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epunktet, farbig, blumig: Vier Holzschuhe säumen den Eingang von Diana Mattiellos Büro im zwei- ten Stock des Spitals Lim- mattal. Das Paar Zoccoli, das sie an diesem Tag trägt, ist schwarz-weiss gepunktet. «Die Schuhe sind mein Markenzeichen. Damit hört man mich schon von Weitem», sagt sie und lacht. Am Computerbildschirm leuchten Mattiello verschiedene Farben entgegen. Sie stellen den Operationsplan der aktuellen Woche dar. «Heute Nach- mittag entferne ich die Gallenblase einer Patientin», sagt die 41-Jährige. Mattiello ist Leitende Ärztin der Chirurgie im «Limmi». Ihr Spezialgebiet ist der Ma- gen-Darm-Trakt. Dazu gehört auch die Adipositas-Chirurgie. Mattiello setzt etwa Magenbypässe bei Übergewichtigen. In ihrem Büro ist sie daher eher selten anzutreffen. Zu 70 Prozent steht Mattiel- lo im Operationssaal. Dort gefällt es ihr auch am besten. «In der Chirurgie ist man Macher und Denker zugleich», sagt sie. Am Ende des Eingriffs habe sie ein Ergebnis, eine Linderung für den Patien- ten und sehe, was sie geleistet habe. «Das kann ich besser» Für die in Bremgarten wohnhafte Chirur- gin war aber nicht nur das ausschlagge- bend für ihre Berufswahl. «Ich bin altru- istisch veranlagt und finde es toll, wenn ich Menschen helfen kann.» Als sie als 18-Jährige nach einem Autounfall von ei- nem Assistenzarzt eher schlecht als recht behandelt wurde, kam ihr die Idee, Me- dizin zu studieren. «Als ich diesen jungen Mann sah, dachte ich mir, das kann ich besser», erinnert sie sich. Gesagt, getan: Mattiello studierte an der Universität Zü- rich und war danach im Spital Linth, im Spital Triemli und im Kantonsspital Ba- selland tätig, bevor sie vor sechs Jahren ins «Limmi» wechselte. So blutig und hektisch wie in Spital- serien im Fernsehen sei der Alltag von Chirurgen nicht, sagt Mattiello, die als Ausgleich zum strengen Berufsalltag in einem Chor singt. Ihre Patientinnen und Patienten sieht sie nicht nur auf dem Operationstisch. Bei Sprechstun- G den und Visiten vor und nach den Ein- griffen tritt sie in Kontakt mit ihnen. So etwa an diesem Morgen. Sie besucht die Patientin, der sie am Nachmittag die Gallenblase entfernen wird und malt ihr ein Kreuz auf die richtige Stelle am Bauch. «Das ist eine Vorsichtsmass- nahme, damit Patienten nicht am fal- schen Ort operiert werden oder grund- los unters Messer kommen», erklärt Mattiello. Nach der Visite gönnt sich die Chirurgin einen Kaffee mit Kolle- gen. Unterwegs zum Restaurant kreuzt sich ihr Weg mit Oliver Kopp, der gera- de von einer Besprechung zurück in sein Büro geht. Kopp übernimmt im Spital Limmat- tal eine ganz andere Aufgabe als Mat- tiello. Er ist der Herr der Zahlen. Der 58-Jährige ist seit fünf Jahren Finanz- vorstand des Spitals Limmattal. «Meine Aufgabe ist es, der Spitalleitung und dem Verwaltungsrat die Zahlen etwa in Quartalsabschlüssen und Budgets zu erklären. Ich übersetze diese sozusa- gen in Worte», sagt Kopp. Alles im Spi- tal schlage sich in Zahlen nieder: «Jeder Kaffee, der getrunken wird, jeder Licht- schalter, der betätigt wird, jede Patien- tenabrechnung und jede Medikamen- tenbestellung.» Er habe in seiner Funk- tion als einziger den Gesamtüberblick über das Spital. «Die Chirurgen selbst wissen, was in den Operationssälen passiert, das Zentrallager managt das Material, die Pflegeangestellten kennen ihre Stationen in- und auswendig. Doch nur das Rechnungswesen bildet das ganze betriebliche Geschehen ab», sagt Kopp. Der spanische Maler Salvador Dalí schaut mit einem etwas wahnsinnigen Blick in Richtung Kopps Pult. «Das Bild hat meine Mutter gemacht», sagt er. Ebenso die anderen Blumenbilder, die die Wände schmücken. «Ich muss mich hier wohlfühlen, schliesslich verbringe ich viel Zeit im Büro», sagt Kopp, der mit seiner Frau in Altendorf im Kanton Schwyz wohnt und in seiner Freizeit gerne kocht und ins Body Pump geht. 28 Jahre lang war er in der Industrie tä- tig für Firmen wie Sulzer oder ABB. «Ich musste die Unternehmen restruk- turieren und Leute entlassen. Irgend- wann hatte ich keine Lust mehr, in ei- ner Branche zu arbeiten, in der es nur bergab geht.» Das tut es im Spital Lim- mattal wahrlich nicht. Die Stimmbe- rechtigten der Spitalverbandsgemein- den haben Ende November das neue Pflegezentrum für 65 Millionen Fran- ken bewilligt. Kopp ist derzeit damit beschäftigt, die Finanzierung des Neu- baus auf die Beine zu stellen. Genug Material Fabian Kehl schiebt gerade einen Wa- gen durch das Stockwerk, als sich Kopp ein Glas Wasser im Office neben sei- nem Büro holt. Auf dem rollbaren Ge- stell befindet sich Büromaterial. Kehl ist Leiter des Zentrallagers und mit sei- nem fünfköpfigen Team verantwortlich dafür, dass jeder Bereich und jede Sta- tion im Spital mit dem entsprechenden Material versorgt ist. Er und seine Mit- arbeiter sind sozusagen die Heinzel- männchen des «Limmi». Denn: «Ideal ist, wenn jede Abteilung genug Material hat und uns nie sieht», sagt der gebürti- ge Dietiker. Dass er nicht an der Front, sondern im Hintergrund tätig ist, stört den passionierten Salsatänzer nicht. «Ich freue mich, wenn ein Patient be- handelt werden kann, weil wir das richtige Material bereitgelegt haben.» Kehls Büro befindet sich im ersten Untergeschoss im Zentrallager, das 1400 Pflege-, Büro- und Haushaltsarti- kel beherbergt. Er ist für die Anliegen der Stationen zuständig. «Die Teams wenden sich an mich, wenn sie einen neuen Artikel brauchen, den wir noch nicht im Lager haben», sagt Kehl. Zu- dem erstellt er die Dienstpläne und nimmt Optimierungen im Tagesge- schäft der Logistiker vor. Seit dem Ein- zug in den Neubau hat der 27-Jährige diese Funktion inne. Davor war er ein- einhalb Jahre lang als Projektleiter für die Erarbeitung des Logistik-Konzepts im Neubau zuständig. Verbunden mit dem «Limmi» ist Kehl schon seit Geburt. Er kam im Spital auf die Welt und absolvierte dort eine Leh- re zum Kaufmann. Nach seinem Öko- nomiestudium zog es ihn wieder in sei- nen alten Lehrbetrieb. «Für mich ist das Spital nicht nur ein Arbeitgeber, sondern viel mehr ein Stück Zuhause.» Für Abklärungen zu einem neuen Arti- kel muss Kehl ins zweite Obergeschoss. Als er den Lift nach oben betritt, ver- lässt André Müller den Aufzug in Rich- tung Küche. Er ist Leiter des Patienten- service und trifft sich mit einem Koch zur Besprechung des Tagesmenüs. «Sehr beliebt bei unseren Patientinnen und Patienten sind Zürcher Geschnet- zeltes und Rösti oder Stroganoff», sagt Müller. Natürlich sei die Kost auf den jeweiligen Gesundheitszustand der Per- sonen angepasst. So gebe es etwa Me- nüs für Diabetiker und auch vegetari- sche Gerichte. «Schliesslich trägt die Ernährung zur Heilung bei», sagt der 37-Jährige. Müller und sein Team, bestehend aus 35 Personen, nehmen aber nicht nur die Menübestellungen der Patienten entgegen. Sie servieren das Essen, fül- len die Wäsche auf und legen Zeitun- gen bereit. «Zudem sind wir dafür ver- antwortlich, dass alle persönlichen Ge- genstände aufs Zimmer kommen, wenn ein Patient zum Beispiel zuerst einen Eingriff hat, bevor er das Zimmer bezieht», so Müller. Zur Aufgabe des Patientenservice gehört aber auch, den Patienten das Unterhaltungssystem nä- herzubringen. Im «Limmi» erhält man ein Tablet mit dem man fernsehen, Ra- dio hören und auch das Menü und wei- tere Informationen über das Spital ein- sehen kann. Müller arbeitet seit zweieinhalb Jah- ren im «Limmi». Davor war der ausge- bildete Restaurantfachmann gastrono- mischer Leiter