Best of agile# - Sybit GmbH · 2018-01-17 · Das Geheimnis passionierter Teams Marc Löffler Das...
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Agile Softwareentwicklung im Fokussybit-agile.de
Ausgabe 1609/2016
Best ofagile#
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Inhalt
Vorwort: Das Agile in Zeiten des UmbruchsJohannes Hartmannsgruber
„Ich weiß genau, was Du nicht meinst…”Gabriele Kottlorz
Agilität für Gesellschafter: 7 Schritte, um den Unternehmenswert nachhaltig zu steigernKarl Bredemeyer und Stefan Willuda
Das Geheimnis passionierter TeamsMarc Löffler
Das geht morgen auch noch!Architekturentscheide sinnvoll vertagen für mehr AgilitätUrs Enzler
Phase 0 – das Schmiermittelfür den Start komplexer IT-ProjekteGerd Bart
The very best of ScrumThomas van Aken
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Seite 4
Seite 8
Seite 12
Seite 16
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Seite 26
2 sybit agile Ausgabe 16
Das Agile in den Zeiten des UmbruchsWer die Entwicklungen auf dem Innovationsmarkt auch nur mit einem Auge beobachtet, hört immer öfter von Game Changern, disruptiven Technologien und revolu-tionären Umbrüchen. Ob nun die Automobilindustrie mit dem Elektroauto hadert, ob die Taxibranche Uber oder Lyft bekämpft oder ob ganze Berufszweige wie LKW-Fahrer durch selbststeuernde Fahrzeuge in Frage gestellt werden – die Änderungen sind grundlegend und es gibt nicht nur Gewinner. Außerdem dauert es nicht mehr Jahrzehnte, wie das bei der zurückliegen-den industriellen Revolution der Fall war, es sind nur wenige Jahre, die den Umbruch bringen.Und wir? Wir stellen die Agile Bodensee 2016 unter das Motto „best of #agile“. Natürlich haben wir nicht DIE Silver Bullet für die oben angesprochenen Situa-tionen (das wär was!). Aber ein paar kleine Bausteine, Beispiele und Good Practices können wir vielleicht durch die Artikel in diesem Heft beisteuern.
In jedem Projekt ist eine gute Kommunikation der wich-tigste Schlüssel zum Erfolg. Gabriele Kottlorz, die uns letztes Jahr mit ihrem Huhn Helga begeisterte, zeigt in ihrem Artikel „Ich weiß genau, was Du nicht meinst…” welche Aspekte hier wichtig sind und dass auch eine Kleiner-100%-Lösung eine gute Lösung sein kann.
Karl Bredemeyer und Stefan Willuda von borisglo-ger consulting stellen in Ihrem Artikel „Agilität für Gesellschafter: 7 Schritte, um den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern.“ einen im agilen Kontext eher vernachlässigten Personenkreis in den Mittelpunkt. Der „Shareholder-Value“ ist in den letzten Jahren – zu Recht! - etwas in die Kritik geraten und die ausschließ-liche Konzentration auf diesen Wert ist langfristig sicher nicht gut für ein Unternehmen. Bredemeyer und Willuda zeigen in sieben Punkten den Zusammenhang zwischen Agilität und der nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts.
Das Sybit Agile Magazin Urgestein Marc Löffler (schauen Sie sich ruhig mal unter sybit-agile.de die erste Aus-gabe an) widmet sich in seinem Artikel „Das Geheimnis passionierter Teams“ der Kernzelle agilen Geschehens, dem Team. Er erläutert uns sein PASSION Modell und erklärt, wie Leidenschaft entsteht. Spannend!
„Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute“. Urs Enzler von bbv Software Services AG gehört anscheinend auch zu der im Sprichwort bezeichneten Personengruppe – und das mit gutem Grund. Sein Arti-kel „Das geht morgen auch noch!“ zeigt uns, dass Archi-tektur in agilen Projekten keine Big-Upfront-Aufgabe ist, sondern gerne auch mal hinausgeschoben werden kann. Die Architektur eines Systems muss sich an dem zu lösenden Problem orientieren und dieses Problem konkretisiert sich sehr oft eben erst im Laufe der Zeit. Enzler zeigt uns Muster, mit denen wir mit dieser Unsi-cherheit leben können.
Mein Kollege Gerd Bart greift schließlich zum Ölkänn-chen – und das schon ganz zu Anfang eines Projekts. In seinem Artikel „Phase 0 – das Schmiermittel für den Start komplexer IT-Projekte“ erläutert die einzelnen Phasen bei der Annäherung an ein neues Projekt. Und vor allem, an welchen Stellen das Ölkännchen ange-setzt werden kann, damit das Vorhaben geschmeidig an den Start geht.
Thomas van Aken ist mittlerweile ein alter Bekannter des Sybit Agile Magazin, der es aber immer schafft, neue Aspekte aufzuzeigen und deutlich zu machen. So auch in seinem neuesten Werk „The very best of Scrum“. Es tut manchmal Not, auf die Basics zurück- zugehen und zu hinterfragen, was man macht und wie man es macht. Sei es die gute alte Frage „Einfach, kom-pliziert, komplex oder chaotisch“, sei es der Weg vom „Wünsch-dir-was“ hin zum Value-Driven Scope und, und, und. Alles Dinge, die den Unterschied der agilen Vorgehensweise ausmachen.
Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame und auch auf-schlussreiche Zeit beim Lesen der Sybit Agile!
Johannes Hartmannsgruber
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„Ich weiß genau, was Du nicht meinst…”
Gabriele Kottlorz
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„Ich weiß genau, was Du nicht meinst…”Schwierige Gespräche leicht(er) gemacht mit den Grundlagen
der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg
Die Arbeitswelt verändert sich. Das Tempo erhöht sich,
genauso wie die Anforderungen an jeden Einzelnen. Füh-
rungsstrukturen werden aufgebrochen und öffnen Freiräume
für mehr Selbstverantwortung und individuelle Gestaltungs-
möglichkeiten. Hurra! Ein Segen für diejenigen, die sich mehr
entfalten und in Entscheidungen und Prozesse einbringen
wollen. Das einzige, was den Enthusiasmus stört, ist der
Vollpfosten, der im Team einfach immer anderer Meinung
ist! Dessen Argumente sind – natürlich – sachlich brüchig und
überhaupt will der ja nur einen auf dicke Hose machen, weil
er zu Hause nix zu melden hat …
Aber halt, wir sind doch gebildet, aufgeschlossen und gut
sozialisiert. Wir reden miteinander und räumen die Störun-
gen konstruktiv aus dem Weg, Reibung erzeugt ja nicht nur
Wärme, sondern auch fruchtbare Anregungen und erfri-
schende Perspektivwechsel. Klingt einfach, ist es aber nicht.
Schließlich spielen gerade in „schwierigen“ Situationen sehr
persönliche Befindlichkeiten eine Rolle - sonst wäre es ja
nicht schwierig.
Nicht nur im beruflichen Kontext sind wir sehr stark dar-
auf geprägt in allen Lebenslagen sachlich zu bleiben und
Gefühle aus dem Spiel zu lassen. Ich glaube, dass das schlicht
unmöglich ist und ermutige ganz bewusst zur „Unsachlich-
keit“, wenn es zwischen Menschen knirscht! Um dieser Art
der Auseinandersetzung einen sicheren Rahmen zu geben,
greife ich auf die vier Schritte der gewaltfreien Kommunika-
tion zurück, wie sie der amerikanische Psychologe Marshall
B. Rosenberg (1934 – 2015) in die Welt gebracht hat. Um die
Motivation eines Menschen zu verstehen und eine Verbin-
dung schaffen zu können hat er vier Schritte definiert, an
denen wir uns gut orientieren können:
Wertfreie Beobachtung (Was ist geschehen, was wurde
gesagt oder getan?)
Leichter gesagt als getan! Oft beginnt ein Gespräch mit
einem Vorwurf, einer Interpretation oder einer Diagnose.
Eine möglichst sachliche Beschreibung verhindert Abwehr-
reaktionen und ist eine gute Basis für weitere Annäherung.
Gefühle erkennen (wie fühle ich mich, was löst die
Situation aus?)
Je genauer wir uns in unserer eigenen Gefühlswelt ausken-
nen, desto klarer können wir mitteilen, was uns wirklich
wichtig ist. Über Gefühle sind Menschen verbunden – sofern
wir sie von Schuldzuweisungen trennen und eigenverant-
wortlich annehmen können.
Bedürfnisse benennen (Was ist mir wichtig? Was soll
sich erfüllen?)
Gefühle sind unser Kompass zu Bedürfnissen. Alles, was wir
tun, tun wir aufgrund von Bedürfnissen, die wir uns erfüllen
wollen. Konflikte entstehen dort, wo Bedürfnisse auf Kosten
anderer befriedigt werden. Ein Gespräch über Motivation und
Bedürfnis erzeugt oft gegenseitiges Verständnis. Über die
„richtige“ Strategie zur Erfüllung kann man hingegen stun-
denlang streiten.
Eine Bitte formulieren (Was wünsche ich mir? Wie soll
der nächste Schritt aussehen?)
Eine echte Bitte beinhaltet die Bereitschaft, auch ein „Nein“
zu akzeptieren! Im Gegensatz zu einer Forderung erhöht sie
aber die Bereitschaft zur Kooperation und Lösungsfindung.
Eine Bitte sollte sich auf die aktuelle Situation/Person bezie-
hen, konkret formuliert und im Idealfall sofort oder zeitnah
erfüllbar sein. Hilfreiche Frage zur Reflektion: Könnte ein
neutraler Beobachter erkennen, ob die Bitte erfüllt wird
oder nicht?
