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Bilanzrecht der Organschaft Prof. Dr. Joachim Hennrichs, Universität zu Köln

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Bilanzrecht der Organschaft

Prof. Dr. Joachim Hennrichs, Universität zu Köln

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Übersicht

•  Handelsrechtliche Grundlagen •  Erleichterungen der Anerkennung der EAV-

Durchführung nach § 14 I 1 Nr. 3 KStG n.F. –  Fehlerhafter Abschluss, Fehlerbegriff und

Richtigkeitsfiktion bei Testat –  Wirksame Feststellung und Nichtigkeitsgründe –  Beanstandung durch die Finanzverwaltung

•  Fazit

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Handelsrechtliche Grundlagen

EAV, Technik der Ergebnisermittlung bei der abhängigen Gesellschaft, handelsrechtliche Auswirkungen fehlerhafter Rechnungen

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Grundfall EAV

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Herrschendes Unternehmen / Obergesellschaft / Organträger (OT)

Abhängiges Unternehmen / Organgesellschaft (OG)

Verlustübernahme (§ 302 AktG)

Gewinnabführung (§ 291 I AktG) Befolgung von Weisungen (§ 308 AktG)

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Grundfall EAV

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Herrschendes Unternehmen / Obergesellschaft / Organträger (OT)

Verlustübernahme (§ 302 AktG)

Gewinnabführung (§ 291 I AktG) Befolgung von Weisungen (§ 308 AktG) Gewinnabführung

+ Verlustübernahme = Ergebnisabführung („Wirtschaftliche Fusion“; EAV)

Abhängiges Unternehmen / Organgesellschaft (OG)

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Technik – Jahresabschluss der abhängigen Gesellschaft

•  Die Verpflichtung zur Gewinnabführung ist in der Bilanz der OG als Verbindlichkeit (§ 266 Abs. 3 Nr. C 6 HGB) und in der GuV als Aufwendung (§ 277 Abs. 3 S. 2 HGB) zu erfassen

è Im Jahresabschluss der OG ist das Ergebnis stets ausgeglichen

è Ergebnisermittlung bei der abhängigen Gesellschaft in einer Nebenrechnung

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Ergebnisermittlung und Gewinnanspruch (in der AG)

•  Normalfall –  Aufstellung (§ 264 Abs. 1 HGB, § 170 Abs. 1 AktG)

à Bloßer Entwurf –  + (Wirksame) Feststellung (§§ 172, 173 AktG)

à Rechtlich verbindlicher Abschluss à Anknüpfungspunkt für etwaige Nichtigkeit

–  + Beschluss über die Gewinnverwendung (§ 174 AktG) –  = Gewinnanspruch des Aktionärs (§ 58 Abs. 4 AktG)

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Ergebnisermittlung im Vertragskonzern •  Im Vertragskonzern

–  Gewinnabführung -  Aufstellung des Jahresabschlusses -  (Wirksame) Feststellung des Jahresabschlusses (h.M.) -  Keine Beschlussfassung über die Gewinnverwendung

(kein Ausweis eines Bilanzgewinns, über dessen Verwendung Beschluss gefasst werden könnte, s.o.)

–  Verlustübernahme -  h.M.: maßgeblich nicht Feststellung, sondern der „zum

Bilanzstichtag zutreffend ausgewiesene Fehlbetrag“ (str.; a.A. [Maßgeblichkeit der Feststellung auch für die Verlustübernahme] Hennrichs, ZHR 174 (2010), 683, 689 ff. m.w.N.)

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Handelsrechtliche Auswirkungen fehlerhafter Rechnungen

•  Bei Nichtigkeit des Jahresabschlusses –  Vertraglicher Anspruch auf Rückgewähr empfangener

Leistungen –  Ferner: gesetzlicher Anspruch gem. § 62 AktG –  Bei Verschulden der Obergesellschaft außerdem § 280

Abs. 1 BGB •  Fehler unterhalb der Nichtigkeitsschwelle

–  Grundsätzlich keine Auswirkungen auf Zahlungen im Konzern

–  Möglich aber Änderung des Jahresabschlusses

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Erleichterungen der Anerkennung der EAV-Durchführung nach der sog. kleinen Organschaftsreform § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4, 5 KStG n.F.; Fehlerbegriff; Nichtigkeit des Jahresabschlusses; Beanstandung von Fehlern durch die Finanzverwaltung; Bestätigungsvermerke

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Durchführung des EAV – Ausgangspunkt

•  Während der Laufzeit des EAV muss der „ganze Gewinn“ abgeführt werden è

•  „Gewinn“ = Ergebnis lt. HB •  „ganzer Gewinn“ = weder zu viel noch zu wenig,

sondern „punktgenau“ der „richtige“ Gewinn è Fehler bei der Ermittlung des abzuführenden Betrags gefährden die steuerliche Anerkennung der Organschaft!

