Bilanzierungsgrundsätze der Lebensversicherung im Lichte der Erörterungen des XVIII. Kongresses...

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Bilanzierungsgrunds~itze der Lebensversicherung im Lichte der Eriirterungen des XYHI. Kongresses der Versicherungsmathematiker Wol/gang Sachs (Dfisseldorf) Auszug aus einem Vortrag, der am 19. Februar 1969 vor der Osterreichischen Gesell- scha/t liar Versicherungs/achwissen in Wien gehalten wurde *). Meine Damen und Herren! ... Die Diskussion der Bilanzfragen yon Versicherungsunternehmen ist eine Aufgabe fiir Praktiker. Die sind aber oft aueh Interessenten, und was fiber den Gegenstand gesagt wird, ist deshalb ganz inhomogen: Viele sind ehrlich, es kSnnen sich aber nieht alle vom hergebrachten Gedankengut 15sen, oder sie denken nicht zu Ende. Andere stellen die Dinge einseitig dar, gelegentlich verschweigen sie auch einmal etwas. Und dazu kommen dann noch die unvermeidlichen internationalen MiB- verst~ndnisse .... I. Das Wort Bilanz kommt bekanntlich vom Abw~gen. An sich soll das Unternehmen selbst gewogen werden, um zu ermitteln, ob es lebensf~hig ist oder etwa zu leicht befunden werden mul~; praktiseh gesehieht das, indem man die Aktiven und die Passiven gegeneinander abwiigt. Nun mul3 ein Unternehmen, solange es solvent ist, seine Sehulden voll bezahlen. Aber nicht alle VermSgenswerte dfirfen ebenso 100%ig wie iene in die Waagsehale gelegt wexden. Vielmehr mul~ man Abstriche daffir machen, dab einige Werte uneinbringlich sind und andere es im weiteren Verlauf werden; und wieweit man dabei gehen sollte, h~ngt einerseits vonder Art der Werte ab, anderer- seits aueh vonder Wirtschaftslage, und nicht nur der augenblicklichen. Welter mfissen alle Werte und Schulden auf einen Nenner gebracht, also in Geld umgerechnet werden, und eine solche Umrechnung, die man gestern vorgenommen hat, kann schon heute falseh geworden sein, ... Dabei ~ndert es aber am Gesamtergebnis nichts, ob man um einen bestimmten Betrag mehr in die eine Waagschale legt oder weniger in die andere. Bedeutung hat die Bilanz in erster Linie fiir den Unternehmer .... Den Kunden aber ist es oft gleiehgiiltig, was aus dem Unternehmen wird ; ... Von einem lebenswiehtigen Interesse auch der Kunden am Fortbestand des Unternehmens muB man aber bei Banken und Versieherungsgesellschaften, vor allem Lebensversicherungsunternehmen sprechen. Hier also kommt einer soliden Bilanzierung eine welt gr6flere Bedeutung zu als iiberall sonst. Dabei ist aber gerade in der Lebensversicherung das Bilanzieren besonders sehwierig. Denn im normalen Industrie- oder tIandelsunternehmen haben Produkte das Uber- gewicht, die schnell umgesetzt werden .... In der Lebensversieherung ist das anders : Nur ein einstelliger Prozentsatz der in Kraft stehenden Versicherungen hat im Bilanz- jahr sein Ende gefunden, so dab nunmehr feststeht, was man an ihnen verdient oder verloren hat; die meisten werden noch Jahre und Jahrzehnte lang bestehen, das letzte Wort fiber ihr Ergebnis wird noch lange nicht gesprochen. Das grSBte Problem der Bilanz eines Lebensversicherungsunternehmens liegt daher in der Frage, wieviel *) Der vollstgndige Text ist in Heft 5, 1969, S. 267 f der Zeitschrift ,,Versicherungswirtschaft" ver6ffentlieht, die uns die Genehmigung zu dieser ausffihrliehen Beriehterstattung erteilt hat. Auslassungen sind durch Punkte gekennzeichnet.

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Bilanzierungsgrunds~itze der Lebensversicherung im Lichte der Eriirterungen des

XYHI. Kongresses der Versicherungsmathematiker

Wol/gang Sachs (Dfisseldorf)

Auszug aus einem Vortrag, der am 19. Februar 1969 vor der Osterreichischen Gesell- scha/t liar Versicherungs/achwissen in Wien gehalten wurde *).

Meine Damen und Herren! . . . Die Diskussion der Bilanzfragen yon Versicherungsunternehmen ist eine Aufgabe fiir Praktiker. Die sind aber oft aueh Interessenten, und was fiber den Gegenstand gesagt wird, ist deshalb ganz inhomogen: Viele sind ehrlich, es kSnnen sich aber nieht alle vom hergebrachten Gedankengut 15sen, oder sie denken nicht zu Ende. Andere stellen die Dinge einseitig dar, gelegentlich verschweigen sie auch einmal etwas. Und dazu kommen dann noch die unvermeidlichen internationalen MiB- verst~ndnisse . . . .