Diese beschriebenen Schritte sollen kein Storyboard sein,
an dem man sich minutiös entlang hangelt. Vielmehr die-
nen sie als Anregung, sich zunächst einmal ganz in Ruhe mit
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sich selbst zu unterhalten. Gehen Sie doch gern mal ein paar
Situationen durch, in denen Sie sich unwohl gefühlt haben
und klopfen Sie die Erinnerung nach den oben genannten
Fragen ab. Was wäre vielleicht anders gelaufen, wenn Sie
hier und dort eine Kleinigkeit anders gemacht hätten? Bitte
vergessen Sie nicht die Empathie für sich selbst! Wir machen
alles so gut und richtig, wie es in dem Moment eben geht.
Niemand steht morgens auf und beschließt seinen Mitmen-
schen wieder mal so richtig auf die Nerven zu gehen. Wir
tun, was wir können, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen und
unsere Ziele zu erreichen. Wenn wir uns trauen, die Ebenen
zu wechseln und uns ganz zwanglos neben der Sachfrage zu
bewegen, werden wir erstaunlich schnell zu guter Stimmung
und guten Lösungen zurück finden.
Und was machen wir nun mit dem nervigen Vollpfosten,
für den das anscheinend alles nicht gilt? Nehmen wir mal
an, wir haben mit den vier Schritten erste gute Erfahrun-
gen gemacht und fühlen uns einigermaßen sicher auf dem
Gefühlsparkett. Sind wir doch mal ganz verwegen und for-
dern ihn zum Tanzen auf! Auf geht´s zum Fragen-Foxtrott:
Was ist ihm denn wichtig? Wie fühlt er sich, wenn er von
seinem Problem erzählt? Was würde zu seiner Zufriedenheit
beitragen? Was müsste passieren, damit er weniger Beden-
ken hätte? Die Antworten werden nicht perfekt sein und
sicher tritt man sich hier und dort noch mal auf die Zehen.
Möglicherweise kommt aber Bewegung ins Gespräch. Und
Bewegung ist besser als Stillstand, denn sie führt immer in
die eine oder andere Richtung. Mit guten Fragen, Empathie
und den richtigen Schritten können Sie auf diese Art leichter
und eleganter durch schwierige Situationen tanzen.
Darf ich bitten?
Gabriele Kottlorz ist systemischer
Coach, Mediatorin und Inspirateurin.
Sie verfügt über mehr als 20 Jahre
Berufserfahrung in der Erwach-
senenbildung und schafft mit
Lebenserfahrung, Fachkompetenz
und Empathiefähigkeit den Raum für neue Sichtweisen. Sie
ist immer “hands on”, verliert nie den Kontakt zum echten
Leben und hat einen ausgesprochen scharfen Blick für das
was “trotzdem” geht.
Sie lädt ein zum “Schöner Streiten” und bestärkt als Trainerin
für gewaltfreie Kommunikation eine verbindende Gesprächs-
und Konfliktkultur in Unternehmen.
Als Coach befähigt sie Menschen zu spielerisch-kreativen
Perspektivwechseln und gedanklichen Grenzüberschreitun-
gen. Dabei setzt sie auch mal Pferde, Segelboote oder andere
ungewöhnliche Co-Coaches ein. Das Motto: “Nicht schnacken,
packen”.
Sie ist garantiert unperfekt und immer offen für neue Ideen.
Mit Plüschhenne “Helga” berichtet sie regelmäßig über
Haltung und Pflege des homo oeconomicus und wirft dabei
einen liebvoll-kritischen Blick auf die menschliche Natur.
Sie ist bei Kuntze consulting+coaching die „WildCard“
mit Hang zu unvernünftigen Autos und phantastischen
Veranstaltungskonzepten.
6 sybit agile Ausgabe 16
Ihre Karriere bei Sybit – eine runde Sache
Wir suchen Persönlichkeiten, keine Lebensläufe.
Wir brauchen Menschen mit dem Willen und der Fähigkeit, einen Beitrag zu unserem unternehmerischen Erfolg zu leisten. Wir schätzen Kollegen, die ziel-strebig sind, aber nicht linientreu, Menschen mit Eigenverantwortung, Lust auf Dynamik und Herausforderungen. Wir brauchen Teamplayer, die die Arbeit in interdisziplinären Projekten schätzen und kulturelle Vielfalt als Bereiche-rung ansehen. Nur so entstehen die besten Ideen.
sybit.de/karriere
Agilität für Gesellschafter: 7 Schritte, um den Unternehmens-wert nachhaltig zu steigern
Karl Bredemeyer und Stefan Willuda
8 sybit agile Ausgabe 16
Agilität für Gesellschafter: 7 Schritte, um den Unter-
nehmenswert nachhaltig zu steigern.
Agilität funktioniert in der Praxis nur dann, wenn es das
explizite Ziel ist, mit Agilität den Unternehmenswert lang-
fristig zu steigern. Gelingt es, die Shareholder für Agilität
zu gewinnen, so wird sie zum Asset des Unternehmens und
somit zur DNA und zum Teil der Unternehmenskultur.
Das bedeutet, es geht bei der Einführung von Rahmenwer-
ken wie Scrum, Kanban, etc. weder darum, Entwicklungs-
teams produktiver zu machen oder ein Board in ein Groß-
raumbüro zu stellen und bunte Zettel dran zu kleben. Noch
geht es darum, die Mitarbeiter zufriedener zu machen, auch
wenn das ein zulässiges Ergebnis agiler Unternehmensfüh-
rung ist.
Ein Unternehmen wird die agile Transition nur so schnell
mitlaufen können, wie ihre langsamste Liefereinheit. Das ist
kostspielig und erfordert Geduld – vor allem die Geduld und
das Buy-In der Gesellschafter. In dem Moment, in dem für
die Eigentümer eines Unternehmens der Zusammenhang
zwischen agilen Führungs- und Entwicklungsrahmenwerken
und der nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswertes
klar geworden ist, hat Agilität eine echte Chance. Hierfür
müssen folgende sieben, aufeinander aufbauende, Faktoren
berücksichtigt werden:
1. Die Werte
Das Explizieren agiler Werte ist das Fundament für jede agile
Transition. Hierzu gehören nicht nur die Scrum-Werte, wie
Fokus (der wichtigste!), Mut, Commitment, Offenheit und Res-
pekt oder eine Verortung auf dem agilen Manifest, sondern
auch die Integration von Lean-Prinzipien (eliminate waste,
etc..) und die klare Ansage, dass es wertvoller ist, etwas zu
Ende zu bringen, als etwas Neues zu starten. Ganz wichtig:
kontinuierliche Verbesserung. Wer sagt, für Retrospektiven
gäbe es kein Geld und keine Zeit, kann sich auch hinstellen
und sagen: Für Verbesserung haben wir keine Zeit.
2. Finanzen
Agile Produktentwicklung wird von Wirtschaftsprüfungs-
gesellschaften mittlerweile als Asset gewertet, da sich aus
deren Vorhandensein schnelle Reaktionsfähigkeit sowie
hohe Produktqualität ableiten lassen. Oftmals leidet eben
diese Qualität unter der Last der klassischen Kostenrech-
nung und damit verbundenen Einsparungen oder lokalen
Effizienzgewinnen. Der nächste logische, aber mutige Schritt
geht weg von der Kostenrechnung, hin zur Durchsatzrech-
nung und bietet eine Vielzahl von Indikatoren für qualitative
Management-Entscheidungen.
3. Organisation
Wie bereits erwähnt, ist eine Organisation nur so schnell wie
ihre langsamste Liefereinheit – sowohl in der Transition, als
auch in der Entwicklung und Herstellung von Produkten, egal
ob Software oder Hardware. Auf der Ebene der Organisati-
onsentwicklung müssen daher folgende Themen adressiert
werden:
Theory of Constraints - jedes Investment außerhalb des
Flaschenhalses ist Geldverschwendung
Slack – Menschen ohne Puffer sind, genau wie Maschinen,
fehleranfällig und nicht in der Lage zu innovieren, haben
dafür jedoch das Potential, ein ganzes System
lahmzulegen
Conway’s Law – Organisationen, die Systeme entwerfen,
sind auf Entwürfe festgelegt, welche die Kommunikations-
strukturen dieser Entwürfe abbilden
Mastery, Autonomy and Purpose – warum wir tun, was wir
tun (Daniel Pink)
Agile HR: die Human Ressources, „Abteilung“ als Scrum-
Master der Firma
Organisationaler Reifegrad und Identität – wo verorte ich
mein Unternehmen und welche Schritte muss ich gehen
um den nächsten Reifegrad zu erreichen?
die Bedeutung von Kadenzen als Herzschlag eines
Unternehmens
Evaluierung verschiedener Skalierungsrahmenwerke
Je nach Reifegrad eines Unternehmens variieren Priorität
und Umfang der einzelnen Themengebiete. Es hat sich in
jedem Fall bewährt, im Management Bewusstsein für diese
Themen zu schaffen. Der Erfolg der tatsächlichen Umset-
zung hängt jedoch maßgeblich vom Engagement der Gesell-
schafter ab.
4. Methode und Skill
Das Erlernen agiler Skills und Methoden macht erst dann
Sinn, wenn das Fundament bereits gelegt wurde. Es ist das
Schicksal agiler Coaches und Berater, bei der Vermittlung des
agilen Skillsets zwar bei den Teams relativ schnell Erfolge zu
feiern, dann aber an der Unternehmenskultur und bestehen-
den Organisationsstrukturen zu scheitern. Andersherum hat
eine Transition viel größere Aussicht auf Erfolg, wenn Skills
und Methoden wie:
Scrum
Kanban
Visualisierung
Selbstorganisation durch Führung / Prinzip der
Freiwiligkeit
Servant Leadership
bereits auf fruchtbaren Boden fallen, der vorher von der
Organisation bestellt wurde.
