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Büro Riedstadt Dr. Egbert Korte Plattenhof D-64560 Riedstadt-Erfelden Tel. 06158-748624 Büro Frankfurt Dr. Jörg Schneider Senckenberganlage 25 D- 60325 Frankfurt am Main- Tel. 069-97203407 Büro Marburg Dr. Dirk Hübner Über dem Grund 1 D-35041 Marburg-Michelbach Tel. 06420-839118 Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen (Rutilus rutilus) und Brassen (Abramis brama) in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit im Auftrag des Regierungspräsidiums Kassel -Obere Fischereibehörde- Marburg, August 2011 BFS BÜROGEMEINSCHAFT FÜR FISCH- & GEWÄSSERÖKOLOGISCHE STUDIEN Büro – Marburg Dr. rer. nat. Dirk Hübner, Christoph Menzel, Dipl. Biol. Roman Fricke Büro Marburg Dr. Ing. Reinhard Hassinger, Dipl. Ing. Silvia Rahn Versuchsanstalt und Prüfstelle für Umwelttechnik und Wasserbau

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Büro Riedstadt Dr. Egbert Korte

Plattenhof

D-64560 Riedstadt-Erfelden

Tel. 06158-748624

Büro Frankfurt Dr. Jörg Schneider

Senckenberganlage 25

D- 60325 Frankfurt am Main-

Tel. 069-97203407

Büro Marburg Dr. Dirk Hübner

Über dem Grund 1

D-35041 Marburg-Michelbach

Tel. 06420-839118

Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen (Rutilus rutilus) und

Brassen (Abramis brama) in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

im Auftrag des

Regierungspräsidiums Kassel

-Obere Fischereibehörde-

Marburg, August 2011

BFS BÜROGEMEINSCHAFT

FÜR FISCH- & GEWÄSSERÖKOLOGISCHE STUDIEN

Büro – Marburg

Dr. rer. nat. Dirk Hübner, Christoph Menzel, Dipl. Biol. Roman Fricke

Büro Marburg

Dr. Ing. Reinhard Hassinger, Dipl. Ing. Silvia Rahn

Versuchsanstalt und Prüfstelle für Umwelttechnik und Wasserbau

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ..........................................................................................................................1 2 Kenntnisstand zur Problematik .........................................................................................2

2.1 Vorbemerkungen .......................................................................................................2 2.2 Schwimmfähigkeit und Verhaltensantworten des Fisches auf die WKA....................2 2.3 Relevante Strömungskomponenten vor dem Rechen...............................................4 2.4 Geometrie/Design der Wasserkraftanlage.................................................................6 2.5 Stabweite, Material und Design des Rechens...........................................................6 2.6 Auswirkungen und Reaktionen der Fische am Rechen.............................................6

3 Gesetzliche Regelungen ...................................................................................................7 3.1 Bestehende Regelungen ...........................................................................................7 3.2 Wertung der Regelungen ..........................................................................................9

4 Grundlagen der Hydraulik der Rechendurchströmung und der Kräfte auf einen Körper auf der Rechenoberfläche .............................................................................................10

4.1 Allgemeines zur Rechenhydraulik und zu Verlustformeln .......................................10 4.2 Geschwindigkeitsverlauf bei geneigten oder schrägen Rechen..............................13 4.3 Kraft auf einen auf der Rechenfläche liegenden Körper..........................................16 4.4 Messungen zur Anströmung des Laborrechens......................................................20

5 Fragestellungen ..............................................................................................................21 6 Material und Methoden ...................................................................................................23

6.1 Versuchstiere...........................................................................................................23 6.2 Versuchsgerinne......................................................................................................23 6.3 Versuchsablauf........................................................................................................25 6.4 Kategorien Verhalten und Position ..........................................................................26

7 Ergebnisse ......................................................................................................................27 7.1 Körperproportionen..................................................................................................27 7.2 Auswirkungen verschiedener Rechen-Stababstände bei verschiedenen

Anströmgeschwindigkeiten auf Versuchstiere.........................................................28 7.2.1 Kleine Rotaugen .................................................................................................28 7.2.2 Große Rotaugen .................................................................................................30 7.2.3 Brassen...............................................................................................................31

7.3 Rechenpassagen der Rotaugen..............................................................................32 7.4 Kritische Stabweiten für Rotaugen ..........................................................................33 7.5 Anteile verletzter Tiere.............................................................................................35 7.6 Anteile letal geschädigter Tiere ...............................................................................38 7.7 Zusammenfassung der Ergebnisse.........................................................................42

8 Diskussion.......................................................................................................................43 9 Literaturverzeichnis .........................................................................................................47 10 Anhang............................................................................................................................50

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1 Einleitung Durch die Förderung alternativer Energien nimmt das politische und wirtschaftliche Interesse

an der Energiegewinnung mittels Wasserkraft zu, wobei der Anteil Europas am weltweit

durch Wasserkraft erzeugten Strom bei etwa 25 % liegt (WINKLER, 2007). In der

Bundesrepublik Deutschland werden etwa 23 % des durch die sogenannten „erneuerbaren

Energien“ erzeugten Stromes durch etwa 7.700 Wasserkraftanlagen bereitgestellt (BMU,

2009).

An Turbinen von Wasserkraftwerken sowie auch an anderen Ausleitungen wie

Kühlwasseranlagen kommt es zu Verlusten von Fischen und anderen limnischen oder

marinen Organismen. Die Dimension dieser Verluste kann vor allem bei bedrohten und/oder

wandernden Arten negative Auswirkungen bis auf Populations- oder sogar Artebene haben

(e.g., U.S.ENVIRONMENTAL PROTECTION AGENCY, 2001; HADDERINGH, 1979).

Besonders flussabwärts gerichtete Wanderungen stellen sich dabei als problematisch für

betroffene Fische dar, da die Konzepte für Fischabstiege bisher weniger ausgereift sind als

für Fischaufstiege (LARINIER & TRAVADE, 2002). Abwärtswanderungen werden nicht nur von

katadromen Arten, wie z. B. dem Europäischen Aal Anguilla anguilla, sondern auch von

anadromen Arten, wie z. B. dem Atlantischen Lachs Salmo salar (nach der Smoltifikation auf

dem Weg zum Meer oder nach dem Ablaichen auf dem Weg zurück zu ihren Standorten),

durchgeführt. Auch ist eine Abdrift von Fischlarven aller Arten in unterhalb ihrer

Schlupfplätze gelegene Flussabschnitte festzustellen. Aufgrund dieser Problematik ist die

Installation von Fischrechen oder Gittern verschiedener Bauweisen vor Turbinen von

Wasserkraftwerken oder anderen Ausleitungen eine häufig eingesetzte Maßnahme mit dem

Ziel, die Verluste von Fischen und anderen Organismen einzuschränken (e.g., CLAY, 1995;

MOYLE & ISRAEL, 2005). Die tatsächliche Effektivität der verschiedenen Konstruktionsweisen

solcher Rechen und Gitter aber wurde, vor allem auf Populationsebene, nur selten überprüft

(MOYLE & ISRAEL, 2005; VGL. MCMICHAEL ET AL., 2004).

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2 Kenntnisstand zur Problematik 2.1 Vorbemerkungen

Trifft ein Fisch auf eine Wasserkraftanlage, gibt es verschiedene Faktoren, die seine

Passage der Anlage beeinflussen (Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft - Referat

Fischerei, 1997; EPRI, 2000; U.S.Environmental Protection Agency, 2001;

U.S.Environmental Protection Agency, 2004; Swanson et al., 2005; White et al., 2007):

• Schwimmfähigkeit und Verhaltensantworten des Fisches auf die WKA

• relevante Strömungskomponenten vor dem Rechen

• Geometrie/Design der Wasserkraftanlage

• Stabweite, Material und Design des Rechens

Diese Faktoren werden im Folgenden genauer erläutert.

2.2 Schwimmfähigkeit und Verhaltensantworten des Fisches auf die WKA

Die Schwimmfähigkeit eines Fisches hängt von verschiedenen art- und

individuenspezifischen sowie Umweltfaktoren und deren Interaktion ab. Solche Faktoren sind

unter anderem Körperlänge und –form, Geschlecht, physiologische Kondition,

Wassertemperatur, Gehalt an gelöstem Sauerstoff im Wasser, pH-Wert,

Wasserverschmutzung oder Lichtverhältnisse (HAMMER, 1995; für Überblick siehe EPRI,

2000; WOLTER & ARLINGHAUS, 2003). In den meisten Fällen spielt die Körpergröße des

Fisches und Wassertemperatur die entscheidende Rolle. Große Fische haben eine größere

Schwimmkapazität als kleinere Fische. Niedrige Temperaturen führen zu einer

eingeschränkten Reaktions- und Schwimmfähigkeit bei Fischen, da diese als wechselwarme

Tiere von der Umgebungstemperatur abhängig sind. So sind die schlechtesten Schwimmer

kleine Fische bei niedrigen Wassertemperaturen (EPRI, 2000).

Es werden mehrere Schwimmgeschwindigkeiten unterschieden:

• Die maximale Geschwindigkeit, die ein Fisch erreichen kann, ist die

Sprintgeschwindigkeit. Sie beträgt mehrere Fischlängen / Sekunde und kann nur über

eine kurze Dauer von wenigen Sekunden aufrechterhalten werden, bis die weiße

Muskulatur (Hochleistung, anaerobe Funktionsweise) erschöpft ist. Die Regeneration

dauert eine lange Zeit bis 24 Stunden.

• Die gesteigerte Geschwindigkeit kann bis zu 200 Minuten unverändert durchgehalten

werden, wobei die Ermüdung abhängig von der Strömungsgeschwindigkeit ist.

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Beteiligt sind weiße und rote Muskulatur (Dauerschwimmen, aerobe Funktionsweise).

Sie beträgt ca. 5 Fischlängen/Sekunde (BAINBRIDGE 1960) und ist halb so groß wie

die Sprintgeschwindigkeit. Die kritische Schwimmgeschwindigkeit leitet sich aus der

gesteigerten Schwimmgeschwindigkeit ab (Kritische Geschwindigkeit = gesteigerte

Geschwindigkeit * Fischlänge). Sie kann kurzzeitig von Fischen gehalten werden, um

aus der Gefahrenzone am Rechen herauszukommen. Kondition der Tiere und die

Abiotik des Wassers entscheidenden maßgeblich über die Dauer und Höhe der

Geschwindigkeit (s.o.)

• Als Dauergeschwindigkeit wird die normale Geschwindigkeit des Fisches bezeichnet.

Hierzu wird ausschließlich die rote Muskulatur eingesetzt, sodass die

Geschwindigkeit lange Zeit ohne Ermüdung aufrechterhalten werden kann (> 200

Minuten). TURNPENNY (1998) gibt für potamodrome Arten und Lachssmolts eine

Dauergeschwindigkeit von 2 Fischlängen/ Sekunde an.

Die Fähigkeit eines Fisches, ein Zusammentreffen mit dem Rechen von vornherein zu

vermeiden oder vom Rechen aus nach Abstiegsmöglichkeiten zu suchen, hängt von zwei

Faktoren ab:

• seiner Schwimmfähigkeit relativ zu den Strömungsgeschwindigkeiten im

Strömungsfeld der Anlage

• der Distanz, die er zurücklegen muss, um einen für ihn sicheren Bereich zu erreichen

Unter der Voraussetzung, dass die Zuströmung zur Rechenanlage mit einer Beschleunigung

der Strömung verbunden ist, existiert für jeden einzelnen Fisch ein theoretischer Punkt-ohne-

Wiederkehr in Form einer bestimmten Distanz zum Rechen bzw. zur Turbine. Außerhalb

dieser Distanz ist ein Fisch in der Lage, sich selbständig von der in die Turbine einfließenden

Strömung wegzubewegen und somit ein potentiell gefährliches Zusammentreffen mit dem

Rechen oder der Turbine zu vermeiden. Innerhalb dieser Distanz gehen die

Strömungsgeschwindigkeiten und/oder Distanzen, die überwunden werden müssen, über die

Schwimmfähigkeit und Ausdauer des jeweiligen Fisches hinaus. Es ist durchaus möglich,

dass ein Fisch ein Zusammentreffen mit dem Rechen anfänglich vermeiden kann. Er ist aber

nicht unbedingt in der Lage, eine Schwimmgeschwindigkeit über eine ausreichende Dauer

und Distanz aufrechtzuerhalten, die ihn außerhalb des Einflussbereiches der Turbine bringen

oder ihm das aktive Suchen nach Abstiegsmöglichkeiten in Rechennähe erlauben würde.

Stattdessen gerät der Fisch nach Ablauf einer art- und individuenspezifischen Dauer in einen

Erschöpfungszustand und wird mit der Strömung zum Rechen oder zur Turbine gezogen.

Dieser Vorgang ist jedoch überlagert durch das strukturelle Angebot der

Strömungsberandungen und die Eigenschaften des Strömungsfeldes. Wenn der Fisch

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wegen Ablösungen und/oder großen Rauheiten Bereiche mit Strömungsschatten vorfindet,

kann er diese zur Flucht nutzen, auch wenn in der Hauptströmung die Geschwindigkeiten

eigentlich für ihn zu hoch sind.

Einerseits wird also die Passage einer Wasserkraftanlage durch einen Fisch von art- und

individuenspezifischen sowie Umweltfaktoren beeinflusst, die zwar nicht direkt regulierbar

sind, aber in die Planung dieser Anlagen einbezogen werden müssen. Andererseits ist sie in

hohem Maße vom dem Stababstand und Design des Rechens sowie dem Design der

Abstiegsanlage abhängig, das Anströmgeschwindigkeiten, zurückzulegende Distanzen und

Suchzeiten bestimmt. Diese Faktoren unterliegen vollständig dem direkten menschlichen

Einfluss und entscheiden darüber, ob ein Fisch das Gewässer unterhalb der Anlage lebendig

und in gesundem Zustand erreicht. Das heißt, dass Schutz- und Abstiegskonzepte, bei

denen der oben beschriebene Erschöpfungszustand Teil des Funktionssystems sind, kaum

als ökologisch verträglich angesehen werden können.