I. Das Wort Bilanz kommt bekanntlich vom Abw~gen. An sich soll das Unternehmen selbst gewogen werden, um zu ermitteln, ob es lebensf~hig ist oder etwa zu leicht befunden werden mul~; praktiseh gesehieht das, indem man die Aktiven und die Passiven gegeneinander abwiigt. Nun mul3 ein Unternehmen, solange es solvent ist, seine Sehulden voll bezahlen. Aber nicht alle VermSgenswerte dfirfen ebenso 100%ig wie iene in die Waagsehale gelegt wexden. Vielmehr mul~ man Abstriche daffir machen, dab einige Werte uneinbringlich sind und andere es im weiteren Verlauf werden; und wieweit man dabei gehen sollte, h~ngt einerseits v o n d e r Art der Werte ab, anderer- seits aueh vonder Wirtschaftslage, und nicht nur der augenblicklichen. Welter mfissen alle Werte und Schulden auf einen Nenner gebracht, also in Geld umgerechnet werden, und eine solche Umrechnung, die man gestern vorgenommen hat, kann schon heute falseh geworden sein, . . . Dabei ~ndert es aber am Gesamtergebnis nichts, ob man um einen bestimmten Betrag mehr in die eine Waagschale legt oder weniger in die andere. Bedeutung hat die Bilanz in erster Linie fiir den Unternehmer . . . . Den Kunden aber ist es oft gleiehgiiltig, was aus dem Unternehmen wird ; . . . Von einem lebenswiehtigen Interesse auch der Kunden am Fortbestand des Unternehmens muB man aber bei Banken und Versieherungsgesellschaften, vor allem Lebensversicherungsunternehmen sprechen. Hier also kommt einer soliden Bilanzierung eine welt gr6flere Bedeutung zu als iiberall sonst. Dabei ist aber gerade in der Lebensversicherung das Bilanzieren besonders sehwierig. Denn im normalen Industrie- oder tIandelsunternehmen haben Produkte das Uber- gewicht, die schnell umgesetzt werden . . . . In der Lebensversieherung ist das anders : Nur ein einstelliger Prozentsatz der in Kraf t stehenden Versicherungen hat im Bilanz- jahr sein Ende gefunden, so dab nunmehr feststeht, was man an ihnen verdient oder verloren hat; die meisten werden noch Jahre und Jahrzehnte lang bestehen, das letzte Wort fiber ihr Ergebnis wird noch lange nicht gesprochen. Das grSBte Problem der Bilanz eines Lebensversicherungsunternehmens liegt daher in der Frage, wieviel

*) Der vollstgndige Text ist in Heft 5, 1969, S. 267 f der Zeitschrift ,,Versicherungswirtschaft" ver6ffentlieht, die uns die Genehmigung zu dieser ausffihrliehen Beriehterstattung erteilt hat. Auslassungen sind durch Punkte gekennzeichnet.

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man aus den Gesch~iften, fiber deren endgfiltiges Ergebnis man vielleicht Vermutun- gen hat, aber noch lange keine GewiBheit, schon als erzielten Gewinn ansehen dar Iund wieviel yon den Einzahhmgen der Versicherungsnehmer einstweflen, das heiBt also bis man Klarheit hat, zurfickgestellt bleiben muB. Man befmdet sich dabei in einem Dilemma: . . . Die Frage ist, ob man sich eine Gewinnentnahme noch leisten kann, ohne vielleicht auf die Dauer die Existenz des Unternehmens zu gef~hrden. Die Bilanzierung der Lebensversicherungsunternehmen beruht also stets auf Arbeits. hypothesen. Ffir die Handelsbilanz mfissen diese einen gewissen pessimistischen Einschlag haben; hier kommt es darauf an, welchen Risiken das Unternehmen aus- gesetzt ist und welche Gefahren man beffirchten muB; davon sind fibrigens die fiber- nommenen Versicherungsrisiken nur ein Teil. Das ffihrt zu strengen Bewertungsgrund- s~tzen ffir die VermSgenswerte und zu strengen Berechnungsgrundiagen ffir die Passiven, vor allem ihr weitaus grSBtes, die Prdmienreserve. Daneben kann man aber auch Berechnungen machen, bei denen man eher davon ausgeht, was man erwartet, als davon, was man be/i~rchtet. Die Versicherungsmathematiker nennen das eine Bilanz oder besser gesagt eine Analyse mit Wirklichkeitsgrundlagen oder Grundiagenlzweiter Ordnung. Solche Berechnungen darf man allerdings nur ffir den Hausgebrauch an- fertigen, denn selbst dann, wenn die Grundlagen zweiter Ordnung richtig gewiihlt sind, erh~lt man so doch nut eine Momentaufnahme. Betrachtet man die Sache einige Jahre sparer, so wird fast immer diese oder jene/~mderung solcher Grundlagen geboten sein, denn die Welt steht ja nicht still; und wenn sich, wie das immer wieder einmal geschieht, herausstellt, dab die bei der Aufstellung der ttandelsbilanz beobachtete Vorsicht leider berechtigt war, muB man sogar einen neuen Anfang auf niedrigerem Niveau als bisher machen. Die Pr~mienreserve ist das weitaus fiberwiegende Passivum. Da man sic mathematisch berechnet, ist praktisch sichergestellt, dab die Bewertung der Passiven in sich einigermaBen harmonisch ist. Die herk5mmliche, bew~ihrte und auch heute noch weitgehend fibliche Methode ist die sog. Nettomethode . . . . Auf der Aktivseite sieht es viel weniger harmonisch aus. Denn in den meisten L~ndern gibt es allgemeine Vorschrfften ffir die Aufstelltmg yon Bilanzen, nach dcnen auch die Lebensversicherer ihre Aktiven bewerten mfissen. Nur hier und da finder man auch einmal eine Sonder- vorschrfft ffir die Lebensversicherung, wie etwa in Deutschland die, dab Wertpapiere nach dem sog. 5/iederstwertprinzip zu bewerten sind, d.h. nach dem Anschaffungs- preis oder nach dem BSrsenkurswert, je nachdem welcher yon beiden geringer ist. Aber das paBt dann gew5hnlich nicht zu den fibrigen Bewertungsgrunds~tzen; so haben z.B. die deutschen Lebensversicherer Hypotheken, Schuldscheinforderungen, Schuldbuchforderungen und Policedarlehen, zusammen gewShnlich etwa zwei Drittel der Gesamtaktiven, mit dem Nennwert einzusetzen, obwohl diese Werte dann, wenn der LandeszinsfuB gestiegen ist, ebenso wie die Wertpapiere nur noeh weniger Ver- kaufswert als ihren Nennbetrag haben kSnnen. In den meisten L~ndern sind die gesetzlichen Vorschrilten ffir die Bilanzierung nur Mindester/ordernisse, den Unternehmen wird nicht verwehrt, vorsichtiger zu ver- fahren. In 0sterreich und Deutschland aber handelt es sich infolge einer ffir die Lebensversicherung unglficldiehen Praxis der SteuerbehSrdcn meistens gleichzeitig um H6chstgrenzen. Damit stehen diese beiden L~nder am einen Ende der Skala. Am anderen finden wir das Mutterland der Lebensversicherung, das Vereinigte K5nig- reich, und zwar deshalb, weiles dort fiber die Grunds~tze der Bflanzierung der Ver- sicherungsunternehmen ein eigenes Gesetz gibt. Wir finden da zun~chst eine sehr weitgehende Freiheit in der Berechnung der Reserven, fiir die der actuary verant- wortlich ist; er ist dabei nicht an Vorschriften einer AufsichtsbehSrde gebunden --

