Bildung, ausgewählte Ernährungseinstellungen und Ernährungsverhalten; Education, selected...

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289 | Prävention und Gesundheitsförderung 4 · 2013 Gesundheitsinformation Hintergrund und Fragestellung Viele Aspekte des Gesundheitsverhaltens sind sozial – hier im Sinne von „sozioöko- nomisch“ – verteilt. Je höher Bildung, be- rufliche Stellung oder Einkommen eines Erwachsenen, desto größer ist die Wahr- scheinlichkeit, dass er nicht raucht, kör- perlich aktiv ist oder sich gesund ernährt – dies haben Studien in Deutschland und Europa mit hoher Übereinstimmung ge- zeigt [9, 11]. Die vorliegende Untersuchung wen- det sich der Ernährung als einem be- deutsamen Bereich des Gesundheitsver- haltens zu. Hier sind soziale Unterschie- de beim Konsum verschiedener Lebens- mittelgruppen nachgewiesen worden. Im Rahmen der 2. Nationalen Verzehrsstu- die konnte beispielsweise für Erwachsene gezeigt werden, dass mit höherer sozialer Schichtzugehörigkeit der tägliche Kon- sum von Obst, Gemüse und Fisch steigt und der tägliche Konsum von Fleisch- und Wurstwaren sowie Fetten abnimmt [10]. Insbesondere die soziale Ungleich- verteilung des Verzehrs von Obst und Ge- müse ist europaweit gut belegt [6]. Zum Verzehr von kohlenhydratreichen Le- bensmitteln ist die Befundlage jedoch un- einheitlich [12]. Es stellt sich die Frage nach der Ursa- che des ungleichen Ernährungsverhal- tens. Wie andere Gesundheitsverhaltens- weisen auch, ist das Ernährungsverhalten Ergebnis eines Zusammenspiels von indi- viduellen Merkmalen wie Wissen, Einstel- lungen oder Gewohnheiten und struktu- rellen Merkmalen wie Zugang zu gesun- den und bezahlbaren Lebensmitteln. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Einstellungen zur Ernährung. Grundlage der Gesundheitserziehung und Verhaltensprävention ist die Annah- me, dass individuelle Einstellungen einen Einfluss auf das Ernährungsverhalten einer Person haben. Diese Erkenntnis ist nicht neu: Im Rahmen der Theorie des ge- planten Verhaltens wurden Einstellungen und Überzeugungen als eine von drei not- wendigen Voraussetzungen für Verhal- tensänderungen angeführt [1]. Empiri- sche Arbeiten weisen vereinzelt darauf hin, dass Ernährungseinstellungen sozial ungleich verteilt sind [15]. Doch welche Rolle spielen Einstellungen im Zusam- menhang mit sozialer Ungleichheit des Ernährungsverhaltens? Wenige quantitative Studien haben dieses Zusammenspiel untersucht. In einer US-amerikanischen Studie konnte gezeigt werden, dass der Zusammenhang von Sozialschicht und Ernährungsquali- tät nach Ernährungswissen und -einstel- lungen variierte [3]. In einer australischen Stichprobe erklärten soziale Unterschie- de in Ernährungseinstellungen und Be- denken bezüglich der Bezahlbarkeit ge- sunder Ernährung einen Teil des Zusam- menhangs zwischen Bildung und Ernäh- rung [18]. Anhand einer deutschen Stichprobe soll nun untersucht werden, inwiefern Bil- dungsstatus, ausgewählte Ernährungsein- stellungen und Ernährungsverhalten zu- sammenhängen. Die Hypothesen der vor- liegenden Untersuchung sind, 1) dass Er- nährungseinstellungen bei erwachsenen Männern und Frauen sozial ungleich ver- teilt sind und 2) dass diese Unterschiede in den Einstellungen zur Erklärung sozia- ler Ungleichheiten des Ernährungsver- haltens beitragen. Die Analysen werden mit Daten aus der Heinz Nixdorf Recall- (HNR-)Studie durchgeführt, einer popu- lationsbezogenen Bevölkerungsstudie im Ruhrgebiet. Studiendesign und Untersuchungsmethoden Ziel der HNR-Studie ist, die Vorhersa- ge von Herzerkrankungen zu verbessern [4, 16, 17]. Hierzu wurden in einer ers- ten Untersuchungsphase (2000–2003) 4814 Bürgerinnen und Bürger aus den Städten Bochum, Essen und Mülheim an der Ruhr zwischen 45 und 75 Jahren medizinisch untersucht und hinsichtlich ihrer Risiken, ihres Lebensstils und sozia- len Umwelt befragt. Die in dieser Unter- suchung verwendeten Daten stammen aus der Nachverfolgung von 4157 Män- ner und Frauen, die 5 Jahre nach Studien- beginn erneut eingeladen und untersucht wurden (Response 90,2 %). Sozialer Status wurde mit dem Bil- dungsstatus gemessen. Dieser war zur Basisuntersuchung in einem Face-to- face-Interview erfragt worden. Gemäß des international gebräuchlichen Klas- Simone Weyers · Christine Fekete · Nico Dragano · Susanne Moebus · Stefan Möhlenkamp · Silke Andrich · Raimund Erbel · Karl-Heinz Jöckel · Johannes Siegrist für die Investigator-Gruppe der Heinz Nixdorf Recall Studie Institut für Medizinische Soziologie, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland Bildung, ausgewählte Ernährungseinstellungen und Ernährungsverhalten Ergebnisse der Heinz Nixdorf Recall-Studie Präv Gesundheitsf 2013 ∙ 8:289–294 DOI 10.1007/s11553-013-0404-3 Online publiziert: 10. September 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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289| Prävention und Gesundheitsförderung 4 · 2013