9sybit agile Ausgabe 16
5. Produktentwicklung
Um Produkte erfolgreich entwickeln zu können, bedarf es ein
paar grundsätzlicher Mindset-Änderungen:
Produktorganisation statt Projektorganisation – Projekte
haben ein Start- und ein Enddatum, aber ein Produkt ist nie
wirklich fertig, sondern wird in Iterationen weiterentwi-
ckelt. Gleichzeitig erlaubt der Produktgedanke unwillkür-
lich eine Nutzerzentrierung und stellt die Prozessorientie-
rung in den Hintergrund
Agile Portfolioplanung – nur zu oft werden Priorisierungs-
konflikte der Stakeholder auf dem Rücken der Entwick-
lungsteams ausgetragen. Agile Portfolioplanung bringt die
beteiligten Parteien an einen Tisch und ermöglicht es, team-
übergreifende Prioritäten regelmäßig herauszufordern, zu
bestätigen oder anzupassen
Minimum Viable Product – je früher ein Produkt bereits in
seiner Minimalkonfiguration vom Nutzer getestet und des-
sen Feedback eingeholt werden kann, desto größer ist die
Chance, dass am Ende ein, für den Kunden wertvolles und
nutzenbringendes Produkt herauskommt. Viele Unterneh-
men trauen sich nicht, mit einem „unfertigen“ Produkt vor
die Tür zu gehen, dabei ist das die einzige Chance zu über-
prüfen, ob man gerade überhaupt das Richtige baut.
Crossfunktionale Teams – Selbstorganisation und End-to-end-
Verantwortung in den Teams funktioniert nur, wenn diese
Teams in hohem Maße autark agieren können. Das bedeu-
tet auch, selbst auf die Produktionsumgebung zugreifen
zu können. Getreu dem Motto: You build it, you ship it,
you run it!
6. Architektur
Microservices - um autarke und cross-funktionale Teams
effektiv zu machen, muss diese Architektur die Kommu-
nikationsstrukturen autarker Teams abbilden können
(Conways Law).
7. Infrastruktur
Automatisierung, Automatisierung, Automatisierung – an die-
ser Stelle schließt sich der Kreis zur Engpasstheorie: manu-
elle Arbeit ist der Taktgeber und limitierender Faktor für die
Entwicklungsgeschwindigkeit. Entwicklungs- und Produkti-
onsumgebungen sollten in dem Maße automatisierbar sein,
dass die Teams nicht mehr von manuellen Deployments oder
Testläufen abhängig sind. Ist diese Voraussetzung einmal
gegeben, schließt sich wiederum der Kreis zu den explizit
zu machenden Werten: Verschwendung vermeiden. Jede
Minute, die ein qualifizierter Mitarbeiter mit vermeidbarer,
manueller Arbeit beschäftigt ist, ist Verschwendung. Ver-
schwendung seiner/ihrer wertvollen Zeit, in der entweder
wertgenerierende Arbeit erledigt oder einfach mal die Füße
hochgelegt werden könnten.
Im Ergebnis zahlen alle sieben Punkte auf ein Ziel ein: den
Wert des Unternehmens langfristig steigern. Hierbei ist es
wie bei einem Raumschiff: Sie werden es zum Fliegen brin-
gen, wenn nicht alle Knöpfe grün leuchten. Das volle Poten-
tial entfalten Sie nur, wenn Sie jedem dieser Hinweise die
gebührende Aufmerksamkeit schenken.
Stefan Willuda: Technokratisch
entwickelte Produkte führen nicht
zum Erfolg. Der Betriebswirt Stefan
Willuda weiß das nicht nur aus der
Theorie. Die Prinzipien des agilen
Manifests hat er in der Vergangenheit
oft selbst nicht gelebt, bis ihn die Erfahrung gelehrt hat: Pro-
duktivität und Zwischenmenschlichkeit lassen sich durchaus
miteinander verbinden. So banal diese Erkenntnis – immerhin
eines der „Erfolgsgeheimnisse“ von Scrum – auch klingen
mag: Stefan Willuda ist sich bewusst, dass die Praxis in vielen
Unternehmen völlig anders aussieht.
Karl Bredemeyer ist zweifellos
vom Unternehmergeist beseelt. Der
Betriebswirt hat bereits
Produktentwicklung in seinem eige-
nen Start-up gestalten können und
nutzt seit nun fast 4 Jahren genau
diese Expertise als Management Consultant und Agile Coach
bei borisgloger consulting. Seine Unterstützung beschränkt
sich aber nicht darauf, andere in den Aufgaben und Instru-
menten ihrer Rollen zu coachen. Er übernimmt selbst als Inte-
rims Manager und Interims Product Owner die Verantwortung
für die Organisations- bzw. die Produktentwicklung.
10 sybit agile Ausgabe 16
Agil Software zu produzieren liegt uns sehr am Herzen - unsere Erfahrungen weiter zu geben, bringt uns Freude. Wir bieten Scrum-Schulungen, Workshops zu den Themen Innovation, agile Architektur und Anforderungsmanagement sowie Coachings an. Weitere Informationen finden Sie unter
www.sybit-agile.de
Das Geheimnis passionierter Teams
Marc Löffler
12 sybit agile Ausgabe 16
Das Geheimnis passionierter Teams Sie kennen das vielleicht: Ihre Firma hat sich dafür ent-
schieden auf agile Methoden, wie z.B. Scrum zu setzen. Das
Management verspricht sich davon eine höhere Produktqua-
lität, eine bessere TTM (Time To Market) und endlich mal Pro-
jekte, die in Zeit und Budget abgeschlossen werden. Obwohl
man sich genau an den Scrum-Prozess gehalten hat, stellt
sich aber nach ein paar Monaten heraus, dass keines der
Versprechen eingetroffen ist. Der Scrum Master probiert ver-
zweifelt ein neues Tool nach dem anderen aus, aber keines
hat den gewünschten, langfristigen Effekt. Nach und nach
fällt das Team zurück in den ursprünglichen Prozess und
am Ende heißt es: Scrum funktioniert bei uns nicht. Und sie
haben recht. Nur weil ich mein totes Pferd mit einem schöne-
ren Sattel ausgestattet habe, wird es trotzdem nicht wieder
davon galoppieren. Um das zu verstehen, muss man ein paar
Schritte zurückgehen und sich fragen, wie Scrum entstanden
ist.
„Erfolg hat nie etwas mit dem implementierten Prozess zu
tun, aber immer mit den Menschen.“ – Marc Löffler
Scrum ist im Grunde nichts anderes, als eine Sammlung von
„Best Practises“, welche man zusammengeschnürt hat und
jetzt unter dem Namen „Scrum“ verkauft. Aber wo kommen
diese „Best Practises“ her? Immer wenn irgendwo ein Pro-
jekt extrem gut gelaufen ist, hat man sich angeschaut, wie
das Team dort gearbeitet hat und die Prozesse kopiert. Oder
man hat selbst in einem solchen Team gearbeitet und die
Prozesse entsprechend dokumentiert. Da das ja so prima
funktioniert hat, kopiert man diese Prozesse eins zu eins in
den neuen Kontext und hat natürlich die Erwartung, dass
es wieder so gut läuft. Dabei vergisst man allerdings eines:
Erfolg hat nie etwas mit dem implementierten Prozess zu
tun, aber immer mit den Menschen. Es ist so, als würde man
sich die Geige von David Garret organisieren und erwarten,
dass man jetzt genauso gut spielen kann. Muss ja schließlich
an der Geige liegen, dass er so gut spielen kann. Aber inte-
ressanterweise erwartet das hier niemand. Schon im Agilen
Manifest steht:
„Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse
und Werkzeuge“ – Agile Manifesto
Leider wird das viel zu oft ignoriert. Es macht nie Sinn sich um
die Verbesserung der Prozesse zu kümmern, bevor man sich
mit dem Team auseinandergesetzt hat. In den Fällen, wo ein
Team außergewöhnlich gut war, hat man es immer mit einem
leidenschaftlichen Team zu tun. Ein passioniertes Team kann
alles erreichen, auch wenn die Bedingungen nicht optimal
sind. Es ist selbst dann in der Lage etwas Brauchbares zu
liefern, wenn der vorgegebene Prozess mehr als suboptimal
ist, während ein schlechtes Team auch dann nichts auf die
Straße bringt, wenn es den besten Prozess zur Verfügung
gestellt bekommt. Ein passioniertes Team ist also Grundvor-
aussetzung, wenn ich erfolgreich sein will. Was aber brauche
ich, um ein solch passioniertes Team zu bekommen?
Um ein passioniertes Team aufzubauen, bedarf es verschie-
dener Elemente. Je stärker diese Elemente ausgeprägt sind,
desto besser. Hier kommt das PASSION-Modell in Spiel. Das
Modell definiert die verschiedenen Elemente und deren mög-
liche Ausprägungen, welche die Basis für passionierte Teams
darstellt. Die folgenden Elemente sind Teil des Modells:
Passion (Leidenschaft)Idealerweise verbindet die Mitglieder eines Teams die Lei-
denschaft für das Thema, an dem sie arbeiten und die Tech-
nologie, welche sie entwickeln/einsetzen. Je mehr jemand
für ein Thema brennt, desto besser. Das PASSION-Modell
kennt die folgenden Abstufungen:
Stufe 1: Alles-egal- Einstellung – ob das Projekt Erfolg hat
oder nicht, ist völlig egal. Man sitzt einfach seine Zeit ab.
Stufe 2: Pflichtbewusst – man begeht seine Arbeit pflicht-
bewusst und macht genau das, was gefordert wird, mehr
aber nicht.
Stufe 3: Zielorientiert – man hat ein klares Ziel vor Augen,
welches man gemeinsam mit seinen Teammitgliedern
erreichen will.
Stufe 4: Pure Passion – man brennt für sein Thema/ Projekt
und gibt alles dafür, dass das Projekt ein Erfolg wird.