in einem Hotel in Vitz- nau. «Nach 15 Jahren in der klassischen Gastronomie habe ich mir gedacht, es wäre Zeit für einen nächsten Schritt.» Spitäler hätten ihn seit seiner Kindheit fasziniert. «Meine Mutter arbeitet als Pflegefachfrau», sagt der gebürtige Dresdner. Vor allem die Dynamik reize ihn. «Ein Spital steht nie still, das ge- fällt mir.» Der Kontakt mit den unter- schiedlichsten Menschen im «Limmi», seien es Patienten oder Mitarbeitende, empfindet Müller als Bereicherung. Im Vergleich zur klassischen Gastronomie kämen ihm hier zudem die moderate- ren Arbeitszeiten zugute. «Ich kann wieder meiner Leidenschaft, dem Tischtennisspielen, nachgehen.» Mül- ler spielt im Tischtennisverein seines Wohnorts Rotkreuz und trainiert dort auch Jugendliche. Angehörige einbeziehen Unterdessen ist Müller auf seiner Runde durch das Spital auf der Intensivstation im ersten Stock angelangt. Er will die Menübestellungen aufnehmen. Daniel Wyder verlässt gerade das Zimmer ei- nes Patienten. Die offene Türe gibt den Blick frei auf eine schlafende Person, die an zahlreiche Schläuche und Kabel angeschlossen ist. «Viele meiner Patien- ten sind nicht bei vollem Bewusstsein. Die Angehörigen werden daher stark miteinbezogen», sagt Wyder. Für Letz- tere sei die Behandlung ein genauso ein- schneidendes Erlebnis wie für die Pa- tienten selbst. Es gelte, sie gut zu infor- mieren und Hoffnung zu geben, wo Hoffnung sei. Wyder ist Leitender Arzt für Intensivmedizin und Anästhesie und verantwortlich für die Intensivstation. In der Obhut des 51-Jährigen sind Perso- nen, die in kritischem Zustand oder schwer krank sind. Zudem werden auf der Intensivstation auch Schlaganfallpa- tienten in den ersten 24 Stunden nach einem Hirnschlag behandelt. Das Spital verfügt über eine eigene Stroke Unit. Wyders Ziel ist es, seine Patientinnen und Patienten durch die kritische Pha- se ihrer Krankheit durchzubringen. Das ist jedoch nicht immer möglich. «Zu meiner Arbeit gehören nicht nur das Medizinische, sondern auch ethische «Ich freue mich, wenn ein Patient behandelt werden kann, weil wir das richtige Material bereitgelegt haben.» FABIAN KEHL LEITER ZENTRALLAGER «Es ist extrem schön, hier zu arbeiten. Kinder kommen auf die Welt, es gibt neues Leben»: Die 30-jährige Bettina Gübeli leitet die Wochen- bett- und Orthopädiestation. Das «Limmi» hält sie auf Trab «Für mich ist das Spital nicht nur ein Arbeitgeber , sondern vielmehr ein Stück Zuhause»: Fabian Kehl ist für das Zentrallager zuständig. Er plante das Logistik-Konzept für den Neubau und wurde im «Limmi» geboren. Die Menschen im Spital Limmattal Fragen.» Heutzutage könne man immer mehr behandeln und den menschlichen Körper lange am Leben erhalten. «Doch das sagt nichts über die Lebensqualität aus. Man muss sich fragen, wie weit man gehen soll und ob es tatsächlich zu einer Verbesserung führt.» Spurlos gehen solche Entscheide nicht an Wyder vorbei. «Ich würde ger- ne jemanden sehen, den die Ereignisse auf der Intensivstation nicht beschäfti- gen.» Man müsse lernen, damit umzu- gehen. Zu Hause versuche er, sich abzu- lenken, indem er Sachen unternehme. Eine wichtige Hilfe bei der Verarbeitung der Geschehnisse ist ihm seine Partne- rin, mit der er in Zürich lebt. «Sie ist An- ästhesistin und mit meinem Metier ver- traut. Mir ihr kann ich daher gut über meine Eindrücke sprechen.» Trotz der Belastung liebt Wyder seinen Beruf. «Ich kann Menschen, die schwer krank sind, etwas Gutes tun.» Er ist sich zu- dem sicher: «Die Intensivmedizin wird uns immer mehr beschäftigen. Denn die Bevölkerung wird zwar älter, aber nicht gesünder.» Seit zehn Jahren ist der Arzt im «Limmi» tätig. Davor arbeitete der gebürtige Spreitenbacher im Uni- versitätsspital Zürich und im Kantons- spital St. Gallen. Am Spital Limmattal schätzt Wyder die Grösse. «Es bietet ein gutes und breites Spektrum aus allen Bereichen der Medizin und der operati- ven Fächer.» Das sei spannend und ge- be die Möglichkeit, interdisziplinär zu arbeiten. «Wir sind kein anonymes Spi- tal. Man kennt sich untereinander auch stationsübergreifend.» Dafür sorgten die täglichen Treffen mit Kolleginnen und Kollegen anderer Disziplinen und mit den Leitenden der verschiedenen Bettenstationen. Und so kommt man auch an diesem Vormittag zusammen, um sich auszutauschen. Wyder trifft dabei auf Bettina Gübeli. Sie ist Leiterin der Wochenbett- und Or- thopädie-Station, die sich im dritten Stock befindet. Dort herrscht eine ganz andere Stimmung als auf der Intensiv- station. «Es ist extrem schön, hier zu ar- beiten. Kinder kommen auf die Welt, es gibt neues Leben», sagt Gübeli, die in Rüschlikon zu Hause ist. Die 30-Jährige kümmert sich um das 35-köpfige Sta- tionsteam und koordiniert die Dienst- und Tagesplanung. Dass sie Pflegefach- frau werden will, wusste Gübeli schon früh. «Ich kam mit dem Beruf in Berüh- rung, weil eine Freundin meiner Mutter als Pflegefachfrau tätig war. Als ich dann mit 13 eine Schnupperlehre in der Klinik im Park in Zürich absolvierte, war mir klar, womit ich mein Geld verdienen will.» Gübeli arbeitet bereits seit sechs Jahren im «Limmi», davon vier Jahre als stellvertretende Stationsleiterin. Vor zwei Jahren übernahm sie die Leitung der chirurgischen Station, bevor sie im Februar dieses Jahres zum Wochenbett wechselte. Zuvor bildete sie im Triemli- Spital Lernende und Studenten aus. Teams zusammenlegen In den letzten Wochen war Gübeli da- mit beschäftigt, verschiedene Teams zu- sammenzuführen. «Aufgrund des Um- zugs in den Neubau sind die Bettenstati- onen grösser geworden und wir muss- ten Teams zusammenlegen», erklärt die Stationsleiterin. Das sei eine Herausfor- derung gewesen, seien doch alle Mitar- beiter unterschiedlich. Doch die Einheit ist Gübeli sehr wichtig. «Nur zusammen erreichen wir etwas.» Und so springt auch sie ein und besucht die frischgeba- ckenen Mütter und Väter, wenn es nötig ist, wie etwa an diesem Vormittag. Gü- beli öffnet die Zimmertüre und eine junge Mutter strahlt sie mit etwas mü- den, aber glücklichen Augen an. Sie hält ihr Baby in den Armen. «Solche Mo- mente bedeuten mir viel. Sie zeigen mir jeden Tag, dass ich den richtigen Beruf gewählt habe», sagt Gübeli und schliesst die Türe hinter sich. «Die Intensivmedizin wird uns mehr be- schäftigen. Die Bevöl- kerung wird zwar älter, aber nicht gesünder.» DANIEL WYDER LEITENDER ARZT INTENSIVSTATION «In der Chirurgie ist man Macher und Denker zugleich»: Diana Mattiello ist Leitende Ärztin der Chirurgie. Ihr Spezialgebiet ist der Magen-Darm- Trakt. Die 41-Jährige legt etwa Magen- bypässe bei Übergewichtigen. Zwei Monate nach dem Einzug in den Neubau des Spitals Limmattal geben sechs leitende Angestellte Einblick in ihren Arbeitsalltag. Dabei spielen Babys, Zürcher Geschnetzeltes, Gallenblasen, Heinzelmännchen, Zahlen, aber auch der Tod eine Rolle. VON SIBYLLE EGLOFF (TEXT), CHRIS ISELI UND CLAUDIO THOMA (FOTOS) «Ein Spital steht nie still. Das gefällt mir»: André Müller ist Leiter des Patientenservice. Dazu gehört nicht nur die Essensausgabe, sondern auch das Erklären des Unterhaltungssystems. «Ich würde gerne jemanden sehen, den die Ereignisse auf der Intensiv- station nicht beschäftigen»: Daniel Wyder muss sich als Leitender Arzt der Intensiv- und Anästhesiestation oftmals ethische Fragen stellen. «Nur das Rechnungswesen bildet das ganze betriebliche Geschehen ab»: Oliver Kopp ist seit fünf Jahren Finanzvorstand des «Limmi» und übersetzt Zahlen in Worte. Schweiz am Wochenende 15. Dezember 2018 zürich 37