Gesundheitsinformation

Hintergrund und Fragestellung

Viele Aspekte des Gesundheitsverhaltens sind sozial – hier im Sinne von „sozioöko-nomisch“ – verteilt. Je höher Bildung, be-rufliche Stellung oder Einkommen eines Erwachsenen, desto größer ist die Wahr-scheinlichkeit, dass er nicht raucht, kör-perlich aktiv ist oder sich gesund ernährt – dies haben Studien in Deutschland und Europa mit hoher Übereinstimmung ge-zeigt [9, 11].

Die vorliegende Untersuchung wen-det sich der Ernährung als einem be-deutsamen Bereich des Gesundheitsver-haltens zu. Hier sind soziale Unterschie-de beim Konsum verschiedener Lebens-mittelgruppen nachgewiesen worden. Im Rahmen der 2. Nationalen Verzehrsstu-die konnte beispielsweise für Erwachsene gezeigt werden, dass mit höherer sozialer Schichtzugehörigkeit der tägliche Kon-sum von Obst, Gemüse und Fisch steigt und der tägliche Konsum von Fleisch- und Wurstwaren sowie Fetten abnimmt [10]. Insbesondere die soziale Ungleich-verteilung des Verzehrs von Obst und Ge-müse ist europaweit gut belegt [6]. Zum Verzehr von kohlenhydratreichen Le-bensmitteln ist die Befundlage jedoch un-einheitlich [12].

Es stellt sich die Frage nach der Ursa-che des ungleichen Ernährungsverhal-tens. Wie andere Gesundheitsverhaltens-weisen auch, ist das Ernährungsverhalten Ergebnis eines Zusammenspiels von indi-viduellen Merkmalen wie Wissen, Einstel-

lungen oder Gewohnheiten und struktu-rellen Merkmalen wie Zugang zu gesun-den und bezahlbaren Lebensmitteln.

Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Einstellungen zur Ernährung. Grundlage der Gesundheitserziehung und Verhaltensprävention ist die Annah-me, dass individuelle Einstellungen einen Einfluss auf das Ernährungsverhalten einer Person haben. Diese Erkenntnis ist nicht neu: Im Rahmen der Theorie des ge-planten Verhaltens wurden Einstellungen und Überzeugungen als eine von drei not-wendigen Voraussetzungen für Verhal-tensänderungen angeführt [1]. Empiri-sche Arbeiten weisen vereinzelt darauf hin, dass Ernährungseinstellungen sozial ungleich verteilt sind [15]. Doch welche Rolle spielen Einstellungen im Zusam-menhang mit sozialer Ungleichheit des Ernährungsverhaltens?

Wenige quantitative Studien haben dieses Zusammenspiel untersucht. In einer US-amerikanischen Studie konnte gezeigt werden, dass der Zusammenhang von Sozialschicht und Ernährungsquali-tät nach Ernährungswissen und -einstel-lungen variierte [3]. In einer australischen Stichprobe erklärten soziale Unterschie-de in Ernährungseinstellungen und Be-denken bezüglich der Bezahlbarkeit ge-sunder Ernährung einen Teil des Zusam-menhangs zwischen Bildung und Ernäh-rung [18].

Anhand einer deutschen Stichprobe soll nun untersucht werden, inwiefern Bil-dungsstatus, ausgewählte Ernährungsein-

stellungen und Ernährungsverhalten zu-sammenhängen. Die Hypothesen der vor-liegenden Untersuchung sind, 1) dass Er-nährungseinstellungen bei erwachsenen Männern und Frauen sozial ungleich ver-teilt sind und 2) dass diese Unterschiede in den Einstellungen zur Erklärung sozia-ler Ungleichheiten des Ernährungsver-haltens beitragen. Die Analysen werden mit Daten aus der Heinz Nixdorf Recall- (HNR-)Studie durchgeführt, einer popu-lationsbezogenen Bevölkerungsstudie im Ruhrgebiet.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Ziel der HNR-Studie ist, die Vorhersa-ge von Herzerkrankungen zu verbessern [4, 16, 17]. Hierzu wurden in einer ers-ten Untersuchungsphase (2000–2003) 4814 Bürgerinnen und Bürger aus den Städten Bochum, Essen und Mülheim an der Ruhr zwischen 45 und 75 Jahren medizinisch untersucht und hinsichtlich ihrer Risiken, ihres Lebensstils und sozia-len Umwelt befragt. Die in dieser Unter-suchung verwendeten Daten stammen aus der Nachverfolgung von 4157 Män-ner und Frauen, die 5 Jahre nach Studien-beginn erneut eingeladen und untersucht wurden (Response 90,2 %).