Adaptable (Anpassungsfähig)In der heutigen Zeit gehört Veränderung zum Alltag. Ein pas-
sioniertes Team ist in der Lage mit jeder Art von Verände-
rung klarzukommen und sich schnell der jeweiligen Situation
anzupassen und sogar einen Vorteil daraus zu gewinnen.
Das PASSION- Modell kennt die folgenden Abstufungen:
Stufe 1: Starr – Keine Anpassungsfähigkeit. Dinge werden
so gemacht wie immer und nicht anders.
Stufe 2: Langsam – Anpassungen sind möglich, aber nur
sehr langsam (oft in Großkonzernen anzutreffen)
Stufe 3: Offen für Veränderungen – Veränderungen sind
jederzeit möglich und werden entsprechend umgesetzt.
Stufe 4: Kontinuierliche Anpassung – Das Team passt sich
kontinuierlich an und startet täglich neue Experimente
und testet Ideen.
13sybit agile Ausgabe 16
Strong Vision (Starke Vision)Solange ich als Teammitglied nicht weiß wohin es gehen soll,
kann ich auch keine sinnvollen Entscheidungen treffen, was
mich wiederum in meiner Selbstorganisation einschränkt
oder mich zu (falschen) Annahmen animiert. Ohne eine
starke, erstrebenswerte Vision kann keine echte Passion in
einem Team entstehen. Das PASSION-Modell kennt die fol-
genden Abstufungen:
Stufe 1: Keine Vision vorhanden – Es gibt schlicht keine
Vision
Stufe 2: Team kennt die Vision nicht – Es gibt eine oder
mehrere Visionen, die dem Team aber nicht bekannt sind.
Stufe 3: Schwache Vision – Die Vision ist dem Team
bekannt, allerdings ist diese nicht wirklich erstrebenswert
oder leidenschaftslos.
Stufe 4: Starke Vision – Das Team wird durch eine starke
Vision geleitet, mit der es sich eindeutig identifiziert.
Strength Oriented (Stärkenorientiert)Eine Studie von Cisco zu Beginn des Jahres 2016 fand heraus,
dass die Teammitglieder in ihren besten Teams vornehmlich
gemäß ihren Stärken eingesetzt wurden. Anstatt zu versu-
chen, die Schwächen abzustellen, macht es mehr Sinn auf
die Stärken der einzelnen Mitarbeiter zu setzen und diese
weiterzuentwickeln. Das PASSION-Modell kennt die folgen-
den Abstufungen:
Stufe 1: Fokus auf Schwächen – Es gibt einen starken
Fokus auf die Schwächen der einzelnen Teammitglieder.
Teammitglieder werden nicht gemäß ihren Stärken
eingesetzt.
Stufe 2: Neutral – Es gibt weder einen Fokus auf Stärken
als auch auf Schwächen. Mitarbeiter werden nach Verfüg-
barkeit den Teams zugeteilt.
Stufe 3: Stärkeorientiert – Mitarbeiter werden vornehmlich
gemäß ihrer Stärken eingesetzt. Die Verfügbarkeit ist nicht
mehr alleiniger Entscheidungsfaktor.
Stufe 4: Stärkeorientiertes Team – Bei der Zusammenstel-
lung des Teams wird explizit darauf geachtet, dass sich die
verschiedenen Stärken der Teammitglieder gegenseitig
ergänzen.
Independent (Unabhängig)Je unabhängiger ein Team von unternehmensweiten Pro-
zessen ist, desto besser. Nur wenn ein Team seinen Prozess,
zumindest in Teilen, selbstbestimmen kann, kann echte
Leidenschaft entstehen. Erfahrungsgemäß sind generelle,
unternehmensweite Prozesse eher hinderlich, als dass sie
einen Mehrwert schaffen. Nicht umsonst hat z.B. BMW für
seine Elektroautos eine eigene Firma gegründet, die unab-
hängig vom Gesamtunternehmen BMW agieren kann. Das
PASSION-Modell kennt die folgenden Abstufungen:
Stufe 1: Globaler Prozess – Das Team unterliegt den
Bestimmungen eines globalen Prozesses und hält diese
strikt ein.
Stufe 2: Adaptierter, globaler Prozess – Das Team hält sich
soweit es geht an den Prozess und liefert die notwendigen
Artefakte. Allerdings nicht immer genau in den vorgegebe-
nen Prozessschritten.
Stufe 3: Verantwortlich für eigenen Prozess – Das Team hat
einen eigenen Prozess, für den es verantwortlich ist.
Stufe 4: Unabhängig vom Rest des Unternehmens – Das
Team ist komplett unabhängig vom Rest des Unterneh-
mens, sowohl hierarchisch als auch auf Prozessebene.
Oneness (Einheit)Bei einem passionierten Team, lässt sich das einzelne Team-
mitglied von außen nicht mehr ausmachen. Das gesamte
Team tritt als Einheit auf. Kein „Blaming“ oder „Finger Poin-
ting“, alle Erfolge oder Misserfolge werden gemeinsam getra-
gen. Diese Einheit bleibt oft über die Arbeit hinaus bestehen.
Das PASSION-Modell kennt die folgenden Abstufungen:
Stufe 1: Einsamer Wolf – Jeder steht für sich und macht sein
Ding.
Stufe 2: Gruppe von Leuten – Es gibt ein Team, aber deren
Mitglieder fühlen sich diesem nicht wirklich zugehörig.
Stufe 3: Team – Jeder fühlt sich als Teil des Teams. Nach
außen tritt man aber nicht immer als Einheit auf.
Stufe 4: Einheit – Das Team ist eine in sich geschlossene
Einheit, die so auch immer nach außen auftritt.
Nimble (Flink)In der heutigen Welt kann man es sich nicht mehr erlauben
langsam sein. Man muss in der Lage sein, sich schnell in
neue Themen einzuarbeiten oder getroffene Entscheidun-
gen schnell über Bord zu werfen. Nur wer dazu in der Lage
ist, wird langfristig Erfolge feiern können. Für passionierte
Teams ist die „Flinkheit“ Teil der DNA. Das PASSION-Modell
kennt die folgenden Abstufungen:
Stufe 1: Keine Bewegung – Das Team ist nicht in der Lage
auf Neues zu reagieren. Es schottet sich nach außen ab.
Stufe 2: Langsam – Mitarbeiter des Teams sind einmal im
Jahr auf einer Fortbildung, lernen darüber hinaus aber
nichts Neues.
Stufe 3: Schnell – Das Team ist in der Lage, sich schnell in
neue Themen einzuarbeiten und stellt getroffene Ent-
scheidungen, wenn notwendig, in Frage.
14 sybit agile Ausgabe 16
Stufe 4: Flink – Das Team ist ständig dabei Neues zu lernen
und sogar zu schaffen. Sie beeinflussen den Fortschritt in
ihrem Fachgebiet maßgeblich und erfinden sich täglich
neu.
Anhand dieser Elemente und Abstufungen lässt sich das
eigene Team gut einschätzen. Zusätzlich werden Schwächen
offenbar, die es auszumerzen gilt, um den Weg zu einem pas-
sionierten Team frei zu machen. Erst wenn man sich um das
Thema „Individuen und Interaktionen gekümmert hat, macht
es Sinn, sich um das Thema Prozess zu kümmern. Selbstver-
ständlich kann ein solches Team auch von Scrum profitieren.
Nur macht es eben keinen Sinn darauf zu hoffen, dass Scrum
bestehende Probleme im Team lösen wird. Im Gegenteil,
meist werden sie dadurch erst recht schlimmer. Auch muss
ein Team dazu in der Lage sein, sich den Scrum-Prozess an
ihren eigenen Kontext anzupassen.
2017 erscheint mein Buch zu diesem Thema. Infos gibt es
auf http://marcloeffler.eu.
Marc Löffler arbeitet als selbständi-
ger Agile Coach. Bevor er mit agilen
Methoden in Berührung kam, hat er
als traditioneller Projektmanager
bei Firmen wie die Volkswagen AG
oder die Siemens AG gearbeitet.
Seine Leidenschaft ist es, Teams dabei zu helfen das agile
Wertesystem auf ihre Arbeit zu übertragen. Er liebt es neue
Einsichten zu generieren indem er Teams dabei hilft, Prob-
leme aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Im Jahr
2014 erschien sein Buch „Retrospektiven in der Praxis“ beim
dpunkt.verlag.
15sybit agile Ausgabe 16
Das geht morgen auch noch! Architekturentscheide sinnvoll vertagen für mehr Agilität
Urs Enzler
16 sybit agile Ausgabe 16
Das geht morgen auch noch! Architekturentscheide sinnvoll vertagen für mehr AgilitätSoftwarearchitektur ist die Summe von vielen schwierigen
Entscheidungen.
Je später wir entscheiden, desto mehr wissen wir über die
gestellte Aufgabe. So entscheiden wir einfacher und besser
und der Architekturentscheid von heute steht der Agilität
von morgen nicht im Weg.
Warum vertagen?Der «Cone of Uncertainty»[1] lehrt uns: Je länger wir an unse-
rer Software arbeiten, desto mehr wissen wir über das zu
lösende Problem und die möglichen Lösungsoptionen.
Mit mehr Wissen können wir besser entscheiden. Bei der
Softwarearchitektur wollen wir beispielsweise wissen, wel-
che Programmiersprache die richtige ist, welcher Architek-
turstil zu verwenden ist, wie die Software in Module zerlegt
werden kann, wie Skalierung ermöglicht wird usw.
Sich später festlegen zu können eröffnet uns die Möglich-
keit, vorgängig mit verschiedenen Lösungsvarianten zu
experimentieren.
Daher sollten wir Entscheidungen so spät wie möglich tref-
fen. Aber natürlich nicht zu spät.
Muster für das Vertagen von Architekturentscheiden[2]
Um Architekturentscheide so spät wie möglich fällen zu kön-
nen, gibt es eine Reihe von Vorgehensmustern.