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„Fehlerhafte Bilanzansätze“ – Fehlerursachen •  Die Bilanz ist ein „Gemisch von Wahrheit und

Dichtung“ (z.B. Clemm, FS Budde, 1995, S. 135, 144)

•  Mögliche Fehlerursachen: –  Betrug: bewusste Auslassungen, Fehlbuchungen (Doppelt-

oder Nichterfassung von VG bzw. Schulden) oder Über- / Unterbewertungen

–  Unbewusste Auslassungen oder Fehlbuchungen –  Schätz- und Prognosefehler –  Falsche Rechtsanwendung (insbesondere bei unklarer oder

umstrittener Rechtslage)

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§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 KStG n.F.

„4Der Gewinnabführungsvertrag gilt auch als durchgeführt, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält, sofern a) der Jahresabschluss wirksam festgestellt ist, b) die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden müssen und c) ein von der Finanzverwaltung beanstandeter Fehler spätestens in dem nächsten nach dem Zeitpunkt der Beanstandung des Fehlers aufzustellenden Jahresabschluss der Organgesellschaft und des Organträgers korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgeführt oder ausgeglichen wird, soweit es sich um einen Fehler handelt, der in der Handelsbilanz zu korrigieren ist.“

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§ 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 5 KStG n.F.

•  „5Die Voraussetzung des Satzes 4 Buchstabe b gilt bei Vorliegen eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks nach § 322 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs zum Jahresabschluss, zu einem Konzernabschluss, in den der handelsrechtliche Jahresabschluss einbezogen worden ist, oder über die freiwillige Prüfung des Jahresabschlusses oder der Bescheinigung eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers über die Erstellung eines Jahresabschlusses mit umfassenden Beurteilungen als erfüllt.“

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Relevanter Fehlerbegriff

•  Gesellschaftsrecht: subjektiver Fehlerbegriff (h.M.) –  Bilanz ist nach h.M. nur fehlerhaft, wenn Bilanzansätze

objektiv gegen GoB verstoßen und –  subjektiv ein ordentlicher Kaufmann diesen Verstoß bei

pflichtgemäßer Prüfung erkennen konnte (IDW RS HFA 6 Tz. 14) •  § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG n.F.: objektiver

Fehlerbegriff (str.) –  Bezogen auf streitige Rechtsfragen (ebenso nun allg. BFH,

GrS 1/10) –  Auch für die Einschätzung tatsächlicher Umstände? (Offen

gelassen von BFH, GrS 1/10)

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Ausgangsbeispiel

•  EAV zwischen M- und T-AG, Jahresabschluss der T per 31.12.2012 uneingeschränkt testiert und wirksam festgestellt. Im Jahresabschluss wurde eine Rückstellung für Gewährleistungsverpflichtung nicht gebildet, weil sie schlicht vergessen wurde. Der Abschlussprüfer (AP) hat den Fehler erkannt, den Bestätigungsvermerk aber dennoch nicht eingeschränkt, weil die Rückstellung nicht wesentlich sei. Die Rückstellung soll im kommenden Jahr nachgebucht werden. Die BP beanstandet die Nichtpassivierung.

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Ausgangsbeispiel – Lösungshinweise

•  Fehlerhafter Bilanzansatz (+) •  Jahresabschluss wirksam festgestellt (+) •  Fiktion gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 Buchst. b) i.V.m.

S. 5 KStG n.F.! Auf die Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit kommt es bei uneingeschränktem Bestätigungsvermerk nicht an!

•  Korrektur im nächsten Abschluss. è EAV gilt als durchgeführt! è Spürbare Erleichterung für den StPfl.!

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Beispiel 2 – Sachverhalt

•  Wie Ausgangsbeispiel. Im Herbst 2013 beanstandet die BP, dass eine Rückstellung für einen Passivprozess überhöht gewesen sei, weil die T das Risiko, verurteilt zu werden, objektiv fehlerhaft zu hoch eingeschätzt habe; eine Inanspruchnahme sei nicht zu mehr als 50 % wahrscheinlich. Die T und ihr AP meinen dagegen, eine Inanspruchnahme sei im konkreten Fall wahrscheinlich. Außerdem entspreche die Rückstellung dem Vorsichtsprinzip und der Rechtsprechung des FG Schleswig-Holstein (3 K 77/11).

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Beispiel 2 – Lösungshinweise

•  „Fehlerhafter Bilanzansatz“ i.S. des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG n.F., wenn die Einschätzung der T vertretbar war?

•  Falls man einen (objektiven) Fehler bejaht, dann: –  § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 Buchst. b) i.V.m. S. 5 KStG

(+) –  Korrekturpflicht gem. Buchst. c) nach Beanstandung

durch FA im nächsten offenen Jahresabschluss? Problem: Was, wenn der AP der T auf Rückstellung besteht und sonst eine Einschränkung des Testats ankündigt?

