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selbst wiederum die materiellen Voraussetzungen für seine Aufhebung in ge- sellschaftliches Eigentum schafft. (50) Mit der Kritik an den von Freese so warm verteidigten Eigentumsverhältnis- sen unterzog Bebel zugleich deren theoretische Rechtfertigung einer eingehen- den Kritik. Freese versuchte mit einer abstrakten "Idee der individuellen Frei- heit" die Notwendigkeit des Privateigentums zu begründen. Für Freese, der in der bürgerlichen Demokratie die höchste und letzte Stufe der Verwirklichung der Idee der individuellen Freiheit sah, war deshalb die Erringung der politi- schen Freiheit, wie sie der bürgerlich-demokratische Staat garantiert, alles, was der Mensch für sein Dasein verlangen könne. Aber der bürgerlich-demokra- tische Staat, der die Freiheit aller Bürger verkündet, enthält, wie Bebel bewies, einen tiefen Widerspruch, nämlich den Widerspruch zwischen der bloß politi- schen Freiheit und der allgemein menschlichen Emanzipation. Freese übersah, daß der bürgerlich-demokratische Staat die wirklichen Unterschiede und Ge- gensätze in der kapitalistischen Gesellschaft ignoriert, für unpolitische, ihn nicht genierende Unterschiede und Gegensätze erklärt.(S1) Bebel machte dagegen deutlich, daß der bürgerlich-demokratische Staat, der arm und reich offiziell gleichsetzt, zugleich damit die Illusion einer Gesell- schaft der größten Freiheit, der vollendeten Unabhängigkeit des Individuums erzeugt, während er das Individuum nur befreit, soweit es sich in der Situation der bürgerlichen Klassen befindet. Andererseits, das zeigte Bebel, ist diese Ge- sellschaft infolge des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln und der kapitalistischen Ausbeutung für die werktätigen Massen in Wahrheit voll- endete Knechtschaft und Unmenschlichkeit. Deshalb, folgerte er, könne die politische Freiheit keine gleiche sein, wenn die ökonomische Ungleichheit exi- stiert. Die Sozialdemokratie betrachte deshalb nicht die politische Freiheit als Zweck, sondern als Mittel zum Zweck. Als Zweck betrachte die Sozialdemo- kratie die Herstellung der ökonomischen Gleichheit, d. h. die Errichtung eines auf voller Freiheit und Gleichheit basierenden Staats- und Gesellschaftswesens. Denn die Freiheit höre da auf, wo sie hinübergreift in die Sphäre des anderen, d. h., wo sie durch ihre Übergriffe die Gleichheit verletzt.(S2) In der Auseinandersetzung mit der von Freese vertretenen spekulativ idea- listischen Auffassung von der Freiheit des Individuums als einer allgemeinen Idee, die ihre Grundlage wiederum in der Idee des Privateigentums habe, ver- trat und verteidigte Bebe! die Auffassung des historischen Materialismus von der Freiheit als einer historischen und sozialen Kategorie. Bebe! verwarf eine Freiheit, die nur in der abstrakten Idee existiert, als Illu- sion. Er verlangte für die wirkliche Freiheit des Individuums außer der Idee

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selbst wiederum die materiellen Voraussetzungen für seine Aufhebung in ge-sellschaftliches Eigentum schafft. (50)

Mit der Kritik an den von Freese so warm verteidigten Eigentumsverhältnis-sen unterzog Bebel zugleich deren theoretische Rechtfertigung einer eingehen-den Kritik. Freese versuchte mit einer abstrakten "Idee der individuellen Frei-heit" die Notwendigkeit des Privateigentums zu begründen. Für Freese, der inder bürgerlichen Demokratie die höchste und letzte Stufe der Verwirklichungder Idee der individuellen Freiheit sah, war deshalb die Erringung der politi-schen Freiheit, wie sie der bürgerlich-demokratische Staat garantiert, alles, wasder Mensch für sein Dasein verlangen könne. Aber der bürgerlich-demokra-tische Staat, der die Freiheit aller Bürger verkündet, enthält, wie Bebel bewies,einen tiefen Widerspruch, nämlich den Widerspruch zwischen der bloß politi-schen Freiheit und der allgemein menschlichen Emanzipation. Freese übersah,daß der bürgerlich-demokratische Staat die wirklichen Unterschiede und Ge-gensätze in der kapitalistischen Gesellschaft ignoriert, für unpolitische, ihnnicht genierende Unterschiede und Gegensätze erklärt.(S1)

Bebel machte dagegen deutlich, daß der bürgerlich-demokratische Staat, derarm und reich offiziell gleichsetzt, zugleich damit die Illusion einer Gesell-schaft der größten Freiheit, der vollendeten Unabhängigkeit des Individuumserzeugt, während er das Individuum nur befreit, soweit es sich in der Situationder bürgerlichen Klassen befindet. Andererseits, das zeigte Bebel, ist diese Ge-sellschaft infolge des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln undder kapitalistischen Ausbeutung für die werktätigen Massen in Wahrheit voll-endete Knechtschaft und Unmenschlichkeit. Deshalb, folgerte er, könne diepolitische Freiheit keine gleiche sein, wenn die ökonomische Ungleichheit exi-stiert. Die Sozialdemokratie betrachte deshalb nicht die politische Freiheit alsZweck, sondern als Mittel zum Zweck. Als Zweck betrachte die Sozialdemo-kratie die Herstellung der ökonomischen Gleichheit, d. h. die Errichtung einesauf voller Freiheit und Gleichheit basierenden Staats- und Gesellschaftswesens.Denn die Freiheit höre da auf, wo sie hinübergreift in die Sphäre des anderen,d. h., wo sie durch ihre Übergriffe die Gleichheit verletzt.(S2)

In der Auseinandersetzung mit der von Freese vertretenen spekulativ idea-listischen Auffassung von der Freiheit des Individuums als einer allgemeinenIdee, die ihre Grundlage wiederum in der Idee des Privateigentums habe, ver-trat und verteidigte Bebe! die Auffassung des historischen Materialismus vonder Freiheit als einer historischen und sozialen Kategorie.

Bebe! verwarf eine Freiheit, die nur in der abstrakten Idee existiert, als Illu-sion. Er verlangte für die wirkliche Freiheit des Individuums außer der Idee

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die materiellen Bedingungen, die es der Arbeiterklasse und den Massen ermög-lichen, frei zu sein. Diese Bedingungen waren für ihn bei Bestehen des Privat-eigentums und des bürgerlichen Staates nicht gegeben. Er bewies, daß unterdiesen Bedingungen die Freiheit für das Proletariat immer nur im günstigstenFall eine partielle, eine politische, aber keine allgemein-menschliche sein könne.Bebe! setzte deshalb als Korrelativ zur Freiheit die ökonomische Gleichheit,worunter er das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln verstand, als not-wendige materielle Voraussetzung für die Freiheit des Individuums.