2.3 Relevante Strömungskomponenten vor dem Rechen

Für Fische gibt es mehrere relevante Strömungskomponenten, die ihr Schwimmverhalten vor

den Rechen der Wasserkraftanlagen beeinflussen (NMFS-SW, 1997; EPRI, 2000;

MCMICHAEL ET AL., 2004; SWANSON ET AL., 2005; WHITE ET AL., 2007):

Anströmgeschwindigkeit

Als Anströmgeschwindigkeit wird die mittlere Strömungsgeschwindigkeit vor dem Rechen,

gemessen in Richtung der Hauptströmung vor dem Rechen, bezeichnet. Dabei bezieht sich

die Mittelbildung sowohl auf die Zeit (zum Ausgleich turbulenter Schwankungen), als auch

auf den Querschnitt. Diese Anströmgeschwindigkeit kann aus dem Turbinendurchfluss

dividiert durch die Querschnittsfläche normal zu den Stromlinien berechnet werden. Diese

Anströmgeschwindigkeit ist von Ausführung, Lage und Ausrichtung des Rechens weitgehend

unabhängig. Sie wird praktisch ausschließlich durch die für die Strömung als

Durchflussfläche zur Verfügung stehende Querschnittsfläche bestimmt. Das heißt, dass

diese Geschwindigkeit ohne bauliche Erweiterung der Querschnitte nicht reduziert werden

kann.

In der angelsächsischen Literatur wird die lokale Anströmgeschwindigkeit (nicht

Querschnittsmittelwert) normalerweise in einem Abstand von etwa 7 cm (3 inches = 7,62 cm)

vor dem Rechen gemessen. Diese weicht aber von der weiter vorne messbaren

Anströmgeschwindigkeit nur geringfügig ab, da die Auswirkungen der Rechenstäbe selber

nur wenige cm nach oberstrom reichen.

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Ebenfalls wichtig ist die Uniformität der Strömung über die Fläche des Rechens, um lokale

Bereiche hoher Anströmgeschwindigkeiten zu vermeiden. Diese Ungleichförmigkeiten treten

in folgenden Fällen auf:

• Ungleichförmige Anströmung schon aus dem Fernfeld

• Ungleichförmige Anströmung durch Ablösungen und ungleiche

Geschwindigkeitsverteilungen, aus dem Nahfeld (Geometrie des Zulaufkanals)

• Ungleiche Belegung mit Rechengut

• In diesem Fall auftretende „hot spots“ hoher Anströmgeschwindigkeiten werden vor

allem kleinen Fischen gefährlich.

„through-screen-velocity“ (Strömungsgeschwindigkeit innerhalb des Rechens)

Die sogenannte „through-screen-velocity“ bezeichnet die Strömungsgeschwindigkeit des

Wassers, mit der es durch die strukturellen Komponenten des Rechens fließt. Diese

Geschwindigkeit ist durch die Verringerung der Gesamtquerschnittsfläche immer höher als

die Anströmgeschwindigkeit vor dem Rechen. Ein Fisch erfährt diese

Strömungsgeschwindigkeit nur indirekt, wenn er sich direkt an der Rechenfront befindet oder

den Rechen passiert. Daher hat die „through-screen-velocity“ vermutlich weniger Einfluss

darauf, ob ein Fisch mit dem Rechen zusammentrifft, als darauf, ob er in der Lage ist, sich

wieder vom Rechen zu lösen.

„sweeping-velocity“

Als „sweeping-velocity“ wird eine Strömungskomponente bezeichnet, die parallel zum

Rechen verläuft. Diese Strömung entsteht, wenn der Rechen nicht quer zur Strömung steht

(Louver) und/oder mit der Strömung geneigt wird (Winkel zwischen Strömungsrichtung und

Rechen >90°). Durch diese Strömung kann ein Fisch über die Oberfläche des Rechens

gezogen werden. Dieser Effekt wird bei bestimmten Anlagendesigns ausgenutzt, um Fische

bestimmten Abstiegsstrukturen zuzuleiten.

Heterogenität der Strömung

Auch die Heterogenität der Strömungen im komplexen hydraulischen Umfeld der Turbine

wirkt auf an der Anlage eintreffende Fische.

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2.4 Geometrie/Design der Wasserkraftanlage

Die Geometrie oder das Design der Anlage entscheidet über Strömungsgeschwindigkeiten

und Turbulenzen sowie über die Distanzen, die ein Fisch z.B. bei der Suche nach

Abstiegsmöglichkeiten oder bei der Umkehr und dem sich Entfernen vom Rechen

zurücklegen muss. Dabei muss noch einmal betont werden, dass die

Anströmgeschwindigkeiten, die ein nicht direkt auf dem Rechen liegender Fisch zu

überwinden hat, nur durch die Querschnittsfläche senkrecht zu den Stromlinien bestimmt ist

und nicht durch eine irgendwie geartete Schrägstellung oder Neigung.

2.5 Stabweite, Material und Design des Rechens

Die lichte Stabweite des Fischrechens entscheidet über die Größe der Fische, die in die

Turbine hineingezogen werden oder aktiv in die Turbine einwandern können. Zusätzlich

beeinflusst sie die Strömungsgeschwindigkeit innerhalb des Rechens („through-screen-

velocity“, oft als Vts = einfließende Strömung / offene Fläche des Rechens geschätzt).

Daneben ist bei gegebener Stabdicke der Stababstand ein maßgeblicher Parameter für den

Verbauungsgrad, der wiederum als ein maßgeblicher Parameter in den Rechenverlust

eingeht.

Neben den Strömungsgeschwindigkeiten beeinflussen auch das Design des Rechens sowie

die verwendeten Materialen die Reibung und die Drücke, denen ein Fisch ausgesetzt wird,

wenn er in direkten Kontakt mit dem Rechen kommt. Design und Material können zur

Reduktion von Verletzungen wie Hautabschürfungen, Schuppenverletzungen und –verlust,

Verletzungen von Flossen und Augen, Blutungen oder Quetschungen beitragen und dadurch

Einfluss auf die Mortalität von Fischen nehmen.

2.6 Auswirkungen und Reaktionen der Fische am Rechen

Abhängig vom Design des Fischabstieges kann ein Kontakt mit dem Rechen erwünscht oder

sogar notwendig sein. Die im Zusammenhang mit der Schrägstellung bzw. Neigung

erwähnte Leitwirkung basiert z.B. auf einer Berührung des Rechens mit dem Schwanz.

Bei zu großer Stabweite des Rechens aber wird der Fisch in die Turbine hineingezogen oder

schwimmt aktiv in die Turbine ein. Diese Passage ist oft tödlich oder mit schweren

Verletzungen verbunden, die mit zeitlicher Verzögerung dennoch zum Tod führen können. Ist

die Stabweite des Rechens gering genug, aber die Anströmgeschwindigkeit zu hoch, wird

der Fisch, wenn er zu erschöpft ist, um sich vom Rechen frei zu halten, an diesen gepresst,

ohne in der Lage zu sein, sich wieder davon zu lösen. In dieser Situation ist der Fisch in

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großer Gefahr, denn er wird entweder durch die wirkenden Kräfte zu hoch belastet oder

durch die Rechenreinigung geschädigt.

An manchen Anlagen werden an den Rechen gepresste Tiere von einem Sammelsystem

vom Rechen abgesammelt und außerhalb des Einflussgebietes der Turbine zurück ins

Wasser gebracht. Aber obwohl die Fische in diesem Fall möglicherweise lebendig ins

Wasser zurückkehren, können die Belastungen, die mit dem Zusammenstoß mit dem

Rechen, dem Absammeln und dem Transport verbunden sind, dennoch zum Tod der Tiere

führen. Ausschlaggebend für das Überleben der Tiere sind unter anderem das Design des

Sammelsystems und des Rechens wie auch die Lage und Qualität der Stelle, an der die

Fische ins Wasser zurückkehren (EPRI, 2000).

3 Gesetzliche Regelungen 3.1 Bestehende Regelungen

Die Anforderungen über die zulässigen lichten Stababstände sind in den Länder-

Fischereiverordnungen oder –fischereigesetzen geregelt. Dadurch sind sie uneinheitlich. In

vielen Bundesländern ist eine lichte Stabweite von 20 mm vorgeschrieben (vgl. Tabelle 3.1).

Es wird davon ausgegangen, dass diese Stabweite ausreicht, um die meisten Tiere vom

Einwandern in die Turbine abzuhalten. Aufgrund später noch zu diskutierender Erkenntnisse

ist eine klare Tendenz zu kleineren Stababständen zu erkennen. Zusätzlich spielt die

Einstufung der Gewässer als Aal- oder Lachsvorranggewässer eine Rolle.

Der generelle Maximalabstand beträgt 20 mm. In Bundesländern, die erst kürzlich ihre

Fischereiverordnungen aktualisiert haben, sind die zulässigen Stababstände meist kleiner.

In Hessen ist seit Dezember 2008, wie auch in Brandenburg seit September 2009, ein

Stababstand von 15 mm vorgeschrieben (HFO, 2008). In Nordrhein-Westfalen gelten z. B.

abhängig von der Einstufung 10 mm für Lachs-Vorranggewässer, 15 mm für Aalgewässer

und 20 mm für die übrigen Gewässer.

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Tab. 3.1:Gesetzlich vorgeschriebene maximale Stabweiten für Rechenanlagen vor Turbinen oder

anderen Ausleitungsstrukturen; beispielhaft für einige Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland.

Bundesland gesetzliche Ebene Stabweite (mm) Regelungsdatum

Berlin Landesfischereiordnung (LFischO) 20 07/2006

Brandenburg Fischereiordnung (BbgFischO) 15 09/2009

Hessen Fischereiverordnung (HFO) 15 12/2008

Niedersachsen Binnenfischereiordnung (BiFischO, NI) 20 12/2005

Nordrhein-Westfalen Landesfischereiordnung (LFischO) 20 03/2010

Rheinland-Pfalz Landesfischereigesetz (LFischG) 20 2001

Sachsen Fischereiverordnung (SächsFischVO) 20 03/2008

Sachsen-Anhalt Fischereiordnung (FischOLSA) 20 2002

Thüringen Fischereiverordnung (ThürFischVO 20 10/1994

Ein generelles Problem stellt dar, dass gesetzlich geregelte Stabweiten nur für Neuanlagen

oder Umbaumaßnahmen gelten. Solange also keine größeren Umbauten an einer

bestehenden Anlage vorgenommen werden, kann diese mit wesentlich größeren Stabweiten

betrieben werden, ungeachtet der Verluste von Fischen und anderen Organismen (Beispiele

aus dem Main: Staustufen Eddersheim und Griesheim: 90 mm, Offenbach und Mühlheim:

100 mm lichte Stabweite, KLEIN 2008).

Bezüglich der zulässigen Anströmgeschwindigkeit wird bundeseinheitlich üblicherweise ein

maximaler Wert von 0,50 m/s gefordert. Eine bundesweit geltende gesetzliche Grundlage ist

allerdings nicht vorhanden. Die Anforderungen stützen sich auf verstreut in der Literatur und

in Richtlinien festgelegten Werte (z.B. ATV-DVWK, 2005). Dabei wird davon ausgegangen,

dass Anströmgeschwindigkeiten bis 0,5 m/s vor dem Rechen für Fische eine Umkehr

ermöglichen und Suchbewegungen erlauben (ATV-DVWK, 2005). Die Grundlagen für diesen

Wert beruhen u. a. auf Beobachtungen von Aalen an Rechen im Labor. Demnach können

sich manche Aale bei Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 1 m/s vom Rechen lösen und

es wird ohne spezielle Untersuchungen davon ausgegangen, dass eine

Anströmgeschwindigkeit von 0,5 m/s eine Umkehr aller Aale erlaubt. (ADAM et al. 1997).

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3.2 Wertung der Regelungen

Völlig unberücksichtigt bleibt bei den Regelungen zum Stababstand, dass nicht nur große

Fische, die zwischen Meer und Fluss wechseln, zu beachten sind. Der Fischschutz für

Jungfische und Larven, die flussabwärts driften, ist durch diese Rechen nicht gegeben.

Besonders schwerwiegend ist außerdem die Tatsache, dass alle Flussfischarten im Laufe

des Jahres zahlreiche Habitatswechsel vornehmen und dabei auch flussabwärts wandern

(Abwanderung nach Laichgeschäft, Nahrungshabitatswechsel, Aufsuchen der Winterhabitate

etc.). Darunter befinden sich viele kleine und mittelgroße Arten, die vermutlich durch den 20-

mm-Rechen passen.

Zudem zeigten Laboruntersuchungen mit Europäischen Aalen (Anguilla anguilla) in der

Versuchsanstalt und Prüfstelle für Umwelttechnik und Wasserbau im Fachbereich

Bauingenieurwesen der Universität Kassel, dass ein fischschonender Rechen mit

Stababständen von 19 mm von vielen Aalen bis > 62 cm Totallänge ohne Probleme passiert

wurde (HÜBNER 2009).

Allerdings wurde bei eigenen Versuchen mit A. anguilla (s.o.), beobachtet, dass

Anströmgeschwindigkeiten von 0,8 m/s vor dem Rechen sehr problematisch sein können, da

einige Tiere große Schwierigkeiten hatten, dem Anpressdruck zu widerstehen und sich vom

Rechen zu lösen (HÜBNER, 2009). Diese Beobachtungen sind vermutlich auch für andere

Fischarten von Bedeutung, wie eine in den USA durch die EPA vorgeschriebene „through-

screen-velocity“ von umgerechnet 15,24 cm/s (0,5 foot/s) für Kühlwasseranlagen zeigt

(U.S.Environmental Protection Agency, 2001; U.S.Environmental Protection Agency, 2004;

U.S.Environmental Protection Agency, 2006), wobei Wasserkraftanlagen in ihren Effekten

diesen gleichgesetzt werden (U.S.Environmental Protection Agency, 2002; response to

comment 316bNFR.068.051, S. 1264). Die Notwendigkeit der Einhaltung dieser

Anströmgeschwindigkeit wird in den USA zwar für jede Anlage einzeln überprüft

(U.S.Environmental Protection Agency, 2001; U.S.Environmental Protection Agency, 2004;

U.S.Environmental Protection Agency, 2006), zeigt jedoch deutlich, dass mit dem in

Deutschland als ausreichend erachteten Orientierungswert von 0,5 m/s für verschiedene

Fischarten und Inbdividuengrößen wahrscheinlich kein vollständiger Schutz gewährleistet ist.

Obwohl zur Schwimmleistung einzelner Fischarten zahlreiche Untersuchungen vorhanden

sind (e.g., Ojanguren & Brana, 2003; Jain et al., 1997; Mann & Bass, 1997; Ohlberger et al.,

2006; Swanson et al., 1998; Videler & Wardle, 1992; Überblick in EPRI, 2000), ist die

Datenlage zur Eignung von Stababständen und Strömungsgeschwindigkeiten für einzelne

Fischarten und Lebensstadien unzureichend (White et al., 2007).