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eine solche gibt es gar nicht - - . . . . Technische Brianz, d.h. eine bei der man die Pramienreserve neu berechnet, muB auch nur alle 5 Jahre einmal gemacht werden, dazwischen genfigen Fortschreibungen (wahrend auf allen anderen Gebieten der Wirt- schaft natfirlich ebenso wie bei uns alljahrlich Bflanz gemacht wird). Und die Be- wertung des Verm5gens ist weitgehend in das Ermessen der Unternehmen gestellt, wenn sie auch gehalten sind, ihre Aktiven insgesamt uicht hSher zu bewerten als mit ihrem Marktwert. Insbesondere dfirfen sie ausdrficklich stille Reserven bflden, und das tun sie natfirlich auch. Der Unterschied zwischen den beiden Extremen, dem 5sterreichisch-deutschen auf der einen mad dem britischen auf der anderen Seite, liegt auf der Hand: Unsere Regelung ist starr, die britische elastisch; wahrend so manches 5sterreichische oder deutsche Lebensversicherungsunternehmen, mfil3te es in einem ungfinstigen Zeitpunkt in Liquidation gehen, dabei vermutlich Verluste hinztmehmen hatte, wfirden analoge britische Unternehmen vielleicht immer noch einen Liquidationsfiberschul3 zeigen . . . . Noch akzentuiert wird dieser Unterschied dadurch, dab aus historischen Griinden in 0sterreieh und Deutschland ein Verfahren fiblich geworden ist, das gegenfiber der Nettomethode zu einer Schwachung der Pramienreserve ffihrt, namlich das ZiUmern. . . . Dadurch verlauft die Uberschul3bildung dana, wenn das Volumen des Neuge- schafts sehwankt, gleichmal3iger, . . . . Etwa dasselbe ware auch schon mit geringeren Mitteln zu erzielen, denn es wfirde genfigen, fiir den Teil des ~leugesehafts zu zillmern, der fiber dem normalen Durchschnitt liegt. Tatsachlichist die Entwicklung in Deutsch- land aber ins andere Extrem gegangen . . . . . Nun muB man ja in extremen Situationen radikal sein; aber diesen Radikalismus sollte man schleunigst wieder abbauen, sobald eine Normalisierung eingetreten ist. Das ist indessen nicht gesehehen, der fibliche Zillmersatz liegt immer noch bei 350/00; . . . wenn ich recht im Bride bin, liegen die Verhaltnisse in 0sterreich . .. uieht anders. In den meisten anderen Landern ist das Verfahren mindestens kaum fiblich, wenigstens soweit die Handelsbilanz in Frage kommt. Wenn man allerdings eine Analyse mit Wirklichkeitsgrtmdiagen macht, ist das Verfahren natfirlich unentbehrlich, aber das wird eben nach auBen nicht sichtbar. Aul3erungen fiber diese Frage aus unseren beiden Landern sollte man mit etwas Reserve betrachten. Denn es ist zwar nStig, daffir einzutreten, dab die Gesellschaften mad die AufsichtsbehSrden als die wirklieh Verantwortlichen selbst entscheiden kSnnen, welche Methoden im Einzelfall angemessen sind; aber die gegenwartige Praxis in 0sterreich und Deutschland stellt einen ExzeB dar, der nicht verteidigt zu werden verdient und oft nut deshalb verteidigt wird, weri man im alten Trott bleiben und keine Auseinandersetzungen fiber unser Steuersystem haben mSchte. ~3brigens lal3t sich leicht fiberschlagen, wieviel das Zrilmern ausmacht, wenn man nur den Zillmersatz kermt, . . . . Leider ergeben sieh so Zahlen einer hSheren GrSBen- ordnmag als die Abschreibungen, die das Niederstwertprinzip bei der Bewertung yon Wertpapieren nach sich zieht, maehen die Wertpapiere doch bei der Praxis der deutschen Lebensversicherer im allgemeinen nur etwa 15% aller Aktiven aus. In- dessen mul3 man die Dinge im Zusammenhang sehen, ein Minus an einer Stelle schadet nichts, wenn ihm ein Plus an einer anderen gegenfibersteht. Nor sollte man etwas vorsichtig sein, wenn man ein solches Plus bei den 5sterreichischen und den deutschen Lebensversicherern darin finden mSchte, dab sie mit einem relativ strengen Rech- nungszinssatz arbeiten. Denn der Unterschied zwischen der erzielten Bruttover- zinsung und dem Rechnungszinssatz ist bei uns nicht grSl3er als anderswo, blo13 setzt die Besteuerung nieht direkt an den Zinsen an, und deshalb sehen wit uicht so gut wie die Lebensversicherer mancher anderen Lander, dab die grSl~te Gewinnquelle fiberall, auch bei uns, den Haupttefl der Steuerbelastung tragen mull

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II .