Diese Feststellung, daß Bebel unter "Gleichheit" soziale Gleichheit im Sinneder Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und der Schaf-fung von gesellschaftlichem Eigentum verstand, muß besonders deshalb her-vorgehoben werden, weil Bebel sowohl damals wie auch in der modernen bür-gerlichen Literatur wiederholt als Anhänger eines utopischen Gleichheitssozia-lismus denunziert wird. Ihm wird unterstellt, daß er angeblich die Gleichheitüber die individuelle Freiheit stellte und damit die Freiheit selbst abwertete.So schreibt z.B. Susanne Miller, daß mit der Ablehnung der Eigentumsverhält-nisse des Kapitalismus gleichzeitig die "individuelle Freiheit" abgelehnt wurdeund daß schließlich die Gleichheit den Vorrang vor der Freiheit erhielt. (53)Mit dieser Einschätzung befindet sie sich in Übereinstimmung mit GustavMayer, der bereits 1912 schrieb, daß Bebel unter Gleichheit soziale Gerechtig-keit verstehe und sie über die persönliche Freiheit stelle.(54) Beide gehen andas Verhältnis von Freiheit, Gleichheit und Eigentum idealistisch heran. WieFreese betrachten sie die Freiheit an sich und ignorieren die Wechselbeziehungzwischen ökonomischen Verhältnissen und individueller Freiheit in einer gege-benen Gesellschaft. So kommen sie zu der üblichen bourgeoisen Auffassung,daß der Sozialismus auf Kosten der Gerechtigkeit und Gleichheit die Freiheitdes Individuums abbaue. Von hier aus muß ihnen von vornherein das Ver-ständnis für die von Bebel dargelegte Dialektik von Freiheit und Eigentums-verhältnissen verschlossen bleiben. Bebel hatte sich jedoch nicht nur in seinerSchrift "Unsere Ziele", sondern in der Folgezeit wiederholt mit dem Verhält-nis von Freiheit und Gleichheit, von Freiheit und Eigentum beschäftigt, so daßeine 'Wertung seiner Auffassungen aus ihrem immanenten Gehalt ohne Schwie-rigkeiten möglich ist. Dabei wird ohne jede Einschränkung deutlich, daß ererstens zu keiner Zeit gleichheitssozialistischen Gedanken verhaftet war .undzweitens, daß er die Freiheit des Individuums stets im historisch konkreten Be-zug der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse analysierte und begriff. (55)

Besonders ausführlich reflektierte Bebel in der ersten Ausgabe seines Haupt-werkes "Die Frau und der Sozialismus" über jene bourgeoisen Argumente,

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denen zufolge der Sozialismus mit seiner Forderung nach Gleichheit die Frei-heit des Individuums unmöglich mache.

Indem Bebel sichtbar machte, daß er unter Gleichheit die gleichen materiel-len Existenzbedingungen verstehe, schrieb er über den Sozialismus als das Pa-radigma einer Gesellschaft der Gleichheit, wie er sie begriff: "Die Bedürfnisseund Neigungen werden verschieden sein, aber jedes kann seine natürlichen Be-dürfnisse und Neigungen nach Notwendigkeit befriedigen. Die uniformeGleichheit, die man dem Sozialismus andichtet, ist ein Unsinn; es würde nichtnur keine Gesellschaft geben, welche sie wünschte, es würde auch keine Gesell-schaft geben, welche sie sich aufzwingen ließe." (56) Bebel analysierte in seinemHauptwerk die Entwicklung der Freiheit des Individuums von der Sklavereibis zum Kapitalismus, um in der historischen Sicht zu beweisen, daß, determi-niert durch die ökonomische Entwicklung, die Freiheit des Individuums unterden Bedingungen des Privateigentums stets nur eine partielle sein konnte. Dar-aus schlußfolgerte er völlig zu Recht - die Übereinstimmung mit Marxens Ge-dankengängen ist augenscheinlich -, daß erst mit der ökonomischen Emanzipie-rung der Arbeiterklasse und der anderen ausgebeuteten Schichten das Indivi-duum voll und ganz frei sein könne. "Aber erst im Sozialismus ist der Menschvoll und ganz frei, da gehört er sich selbst an und kann in umso höherem Gradeeiner Vervollkommnung entgegenstreben, wie er sich in Gemeinschaft mit allendie Existenzbedingungen erleichtert."(57) Es war stets Bebeis unverrückbareÜberzeugung, daß sowohl das Ziel des vollendeten Sozialismus die höchsteFreiheit des Individuums sei als auch, korrespondierend mit dieser Zielsetzung,der vollendete Sozialismus jene tatsächlichen ökonomischen, sozialen und kul-turellen Voraussetzungen bieten wird, die es dem Individuum gestatten, wirk-lich frei zu sein. (58)

Als 1878 in einem Artikel der Höchbergschen "Zukunft" Dr. A. Mülber-ger(59), der unter dem Einfluß Proudhons stand, die Auffassung der Sozial-demokratie über das Verhältnis von ökonomischen Bedingungen und Freiheitdes Individuums angriff und seine kleinbürgerlichen Freiheitsvorstellungenentwickelte, war es wiederum Bebel, der entschieden den Standpunkt des hi-storischen Materialismus gegen den Proudhonismus verteidigte.(60)

Mülberger vertrat die Auffassung, daß sowohl der Assoziationsgedanke wieder Staatsgedanke der Sozialisten den Bauern zuwider seien, denn beide Ge-danken haben eine "Idee von Zwang, von Unfreiheit in sich". Beide Gedankenständen dem ausgeprägten Individualismus der Bauern entgegen, denn die"Freiheit" sei ihnen höchstes Prinzip.

Für Bebel waren Mülbergers Freiheitsvorstellungen in höchstem Maße su-

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spekt. Die Berufung auf die Freiheit des Individuums bei einer Verteidigungvon Eigentumsrechten wurde von ihm als eine Freiheit gebrandmarkt, Besitz-lose in Abhängigkeit, also in Unfreiheit zu halten und ihre Arbeitskraft auszu-beuten. "Was denkt sich der Herr Mülberger bei dem Satze, die Freiheit ist dasindividuellste aller Prinzipien? ,Freiheit', die ich meine. Ja, welche Freiheitdenn? Im Namen der Freiheit haben bisher alle Unterdrücker und Ausbeutergeredet und gehandelt", schrieb Bebel gegen Mülberger.(61) Bebel machtedeutlich, daß im Sozialismus nicht die Freiheit des Individuums, sondern ge-rade deren partieller Charakter, der durch das Privateigentum in der Klassen-gesellschaft gegeben ist, abgeschafft werden muß. Das jedoch könne eben nachAuffassung der Sozialisten nur geschehen, wenn an die Stelle der Freiheit desbesitzenden Individuums jene auf das Gemeineigentum an den Produktions-mitteln sich gründende Freiheit aller Individuen gesetzt wird.(62)

In dem Maße, in dem Bebel in der Auseinandersetzung mit den spekulativ-idealistischen Auffassungen Freeses von der Freiheit des Individuums als einerallgemeinen Idee die Gedankengänge des historischen Materialismus über dieFreiheit als einer historisch und sozial determinierten gesellschaftlichen Bezie-hung sichtbar machte und verteidigte, gelang es,ihm, den tiefen philosophischenGegensatz zwischen dem Individualismus des Liberalismus und der kleinbür-gerlichen Demokratie einerseits und dem Standpunkt des historischen Materia-lismus, wie er von der jungen revolutionären Arbeiterpartei über das Verhält-nis von Individuum und Gesellschaft vertreten wurde, andererseits augen-scheinlich werden zu lassen.

