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SIGGI BUCHER / KEYSTONE MARION NITSCH 21. November 2010 NZZ am Sonntag Spezial Bildung Freude am Beruf Ein Primarlehrer erklärt, warum er gern Lehrer ist. Seite 3 Aus dem Ausland Immer mehr Schulen suchen Lehrkräfte in Deutschland. Seite 5 Imageproblem Beat W. Zemp über die Ursachen des Lehrermangels. Seite 6 Lehrpersonen gesucht Im nächsten Jahrzehnt wird die Schweiz rund 30 000 neue Lehrer und Lehrerinnen brauchen. Weshalb wollen immer weniger junge Männer den Lehrerberuf ergreifen? Eine Bestandesaufnahme Mittagspause im Lehrerzimmer, Schulhaus Moritzberg in Uerikon. (5. 11. 2010)

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MARION NITSCH

21. November 2010

NZZ am SonntagSpezial Bildung

Freude am BerufEin Primarlehrererklärt, warum ergern Lehrer ist. Seite 3

Aus dem AuslandImmer mehr Schulensuchen Lehrkräftein Deutschland. Seite 5

ImageproblemBeat W. Zemp überdie Ursachen desLehrermangels. Seite 6

Lehrpersonen gesuchtIm nächsten Jahrzehnt wird die Schweiz rund 30 000 neue Lehrer und Lehrerinnen brauchen. Weshalbwollen immer weniger junge Männer den Lehrerberuf ergreifen? Eine Bestandesaufnahme

Mittagspause im Lehrerzimmer, Schulhaus Moritzberg in Uerikon. (5. 11. 2010)

MARION NITSCH

NZZ am Sonntag § 21. November 2010 Bildung 3

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Nie zuvor haben wirso viel gewusst. Unddoch können wir Kinderweder programmierennoch fernsteuern... . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

«Ich bin gerne Lehrer»Primarlehrer Nicolas de Kinkelin erklärt, was er an seinem Beruf schätzt: Vielfalt, Gestaltungsfreiheit undUmgang mit jungen Menschen. Am liebsten schreibt er mit seiner Klasse einen Krimi

Ich halte meinen Beruf füreinen der schönsten, die esgibt. Im Augenblick sindallerdings nur seine schwie-rigen Seiten im Gespräch.Lehrermangel. Schulrefor-men. Übergriffe. Schwierige

Jugendliche. Kaum Männer. Burnout.Das klingt, als müsste jeder halbwegsVernünftige nachdrücklich davonabraten.

Wenn ich – wie viele meiner Kol-leginnen – trotzdem gerne Schulegebe, dann nicht, weil ich gegen Wid-rigkeiten immun bin. Im Gegenteil.Ich komme immer wieder an meineGrenzen, die Burnout-Zahlen machenmir Sorgen, und ich wünschte mirReformen, die uns mehr Zeit für dieSchüler verschaffen.

Nein. Ich bin gerne Lehrer, weil dasUnterrichten von Kindern wunder-bare Seiten hat, die alle Schattenseitennoch immer aufwiegen. Das hat mitVielfalt, Gestaltungsfreiraum, Mensch-lichkeit und Lebensnähe zu tun.

Die Persönlichkeiten der Kindersind vielfältig, und die Aufgaben, diemeine Tage ausfüllen, sind es ebenso.Ich erkläre, coache, beobachte, kor-rigiere, beurteile und versuche, Pro-bleme zu verstehen.

Und natürlich ist der Lehrstoff viel-fältig. Obwohl ich alles machen muss,kann ich vertiefen, was mich selbstbesonders interessiert, und davonprofitieren wiederum die Kinder. Be-geisterung überträgt sich. Es ist einhimmelweiter Unterschied, ob ichgelangweilt ein Arbeitsblatt über dieEvolution des Lebens austeile oder obich zusammen mit den Schülern einenZeitstrahl mit Bildern bastle und siedabei mitbekommen, wie fasziniert ihrLehrer ist von all den seltsamen Lebe-

wesen, die lange vor den Dinosauriernlebten.

Vielfalt hat auch Schattenseiten.Fast alles muss ich unter Zeitdruckmachen. Es ist anstrengend, immeralle Fäden in der Hand zu behalten.Ich muss Lernziele im Auge behalten,das Tagesprogramm, muss wissen,wer wann in der Zusatzförderung ist,wessen Hausaufgaben noch fehlenund ob die Pappenheimer hinten linkssich inzwischen auf die Arbeit kon-zentrieren. Es ist eine tägliche Kunst,nicht nur in Checklisten zu denken.Ruhe auszustrahlen. Sich Zeit zunehmen.

Wenn Kinder Feuer fangenGeradezu herrlich sind für mich dieGestaltungsmöglichkeiten. Ich kannbeinahe alles selbst gestalten. VomArbeitsblatt über die Unterrichtsform,den Tagesablauf und das neue Themabis zur Theaterprojektwoche. Dabeireizt mich vor allem die Herausforde-rung, Unterrichtsthemen zu finden,die viele Ziele gleichzeitig abdecken.Wie zum Beispiel der Krimi, den ichmit meiner letzten 5. Klasse geschrie-ben habe. Da ging es darum, eine guteStory zu entwerfen, mit SteckbriefenFiguren zu entwickeln, die Geschichtezu schreiben, zu überarbeiten, in denComputer zu tippen, Bilder zu zeich-nen, ein Büchlein zu binden, das Vor-

lesen zu trainieren und das Resultatam Krimiabend den Eltern vorzutra-gen. Es ist eine Freude, wenn KinderFeuer fangen. Da fragt nämlich keinermehr, warum er Vorlesen üben soll.