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Insbes.: fehlerhafte Rücklagen und Abführungssperren

•  „Fehlerhafter Bilanzansätze“ à maßgebend Bilanzansatz der Abführungsverpflichtung (bzw. der Ausgleichsforderung) im Jahresabschluss der OG BT-Drucks. 17/10774, S. 20

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Beispiel 3 – Sachverhalt

•  Wie Ausgangsbeispiel, Fehler nun: vororganschaftliche Verluste sind entgegen § 301 AktG und entgegen den Vereinbarungen im EAV bis 2012 nicht ausgeglichen worden. Beanstandung durch BP im Herbst 2013.

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Beispiel 3 – Lösungshinweise

•  Bisher h.M.: EAV war (von Anfang an) missglückt

•  Neues Recht: § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 (+), bei nicht ausgeglichenen vororganschaftlichen Verlusten ist der Posten „Abführungsverpflichtung“ fehlerhaft (BT-Drucks. 17/10774, S. 20)

è  Spürbare Erleichterung für den StPfl.!

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Beispiel 4 – Sachverhalt

•  Wie Ausgangsbeispiel, Fehler diesmal: schädliche Rücklagenbildung in der Organgesellschaft (entgegen § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KStG)

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Beispiel 4 – Lösungshinweise

•  „Fehlerhafter Bilanzansatz“ i.S. der Neuregelung? –  (-) wenn die fragliche Rücklagenbildung handelsrechtlich

rechtmäßig ist (so im Ergebnis Dötsch/Pung, DB 2013, 305, 309 und 312) –  Aber: verstößt die Rücklagenbildung zugleich gegen den

EAV, dann auch HB fehlerhaft (arg. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG)

•  Jahresabschluss „wirksam festgestellt“? –  Mögliche Nichtigkeit gem. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG (!) –  Grenze: (Un-)Wesentlichkeit –  Heilung nach § 256 Abs. 6 S. 1 AktG (6 Monate seit

Bekanntmachung des Abschlusses im Bundesanzeiger)

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„Jahresabschluss wirksam festgestellt“

•  „Wirksam festgestellt“ = nicht nichtig •  Nichtigkeit gem. § 256 AktG (analog)

–  Normzweck des § 256 AktG: Einschränkung der Nichtigkeitsgründe; Bestandsschutz für den festgestellten Jahresabschluss (Hennrichs, ZHR 168 (2004), 383, 386 f. m.w.N.) à Nur besonders schwerwiegende Fehler führen zur Nichtigkeit

–  Dogmatik: Gegenstand der Nichtigkeit ist der Feststellungsbeschluss („korporationsrechtliches Rechtsgeschäft eigener Art“, BGHZ 124, 111, 116)

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Nichtigkeitsgründe

•  Ansatz- und Bewertungsfehler –  Überbewertung (§ 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 2 AktG) –  Unterbewertung, (nur) wenn dadurch Vermögens- und

Ertragslage vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird (§ 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 3 AktG)

–  Fehler muss in jedem Fall „wesentlich“ / „von einigem Gewicht“ sein (BGHZ 83, 341, 347)

•  Prüfungsfehler: § 256 Abs. 1 Nr. 2, 3 AktG •  Fehler bei der Dotierung von Rücklagen: § 256

Abs. 1 Nr. 4 AktG •  Gliederungs- und Formfehler: § 256 Abs. 4 AktG

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Beispiel 5 – Sachverhalt

•  Wie Ausgangsbeispiel; Fehler hier: T hat Sachanlagen außerplanmäßig abgeschrieben. Dadurch errechnet sich ein Fehlbetrag, der im Jahresabschluss als Ausgleichsforderung aktiviert wurde. Ohne die außerplanmäßige Abschreibung wäre das Ergebnis der T ausgeglichen gewesen. Die BP beanstandet die Abschreibung, weil die Wertminderung jedenfalls nicht voraussichtlich dauernd sei (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB).

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Beispiel 5 – Lösungshinweise

•  Bezogen auf den Posten Sachanlagen: Unterbewertung

•  Bezogen auf den Posten Ausgleichsforderung: Überbewertung (!)