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epunktet, farbig, blumig:Vier Holzschuhe säumenden Eingang von DianaMattiellos Büro im zwei-ten Stock des Spitals Lim-mattal. Das Paar Zoccoli,das sie an diesem Tag

trägt, ist schwarz-weiss gepunktet. «DieSchuhe sind mein Markenzeichen. Damithört man mich schon von Weitem», sagtsie und lacht. Am Computerbildschirmleuchten Mattiello verschiedene Farbenentgegen. Sie stellen den Operationsplander aktuellen Woche dar. «Heute Nach-mittag entferne ich die Gallenblase einerPatientin», sagt die 41-Jährige. Mattielloist Leitende Ärztin der Chirurgie im«Limmi». Ihr Spezialgebiet ist der Ma-gen-Darm-Trakt. Dazu gehört auch dieAdipositas-Chirurgie. Mattiello setzt etwaMagenbypässe bei Übergewichtigen.

In ihrem Büro ist sie daher eher seltenanzutreffen. Zu 70 Prozent steht Mattiel-lo im Operationssaal. Dort gefällt es ihrauch am besten. «In der Chirurgie istman Macher und Denker zugleich», sagtsie. Am Ende des Eingriffs habe sie einErgebnis, eine Linderung für den Patien-ten und sehe, was sie geleistet habe.

«Das kann ich besser»Für die in Bremgarten wohnhafte Chirur-gin war aber nicht nur das ausschlagge-bend für ihre Berufswahl. «Ich bin altru-istisch veranlagt und finde es toll, wennich Menschen helfen kann.» Als sie als18-Jährige nach einem Autounfall von ei-nem Assistenzarzt eher schlecht als rechtbehandelt wurde, kam ihr die Idee, Me-dizin zu studieren. «Als ich diesen jungenMann sah, dachte ich mir, das kann ichbesser», erinnert sie sich. Gesagt, getan:Mattiello studierte an der Universität Zü-rich und war danach im Spital Linth, imSpital Triemli und im Kantonsspital Ba-selland tätig, bevor sie vor sechs Jahrenins «Limmi» wechselte.