Aus dieser gegensätzlichen Auffassung über das Verhältnis von Freiheit undPrivateigentum ergaben sich die von Bebe! und Freese vertretenen divergieren-den Auffassungen über den Staat. Für Freese bestand die Aufgabe des Staatesdarin, der Verwirklichung der Idee des Privateigentums zu dienen. Deshalbforderte er den "Volks staat", der für ihn die bürgerlich-demokratische Repu-blik war, die "auf die engste Rechtsphäre eingedämmt" sein sollte. (63) AndereAufgaben als die, alle rechtlichen Verhältnisse und Garantien zur weitmöglich-sten Entfaltung der Idee des Privateigentums zu schaffen, kamen nach Freesedem Staat nicht zu. Er wandte sich deshalb gegen die im Eisenacher Programmenthaltene Auffassung von der Notwendigkeit der Staatshilfe für die Schaffungvon Produktionsgenossenschaften.(64) Bebel, der ebenfalls die These vomVolks staat vertrat, hatte aber eine von Freese grundverschiedene Auffassungüber den Staat. Für Bebe! war der Staat, einschließlich der bürgerlich-demo-kratischen' Republik, ein Instrument der Klassenherrschaft.(65) Wenn derVolks staat, so schlußfolgerte Bebel, im Sinne Freeses aufgefaßt werde, dann

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ist nur logisch, daß er als Staat der ökonomisch herrschenden Klasse niemll:lsstaatliche Hilfe für die Entwicklung von Produktivgenossenschaften gewährenwird, und zwar nicht, weil er finanziell dazu nicht in der Lage wäre, sondernweil er es nicht kann, ohne seine eigene ökonomische Grundlage aufzuheben."Täte das die Bourgeoisie, täten das die herrschenden Klassen,sie handeltengegen ihr eigenes Interesse, sie würden in der Arbeiterklasse nicht nur einenKonkurrenten, sondern auch einen Faktor erziehen, der sie schließlich über-haupt unmöglich machte, ihre Herrschaft als Klasse hörte auf. Das wäre natür-lich Selbstmord, den sie auf keinen Fall freiwillig vollziehen wird."(66) Bebelmachte deutlich, daß die Auffassung der Sozialdemokratie über den Volks staateine der kleinbürgerlichen Demokratie entgegengesetzte sei, denn die Sozial-demokratie verbinde mit der These vom Volks staat die Erkenntnis, daß dieArbeiterklasse sich die Macht erobern müsse.(67) Mit dieser Forderung gingBebel über die Feststellung des Eisenacher Programms hinaus.(68) An derSpitze des Eisenacher Programms stand die Forderung nach der "Errichtung desfreien Volksstaates". Damit war die demokratische Republik umschrieben, diezunächst auf der Tagesordnung stand. Diese Umschreibung war theoretisch un-zulänglich.(69) Hinzu kam, daß die demokratische Republik nicht als Etappen-ziel, als günstigster Kampfboden für die Errichtung der Diktatur des Proleta-riats, sondern als Staat der sozialistischen Gesellschaft selbst betrachtet wurde.Zwar war er auch hier noch nicht in der Lage, wissenschaftlich die Beziehun-gen zwischen dem Kampf der Arbeiterklasse um die demokratische Republikund der Notwendigkeit der Errichtung des sozialistischen Staates zu erfassen,aber, indem er die Machteroberung der Arbeiterklasse, die sowohl auf "fried-lichem" wie auf "gewaltsamem" Wege erreicht werden könne(70), als die Vor-aussetzung .für die ökonomische Befreiung der arbeitenden Klassen formulierte,wurde deutlich, daß er über die im Eisenacher Programm erhobenen Forderun-gen nach der "politischen Freiheit" und dem "Demokratischen Staat" theore-tisch hinausgewachsen war. Indem Bebel die These von der Staatshilfe gegenFreese verteidigte, arbeitete er eine von der kleinbürgerlichen Demokratie völ-lig verschiedene Auffassung vom Volks staat heraus. Während er den Begriffnoch beibehielt, war seine inhaltliche Ausdeutung bereits unterschieden.Konnte sich Freese noch nach dem Eisenacher Parteitag an das "Gemeinsame",den Volksstaat klammern, so blieb jetzt von dieser Gemeinsamkeit nichts mehrübrig. Sie blieb lediglich auf den Terminus beschränkt. Als Bebel gegen Freesedie Auffassung von der Staatshilfe verteidigte, arbeitete er auch eine von Las-salle unterschiedene Auffassung zum Staat heraus. Bebel ging in "Unsere Ziele"im Gegensatz zu Lassalle von der Voraussetzung aus, daß die Eroberung der

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politischen Macht durch die Arbeiterklasse(71). die Voraussetzung jeglicherökonomischer Umgestaltung ist.

"Wollen wir den Volksstaat, dann muß die Herrschaft der privilegiertenKlassen und Personen gebrochen werden."(72) Der materiellen Gewalt derBourgeoisie - der ökonomischen und politischen - setzte Bebel die materielleGewalt der Lohnarbeiter und der anderen ausgebeuteten Klassen und Schich-ten entgegen. Die Staatshilfe wurde so in seiner Deutung zu einer Aufgabe desStaates - und zwar eines Staates, in dem die werktätigen Klassen die Machthaben - zur Organisierung der gesellschaftlichen Produktion, allerdings nochvorerst in der Form der genossenschaftlichen Produktion. Lassalle glaubtedaran, mit Hilfe des bestehenden Staates den Sozialismus aufbauen zu können.Ja, der Sozialismus war für ihn überhaupt nur als Staatssozialismus möglich,denn seiner Konzeption zufolge verwirklichten sich die verschiedenen Formender Idee, des Prinzips, nur als jeweilige .Seaarsldee". Der Staat war für ihn die-Verkörperung der Einheit der Individuen im sittlichen Ganzen. Im Prozeß derEntwicklung des Staates gehe gleichzeitig der Prozeß der Abschwächung seinerUnterdrückungsfunktion vor sich. Deshalb war für Lassalle die friedliche Um-wandlung des bestehenden Staates, seine Durchdringung mit der "Staatsidee"nicht nur möglich, sondern einziger Weg der sozialistischen Revolution. Dievon ihm erhobenen Forderungen nach dem allgemeinen Wahlrecht sowie dieStaatshilfe für die Produktivgenossenschaften waren deshalb aus dieser theore-tischen Auffassung des Staates nur folgerichtig.

Die von Bebel mit Freese geführten Auseinandersetzungen über den Volks-staat erhellen, daß seine Staatsauffassung auch von der Lassalles grundver-schieden war. Während Lassalle den Staat von seiner idealistischen philosophi-schen Position betrachtete, war für Bebel der Staat weder eine "Idee" noch ein"Prinzip", noch die Verkörperung des "sittlichen Ganzen", sondern materiellesMachtinstrument einer bestimmten Gesellschaftsklasse und ihr Interessenver-treter. Für Bebel war der Staat die politische Organisationsform einer Gesell-schaftsordnung, die selbst wiederum durch die Art und Weise der materiellenProduktion determiniert ist.(73) Deshalb war für Bebel die sozialistische Ge-sellschaft nicht über den bestehenden Staat und mit seiner Hilfe möglich, son-dern nur über den Weg der Brechung der Klassenherrschaft, wenn notwendigmit Gewalt. "Ob die Arbeiterklasse, dem Beispiel des Feudaladels und derBourgeoisie folgend, dieselben gewalttätigen Wege einschlagen, mit dem Ein-reißen der politischen Schranken auch beginnend das Privateigentum der Bour-geoisie konfizieren und in Gesamteigentum verwandeln wird, um so mit einemgewaltigen Ruck über den allmählichen Prozeß der Umgestaltung der Privat-

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produktion in gesellschaftliche Produktion sich hinwegzuschwingen, das istschwer zu behaupten. Der Verlauf dieser Entwicklung hängt von der Intensität(Kraft) ab, mit der die beteiligten Kreise die Bewegung erfassen; er hängt vondem Widerstand ab, den die Bewegung an ihren Gegner findet. Das eine istsicher, je heftiger der Widerstand, um so gewaltiger die Herbeiführung desneuen Zustandes. Mit Sprengen von Rosenwasser wird die Frage auf keinenFall gelöst."(74)