Wenn man nach strengen Grunds/itzen bflarmiert, kSnnen wie man leieht einsieht auf der Aktiv- und auf der Passivseite nieht die gleichen Bewerttmgsmethoden an- gewandt werden, denn sonst bliebe keine Sieherheitsmarge mehr iibrig, und gerade eine solehe soll ja vorhanden sein. Es gibt aber eine freilich nur seheinbare Ausnahme, das ,,Prinzip der koni]ruenten Deckung". . . . . In der Tat wirkt die kongruente Dek- kung dem W/ihrungsrisiko entgegen. Man daf t nur nieht glauben, es kSnnte auf diesem Wege vollst/i.ndig aus der Welt geschafft werden . . . .

Das W/ihrungsrisiko hat noch eine andere SeRe: Auch wenn der Versicherer seine Verpflichtungen kongruent gedeckt hat, erleiden seine Versicherten u n d e r selbst EinbuBen, sofern eine W/ihrung schwach wird. Mit diesem Problem hat man sich auf dem XVIII. Kongrel] intensiv besch/iftigt. Die Frage war, was sieh gegen die weltweite und dauernde Inflation maehen lieBe. W/ire es mSglich, an Stelle der suspekt geworde- nen Papierw/ihrungen eine andere Grundlage ffir Lebensversicherungsvertr/ige zu finden ~. DaB dabei die Gedanken an Index-Versicherungen und an Versieherungen auf der Grundlage yon Investmentfonds, m.a.W, von Aktien, im Vordergrund stan- den, brauche ieh Ihnen nicht zu sagen . . . . 0sterreieh und Deutschland haben sich schon im AnschluB an den ersten Weltkrieg vor der Frage gefundcn, was geschehen kSnnte, um Lebensversieherungsvertr~tge abzusehlieBen, obwohl das Publikum da- mals in die neuen Landesw/ihrungen kein Vertrauen setzte. Ich wage nicht zu ent- scheiden, ob 0sterreieh oder Deutschland damals die grSl]te Zahl von ErsatzlSsungen zu Tage gefSrdert hat. Dar/iber, was dabei herausgekommen ist, dfirfte aber heute Einigkeit bestehen; n/imlich: Nichts . . . .

Auf jeden Fall miil]te man den ganzen Fragenkomplex bis zu Ende durchdenken. Ich meine, dab dies viele Berichterstatter zum KongreB nieht getan haben. Denn die Annahme, man k6nnte fiir die jeweilige Landesw/~hrung, der man mifltraut, ein brauchbares Surrogat finden und w/ihrend mehrerer Jahrzehnte behalten, ist naeh unseren Erfahrungen reiehlieh kiihn. Das wird klarer, wenn man das Problem einmal etwas anders, und zwar bewuBt pointiert, formuliert: Man k6nnte n/imlich sagen, es handele sieh um eine auf lange Frist angelegte Spekulation au] Baisse gegen die Larute~wiihrung. Solange das keinen groBen Umfang annimmt oder aus anderen Griinden nicht stSrt, wird es vermutlich von den Itiitern der W/ihrung geduldet werden. Sobald aber die Landesw/ihrung schwach wird, . . . wird die Spekulation gegen die Landesw/ihrung fiir unmoralisch erkl/irt, und alles, was nach einer Neben- w/ihrung aussieht, wird durch VerwaltungsmaBnahmen und Eingriffe in bestehende Vertr/ige zum Verschwinden gebracht . . . . Am SchluB bleiben nur Versicherungen in Landesw/ihrung iibrig. So geht es also, wenn die Baissespekulation sachlich gereehtfertigt war.

Aber eine Spekulation kann auch [ehlschlagen. So wurden in Deutschland yon 1924 ab zahlreiche Lebensversicherungen in ,,Dollar-Goldmark" abgeschlossen, die als der Gegenwert von 10/42-tel Dollar definiert war. Dann kam Mitte der dreiBiger Jahre die Abwertung des Dollars, . . . . Zum Glfick hatten die deutschen Lebensversicherer aber die Deckungsmittel in sogenarmten Feingoldmark angelegt; . . . dies war iib- rigens auch eine Spekulation, es stand mit dem Prinzip der kongruenten Deckung nicht in Einklang. Infolgedessen konnte man nun die in Dollargoldmark abgeschlosse- nen Versieherungen zu pari in solche in Reiehsmark oder in Feingoldmark umwandeln. Was w/ire aber geschehen, wenn die Gesellschaften das nicht gekonnt h/itten ~ . . . . wahrscheinlich h/itte man die Unternehmen gezwungen, die erw/ihnten Vertr/ige zu pari weiter zu erfiillen, undes ihnen iiberlassen, schlecht und recht mit dem dadurch

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aufgerissenen Loch in ihren Bilanzen fertig zu werden. Auch daffir gibt es historische Beispiele . . . . . Wie weit alles das auch zutrifft, wenn man nicht eine kiinstliche W~hrung zugrunde- legt, sondern den Wert yon Aktien, mul3 freilich besonders fiberlegt werden; denn Aktien oder Investmentzertifikate kaufen braucht noch keine W~hrungsspekulation zu sein. Wohl aber ist dies offenbar der Entschlul3, eine auf Jahrzehnte hinaus berechnete Transaktion lieber auf den Wert yon Aktien zu basieren, als auf den der Wi~hrung. Und das, wo ein solches Verfahren doch auch recht erhebliche Risiken enthiilt. Auch kSnnen die Hfiter der W~hrung die Durchffihrung der Transaktion blockieren, wenn sie nach dem Vorbild Schachts die Unternehmen nStigen, sich ihr Betriebskapital anders zu beschaffen als durch die Ausgabe yon Aktien; und aul3er- dem befinden sich gerade die Liinder, aus denen der Gedanke der Investmenttrusts stammt, gegenw~rtig in W~hrungsschwierigkeiten, ohne dab man schon wfil3te, zu welchen Mitteln sie noch greifen werden, um mit ihnen fertig zu werden. Auf dem KongreB wurden diese Sorgen kaum evident; aber sie stecken latent in Ver- suchen, Mindestleistungen in Landesw~hrung zu garantieren oder gemischte Ver- sicherungen in eine Risikoversicherung in Landesw~hrung und eine reine Erlebensfall- versicherung auf Aktienbasis zu zerlegen. Sieher werden die Bemfihungen, Ersatz ffir die Landesw~hrungen zu finden, zu An/angser/olgen ffihren; schon einige wenige Unternehmen kSnnen deshalb alle ihre Konkurrenten auf den gleichen Weg zwingen. Da ich aber nicht ffir sicher halte, dab die Sache ein gutes Ende nimmt, erblicke ich in diesen Ideen eine Gefahr ffir die Lebensversicherung als Institution. Das einzige wirkliche Heflmittel haben doch wohl nicht die Mathematiker oder die VermSgensverwalter der Lebensversicherung in der Hand, sondern die Politiker und die Zentralbanken . . . .