Sozialer Status wurde mit dem Bil-dungsstatus gemessen. Dieser war zur Basisuntersuchung in einem Face-to-face-Interview erfragt worden. Gemäß des international gebräuchlichen Klas-

Simone Weyers · Christine Fekete · Nico Dragano · Susanne Moebus · Stefan Möhlenkamp · Silke Andrich · Raimund Erbel · Karl-Heinz Jöckel · Johannes Siegrist für die Investigator-Gruppe der Heinz Nixdorf Recall StudieInstitut für Medizinische Soziologie, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland

Bildung, ausgewählte Ernährungseinstellungen und Ernährungsverhalten

Ergebnisse der Heinz Nixdorf Recall-Studie

Präv Gesundheitsf 2013 ∙ 8:289–294DOI 10.1007/s11553-013-0404-3Online publiziert: 10. September 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Gesundheitsinformation

290 | Prävention und Gesundheitsförderung 4 · 2013

sifikationsschemas ISCED („Interna-tional Standard Classification of Educa-tion“) wurden hierzu die bis zum höchs-ten Abschluss absolvierten Schul- und Berufsausbildungsjahre addiert und in vier Gruppen unterteilt (≤ 10 Jahre, 11–13 Jahre, 14–17 Jahre, ≥ 18 Jahre [19]).

Ernährungseinstellungen wurde erho-ben, indem die Ablehnung oder Zustim-mung (ja/nein) zu folgenden Aussagen er-fragt wurde: „Ich glaube, dass sich durch eine Ernährungsumstellung (z. B. auf ve-getarisches Essen, Frischkost, mediterra-ne Kost oder ähnliches) chronische Er-krankungen verhüten oder nach ihrem Ausbruch günstig beeinflussen lassen“ sowie „Ich habe schon oft über eine für meine Gesundheit günstigere Ernährung nachgedacht, eine Umstellung erscheint mir jedoch zu aufwändig“.

Das Ernährungsverhalten wurde mit Hilfe eines Food-Frequency-Fragebogens erhoben [21]. Die Verzehrshäufigkeit von verschiedenen Lebensmittelgruppen wur-de gemäß der ungünstigen, mittleren oder empfohlenen Einnahme quantifiziert [21]. Für die vorliegende Untersuchung wurden Nahrungsmittel ausgewählt, die in der HNR-Studie einen deutlichen so-zialen Gradienten nach Bildungsjahren aufweisen, und zwar frisches Gemüse, Müsli und Olivenöl. Diese drei Nahrungs-mittel bilden jeweils verschiedene Aspek-te einer gesunden Ernährung ab. Für die Berechnungen wurde die ungünstige Ver-zehrshäufigkeit der mittleren und günsti-gen Kategorie gegenüber gestellt.

Chronische Krankheiten wurden im Rahmen der ärztlichen Anamnese erho-ben. Patienten, welche angaben, eine(n) ärztlich diagnostizierte koronare Herz-

krankheit (KHK), Diabetes oder Krebs-erkrankung zu haben, wurden in der vor-liegenden Untersuchung als chronisch krank definiert.

Statistische Analysen

Hypothese 1 zur Varianz von Ernährungs-einstellungen in den Bildungsschichten wurde zunächst bivariat untersucht, wo-bei jeweils der prozentuale Anteil der Männer und Frauen mit ausgewählten Ernährungseinstellungen nach Bildungs-gruppen abgetragen wurde. Durch einen Chi-Quadrat-Test nach Pearson wurden p-Werte errechnet.

Zur Prüfung der Hypothese 2 bzgl. der Rolle der Ernährungseinstellungen bei sozialen Ungleichheiten des Ernährungs-verhaltens wurden in einem multivaria-ten logistischen Regressionsmodell zu-nächst die Chancen des Ernährungsver-haltens zwischen den Bildungsgruppen untersucht. Dabei wurden Odds Ratios (OR) mit 95 %igem Konfidenzintervall (KI) mit der höchsten Bildungsgruppe als Referenzgruppe im Modell berechnet. Die für Alter adjustieren Modelle wurden wie-der für Männer und Frauen getrennt ge-rechnet.

Im zweiten Schritt wurde diejenige Er-nährungseinstellung, die bei Männern und Frauen sozial ungleich verteilt war, als Kontrollvariable eingeführt. Vermindern sich hierdurch die Chancenverhältnisse zwischen den Bildungsgruppen, kann dies als Hinweis interpretiert werden, dass Er-nährungseinstellungen einen Beitrag zur Erklärung sozialer Ungleichheit des Er-nährungsverhaltens leisten.