III

Die von Bebel in der Schrift "Unsere Ziele" geführten Auseinandersetzungenmit spekulativ-idealistischen Auffassungen über die Gesellschaft und ihre Ent-wicklung, wie sie Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre von Re-präsentanten der kleinbürgerlichen Demokratie in Deutschland vertreten wur-den, haben in entscheidendem Maße zur Vorbereitung der Beratungen desStuttgarter Parteitages über die Grund- und Bodenfrage beigetragen. Bebel,der auf diesem Parteitag das Referat hielt und eine Resolution vorlegte, ent-wickelte hier im wesentlichen seine in der Schrift "Unsere Ziele" dargelegteKonzeption. Der Parteitag nahm die von Bebel vorgelegte Resolution an, inder erklärt wurde, daß die Entwicklung des Kapitalismus es zu einer gesell-schaftlichen Notwendigkeit machen wird, "das Ackerland in gemeinschaftlichesEigentum zu verwandeln und den Boden von Staats wegen an Ackerbaugenos-senschaften zu verpachten, welche verpflichtet sind, das Land in wissenschaft-licher Weise auszubeuten und den Ertrag der Arbeit nach kontraktlieh geregel-ter Übereinkunft unter die Genossenschaftler zu verteilen".(75)

Damit sprach sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei eindeutig für dieBaseler Resolution über die Grund- und Bodenfrage aus. Sie schuf sich so aucherste entscheidende theoretische Ausgangspositionen für die Schaffung desBündnisses der Arbeiterklasse mit den Bauern. Die junge revolutionäre Arbei-terpartei war nun auch in weltanschaulicher Hinsicht von der kleinbürgerlichenDemokratie abgegrenzt. Damit war sie auf dem Weg der Aneignung desMarxismus einen entscheidenden Schritt vorangekommen und hatte für die mitder nächsten Etappe ihrer Entwicklung auf sie zukommenden neuen Aufgabenbereits bessere theoretische Voraussetzungen.

1 Vgl, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (im folgenden: GDA), Bd. I, Berlin1966, S.289.

2 Vgl. Friedrich Engeis an Johann Philipp Becker, 15. Oktober 1884. "Dein Urteil

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über ihn (Bebel - die Ver/.) ist ganz das meirnge. Er ist der klarste Kopf in derganzen deutschen Partei und dabei durch und durch zuverlässig und nicht zu beirren.Was man selten findet, ist, daß sein großes Rednertalent ... ihn in keiner Weise ver-flacht. Das ist seit Demosthenes nicht mehr vorgekommen." In: Karl Marx/FriedrichEngels: Werke, Bd. 36, S. 218.

3 Marx an Engels, 16. September 1882. In: Marx/Engels: Werke, Bd. 35, S. 95.4 Vgl, W. I. Lenin: An die Sozialdemokratische Partei Deutschlands anläßlich des Todes

von August Bebe!. In: W. I. Lenin: Werke, Bd. 35, Berlin 1962, S.84.5 Vg!. GDA, Bd. I, S. 277 ff.6 Der prinzipielle Hauptteil des Programms entsprach der in Nürnberg 1868 auf dem

5. Vereinstag des Verbandes Deutscher Arbeitervereine beschlossenen Grundsatz-erklärung, die ebenfalls von Bebel ausgearbeitet worden war und die sich an diePräambel der Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation weitgehend anlehnte.Die Grundsatzerklärung des Nürnberger Vereinstages sowie das Programm von Eisen-ach machen deutlich, daß Bebel in wichtigen Fragen des Marxismus auf den Positio-nen von Marx und Engels stand.

7 Diese Entwicklung ist von Karl-Heinz Leidigkeit eingehend untersucht worden. Vgl.Karl-Heinz Leidigkeit: Wilhelm Liebknecht und August Bebe! in der deutschen Arbei-terbewegung 1862 bis 1869, Berlin 1958.

8 Auch in einem Brief August Bebels an Franz Mehring vom 18. Juni 1894, der eineautobiographische Skizze für die Zeit von den fünfziger Jahren bis 1869 enthält, gibtes keinen solchen Hinweis von Bebe!. - Vgl, Institut für Marxismus-Leninismus beimZK der SED, Zentrales Parteiarchiv, Berlin, Fotokopie 62/180.

9 Vgl, August Bebel: Aus meinem Leben, Teil I, Berlin 1953, S.78.10 August Bebe! schrieb in seinen Erinnerungen, daß er Abend für Abend im Verein zu-

brachte. Dadurch lernte er die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeiter besser kennenals die Vorsitzenden des Vereins. Er wurde bald der eifrigste Antragsteller in denAusschußsitzungen und Monatsversammlungen, so daß sein Einfluß auf die Arbeiterimmer mehr wuchs. - Vgl. August Bebel: Aus meinem Leben, Teil I, S.77.

11 August Bebel vertrat neben der These von der Organisierung des Sozialismus aufdem Wege der Produktionsgenossenschaften mit Staatshilfe die Lassallesche Thesevom "vollen Arbeitsertrag". Ebenso war er in seiner Auffassung von der Arbeiter-klasse zu diesem Zeitpunkt von Lassalle beeinflußt.

12 In seiner Erklärung zum Hochverratsprozeß vom 12. Juni 1874 schätzte Bebe! dieseEntwicklung selbst wie folgt ein: "Die elende Haltung der liberalen Partei im preu-ßischen Verfassungskampf und bei Ausbruch des Krieges 1866 öffnete vielen vollendsdie Augen. Der Bruch mit dem Liberalismus erfolgte zunächst offiziell im Zwölfer-Ausschuß der deutschen Arbeitervereine 1866 ... In die erste Wahlagitation zumNorddeutschen Reichstag traten wir in Sachsen 1867 bereits mit einem stark sozia-listisch gefärbten Programm ein, das auf einer Landesversammlung der sächsischenArbeiter im August 1866 zwischen den verschiedenen Fraktionen vereinbart wordenwar .. .' In: Der Hochverratsprozeß wider Liebknecht, Bebel, Hepner vor demSchwurgericht zu Leipzig vom 11.-26. März 1879 (im folgenden: Der Hochverrats-prozeß .: .), Berlin 1894, S. 720/721. - Zu der gleichen Frage erklärte Bebe! aufdem Gothaer Parteikongreß 1876: "Während er bis 1866/67 vollständig politisch

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errug mit Sonnemann gegangen sei, habe sich das Ende 1867 - nämlich mit demGeraer Vereinstag - insofern geändert, als der linke Flügel des Arbeiterverbandes, andessen Spitze er, BebeI, gestanden, sich mehr und mehr dem Sozialismus zugeneigthabe." In: Protokoll über die Verhandlungen des Allgemeinen Sozialistenkongresseszu Gotha vom 19.-23. August 1876, S. 51.

13 Punkt 2 des Nürnberger Programms. In: Der Hochverratsprozeß. '," S.915.14 Vgl. Abschnitt Ir, Punkt 3 des Eisenacher Programms. In: Revolutionäre deutsche

Parteiprogramme. Vom Kommunistischen Manifest zum Programm des Sozialismus(im folgenden: Revolutionäre deutsche Parteiprogramme), hrsg. u. eingel. von LotharBerthold, Ernst Diehl, Berlin '1964.

15 Vgl. August BebeI: Aus meinem Leben, Teil I, S. 127.16 Marx stellte im Nachwort zur zweiten Auflage seines Werkes fest, daß das Verständ-

nis, welches "Das Kapital" rasch in weiten Kreisen der deutschen Arbeiterklasse fand,der beste Lohn für seine Arbeit sei. Vgl. Karl Marx: Nachwort zur zweiten Auflage"Das Kapital". In: Marx/Engels: Werke, Bd.23, Berlin 1962, S; 19. - Vgl. auchDlubek/Skambraks: "Das Kapital" von Karl Marx in der deutschen Arbeiterbewe-gung 1867-1878. Berlin 1967.

17 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeut-schen Bundes. I. Legislaturperiode, Session 1869, 1. Bd., Berlin 1869, S. 147.