•  Nichtigkeit des Jahresabschlusses? –  Dafür: Welf Müller, FS für Kropff, 1997, S. 517, 530 f.; Arg.:

Überbewertung ist postenbezogen festzustellen –  Aber: wohl teleologische Auslegung des § 256 AktG

geboten, bei EAV bezieht sich „Überbewertung“ auf die Posten in der Vorrechnung

à im Beispiel keine Nichtigkeit

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Heilung der Nichtigkeit

•  § 256 Abs. 6 AktG (analog) •  Rechtsfolge: Jahresabschluss wird wirksam („die

Nichtigkeit [...] kann nicht mehr geltend gemacht werden“) è

•  Jahresabschluss ist „wirksam festgestellt“ i.S. des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 Buchst. a) KStG n.F. Zutr. Dötsch/Pung, DB 2013, 305, 309; Schneider/Sommer, GmbHR 2013, 22, 25

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Fehlerhaftigkeit „nicht hätte erkannt werden müssen“

•  Bei uneingeschränktem Bestätigungsvermerk: Fiktion gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 5 KStG n.F. –  Ergänzungen und Hinweise zum uneingeschränkten

Bestätigungsvermerk (s. § 322 Abs. 3 S. 2 HGB) sind unschädlich

–  Einschränkung berührt EAV nicht, dann aber kein § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 5 KStG

–  Schadet auch Einschränkung des BV wegen Fehlern bei Wortberichten?

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Bestätigungsvermerk

•  Zum Jahresabschluss (auch bei freiwilliger Prüfung)

•  Zum Konzernabschluss, in den der Jahresabschluss einbezogen worden ist –  Auch IFRS-KA (str.) und KA ausländischer

Mutterunternehmen –  Nichteinbeziehung infolge von

Einbeziehungswahlrechten (§ 296 Abs. 2 HGB) schädlich

–  Prüfungsdichte grundsätzlich unerheblich

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Insbes.: Bestätigungsvermerk zum IFRS-Konzernabschluss und S. 5

•  Contra: –  Bei IFRS-KA-Prüfung wird HGB-JA nicht umfassend geprüft –  Freiwillige HGB-Prüfung als Alternative vorgesehen

•  Pro: –  Wortlaut des S. 5 –  Wertungen des § 315a HGB und der IAS-VO –  Regelungszweck: Vereinfachung / Erleichterung –  Prüfungsdichte grundsätzlich irrelevant

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Bescheinigung eines StB/WP

•  WP: Bescheinigung nach IDW S 7 •  StB: Verlautbarung der BStBK zu den

Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen vom 12./13.4.2010

•  Bescheinigung über eine prüferische Durchsicht reicht nicht aus

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„von der Finanzverwaltung beanstandeter Fehler“

•  Erkennbar abschließende Willensbildung der Finanzverwaltung erforderlich

•  I.d.R. mit Bekanntgabe des BP-Berichts •  Korrektur in laufender Rechnung genügt •  Korrektur auf beiden Ebenen erforderlich

(„in dem [...] Jahresabschluss der Organgesellschaft und des Organträgers korrigiert“)

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Fehler, der „in der Handelsbilanz zu korrigieren ist“

•  Primat des Handelsrechts •  Bei Nichtigkeit: grds. Neuerstellung erforderlich

(IDW RS HFA 6 Tz. 15 ff.) •  Bei Fehlern unterhalb der Nichtigkeitsschwelle:

Fehlerkorrektur in laufender Rechnung genügend, aber auch erforderlich; insoweit keine Wesentlichkeitsgrenze (h.M.) IDW RS HFA 6 Tz. 21; Hennrichs, ZHR 168 (2004) 383, 394 f. m.w.N.

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Meinungsverschiedenheiten über die Frage des „Fehlers“

•  Beispiel: BP beanstandet einen „Fehler“, der nach Ansicht des AP handelsrechtlich gar kein Fehler ist (oben Beispiel 2), dessen „Korrektur“ HB erst fehlerhaft machen und zur Einschränkung des (nächsten) Testats führen würde à

•  „Zwickmühle zwischen BP und AP“

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Risikoverteilung und Zuständigkeiten

•  Nach BT-Drucks. 17/11217, S. 10: Risiko des StPfl.

•  Letztentscheidungszuständigkeit des BFH •  Primat des Handelsrechts ist zu beachten •  Mögliche Rückwirkungen auf

berufsständische Verlautbarungen und Prüfungspraxis?

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Fazit

•  Neuregelung bringt einige begrüßenswerte Erleichterungen (so auch U. Prinz, GmbHR 2013, R81 f.).

•  Weite Auslegung des Fehlerbegriffs geboten; erfasst sind auch Fehler bei der –  vororganschaftlichen Verlustverrechnung und bei der –  Rücklagendotierungen, wenn zugleich Verstoß gegen EAV.

•  Heilung der Nichtigkeit gem. § 256 Abs. 6 AktG gilt auch im Rahmen des § 14 KStG n.F.

•  Korrekturpflicht nach Maßgabe einer Beanstandung durch FinVerw. unterliegt Primat des Handelsrechts.

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Kontakt

Prof. Dr. Joachim Hennrichs Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Bilanz- und Steuerrecht Universität zu Köln Albertus-Magnus-Platz 50923 Köln

Telefon: 0221 / 470-5694 [email protected] http://www.bilanzrecht.uni-koeln.de/

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