Muster: Aufspaltung von Entscheiden
Wie persistieren wir die Daten in
unserem Softwaresystem?
Das ist eine typische Frage, die zu einem Architekturent-
scheid führt. Bevor jetzt aber das ganze Team «SQL Server»
schreit, weil es diese Technologie kennt, sollte überlegt wer-
den, ob sich dieser Beschluss aufspalten lässt. Beim Aufspal-
ten von Architekturentscheiden wird eine Entscheidung in
mehrere Teile aufgebrochen, welche zu unterschiedlichen
Zeitpunkten entschieden werden können.
Beim Persistieren können das zum Beispiel die folgenden
Teile sein:
Müssen wir persistieren (ja/nein)?
Welche Daten müssen persistiert werden
(Menge, Form, Konsistenz)?
Wie muss der Zugriff sein (Latenz, Durchsatz)?
Welche Technologie, welches Produkt, welcher
Service ist geeignet?
Muster: Vereinfachung
Wenn wir nicht entscheiden können, weil das Problem zu
komplex erscheint, kann eine Vereinfachung helfen. Das
bedeutet, wir vereinfachen das Problem so lange, bis wir
einen Entscheid fällen können. Die Betrachtung der ganzen
Komplexität des Problems schieben wir auf später (siehe
nachfolgendes Beispiel).
Das Risiko dieses Musters ist natürlich, dass wir eventuell für
das ganze Problem auch später keine Lösung finden. Even-
tuell hilft uns dieses Vorgehen aber, mehr Erfahrung mit
einem zwar einfachen aber lauffähigen System zu sammeln,
um anschliessend mit mehr Wissen die gesamte Komplexität
angehen zu können.
Muster: Abstraktion
Abstraktion ist der Klassiker unter den Mustern, um nicht
sofort entscheiden zu müssen. Wir definieren eine Schnitt-
stelle und tun so, als wäre das Problem hinter der Schnitt-
stelle für uns bereits gelöst worden.
Dies ermöglicht es uns zum Beispiel, das Muster «Verein-
fachung» hinter der Schnittstelle anzuwenden. Wenn das
Problem dann effektiv gelöst ist, muss der Quellcode vor der
Abstraktion nicht mehr angepasst werden.
Das Risiko dieses Musters ist, dass wir eine schlechte Abs-
traktion wählen, bei der Implementierungsdetails auf unsere
Seite durchschlagen («leaky abstraction»[3]).
Muster: Gewollte Unwissenheit
Bei diesem Muster geben wir zunächst vor, es gäbe das Pro-
blem gar nicht, für welches wir einen Entscheid brauchen.
Das löst natürlich unser Problem nicht, kann aber helfen, bei
der Umsetzung weiter zu kommen, da wir wichtigere Dinge
bereits implementieren können. So ist zum Beispiel die Per-
sistenz der Daten nicht erforderlich, um Feedback zur Busi-
ness-Logik einzuholen.
Das Risiko ist, dass uns dieser Entscheid unvorbereitet ein-
holen wird. Daher eignet sich dieses Muster nur, um schnel-
les Feedback zu ermöglichen, und sollte danach durch ein
anderes Muster abgelöst werden.
Muster: Entscheidungsdelegation
Wir erklären das Problem zum Problem von jemand anderem.
Und dieser Andere soll uns dann entsprechend aufrufen,
wenn er es gelöst hat. Dazu bieten wir eine Schnittstelle an,
über welche der Aufruf dann geschehen kann.
Dies bedeutet, dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht
um dieses Problem kümmern wollen. Wir umgehen den Ent-
schluss und sind daher nicht mehr blockiert.
17sybit agile Ausgabe 16
Das Risiko hier ist, dass die gewählte Schnittstelle nicht zum
Entscheid im Softwareteil passt, zu welchem wir delegiert
haben.
BeispieleBetrachten wir nochmals das Problem der Persistenz. In mei-
nem Projekt sind wir wie folgt vorgegangen:
1. Gewollte Unwissenheit: Wir speichern keine Daten, son-
dern halten alle in-memory. Dies erlaubt uns die Demons-
tration der Software an Stakeholder, ohne uns um das
Problem kümmern zu müssen.
2. Abstraktion: Wir führen eine Schnittstelle ein, über wel-
che wir Daten laden und speichern können. Wie dies
geschieht, ist im Moment egal, die Business-Logik ist
unabhängig davon.
3. Vereinfachung: Wir speichern die Daten JSON-serialisiert
ins Dateisystem. So überlebt unsere Software einen Neu-
start, ist aber natürlich nicht performant.
4. Entscheid: Wir entscheiden uns für eine Datenbanktech-
nologie, welche geeignet ist, um die Daten zu speichern.
Zu diesem Zeitpunkt wissen wir genau, welche Daten
wir speichern müssen und welche Latenz und welchen
Durchsatz wir ermöglichen müssen.
Als zweites Beispiel betrachten wir das User Interface. In
unserer Software steckt die grösste Komplexität in der Busi-
ness-Logik. Darum wollten wir dazu frühes Feedback, das UI
hatte eine tiefere Priorität. Wir sind deshalb folgendermaßen
vorgegangen:
1. Entscheidungsdelegation: Wir lassen das UI bewusst
beiseite und implementieren die Business-Logik hinter
einem API. So müssen wir keine Entscheidungen zur
UI-Logik treffen.
2. Entscheid: Mit dem Wissen über die benötigten Daten
und Abläufe, bauen wir das UI über das API.
FazitEntscheiden ist sehr wichtig, um eine passende Architektur
entstehen zu lassen. Jedoch sollten Entscheide zum richtigen
Zeitpunkt gefällt werden, mit maximalem Wissensstand über
das Problem und dessen möglichen Lösungsoptionen. Durch
die vorgestellten Muster können Architekturentscheide ver-
tagt werden, um möglichst viele Optionen lange offen zu hal-
ten und um schließlich die Beste zu wählen.
Quellen[ 1 ] Cone of Uncertainty, [Online]. Available: https://en.wikipedia.org/
wiki/Cone_of_Uncertainty.
[ 2 ] Clean Architecture Cheat Sheet, [Online]. Available: http://bbv.ch/
images/bbv/pdf/downloads/Clean_Architecture.pdf.
[ 3 ] Leaky Abstraction, [Online]. Available: https://en.wikipedia.org/
wiki/Leaky_abstraction.
Urs Enzler ist ein agil gesinnter
Softwareentwickler mit einer Vorliebe
für architektonische Herausforderun-
gen, Clean Code und Lernen als Team.
Er spricht gerne über diese Themen an
Konferenzen und Community-Anlässen.
18 sybit agile Ausgabe 16
www.sybit-agile.de/community/agile-breakfast
Agile BreakfastIn losen Abständen von rund zwei Monaten treffen sich agil Interessierte zum Erfahrungsaustausch. Beim „Agile Breakfast“ im Wasserturm Stromey-ersdorf in Konstanz hält nach einem kleinen Früh-stück ein Teilnehmer oder ein geladener Speaker einen Vortrag zu einem agilen Thema. Daran schließt sich eine Diskussion an.
Die Veranstaltung wird von Sybit gesponsert – die Teilnahme ist kostenlos.
Phase 0 – das Schmiermittelfür den Start komplexer IT-Projekte
Gerd Bart
20 sybit agile Ausgabe 16
Phase 0 – das Schmiermittel für den Start komplexer IT-Projekte
Sie kennen das. Sportliche Terminpläne, unklare Ziele,
heterogene Stakeholder, dubiose Prozesse und sie als Pro-
jektverantwortlicher benötigen schnelle Ergebnisse. Nicht
zu vernachlässigen: das Projekt ist als strategisches Projekt
deklariert.
Sage mir, wie dein Projekt beginnt und ich sage dir,
wie es enden wird.
Ein Zitat aus dem klassischen Projektmanagement, das noch
heute seine Gültigkeit hat. Lag damals die Bedeutung auf
dem Kickoff eines Projektes, so würde ich dies heute für eine
ganze Phase erweitern wollen. Eine Phase, die den Grund-
stein für das Projekt legt: die Phase 0.
Phase 0 ist ein Begriff aus der Raumfahrt oder aus der Phar-
mazie. Beide Branchen nutzen diese Zeit als Vorbereitung
auf das Projekt. In der Pharmazie werden erste, minimale
klinische Studien, die dem Test der pharmakokinetischen
Eigenschaften eines neuen Wirkstoffes beim Menschen die-
nen, vorgenommen. Also eine Phase, in der auf den Nutzer
zugeschnittene Abläufe und Prozesse analysiert und erprobt
werden. Eine Phase der Grundsteinlegung für das Projekt.
Eine Phase, die Ihnen als Projektleiter die Sicherheit gibt, die
wichtigen und richtigen Dinge zu tun und das Unwichtige
wegzulassen.
Die Phase 0 … ist eine Methodik, um mit erprobten Konzepten eine Anfor-
derungsanalyse und Konzeption zu gestalten.
ist eine klare und strukturierte Vorgehensweise, die auf
einzelnen Elementen aufbaut.
stellt den Nutzer dabei in den Mittelpunkt
(kundenzentriert).
ist ein Vorgehen, das klare Ergebnisse liefert und in einem
agilen Projektprozess (Scrum) mündet.
ist ein Prozess, der das gesamte Projektteam bei der Reali-
sierung des komplexen Vorhabens mit auf die Reise nimmt.
Vom Denkansatz gehen wir von zwei Räumen aus. Der
Grundidee folgend gehen wir von den Herausforderungen
(Problemraum) zur Lösung (Lösungsraum).
Der Problemraum
Der Problemraum beschäftigt sich mit dem IST-Zustand
einer Sache: Prozessen, IT-Systemen und vor allem mit den
Problemen, die der Nutzer bei der Anwendung der heutigen
Systeme und Abläufe hat. Es ist eine strukturierte Form der
Erhebung von Informationen, um zielgerichtet im Lösungs-
raum damit zu arbeiten.