18 Ebenda.19 Vgl. Karl Marx: Das Kapital, Bd.1. In: Marx/Enge1s: Werke, Bd.23, S.677-684.

- Vgl. auch Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages desNorddeutschen Bundes. 1.Legislaturperiode, Session 1869, 1. Bd., Berlin 1869, S. 146bis 148. - Es sei darauf verwiesen, daß Bebel hier bereits mit seiner Kritik des "Re-gierungssozialismus"Wagners auf die neue Tendenz in den Auseinandersetzungen derbürgerlichen Ökonomen mit dem Sozialismus aufmerksam machte, wie sie im Kathe-dersozialismus ihren spezifischen Ausdruck erhielt. Bebel zeigte, daß die "tatsächlicheZuspitzurig der Klassengegensätze zwischen Kapital und Arbeit" von der herrschendenökonomischen Schule eine Neuorientierung im Kampf mit dem Sozialismus verlange.Indem Unzulänglichkeiten einerseits in der Situation der arbeitenden Klassen zugege-ben werden, wird andererseits die Illusion verbreitet, daß der Staat mittels Reformenin der Lage sei, das Massenelend zu beseitigen. "Und meine Herren", führte Bebelin seiner Reichstagsrede im Norddeutschen Bund gegen Wagner aus, "ich kann mirnicht helfen, man merkt es, daß dahinter eine gewisse Absicht ist. Ich betrachte denAbgeordneten Wagner sozusagen als Königlich Preußischen Ho/sozialisten, als den-jenigen Abgeordneten, ... der die Aufgabe hat, in der Arbeiterwelt den Glaubenzu erwecken, durch irgendwelche Staatsintervention dem Massenelend und der unter-drückten Lage der Arbeiter zu helfen." Bebel nannte diese Bemühungen Palliativ-mittel, die nur wenig nützen, "aber in den Händen des heutigen Staates gefährlichwerden können". Vgl. ebenda. - (Hervorhebungen - die Ver/.). - Engels nannte ineinem Brief an Marx die Rede BebeIs über die Gewerbeordnung das bei weitemBeste, war im Reichstag gesprochen worden war, und stellte sie in Gegensatz' zuSchweitzers, die er als eine komische Vorlesung über die sozialistischen Forderungenbezeichnete.Vgl. Engels an Marx, 6.April 1869. In: Marx/Engels: Werke, Bd. 32, S. 295.

20 Dort heißt es im Punkt 5 des 11.Abschnittes: "In Erwägung, daß die politische und

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ökonomische Befreiung der Arbeiterklasse nur möglich ist, wenn diese gemeinsam undeinheitlich den Kampf führt, gibt sich die sozialdemokratische Arbeiterpartei eineeinheitliche Organisation ... " In: Der Hochverratsprozeß ... , S.916.

21 Leopold Sonnemann, Mitglied der deutschen Volkspartei, war der einzige Vertreteraus dem bürgerlichen Lager, der die Entwicklung bis dahin mitgemacht hatte. Ertrennte sich jetzt aus diesem Grunde von der Partei.

22 Darüber gibt ein Artikel der "Demokratischen Correspondenz", des Organs der deut-schen Volkspartei, vom 13. August 1869 mit der Überschrift "Eisenacher Arbeiter-kongreß" Aufschluß. Darin heißt es: "Um ganz offiziell zu sprechen, müßten wir vondem Kongreß der sozialdemokratischen Partei reden. Sofern aber diese Bezeichnungeine Unterscheidung bedeutet, kümmert sie uns angesichts des guten Ausgangs derEisenacher Verhandlungen nicht im mindesten. Wir halten uns mit Freuden an dasgemeinsame, an den abermals behaupteten gemeinsamen Besitz - das ist das Pro-gramm der gemeinsamen Arbeit um den freien Volksstaat."

23 Wilhelm Liebknecht an Leonhard von Bonhorst vom Okt.1869. In: Der Hoch-verratsprozeß ... , S. 196.

24 Vgl, Protokoll über die Verhandlungen des Allgemeinen Deutschen sozial-demokra-tischen Arbeiterkongresses zu Eisenach 1869, Leipzig 1869, S. 54.

25 ,,1. Die Gesellschaft hat das Recht, das Privateigentum an Grund und Bodenabzuschaffen und zu Kollektiveigentum zu machen. Es ist eine Notwendigkeit, dasPrivateigentum an Grund und Boden abzuschaffen und zu Kollektiveigentum zumachen." Beschluß des Baseler Kongresses der Internationalen Arbeiterassoziationvom 10. Sept. 1869. In: Die 1. Internationale in Deutschland (1864-1872). Doku-mente und Materialien, Berlin 1964, S.427.

26 In der letzten Nummer des "Demokratischen Wochenblatts" schrieb Liebknecht: "Manhat gefragt: Welche Stellung nimmt die Sozialdemokratische Arbeiterpartei zu demBeschluß über das Grundeigentum? Antwort: Gar keine! Jedes einzelne' Parteimit-glied kann und soll Stellung nehmen, der Partei als solcher steht das nicht zu, weilsie nach keiner Seite an den Beschluß gebunden ist - ebensowenig wie die Inter-nationale Arbeiterassoziation selbst." Er verbesserte die Situation' auch nicht dadurch,daß er einige Wochen später im "Volksstaat" schrieb: "Nachdem er (der Beschluß -die V erj.) aber einmal gefaßt ist, kann die Partei als solche ihn nicht verleugnen."In: August BebeI: Aus meinem Leben, Teil 11, S,93.

27 Vgl. Julius Freese: Die Frage von der Staatshilfe. In: Demokratische Correspondenz,26. November und 3. Dezember 1869.

28, In der neuzeitlichen bürgerlichen und rechtssozialdemokratischen Literatur wird dieZeit bis zum Sozialistengesetz als jene in der deutschen Arbeiterbewegung ein-geschätzt, in der die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ihre Theorie und Ideologie'im wesentlichen von der bürgerlichen Demokratie entlehnte. Dabei wird außer achtgelassen, daß sowohl die Gründung der Eisenacher Partei bereits einen entscheiden-den ideologischen und theoretischen Sieg des Marxismus über kleinbürgerlich-demo-kratische und andere, der Arbeiterpartei fremde Ideologien bedeutete. Auch werdendie Bemühungen um die immer vollständigere Rezeption des Marxismus durch diejunge Arbeiterpartei und ihre bedeutendsten Repräsentanten in Frage gestellt. DieseEinschätzungen stützen sich vor allem auf die von dem Rechtssozialdemokraten Erich

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Matthias in seinem Artikel .Kautsky und der Kautskyanismus" in den "Marxismus-studien" vorgenommene Wertung. Vgl. Erich Matthias: Kautsky und der Kautskyanis-mus - die Funktion" der Ideologie in der deutschen Sozialdemokratie vor dem erstenWeltkrieg, Marxismusstudien, zweite Folge, Tübingen 1957. - Dieser Einschätzungschließen sich über die westdeutsche Literatur hinaus auch englische Autoren an wiez. B. Roger Morgan, der, sich auf Matthias stützend, schreibt, daß die Selbständigkeitzwischen der Sozialdemokratie und der bürgerlichen Demokratie beschränkt war aufeine soziologische und organisatorische, während die Ideologie der Arbeiterparteikontinuierlich von der bürgerlichen Demokratie beeinflußt wurde. - Vgl, Roger Mor-gan: The German Social Democrats and ehe First International 1864-1872, Cam-bridge 1965, S. 233 ff. (engl.). - Die gleiche Auffassung vertritt auch Hans Mommsenin seinem Artikel "Arbeiterbewegung": In: Sowjetsystem und demokratische Gesell-schaft. Eine vergleichende Studie. Bd. I, Abbildtheorie bis Diktatur des Proletariats,hrsg. von C. D. Kernig, Freiburg, Basel, Wien 1966, S. 298 H.

