Betroffene brechen Tabu
-
Upload
schweiz-morbus-crohn-colitis-ulcerosa-vereinigung -
Category
Documents
-
view
213 -
download
1
description
Transcript of Betroffene brechen Tabu
schweizer hausapotheke 9/1144
Annette B. (44): Es begann schon in der Sek.
«In der Sekundarschule wurde ich häufig von Bauchschmerzen und Durchfällen geplagt. Immer wieder
musste ich zur Toilette. Essen war für mich immer ein Stress, ich konnte nie ruhig essen», sagt Annette im
Video, das ihre Kolleginnen während des Workshops mit ihr drehen. Nach der Sek arbeitete Annette als
Pflegerin im Spital. Die Beschwerden hielten an und trotz Blutuntersuchungen wurde die richtige Diag-
nose nicht gestellt. Mit 25 heiratete sie und kurz nach der Heirat kamen die ersten gefährlichen Kompli-
kationen: Darmverschluss. Nach einer elfjährigen Leidensgeschichte musste zuerst eine Komplikation
eintreten, bis endlich die richtige Diagnose eines Morbus Crohn gestellt wurde. Heute wird sie von Spe-
zialisten behandelt und von einem einfühlsamen Hausarzt betreut. Dank guter Betreuung ist die Familie
um zwei Töchter gewachsen. Nicht gegen, sondern mit der Krankheit hat Annette aktiv ihr Schicksal und
auch alle Rückschläge gemeistert. Eine wichtige Rolle hat von Beginn weg der SMCCV gespielt, bei dem
sie seit der Diagnose Hilfe und starken Rückhalt gefunden hatte. «Ich habe dort sehr viel gelernt, auch
wie andere mit der Krankheit umgehen», so Annette abschliessend.
Eindruck vom Workshop «Movies & More»
mit dem Präsidenten der SMCCV, Bruno
Raffa (rechts)
www.ausdembauchheraus.ch SMCCVSchweizerische Morbus Crohn / Colitis ulcerosa VereinigungCH-5000 Aarau Telefon/Fax 041 670 04 87
Beratungstelefon 062 824 87 07 [email protected], www.smccv.ch, Postcheck 50-394-6Neue Website zoomt auf den Alltag mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Sind Sie von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa betroffen? Egal, ob Sie mit einer Flip cam, einem iPhone oder sonst einem Handy oder einer Kamera fi lmen möchten, alles ist möglich. Besuchen Sie www.ausdembauchheraus.ch und steuern Sie Ihren persönlichen Film bei!
Die neue Website ist ein Projekt der Schweizerischen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (SMCCV). Der Name ist Programm: «Aus dem Bauch heraus» gibt Betroffenen die Möglichkeit, in Filmform von sich selber und dem Alltag mit Crohn oder Colitis zu berichten: wie der Name es sagt, mit viel subjektivem Bauchgefühl. Zoomen Sie auf den Alltag mit diesen chronischen entzündlichen Krankheiten des Verdau-ungstraktes: www.ausdembauchheraus.ch
Betroffene brechen TabuChronische Darmerkrankungen frühzeitig erkennen und behandeln
In der Schweiz haben sich Betrof-
fene mit chronisch entzündetem
Darm, englisch «Inflammatory
Bowel Disease» (IBD) – wie etwa
dem Morbus Crohn oder der Coli-
tis ulcerosa mit Angehörigen in
der Vereinigung SMCCV zusam-
mengeschlossen. Sie feiern der-
zeit nicht nur das 25-jährige Be-
stehen: Bei einer Zusammenkunft
haben sie unter Anleitung des Do-
kumentarfilmers Stefan Haupt
erste Videostatements gedreht,
die ihrem Leiden ein Gesicht ge-
ben und gängige Tabus brechen
sollen.