In einem dritten Schritt wurden chro-nische Krankheiten als Kontrollvariablen aufgenommen, um zu prüfen, ob das Vor-liegen von Krankheiten den Zusammen-hang beeinflusst.

Die statistischen Berechnungen wur-den mit IBM SPSS Statistics 19 durchge-führt. Fälle mit fehlenden Werten wurden aus der Analyse ausgeschlossen.

Ergebnisse

. Tab. 1 beschreibt die Stichprobe hin-sichtlich der interessierenden Eigenschaf-ten. Bezüglich der soziodemographischen Merkmale kann festgehalten werden, dass

Tab. 1 Soziodemographische Merkmale, Ernährungseinstellungen, Ernährungsverhalten und chronische Krankheiten in der HNR-StudieGesamtstichprobe n = 4157Merkmal(Anzahl der fehlenden Werte)

Männer n (Mittel)

[SD]a (%)

Männer n (Mittel)

[SD]a (%)

Männer n (Mittel)

[SD]a (%)

Geschlecht (0) 2054 49,4 2103 50,6 4157 100

Alter (0) [59,2] [7,5] [59,2] [7,7] [59,2] [7,6]

Bildung (5)

≤ 10 Jahre 86 4,2 335 15,9 421 10,1

11–13 Jahre 965 47,1 1353 64,4 2318 55,8

14–17 Jahre 700 34,1 240 11,4 940 22,6

≥18 Jahre 299 14,6 174 8,3 473 11,4

Ernährungsumstellung schützt (176)

Nein 697 35,2 625 31,2 1322 31,8

Ja 1283 64,8 1376 68,8 2659 64,0

Ernährungsumstellung zu aufwändig (213)

Nein 1076 54,7 1140 57,7 2216 53,3

Ja 892 45,3 836 42,3 1728 41,6

Verzehr von frischem Gemüse (48)

Mittel bis günstig 560 27,6 859 41,3 1419 34,5

Ungünstig 1470 72,6 1220 58,8 2690 65,5

Verzehr von Müsli (43)

Mittel bis günstig 772 38,0 911 43,8 1683 40,9

Ungünstig 1262 32,0 1169 56,2 2431 59,1

Verzehr von Olivenöl (62)

Mittel bis günstig 1294 63,6 1330 64,5 2624 64,1

Ungünstig 739 36,4 732 35,5 1471 35,9

Chronisch krank (0)

Nein 1371 66,7 1643 78,1 3014 72,5

Ja 683 33,3 460 21,9 1143 27,5aSD Standardabweichung

291| Prävention und Gesundheitsförderung 4 · 2013

die Geschlechterverteilung nahezu ausge-glichen und das Durchschnittsalter knapp 60 Jahre beträgt. Ein Drittel der Stichpro-be glaubt nicht, dass sich eine Ernäh-rungsumstellung positiv auf die Gesund-heit auswirkt und knapp die Hälfte der Stichprobe meint, eine Ernährungsum-stellung sei zu aufwändig.

1) Soziale Verteilung der Ernährungs-einstellungen. Die nachfolgenden . Abb. 1a und b illustrieren die Vertei-lung der beiden Merkmale. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen besteht ein sozialer Gradient hinsichtlich der Ein-stellung, dass eine Ernährungsumstel-lung chronische Erkrankungen verhüten oder nach ihrem Ausbruch günstig beein-flussen kann (p = 0,000). In Bezug auf die Einschätzung, dass eine Ernährungsum-stellung zu aufwändig erscheint, zeigen sich nur bei den weiblichen Studienteil-nehmern soziale Unterschiede (p = 0,000). Hier werden Bedenken hinsichtlich des Aufwands häufiger in der niedrigen Bil-dungsgruppe geäußert.

Zusammenfassend kann gesagt wer-den, dass die Ernährungseinstellungen bei den männlichen und weiblichen Stu-dienteilnehmern sozial ungleich verteilt sind. Es gibt jedoch auch geschlechterspe-zifische Besonderheiten, so weist die Ein-schätzung des Aufwandes einer Ernäh-rungsumstellung nur bei Frauen einen Bildungsgradienten auf.

2) Soziale Verteilung der Ernährung und die Rolle der Ernährungseinstel-lung. Für die Basiserhebung wurden so-ziale Ungleichheiten der Ernährung be-reits ausführlich beschrieben [12]. Die nachfolgende . Tab. 2 zeigt das Chancen-verhältnis (OR) der mittleren bzw. nied-rigsten Bildungsgruppe im Vergleich zur höchsten Bildungsgruppe, ein ungünsti-ges Konsumverhalten bezüglich der drei ausgewählten Nahrungsmittel frisches Gemüse, Müsli und Olivenöl aufzuwei-sen. Die für Alter und Ernährungsein-stellung adjustierten Modelle werden für Männer und Frauen getrennt gerechnet.