29 1870 wurde von der Partei der 1850 von Engels verfaßte "Deutsche Bauernkrieg"wieder herausgegeben. Anfang 1870 erschien im "Volks staat" Engels' Vorbemerkungzum zweiten Abdruck seines Werkes. Engels betonte hier, daß der Baseler Beschluß"gerade für Deutschland höchst zeitgemäß sei". Engels wies die Partei darauf hin,daß es die dringendste Aufgabe der deutschen Arbeiterbewegung sei, die Landarbei-ter als die zahlreichsten und natürlichsten Bundesgenossen der Industriearbeiter indie sozialdemokratische Bewegung einzubeziehen. Vgl. Friedrich Engels: Vorbemer-kung zum zweiten Abdruck (1870) "Der deutsche Bauernkrieg". In: Marx/Engels:Werke, Bd. 16, S. 400.

30 Bebel hatte in seiner Entgegnung auf Freese die Forderung auf Beseitigung des Pri-vateigentums an den Produktionsmitteln in direkter Form erhoben, wobei er sich aufdie Beschlüsse der Kongresse der Internationalen Arbeiterassoziation in Brüssel undBern und auf Marx' "Kapital" berief, während im Eisenacher Programm die Beseiti-gung des Privateigentums an den Produktionsmitteln nur indirekt verlangt wurde.

31 Vgl. Franz Mehring: August Bebel, In: Gesammelte Schriften, Bd. 4, Berlin 1963, S. 455.32 Vgl. Manfred Sauerbrey: Bebel und die Grundfragen der deutschen Politik. PhiI.

Diss., Köln 1951.33 Vgl, Ludwig Bergsträsser: August Bebel und die Anfänge der deutschen Arbeiter-

bewegung. In: Süddeutsche Monatshefte, 9. Jg., 1. Bd., 1911/12. - Vgl, auch HansKelsen: Sozialismus und Staat. In: Grünberg-Archiv, 9. Jg., 1921. Ebenso: Erich-Hellmuth Wittenberg: Sozialdemokratische Bildungsfremdheit - aufgezeigt an BebeisBildungslehre im Rahmen der siebziger Jahre. Phil. Diss., Berlin 1933, S. 109 H. -Dieser W"ertung schließen sich auch neueste westdeutsche Veröffentlichungen an. Soschreibt z. B. Hedwig Wachenheim, die Auseinandersetzung Bebels mit der Volks-partei einschätzend, daß Bebel hierbei zwar ins Klassenkämpfertum hineinwuchs,"aber in ein Klassenkämpfertum Lassallescher und nicht Marxscher Art". Vgl, Hed-wig Wachenheim: Die deutsche Arbeiterbewegung von 1844-1914. WestdeutscherVerlag, Köln und Opladen 1967, S.121.

34 "Ende 1869 fand ich aber auch erst auskömmlich die Zeit und Ruhe, den im Spät-sommer 1867 erschienenen ersten Band .Das Kapital' von Marx gründlich zu lesen,und zwar im Gefängnis." In: August Bebel: Aus meinem Leben, Teil I, S.128.

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35 "Das freie, sich selbst bestimmende Individuum wird immer der Zweck des Uni-versums bleiben. Das Glück der Gesamtheit ist eine Lüge, solange es noch einunglückliches Individuum gibt." In: Demokratische Correspondenz, 24. September1869.

36 "Gegen zwei menschliche Ideen verstößt die Lehre von der direkten Staatshilfe inder Form, die sie unter den Händen der Kollektivisten und jetzt auch Bebels an-nimmt. 1. Die Idee des Privateigentums; 2. Die Idee der individuellen Freiheit gegen-über dem Staat. Ihre gemeinsame Wurzel ist das Recht der Persönlichkeit, die Men-schenwürde des Individuums." In: Demokratische Correspondenz, 25. März 1870. -F. hat zwei Artikelserien gegen Bebel verfaßt. Die erste erschien im November undDezember 1869 und war der unmittelbare Anlaß für Bebeis Erwiderung im "Volks-staat", die zweite erschien im März 1870 und war eine Antwort auf Bebeis Artikelim "Volksstaat". Bebe! hat auf diese zweite Serie nicht mehr geantwortet, da die indiesen Artikeln von Freese vertretenen Auffassungen sich im wesentlichen mit denender ersten Artikelserie glichen und damit eigentlich von Bebel bereits widerlegt wa-ren. Eine Ausdehnung der Polemik erschien ihm sinnlos, zumal der eigentliche Zweckerreicht war, theoretische Abgrenzung vom kleinbürgerlichen Demokratismus undLiberalismus. Auf dem Stuttgarter Parteitag ist Bebel in seinem Referat zur Grund-und Bodenfrage dann noch einmal ausführlich auf die Argumente Freeses eingegan-gen, ohne seinen Namen zu nennen. Freese hatte in seiner zweiten Artikelserie be-hauptet, daß gesellschaftliches Eigentum an Grund und Boden kulturfeindlich sei,weil es der Kindheit der Menschheit angehöre und in der abendländischen Kulturein Frevel wäre. Vgl. Demokratische Correspondenz, 22. März 1870. - Bebe! be-schäftigte sich in Stuttgart vor allem mit dieser Argumentation. Vgl. August Bebe!:Referat zur Grund- und Bodenfrage. In: August Bebel: Unsere Ziele. Eine Streit-schrift gegen die demokratische Correspondenz (im folgenden: August Bebel: UnsereZiele), Berlin 1893, S. 55 H. Um die gegensätzlichen Auffassungen von Bebel undFreese plastischer zu machen, werden hier beide Artikelserien herangezogen.

37 "Der Feudalstaat und die während seiner Existenz aufkeimende kleinbürgerliche Pro-duktion (das Kleingewerbe) gingen, als sie ihren Höhepunkt erreicht, in den moder-nen Staat und die kapitalistische Produktionsweise über. Mit anderen Worten, anStelle des Kleinbetriebes, der für Zustände ausreichte, wo es galt, nur das nächstetägliche Bedürfnis zu befriedigen, trat der Groß-Betrieb (die Massenproduktion)durch Manufaktur und Maschinerie, welcher die Bedürfnisse des Weltmarktes zubefriedigen hat." In: August Bebel: Unsere Ziele, S. 7/8.

38' Ebenda, S. 8, 14.39 Vgl. auch August Bebels Rede vom 27. April 1870 in Plauen. In: Der Hochverrats-

.prozeß ... , S. 289 ff.40 Vgl, hierzu auch August Bebel, der sagte: "Die alten Staaten, wie Griechenland und

Rom, hatten als die Basis ihrer gesellschaftlichen Einrichtungen die Sklaverei. Diese,... machte den Einrichtungen des Feudalstaates, der auf der Leibeigenschaft undHörigkeit beruhte, Platz, und indem auch dieser allmählich Zu Grunde ging, ent-wickelte sich aus ihm heraus die moderne bürgerliche Gesellschaft und, als notwen-dige Folge, der moderne konstitutionelle Staat." In: Ebenda, S.290.

41 "Die Gesamtgeschichte in der Entwicklung des gleichen und freien Eigentumsrechts

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ist zugleich die Geschichte des Fortschritts der Menschheit überhaupt." In: Demokra-tische Correspondenz, 22. März 1870.