«Unsere Öffentlichkeitsarbeit ist
ganz wichtig, denn ich merke im-
mer wieder, dass wir dadurch ande-
ren helfen können. Dies indem wir
uns zeigen und etwas von unserer
Krankheit und unserer Geschichte
erzählen», sagte der Präsident der
Schweizerischen Morbus Crohn/
Colitis Ulcerosa Vereinigung
(SMCCV) Bruno Raffa zu Beginn
des SMCCV Workshops «Movies &
More». Beim Start der Vereinigung
vor 25 Jahren konnte sich niemand
vorstellen, zur eigenen Krankheit
Stellung zu nehmen. Das Leiden
galt als schmutzig, weil es mit
dem Darm und der Ausscheidung
zu tun hat. «Es geht um Bauchweh,
WC und die Psyche», so Raffa. Alles
Vorurteile, welche die Betroffenen
ins Abseits stellen. Doch letztlich
geht es für den Präsidenten der
Patientenvereinigung darum, mit
Öffentlichkeitsarbeit das Leiden
bekannt zu machen. Dies schafft
ein grösseres Bewusstsein seitens
der Öffentlichkeit und der Haus-
und Familienärzte, an die sich die
meisten Patienten zuerst wenden.
Dies soll eine schnellere Diagnose
gewährleisten und damit Betrof-
fenen zu einer rechtzeitigen pro-
fessionellen Behandlung und da-
mit einer besseren Lebensqualität
verhelfen.
Einführung vom Profi
Mit Stefan Haupt konnte Raffa ei-
nen renommierten und für seine
einfühlsamen Interviews bekann-
ten Dokumentarfilmer gewinnen.
Haupt gab den Anwesenden ei-
nen kurzen aber beeindrucken-
den Einblick in sein Schaffen und
seine Vorgehensweise, speziell bei
Interviews zu Themen mit grosser
persönlicher Betroffenheit. Seine
Worte illustrierte er mit
Beispielen aus DOK-Fil-
men über Elisabeth Küb-
ler-Ross sowie über Ar-
gyris, einen Griechen,
der als Kleinkind seine
Eltern bei einer bruta-
len NAZI-Vergeltungs-
aktion in Griechenland
verlor. Mit dieser Einfüh-
rung waren die Teilneh-
merinnen und Teilneh-
mer gut gewappnet,
sich gegenseitig über
ihr Leiden zu befra-
gen und die Antworten auf kür-
zere Videosequenzen zu ban-
nen. Die besten Sequenzen
werden nun gesichtet, geschnit-
ten und auf die Webseite von
«ausdembauchheraus.ch» ge-
stellt. Die neue Website «zoomt
auf den Alltag mit Morbus Crohn
und Colitis ulcerosa» und unter-
stützt damit das Anliegen des
SMCCV (siehe Abbildung Mitte).
Krankheit oft falsch eingeschätzt
In der Schweiz leiden rund 15 000
Menschen an unterschiedlichen
Formen des IBD. Bei diesem Lei-
den spielt das Immunsystem der
Darmwand verrückt. Als Folge da-
von vermag die chronisch entzün-
dete Darmwand den Austausch
von Flüssigkeit und Stoffen nicht
mehr reibungslos zu gewährleis-
ten. Leider wird die Krankheit oft
nicht sofort erkannt. Einige Betrof-
fene warten gemäss einer kürzlich
publizierten Nationalfondsstu-
die jahrelang auf ihre Diagnose,
auch wenn sie schon einige Mo-
nate nach Ausbruch des Leidens
medizinischen Rat einholen. Junge
Menschen tragen das höchste Ri-
siko, dass eine frühzeitige Diag-
nose verpasst wird. Bei jungen
Leuten schätzten viele Ärzte of-
fenbar die Krankheit zuerst falsch
ein, weil die Symptome denen ei-
nes Reizdarms sehr ähnlich seien,
schreiben die Autoren der Studie.
Verspätete Diagnose
Die Folgen einer verspäteten Diag-
nose und damit nicht behandelten
Krankheit sind Komplikationen
und irreversible Schädigungen
des Darmtraktes sowie eine stark
eingeschränkte Lebensqualität.
Urs Tiefenauer-Hürbin