Soziale Ungleichheiten des Ernäh-rungsverhaltens zeigen sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Sie sind insgesamt moderat bezüglich des Ver-zehrs von Gemüse, stärker ausgeprägt

beim Verzehr von Müsli und am stärks-ten bei Olivenöl. In der niedrigsten Bil-dungsgruppe ist die Chance kein Oliven-öl zu verzehren, fünffach erhöht (OR 4,74 bei Männern; OR 5,18 bei Frauen).

Bei Männern ist der Zusammenhang von Ausbildungsjahren mit dem Verzehr von frischem Gemüse und Müsli u-för-mig, d.  h. Personen mit 11–13  Ausbil-

dungsjahren weisen die größte Chance ungünstigen Verzehrs auf. Bei Frauen fin-det sich in allen drei Bereichen ein sozia-ler Gradient, wobei die Chancen des un-günstigen Verzehrs bei abnehmender Bil-dung sukzessive steigen. Bei Männern zeigt sich dieser Gradient nur in Bezug auf Olivenöl.

Präv Gesundheitsf 2013 ∙ 8:289–294 DOI 10.1007/s11553-013-0404-3© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

S. Weyers · C. Fekete · N. Dragano · S. Moebus · S. Möhlenkamp · S. Andrich · R. Erbel · K.-H. Jöckel · J. Siegrist für die Investigator-Gruppe der Heinz Nixdorf Recall Studie

Bildung, ausgewählte Ernährungseinstellungen und Ernährungsverhalten. Ergebnisse der Heinz Nixdorf Recall-Studie

Zusammenfassung

Hintergrund. Soziale Ungleichheiten im Er-nährungsverhalten sind belegt, die Ursachen hierfür jedoch nicht ausreichend untersucht. Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf aus-gewählte Ernährungseinstellungen als Ver-mittlungsfaktor. Es wird prüft, ob diese Ein-stellungen bei Männern und Frauen sozial ungleich verteilt sind und ob sie soziale Un-gleichheiten des Ernährungsverhaltens er-klären.Material und Methoden. Die Untersuchung basiert auf Daten der populationsbezogenen Heinz Nixdorf Recall-Studie. Angaben zu Bil-dung, Ernährungseinstellung und -verhalten von 4157 Männern und Frauen (50–80 Jah-re) werden mittels binärer logistischer Re-gressionen stratifiziert ausgewertet. Einstel-lungen betreffen v. a. die Relevanz einer ge-sunden Ernährung für chronische Krankhei-

ten. Ernährungsverhalten wird anhand des Verzehrs von Gemüse, Müsli und Olivenöl ge-messen.Ergebnisse. Die gewählten Ernährungsein-stellungen sind bei den Studienteilnehmern sozial ungleich verteilt. Soziale Ungleichhei-ten im Ernährungsverhalten werden jedoch durch diese Einstellung nicht vermittelt.Schlussfolgerung. Wichtige Einstellungen zur gesunden Ernährung sind in bildungsfer-nen Bevölkerungsgruppen unterrepräsen-tiert. Sie sollten weiterhin Gegenstand einer schicht- und geschlechtersensiblen Gesund-heitsförderung sein.

SchlüsselwörterSoziale Ungleichheit · Bildung · Ernährungsverhalten · Ernährungseinstellungen

Education, selected nutrition attitudes and nutrition behaviour. Results from the Heinz Nixdorf Recall Study

AbstractBackground. Social inequalities in nutrition are observed, but the causes still have to be clarified. This study focuses on nutrition at-titudes as mediator. We investigate whether there are social inequalities in selected nutri-tion attitudes in men and women and wheth-er these contribute to social inequalities in nutrition behaviour.Material and methods. Data are derived from the prospective population based Heinz Nixdorf Recall Study. Information on edu-cation, nutrition attitudes and behaviour of 4,157 men and women aged 50–80 years are stratified and analyzed using binary logis-tic regressions separately for men and wom-en. Attitudes refer mainly to the relevance of healthy nutrition for chronic diseases. Behav-

iour is measured by consumption of vegeta-bles, cereals and olive oil.Results. We observe social inequalities in selected nutrition attitudes in study partici-pants. However, social differences in nutrition behaviour are not explained by this.Conclusion. Important attitudes regard-ing healthy nutrition are underrepresent-ed in low education groups. It should contin-ue to be an issue of health promotion that is sensitive towards socioeconomic status and gender.

KeywordsSocial inequalities · Education · Nutrition behaviour · Nutrition attitudes

Zusammenfassung · Abstract

Gesundheitsinformation

292 | Prävention und Gesundheitsförderung 4 · 2013

Welche Rolle spielen nun Ernährungs-einstellungen im Zusammenhang von Bildung und Verzehr? Die Überzeugung „Ich glaube, dass sich durch eine Ernäh-rungsumstellung chronische Erkrankun-gen verhüten oder nach ihrem Ausbruch günstig beeinflussen lassen“ zeigte bei den vorangegangenen Analysen die ausge-prägtesten Bildungsunterschiede für bei-de Geschlechter und wurde daher in das Regressionsmodell aufgenommen.