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4 Grundlagen der Hydraulik der Rechendurchströmung und der Kräfte auf einen Körper auf der Rechen-oberfläche

4.1 Allgemeines zur Rechenhydraulik und zu Verlustformeln

Der Rechen stellt eine Querschnittseinschnürung dar, die umso größer ist, je größer der

Verbauungsgrad ist und je stärker der Rechen mit Rechengut belegt ist. In unmittelbarer

Nähe des Rechens wird ein Druckgradient wirksam, der dadurch entsteht, dass die

Strömung beim Durchtritt durch den Rechen wegen der geringeren Fläche beschleunigt

werden muss, so dass nach der Bernoulli-Gleichung der Druck abnimmt. Dieser

Druckgradient steht senkrecht auf der Rechenfläche. Bei sehr hohen Verlusten wird der

Rechen senkrecht zu seiner Oberfläche durchströmt.

Verluste bei der Durchströmung eines Rechens entstehen durch Grenzschichten und

Turbulenzbildung infolge Ablösungen. Es sind im Prinzip drei Bereiche identifizierbar, in

denen sich verlustbringende Prozesse abspielen:

1. Die Ablösezone direkt hinter dem Kopf des Rechenstabes bestimmt die effektive

Breite des freien Querschnitts. Bei Rechteckstabrechen beginnt diese Ablösung

direkt an den Kanten und reicht eine gewisse Länge in den Zwischenraum hinein.

Diese Ablösung, die bei senkrechter Anströmung symmetrisch ist, engt den

hydraulisch effektiven Querschnitt deutlich weiter ein, als es der geometrischen

Einschnürung entspricht.

2. Die Grenzschichtbildung in den Zwischenräumen des Rechens beginnt nach der

Linie, an der sich die abgelöste Strömung wieder anlegt. Die Grenzschicht bremst

über den Seitenflächen der Rechenstäbe die Strömung und engt damit den

tatsächlich verfügbaren Querschnitt ein. Die von der Grenzschicht quasi blockierte

Fläche wird auch Verdrängungsdicke genannt. Der Effekt der Grenzschichtbildung

wird durch Oberflächenrauheit verstärkt.

3. Die Ablösung am Ende der Rechenstäbe, die durch plötzliche Aufweitung der

Rechenstäbe entsteht, erzeugt einen Verlust, der theoretisch berechenbar ist nach

den Formeln für den Borda-Stoßverlust. Vereinfacht ausgedrückt geht hier der

Unterschied in der Geschwindigkeitshöhe zwischen der austretenden Strömung und

der Abströmung verloren. Je näher die Geschwindigkeit zwischen den Rechenstäben

(Austrittsgeschwindigkeit) an der An- bzw. Abströmung liegt, desto geringer ist dieser

Verlust.

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11

Die Formel für den Rechenverlust kann allgemein so geschrieben werden

)sin()()()/()( '' αδς ⋅⋅⋅⋅⋅= fVGflaPfk eF

und enthält allgemein formuliert folgende Terme:

einen Formbeiwert (kF)

einen vom Verbauungsgrad abhängigen Term (f(P))

einen Term für die Kontaktlänge zwischen den Stäben (a‘/l‘)e

einen Term für die Verlegung (f(VG))

einen Term für die Schräganströmung (f(δ))

einen Term für die Neigung zur Sohle (sin(α))

Diese Terme sind den Verlustursachen 1 bis 3 wie folgt zugeordnet:

Der Formbeiwert beschreibt die nicht durch die anderen Terme berücksichtigten

Verlustanteile. Er berücksichtigt einerseits die Tatsache, dass die unter 1 genannte Ablösung

von der Form des Rechenstabes abhängig ist. Daneben muss er jedoch auch für die

Auswirkungen der Unterschiede in den Verbauungsgraden für den Profilkopf (Engstelle) und

das Profilende herhalten. Damit ist er der einzige Term, der den unter 3 genannten

Verlustprozess einbringen muss. Es ist verständlich, dass ein konstanter Faktor diese

komplizierten Einflüsse kaum korrekt berücksichtigen kann.

Er ist nicht nur von der Form abhängig. Er ist bei genauer Betrachtung auch nicht konstant.

Der vom Einschnürungsgrad bzw. Verbauungsgrad abhängige Term ist der wichtigste. In

den üblichen Formulierungen geht er überproportional in den Verlustbeiwert ein (Potenz 1,33

bis 1,5). Er berücksichtigt die Ursachen 1 und 3. Es ist klar, dass die bisherige Formulierung

dann Schwierigkeiten hat, wenn der Verbauungsgrad am Stabkopf sehr stark vom

Verbauungsgrad am Profilende abweicht, wie es bei den Rechen mit Verdickungen am Kopf

und relativ dünnen Stäben der Fall ist.

Dieser Formelbestandteil wird in verschiedenen Verlustformeln weggelassen. Er steht für

den Verlustprozess 2. Für eine genaue Beschreibung ist er jedoch wichtig. Hierbei werden

die tatsächliche Kontaktlänge (z.B. bei stark geneigtem Rechen) und die Rauheiten der

Stabinnenseite derzeit noch nicht berücksichtigt. Erschwerend kommt hinzu, dass die

tatsächliche Kontaktlänge bei geneigtem Rechen vom Verlegungsgrad abhängt

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Der Term für den Verlegungsgrad ist extrem schwer abzuschätzen. Moderne Rechen

reinigen sich so gut, dass nach einem Reinigungsvorgang praktisch keine Verschmutzung

mehr übrig ist. Damit hängt der mittlere Verlegungsgrad vom Schmutzanfall, von den

Eigenschaften des Schmutzes (z.B. flächige Blätter oder durchlässiges Gras) und von der

Reinigungsfrequenz ab. Dieser Term ist dem Verlustprozess 1 zuzuordnen.

Der tatsächliche Winkel einer Schräganströmung ist sehr schwer im Voraus zu bestimmen.

Normalerweise ist der Anströmwinkel über die Rechenfläche wegen eines inhomogenen

Anströmfeldes ungleich verteilt. Die Schräganströmung verstärkt die Ablösungen am

Rechenkopf und führt damit zu einer Einengung des effektiven Durchströmquerschnitts.

Moderne Rechenstäbe mit runden Köpfen mindern diesen Einfluss, indem wegen der

abgerundeten Stäbe die Ablösungen insgesamt drastisch verringert werden. Die bekannten

Formulierungen für diesen Einfluss gelten nur annähernd für Rechteckstäbe. Damit

berücksichtigt dieser Term ebenfalls Veränderungen beim Verlust Nr. 1.

Der Term für die Neigung zur Sohle entspricht immer dem Sinus des Winkels zwischen

Sohle und Rechen. Er geht damit davon aus, dass die Durchströmgeschwindigkeit dadurch

reduziert wird, dass bei geneigtem Rechen eine durch den Sinus des Winkels beschriebene

größere Fläche zur Verfügung steht. Dies trifft jedoch nur zu, wenn die Strömung vollständig

in die Flächennormale umgelenkt wird. Dies ist bei modernen Feinrechen jedoch nicht der

Fall, da der Einfluss durch den weiter oben beschriebenen Druckgradienten nur sehr kurz ist.

Das heißt, dass moderne Feinrechen mit Neigung annähernd mit der gleichen

Geschwindigkeit durchströmt werden, wie wenn sie normal zu den Stromlinien stünden.

Bemerkenswert ist, dass für den oben unter 3. genannten Effekt des Verlustes aus

Wiederaufweitung der durchströmten Fläche nach dem Rechen kein separater Term

enthalten ist, obwohl dieser Verlust theoretisch am genauesten zu beschreiben ist. Dies ist

der Tatsache geschuldet, dass bisher Rechteckstäbe die Regel waren, bei denen der

Verbauungsgrad am Profilanfang mit dem am Profilende übereinstimmt. Moderne Profile

weisen hier jedoch erhebliche Unterschiede auf. Deshalb sollte dieser Verlust Nr. 3 mit

einem separaten Term in neu aufzustellende Gleichungen eingehen.

Im folgenden Bild sind die im Labor gemessenen Verlustbeiwerte für verschiedene

Rechenprofile dargestellt.

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Abb. 4.1.1: Gemessene Verlustbeiwerte für moderne Profile für Feinrechen

Die absoluten Verlusthöhen sind daraus wie folgt zu berechnen:

horizontalitchwindigkeAnströmgesvmitg

vHv =⋅=2

2

ζ

4.2 Geschwindigkeitsverlauf bei geneigten oder schrägen Rechen

Bei nicht orthogonal durchströmten verlustarmen Rechen (schräg gestellt oder geneigt)

geschieht nun Folgendes: Infolge der Trägheit des Wassers folgt dieses nicht unmittelbar

und vollständig dem Druckgefälle aus Beschleunigung und Verlust, sondern die

Wasserteilchen folgen lediglich zum Rechen hin gekrümmten Bahnen. Wenn nun die Zone

mit dem geringsten Druck schnell erreicht und durchlaufen ist, erhält das Wasser nur einen

kurzen Impuls in die Richtung des Druckgradienten. Bei zunehmender Belegung wird der

Druckgradient größer, so dass die Umlenkung in die zur Rechenfläche normale Richtung

stärker ausgeprägt ist. Das bedeutet, dass ein strömungsgünstiger Rechen mit geringer

Belegung nur mit geringen Richtungsänderungen praktisch in der gleichen Richtung

durchströmt wird, wie die Stromlinien vor dem Rechen verlaufen. Die Tatsache, dass durch

schräge Rechen eigentlich für die Durchströmung eine größere Fläche vorhanden ist, kommt

nicht zum Tragen. Fischkörper, die auf der Rechenfläche liegen, werden näherungsweise in

der gleichen Richtung belastet, wie das Wasser an- und durchströmt. Eine Zerlegung des

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Geschwindigkeitsvektors in Komponenten ist für die Belastung des Fisches irrelevant. Die

belastende Kraft wird einerseits durch eine Pressung auf der Rechenfläche und andererseits

durch eine Scherkraft parallel zur Rechenfläche weitergeleitet. Die Kraft lässt sich also in

zwei Komponenten zerlegen, eine Normalkomponente und eine Tangentialkomponente. Die

Normalkomponente ist geringfügig kleiner als die Widerstandskraft, dafür kommt aber eine

Scherkraft hinzu. Ob diese Belastung aus 2 Kräften in der Kontaktfläche zwischen Fisch und

Rechenoberfläche insgesamt günstiger ist als die Belastung durch eine vektoriell gleich

große reine Normalkraft bei flächennormal durchströmtem Rechen, darf bezweifelt werden.

Auf jeden Fall kann ein Verschieben des Fisches durch die Tangentialkomponente nicht als

physiologisch günstiger Transportprozess angesehen werden. Ein darauf beruhendes

Abstiegskonzept ist daher fischökologisch nicht positiv zu bewerten.

Mit einem Laser-Doppler Velocimeter wurden in der Versuchsanstalt in Kassel zwischen den

Rechenstäben hindurch entlang einer horizontalen Achse die Längs- und

Vertikalkomponenten der Fließgeschwindigkeit gemessen. Ziel war die Frage, inwieweit die

tatsächliche Strömungskomponente durch die Neigung des Rechens beeinflusst wird. Das

nachstehende Diagramm zeigt die gemessenen Profile.

Geschw indigkeit sverlauf im 45 Grad geneigt en Fischschonrechen (a = 15 mm)

-0,20

-0,10

0,00

0,10

0,20

0,30

0,40

0,50

0,60

0,70

0,80

0,90

1,00

-5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

x-Komp [cm] (0 = Vorderkant e Rechen)

Ges

chw

indi

gkei

t [m

/s]

x-Komp.

z-Komp.

Result ierendeLänge Rechenprofil

+Z

-Z

X

Abb. 4.2.1: Geschwindigkeitsverlauf entlang einer horizontalen Linie durch einen geneigten

Fischschonrechen (45 Grad)

Zunächst fällt auf, dass für beide Komponenten die Geschwindigkeit erst unmittelbar vor dem

Rechen reagiert. Das heißt, dass noch in einer Entfernung von 1 cm vor der Rechenfläche

der Strömungsvektor durch den Rechen (egal ob senkrecht oder geneigt) unbeeinflusst ist.

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15

Ein Fisch, der nicht direkt auf der Rechenfläche liegt, ist der normalen Rechenanströmung

ausgesetzt.

Beim Eindringen des Wassers in die Zwischenräume des Rechens wird das Wasser

beschleunigt, wobei wegen des normal zur Oberfläche stehenden Druckgradienten die

Strömung wie erwartet ausgelenkt wird. Die Zone erhöhter Geschwindigkeit umfasst etwa

1/3 der Profillänge, was auch der Länge des verdickten Kopfes einschließlich Ablösezonen

entspricht.

Zur theoretischen Abschätzung der maximalen Geschwindigkeit können zwei Grenzzustände

betrachtet werden:

Bei normal durchströmtem Rechen kann die Geschwindigkeitserhöhung mit dem

Verbauungsgrad abgeschätzt werden. Hierbei errechnet sich für den 15-mm-

Fischschonrechen eine Geschwindigkeitserhöhung von 40 %.

Legt man die Neigung des Rechens komplett zugrunde, würde sich der Verbauungsgrad

drastisch reduzieren, denn die Summe der geneigten Engpassflächen ist etwa genau so

groß wie die Anströmfläche (1,414 X 15/21 = 1,01). Das heißt, dass bei einer vollständigen

Umlenkung der Strömung in eine zur Rechenfläche normale Richtung überhaupt keine

Beschleunigung wirksam werden würde. Wegen der Tatsache, dass das Wasser den

umlenkenden Druckgradienten nur wenig folgt, stellt sich ein Mittelwert der

Geschwindigkeitserhöhung im Rechen ein. Wie oben ausgeführt ist das Ausmaß der

Umlenkung vom Verlust abhängig.

In Abb. 4.2.2 ist die Richtungsänderung des Geschwindigkeitsvektors aufgetragen. Es ist zu

erkennen, dass vor dem Profil die Strömung geringfügig nach oben gedreht wird, was mit

dem höheren Wasserstand vor dem Rechen zusammenhängt. In der Beschleunigungszone

erfolgt die erwartete Umlenkung nach unten. Allerdings ist der Betrag der Umlenkung nur

gering. Die Richtungsveränderungen sind klein genug, dass die resultierende

Geschwindigkeit und die reine x-Komponente nur wenig voneinander abweichen.