42 "Mit der bekannten Redensart, ,Arme und Reiche hat es gegeben, und wird esgeben, so lange die Welt steht', suchten die Gegner unsere Bestrebungen zur Her-stellung der Gleichheit unter den Menschen lächerlich zu machen. Wahr sei, daßdie Ungleichheit des materiellen Besitzes unter den Menschen von dem Augenblick an,wo diese überhaupt anfingen, sich einer gewissen Kultur zu erfreuen, eingetreten sei,aber die Formen dieser Ungleichheit seien denn doch in der Entwicklung derMenschheit nicht dieselben geblieben, sondern sie wechselten mit der stets fortschrei-tenden Kultur und Zivilisation, indem diese andere, den neuen Anschauungen besserentsprechende, gleichwohl aber auf der Ausbeutung beruhende Einrichtungen anStelle der früheren überlebten zu setzen suchte. Wie man in der. Naturgeschichte, z. B.in der Entwicklung der Erde, verschiedene Formationen nachweisen könne, von denendie eine die andere verdränge, so sei es auch in der Geschichte der Menschheit derFall." Vgl. August BebeI: Rede vom 27. April 1870 in Plauen. In: Der Hochverrats-prozeß ... , S.290 (Hervorhebungen - die Veri.). - Vgl. auch August BebeI: Referatauf dem Kongreß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zu Stuttgart, Juni 1870.In: August Bebei: Unsere Ziele, S.56-57.

43 "Es ergab sich also von selbst daraus für mich die Notwendigkeit, klar und scharfnachzuweisen, daß unsere heutigen gesellschaftlichen Zustände selbst das Produkt eineslangen geschichtlichen Entwicklungsprozesses sind, daß die Existenz- und Erwerbs-verhältnisse früher wesentlich von den heutigen verschieden waren, daß es also Tor-heit ist, zu behaupten und zu glauben, die heutigen sozialen Zustände seien in ihrerGrundlage unabänderlich." In: Ebenda, S.8.

44 Vgl. Demokratische Correspondenz, 3. Dezember 1869.45 "In voller Verkennung dieses segensreichen Rechts auf Privateigentum hält sich die

erwachte Arbeiterbewegung an die Mißstände, Übelstände, Schäden der Eigentums-verhältnisse, Sie läßt die Idee entgelten, was der Verwirklichung anhaftet, ja siefindet bewußte Verschuldung, wo allein menschliches Schicksal ist, bedingt durchnähere und fernere Vergangenheit, durch persönliche Ungleichartigkeit von Natur,durch Eltern und Familie, durch Staat und Staaten." In: Ebenda, 25. März 1870.

46 Vgl. August Bebe!: Unsere Ziele, S. 20 ff.47 Ebenda, S.9.48 Ebenda, S. 8.49 Vgl, Klaus Lingner: Ferdinand Lassalle und die proletarische Revolution. Der unver-

söhnliche Gegensatz der philosophischen Grundlagen der Marxschen und der Lassal-leschen Revolutionsauffassung. Phil. Diss., Berlin 1964.

50 Vgl. August Bebel: Unsere Ziele, S. 8 ff.51 "Die bürgerliche Demokratie geht von der Ansicht aus, daß die politische Freiheit

eigentlich .Alles sei, was der Mensch' verlangen könne, höchstens habe der Staatfür ausreichende Bildung aller Staatsbürger zu sorgen und die Steuern so einzurichten,daß keiner ungerecht betroffen wird. Das sind drei Dinge, die wir akzeptieren, dieaber nicht ausreichen." In: Ebenda, S. 20.

52 "Der ökonomisch besser Gestellte wird stets einen moralischen Druck auf den schlech-·ter Gestellten ausüben. Ist nun gar ein Abhängigkeitsverhältnis vorhanden, wie in der

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jetzigen Gesellschaft, ist der Arbeiter einem Brotherrn unterworfen, von dem seineExistenz abhängt, da liegt auch auf der Hand, daß dieser Brotherr die Gewalt in denHänden hat, das politische Recht des Arbeiters zu verkümmern, es in der ihm gut-dünkenden Weise auszubeuten. Aber ganz abgesehen davon: an einem Staat, in demdie politische Freiheit bloß Zweck ist, hat der Arbeiter wenig Interesse. Was ihndrängt und treibt, die politische Freiheit und Gleichberechtigung zu erobern, ist dieAussicht, mit ihrer Hilfe auch die ökonomische Unabhängigkeit zu gewinnen." In:Ebenda, S. 20/21.

53 Vgl, Susanne Miller: Das Problem der Freiheit im Sozialismus. Freiheit, Staat undRevolution in der Programmatik der Sozialdemokratie von Lassalle bis zum Revisio-nismusstreit, Frankfurt a. Main 1964, S. 158.

54 Vgl. Gustav Mayer: Die Trennung der proletarischen von der bürgerlichen Demo-kratie. In: Grünberg-Archiv, 2. Jg., 1912.

55 In seiner glänzenden Disputation am 10. März 1876 mit Bruno Sparing, einem derHauptagitatoren der Leipziger Nationalliberalen, über die Pariser Kommune vertei-digte Bebe! jene ökonomischen Dekrete der Kommune, in deren Folge die von denArbeitgebern verlassenen Fabriken und Werkstätten in den Besitz der Kommuneübergingen, vom Standpunkt der theoretischen Auffassungen der Sozialdemokratie,wonach die ökonomische Gleichheit aller Bürger die wichtigste Voraussetzung für ihrepolitische, kulturelle und wie immer geartete Gleichberechtigung in der Gesellschaftund für die Ausbildung ihrer individuellen Freiheit sei. Vgl. August Bebe!: Disputa-tion mit Bruno Sparing. In: August Bebel: Aus meinem Leben, Teil II, S.311/312.

56 August Bebe!: Die Frau und der Sozialismus, Hottingen-Zürich 1879, S. 142, 31.57 Ebenda, S. 125.58 Das Zie! des vollendeten Sozialismus ist, ... "die höchste Freiheit und Ausbildung

des Individuums in dem höchsten Wohlsein und der Gleichberechtigung und Gleich-verpflichtung aller zu begründen". In: Ebenda, S. 179 (Hervorhebungen - dieVer/.).

59 Vgl, Dr. A. Mülberger: Der Sozialismus und das Landvolk. In: Die Zukunft, Sozia-listische Revue, 1. Jg. 1877/1878.

60 Vgl, August Bebe!: Der Sozialismusund das Landvolk. Eine Antwort auf Dr. A. Mül-bergers Kritik und Vorschläge in Nr. 8 der "Zukunft". In: Ebenda, S. 354 ff.

61 Ebenda.62 Der von Bebe! zu den Fragen des Verhältnisses von Eigentum und Freiheit vertretene

Standpunkt des historischen Materialismus wird von S. Miller in bemerkenswerterWeise als ein "dogmatischer" eingeschätzt. Diese Wertung bleibt in höchstem Maßesuspekt, da S. Miller mit Blick auf jene Höhepunkte in den theoretischen Ausein-

.andersetzungen Bebeis mit unmarxistischen Auffassungen seinen marxistischen Stand-punkt jeweils in gleicher Weise aufgefaßt wissen will. So schreibt sie: "Die Starrheitin theoretischen Fragen, die später bei Bebe! oft auftrat, am stärksten und folgen-schwersten in der Revisionismus-Debatte, macht sich hier bereits bemerkbar." In:Susanne Miller: Das Problem der Freiheit im Sozialismus, S. 156, Fußnote.

63 "Staatshilfe ist unvereinbar mit der individuellen persönlichen Freiheit. Der Staatmuß auf die engste Rechtssphäre eingedämmt werden, das ist höchste demokratischeForderung." In: Demokratische Correspondenz, 29. März 1870.

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64 Als die nächsten Forderungen in der Agitation der Sozialdemokratischen Arbeiter-partei wurden im Eisenacher Programm unter Punkt 10 verlangt: "Staatliche Förde-rung des Genossenschaftswesens und Staatskredit für freie Produktionsgenossen-schaften unter demokratischen Garantien." Eisenacher Programm. In: Revolutio-näre deutsche Parteiprogramme.