III.

. . . Erw~gungen fiber das "matching" haben den zweiten Hauptgegenstand des Kon- gresses in Sachen Bilanzierung gebildet. Es war nahezu eine Podiumsdiskussion, bei der britische Enthusiasten und Skeptiker erSrterten, wann and wie das Verfahren angewandt werden kSnnte, und die anderen zuhSrten, denn der Gedanke ist einstwei- len noch nicht in die nichtbritische Welt fibergesprungen. Aber er stellt eine Bereiche- rung unseres Gedankengutes dar. "Matching" bedeutet auf deutsch miteinander ab- stimmen; was miteinander abgestimmt werden soll, sind die VermSgenswerte und die Versicherungsverpflichtungen. Auf den Gedanken, die Bilanz einmal yon dieser SeRe zu betrachten, kam als erster Redington yon einem Sachverhalt her, der aueh uns gel~ufig ist : Steigt der Landeszinsfu•, so erhShen sich zwar die Zinseinnahmen, aber langsam und zuerst um geringe Betr~ge; gleichzeitig aber erleiden die festverzins- lichen Wertpapiere bekanntlich eine starke KurseinbuBe, es entsteht also ein Riick- schlag in der Bflanz, obwohl sich doch die Ertragslage des Unternehmens verbessert hat. Dies paradoxe Ergebnis kommt dadurch zustande, dab man in der Bflanz mit Gegenwartswerten der Aktiven und der Passiven operiert, . . . . Redington betrachtet start dessen die Zahlungen selbst, er errechnet, welche Geldeing~nge in den einzelnen Bilanzperioden zu erwarten sind und welche Ausgaben sich in ihnen ergeben werden. Wenn die Einnahmen und die Ausgaben sich in jeder Periode decken, dann sind die VermSgenswerte und die Versicherungsverfiichtungen "matched", also miteinander abgestimmt, denn dann ist es ffir die Abwicklung des bestehenden Versicherungs- bestandes gleichgfiltig, wie sich die Zinsen ffir Neuanlagen kfinftighin entwickcln; das berfihrt ja nur die Versichcrungsverpflichtungen, die im Augenblick der Betrachtung noeh nicht bestehen. Freilich l~l~t sich diese theoretisehe Konzeption nicht ohne

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Arbeitshypothesen in die Praxis fibefffihren. Man mug eben annehmen, dab Sterb- lichkeit, Kosten und Zinsen der Berechnung entsprechend verlaufen, was sie dann naehher bekanntlich nicht tun, und man kommt in Schwierigkeiten mit dem, was Redington Optionen nennt, d.h. mit i~uderungen bestehender Vertr~ge im weiteren Verlauf: Versieherungen kSnnen vorzeitig erlSschen, beitragsfrei gestellt, zurfiek- gekauft oder durch beiderseitige Vereinbarung ge~ndert werden; bei VermSgens- werten muf vielleieht sparer entschieden werden, in welcher yon mehreren Formen ein Vertrag weitergeffihrt werden soU, ob z.B. eine Sehuldversehreibung in Aktien umgetauseht werden soll; Mieten und Dividenden aus Aktien muf man seh~tzen usw. Noch viel starker in den Bereich der Hypothese ger~t man hinein, wenn man einen jungen Versicherungsbestand hat, dessen Deckungsmittel noeh wachsen: was die Ver- mSgenswerte kosten und bringen werden, die man in Zukunft ffir ihn erwerben muB, kaun man zun~chst nur vermuten, ungef~hr das Riehtige trifft man nur mit viel Gliick. Um diese Unsicherheit auszusehalten, hat man das ,,matching" abgewandelt; man unterstellt, am Stichtag der Untersuehung w~ren alle Versieherungen beitrags. frei geworden. Nun ist aUerdings sicher, daf man eine Annahme gemaeht hat, die nicht in Erfiillung gehen kann. Das wesentliehe ist, daft man in diese Betrachtungen die Gewinnanteile einbeziehen muB, die den Versieherten zustehen. Dadurch erh~lt man weitere Anhaltspunkte daffir, welehe Versichertendividendeus~tze in den n~chsten Jahren angemessen er- scheinen; wohlgemerkt Anhaltspunkte, aber natiirlieh auch keine Gewifheit! Das Problem fiir die britische Lebensversieherung liegt dabei darin, daf immer daun, wenn eine versieherungsteehnische Bflanz gemacht wird, der ]ETbersehuf soglelch ver- wendet wird, um den Versicherten einen Bonus, d.h. eine Summenzuschreibung zu geben, wobei man allenfalls einen Gewinnvortrag fibrig l~ft. Hat ein Steigen des Landeszinsfufes Abschreibungen auf VermSgenswerte erzwungen, so wird der Uber- sehuB dadurch verkleinert, es kann also nStig werden, die Bonuss~tze zu erm~figen. Das l~ft sieh allerdings vermeiden, wenn man nun die Pr~mienreserve entsprechend geringer in die Bilanz einsetzt, also an den Reehnungsgrundiagen dreht; das kSnnen die britischen actuaries ja, und diejenigen unter ihnen, die das ,,matching" befiir- worten, wollen es auch -- man braucht ja ,,nur" den Rechnungszins ein wenig zu erhShen . . . . dann ffihrt die Reehnung schon auf einen kleineren Betrag fiir den gegenw~rtigen Bedarf, die Pr~mienreserve. Es gibt nur ein Land, in dem man dies Problem nieht hat, n~mlich die Schweiz ; dort hat man sieh n~mlieh yon den BSrsenkursen emanzipiert und arbeitet mit mathe- matischen Kursen. Oberall sonst, auch bei uns, drfickt es zun~chst auf den Brutto- fiberschuf, wenn der Landeszinsfuf steigt. Aber wir fiberweisen den Teil des ]~ber- schusses, der den Versicherten zusteht, bekanntlich zun/ichst in eine Gewinnreserve, aus der wir erst sparer Gewinnanteile verteilen: . . . . Die Gewinnreserve wirkt also als Puffer, und diese Wirkung hat man noch verst~rkt, wenn man wie fiblich ein Gewinnverteilungssystem anwendet, bei welchem man einen Tell der Gewinne erst am Schluf der Versieherung aussehfittet. Wir kSnnen die Sache also mit mehr Ruhe betraehten als unsere britisehen Kollegen, denn wenn wir unsere Einriehtungen richtig benfitzen, wird ja nur die Gewinnreserve fiber eine Reihe yon Jahren zur l~ber- brfickung beansprucht. Zum Glfiek, denn wir kSnnten aus Untersuchungen der geschilderten Art nieht die gleichen Konsequenzen ziehen wie die Briten: Die Grunds~tze ffir die Bereehnung der Pr~mienreserve kSnnen wir nicht alle paar Jahre ~ndern, wenn wir nicht mit unseren AufsichtsbehSrden und der Steuerverwaltung kollidieren wollen, und die AufsichtsbehSrden wfirden uns schwerlich dabei hel- fen, erst wenn nStig Abschreibungen auf unsere Wertpapiere zu machen und dann