Die Effekte werden nachfolgend bei-spielhaft für Olivenöl dargestellt: Bei Ein-führung der Ernährungseinstellung in das Modell verringern sich die Odds Ra-tios des ungünstigen Verzehrs leicht (OR 4,74 auf OR 4,00 bei Männern der nied-rigsten Bildungsgruppe; OR 5,18 auf OR 4,46 bei Frauen).

Dabei gibt es einen signifikanten Zu-sammenhang zwischen der Einstellung und dem ungünstigen Verzehr: Personen,

die glauben, eine Ernährungsumstellung könne sich günstig auf chronische Krank-heiten auswirken, haben eine geringe-re Chance des ungünstigen Verzehrs als Personen, welche diese Ansicht nicht tei-len (OR 0,50 bei Männern; OR 0,53 bei Frauen). Diese Schutzfunktion der Ernäh-rungseinstellung zeigt sich bei Frauen für alle drei Lebensmittel, bei Männern für Müsli und Olivenöl.

Möglicherweise spielt hier eine Rol-le, ob Probanden bereits eine chronische Krankheit haben. Daher wurde in einem dritten Schritt das Vorliegen einer chro-nischen Krankheit in das Modell einge-führt. Hierbei bleiben die Chancenver-hältnisse des ungünstigen Verzehrs je-doch unverändert. Das Merkmal „chro-nische Krankheit“ selber ist nicht signi-fikant mit dem ungünstigen Verzehr von Gemüse und Olivenölassoziiert, bzgl. der

Müsli zeigt sich ein (knapp) signifikanter Zusammenhang.

Zusammenfassend kann gesagt wer-den, dass hinsichtlich des ungünstigen Verzehrs ausgewählter Nahrungsmittel in der vorliegenden Stichprobe soziale Un-gleichheiten bestehen. Diese werden je-doch nur geringfügig über die Ernäh-rungseinstellung vermittelt. Letztere ist eigenständig mit ungünstigem Verzehr as-soziiert, wobei das Vorliegen chronischer Erkrankungen keinen Unterschied macht.

Diskussion

Anhand einer bevölkerungsbezogenen Studie mit Männern und Frauen des mitt-leren Erwachsenenalters wurden Ernäh-rungseinstellungen und soziologische Merkmale im Zusammenhang mit dem Ernährungsverhalten betrachtet.

Entsprechend der Hypothese 1 konn-ten Bildungsunterschiede in den ausge-wählten Ernährungseinstellungen in der HNR-Studienpopulation beobachtet wer-den. Frauen bereiten häufig die Nahrung in der Familie zu, sind also Multiplikato-rinnen für die Gesundheit ihrer Angehö-rigen. Frauen mit niedriger Bildung müs-sen noch besser informiert werden, wie gesunde Ernährung im Alltag umgesetzt werden kann und motiviert werden, dies in ihre Familien hineinzutragen. Beson-ders kritisch in diesem Zusammenhang ist, dass diese Frauen vermehrt angeben, eine Ernährungsumstellung sei mit über-mäßigem Aufwand verbunden. Dieser Befund passt jedoch zu den Studienergeb-nissen von Ernährungsforschern, die zu-mindest für den finanziellen Aufwand zeigen konnten, dass eine preisbewusst konzipierte, gesunde Ernährung unter bestimmten Bedingungen der Sozialhilfe bei gängigem Einkaufsverhalten ab dem Schulalter nicht zu realisieren ist [7].

Entgegen der Hypothese 2 konnte für die HNR-Studie nicht gezeigt werden, dass die Ernährungseinstellung zur Er-klärung des sozialen Gradienten des Er-nährungsverhaltens substantiell beiträgt. Dies verweist auf die Relevanz anderer Einflussfaktoren für gesundheitliche Un-gleichheiten, etwa der Umwelt oder der Settings, in denen Menschen leben und arbeiten [20]. In einer deutschen Studie konnte beispielsweise beobachtet werden,

50,6

59,4

67

80,4

45,7 45,146,9

42,550

60

70

80

90

 ≥18 Jahre

Ernährungsumstellung schützt

Ernährungsumstellung zu aufwändig

0

10

20

30

a

b

40

   ≤10 Jahre 11‐13 Jahre 14‐17 Jahre

≤10 Jahre 11‐13 Jahre 14‐17 Jahre ≥18 Jahre

52,8

67,5

84,3 85

46,3 44,136,8

29,6

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Ernährungsumstellung zu aufwändigErnährungsumstellung schützt

Abb. 1 9 a Ernäh-rungseinstellungen nach Bildungsgrup-pen bei Männern (An-gaben in %). b Ernäh-rungseinstellungen nach Bildungsgrup-pen bei Frauen (Anga-ben in %)

293| Prävention und Gesundheitsförderung 4 · 2013

dass die Verkaufsstellen für adipogene Le-bensmittel (z. B. Fast Food) in sozial be-nachteiligten Nachbarschaften überreprä-sentiert sind [5]. Demgegenüber steht je-doch eine australische Mehrebenenanaly-se die zeigte, dass die Dichte der Geschäf-te mit gesunden Nahrungsmitteln sozia-le Ungleichheiten des Verzehrs von Obst und Gemüse statistisch nicht zu erklären vermag [2]. Somit bleibt die Rolle indivi-dueller und struktureller Merkmale im Zusammenspiel mit sozialen Ungleich-heiten des Ernährungsverhaltens weiter-hin unklar und bedarf zukünftiger empi-rischer Untersuchungen.