So blutig und hektisch wie in Spital-serien im Fernsehen sei der Alltag vonChirurgen nicht, sagt Mattiello, die alsAusgleich zum strengen Berufsalltag ineinem Chor singt. Ihre Patientinnenund Patienten sieht sie nicht nur aufdem Operationstisch. Bei Sprechstun-

Gden und Visiten vor und nach den Ein-griffen tritt sie in Kontakt mit ihnen. Soetwa an diesem Morgen. Sie besuchtdie Patientin, der sie am Nachmittagdie Gallenblase entfernen wird undmalt ihr ein Kreuz auf die richtige Stelleam Bauch. «Das ist eine Vorsichtsmass-nahme, damit Patienten nicht am fal-schen Ort operiert werden oder grund-los unters Messer kommen», erklärtMattiello. Nach der Visite gönnt sichdie Chirurgin einen Kaffee mit Kolle-gen. Unterwegs zum Restaurant kreuztsich ihr Weg mit Oliver Kopp, der gera-de von einer Besprechung zurück insein Büro geht.

Kopp übernimmt im Spital Limmat-tal eine ganz andere Aufgabe als Mat-tiello. Er ist der Herr der Zahlen. Der58-Jährige ist seit fünf Jahren Finanz-vorstand des Spitals Limmattal. «MeineAufgabe ist es, der Spitalleitung unddem Verwaltungsrat die Zahlen etwa inQuartalsabschlüssen und Budgets zuerklären. Ich übersetze diese sozusa-gen in Worte», sagt Kopp. Alles im Spi-tal schlage sich in Zahlen nieder: «JederKaffee, der getrunken wird, jeder Licht-schalter, der betätigt wird, jede Patien-tenabrechnung und jede Medikamen-tenbestellung.» Er habe in seiner Funk-tion als einziger den Gesamtüberblicküber das Spital. «Die Chirurgen selbstwissen, was in den Operationssälenpassiert, das Zentrallager managt dasMaterial, die Pflegeangestellten kennenihre Stationen in- und auswendig. Dochnur das Rechnungswesen bildet dasganze betriebliche Geschehen ab», sagtKopp.

Der spanische Maler Salvador Dalíschaut mit einem etwas wahnsinnigenBlick in Richtung Kopps Pult. «Das Bildhat meine Mutter gemacht», sagt er.Ebenso die anderen Blumenbilder, diedie Wände schmücken. «Ich muss michhier wohlfühlen, schliesslich verbringeich viel Zeit im Büro», sagt Kopp, dermit seiner Frau in Altendorf im KantonSchwyz wohnt und in seiner Freizeitgerne kocht und ins Body Pump geht.28 Jahre lang war er in der Industrie tä-tig für Firmen wie Sulzer oder ABB.«Ich musste die Unternehmen restruk-

turieren und Leute entlassen. Irgend-wann hatte ich keine Lust mehr, in ei-ner Branche zu arbeiten, in der es nurbergab geht.» Das tut es im Spital Lim-mattal wahrlich nicht. Die Stimmbe-rechtigten der Spitalverbandsgemein-den haben Ende November das neuePflegezentrum für 65 Millionen Fran-ken bewilligt. Kopp ist derzeit damitbeschäftigt, die Finanzierung des Neu-baus auf die Beine zu stellen.

Genug MaterialFabian Kehl schiebt gerade einen Wa-gen durch das Stockwerk, als sich Koppein Glas Wasser im Office neben sei-nem Büro holt. Auf dem rollbaren Ge-stell befindet sich Büromaterial. Kehlist Leiter des Zentrallagers und mit sei-nem fünfköpfigen Team verantwortlichdafür, dass jeder Bereich und jede Sta-tion im Spital mit dem entsprechendenMaterial versorgt ist. Er und seine Mit-arbeiter sind sozusagen die Heinzel-männchen des «Limmi». Denn: «Idealist, wenn jede Abteilung genug Materialhat und uns nie sieht», sagt der gebürti-ge Dietiker. Dass er nicht an der Front,sondern im Hintergrund tätig ist, störtden passionierten Salsatänzer nicht.«Ich freue mich, wenn ein Patient be-

handelt werden kann, weil wir dasrichtige Material bereitgelegt haben.»

Kehls Büro befindet sich im erstenUntergeschoss im Zentrallager, das1400 Pflege-, Büro- und Haushaltsarti-kel beherbergt. Er ist für die Anliegender Stationen zuständig. «Die Teamswenden sich an mich, wenn sie einenneuen Artikel brauchen, den wir nochnicht im Lager haben», sagt Kehl. Zu-dem erstellt er die Dienstpläne und

nimmt Optimierungen im Tagesge-schäft der Logistiker vor. Seit dem Ein-zug in den Neubau hat der 27-Jährigediese Funktion inne. Davor war er ein-einhalb Jahre lang als Projektleiter fürdie Erarbeitung des Logistik-Konzeptsim Neubau zuständig.

Verbunden mit dem «Limmi» ist Kehlschon seit Geburt. Er kam im Spital aufdie Welt und absolvierte dort eine Leh-re zum Kaufmann. Nach seinem Öko-nomiestudium zog es ihn wieder in sei-nen alten Lehrbetrieb. «Für mich istdas Spital nicht nur ein Arbeitgeber,sondern viel mehr ein Stück Zuhause.»Für Abklärungen zu einem neuen Arti-kel muss Kehl ins zweite Obergeschoss.Als er den Lift nach oben betritt, ver-lässt André Müller den Aufzug in Rich-tung Küche. Er ist Leiter des Patienten-service und trifft sich mit einem Kochzur Besprechung des Tagesmenüs.«Sehr beliebt bei unseren Patientinnenund Patienten sind Zürcher Geschnet-zeltes und Rösti oder Stroganoff», sagtMüller. Natürlich sei die Kost auf denjeweiligen Gesundheitszustand der Per-sonen angepasst. So gebe es etwa Me-nüs für Diabetiker und auch vegetari-sche Gerichte. «Schliesslich trägt dieErnährung zur Heilung bei», sagt der37-Jährige.

Müller und sein Team, bestehend aus35 Personen, nehmen aber nicht nurdie Menübestellungen der Patientenentgegen. Sie servieren das Essen, fül-len die Wäsche auf und legen Zeitun-gen bereit. «Zudem sind wir dafür ver-antwortlich, dass alle persönlichen Ge-genstände aufs Zimmer kommen,wenn ein Patient zum Beispiel zuersteinen Eingriff hat, bevor er das Zimmerbezieht», so Müller. Zur Aufgabe desPatientenservice gehört aber auch, denPatienten das Unterhaltungssystem nä-herzubringen. Im «Limmi» erhält manein Tablet mit dem man fernsehen, Ra-dio hören und auch das Menü und wei-tere Informationen über das Spital ein-sehen kann.