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Fischschonrechen 45 Grad geneigt: Winkelabweichung der Resultierenden zur Horizontalen

-10,0°

-9,0°

-8,0°

-7,0°

-6,0°

-5,0°

-4,0°

-3,0°

-2,0°

-1,0°

0,0°

1,0°

2,0°

-10 -9 -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Abstand [cm]

Win

kel [

°]

+Z

-Z

X

Lauflänge im Profil: 118

Abb. 4.2.2: Richtungsänderung der Strömungsvektoren bei der Durchströmung des unter 45 Grad geneigten Fischschonrechens

Die festgestellten Richtungsänderungen sind ein Zeichen dafür, dass der Rechen nur einen

geringen Verlust ausübt. So sind die Beschleunigungen in die Normalenrichtung klein genug,

dass sie die Strömung nur wenig umlenken.

4.3 Kraft auf einen auf der Rechenfläche liegenden Körper

Ein Körper, der auf der Rechenfläche aufliegt, behindert lokal die Durchströmung, in dem die

Fläche lokal abgedichtet wird. Dieser Körper wird dann umströmt, wobei er sich genau in

dem Bereich befindet, in dem die Beschleunigung und die Umlenkung der Strömung

stattfinden. Der Druckgradient zur Engstelle hin wird jedoch lokal dadurch stark abgemindert,

dass hinter dem Fischkörper die Strömung praktisch verschwindet. Das heißt, dass die Kraft

auf den Fischkörper davon anhängt, wie sich der geringe Druck aus den

Beschleunigungszonen in der Nachbarschaft in den Bereich hinter dem Fischkörper

fortpflanzen kann. Dieser Vorgang wird überlagert durch den Druckabfall, der mit dem

allgemeinen Höhenverlust des Rechens korrespondiert. Beides ist von der Stabform und den

anderen geometrischen Eigenschaften des Rechens abhängig.

Wie weiter oben ausgeführt wurde, ist das Ausmaß der Umlenkung der Strömung auf einem

geneigten Rechen vom lokalen Höhenverlust abhängig, so dass hier von einer

Rückkopplung gesprochen werden muss. Der auf dem Rechen liegende Fisch verändert die

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Strömung und bestimmt damit zum Teil die Kraftwirkung der Strömung selber mit. Da die

Anströmung sich genau im Umlenkbereich der Strömung abspielt, und die Quertriebs- und

Widerstandskräfte von der Körperform und Anströmrichtung abhängen, sind die Kraft-

Komponenten nicht berechenbar.

Die Kraft auf den Körper ist somit von vielfältigen Einflüssen abhängig. Prinzipiell gilt, dass

die Kraft umso geringer ist, je kleiner die Rechenverlusthöhe am Rechen ist. Ein geneigter

Rechen mit hohem Verlust und starker Belegung wird demnach auf den Körper eine große

Kraft ausüben, da nicht mehr die hydrodynamischen Kräfte dominieren, sondern die Kräfte

aus der Druckdifferenz die maßgebliche Rolle spielen.

In der Diplomarbeit "Untersuchung zur Umsetzung der Hess. Fischereiverordnung im

Hinblick auf die Installation von Feinrechen mit 15 mm Stababstand und den Fischabstieg"

von Frau Helena BERTHOLD im Jahr 2009 (Uni Kassel, unveröffentlicht) wurde auch die Kraft

auf einen Fisch untersucht, der auf einem senkrecht stehenden Rechen aufliegt. Der Rechen

wurde normal durchströmt. Die Kräfte wurden durch Kraftmessung mit einer Federwaage

ermittelt, wobei die Kraft als maßgebend angesehen wurde, die zum Beginn des Abhebens

aufzubringen war.

Der Fisch wurde mit einem ellipsenförmigen Körper mit abgerundeten Formen modelliert.

Der Körper hatte ein Dicke von 10 mm und war damit etwas flacher als ein Fischkörper.

Die Messung wurde mit verschiedenen Rechenprofilen, verschiedenen Stababständen,

verschiedenen Positionen des Modellfisches zur Stabrichtung und mit 3 verschiedenen

Geschwindigkeiten durchgeführt. Die Ergebnisse sind in Abb. 4.3.1 zusammengefasst.

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y = 1,2632x + 0,501R2 = 0,9845

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0

Verlustbeiwert ζ des Rechens

Wid

erst

ands

beiw

ert d

er A

ufla

gekr

aft

c wR Klewa-Rechen

RechteckrechenEinsal-RechenFischschonrechenFreiwasser

Stababstand: 12 mm

Stababstand: 16,5 mm

Stababstand: 20 mm

Abb. 4.3.1: Abhängigkeit des Widerstandsbeiwertes des Modellfischkörpers vom Verlustbeiwert des Rechens (gemittelt über drei Lagewinkel)

Das Ergebnis ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert:

Der Zusammenhang zwischen dem Verlustbeiwert und dem Widerstandsbeiwert, der die

Auflagekraft bestimmt, ist erstaunlich linear über alle Stabformen, Geschwindigkeiten und

Stababstände. Die Steigung dieser Geraden hängt von der Form des auf der Rechenfläche

liegenden Körpers ab.

Die Auflagekräfte sind bei sehr günstigen Rechenprofilen (Fischschonrechen und Einsal-

Rechen) oder bei großen Stababständen geringer als die Widerstandskraft im Freiwasser.

Das heißt, dass ein Fischkörper auf einem solchen Rechenrost geringer belastet ist, als

wenn er auf einem verlustfrei durchströmten Drahtnetz liegen würde. Dies ist hydraulisch

begründbar: Der Fischkörper als quer zur Strömung stehendes flaches Gebilde hat einen

bestimmten Widerstandsbeiwert (hier 1,23 im Freiwasser). Durch die den Fischkörper quasi

verlängernden Rechenstäbe wird dieser Körper zu einem in Strömungsrichtung länglichen

Gebilde, das einen geringeren Widerstandsbeiwert hat. Dies wird z.B. aus den

Literaturwerten für einen Kreisscheibe (cw= 1,11 und eine Kugel cw = 0,4 bei Re = 104)

deutlich.

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Widerstandsbeiwerte für "Fisch" auf Rechen

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

4,00

0,0 22,5 45,0 67,5 90,0

Schnittwinkel mit Rechenstab in Grad

Wid

erst

ands

beiw

ert

c w

Klew a-Rechen 13 mmRechteckrechen 13 mmEinsal-Rechen 12,5 mmFischschonrechen 12,5 mm

Abb. 4.3.2: Abhängigkeit des Widerstandsbeiwertes des Modellfischkörpers von der Lage auf dem

Rechengitter

In Abb. 4.3.2 ist die Abhängigkeit der Kraft auf den Fischkörper von der Ausrichtung auf dem

Rechengitter und zusätzlich von der Stabform dargestellt. Hier wird sehr deutlich, dass die

Kraft auf den Fischkörper teilweise erheblich von der Lage zu den Stäben anhängt. Diese

Abhängigkeit gibt es natürlich nur bei länglichen Fischkörpern. Die Kraft ist am geringsten,

wenn der Fisch parallel zu den Rechenstäben liegt. Dieses Phänomen kann spekulativ damit

erklärt werden, dass bei einer Lage quer zu den Stäben die Zone mit geringem Druck

(Engstelle) sich von beiden Seiten hinter den Fischkörper ausbreiten kann, während bei der

stabparallelen Lage die Unterdruckzonen deutlich weniger die Möglichkeit haben, den Druck

auf der Rückseite des Fischkörpers zu beeinflussen.

Generell ist festzuhalten, dass ein Rechen mit geringen Verlusten auch dadurch

fischschonend ist, dass die Kräfte auf Fische geringer sind, die auf der Rechenfläche liegen.

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4.4 Messungen zur Anströmung des Laborrechens

Der Laborrechen wird mit unterschiedlichen Stababständen und Durchflüssen betrieben. Für

das Verhalten der Fische vor dem Rechen ist es wichtig nachzuweisen, inwieweit die

Anströmbedingungen über die Rechenfläche gleich verteilt sind. Hierzu wurden Messungen

der Anströmgeschwindigkeit vor dem Rechen mit einem hydrometrischen Flügel

vorgenommen. Der Abstand betrug 10 cm. Die Kontrolle der Geschwindigkeitsverteilung

ergab, dass die Ungleichverteilung gering ist. Dies liegt an der Tatsache, dass der Rechen

absolut sauber ist und dass die Strömung frisch beschleunigt ist, wodurch eine

Vergleichmäßigung bewirkt wird. Ablösezonen und Zirkulationen waren nicht vorhanden.

Allerdings sind wand- und sohlnah schmale Zonen mit verringerter Anströmgeschwindigkeit

vorhanden, die von den Einbaurahmen für Absperrung und Rechen herrühren. Diese Zonen

sind leider kaum vermeidbar. Sie wurden von einigen kleineren Fischen zum Ausruhen

benutzt.

Zusammenfassend kann man davon ausgehen, dass die Fische praktisch über die gesamte

Rechenfläche der gleichen hydraulischen Belastung unterworfen waren.

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5 Fragestellungen Im Projekt sollten die Reaktionen und Auswirkungen von einem Kraftwerksrechen mit

unterschiedlichen Stabweiten auf zwei häufig vorkommenden Fischarten bei verschiedenen

Anströmgeschwindigkeiten untersucht werden. Aufgrund von Beobachtungen in früheren

Versuchen und aufgrund von Schilderungen in Untersuchungsberichten (z.B. ADAM et al.

1997) wurde das Postulat aufgestellt, dass es unterschiedliche Wirkungen eines Rechens

auf einen sich nähernden Fisch gibt und dass das Verhalten des Fisches auf diese

Wirkungen von vielfältigen Parametern und Eigenschaften abhängt. Folgende Wirkungen

wurden voneinander unterschieden:

Primärwirkung: Diese Wirkung geht von den hydraulischen Effekten an den Rechenstäben

aus, die zu Druckschwankungen oder Geräuschen führen und die der Fisch über sein

Seitenlinienorgan oder sein „Gehör“ wahrnimmt, obwohl er noch ein Stück vom Rechen

entfernt ist. Die hydraulischen Effekte sind sich ablösende Wirbel oder

Rechenschwingungen. Beim Fischschonrechen ist z.B. ein ständiges „Singen“ der

Rechenstäbe hörbar. Die Primärwirkung veranlasst den anschwimmenden Fisch, bereits vor

dem Rechen zu wenden und oberwasserseitig eine wartende Position im Strömungsfeld

einzunehmen. Der Rechen wird dabei nicht berührt. Auch bei großen Stababständen ist

diese Wirkung aktiv. Zu einem ausreichenden Schutz des Fisches führt die Primärwirkung

jedoch nur bei Anströmgeschwindigkeiten, denen der Fisch eine gewisse Zeit widerstehen

kann.

Sekundärwirkung: Die Sekundärwirkung geht von einer zeitweiligen leichten mechanischen

Berührung der Rechenstäbe mit dem Schwanz aus. Sie teilt dem Fisch mit, dass er sich

unmittelbar vor einem Hindernis befindet und veranlasst ihn, sich durch eine kräftigere

Schwimmbewegung davon freizuhalten. Infolge Erschöpfung oder auch infolge einer

geringen Scheu vor dem Rechen driftet der Fisch wieder zur Rechenfläche zurück und

berührt diesen wieder mit dem Schwanz. Diese Sekundärwirkung ist die Grundlage der

Leitwirkung an schrägen Rechen. Sie ist auch bei Stababständen aktiv, die dem Fisch noch

ein Durchschwimmen erlauben würden. Der Fisch verbleibt im Nahbereich der

Rechenfläche. Auch hier gilt, dass diese Wirkung nur bei mäßigen Geschwindigkeiten zu

erwarten ist, die es dem Fisch erlaubt, sich mehrfach nach Berührung wieder vom Rechen

zu lösen.

Tertiärwirkung: Mit diesem Begriff soll hier die rein mechanische Rückhaltewirkung

beschrieben werden, die aus dem Größenverhältnis zwischen Höhe oder Breite des

Fischkörpers und lichtem Stababstand resultiert. Der Fisch wird dann zurückgehalten, wenn

der leicht zusammengedrückte Körper nicht zwischen den Rechenstäben hindurch passt.

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Anhand der Versuche sollten folgende Fragestellungen in Abhängigkeit von Stababstand

und Anströmgeschwindigkeit untersucht werden:

• Ist die postulierte Primärwirkung des Rechens auf Fische beobachtbar, d.h. drehen

Fische (unabhängig von der Stabweite des Rechens) ohne direkten Kontakt zum

Rechen um und bleiben in der Strömung positiv rheotaktisch orientiert stehen?

• Wie lange dauert diese Primärwirkung bei verschiedenen Anströmgeschwindigkeiten

an?

• Wie ist das Verhalten bei Sekundärwirkung?

• Wie lange können die Fische durch Pendeln ein Angepresst-Werden auf die

Rechenfläche so verhindern?

• Welche Mechanismen bestimmen die Tertiärwirkung?

• Wie groß ist der Anteil der Fischpassage des Rechens bei verschiedenen

Stababständen und Anströmgeschwindigkeiten?

• Wie hoch sind Verletzungsrate und Mortalität für die beiden Fischarten bei

verschiedenen Anströmgeschwindigkeiten und Stabweiten bei Tertiärwirkung des

Rechens?

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6 Material und Methoden 6.1 Versuchstiere

Als Versuchstiere wurden Rotaugen (Rutilus rutilus) und Brassen (Abramis brama) gewählt.

Beide Arten kommen im Potamal häufig vor und repräsentieren dort unterschiedliche

Ökotypen. Das Rotauge steht für Fischarten mit mittelgroßer Körperbreite und Körperhöhe

(Proportionsindex 2-2,5 auch bei Schleie, Nase, Ukelei). Die Rücken des Brassens ist höher

und er hat eine seitlich abgeflachte Körpergestalt (Proportionsindex > 2,5 auch bei Güster).

Für Rotaugen mit ca. 15 cm Totallänge werden als kritische Schwimmgeschwindigkeit

0,35 m/s angegeben und für 30 cm lange Tiere 0,69 m/s (ATV-DVWK 2005, BORN 1995,

KOLBINGER 2002). Damit hatten die eingesetzten kleinen Rotaugen eine kritische

Schwimmkapazität von 0,4 und die großen Tiere von ca. 0,5 m/s. Die kritische

Schwimmkapazität der in den Versuchen eingesetzten Brassen liegt bei 1,5 m/s. Diese

Werte entsprechen damit Schwimmkapazitäten, die für viele Cypriniden des Potamals

typisch sind (EPRI 2000).