Der Lösungsraum
Dieser Raum dient zur Modellierung, Gestaltung und Kon-
kretisierung der dann zu realisierenden Lösung, also dem
SOLL-Zustand und unterstützt vor allem beim Aufbau des
Backlogs. Als Grundlage dienen alle Informationen, die im
Problemraum identifiziert wurden.
Diese teilweise philosophische Betrachtung der Phase ist in
den einzelnen Zyklen wichtig (siehe Abb. 1).
Die Phase 0 erstreckt sich über vier Teilbereiche. Die wich-
tigsten Elemente sind hierbei stets die Prozesse, Daten, Nut-
zer (des Systems) und die Organisation des Unternehmens:
Abbildung 1: Methodischer Ansatz Phase 0
Herausforderung Lösung
Analysieren Modellieren KonkretisierenEntdecken
Problemraum Lösungsraum
21sybit agile Ausgabe 16
§ E-BusinessCanvas§ Interviews§ Inventur§ Datenanalyse
§ Personas§ Use Cases§ UserJourneys§ Wettbewerbsanalyse§ Stammdaten§ Bewegungsdaten§ Schnittstellen§ SAPIntegration
§ DesignKonzept§ Informationsarchitektur§ StoryMapping§ Wireframes§ Ideation§ Prozesse§ Organisation
§ Prototypentwicklung§ Design§ StoryMapping
>> Backlog
Projektkoordination
Entdecken Analysieren Modellieren Konkretisieren
ImplementierungProjektinitialisierung
Entdecken
Das Unbekannte aufdecken. Vorhandene Nutzer, IT-Sys-
teme, Prozesse und Daten kennenlernen (Entdecken) und für
das Projekt inventarisieren.
Analysieren
Das Entdeckte näher beleuchten, in kleine Brocken aufbre-
chen und analysieren. Insbesondere liegt der Schwerpunkt
in der Analyse der Nutzer (Personas), dem Weg, den diese
durch das System / die Systeme zurücklegen (User Journeys
/ Szenarios) sowie die damit verbunden Daten (Stamm- und
Bewegungsdaten).
Die Analyse des Wettbewerbs hilft zur eigenen Standort-
bestimmung und zur richtigen Zielsetzung sowie bei der
Analyse der notwendigen Schnittstellen für die technische
Integration.
Modellieren
Die Erkenntnisse der Analyse werden gepaart mit Kompetenz
und Fachkenntnis des Beraters zielgerichtet eingesetzt und
erste Lösungsansätze modelliert. Ganz vorne steht die Ide-
ation. Beim kreativen Prozess (mit vielen Kreativitätstech-
niken) werden Varianten für die Lösungen gesammelt.
Hierbei gibt es meist nicht nur die eine Lösung. Daneben
steht das Design-Konzept. Hier werden die Erkenntnis aus
der Analyse hinsichtlich Journey und Personas in Informa-
tionsarchitekturen gebracht, die ersten Wireframes erstellt
und das Design-Konzept erarbeitet. Mit dabei ist die Erstel-
lung von neuen Prozessen und ggfs. der Aufbau von neuen
Organisationsstrukturen.
Konkretisieren
Aus dem Modellieren zeichnet sich ein Lösungsansatz ab, der
in dieser Phase konkretisiert wird. Konkret genug, um damit
in einem agilen Prozess (Scrum) weiterzuarbeiten. Unkon-
kret genug, um auf etwaige Veränderungen während des
Entwicklungsprozesses reagieren zu können. Oftmals wer-
den in dieser Phase Prototypen entwickelt. Der Hauptfokus
liegt aber nach wie vor im Aufbau des notwendigen Back-
logs. Dass dies in Form von User-Stories getan wird, versteht
sich.
Wo ist denn nun das Schmiermittel?Wenn sie zwischen den einzelnen Schritten und Abläufen der
Phase 0 genau hinschauen, können sie dazwischen das Öl
tropfen sehen, das Ihrem Projekt die notwendige Geschmei-
digkeit verleiht.
Schmiermittel – Denkansatz & Gesamtmethode
Die Trennung der zwei Räume in einen Problemraum und
Lösungsraum stellt einerseits hohe Ansprüche an den Mode-
rator der Workshops, andererseits bietet es Ihnen klare
Handlungsweisen für alle Stakeholder im Projekt. Die klare
und eindeutige IST-Situation wird herausgearbeitet. Ein Ver-
bergen von Informationen ist durch das methodische Vorge-
hen nahezu ausgeschlossen und alle Informationen für eine
saubere Projektimplementierung sind gegeben.
Auch in der Modellierung von Lösungen innerhalb des
Lösungsraums gibt es Methoden, die verhindern, dass das
Projektteam in Problemen denkt und stattdessen eine
lösungsorientierte Herangehensweise verfolgt.
Auch die klar aufeinander aufbauende Reihenfolge der Pha-
sen in Kombination mit klaren Ergebnissen aus allen Work-
shops, lässt die Schmierung sichtbar werden. Die einzelnen
Phasen folgen einer klaren Logik und erzeugen vom IST-Zu-
stand ausgehend (Entdecken), über die Analyse der Zielset-
zungen und Wünsche (Analysieren), hin zur Lösungsfindung
(Modellieren) bis zur detaillierteren Konzeption (Konkretisie-
ren) einen klaren Weg. Das Projektteam wird auf eine struk-
turierte Reise mitgenommen, die Ergebnisse folgen und wer-
den vom Team mitgetragen.
Abbildung 2: Übersicht Phase 0
22 sybit agile Ausgabe 16
Schmiermittel – E-Business Canvas
Stark vereinfacht ausgedrückt erarbeitet man mit dem E-Bu-
siness Canvas in einem methodischen Prozess die Hypo-
these des Projektes. Die Annahme, die zur Veränderung des
Ist-Zustandes und damit zum Projekt führt, wird dadurch
dokumentiert und mit einigen weiteren Informationen
manifestiert. Das E-Business Canvas ist abgeleitet aus der
Businessplanung einer Geschäftsidee und beschäftigt sich
daher auch mit Risiken, Zielen, dem Wert, der mit dem Pro-
jekt erschaffen werden soll und natürlich auch mit Kosten
und Einnahmen.
Die Definition des E-Business Canvas zusammen mit allen
Stakeholdern sorgt von Anbeginn für klare Verhältnisse über
Zeit, Geld und Zielsetzung. Der „Sinn“ des Projektes für das
Unternehmen ist herausgearbeitet und dient als zentrale
Messlatte. Der Turbo im Schmiermittel wird erreicht, wenn
das Canvas im Projektraum einen zentralen Platz einnimmt
und in den zahlreichen Workshops und Diskussionen immer
wieder darauf verwiesen wird. Manche Widerstände verlau-
fen dadurch auf mysteriöse Weise im Sand.
Schmiermittel – der Nutzer
Bei der offenen und neutralen Betrachtung unserer bisheri-
gen Projekte stellen wir fest, dass die Anforderungen meist
aus dem Projektteam heraus definiert worden sind. Doch wie
viele dieser Anforderungen waren richtig? Welche sorgten
für eine Akzeptanz beim Nutzer respektive für einen Erfolg
für das Unternehmen? Definieren Sie diese Zahl für sich ein-
mal selbst! Das Problem mit dem Begriff „Anforderungen“
besteht vor allem darin, dass er suggeriert ein Feature sei
erforderlich, obwohl es in Wirklichkeit nur gewollt ist.
Das größte Schmiermittel ist daher der Nutzer. Im Idealfall
können wir in der Analysephase den/die Nutzer befragen,
was sie an der heutigen Lösung stört bzw. was sie von einer
künftigen Lösung erwarten. Diese Erkenntnis über die Auf-
gabenstellungen, die ein Nutzer mit einer Software verbin-
det (neben einigen weiteren Informationen), versetzt das
Projektteam in die Lage, nur über die Anforderungen/ Fea-
tures zu sprechen, die wirklich relevant sind. Funktionen, die
keiner braucht – das gehört der Vergangenheit an.
Schmiermittel – der Nutzer Teil II
Nicht nur die „richtigen“ Features werden über den Nut-
zer definiert. Auch die Architektur und die Workflows des
Gesamtsystems. So definiert der Nutzer letztlich, wie er
sich im System bewegt (bewegen möchte). Diese Definition
spiegelt sich in Journeys, Prozessen und Sitemaps letztlich
wieder. Heute spricht man hierbei von der User Experience
(UX). Hierbei geht es ganz konkret um das Erlebnis, das ein
Nutzer/ Anwender mit einem System hat. Also welche Erfah-
rung ein Nutzer bei der Interaktion mit einem IT-System /
IT-Gerät macht. Einige heute nicht mehr wegzudenkende
Geräte wären nicht erfolgreich, wenn sie dieses Schmier-
mittel nicht über alles gestellt hätten. Wenn Sie hier Ihre
Sitemap, Ihre Prozesse oder im besten Fall Ihre Wireframes
mit den Anwendern teilen – werden Sie das Schmiermittel
tropfen sehen.
Abbildung 3: E-Business Canvas
BusinessHypothese
Nutzer Wertangebot|Serviceversprechen Wettbewerb
Schlüsselaktivitäten USP|Stärken&Schwächen
Einnahmequellen |ROI Kostenstruktur
§ VorgebenderRichtung,positiv-formulierteVorstellung desSollzustandes§ DefinitionderZieledieangestrebtwerdensollen
§ DefinitionderKennzahlen/KPIsdiezurPrüfungderZielerreichungherangezogenwerden
§ FürwenwollenwireinenWertschöpfen?§ WeristunsereZielgruppe?§ WersinddieAnwender/Nutzer?§ WasistderenBusiness-Pain?
§ WelcheSchlüsselaktivitätenerfordernunserWertangebot?UnsereProduktion?Daten?Kundenbeziehung?