Müller arbeitet seit zweieinhalb Jah-ren im «Limmi». Davor war der ausge-bildete Restaurantfachmann gastrono-mischer Leiter in einem Hotel in Vitz-

nau. «Nach 15 Jahren in der klassischenGastronomie habe ich mir gedacht, eswäre Zeit für einen nächsten Schritt.»Spitäler hätten ihn seit seiner Kindheitfasziniert. «Meine Mutter arbeitet alsPflegefachfrau», sagt der gebürtigeDresdner. Vor allem die Dynamik reizeihn. «Ein Spital steht nie still, das ge-fällt mir.» Der Kontakt mit den unter-schiedlichsten Menschen im «Limmi»,seien es Patienten oder Mitarbeitende,empfindet Müller als Bereicherung. ImVergleich zur klassischen Gastronomiekämen ihm hier zudem die moderate-ren Arbeitszeiten zugute. «Ich kannwieder meiner Leidenschaft, demTischtennisspielen, nachgehen.» Mül-ler spielt im Tischtennisverein seinesWohnorts Rotkreuz und trainiert dortauch Jugendliche.

Angehörige einbeziehenUnterdessen ist Müller auf seiner Rundedurch das Spital auf der Intensivstationim ersten Stock angelangt. Er will dieMenübestellungen aufnehmen. DanielWyder verlässt gerade das Zimmer ei-nes Patienten. Die offene Türe gibt denBlick frei auf eine schlafende Person,die an zahlreiche Schläuche und Kabelangeschlossen ist. «Viele meiner Patien-ten sind nicht bei vollem Bewusstsein.Die Angehörigen werden daher starkmiteinbezogen», sagt Wyder. Für Letz-tere sei die Behandlung ein genauso ein-schneidendes Erlebnis wie für die Pa-tienten selbst. Es gelte, sie gut zu infor-mieren und Hoffnung zu geben, woHoffnung sei. Wyder ist Leitender Arztfür Intensivmedizin und Anästhesie undverantwortlich für die Intensivstation.In der Obhut des 51-Jährigen sind Perso-nen, die in kritischem Zustand oderschwer krank sind. Zudem werden aufder Intensivstation auch Schlaganfallpa-tienten in den ersten 24 Stunden nacheinem Hirnschlag behandelt. Das Spitalverfügt über eine eigene Stroke Unit.

Wyders Ziel ist es, seine Patientinnenund Patienten durch die kritische Pha-se ihrer Krankheit durchzubringen. Dasist jedoch nicht immer möglich. «Zumeiner Arbeit gehören nicht nur dasMedizinische, sondern auch ethische

Fragen.» Heutzutage könne man immermehr behandeln und den menschlichenKörper lange am Leben erhalten. «Dochdas sagt nichts über die Lebensqualitätaus. Man muss sich fragen, wie weitman gehen soll und ob es tatsächlich zueiner Verbesserung führt.»

Spurlos gehen solche Entscheidenicht an Wyder vorbei. «Ich würde ger-ne jemanden sehen, den die Ereignisse

auf der Intensivstation nicht beschäfti-gen.» Man müsse lernen, damit umzu-gehen. Zu Hause versuche er, sich abzu-lenken, indem er Sachen unternehme.Eine wichtige Hilfe bei der Verarbeitungder Geschehnisse ist ihm seine Partne-rin, mit der er in Zürich lebt. «Sie ist An-ästhesistin und mit meinem Metier ver-traut. Mir ihr kann ich daher gut übermeine Eindrücke sprechen.» Trotz derBelastung liebt Wyder seinen Beruf.«Ich kann Menschen, die schwer kranksind, etwas Gutes tun.» Er ist sich zu-dem sicher: «Die Intensivmedizin wirduns immer mehr beschäftigen. Denndie Bevölkerung wird zwar älter, abernicht gesünder.» Seit zehn Jahren ist derArzt im «Limmi» tätig. Davor arbeiteteder gebürtige Spreitenbacher im Uni-versitätsspital Zürich und im Kantons-spital St. Gallen. Am Spital Limmattalschätzt Wyder die Grösse. «Es bietet eingutes und breites Spektrum aus allenBereichen der Medizin und der operati-ven Fächer.» Das sei spannend und ge-be die Möglichkeit, interdisziplinär zuarbeiten. «Wir sind kein anonymes Spi-tal. Man kennt sich untereinander auchstationsübergreifend.» Dafür sorgtendie täglichen Treffen mit Kolleginnenund Kollegen anderer Disziplinen undmit den Leitenden der verschiedenen

Bettenstationen. Und so kommt manauch an diesem Vormittag zusammen,um sich auszutauschen.

Wyder trifft dabei auf Bettina Gübeli.Sie ist Leiterin der Wochenbett- und Or-thopädie-Station, die sich im drittenStock befindet. Dort herrscht eine ganzandere Stimmung als auf der Intensiv-station. «Es ist extrem schön, hier zu ar-beiten. Kinder kommen auf die Welt, esgibt neues Leben», sagt Gübeli, die inRüschlikon zu Hause ist. Die 30-Jährigekümmert sich um das 35-köpfige Sta-tionsteam und koordiniert die Dienst-und Tagesplanung. Dass sie Pflegefach-frau werden will, wusste Gübeli schonfrüh. «Ich kam mit dem Beruf in Berüh-rung, weil eine Freundin meiner Mutterals Pflegefachfrau tätig war. Als ich dannmit 13 eine Schnupperlehre in der Klinikim Park in Zürich absolvierte, war mirklar, womit ich mein Geld verdienenwill.» Gübeli arbeitet bereits seit sechsJahren im «Limmi», davon vier Jahre alsstellvertretende Stationsleiterin. Vorzwei Jahren übernahm sie die Leitungder chirurgischen Station, bevor sie imFebruar dieses Jahres zum Wochenbettwechselte. Zuvor bildete sie im Triemli-Spital Lernende und Studenten aus.

Teams zusammenlegenIn den letzten Wochen war Gübeli da-mit beschäftigt, verschiedene Teams zu-sammenzuführen. «Aufgrund des Um-zugs in den Neubau sind die Bettenstati-onen grösser geworden und wir muss-ten Teams zusammenlegen», erklärt dieStationsleiterin. Das sei eine Herausfor-derung gewesen, seien doch alle Mitar-beiter unterschiedlich. Doch die Einheitist Gübeli sehr wichtig. «Nur zusammenerreichen wir etwas.» Und so springtauch sie ein und besucht die frischgeba-ckenen Mütter und Väter, wenn es nötigist, wie etwa an diesem Vormittag. Gü-beli öffnet die Zimmertüre und einejunge Mutter strahlt sie mit etwas mü-den, aber glücklichen Augen an. Sie hältihr Baby in den Armen. «Solche Mo-mente bedeuten mir viel. Sie zeigen mirjeden Tag, dass ich den richtigen Berufgewählt habe», sagt Gübeli und schliesstdie Türe hinter sich.