Die Rotaugen wurden mit Hilfe von Elektrofischfangeräten (Fa. Bretschneider Typ EFGI 650

und EFGI 4000) aus der Lahn gefangen. Alle Tiere wurden mit Gleichstrom betäubt. Nach

Fang, Transport und Adaption an die Hälterungsbecken an der Uni Kassel wurde eine Pause

von mehr als 24 Stunden eingehalten, um den Stress für die Tiere möglichst gering zu

halten. Von den Rotaugen wurden zwei Größenklassen getestet. Die kleinen Rotaugen

hatten eine Totallänge von 11-15 cm und entsprechen damit dem 1+ Jahrgang. Die großen

Rotaugen hatten eine Totallänge von 17-26 cm und sind dem 2+ bis 3+ Jahrgang

zuzuordnen.

Die Brassen stammen aus dem Altrhein bei Riedstadt und wurden zusammen mit dem dort

ansässigen Berufsfischer mit Netzen gefangen. Leider hatten alle Tiere eine ähnliche Größe,

sodass nur eine Größenklasse von 42-55 cm gebildet werden konnte. Es wurden nur

äußerlich unverletzte Tiere in die Versuchanstalt transportiert und nach Transport eine

Pause von mehr als 24 Stunden eingehalten.

6.2 Versuchsgerinne

Die Versuche fanden an der Versuchsanstalt für Umwelttechnik und Prüfstelle der Universität

Kassel statt. Die Versuchsanstalt verfügt über einen 65 m langen Rücklaufkanal mit einer

Breite von 2,00 m. Dieser Rücklaufkanal ist über eine längere Strecke durch großes

Sichtfenster seitlich einsehbar.

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Die Wassertiefe in der Rinne betrug 1,72 m. Mit Hilfe von Pumpen kann ein Durchfluss bis zu

1000 l/s durch die Rinne gepumpt werden.

Um eine möglichst hohe und gleichmäßige Anströmgeschwindigkeit vor den Rechen zu

gewährleisten, wurde der Rücklaufkanal im Bereich der Versuchsstrecke vor dem Rechen

auf 1,00 m eingeengt. Die Messstrecke beginnt mit einer strömungsgünstigen Einengung

und einer prismatischen Kanalstrecke über eine Länge von 2 m. Der eigentliche Rechen ist

gegenüber dem Anströmquerschnitt auf 0,900 m eingeengt.

2,00 m 1,38 m

3,38 m

ca. 2,00 m

1,00 m

1,00 m

2,00 m

0,400

Hamen

0,900

0,390

Rechen

Grundriss M. 1 : 40

Querschnit tseinschnürung mit Podest

Abb. 6.2.1: Grundriss Versuchsaufbau

3,50 m

1,72 m

2,00 m

2,29 m

Längsschnitt M. 1: 40

Abb. 6.2.2 Längsschnitt Versuchsaufbau

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Vor Beginn der Versuche wurde das Rinnensystem mit Trinkwasser neu befüllt, um optimale

Bedingungen für die Fische und deren Beobachtung zu gewährleisten. Zu Beginn der

Versuche wurden 18°C und am Ende der Versuche 19°C Wassertemperatur gemessen.

Ursache für die minimale Erwärmung des Wassers war die Energieabgabe der Pumpen in

der Rinne während der Versuche sowie der Kontakt mit den einfassenden Wänden.

Der Versuchsraum in der Fließrinne hatte eine Länge von 3,4 m und wurde oberstrom von

einem Absperrgitter und unterstrom vom Rechen angegrenzt. Der 2,10 m hohe und 0,90 m

breite Rechen wurde dreimal umgebaut, um die Wirkung der Stababstände 40 mm, 20 mm

und 15 mm auf die Fische prüfen zu können. Als Rechen wurde der sogenannte

Fischschonrechen verwendet, der an der Uni Kassel entwickelt und an Aalen erfolgreich

getestet wurde (HÜBNER 2009). Wie in Abschnitt 4 dargestellt, ist dieser Rechen hinsichtlich

der Glätte der Oberfläche und der hydraulischen Verluste als derzeit führend anzusehen.

Hinter dem Rechen wurde eine Netzreuse installiert, um die durch den Rechen

geschwommenen Fische auffangen zu können. Als Anströmgeschwindigkeiten vor dem

Rechen wurden 0,3 m/s, 0,5 m/s und 0,8 m/s getestet.

6.3 Versuchsablauf

Zur Vorbereitung der Versuche gehörte das Umsetzen der Versuchsgruppe von jeweils 5

Tieren von den Hälterungsbecken in einen Transportbehälter. Dabei wurden die Fische an

die Wassertemperatur der Versuchsrinne adaptiert. Die Temperaturunterschiede zwischen

Hälterungsbecken und Versuchsrinne betrugen maximal 2°C. Nach Adaption wurde der

Transportbehälter langsam in die Rinne gesenkt und solange in der Rinne belassen, bis alle

Tiere sich an die Strömungsgeschwindigkeit gewöhnt hatten und den Behälter freiwillig

verlassen hatten. Erst danach wurde die Strömungsgeschwindigkeit schrittweise bis auf den

zu testenden Wert erhöht.

Vor Beginn des Versuches wurden alle Tiere individuell anhand von Körpermerkmalen

registriert. Jeder Versuch dauerte 30 Minuten. Während dieser Zeit wurden die Position und

das Verhalten jedes Fisches lückenlos beobachtet und 10 Sekunden genau registriert. Jede

Versuchskombination aus Stababstand und Anströmgeschwindigkeit wurde insgesamt

dreimal durchgeführt. Dadurch lagen nach Beendigung aller Versuche bei den Rotaugen

insgesamt 2 x 135 und bei den Brassen insgesamt 135 Einzelbeobachtungen vor.

Als Ergänzung zum Verhaltensprotokoll wurde das Verhalten der Tiere mit einer

Handkamera (Sony Digital Handycam DCR-PC 100 E) gefilmt.

Nach Versuchsende wurden alle Tiere vor und hinter dem Rechen auf eventuelle äußerliche

Verletzungen hin untersucht und zurück in die Hälterungsbecken gesetzt, in denen die

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

26

verzögerte Mortalität ermittelt wurde. Jedes Tier wurde maximal 3-mal in die Rinne

eingesetzt. Zwischen den Versuchen wurde eine mindestens 4 Stunden, meist aber eine 24

Stunden lange Pause eingehalten, um Lerneffekte und Konditionsverluste zu vermeiden.

6.4 Kategorien Verhalten und Position

Das Verhalten der Fische vor dem Rechen war meist mit einer bestimmten Position vor dem

Rechen verbunden. Folgende Kategorien wurden unterschieden:

• Primärwirkung: Fische stehen ohne Rechenberührung vor dem Rechen. Abstand

0,05-0,5 m zum Rechen.

• Sekundärwirkung: Fische berühren kurz den Rechen mit der Schwanzflosse.

• Tertiärwirkung: Fische stecken im Rechen oder liegen quer auf Rechen

• Suchverhalten: Fische stehen weit vor Rechen oder führen Suchbewegungen aus.

Abstand 0,5-2 m zum Rechen

• Hinter Rechen: Fische haben den Rechen passiert.

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

27

7 Ergebnisse 7.1 Körperproportionen

Die absolute Körperbreite der Rotaugen ist signifikant positiv mit der Körperlänge korreliert

(r = 0,84; p < 0,001; R2 = 0,71). Dieser Zusammenhang ist bei den Rotaugen sehr eng.

Bei den Brassen ist ebenfalls ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen Körperbreite

und Länge vorhanden. Der Zusammenhang ist aber insgesamt deutlich geringer als bei den

Rotaugen (r = 0,60; p < 0,001; R2 = 0,36).

Körperlänge [cm]

40 42 44 46 48 50 52 54 56

Kör

perb

reite

[cm

]

3,5

4,0

4,5

5,0

5,5

6,0

6,5

7,0

Abb. 7.1.1: Zusammenhang absolute Körperbreite mit Körperlänge bei Rotaugen (links) und Brassen (rechts)

Bei der relativen Körperbreite, die zur Ermittlung der kritischen Stabweite1 bei

Kraftwerksrechen für Fische mit gegebener Körperlänge herangezogen wird, ist der

Zusammenhang mit der Körperlänge bei Rotaugen und Brassen unterschiedlich.

Bei Rotaugen ist die relative Körperbreite signifikant negativ mit der Körperlänge korreliert

(r = -0,47; p < 0,001; R2 = 0,22; Abb. 7.1.2 links). Das bedeutet, dass die Rotaugen mit

1 TL Kritisch = S vertikal/b Relativ, wobei die relative Körperbreite (b relat) sich aus der maximalen

Körperbreite/ Totallänge errechnet. S vertikal = Stababstand vertikal; b Relativ = relative Körperbreite

Körperlänge [cm]

10 12 14 16 18 20 22 24 26 28

Kör

perb

reite

[cm

]

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

Y=0,0869X+0,5555 Y=0,10443X+0,226

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28

zunehmender Körperlänge im Verhältnis schmaler werden. Bei Brassen (rechts) konnte

dieser Zusammenhang nicht nachgewiesen werden (r = -0,05; p = 0,53; R2 = 0,003).

Dementsprechend ist die Verwendung der relativen Körperbreite als Grundlage zur

Ermittlung der kritischen Stabweite zu hinterfragen.

Körperlänge [cm]

10 12 14 16 18 20 22 24 26 28

Rel

ativ

e K

örpe

rbre

ite

0,08

0,10

0,12

0,14

0,16

0,18

0,20

Körperlänge [cm]

40 42 44 46 48 50 52 54 56

Rel

ativ

e K

örpe

rbre

ite

0,08

0,09

0,10

0,11

0,12

0,13

Abb. 7.1.2: Zusammenhang zwischen relativer Körperbreite und Körperlänge bei Rotaugen (links) und

Brassen (rechts).

7.2 Auswirkungen verschiedener Rechen-Stababstände bei verschiedenen Anströmgeschwindigkeiten auf Versuchstiere

7.2.1 Kleine Rotaugen

Bei den kleinen Rotaugen konnte nachgewiesen werden, dass erwartungsgemäß eine

höhere Anströmgeschwindigkeit zu einer höheren Zahl an Rechendurchtritten innerhalb

eines Stababstands führte. In der Kombination verschiedener Stababstände mit

verschiedenen Anströmgeschwindigkeiten ergab sich jedoch ein unerwartet heterogenes

Bild.

Nur im Fall der Kombination aus 15-mm-Rechenweite und 0,3 m/s Anströmgeschwindigkeit

konnte eine zu vernachlässigende Beeinträchtigung auf die Fische festgestellt werden. Unter

diesen Umständen passierten keine Tiere den Rechen, und Tertiär- und Sekundärwirkungen

traten nur sporadisch und kurzzeitig auf (Mittelwert: 0,4 bzw. 1%). War jedoch der

Stababstand bei dieser niedrigsten untersuchten Anströmgeschwindigkeit höher, so traten

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29

mit zunehmender Stabweite mehr Tiere durch den Rechen (nach 30. min bei 20 mm 6,7%;

nach 30. min bei 40 mm); Sekundär- und Tertiärwirkungen traten jedoch auch bei größeren

Stababständen kaum auf (Mittelwert Sekundärwirkung bei 20 mm 0,9%; bei 40 mm 0,7%,

Mittelwert Tertiärwirkung bei 20 mm 0,4%; bei 40 mm 0,1%).

Bei mittleren Strömungsgeschwindigkeiten von 0,5 m/s zeigte sich ein uneinheitliches Bild.

Die geringsten Rechen-Durchtrittszahlen wurden bei einem Stababstand von 20 mm ermittelt

(nach 30 min 13,3%), Sekundär- und Tertiärwirkungen traten hier kaum auf (Mittelwert 0,9%

bzw. 0,5%). Bei dem geringsten Stababstand von 15 mm wurden zwar weniger Durchtritte

als bei 40 mm beobachtet (nach 30 min 20%), jedoch gab es hier den höchsten Anteil an

Tertiärwirkung, der insgesamt bei den kleinen Rotaugen gemessen wurde (Mittelwert 7,3%).

Die hohe Tertiärwirkung war jedoch auf ein einziges Tier zurückzuführen, dass schon ab der

ersten Minute quer vor dem Rechen lag und eine Körperbreite von 16 mm hatte. Die

Ursache für dieses Verhalten muss in der individuellen Schwäche dieses Tiers liegen und ist

nicht durch die rein mechanische Sperre des Rechens bedingt. Bei denselben

Versuchbedingungen passierte ein Rotauge in normaler senkrechter Schwimmhaltung zum

Rechen mit einer Körperbreite von 18,2 mm den 15-mm-Rechen (s. auch Kap. 6.3). Bei

40 mm Stababstand traten mehr kleine Rotaugen als in den beiden anderen

Stabstandsklassen durch den Rechen (nach 30 min 33,3 %), allerdings wiederum mit zu

vernachlässigenden Sekundär- und Tertiärwirkungen (Mittelwerte 0,7 % bzw. 0,1 %).

Bei einer hohen Anströmgeschwindigkeit von 0,8 m/s waren bei dem kleinsten und dem

größten Stababstand kaum Sekundär- und Tertiärwirkungen zu beobachten (Mittelwerte bei

15 mm 0,7 % bzw. 0,1 %; Mittelwerte bei 40 mm 0,8% bzw. 0,3 %) und die Durchtrittsanzahl

war bei 15 mm jedoch deutlich geringer als bei 40 mm (nach 30 min 20 % vs. 46,7 %). Die

höchste Anzahl an Durchtritten wurde bei mittlerem Stababstand festgestellt (nach 30. min

73,3 %), hier waren auch deutliche Tertiärwirkungen vorhanden (Mittelwert 3,1 %), da

mehrere Tiere quer vor dem Rechen lagen.

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass bei kleinen Rotaugen keine lineare

Beziehung zwischen der Größe des Stababstandes innerhalb einer Anströmgeschwindigkeit

und deren Auswirkungsintensität vorlag. Die Ergebnisse zeichnen ein deutlich komplexeres

Bild als erwartet.