§ WassinddiewichtigenHandlungen,diegetanwerdenmüssen,damitdasVorhabenerfolgreichwird.
§ WelchenWertvermittelnwirdemKunden§ WelcheProblemeunsererKundenversuchenwirzulösen?WelcheKundenbedürfnisseerfüllenwir
§ WelcheProdukt- undDienstleistungspaketebietenwirjedemKundensegmentan?
§ WelcheähnlicheAngebotegibtesbereits?§ WersinddiewichtigstenWettbewerber?§ WelcheHerausforderungensindhierabsehbar?
§ WassindunsereUSPs?§ WassindunsereStärken,wassindunsereSchwächen?§ WiekönnenwirunsereStärkenstärken?
§ WiekönnenEinnahmequellengeneriertwerden?FürwelcheWertesindunsereKundenwirklichzubezahlenbereit?
§ WielässtsichanhandsolchermöglicherSzenarieneinROIdesVorhabensabschätzen?
§ WelchessinddiewichtigstenmitunseremModellverbundenenKosten?§ WelcheAktivitätensindamteuersten?§ Wert-,Fix,VariableKosten
23sybit agile Ausgabe 16
Schmiermittel – der Nutzer Teil III
Bauen Sie einen Prototyp. Stellen Sie diesen Ihren Anwendern
zur Verfügung. Sammeln Sie die Erkenntnisse und Erfahrun-
gen ein. Passen Sie Ihre bis dahin gemachten User-Stories
auf diese Informationen an. Eine bessere Schmierung kann
Ihr Projekt nicht bekommen.
Schmiermittel – Story Mapping
Bei der Durchführung der Phase 0 entsteht das Backlog
(Liste der Dinge, die getan werden müssen). Das Backlog
in unserem Falle besteht aus den zahlreichen User-Stories
(resp. Epics), die sinnvoll zu strukturieren sind - also die Sor-
tierung, die User-Stories und die Organisation. Dieses Map-
ping beschäftigt sich mit der Frage nach dem minimal ver-
wendbaren Umfang, der zu realisieren ist, um einen Wert an
den Kunden zu liefern.
Hier kann man auch vom sogenannten MVP (Minimum Viable
Product) sprechen. Also die Definition des Projektes mit den
minimalsten Anforderungen und Eigenschaften, die es aber
benötigt, um das Projekt live zu stellen.
Allerdings befinden sich, sofern Sie Ihre Hausaufgaben in
allen Phasen richtig gemacht und die jeweiligen Schmier-
mittel gut eingesetzt haben, in Ihrem Backlog nur noch Sto-
ries die relevant für Ihre Nutzer sind. Eine erneute Prüfung
über den Weg eines MVP halte ich daher für nicht zielfüh-
rend. Sinniger erscheint mir eine klassische Priorisierung der
User-Stories, die vielfach auch durch Prozesse, Schnittstel-
len, Vermarktung und andere Rahmenparameter mit defi-
niert werden. Dies sollte zu Beginn der Implementierung
erfolgen.
Für mich ist das (bitte visuelle) Story-Mapping ein perfektes
Werkzeug, um im gesamten Projektteam über alle User-Sto-
ries / Epics zu sprechen und einen Plan zu erstellen, der sich
in sinnvolle Sprints teilen lässt. Hierbei geht es vor dem Start
der Implementierung um die klaren Elemente:
Transparenz über alle Epics / User-Stories hinweg für alle
Beteiligten
Überprüfung über alle User-Stories hinsichtlich der Rich-
tigkeit im Gesamtkontext
Anpassung der Stories. Denn diese werden nicht ein für
alle Mal festgelegt, sondern kontinuierlich detailliert und
angepasst (insbesondere in der Abwicklung = Scrum). Aber
vor allem gilt es hierbei komplexe Aufgaben zu zerkleinern
und in weniger komplexe Bestandteile aufzusplitten.
Neben der klaren Notwendigkeit, sich in Gänze mit allen
User-Stories auseinanderzusetzen, diese zu sortieren, pri-
orisieren, zu prüfen und ggfs. anzupassen, findet sich das
Schmiermittel in der Methode selbst. So sind die Transpa-
renz und das Hinterfragen der Stories über Richtigkeit und
Notwendigkeit das Entscheidende. Ein gutes Mapping der
Stories bedarf allerdings auch einer stringenten und guten
Moderation und Führung der Teilnehmer.
Am Ende der Phase 0Am Ende der Phase 0 steht ein von allen Stakeholdern getra-
genes priorisiertes Backlog. Eine perfekte Basis für die agile
Projektdurchführung. Insofern ist das Backlog schlichtweg
die Sammlung aller Anforderungen (= die Ergebnisse der
obigen Workshops) an die Software, die entwickelt werden
soll. Das Backlog folgt dem agilen Prozess. Insofern ist es
nicht zu verwechseln mit einem Lastenheft. Im Rahmen der
agilen Implementierung (Planning) ist es selbstverständlich
jederzeit möglich, das Backlog zu verändern und den Gege-
benheiten anzupassen. Insofern sollten Sie die User-Stories
auch nicht zu detailliert schreiben! Dennoch sollten Sie in
jede User-Story die im Rahmen der Phase 0 erstellten Daten
& Strukturen, Architektur & Interfaces, Business Prozesse
und UX / UI Design stecken. Viel Erfolg!
Gerd Bart kann auf über 17 Jahre
Erfahrung im E-Business zurück-
blicken und ist bei Sybit als Solu-
tion Principal E-Business tätig. In
seinen früheren Positionen war er
in Entwicklung, Beratung, Business
Development und Bereichsleitung tätig. Seine dort gesam-
melten Erfahrungen bringt er zielorientiert und pragmatisch
für unsere Kunden in strategischen und konzeptionellen
Fragestellungen ein und berät im E-Business Umfeld auf der
Basis von SAP Hybris.
24 sybit agile Ausgabe 16
Lust auf was Neues?
Zukunft gestalten - Karriere machen - Fortbildung nutzen - Teamspirit spüren - Freiheiten genießen - Sicherheit erleben.
Wie sich Ihre Karriere bei Sybit entwickeln wird, steht für uns schon fest: Wir wollen Ihnen keinen festen Werdegang vorschreiben, sondern Ihren per-sönlichen Weg ebnen. Ihre Potentiale und Wünsche bestimmen die Richtung. Wir bereiten Ihnen die Bühne mit flachen Hierarchien, motivierten Teams, maximaler Eigenverantwortung, ergebnisbezogener Führung und persona-lisierter Fortbildung. An unserer SyCademy können Sie an Ihren fachspezifi-schen Kenntnissen und persönlichen Fähigkeiten feilen.
sybit.de/karriere
The very best of Scrum
Thomas van Aken
26 sybit agile Ausgabe 16
The very best of Scrum
Agile ist Mainstream und Scrum das am meisten verbreitete
agile Framework. Doch warum ist das so? Was sind die gro-
ßen Vorteile von Scrum? Hier sind meine Favoriten unter den
Erfolgsfaktoren:
Mit Komplexität tanzen gehenDas Stacey-Diagramm (Abbildung 1) diskutiere ich gerne
schon ganz früh mit Kunden in gemeinsamen Projekten. Die
Aussage dahinter ist, dass die Parameter eines Projektes, die
es zum Erfolg führen (im Kontext von Softwareprojekten sind
dies Anforderungen, technische Rahmenbedingungen sowie
das Setup und die Zusammenarbeit des Projektteams), ent-
weder vollkommen bekannt oder gänzlich unbekannt sein
können (Y-Achse). Im Verlauf des Projektes sind diese Para-
meter entweder dauernden Änderungen unterworfen oder
bleiben gänzlich stabil (X-Achse). In der Diskussion hierzu
bitte ich meine Kunden, einen Punkt in dieses Diagramm zu
zeichnen, wo sie das Projekt sehen. Wenig überraschend:
Bisher wurde noch nie ein Punkt in der linken unteren Ecke
gemacht! Das würde ja auch bedeuten, dass a) das Projekt-
vorhaben langweilig ist und b) die Beteiligten das Wesen von
Softwareentwicklung[1] nicht verstanden haben: Denn dieses
ist per Definition komplex[2].
Abbildung 1: Das auf die Softwareentwicklung hin angepasste
Stacey-Diagramm
Nun können wir völlig zurecht fragen: Wie kann man in die-
sem Kontext auf die Idee kommen, sich selbst ein Menü mit
dem schönen Titel „Up-Front-Spezifikation im Dialog mit Fix-
Scope auf einem leichten Festpreis-Bett“ aufzutischen? Das
muss schwer verdaulich sein und kann mit klarem Verstand
nur zurück in die Küche gesendet werden.
Was also tun? Ein guter Start ist, sich als ganzes Projekt-
team eine partielle Unwissenheit einzugestehen (denn wer
sind wir schon, also ehrlich). Darüber hinaus sollten sich
alle Seiten bewusst sein, dass Änderungen auf dem Weg
nicht nur ein notwendiges Übel, sondern absolut erwünscht
sind. Denn wer am Anfang nicht alles weiß, sollte sich zum
gemeinsamen Lernen verabreden. Nur so kann man die Kom-
plexität im Projekt sanft aufs Parkett führen, anstatt sie
vom Start weg in der Garderobe verstecken zu wollen! Nun
brauchen wir noch ein Framework, in dem wir nach bestem
Wissen und Gewissen planen, den Plan ausführen und das
Ergebnis zeitnah reflektieren, um dann den Plan mit Hilfe
neuer Erkenntnisse zu verbessern. Dieser Ablauf nennt sich
in Scrum „Sprints“. Sprints bilden den Rhythmus bei dem
jeder mit muss.