«Ich freue mich, wennein Patient behandeltwerden kann, weil wirdas richtige Materialbereitgelegt haben.»FABIAN KEHL LEITER ZENTRALLAGER

«Die Intensivmedizinwird uns mehr be-schäftigen. Die Bevöl-kerung wird zwar älter,aber nicht gesünder.» DANIEL WYDER LEITENDER ARZT INTENSIVSTATION

«Es ist extrem schön, hier zu arbeiten. Kinder kommen auf die Welt, esgibt neues Leben»: Die 30-jährige Bettina Gübeli leitet die Wochen-bett- und Orthopädiestation.

«In der Chirurgie ist man Macher undDenker zugleich»: Diana Mattiello

ist Leitende Ärztin der Chirurgie. IhrSpezialgebiet ist der Magen-Darm-

Trakt. Die 41-Jährige legt etwa Magen-bypässe bei Übergewichtigen.

Das «Limmi»hält sie auf Trab

Zwei Monate nach dem Einzug in denNeubau des Spitals Limmattal gebensechs leitende Angestellte Einblick inihren Arbeitsalltag. Dabei spielen Babys,Zürcher Geschnetzeltes, Gallenblasen,Heinzelmännchen, Zahlen, aber auchder Tod eine Rolle.VON SIBYLLE EGLOFF (TEXT), CHRIS ISELI UND CLAUDIO THOMA (FOTOS)

«Für mich ist das Spital nicht nur ein Arbeitgeber, sondern vielmehr einStück Zuhause»: Fabian Kehl ist für das Zentrallager zuständig. Er plantedas Logistik-Konzept für den Neubau und wurde im «Limmi» geboren.

«Ein Spital steht nie still. Das gefällt mir»: André Müller ist Leiter desPatientenservice. Dazu gehört nicht nur die Essensausgabe, sondernauch das Erklären des Unterhaltungssystems.

«Ich würde gerne jemanden sehen, den die Ereignisse auf der Intensiv-station nicht beschäftigen»: Daniel Wyder muss sich als Leitender Arztder Intensiv- und Anästhesiestation oftmals ethische Fragen stellen.

«Nur das Rechnungswesen bildet das ganze betriebliche Geschehenab»: Oliver Kopp ist seit fünf Jahren Finanzvorstand des «Limmi» undübersetzt Zahlen in Worte.

Schweiz am Wochenende15. Dezember 2018 zürich 36Die Menschen im Spital Limmattal

epunktet, farbig, blumig:Vier Holzschuhe säumenden Eingang von DianaMattiellos Büro im zwei-ten Stock des Spitals Lim-mattal. Das Paar Zoccoli,das sie an diesem Tag

trägt, ist schwarz-weiss gepunktet. «DieSchuhe sind mein Markenzeichen. Damithört man mich schon von Weitem», sagtsie und lacht. Am Computerbildschirmleuchten Mattiello verschiedene Farbenentgegen. Sie stellen den Operationsplander aktuellen Woche dar. «Heute Nach-mittag entferne ich die Gallenblase einerPatientin», sagt die 41-Jährige. Mattielloist Leitende Ärztin der Chirurgie im«Limmi». Ihr Spezialgebiet ist der Ma-gen-Darm-Trakt. Dazu gehört auch dieAdipositas-Chirurgie. Mattiello setzt etwaMagenbypässe bei Übergewichtigen.

In ihrem Büro ist sie daher eher seltenanzutreffen. Zu 70 Prozent steht Mattiel-lo im Operationssaal. Dort gefällt es ihrauch am besten. «In der Chirurgie istman Macher und Denker zugleich», sagtsie. Am Ende des Eingriffs habe sie einErgebnis, eine Linderung für den Patien-ten und sehe, was sie geleistet habe.

«Das kann ich besser»Für die in Bremgarten wohnhafte Chirur-gin war aber nicht nur das ausschlagge-bend für ihre Berufswahl. «Ich bin altru-istisch veranlagt und finde es toll, wennich Menschen helfen kann.» Als sie als18-Jährige nach einem Autounfall von ei-nem Assistenzarzt eher schlecht als rechtbehandelt wurde, kam ihr die Idee, Me-dizin zu studieren. «Als ich diesen jungenMann sah, dachte ich mir, das kann ichbesser», erinnert sie sich. Gesagt, getan:Mattiello studierte an der Universität Zü-rich und war danach im Spital Linth, imSpital Triemli und im Kantonsspital Ba-selland tätig, bevor sie vor sechs Jahrenins «Limmi» wechselte.

So blutig und hektisch wie in Spital-serien im Fernsehen sei der Alltag vonChirurgen nicht, sagt Mattiello, die alsAusgleich zum strengen Berufsalltag ineinem Chor singt. Ihre Patientinnenund Patienten sieht sie nicht nur aufdem Operationstisch. Bei Sprechstun-

Gden und Visiten vor und nach den Ein-griffen tritt sie in Kontakt mit ihnen. Soetwa an diesem Morgen. Sie besuchtdie Patientin, der sie am Nachmittagdie Gallenblase entfernen wird undmalt ihr ein Kreuz auf die richtige Stelleam Bauch. «Das ist eine Vorsichtsmass-nahme, damit Patienten nicht am fal-schen Ort operiert werden oder grund-los unters Messer kommen», erklärtMattiello. Nach der Visite gönnt sichdie Chirurgin einen Kaffee mit Kolle-gen. Unterwegs zum Restaurant kreuztsich ihr Weg mit Oliver Kopp, der gera-de von einer Besprechung zurück insein Büro geht.

Kopp übernimmt im Spital Limmat-tal eine ganz andere Aufgabe als Mat-tiello. Er ist der Herr der Zahlen. Der58-Jährige ist seit fünf Jahren Finanz-vorstand des Spitals Limmattal. «MeineAufgabe ist es, der Spitalleitung unddem Verwaltungsrat die Zahlen etwa inQuartalsabschlüssen und Budgets zuerklären. Ich übersetze diese sozusa-gen in Worte», sagt Kopp. Alles im Spi-tal schlage sich in Zahlen nieder: «JederKaffee, der getrunken wird, jeder Licht-schalter, der betätigt wird, jede Patien-tenabrechnung und jede Medikamen-tenbestellung.» Er habe in seiner Funk-tion als einziger den Gesamtüberblicküber das Spital. «Die Chirurgen selbstwissen, was in den Operationssälenpassiert, das Zentrallager managt dasMaterial, die Pflegeangestellten kennenihre Stationen in- und auswendig. Dochnur das Rechnungswesen bildet dasganze betriebliche Geschehen ab», sagtKopp.