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

30

7.2.2 Große Rotaugen

Bei großen Rotaugen war die Anzahl der Tiere, die den Rechen passierten, stark abhängig

von der Stabweite und der Anströmgeschwindigkeit. Bei ansteigenden Stababständen und

Anströmgeschwindigkeiten stieg der Anteil der Rechenpassagen erwartungsgemäß an.

Bei der niedrigsten Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s waren bei den Stabweiten 15 und

20 mm keine negativen Auswirkungen auf die Fische feststellbar. Es kam in beiden

Versuchsanordnungen zu keinen Rechendurchtritten und die Sekundär- und

Tertiärwirkungen waren zu vernachlässigen (Mittelwerte Sekundärwirkungen 1,8% bzw.

0,4% Mittelwerte Tertiärwirkungen 0,2 % bzw. 0,1 %). Dagegen konnten bei 40 mm

Stabweite Rechenpassagen beobachtet werden (nach 30 Minuten 20 %). Sekundär- und

Tertiärwirkungen waren aber gering (0,8 % bzw. 0,2 %).

Bei mittlerer Anströmgeschwindigkeit von 0,5 m/s wurden bei 15 mm Stababstand keine und

mit zunehmenden Stababstand immer mehr Rechenpassagen beobachtet (nach 30 Minuten

bei 20 mm 40 %, bei 40 mm nach 30 Minuten 73 %). Die Tertiärwirkung war bei allen

Stababständen gering (Mittelwert bei 20 mm 0,4 %, 15 und 40 mm 0,1 %).

Bei der höchsten Anströmgeschwindigkeit von 0,8 m/s passierten keine großen Rotaugen

den 15-mm-Rechen. Es waren aber hohe Tertiärwirkungen (Mittelwert 6,7 %) bei geringen

Sekundärwirkungen (Mittelwert 1,8%) feststellbar. Mit zunehmendem Stababstand erhöhte

sich der Anteil der Rechendurchtritte erheblich (nach 30 Minuten bei 20 mm 33 %, bei

40 mm nach 30. Minute 60 %). Auffallend war, dass die Tertiärwirkung bei 20 mm Stabweite

sehr hoch war (Mittelwert 17,1 %), da mehrere Tiere bei dieser Versuchsanordnung quer auf

dem Rechen lagen. Bei dem 40-mm-Rechen war dies nicht mehr festzustellen (Mittelwert

0,1 %). Die Sekundärwirkungen waren wie bei den 15-mm-Rechen auch bei 20 und 40 mm

Stababstand gering (Mittelwert beide Stababstände 0,5 %).

Zusammenfassend lässt sich bei den großen Rotaugen ein deutlicher Anstieg der

Rechenpassagen mit ansteigender Stabweite und Anströmgeschwindigkeit feststellen. Bei

dem 20-mm-Rechen und der höchsten Anströmgeschwindigkeit von 0,8 m/s traten hohe

Tertiärwirkungen auf.

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

31

7.2.3 Brassen

Die eingesetzten Brassen waren so groß, dass sie selbst bei 40 mm Stabweite den Rechen

nicht passieren konnten. Die schädlichen Einwirkungen des Rechens traten deshalb nicht bei

der Rechenpassage auf, sondern waren ausschließlich auf die Tertiärwirkungen (Kollision

mit den Rechen, Steckenbleiben und Aufliegen auf dem Rechen) zurückzuführen. Dabei

wurde die Häufigkeit der Tertiärwirkungen in unerwarteter Weise von den verschiedenen

Stababständen und Anströmgeschwindigkeiten beeinflusst.

Bei der geringsten Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s waren bei den Rechen mit 15 und

20 mm Stabweite wenige Tertiärwirkungen zu beobachten (in 30 Minuten beide 0 %,

Mittelwerte 0,4 % bzw. 0,6 %). Mit Einsatz des 40-mm-Rechens erhöhte sich der Anteil der

Tertiärwirkung schlagartig, da mehrere Tiere den Rechen nicht mieden und kurzzeitig

zwischen die Stäbe gerieten. Einige steckten längs oder quer zwischen den Stäben bzw.

lagen sehr kurz auf der Rechenoberfläche auf (in 30 Minute 2 %, Mittelwert 5,2 %). In

einigen Fällen steckten die Tiere sogar für Sekunden mit dem Maul oder mit der Bauchseite

im Rechen. Alle Brassen konnten sich jedoch wegen der geringen Anströmgeschwindigkeit

immer wieder vom Rechen lösen und von dem Rechen wegschwimmen bzw. fliehen.

Die mittlere Anströmgeschwindigkeit von 0,5 m/s war für die Brassen am 15-mm-Rechen am

besten. Es waren keine Tertiärwirkungen und wenig Sekundärwirkungen (Mittelwert 0,7 %)

zu beobachten. Am 20 und 40-mm-Rechen kam es zu einem Anstieg der Tertiärwirkung,

dessen Mittelwert bei beiden Stababständen 0,9 % betrug. Der Anteil der Tertiärwirkung in

30 Minuten war jedoch bei 20 mm geringer als bei 40 mm (2 % vs.6 %). Der mittlere Anteil

an Sekundärwirkungen erhöhte sich bei 20 mm gegenüber 15 mm nicht und stieg erst bei

40 mm Stababstand auf 1,5 % an.

Bei der höchsten Anströmgeschwindigkeit waren bei dem 15-mm-Rechen keine

Tertiärwirkungen, aber Sekundärwirkungen zu beobachten (Mittelwert 0,8 %). Bei 20 mm

Stababstand kam es zu einer schlagartigen Verhaltensänderung der Brassen vor dem

Rechen: viele Brassen steckten mit dem Schwanzstiel zwischen den Rechenstäben fest.

Nach einer Weile knickten sie um und lagen mit dem Körper quer auf dem Rechen. Die quer

liegenden Tiere versuchten sich vom Rechen zu lösen und wurden dabei sehr oft horizontal

wie auch vertikal über die gesamte Rechenbreite geschoben. Deshalb wurden bei dem 20-

mm-Rechen die höchsten Tertiärwirkungen festgestellt (in 30 Minuten 40 %, Mittelwert

30 %). Die Sekundärwirkungen waren vergleichbar hoch wie bei dem 15-mm-Rechen

(Mittelwert 0,7 %). Beim 40-mm-Rechen waren die negativen Auswirkungen auf die Brassen

sehr viel geringer. Hier betrugen die Anteile der Tertiärwirkungen kurz vor Versuchsende fast

ein Sechstel der Werte vom 20-mm-Rechen (6,7 %). Der mittlere Anteil der Tertiärwirkungen

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

32

betrug 6,5 %. Die Sekundärwirkungen waren im Mittel doppelt so hoch wie bei dem 15 und

20-mm-Rechen (1,7 %).

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Brassen bei der kleinsten

Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s Probleme am 40-mm-Rechen hatten, da sie den

Rechen nicht mieden und ihn längere Zeit berührten. Bei einer Anströmgeschwindigkeit von

0,5 m/s war dies nicht der Fall und es wurden an keinem Rechen negative Einflüsse auf die

Tiere festgestellt. Bei der höchsten Anströmgeschwindigkeit von 0,8 m/s waren die negativen

Wirkungen auf die Brasse bei 15 mm Stababstand gering und am 20 und 40-mm-Rechen

groß. Besonders schädlich war der 20-mm-Rechen, da hier die Tiere mit dem Schwanzstiel

zwischen den Stäben steckenblieben und später quer auf dem Rechen lagen. Bei den 40-

mm-Rechen blieb der Schwanzstiel so beweglich, sodass die Brassen sich eher vom

Rechen lösen bzw. fliehen konnten.

7.3 Rechenpassagen der Rotaugen

Die ersten Rechenpassagen wurden schon innerhalb der 1. Minute beobachtet. Dies wurde

jedoch nur insgesamt 14mal registriert (19,7% aller Passagen), wobei fast alle Passagen

innerhalb dieser kurzen Zeit bei einer Strömungsgeschwindigkeiten von 0,8 m/s und nur zwei

Fälle bei einer Anströmgeschwindigkeit von 0,5 /s, beobachtet wurden. Es war dennoch

erstaunlich, dass schon nach Ablauf der ersten 5 Minuten viele Tiere den Rechen

durchschwammen. Im Mittel erfolgte die Passage in ca. 10 Minuten bei

Anströmgeschwindigkeiten von 0,5 und 0,8 m/s beim 20-mm-Rechen und 40-mm-Rechen

bereits. Bei einer Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s verdoppelte sich die Zeit bis zur

Rechenpassage bei dem 40-mm-Rechen. Bei dem 15-mm-Rechen wurde bei

Strömungsgeschwindigkeiten von 0,5 und 0,8 m/s der Rechen in Mittel sehr früh passiert (bei

0,5 m/s im Mittel in 3 min. und bei 0,8 m/s in 1 Minute). Da aber jeweils nur 3 Passagen

beobachtet wurden, kann das Ergebnis nicht als wirklich repräsentativ gelten.

Tab. 7.3.1: Mittlere Zeit der Rechenpassage bei verschiedenen Anströmgeschwindigkeiten und Stababständen von Rotaugen

Anströmgeschwindigkeit / mittlere

Zeit Rechenpassage 15 mm 20 mm 40 mm

0,3 m/s - - 19 min

0,5 m/s (3 min) 10 min 11 min

0,8 m/s (1 min) 10 min 7 min

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

33

Der 15-mm-Rechen wurde bei der niedrigsten Anströmgeschwindigkeit von keinem Rotauge

passiert. Mit höherer Anströmgeschwindigkeit durchschwammen nur wenige Tiere den

Rechen (10 %, s. Abb. 7.3.1).

Bei 20 mm Stababstand kam es auch bei der geringsten Anströmgeschwindigkeit zu

Rechenpassagen. Diese waren jedoch äußerst selten (3,3 %). Mit Anstieg der

Strömungsgeschwindigkeit erhöhte sich der Anteil sehr deutlich (23 % bei 0,5 m/s bzw.

53,3% bei 0,8 m/s).

Am 40-mm-Rechen passierten schon bei der geringsten Anströmgeschwindigkeit ebenso

viele Tiere den Rechen wie bei 0,5 m/s an den 20-mm-Rechen. Ab 0,5 m/s

Anströmgeschwindigkeit durchschwammen mehr als die Hälfte der Versuchstiere den

Rechen (56,6 % bei 0,5 m/s bzw. 53,3% bei 0,8 m/s).

Stababstand

15 mm 20 mm 40 mm

Ante

il de

r Rec

henp

assa

gen

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,3 m/s 0,5 m/s 0,8 m/s

Abb. 7.3.1: Anteile von Rotaugen beider Größenklassen (n = 30 je Versuch), welche den Rechen passiert haben

7.4 Kritische Stabweiten für Rotaugen

Bei den Versuchen zu den 20 und 15-mm-Rechen wurden einige Tiere hinter den Rechen

gefangen, deren maximale Körperbreite über dem Stababstand des Rechens lag (die

Stabweite von 40 mm lag immer über der maximalen Körperbreite der eingesetzten

Rotaugen). Bei diesen Tieren wurde demnach die mechanische Wirkung des Rechens, die

aufgrund ihrer Körpergröße existieren müsste, durch die hohen Anströmgeschwindigkeiten

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34

herabgesetzt. Die Tiere wurden mit der Strömung durch den Rechen gequetscht. Hierfür

spricht, dass derartige Fälle nie bei der niedrigen Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s

vorkamen.

Bei dem 20-mm-Rechen passierten bei 0,8 m/s mehr Tiere den Rechen als mit 0,5 m/s

(s.o.). Bei Anströmgeschwindigkeiten von 0,5 m/s hatten 28,6 % der Tiere hinter dem

Rechen eine maximale Körperbreite, die über dem Stababstand lag. Die maximale

Körperbreite war bis 2,62 cm breit. Bei Anströmgeschwindigkeiten von 0,8 m/s waren 25 %

der Rotaugen hinter dem Rechen dicker als der Stababstand und die maximalen

Körperbreiten betrugen bis 2,5 cm (s. Abb. 7.4.1).

Hinter dem 15-mm-Rechen wurden bei Anströmgeschwindigkeiten von 0,5 und 0,8 m/s

gleichviel Fische gezählt (s.o.). Interessanterweise waren alle Fische breiter als der 15 mm

Stababstand. Bei einer Anströmung des Rechens von 0,5 cm/s wurden Tiere mit einer

maximalen Körperbreite bis 1,82 cm und bei einer Anströmung von 0,8 m/s eine maximale

Körperbreite bis 1,91 cm gemessen (Abb. 7.4.2).

Körperlänge [cm]

10 12 14 16 18 20 22 24 26 28

Kör

perb

reite

[cm

]

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

Körperlänge [cm]

10 12 14 16 18 20 22 24 26 28

Kör

perb

reite

[cm

]

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

b. 7.4.1: Rotaugen nach Körperlänge und Körperbreite am 20-mm-Rechen: Bei Stababstand von 20 mm durch den Rechen gegangene Tiere sind entsprechend der Anströmgeschwindigkeit hervorgehoben, grün = 0,3 ms-1, gelb = 0,5 ms-1, rot = 0,8 ms-1. Dreiecke symbolisieren Tiere, die mit dem Schwanz voraus durch den Rechen gingen, Quadrate solche, die mit den Rechen mit dem Kopf voran durchtraten, Die Stabweite ist als Referenz zur Körperbreite als gestrichelte Linie dargestellt.

b. 7.4.2: Rotaugen nach Körperlänge und Körperbreite am 15-mm-Rechen: Bei Stababstand von 15 mm durch den Rechen gegangene Tiere sind entsprechend der Anströmgeschwindigkeit hervorgehoben, grün = 0,3 ms-1, gelb = 0,5 ms-1, rot = 0,8 ms-1. Tiere, die sowohl bei 0,5 als auch bei 0,8 ms-1 durch den Rechen gingen, sind orange dargestellt. Dreiecke symbolisieren Tiere, die mit dem Schwanz voraus durch den Rechen gingen, Die Stabweite ist als Referenz zur Körperbreite als gestrichelte Linie dargestellt.

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35

7.5 Anteile verletzter Tiere

Grundsätzlich ist festzustellen, dass alle beobachteten Verletzungen mit intensiven

Berührungen des Rechens in Zusammenhang standen. Tiere, bei denen keine

Tertiärwirkungen oder/und kein Rechendurchtritt beobachtet wurden, überstanden die

Versuche in allen Fällen ohne äußerlich sichtbare Verletzungen.