Der Paradigmen-WechselKonkret bedeutet dies aber auch oft, dass es am Anfang
bereits einen Plan geben muss. Dieser detailliert zwar nur
das, was zeitnah auch umgesetzt werden kann, dennoch
muss in vielen Fällen für den gesamten Scope eine best-
mögliche Annahme über das Budget, das Team-Setup sowie
den zeitlichen Horizont gestellt werden. Da dies ja nur eine
Annahme sein kann, dreht man im nächsten Schritt (Abbil-
dung 2) das Dreieck einfach um. Ganz im Sinne von Scrum
bleibt die Time-Box des Projektes – und damit auch das
Budget – stabil. Jetzt liegt der Fokus auf der Anpassung
des Scopes. Wer an dieser Stelle das „Feature complete-
ness“-Schiff davon segeln lässt, macht Platz für die wirklich
wichtige Frage: Wie schaffen wir es gemeinsam und in dem
vorgegebenen Rahmen den höchsten Mehrwert für unsere
Kunden und Nutzer zu schaffen?
Abbildung 2: Paradigmen-Wechsel: Plan-getrieben versus
Wert-getrieben
Dem User seine echten StoriesDamit verbindet sich die Frage, wie man Einsichten darü-
ber sammelt, gegen welchen Bedarf man beim Nutzer und
am Markt überhaupt antritt und wie man echten Erfolg
messen kann. Denn die echte Feedback-Schleife wird nicht
PlanDriven
ValueDriven
KlassischerAnsatz AgilerAnsatz
fixed
estimated
Budget
Budget Time
Time Scope
Scope
Complex
Simple
Chaoticunknown
known
stable unstable
27sybit agile Ausgabe 16
zwischen dem Planning und dem (internen) Review-Mee-
ting aufgespannt. „Entscheidend is auf’m Platz“[3]: Das gilt
vorne bei den Anforderungen sowie hinten nach der Aus-
lieferung. Das heißt, vorne sind quantitative Analysen (z.B.
Markt-Benchmarks und Analytics-Daten) sowie qualitative
Verfahren (Nutzer-Interviews, Online-Umfragen etc.) gefragt
und hinten – auch. Immer wenn ein Projektteam den eigenen
Mikrokosmos verlässt und echtes Nutzerfeedback mit einbe-
zieht, geht die Sonne auf[4]. Ab diesem Punkt fängt man an,
echte Stories über seine Nutzer zu schreiben. Das heißt für
mich, die agile Wertschöpfungskette zu Ende zu denken.
Raum für Zusammenarbeit und VertrauenLässt man sich auf die gemeinsame Suche nach echtem
Mehrwert im Projekt ein, ist man im besten Sinne zur Zusam-
menarbeit verdammt. In Scrum trifft sich das Scrum-Team
täglich und das ganze Projekt-Team (im besten Fall inklusive
echten Nutzern) alle ein bis vier Wochen. So lernt man sich
kennen, weiß um die Stärken und Schwächen des anderen,
gewinnt Vertrauen. Die Retrospektive in Scrum ist hierzu ein
wichtiger Schlüssel: Sie macht nicht nur Dinge transparent,
die alle Beteiligten verbessern können und damit offensicht-
lich, was ohnehin schon klar ist: Es sind nur Menschen am
Werk. Darüber hinaus wird hier deutlich, dass in der Regel
alle ihr Bestes für das gemeinsame Ziel geben. Ist dies ein-
mal nicht der Fall, adressiert die Retrospektive früh dieses
Projektrisiko der Kategorie 1 und schafft den Raum, die
Ursachen hierfür zu finden und zu beheben. Ich kenne kei-
nen Ansatz, der so viel schonungslose Offenheit und Trans-
parenz von allen Seiten fordert. Eine echte Herausforderung
für alle, aber damit auch eine echte Chance, immer wieder
neue und bessere Wege zu gehen.
Kein Platz für Helden: Selbstorganisierte Teams schaffen Räume und machen den UnterschiedIn der agilen Community wird viel darüber gesprochen, wie
man zu selbstorganisierten Teams kommt. Das ist in der Tat
nicht einfach und daher eine wertvolle Diskussion. Ein guter
Scrum Master mit einem guten Standing im Team sowie
gegenüber dem Management ist sicherlich ein wichtiger
Baustein hierzu (s.u.).
Seltener liest man darüber, warum man Selbstorganisation
überhaupt braucht. Vielleicht weil eine wesentliche Antwort
auf diese Frage so einfach ist: Es gibt keine Helden in der
Softwareentwicklung! Die Dinge sind immer zu komplex, als
dass einer den Plan für alles haben kann. In der Komplexi-
tätstheorie heißt es, dass zur Bewältigung einer komplexen
Aufgabenstellung die Einheit zur Bewältigung des Problems
eine Komplexität größer gleich der Aufgabenstellung vor-
weisen muss. Oder anders: Versammle Menschen mit soviel
Erfahrung und „Rechenleistung“ wie möglich und schaffe
ihnen einen Raum für eine effiziente Vernetzung. In Scrum
wird dieser Raum dadurch geschaffen, dass es niemanden
mehr gibt, der sagt, was der einzelne wann und wie zu tun
hat. Dies schafft Platz für jeden im Team, sich mit all sei-
nem Wissen und seinen Ideen kreativ einzubringen. Darüber
hinaus sind die Teammitglieder aufgefordert, sich in diesem
Raum selber bestmöglich zu vernetzen. All dies entfaltet
völlig neue Potentiale und bringt die Zusammenarbeit auf
eine neue Ebene. Doch der Kern des Ganzen liegt noch tiefer:
Durch diese Freiheit und der damit verbundenen wertschät-
zenden Aufforderung sich einzubringen, steigt die Motiva-
tion im Team. Das ist zum Beispiel der Moment, in dem der
Neue im Team in der Retro aufsteht und eine Idee hat, die
alle gut finden und so umsetzen.
Der Scrum Master – verdammt zu überzeugenDie Räume für Kreativität und Selbstorganisation zu schaf-
fen sowie das Team dahin zu führen, diese Räume konst-
ruktiv und produktiv zu nutzen, das sind die Kernaufgaben
des Scrum Masters. Effektiv Entscheidungen zu treffen und
Konsens herzustellen, wird im Rahmen der Selbstorgani-
sation zur Herausforderung für das ganze Team. Für jeden
einzelnen bedeutet dies, sein Ego in den Dienst der gemein-
samen Sache zu stellen[5]. Dies braucht eine Atmosphäre
und ein Miteinander, in der jeder zurückstecken kann, ohne
damit verlieren zu müssen. Der Scrum Master coacht in die-
sem Prozess das Team sowie jeden einzelnen. Auf diesem
mitunter nicht einfachen Weg ist es an ihm, immer wieder
klarzumachen, warum diese Art der Zusammenarbeit wichtig
und richtig ist und warum sich der Einsatz jedes Einzelnen
lohnt. Doch am Ende muss jedes Teammitglied diesen Schritt
für sich gehen.
Abbildung 3: Der Scrum Master als „Ego-Pushbacker“ bringt das
Team zum Fliegen. ;-) Quelle: fraport.de
28 sybit agile Ausgabe 16
Deswegen ist es so weise, dass der Scrum Master keinerlei
Weisungsbefugnis hat – er ist per Rollendefinition verdammt,
zu überzeugen. Verantwortung für sich und andere zu über-
nehmen, kann man nun mal nicht verordnen.
Das ist übrigens auch einer der besten Momente im Leben
eines Scrum Masters, wenn man feststellt, dass das Team
einen Schritt aufeinander zugeht, die persönliche Ebene
zurücktritt und die Energie für die fokussierte Arbeit an der
gemeinsamen Sache frei wird.
Keine Zeit zu lesen? Hier gibt es die Zusammenfassung:Scrum schafft Räume, in denen sich Menschen wohlwollend,
offen und nicht zuletzt mit Spaß begegnen können, um krea-
tiv an tollen Lösungen für komplexe Aufgabenstellungen zu
arbeiten[6].
Hierfür braucht es ein Umfeld, das diese Räume zulässt und
die Bereitschaft aller, sie positiv zu nutzen. Eine wichtige
Zutat hierfür: Der Scrum Master als Moderator und Katalysa-
tor. Letztlich sind jedoch alle Beteiligten gefragt, sich auf den
Paradigmenwechsel einzulassen. Wer eine solche Arbeits-
weise einmal erlebt hat, wird sie immer wieder suchen.
Quellen[ 1 ] Softwareprojekte können durchaus standardisierte Roll-out-Pro-
jekte sein. Diese seien hier ausgeklammert, um den Plot nicht zu
verwässern..
[ 2 ] Spätestens wenn der Faktor Mensch dazu kommt, wird es manch-
mal sogar abenteuerlich – sagt man sich.
[ 3 ] Frei nach Adi Preißler. https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Preißler
[ 4 ] Im Lean User Experience Umfeld gibt es in diesem Kontext den
sehr heiter formulierten Imperativ „Get out the f*** building!“ –
was nicht nur im übertragenen Sinn gemeint ist.
[ 5 ] Mit dem Vortragstitel „Agree or Disagree, but commit“ haben es
Pamela Hackett und Mischa Ramseyer bei der Agile Bodensee
Konferenz 2015 auf den Punkt gebracht.
[ 6 ] Siehe auch die Definition von Scrum im Scrum Guide:
http://www.scrumguides.org/scrum-guide.html#definition
Thomas van Aken ist seit ca. 15
Jahren in der Softwareentwicklung
unterwegs. Seit 2008 wendet er
dabei in den verschiedensten Rollen
(Entwickler, Produkt-, Projekt- und
Programm-Manager) agile und
schlanke Methoden an. Seit 2012 begleitet Thomas van Aken
als Agile Coach Teams bei der Einführung agiler Methoden
und gibt Schulungen zu den Themen Scrum, Kanban, agiles
Anforderungs management sowie Agile und Lean UX.
29sybit agile Ausgabe 16
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Ausgabe 1609/2016