Der spanische Maler Salvador Dalíschaut mit einem etwas wahnsinnigenBlick in Richtung Kopps Pult. «Das Bildhat meine Mutter gemacht», sagt er.Ebenso die anderen Blumenbilder, diedie Wände schmücken. «Ich muss michhier wohlfühlen, schliesslich verbringeich viel Zeit im Büro», sagt Kopp, dermit seiner Frau in Altendorf im KantonSchwyz wohnt und in seiner Freizeitgerne kocht und ins Body Pump geht.28 Jahre lang war er in der Industrie tä-tig für Firmen wie Sulzer oder ABB.«Ich musste die Unternehmen restruk-

turieren und Leute entlassen. Irgend-wann hatte ich keine Lust mehr, in ei-ner Branche zu arbeiten, in der es nurbergab geht.» Das tut es im Spital Lim-mattal wahrlich nicht. Die Stimmbe-rechtigten der Spitalverbandsgemein-den haben Ende November das neuePflegezentrum für 65 Millionen Fran-ken bewilligt. Kopp ist derzeit damitbeschäftigt, die Finanzierung des Neu-baus auf die Beine zu stellen.

Genug MaterialFabian Kehl schiebt gerade einen Wa-gen durch das Stockwerk, als sich Koppein Glas Wasser im Office neben sei-nem Büro holt. Auf dem rollbaren Ge-stell befindet sich Büromaterial. Kehlist Leiter des Zentrallagers und mit sei-nem fünfköpfigen Team verantwortlichdafür, dass jeder Bereich und jede Sta-tion im Spital mit dem entsprechendenMaterial versorgt ist. Er und seine Mit-arbeiter sind sozusagen die Heinzel-männchen des «Limmi». Denn: «Idealist, wenn jede Abteilung genug Materialhat und uns nie sieht», sagt der gebürti-ge Dietiker. Dass er nicht an der Front,sondern im Hintergrund tätig ist, störtden passionierten Salsatänzer nicht.«Ich freue mich, wenn ein Patient be-

handelt werden kann, weil wir dasrichtige Material bereitgelegt haben.»

Kehls Büro befindet sich im erstenUntergeschoss im Zentrallager, das1400 Pflege-, Büro- und Haushaltsarti-kel beherbergt. Er ist für die Anliegender Stationen zuständig. «Die Teamswenden sich an mich, wenn sie einenneuen Artikel brauchen, den wir nochnicht im Lager haben», sagt Kehl. Zu-dem erstellt er die Dienstpläne und

nimmt Optimierungen im Tagesge-schäft der Logistiker vor. Seit dem Ein-zug in den Neubau hat der 27-Jährigediese Funktion inne. Davor war er ein-einhalb Jahre lang als Projektleiter fürdie Erarbeitung des Logistik-Konzeptsim Neubau zuständig.

Verbunden mit dem «Limmi» ist Kehlschon seit Geburt. Er kam im Spital aufdie Welt und absolvierte dort eine Leh-re zum Kaufmann. Nach seinem Öko-nomiestudium zog es ihn wieder in sei-nen alten Lehrbetrieb. «Für mich istdas Spital nicht nur ein Arbeitgeber,sondern viel mehr ein Stück Zuhause.»Für Abklärungen zu einem neuen Arti-kel muss Kehl ins zweite Obergeschoss.Als er den Lift nach oben betritt, ver-lässt André Müller den Aufzug in Rich-tung Küche. Er ist Leiter des Patienten-service und trifft sich mit einem Kochzur Besprechung des Tagesmenüs.«Sehr beliebt bei unseren Patientinnenund Patienten sind Zürcher Geschnet-zeltes und Rösti oder Stroganoff», sagtMüller. Natürlich sei die Kost auf denjeweiligen Gesundheitszustand der Per-sonen angepasst. So gebe es etwa Me-nüs für Diabetiker und auch vegetari-sche Gerichte. «Schliesslich trägt dieErnährung zur Heilung bei», sagt der37-Jährige.

Müller und sein Team, bestehend aus35 Personen, nehmen aber nicht nurdie Menübestellungen der Patientenentgegen. Sie servieren das Essen, fül-len die Wäsche auf und legen Zeitun-gen bereit. «Zudem sind wir dafür ver-antwortlich, dass alle persönlichen Ge-genstände aufs Zimmer kommen,wenn ein Patient zum Beispiel zuersteinen Eingriff hat, bevor er das Zimmerbezieht», so Müller. Zur Aufgabe desPatientenservice gehört aber auch, denPatienten das Unterhaltungssystem nä-herzubringen. Im «Limmi» erhält manein Tablet mit dem man fernsehen, Ra-dio hören und auch das Menü und wei-tere Informationen über das Spital ein-sehen kann.

Müller arbeitet seit zweieinhalb Jah-ren im «Limmi». Davor war der ausge-bildete Restaurantfachmann gastrono-mischer Leiter in einem Hotel in Vitz-

nau. «Nach 15 Jahren in der klassischenGastronomie habe ich mir gedacht, eswäre Zeit für einen nächsten Schritt.»Spitäler hätten ihn seit seiner Kindheitfasziniert. «Meine Mutter arbeitet alsPflegefachfrau», sagt der gebürtigeDresdner. Vor allem die Dynamik reizeihn. «Ein Spital steht nie still, das ge-fällt mir.» Der Kontakt mit den unter-schiedlichsten Menschen im «Limmi»,seien es Patienten oder Mitarbeitende,empfindet Müller als Bereicherung. ImVergleich zur klassischen Gastronomiekämen ihm hier zudem die moderate-ren Arbeitszeiten zugute. «Ich kannwieder meiner Leidenschaft, demTischtennisspielen, nachgehen.» Mül-ler spielt im Tischtennisverein seinesWohnorts Rotkreuz und trainiert dortauch Jugendliche.

Angehörige einbeziehenUnterdessen ist Müller auf seiner Rundedurch das Spital auf der Intensivstationim ersten Stock angelangt. Er will dieMenübestellungen aufnehmen. DanielWyder verlässt gerade das Zimmer ei-nes Patienten. Die offene Türe gibt denBlick frei auf eine schlafende Person,die an zahlreiche Schläuche und Kabelangeschlossen ist. «Viele meiner Patien-ten sind nicht bei vollem Bewusstsein.Die Angehörigen werden daher starkmiteinbezogen», sagt Wyder. Für Letz-tere sei die Behandlung ein genauso ein-schneidendes Erlebnis wie für die Pa-tienten selbst. Es gelte, sie gut zu infor-mieren und Hoffnung zu geben, woHoffnung sei. Wyder ist Leitender Arztfür Intensivmedizin und Anästhesie undverantwortlich für die Intensivstation.In der Obhut des 51-Jährigen sind Perso-nen, die in kritischem Zustand oderschwer krank sind. Zudem werden aufder Intensivstation auch Schlaganfallpa-tienten in den ersten 24 Stunden nacheinem Hirnschlag behandelt. Das Spitalverfügt über eine eigene Stroke Unit.