Für Berufstätige ist sicherlich in beson-derer Weise relevant, ob im beruflichen Umfeld gesunde Ernährungsangebote, z. B. Kantinen, vorhanden sind. Weite-re Aspekte der Erwerbssituation konnten ebenfalls in Zusammenhang mit dem Er-

nährungsverhalten gebracht werden. Bei arbeitenden Personen korrelieren chro-nische psychosoziale Belastungen mit einem erhöhten „Body Mass Index“ als Indikator für ungünstige Ernährung [14]. Bei Langzeitarbeitslosen wiederum wird vermutet, dass der Konsum von energie-dichten Lebensmitteln als Strategie zur Bewältigung der durch die Erwerbslosig-keit entstandenen psychosozialen Belas-tungen eingesetzt wird [8].

Weitere Erklärungsfaktoren für sozia-le Ungleichheiten im Ernährungsverhal-ten sind in einer deutschsprachigen Über-sichtsarbeit zusammengetragen [13].

Methodische Beschränkungen und Stärken

Bevor ein Fazit für die Prävention und Gesundheitsförderung gezogen wird, sol-

len einige Punkte zur Vorgehensweise diskutiert werden, welche insbesondere die Komplexität der untersuchten Merk-male betreffen.

Die Schul- und Berufsausbildung ist nicht die einzige Möglichkeit, den sozio-ökonomischen Status einer Person zu er-fassen. In der HNR-Studie wurden daher auch Einkommen und berufliche Stel-lung der Probanden erhoben. Der Nach-teil der Operationalisierung des Sozialsta-tus durch die berufliche Stellung ist, dass Menschen ohne Beruf wie Hausfrauen und Arbeitslose ausgeschlossen werden. Für die vorliegende Analyse schien daher die Verwendung der Bildung als Schicht-indikator sinnvoll.

Darüber hinaus ist das Ernährungsver-halten vielschichtiger als hier dargestellt. Es wird in Studien in der Regel durch An-gaben zur Verzehrshäufigkeit und -men-

Männer Frauen

Modell 1 Modell 2 Modell 3 Modell 1 Modell 2 Modell 3

(+ Alter) (1 + Ernährungs-einteilung)

(2 + chronisch krank)

(+Alter) (1 + Ernährungs-einstellung

(2 + chronisch krank)

Frisches Gemüse (wöchentlich und seltener)

Bildung

≥ 18 Jahre 1,00a 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00

14–17 Jahre 1,37(1,02–1,83) 1,35(1,01–1,81) 1,36(1,01–1,83) 1,16(0,78–1,73) 1,16(0,78–1,73) 1,17(0,78–1,74)

11–13 Jahre 1,72(1,29–2,28) 1,68(1,26–2,24) 1,70(1,28–2,27) 1,37(0,99–1,90) 1,32(0,95–1,83) 1,32(0,95–1,84)

≤ 10 Jahre 1,14(0,67–1,93) 1,10(0,64–1,87) 1,11(0.65–1,89) 1,62(1,09–2,41) 1,51(1,01–2,26) 1,53(1,02–2,29)

Ernährungsein- stellungb

0,89(0,70–1,10) 0,88(0,71–1,10) 0,76(0,62–0,93) 0,76(0,62–0,93)

Chronisch krankc 0,83(0,67–1,03) 0,93(0,74–1,16)

Müsli (mo-natlich und seltener)

Bildung

≥ 18 Jahre 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00

14–17 Jahre 1,68(1,27–2,21) 1,60(1,21–2,12) 1,58(1,19–2,09) 1,34(0,90–2,00) 1,35(0,91–2,02) 1,35(0,90–2,01)

11–13 Jahre 3,15(2,40–4,14) 2,95(2,24–3,88) 2,89(2,19–3,81) 1,76(1,27–2,44) 1,63(1,17–2,27) 1,61(1,16–2,24)

≤ 10 Jahre 2,68(1,59–4,52) 2,42(1,43–4,10) 2,39(1,41–4,06) 2,28(1,53–3,40) 1,99(1,33–2,98) 1,93(1,29–2,90)

Ernährungsein-stellung

0,68(0,55–0,85) 0,68(0,55–0,83) 0,56(0,46–0,69) 0,56(0,46–0,69)

Chronisch krank 1,34(1,09–1,65) 1,23(0,98–1,54)