Beim Durchtreten des Rechens spielte vor allem die Stabweite eine wichtige Rolle für die

Verletzungsgefahr. Besonders Stabweiten, welche in etwa der Körperbreite entsprachen

oder geringfügig unterhalb der Körperbreite lagen führten in besonderem Ausmaß zu

Verletzungen. Für kleine Rotaugen war dies bei der Rechenweite von 15 mm und für große

Rotaugen bei der Rechenweite von 20 mm der Fall (Tab. 7.5.1).

Tab. 7.5.1 Anteil äußerlich sichtbarer Verletzungen in Abhängigkeit von Strömungsgeschwindigkeit und Stababstand für kleine und große Rotaugen

Rotauge klein (n = 15 je Versuch) Rotauge groß (n = 15 je Versuch) Anström-

geschwindigkeit

Stababstand

Anzahl

Durchtritte

Anteil verletzt Anzahl

Durchtritte

Anteil verletzt

0,3 m/s 15 mm 0 - 0 -

20 mm 1 100 % 0 -

40 mm 4 25 % 3 0 %

0,5 m/s 15 mm 3 33,3 % 0 -

20 mm 2 100 % 6 83,3 %

40 mm 6 0 % 11 0 %

0,8 m/s 15 mm 3 33,3 % 0 -

20 mm 11 27,3 % 5 40 %

40 mm 7 57,1 % 9 0 %

Insgesamt führte eine Rechenpassage in durchschnittlich 38,8 % der Fälle zu einer

Verletzung. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auf eine Rechenpassage in

einer herkömmlichen Wasserkraftanlage der Durchtritt durch die Turbine erfolgt. Diese

Passage ist mit weiteren Verletzungs- und Mortalitätsrisiko verbunden. Daher ist auch eine

Rechenweite von 40 mm trotz des vermeintlich geringeren Verletzungsrisikos für Rotaugen

dieser Größen im Sinne des Fischschutzes höchst kritisch zu sehen, denn immerhin

entfielen etwa 55,7 % der Rechenpassagen auf diese Stabweite.

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36

Innerhalb der Tertiärwirkung konnte ein Phänomen als besonders fischverletzend

herausgearbeitet werden. Es betrifft das Querliegen auf dem Rechen (vgl. 7.2). Dies führte in

90,9 % der Fälle (Rotaugen beide Größenklassen und Brassen) zu Verletzungen. Lediglich

eine Brasse blieb unverletzt. Diese kam jedoch erst in der 29. von 30 Minuten Versuchszeit

zum Querliegen.

Man beachte hierbei, dass der verwendete Rechentyp für den Versuch ein besonders Fische

schonender Rechen war, der eine gerundete Vorderkante, eine glatte Oberfläche und

keinerlei Kanten in den Zwischenräumen aufweist. Zudem ist die Auflagekraft bei den

gegebenen Geschwindigkeiten vergleichsweise gering. Bei den herkömmlichen

Rechenprofilen sind noch erheblich höhere Verletzungsrisiken und auch schwerere

Verletzungen zu erwarten.

Das Phänomen des Querliegens ist daher vermutlich im Versuch seltener zu beobachten

gewesen, als es bei Verwendung „konventioneller“ Rechen der Fall gewesen wäre. Das

Querliegen war bei Rotaugen beider Größenklassen sowie auch bei Brassen besonders

häufig bei 0,8 m/s Anströmgeschwindigkeit zu beobachten (8 von 11 beobachteten Fällen

des Querliegens bzw. 72,7 % der Fälle) und bei einer Stabweite von 20 mm (9 von 11

beobachteten Fällen des Querliegens bzw. 81,8 % der Fälle). Insgesamt hatten Brassen

dafür ein 2,3fach höheres Risiko als Rotaugen.

Stababstand

15 mm 20 mm 40 mm

Ante

il de

r ver

letz

ten

Tier

e

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,3 m/s 0,5 m/s 0,8 m/s

Stababstand

15 mm 20 mm 40 mm

Ante

il de

r ver

letz

ten

Tier

e

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,3 m/s 0,5 m/s 0,8 m/s

b. 7.5.1: Anteile von Rotaugen beider Größenklassen (n = 30 je Versuch), welche im Versuchsverlauf (30 Minuten) äußerlich erkennbare Verletzungen erlitten haben.

b. 7.5.2: Anteile der Brassen (n = 15 je Versuch), welche im Versuchsverlauf (30 Minuten) äußerlich erkennbare Verletzungen erlitten haben.

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

37

Auch das Steckenbleiben im Rechen ohne ein Querliegen und ohne eine Rechenpassage

hatte erhebliche Verletzungen zur Folge. Bei Brassen war dies bei 60,7 % aller

Beobachtungen der Fall und führte zu 22,0 % auch zu Verletzungen. Demgegenüber stehen

lediglich 0,7 % derartiger Tertiärwirkungen bei den kleinen Rotaugen und einem

Verletzungsrisiko von 3% bzw. 2,8 % große Rotaugen mit o.g. Tertiärwirkungen und einem

Verletzungsrisiko von 14,3 %.

Für die Schädlichkeit des Steckenbleibens im Rechen und ohne eine Passage spielte bei

Brassen die Stabweite des Rechens eine entscheidende Rolle. Je weiter die Stabweite im

Versuch lag, desto größer war auch der Anteil verletzter Brassen durch das Steckenbleiben

im Rechen (Tab. 7.5.2). Dagegen waren bei Rotaugen keine klaren Tendenzen erkennbar.

Tab. 7.5.2: Auftreten und Verletzungsrisiko bei Steckenbleiben im Rechen ohne eine Passage für Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von der Anströmgeschwindigkeit und der Rechenweite.

Rotauge klein (n = 15 je

Versuch)

Rotauge groß (n = 15 je

Versuch)

Brasse (n = 15 je

Versuch)

Anström-

Geschwindig-

keit

Stab-

abstand

Fische mit

Tertiärwirkung

Davon

verletzt

Fische mit

Tertiärwirkung

Davon

verletzt

Fische mit

Tertiärwirkung

Davon

verletzt

0,3 m/s 15 mm 3 33,3 % 6 0 % 12 16,7 %

20 mm 6 16,7 % 5 0 % 12 0 %

40 mm 3 0 % 8 0 % 13 53,8 %

0,5 m/s 15 mm 1 0 % 5 0 % 3 0 %

20 mm 6 0 % 3 0 % 14 14,3 %

40 mm 0 - 0 - 12 16,7 %

0,8 m/s 15 mm 2 0 % 6 0 % 2 0 %

20 mm 2 0 % 4 25 % 7 14,3 %

40 mm 5 40 % 2 0 % 7 57,1 %

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

38

7.6 Anteile letal geschädigter Tiere

Bei beiden Arten kam es spätestens 24 Stunden nach Beendigung der Versuche zu

Todesfällen. Auffällig daran war, dass Tiere, die sich bei einer Anströmgeschwindigkeit von

0,3 m/s am Rechen verletzt hatten, niemals an den Folgen der Verletzung starben. Die

Todesfälle traten ausschließlich bei Anströmgeschwindigkeiten von ≥ 0,5 m/s auf.

Offensichtlich waren die Verletzungen beim Rechendurchtritt und beim Querliegen auf dem

Rechen besonders schädlich für die Fische. Artenübergreifend kam es bei 11 Tieren zum

Querliegen, 8 Individuen starben, lediglich eines überstand dies äußerlich unverletzt (Tab.

7.6.1).

Je größer die Fische waren, desto häufiger kam es zum Querliegen auf den Rechen. Bei

Brassen war das Querliegen auf dem Rechen sehr schädlich, wenn sie zuvor mit dem

Schwanzstiel im Rechen steckten und dann umknickten, wie dies bei dem 20-mm-Rechen

und hohen Anströmgeschwindigkeiten der Fall war (s. Kap. 7.2).

Im Falle der Rechendurchtritte, die aufgrund der Körpergröße lediglich bei Rotaugen

vorkamen (s.o.), konnte ein klarer Trend herausgearbeitet werden. Während

Rechendurchtritte bei einer Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s in keinem Fall zu tödlichen

Verletzungen führte, stieg bei einer Anströmgeschwindigkeit von 0,8 m/s die Gefahr tödlicher

Verletzungen bei der Rechenpassage mit abnehmender Stabweite (Tab. 7.6.3). Betrachtet

man die Durchtrittshäufigkeit und das einhergehende Verletzungsrisiko gleichzeitig, so ist

eine Stabweite von 20 mm bei höherer Anströmgeschwindigkeit besonders gefährlich für

Rotaugen. In beiden Größenklassen waren hier die meisten durchtrittsbedingten Todesfälle

festzustellen. (Tab. 7.6.3). Diese kritische Stabweite verwundert nicht, da die im Versuch

verwendeten Rotaugen im Durchschnitt 19,8 mm Körperbreite aufwiesen und damit

entweder knapp durch die Stäbe passten (mit einhergehender hoher

Berührungswahrscheinlichkeit) oder sogar trotz größerer Körperbreite regelrecht durch den

Rechen gepresst wurden (insbesondere bei höheren Anströmgeschwindigkeiten, vgl. auch

Abb. 7.4.1).

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

39

Stababstand

15 mm 20 mm 40 mm

Ante

il de

r ges

torb

enen

Tie

re

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,3 m/s 0,5 m/s 0,8 m/s

Stababstand

15 mm 20 mm 40 mm

Abb. 7.6.1: Anteile von Todesfällen innerhalb von 24 h nach Versuchsdurchlauf in Abhängigkeit von der Strömungsgeschwindigkeit und Stababstand für a) Rotaugen (beide Größenklassen zusammengefasst; n = 30 je Versuch) und b) Brassen (n = 15 je Versuch)

Tab. 7.6.1: Anteil von Todesfällen innerhalb 24 nach Versuchsende in Abhängigkeit von Strömungsgeschwindigkeit und Stababstand für kleine und große Rotaugen und Brassen (n = 15 je Versuch)

Stababstand Anstrom Rotauge klein (%) Rotauge groß (%) Brasse (%)

15 0,3 0,00 0,00 0,00

15 0,5 6,67 0,00 0,00

15 0,8 6,67 0,00 0,00

20 0,3 0,00 0,00 0,00

20 0,5 6,67 6,67 0,00

20 0,8 20,00 33,33 40,00

40 0,3 0,00 0,00 0,00

40 0,5 0,00 0,00 0,00

40 0,8 6,67 0,00 0,00

a) Rotaugen b) Brassen

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

40

Insgesamt starben 19 Tiere bei den Versuchen. Alle toten Tiere hatten äußerliche

Verletzungen. Am häufigsten waren bei beiden Arten Schuppenverluste und blutige

Verletzungen an Körperseite und Schwanzstiel, sowie Verletzungen der Schwanzflosse.

Verletzungen am Maul waren selten. Nur bei Rotaugen kamen blutige Verletzungen an den

Augen vor. Welche dieser o.g. Verletzungen zum Tod führte, ließ sich nicht feststellen. Die

Ergebnisse zeigen aber deutlich, dass vor allem die massive Berührung der Tiere mit dem

Rechen (Tertiärwirkung) zu den starken Verletzungen führt (Tab. 7.6.2). Die heftigen

Kontakte mit dem Rechen treten vor allem bei hohen Anströmgeschwindigkeiten von ≥

0,5m/s auf (Tab. 7.6.3). Besonders bei Anströmgeschwindigkeiten von 0,8 m/s kommt zum

Querliegen der Fische auf dem Rechen mit den dementsprechenden Verletzungsrisiko (s.

Kap. 7.5) und der Kontakt mit den Stäben bei der Rechenpassage führt zu tödlichen

Verletzungen (Tab. 7.6.3).

Tab. 7.6.2: Anzahl äußerlich sichtbar verletzter Tiere, die nach 24 h gestorben sind (n = 19), sowie die mutmaßliche Todesursache.

Rotauge klein Rotauge groß Brasse

Tot Insgesamt 7 6 6

Tot nach SW - - -

Tot nach TW ohne

Durchtritt

1 (querliegend) 3 (davon 2 querliegend) 6 (davon 5 querliegend)

Tot nach TW mit

Durchtritt

6 3 -

(SW = Sekundärwirkung, TW = Tertiärwirkung, Durchtritt = Rechenpassage).

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

41

Tab 7.6.3: Anzahl der Rechendurchtritte und damit einhergehende Mortalität bei Rotaugen in Abhängigkeit von Anströmgeschwindigkeit und Stababstand.

Rotauge klein (n = 15 je

Versuch)

Rotauge groß (n = 15 je

Versuch)

Anström-

Geschwindigkeit

Stababstand

Anzahl

Durchtritte

Anteil

Mortalität

Anzahl

Durchtritte

Anteil

Mortalität

0,3 m/s 15 mm 0 - 0 -

20 mm 1 0 % 0 -

40 mm 4 0 % 3 0 %

0,5 m/s 15 mm 3 0 % 0 -

20 mm 2 50 % 6 16,7 %

40 mm 6 0 % 11 0 %

0,8 m/s 15 mm 3 33,3 % 0 -

20 mm 11 27,3 % 5 40 %

40 mm 7 14,3 % 9 0 %

Insgesamt muss bei diesen Betrachtungen darauf hingewiesen werden, dass ein Durchtritt

durch einen Rechen ohne lebensbedrohliche Verletzung keineswegs mit einer fehlenden

Mortalität gleichzusetzen ist. Unter Realbedingungen würde der Fisch im Anschluss an die

Rechenpassage die Turbine durchlaufen und ein entsprechendes Verletzungs- bzw.

Mortalitätsrisiko tragen.

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

42

7.7 Zusammenfassung der Ergebnisse

Trotz der komplexen Zusammenhänge können folgende Aussagen zu den Auswirkungen

des Rechens auf Rotaugen und Brassen bei verschiedenen Anströmgeschwindigkeiten und

Stababständen getroffen werden:

1. Bei den meisten Versuchen war eine Primärwirkung des Rechens (bis 40 mm

Stababstand) auf die Fische feststellbar. Nur in Einzelfällen passierten die Tiere ohne zu

stoppen mit dem Kopf voran den Rechen. Bei Brassen war die Primärwirkung des 40-

mm-Rechens bei niedrigen Anströmgeschwindigkeiten stark herabgesetzt.

2. Die Dauer der Primärwirkung war abhängig von der Anströmgeschwindigkeit und vom

Stababstand. Die ersten Rechenpassagen waren schon ab der 1. Minute zu beobachten.