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den Erfolg dureh eine korrespondierende Minderung der Pr~mienreserve wieder zu beseitigen. Sieher ist es niitzlieh, sieh zu fragen, wieweit die Geldanlagepolitik mit den Aufgaben eines Lebensversieherungsunternehmens in Einklang steht, und das Verdienst daran, das evident gemaeht zu haben, kann man Redington und seinen Jfingern nieht nehmen. Davon abgesehen handelt es sieh offenbar um eine neue Abwandlung des schon alten Gedankens einer Analyse mit Hil]e yon Grundlagen zweiter Ordnung. Das ist an sieh eine Bereieherung unserer Methoden. Man daft nur nicht vergessen, daG eine solehe Analyse etwas grunds~tzlich Anderes ist als die Handelsbflanz; versueht man dennoch, das Ergebnis der Analyse in die Handelsbflanz zu iibertragen, so begibt man sich damit auf eine sehiefe Ebene, denn nun kommt es zu einer Schwtichung der Pr~imienreserve. W~hrend aber das Zillmem, auch woes sehon eine Abweiehung vom sehmalen Pfad der Tugend ist, auf alle F~lle im weiteren Verlauf systematiseh wieder gutgemaeht wird, kann man beim ,,matching" nur den Rechnungszins erhShen, man ist sogar in Versuchung, es immer wieder zu tun. Aber gerade die Zinseinnahmen kSnnen am st/~rksten von auGen beeinfluGt werden, sei es dureh ErhShung der Steuer- s~tze oder durch Eingriff in die bestehenden Vertr~ge ; ~ r 0sterreieher und Deutsche haben beides sehon erlebt. Und die Gefahr, die in zu geringen Zinseinnahmen liegt, ist am Anfang der Versieherungen gering, w~chst aber mit der Zeit und wird gegen ihr Ende erheblieh. Deshalb scheint mir eine Ubertragung der Gedankeng~nge Redingtons in die Handelsbflanz sehon rein materiell gef~hrlicher als etwa eine solehe der Ge- dankeng~nge Zillmers. Meine grSGte Sorge liegt aber auf psyehologischem Gebiet. Solange wir nut zillmern oder, nach Schweizer Vorbfld, mathematisehe start BSrsen- kurse verwenden, haben wir immer noch an dem Grundsatz festgehalten, daG die Sicherheit Vorrang vor dem Gewinn haben muG; man kann hSehstens dariiber ver- sehiedener Ansieht sein, ob jener Grundsatz nieht etwas zu lax angewandt wird. Mit der Anwendung des ,,matching" in der Handelsbilanz fangen wir aber an, den kurz- fristigen Vorteil Gewinn gegen den langfristigen Vorteil Sicherheit abzuw~igen, wit geben also diesem letzteren nicht mehr den unbedingten Vorrang. In engen Grenzen mag das noeh unbedenklich sein, und wer wie die britischen Gesellsehaften allein die ganze Verantwortung tr~gt, mag solche Grenzen innehalten; iiberall anderswo gibt es aber AufsiehtsbehSrden und dann auch Leute, die sieh ffir klug halten, wenn sie nieht ausdriicklieh verbotene MSgliehkeiten bis zum/~uGersten ausnutzen. Und obendrein mug man sieh fragen, ob bier nieht mit viel Umst~nden und auf gef~hrliehen Wegen nut dasselbe erzielt wird, was man in der Schweiz einfaeher und ohne groGes Risiko dureh die Anwendung mathematiseher Kurse erreieht. Die Gefahr, die Anwendung der Methode in der Handelsbilanz kSnnte auf andere L~nder iibergreifen, ist nicht mehr rein theoretiseh. Denn im Zuge der Erw~gungen fiber die sogenannten Solvabilit~tsnormen, d.h. die Ansprfiche, die man an Unter- nehmen stellen soil, welche das Gesch~ft aueh auGerhalb ihres Heimatlandes betreiben wollen, haben die Briten das Verfahren zur Debatte gestellt; und solche Normen m~issen ja fiir alle die gleichen sein. Allerdings soll verboten werden, die Pr~mien- reserve unter die Summe der Riiekkaufswerte zu senken, wenn und soweit diese der HShe naeh garantiert sind. Diese Mindestgrenze liegt auf jeden Fall noch unter der gezillmerten Reserve, und die Einschr~nkung wiirde sieh auf dem Festland star- ker auswirken als bei den Briten, die sieh in dieser Hinsieht meistens weniger fest- legen als es auf dem Kontinent geschieht. Aueh sonst befinden sie sieh in einer besonderen Lage, weil sich kein Brite so leicht bei einem Ausl~nder versiehern wird, sie branchen also nur an ihr eigenes Auslandsgesch~ft zu denken und nieht wie die anderen auch an die Konkurrenz der Ausl~nder im eigenen Lande. So sind sie an