Olivenöl (wo-chentlich und seltener)

Bildung

≥ 18 Jahre 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00

14–17 Jahre 1,77(1,27–2,47) 1,64(1,17–2,28) 1,64(1,17–2,29) 2,25(1,33–3,78 2,28(1,35–3,85) 2,29(1,35–3,86)

11–13 Jahre 3,02(2,20–4,13) 2,67(1,94–3,68) 2,68(1,94–3,68) 3,35(2,14–5,26) 3,08(1,96–4,85) 3,09(1,97–4,86)

≤10 Jahre 4,74(2,81–7,99) 4,00(2,35–6,81) 4,01(2,35–6,82) 5,18(3,14–8,55) 4,46(2,69–7,40) 4,50(2,71–7,47)

Ernährungsein-stellung

0,50(0,41–0,61) 0,50(0,41–0,61) 0,53(0,43–0,65) 0,53(0,43–0,65)

Chronisch krank 0,98(0,80–1,21) 0,93(0,74–1,18)aReferenzgruppebErnährungsumstellung schützt vor chronischen KrankheitencDiagnostizierte KHK, Diabetes oder Krebserkrankung

Tab. 2 Odds Ratios des ungünstigen Ernährungsverhaltens nach Bildungsgruppen (95 %-Konfidenzintervall)

Gesundheitsinformation

294 | Prävention und Gesundheitsförderung 4 · 2013

ge einer Vielzahl von Nahrungsmitteln und Getränken erhoben. Diese können in einem Ernährungsindex zusammen-geführt werden, der das Ernährungsmus-ter ganzheitlich charakterisiert [21]. Für die vorliegende Untersuchung wurden diejenigen Nahrungsmittel herausgegrif-fen, welche besonders stark mit der Bil-dung korrelierten. Sie bilden gesunde Er-nährung nicht vollständig ab, entspre-chen aber verschiedenen Ebenen der Er-nährungspyramide wie Getreideproduk-te, Gemüse und Fette.

Auch Ernährungseinstellungen um-fassen mehr als die hier verwendeten In-dikatoren. Idealerweise sollten in Stu-dien die Einstellungen zur gesunden Er-nährung im Sinne eines gesundheitspsy-chologischen Konstruktes differenziert und validiert abgefragt werden [18]. Dies konnte im Rahmen der HNR-Studie nicht realisiert werden.

Insgesamt verfügt die HNR-Studie je-doch über ein qualitativ hochwertiges Datenmaterial mit umfassenden Maß-nahmen der Qualitätssicherung und einer Gesamtzertifizierung des Qualitätsma-nagements nach DIN ISO 9000. Die Stu-dienpopulation repräsentiert die Erwach-senenbevölkerung einer Metropolregion, womit Rückschlüsse auf Phänomene in dieser Bevölkerungsgruppe gezogen wer-den können.

Fazit für die Praxis

Die Ergebnisse sind für die Prävention und Gesundheitsförderung in mehrfa-cher Hinsicht relevant: Erstens unter-mauern die Befunde zur sozialen Un-gleichverteilung des Ernährungsverhal-tens den Bedarf an Interventionen, die auf bildungsferne Bevölkerungsgrup-pen gerichtet sind. Zweitens weisen die Befunde zur sozialen Ungleichvertei-lung der Ernährungseinstellungen dar-auf hin, dass grundlegende Informatio-nen zum Zusammenhang von Ernährung und Gesundheit nicht alle Bevölkerungs-gruppen erreichen. Hierbei sollte es ge-schlechtersensible Präventionsstrategien geben, da insbesondere Frauen als Multi-plikatorinnen für die Ernährung in ihren Familien verantwortlich sind.Wie diese Bevölkerungsgruppen erreicht und motiviert werden können – dies ist

freilich noch Gegenstand praktischer Überlegungen und wissenschaftlicher Untersuchungen (vgl. hierzu http://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de).

Korrespondenzadresse

Dr. phil. S. WeyersInstitut für Medizinische SoziologieHeinrich-Heine-UniversitätUniversitätsstraße 1 40225 Dü[email protected]

Danksagung. Der Dank der Studiengruppe gilt be-sonders der Heinz Nixdorf Stiftung (Vorsitz † Dr. jur. G. Schmidt, jetzt M. Nixdorf sowie Dr. Klein) für die groß-zügige Unterstützung und Förderung der Studie. Wei-terhin danken wir allen Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern aus Essen, Bochum und Mül-heim/R für ihre Bereitschaft, langdauernde Untersu-chungen durchführen zu lassen und unzählige Fra-gen geduldig zu beantworten. Die Autoren sind fer-ner allen Mitarbeitern des Erhebungsteams zu Dank verpflichtet.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. S. Weyers, C. Fekete, N. Dragano, S. Moebus, S. Möhlenkamp, S. Andrich, R. Erbel, K.-H. Jöckel und J. Siegrist geben an, dass kein Interessen-konflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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