nein, nur gleichsam die Augen schlieen und ein andres Gesicht in dir erwecken, welches jeder hat, aber wenige brauchen es. Und was sieht dies innere Gesicht? Wenn es eben erweckt ist, kann es den Glanz noch nicht voll erblicken; so mu man die Seele gewhnen, zuerst mu sie die schnen Ttigkeiten sehen, dann die schnen Werke, nicht welche die Knste schaffen, sondern die Mnner die man edel nennt; und dann blick auf die Seele derer die diese schnen Werke tun. Wie du sehen kannst welche Schnheit eine gute Seele hat? Kehre ein zu dir selbst und sieh dich an; und wenn du siehst da du noch nicht schn bist, so tu wie der Bildhauer, der von einer Bste welche schn werden soll, hier etwas fortmeielt, hier etwas ebnet, dies glttet das klrt, bis er das schne Antlitz an der Bste vollbracht hat; so meile auch du fort was unntz und richte was krumm ist, das Dunkle reinige und mach es

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  • hell und la nicht ab an deinem Bild zu handwerken, bis dir hervorstrahlt der gttliche Glanz der Tugend, bis du die Selbstzucht erblickst thronend auf ihrem heiligreinen Postament. Bist du so geworden und erblickst dich so, bist du nur und allein mit dir selbst zusammen, und nichts hemmt dich auf diesem Wege eins zu werden, und keine fremde Beimischung hast du mehr in dir, sondern bist ganz und gar reines, wahres Licht, nicht durch Gre gemessen, nicht durch Gestalt umzirkt in engen Grenzen, auch nicht durch Unendlichkeit zu einer Gre auf getrieben, sondern gnzlich unmebar, grer als jedes Ma und erhaben ber jedes Wieviel: wenn du so geworden dich selbst erblickst, dann bist du selber Sehkraft, gewinnst Zutrauen zu dir, und dann schreite hinauf, dann brauchst du keine Weisung mehr, sondern blicke unverwandt, denn allein ein solches Auge schaut die groe Schnheit. Wer aber die Schau unternimmt mit einem durch Schlechtigkeit getrbten Auge, nicht gereinigt oder schwach, der kann aus Schwachheit das ganz Helle nicht sehen und sieht auch dann nichts wenn einer ihm das was man sehen kann, als anwesend zeigt. Man mu nmlich das Sehende dem Gesehenen verwandt und hnlich machen, wenn man sich auf die Schau richtet; kein Auge kann die Sonne sehen das nicht sonnenhaft geworden ist; so sieht auch keine Seele das Schne, welche nicht schn geworden ist. Es werde also zuerst jeder gotthnlich und jeder schn, der Gott und das Schne schauen will. Dann wird er im Emporsteigen zuerst zum Geist gelangen und wird dort alle schnen Formen sehen und sagen, das sei die Schnheit: die Ideen; denn durch sie ist alles schn, sie die Erzeugnisse des Geistes und der Substanz; die Wesenheit aber jenseits des Geistes nennen wir das Gute, und sie hat das Schne wie einen Schirm um sich; sie ist also, allgemein gesagt, das Erste Schne; trennt man das Geistige ab, so mu man den Ort der Ideen als das Geistige Schne ansehen, als das Gute aber das Jenseitige, welches Quell und Urgrund des Schnen ist;

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  • oder man mu das Gute und das Schne gleichsetzen: nur mu das Schne der oberen Welt angehren.

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