65 Vgl. August Bebel: Unsere Ziele, S. 21. Auf dem zweiten Kongreß der Sozialdemo-kratischen Arbeiterpartei zu Dresden sprach Bebel zum gleichen Problem: "Es ist einbeliebtes und oft angewandtes Schlagwort, welches die ,liberale' Partei, d. h. die inder ,liberalen' Partei verkörperte Bourgeoisie, in allen Schattierungen angegeben hat:Gleiches Recht für Alle I... Nun ... die politischen Verhältnisse sind in allenFällen das getreue Spiegelbild der sozialen Verhältnisse, die werden keinen freienStaat, keinen wirklichen Gleichheitsstaat haben, wo soziale Ungleichheit existiert, undwenn sie sich den unter den heutigen Verhältnissen freiesten Staat vorstellen, die bür-gerliche, die blaue Republik." In: Protokoll über den zweiten Kongreß der sozial-demokratischen Arbeiterpartei. Abgehalten zu Dresden, am 12., 13., 14. und15. August 1871, Leipzig 1872, S. 30. - Vgl, hierzu auch Bebels Rede in Plauen: "Dergegenwärtige Staat entspreche freilich keineswegs unserem Ideal, deshalb müsse erumgestaltet werden. Bisher sei der Staat nur das bequeme Ausbeutungswer/ezeug inden Händen der herrschenden Klassen gewesen, welche durch ihn die Massen nieder-hielten, also nur eine Domäne der herrschenden Klassen. Das müsse aufhören. Wieim Altertum die Patrizier, im Mittelalter der Adel und die Geistlichkeit, so herrschein der Gegenwart die Bourgeoisie. Alle Staatseinrichtungen seien demgemäß auch inderen Interesse geschaffen." August Bebe!: Rede vom 27. April 1870 in Plauen. In:Der Hochverratsprozeß ... , S. 292.

66 August Bebel: Unsere Ziele, S. 18.67 "Daraus geht also hervor, daß die Arbeiterklasse sich die Macht erobern muß ... "

In: Ebenda.68 Im 11.Abschnitt, Punkt 4 des Eisenacher Programms wurde folgende Feststellung

getroffen: "Die politische Freiheit ist die unentbehrlichste Vorbedingung zur ökono-mischen Befreiung der arbeitenden Klassen. Die soziale Frage ist mithin untrennbarvon der politischen, ihre Lösung durch diese bedingt und nur möglich im demokrati-schen Staat." Eisenacher Programm. In: Revolutionäre deutsche Parteiprogramme.

69 Kar! Marx und Friedrich Engels hatten daher der "Volksstaat"-Losung nur vorüber-gehend eine gewisse agitatorische Berechtigung zugestanden. Sie haben sie insbeson-dere 1875, als von der Partei ein höheres ideologisches Niveau verlangt werdenmußte, scharf kritisiert.

70 Vgl. August Bebel: Unsere Ziele, S. 19 H.71 Bebel gab in "Unsere Ziele" zwei unterschiedliche Definitionen der Arbeiterklasse.

Ausgehend vom Marxschen Akkumulationsgesetz verstand er unter Arbeiterklasse imMarxschen Sinne die Lohnarbeiter, die Nichtbesitzer von Produktionsmitteln. "Dienotwendige Folge eines solchen Gesellschaftszustandes ist die ... Teilung der Gesell-schaft in zwei von einander scharf getrennte, in der Zahl und der materiellen Stel-lung sehr verschiedene Klassen. Die eine Klasse, die mit der stets fortschreitendenmodernen Entwicklung kleiner werdende, ist die Unternehmerklasse; die größere undsich stets vergrößernde, zuletzt die ungeheure Mehrheit umschließende zweite Klasse,

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ist die Arbeiterklasse." In: Ebenda, S. 8 (Hervorhebungen - die Ver!.). DieserDefinition entgegen steht eine zweite, die offensichtlich von Lassalle beeinflußtist. "Ich verstehe eben unter der Arbeiterklasse nicht allein den Lohnarbeiter,sondern auch den Kleinhandwerker, den kleinen Bauer und wohlgemerkt, nichtallein den ,Knecht' und .Tagelöhner' ''. In: Ebenda, S. 23. Bebel war sich offen-sichtlich der wissenschaftlichen Unvereinbarkeit dieser beiden Definitionen nichtbewußt. - Allerdings liegt m. E. auch ein positiver Kern in den BemühungenBebeIs, sich über die Klasse der Lohnarbeiter hinaus mit der Rolle jener Klassen undSchichten zu beschäftigen, die ihrer sozialen Lage nach nicht zur Bourgeoisie gehören,und die, wie Bebel nachzuweisen suchte, für den gemeinsamen Kampf gegen Mon-archie, für den Volksstaat und den Sozialismus gewonnen werden müssen. Er waroffensichtlich bestrebt, sich von jener zum Schlagwort gewordenen lassalleanischenThese von der "einzigen reaktionären Masse" abzugrenzen und das Problem desBündnisses theoretisch zu bewältigen. Das wird auch in einer Polemik deutlich, dieer 1871 im "Volksstaat" mit dem "Neuen Sozialdemokrat" führte, der, wie Bebelschrieb, "jeden als Bourgeois betrachtet", "der weiße Wäsche trägt". Bebel hob da-gegen die echte Gemeinsamkeit der Interessen zwischen "dem Lohnarbeiter im engerenSinne des Wortes" und jenen, wie "der Arzt, der Lehrer, der Beamte, der Kommisund insbesondere der kleine Meister und kleine Geschäftsinhaber" hervor, um "sie sofür die Emanzipation des Proletariats, dem sie teilweise ohne es zu ahnen, angehören,zu begeistern". Vgl. August Bebel: Der Sozialismus des "Neuen Sozialdemokrat". In:Der Volksstaat Nr.l0l, 16. Dezember 1871. Bebel berief sich hier, um die Auffas-sung des "Neuen Sozialdemokrat" ad absurdum zu führen, auf Lassalles Definitiondes Arbeiterstandes, ohne daß ihm hier, wie auch in "Unsere Ziele" klar wurde, daßmit dieser wissenschaftlich untauglichen Definition, die Lassalle vom Proletariat gab,das Problem des Bündnisses der Arbeiterklasse mit den anderen werktätigen Schichtentheoretisch nicht gelöst werden konnte.

72 August Bebei: Unsere Ziele, S. 19.73 Ebenda, S: 7/8, 16.74 Ebenda, S.20. - Bereits 1921 hat Hans Kelsen in einem Aufsatz zur Staatsauf-

fassung, die Bebel in "Unsere Ziele" vertrat, geschrieben: "Offenbar stand diesozialdemokratische Bewegung und insbesondere Bebel in der Frage der politischenTheorie viel stärker unter dem Einfluß Lassalles als unter dem von Marx." Kelsenstützte sich dabei auf jene Ausführungen Bebels, wonach der Volksstaat "zunächstherbeizuführen gesucht werden" soll durch Aufklärung der Massen über die gesell-schaftlichen und politischen Zustände ... " Kelsen unterschlägt die Ausführun-gen BebeIs zu den Fragen der Revolution und der Gewalt, um seine These zu stüt-

. zen. Diese Einschätzung Kelsens wird von der neuzeitlichen bürgerlichen Literaturunbesehen übernommen, um Bebe! des Lassalleanismus zu bezichtigen. Vgl. Hans Kel-sen: Sozialismus und Staat, Grünberg-Archiv, 9. Jg., Leipzig 1921, S.61/62. - Vgl.auch August BebeI: Unsere Ziele, S. 19.

75 Beschluß des Stuttgarter Kongresses der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zurGrund- und Bodenfrage. In: Ebenda, S.59.