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einer MittellSsung kaum interessiert, sondem streben danach, im Auslande m6glichst wenig zu deponieren. Leider ist das aber nicht mehr zeitgem~B. Denn nut bis 1914 konnte man Verluste, die bei einer Zweigniederlassung im Ausland entstanden waren, ohne weiteres dorthin iiberweisen und Gewinne einer solehen Zweigniederlassung ebenso Meht wieder zur Zentrale zuriiekholen. Damals war also der AusgMch inner- halb des Gesamtunternehmens stets gesichert. Heute aber zerfallen international tiitige Unternehmen in national getrennte Unterabteflungen; man kann sich nicht mehr darauf verlassen, dab die Zentrale jederzeit bei Bedarf mit Zuschfissen ein- springen kann -- alle W~hrungen der groBen L~nder haben in den letzten 25 Jahren die eine oder andere K_rise durchgemacht ! -- und ebensowenig darauf, dab eine Zweig- niederlassung Gewinne an die Zentrale abliefern kann. Damit ist die Frage der tech- nisch nicht gebundenen Eigenmittel ausl~ndischer Zweigniederlassungen aufgeworfen : In der Welt, in der wir leben, bleibt nur fibrig, diese praktisch so zu stellen, als w~ren sie selbst~ndige Unternehmen. Ist es dann realistisch, LSsungen zur Debatte zu stellen, die dazu ffihren wiirden, dab in den einzelnen L~ndem noeh nicht einmal die Pr~mien- reserve nach der bisher herrschenden Ansicht gehalten werden mfiBte ? Wenn mir also jener Vorschlag als ein noch dazu iiberflfissiges Spiel mit dem Feuer erscheint, so w~re mir dennoch der Gedanke nicht unsympathiseh, die in 0sterreich und Deutschland herrsehende Praxis dutch eine andere zu ersetzen. Denn wenn man sich fragt, wer bei uns das entscheidende Wort is die Bilanzen sprieht, so sind es doch gerade in den Kernfragen oft nicht die Leiter der Unternehmen, nicht die Aufsichts- behSrden, nicht einmal mehr die Gesetze, sondern die Finanzbeh6rden. Denn die l~inanzverwaltung.., iibt eine Praxis aus, die im wesentlichen in Deutschland in der Zeit entstanden ist, als die BehSrden des Hitlerreichs mehr Steuern einbringen wollten, ohne den Wortlaut der Gesetze zu gndern. Dabei ist man vor allen Dingen auf die Jagd nach Gewinnen gegangen, welche die Untemehmer noch zuriickgehalten haben k6nnten. Und so spielt sich in der Versieherung immer wieder eine kleine Groteske ab: Die Finanzverwaltung beanstandet die H6he dieser oder jener Reserve oder Abschreibung, obwohl es sieh ja nieht um bereits verdiente Betr/~ge handelt, sondern lediglieh darum, wieviel ein Unternehmen im Interesse der Sicherheit der Versiche- rungsanspriiche noch nicht glaubt ausschiitten zu kSnnen. Das fiihrt dann einmal zur Zahlung einer Steuer, aber so leicht nicht wieder; auBer dann, wenn die Finanz- verwaltung sogar so loyal ist, vor einer Praxis zu warnen, die ihrer Ansieht naeh eine Versteuerung nach sich ziehen wiirde. Man k6nnte also sagen, dab hier weniger dem Bediirfnis entsprochen wird, mehr Steuern zu erhalten, als dem Wunsche, gegen die Verantwortlichen Recht zu behalten. DaB diese Rechtsunsicherheit entstanden ist, 1/r sieh historisch erkl/~ren und ist eben einer jener Riickschl/~ge, die jeden yon Zeit zu Zeit treffen. Infolgedessen sind in den hinter uns liegenden, doeh gewiB fetten Jahren die Unternehmen zwar gr6Ber geworden, aber sieher nicht im gleichen Ver- h/Cltnis st/~rker, . . . . Soweit Deutschland in Frage kommt, habe ich aber noch nicht geh6rt, dab sich jemand an die freilich schwierige und zeitraubende Aufgabe gemacht h/~tte, eine bessere Grundlage zu schaffen, obwohl sich leicht Regelungen aus anderen L/~ndern finden lassen, in denen die Versieberungsunternehmen auch Steuern zahlen, in denen sie und die Aufsichtsbeh6rden aber in ihren selbstverantwortliehen Ent- scheidungen yon der Finanzbeh6rde nicbt gest6rt werden; denn dort setzt die Be- steuerung an anderen Stellen an als bei uns zu Lande. Wenn die Verantwortlichen in unseren Aufsiehts/Cmtem, Verb/inden und Versieherungsunternehmen aber nicht den EntschluB finden, sieh dieser Aufgabe zuzuwenden, w/~re es wohl ein Gliick, erzw/~nge ein AnstoB yon auBen eine grunds/~tzliche Anderung.