Viele Tiere passierten schon innerhalb der ersten 5 Minuten den Rechen. Im Mittel

erfolgte die Passage bei Anströmgeschwindigkeiten von 0,5 und 0,8 /s

Anströmgeschwindigkeit bei dem 20-mm-Rechen und 40-mm-Rechen in 10.Minuten. Bei

einer Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s verdoppelte sich diese Zeit bei dem 40-mm-

Rechen.

3. Der Schutz der getesteten Fische vor Eintritt in die Turbine war bei einer

Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s und einem Stababstand von 15 mm am höchsten.

4. Die Anzahl der Rechenpassagen stieg mit zunehmender Stabweite und ansteigender

Anströmgeschwindigkeit.

5. Anströmgeschwindigkeiten von 0,5 m/s vor dem Rechen sind für kleine Rotaugen (1+

Jahrgang) schon zu hoch. Sie führen selbst bei einem 15-mm-Rechen zu

Rechenpassagen (Mittelwert 20 %).

6. Ab 0,5 m/s Anströmgeschwindigkeit sind bei Rotaugen und Brassen Verletzungen und

Mortalitäten bei Rechenberührungen und Rechenpassagen gegeben. Diese sind in

Abhängigkeit vom Stababstand unterschiedlich hoch. Zudem wurden bei dieser

Geschwindigkeit und einem Stababstand von 20 mm knapp 30% der Rotaugen durch

den Rechen gequetscht.

7. Anströmgeschwindigkeiten von 0,8 m/s waren für beide Arten am schädlichsten. Bei

dieser Geschwindigkeit waren die höchsten Verletzungsraten und Mortalitäten bei

Rechenberührungen und Rechenpassagen beobachtbar.

8. Bei mittleren und hohen Anströmgeschwindigkeiten (0,5-0,8 m/s) war der 20-mm-Rechen

für beide Fischarten am schädlichsten. Bei der Passage werden Rotaugen unkontrolliert

gegen die Stäbe geschleudert und verletzen sich daran. Brassen, die aufgrund ihrer

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43

Größe den Rechen nicht passieren können, werden gegen den Rechen gedrückt, bleiben

mit dem Schwanzstiel stecken und liegen später quer zum Rechen. Die Passage, das

Steckenbleiben und das Querliegen am 20-mm-Rechen haben eine hohe Mortalität zur

Folge.

9. Bei Erschöpfung ist das Risiko für große Fische quer auf dem Rechen liegen zu bleiben,

größer als für kleine Fische. Ein Querliegen ist fast immer mit dem Tod des Tieres

verbunden.

8 Diskussion Die getroffenen Aussagen sind können aus mehren Gründen nicht allgemein gültig sein: zum

einem wurden lediglich zwei Fischarten ohne vergleichbare Größenklasse untersucht. Die

Ergebnisse zeigen jedoch, dass artspezifische Unterschiede und die Größenklasse bei den

Versuchen sehr bedeutsam sind. In Bezug auf die Stabweite kommen die unterschiedlichen

Körperproportionen und der ungleiche Verlauf der relativen Körperbreite zur Körperlänge

einer Fischart zum Tragen. Damit hätten gleichgroße Rotaugen und Brassen unterschiedlich

leicht oder schwer den Rechen passieren können. Zudem dürfte der „Quetschfaktor“

artspezifisch sein und eine wichtige Rolle spielen, wenn Tiere wegen zu hoher

Anströmgeschwindigkeiten durch den Rechen gedrückt werden oder sich bei der

Abwanderung durch den Rechen zwängen. In Bezug auf die Anströmgeschwindigkeiten war

das art- und größenspezifische Verhalten ausschlaggebend. Während Rotaugen bei

niedriger Geschwindigkeit von 0,3 m/s sich am besten vor Rechen bei verschiedenen

Stabweiten halten konnten, verfingen sich die Brassen bei dieser niedrigen

Anströmgeschwindigkeit im 40-mm-Rechen. Allgemein wird der Wert von 0,3 m/s als

Mindestfließgeschwindigkeit für die Rheotaxis angesehen (Handbuch Querbauwerke 2005).

Offensichtlich war die Rheotaxis der Brassen bei dieser Strömungsgeschwindigkeit nicht

stark genug ausgeprägt, sodass die Tiere sich wie im Stillwasser zwischen den Stäben

bewegen wollten (was sie wegen ihrer Größe nicht konnten). Dabei kam es vermutlich durch

die partielle Erhöhung der Geschwindigkeit zwischen den Stäben (s. Kap. 3.1 und 3.2) zu

den unvorhergesehenen Stabberührungen mit Schwanzstiel, Schnauze und Bauch. Dass die

Brassen überhaupt die Nähe der Stäbe aufsuchten, kann mit den mangelnden

Deckungsstrukturen im Labor zusammenhängen. Alle Berührungen bei einer

Anströmgeschwindigkeit von 0,3 m/s blieben allerdings ohne Verletzungsfolgen. Für die

großen Brassen müsste man bei Stababständen > 20mm dennoch

Anströmgeschwindigkeiten von über 0,3 m/s fordern, damit sie einen größeren

Sicherheitsabstand zu den Rechen-Stäben einnehmen. Wie problematisch die Festlegung

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

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eines optimalen Wertes für ca. 0,5 m große Brassen ist, wird deutlich, wenn man die gängige

Formel für die kritische Schwimmgeschwindigkeit zugrunde legt, damit die jeweiligen Arten

ungefährdet an wasserbaulichen Anlagen abwandern können (ATV-DVWK 2005). Demnach

würden die kritische Schwimmgeschwindigkeit und die gesteigerte Geschwindigkeit bei

1,5 m/s liegen. Legt man für die Dauergeschwindigkeit 2* LFisch /s zugrunde (PAVLOV 1989,

TURPENNY et al. 1998) würde die Anströmgeschwindigkeit 1 m/s betragen. Die hier

gemachten Laborergebnisse zeigen jedoch, dass 0,5 m/s der sicherste Anströmwert für

Brassen dieser Größe wäre. Für kleine Brassen gilt dies sicherlich nicht. Dies macht deutlich,

dass die Anforderungen des Fischschutzes bei Stababständen und

Anströmgeschwindigkeiten stark abhängig von der jeweiligen Fischart und Fischgröße sein

können. Rotaugen und Brassen können nur erste Anhaltspunkte über das Verhalten von

Fischen vor Kraftwerksrechen liefern. Völlig anders könnten die Ergebnisse bei

oberflächennah schwimmenden Cypriniden mit schmalem Körperbau wie etwa bei Ukelei

(Alburnus alburnus) sein. Auch die Reaktion von bodennah lebenden Arten wie Barbe

(Barbus barbus), Wels (Silurus glanis) oder Gründling (Gobio gobio) auf verschiedene

Rechenstabweiten und Anströmgeschwindigkeiten sind noch nicht erforscht. Ebenso auch

bei Fischen mit speziellen Schwimmverhalten oder Körperbau (bspw. Hecht, Esox lucius),

oder für die FFH- relevanten Kleinfischarten (Groppe, Cottus gobio und Bachneunauge,

Lampetra planeri) (FFH-Richtlinie 92/43/EWG 1992), deren Bedeutung im Plan- und

Genehmigungsverfahren beim Bau einer Wasserkraftanlage besonders hoch ist. Hierzu sind

dringend weitere Forschungen notwendig.

Berücksichtigt man die vielen abdriftenden Fischlarven und Jungfische im Fluss, so wird die

Komplexität des Themas offensichtlich. So zeigen Hamenfänge unterhalb des

Turbinenauslaufes einer großen Wasserkraftanlage am Main, dass während der Nacht sehr

viele Brassen und Ukelei bis ca. 25 cm TL abwandern. Sie passieren bei einer

Anströmgeschwindigkeit von 0,5 m/s den 20-mm-Rechen und werden vermutlich bei der

Rechenpassage größtenteils letal geschädigt werden (BFS, laufende Untersuchungen 2011).

Dieser Befund bestätigt die hier dargestellten Laborergebnisse, dass Stababstände, die nahe

der maximalen Körperbreite der Fische liegen, schon ab 0,5 m/s zu tödlichen Verletzungen

führen können. Dabei bleibt die Geometrie des Rechens völlig unberücksichtigt. Der

klassische Rechteckstab, der auch an der WKA im Main eingesetzt wird, hat mit Sicherheit

eine sehr viel größere Verletzungsgefahr zur Folge als der im Labor eingesetzte

Fischschonrechen mit seiner abgerundeten Vorderseite. Es ist daher anzunehmen, dass die

hier dokumentierten Verletzungs- und Mortalitätsraten signifikant niedriger sind als im

Freiland.

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

45

Dennoch sind nicht alle Laborverhältnisse vollständig auf die Freilandverhältnisse

übertragbar. Unter Realbedingungen im Fluss können sich die Tiere, die bei der

Abwanderung vor den Rechen geraten, in strömungsberuhigte Zonen am Rechen retten und

dann flussaufwärts fliehen. Diese strömungsarmen Zonen am Rechen entstehen, wenn der

Rechen durch Laub und Treibgut (z.B. Plastiktüten) teilweise belegt ist. Diese

ungleichförmige Belegung entsteht jedoch nur zufällig und unter bestimmten Bedingungen.

Sie kann nicht systematisch als Unterstützung für die Fischbewegung vorausgesetzt werden.

Um grundlegende Erkenntnisse über das artspezifische Verhalten von verschiedenen

Fischarten vor Kraftwerksrechen zu erhalten sind jedoch weiterhin Laborbedingungen

unverzichtbar, da nur dort konstante Hydraulikverhältnisse gegeben sind und die Anzahl und

Größe der Versuchstiere vorbestimmt und genau erfasst werden können.

Die hier dargestellten Laborergebnisse zeigen zudem, dass viele Tiere schon nach wenigen

Minuten in massive Berührung mit den Rechen kamen (Tertiärwirkung) und dabei je nach

Anströmgeschwindigkeit erhebliche Verletzungen davontrugen. In vielen Fällen war bereits

nach der Hälfte der Versuchszeit (15 Minuten) ein erheblicher Anteil der Tiere durch den

Rechen geschwommen oder lag auf dem Rechen.

Auf einen Umstand muss jedoch in aller Deutlichkeit hingewiesen werden: ein

Kraftwerksrechen in Kombination mit einer entsprechenden Anströmgeschwindigkeit, der die

Fische möglichst verletzungsfrei an einem Eintritt in die Turbinen hindert, löst alleine nicht

das Problem der Beeinträchtigung natürlicher Fischpopulationen durch die

Wasserkraftnutzung. Die Durchgängigkeit der Fließgewässer für absteigenden Fisch muss in

jedem Falle durch flankierende Maßnahmen gewährleistet werden. Daher ist zu fordern,

dass die notwendigen Abstiegswege am Rechen möglichst schnell gefunden werden

müssen und dass die Suchdauern dafür unter 10 min liegen müssen (s.o.), wenn die

Anströmgeschwindigkeiten nahe an der kritischen Schwimmgeschwindigkeit der jeweiligen

Art liegen.

Der optimale Fischschutz kann nur aus einer Kombination von Fischabweiser (bspw.

Einschwimmsperre durch Rechen) in die Turbine, angepasster Anströmgeschwindigkeit, die

eine Suchbewegung erlaubt, und einem leicht und schnell aufzufindenden Wanderkorridor

bestehen. Aufgrund der Komplexität müssen dabei für die einzelnen Fischregionen bzw.

Standorte Zielarten definiert werden. Besonders vorzuheben sind hierbei die relevanten

Fischarten der europaweit geltenden Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-Richtlinie

92/43/EWG 1992). Diese Fischarten sind in einigen FFH-Gebieten ein wichtiger

Ausweisungsgrund gewesen. Hier müssten klare gesetzliche Vorgaben zum Fischschutz und

Fischabstieg an Wasserkraftanlagen für diese Arten vorliegen. Auch für alle anderen

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Laboruntersuchungen zu Auswirkungen von Kraftwerksrechen auf Rotaugen und Brassen in Abhängigkeit von Stababstand und Anströmgeschwindigkeit

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Zielarten muss in Zukunft eine wissenschaftliche Datengrundlage zum Verhalten der Tiere

vor Wasserkraftanlagen und ihrer Reaktion auf verschiedene Stababstände und

Anströmgeschwindigkeiten geschaffen werden. Erst dann können verhaltensbasierte

Fischabstiegssysteme (Rohre, spezieller Aalabstieg, Schöpf- und Sammelsysteme) für die

einzelne Fischartengemeinschaft entwickelt werden, damit ohne Zeitverlust ein gefahr- und

müheloses Abwandern von Fischen an Wasserkraftanlagen möglich ist.

Marburg und Kassel: 23.08.2011

Dr. rer. nat. Dirk Hübner Dr.-Ing. R. Hassinger

Büro für Fisch- und Gewässer-

ökologische Studien (BFS), Büro

Marburg

Versuchsanstalt und Prüfstelle für

Umwelttechnik und Wasserbau

Universität Kassel

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10 Anhang

Tab. 9.1 Hauptwerte Versuchstiere (n = jeweils 135)

Art/Größenklasse

Mittelwert TL

(cm) Stabw.TL

Mittelwert KB

(cm) Stabw. KB

Mittelwert

KH (cm) Stabw. KH

Brasse 48,913 2,991 5,326 0,522 14,892 1,122

Rotauge groß 19,614 2,593 2,253 0,292 4,709 0,761

Rotauge klein 13,181 1,239 1,709 0,273 3,230 0,501

TL = Totallänge, KB = Maximale Körperbreite, KH = Maximale Körperhöhe, Stabw. = Standard-abweichung

Tab. 9.2 Anteile von Rotaugen beider Größenklassen, die den Rechen passierten

Stabweite Anströmgeschwindigkeit Anteil Tiere mit Passage (%)

15 0,3 0,00

15 0,5 10,00

15 0,8 10,00

20 0,3 3,33

20 0,5 23,33

20 0,8 53,33

40 0,3 23,33

40 0,5 56,66

40 0,8 53,33

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Überblick Versuchstand Primärwirkung Rotauge

Sekundärwirkung Brasse Tertiärwirkung Brasse

Fischschonrechen mit abgerundeten Kanten Verletzung Schwanzstiel Brasse

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Verletzung Schwanzstiel Rotauge Verletzungen Maul Brasse

Schuppenverlust Körperseite Rotauge Verletzungen Körperseite Brasse

Verletzungen Schwanzflosse Rotauge Augenverletzung Rotauge