Wyders Ziel ist es, seine Patientinnenund Patienten durch die kritische Pha-se ihrer Krankheit durchzubringen. Dasist jedoch nicht immer möglich. «Zumeiner Arbeit gehören nicht nur dasMedizinische, sondern auch ethische

Fragen.» Heutzutage könne man immermehr behandeln und den menschlichenKörper lange am Leben erhalten. «Dochdas sagt nichts über die Lebensqualitätaus. Man muss sich fragen, wie weitman gehen soll und ob es tatsächlich zueiner Verbesserung führt.»

Spurlos gehen solche Entscheidenicht an Wyder vorbei. «Ich würde ger-ne jemanden sehen, den die Ereignisse

auf der Intensivstation nicht beschäfti-gen.» Man müsse lernen, damit umzu-gehen. Zu Hause versuche er, sich abzu-lenken, indem er Sachen unternehme.Eine wichtige Hilfe bei der Verarbeitungder Geschehnisse ist ihm seine Partne-rin, mit der er in Zürich lebt. «Sie ist An-ästhesistin und mit meinem Metier ver-traut. Mir ihr kann ich daher gut übermeine Eindrücke sprechen.» Trotz derBelastung liebt Wyder seinen Beruf.«Ich kann Menschen, die schwer kranksind, etwas Gutes tun.» Er ist sich zu-dem sicher: «Die Intensivmedizin wirduns immer mehr beschäftigen. Denndie Bevölkerung wird zwar älter, abernicht gesünder.» Seit zehn Jahren ist derArzt im «Limmi» tätig. Davor arbeiteteder gebürtige Spreitenbacher im Uni-versitätsspital Zürich und im Kantons-spital St. Gallen. Am Spital Limmattalschätzt Wyder die Grösse. «Es bietet eingutes und breites Spektrum aus allenBereichen der Medizin und der operati-ven Fächer.» Das sei spannend und ge-be die Möglichkeit, interdisziplinär zuarbeiten. «Wir sind kein anonymes Spi-tal. Man kennt sich untereinander auchstationsübergreifend.» Dafür sorgtendie täglichen Treffen mit Kolleginnenund Kollegen anderer Disziplinen undmit den Leitenden der verschiedenen

Bettenstationen. Und so kommt manauch an diesem Vormittag zusammen,um sich auszutauschen.

Wyder trifft dabei auf Bettina Gübeli.Sie ist Leiterin der Wochenbett- und Or-thopädie-Station, die sich im drittenStock befindet. Dort herrscht eine ganzandere Stimmung als auf der Intensiv-station. «Es ist extrem schön, hier zu ar-beiten. Kinder kommen auf die Welt, esgibt neues Leben», sagt Gübeli, die inRüschlikon zu Hause ist. Die 30-Jährigekümmert sich um das 35-köpfige Sta-tionsteam und koordiniert die Dienst-und Tagesplanung. Dass sie Pflegefach-frau werden will, wusste Gübeli schonfrüh. «Ich kam mit dem Beruf in Berüh-rung, weil eine Freundin meiner Mutterals Pflegefachfrau tätig war. Als ich dannmit 13 eine Schnupperlehre in der Klinikim Park in Zürich absolvierte, war mirklar, womit ich mein Geld verdienenwill.» Gübeli arbeitet bereits seit sechsJahren im «Limmi», davon vier Jahre alsstellvertretende Stationsleiterin. Vorzwei Jahren übernahm sie die Leitungder chirurgischen Station, bevor sie imFebruar dieses Jahres zum Wochenbettwechselte. Zuvor bildete sie im Triemli-Spital Lernende und Studenten aus.

Teams zusammenlegenIn den letzten Wochen war Gübeli da-mit beschäftigt, verschiedene Teams zu-sammenzuführen. «Aufgrund des Um-zugs in den Neubau sind die Bettenstati-onen grösser geworden und wir muss-ten Teams zusammenlegen», erklärt dieStationsleiterin. Das sei eine Herausfor-derung gewesen, seien doch alle Mitar-beiter unterschiedlich. Doch die Einheitist Gübeli sehr wichtig. «Nur zusammenerreichen wir etwas.» Und so springtauch sie ein und besucht die frischgeba-ckenen Mütter und Väter, wenn es nötigist, wie etwa an diesem Vormittag. Gü-beli öffnet die Zimmertüre und einejunge Mutter strahlt sie mit etwas mü-den, aber glücklichen Augen an. Sie hältihr Baby in den Armen. «Solche Mo-mente bedeuten mir viel. Sie zeigen mirjeden Tag, dass ich den richtigen Berufgewählt habe», sagt Gübeli und schliesstdie Türe hinter sich.

«Ich freue mich, wennein Patient behandeltwerden kann, weil wirdas richtige Materialbereitgelegt haben.»FABIAN KEHL LEITER ZENTRALLAGER

«Die Intensivmedizinwird uns mehr be-schäftigen. Die Bevöl-kerung wird zwar älter,aber nicht gesünder.» DANIEL WYDER LEITENDER ARZT INTENSIVSTATION

«Es ist extrem schön, hier zu arbeiten. Kinder kommen auf die Welt, esgibt neues Leben»: Die 30-jährige Bettina Gübeli leitet die Wochen-bett- und Orthopädiestation.

«In der Chirurgie ist man Macher undDenker zugleich»: Diana Mattiello

ist Leitende Ärztin der Chirurgie. IhrSpezialgebiet ist der Magen-Darm-

Trakt. Die 41-Jährige legt etwa Magen-bypässe bei Übergewichtigen.

Das «Limmi»hält sie auf Trab

Zwei Monate nach dem Einzug in denNeubau des Spitals Limmattal gebensechs leitende Angestellte Einblick inihren Arbeitsalltag. Dabei spielen Babys,Zürcher Geschnetzeltes, Gallenblasen,Heinzelmännchen, Zahlen, aber auchder Tod eine Rolle.VON SIBYLLE EGLOFF (TEXT), CHRIS ISELI UND CLAUDIO THOMA (FOTOS)

«Für mich ist das Spital nicht nur ein Arbeitgeber, sondern vielmehr einStück Zuhause»: Fabian Kehl ist für das Zentrallager zuständig. Er plantedas Logistik-Konzept für den Neubau und wurde im «Limmi» geboren.

«Ein Spital steht nie still. Das gefällt mir»: André Müller ist Leiter desPatientenservice. Dazu gehört nicht nur die Essensausgabe, sondernauch das Erklären des Unterhaltungssystems.

«Ich würde gerne jemanden sehen, den die Ereignisse auf der Intensiv-station nicht beschäftigen»: Daniel Wyder muss sich als Leitender Arztder Intensiv- und Anästhesiestation oftmals ethische Fragen stellen.

«Nur das Rechnungswesen bildet das ganze betriebliche Geschehenab»: Oliver Kopp ist seit fünf Jahren Finanzvorstand des «Limmi» undübersetzt Zahlen in Worte.

Schweiz am Wochenende15. Dezember 2018 zürich 37Die Menschen im Spital Limmattal