Eingegangen am21.2.1969

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Summary

Principles o/valuation in li/e assurance, in the light o/the dlscussion8 o I the X V I I I th International Congress oi Actuaries; this lecture was held in Vienna, before the Osterreichische Gesellscha/t/iir Versicherunqs/achwissen.

The lecturer begins by stating that not everything which has been published on the subject must be taken at its face value; some publications remain in the bonds of tradition, in others the train of thought has not been brought to a finish, some are even visibly biased. In Part I, he explains why it is particularly difficult to establish a balance-sheet for a life office: by far the largest part of its business remains in force for a long time to come, and its outcome is, consequently, still uncertain. Therefore, a valuation can only be based on assumptions or working hypotheses as to the probable final results, and for the balance-sheet itself, these assumptions must be of a somewhat pessimistic nature ff the safety of the policyholders is to be the prime consideration. But if one aims at ascertaining what surplus can be reasonably expected in the years to come, other assumptions, of a less stringent nature, must be made; so that it is necessary to distinguish strictly between the methods to be used when a balance-sheet is to be established and those to be applied in an analysis of the business in force with ,,Grundlagen zweiter Ordnung" (bases of the second order). The lecturer continues by explaining the net premium method of valuation, he states that in his opinion the use of Zillmer's method in Germany and Austria is excessive, and that the methods of valuation which are customary in Great Britain are much more elastic than those in Germany and in Austria. In Part II, he begins by stating that, since 1918, it has become usual to cover liabilities in foreign currency with assets in the same currency, in order to counteract the currency risk which has come newly into existence when most countries left the gold standard. At the Congress, many discussions centred on the closely related question what can be done in order to safeguard the policyholders against the dangers inherent in using a paper currency as a basis of life policies; so that the questions of index-linked benefits and of policies based on the value of shares have been in the foreground. He points out that, for German and Austrian life assurers, the problem had already been on the agenda after the first worldwar, and that all attempts at replacing the new paper currencies by something better which were undertaken at that time have finally come to nothing -- which explains why their attitude towards the present attempts, as undertaken by the Americans, the British, and the Scandinavians, is somewhat reserved. Indeed, he feels by no means certain that the new solutions can last, seeing that they contain a speculative element (not in the purchase of shares itself, but in the intention to pursue that procedure for years to come) and that, if a currency becomes weak, its guardians are apt to resort to measures against speculation whose range can hardly be guessed at beforehand. And he reminds his hearers of the dangers inherent in such speculations should they miscarry (examples to be found in the history of German and Austrian life assurance!) which were hardly discussed openly during the Congress but which were realised in spite thereof, as shown by the fact that minimum benefits in money or the splitting of endowment policies into term policies in money and pure endowments in shares have, at least, been considered. In Part III, he explains "matching" to his hearers. He begins by showing the starting point of Redlngton's considerations, viz. the fact that securities lose value if the average rate of interest rises, and he adds that this is a more difficult problem for British life offices than for Continental ones, since a surplus shown by the former is immediately converted into bonuses whereas on the Continent the surplus is transferred to the "Gewinnrescrve" (undivided policyholders' profit ear- ried forward) and distributed only at a later date, so that the Gewinnreserve functions as a buffer. He comes to the conclusion that "matching" is, in reality, a new method of analysing the business in force comparable to what is, on the Continent, called an analysis with bases of the second order. He goes on by showing that if the results of "matching" are transferred into the balance- sheet itself, there results a weakening of the reserves which is analogous to what happens if one applies Zillmer's method or makes use of mathematical security values as is being done in Switzerland. There is, however, a difference in that the latter two methods leave the principle unchanged that considerations of safety must, in the balance-sheet of a life office, have priority over everything else, although one may say that principle is now, already, applied only somewhat laxly; but "matching" involves, possibly, repeated increases of the basic rate of interest, in other words it can result in compromises being made between the present advantage, a high surplus,

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and the necessity of being very cautious which is an advantage only in the long run. He would, therefore, regard it as dangerous if the British method were adopted also on the Continent. From the purely material point of view, he thinks tampering with the basic rate of interest is partic- ularly risky since interest is not immune against taxation or interference of the State with existing contracts, as shown by German and Austrian experience, whilst the danger of having used too high a basic rate of interest is greatest when the policies approach maturity, i.e. in the distant future. But still more he dreads the psychological influence of that procedure in countries where insurance is under State supervision, since in such countries there are always people who believe themselves clever when profiting to the utmost of possibilities which are not expressly forbidden. He adds that even if the use of the method is limited so that the net liabilities shown in the balance-sheet must not be lower than the surrender values (so far as they are guaranteed) the resulting net liabilities may well be still much lower than zillmerised net liabilities according to the present practice. But in the present conditions one cannot rely on the head office in one country being able to remit money to a branch office in another country if the latter has suffered a loss, or the branch office to send a profit to the head office; so that a branch office must dispose of quite as considerable means as a local life office of a similar size. The total means available to such a branch office must, therefore, be much higher than zillmerised reserves and, afortiori, than net liabilities if "matching" has been applied. Finally, he points out that much the same thing as by "matching" can be achieved by applying mathematical security values, according to the Swiss model, but easier and with less danger, so that, in his eyes, an attempt at reducing the net liabilities to be shown in the balance-sheet with a view to "matching" amounts to needlessly playing with fire. But he would not be averse to giving up the present methods of establishing balance-sheets of life offices usual in Germany and Austria, too, since they are intertwined with a very unfortunate method of taxing.

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