Ich schätze die Freiheit, meine Ar-beit neben dem Unterricht selbst ein-zuteilen. Ich arbeite zwar viel nebenden Schulzeiten, auch in den Ferien,aber es ist ein Plus, selber zu ent-scheiden, wann und wo ich das tue.Dazu kommt die Möglichkeit einerTeilzeitstelle. Ich arbeite ein halbesPensum und gewinne so zwei Wo-chentage, in denen ich meiner Leiden-schaft fürs Schreiben nachgehen kann.Ein wunderbarer Ausgleich. Dass vie-le Lehrpersonen kein volles Pensummehr übernehmen, weil ihnen dieBelastung zu gross ist, steht auf einemanderen Blatt.

Es bedeutet mir viel, dass derMensch im Zentrum meiner Arbeitsteht. Ich muss mich mit den Persön-lichkeiten der Schüler und gleichzeitigmit mir selbst auseinandersetzen.Kinder riechen es auf zehn Kilometer,wenn man versucht, ihnen etwas vor-zumachen. Als wir kürzlich eine neueKonfliktlösestrategie einführten, warihnen klar, dass sie keine Lust haben,nett aufeinander zuzugehen, wenn siesauer sind. Strategie hin oder her. Ichüberlegte: Und wann bin ich eigent-lich bereit, einen Konflikt zu bearbei-ten? Am nächsten Tag? Oder erst,wenn auch der andere mir entgegen-kommt? Das war ehrlich. Die Schülerhaben es gespürt. Und wir waren wie-der im Geschäft.

Kinder zwingen mich, meine Hal-tungen immer wieder zu prüfen. Ichmuss wissen, was ich will und wasmich überzeugt. Das geht ans Einge-machte. Aber ich wachse daran. Und

ich will einen Beruf, an dem ich wach-se. Wann nützt meine Hilfe einemSchüler wirklich? Wann nicht? Unddie wichtigste Frage: Was kann ichbeeinflussen und was nicht?

Nie zuvor haben wir so viel überEntwicklungs- und Lernpsychologiegewusst. Und doch können wir Kinderweder programmieren noch fernsteu-ern. «Gras wächst nicht schneller,wenn man daran zieht», heisst einafrikanisches Sprichwort. Arbeitenkann ich erzwingen. Lernprozessenicht. Ich finde das faszinierend. Denndaraus erwächst die Herausforderung,Bedingungen zu schaffen, die mög-lichst vielfältiges Lernen ermöglichen.Zu beobachten, wo und wann es tat-sächlich stattfindet. Das erwähnteKrimi-Projekt zum Beispiel wurde vonjedem Kind anders angegangen. Einessträubte sich ein wenig. Ein andereswollte unbedingt ins Autorenteam.Die einen schrieben lange Kapitel,andere steuerten Illustration bei undblühten auf, als sie den Abend für dieEltern moderierten.

Eigene Zeit sinnvoll einsetzenVerantwortung für zwanzig Kinderwiegt manchmal schwer. Sobald manAnteil am Leben der Schüler undSchülerinnen nimmt, werden sie zumehr als Kunden. Sie wachsen einemans Herz. Diese menschliche Seite istes, die meine Freude am Lehrerberufletztlich ausmacht. Dass ich die vielenStunden, die jeder Beruf beansprucht,damit verbringe, die Entwicklung vonKindern zu begleiten, ihnen die Weltnäherzubringen und das menschlicheWesen besser zu begreifen. Das töntetwas hochgegriffen. Aber ich zweiflenie daran, dass ich meine Zeit fürdiese Aufgabe sinnvoll einsetze.

Primarlehrer

Nicolas de Kinkelin unterrichtet Viert-bis Sechstklässler in einer alters-gemischten Klasse der PrimarschuleZumikon. Nach der Matura hat er diePrimarlehrerausbildung im Institut Un-terstrass an der Pädagogischen Hoch-schule in Zürich absolviert. Er war sechsJahre Primarlehrer in Wollishofen, bevorer vor einem Jahr nach Zumikon wech-selte, weil ihn die Schulentwicklung undder Unterricht im Bereich altersdurch-mischte Klassen interessierten. (kmr.)

Einsingen und -turnen vor der Stunde. (5. 11. 2010)

MARION NITSCH

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NZZ am Sonntag § 21. November 2010 Bildung 5

Dieter Schalk pendelt täglich von Freiburg i. Br. nach Basel

«Das Kollegium ist viel harmonischer»«Eigentlich bin ich Österreicher. Abergeboren und aufgewachsen bin ichin Schwäbisch-Hall. Heute wohne ichmit meiner Familie in Freiburg imBreisgau. Meine Frau stammt von hier.Nach einem zweijährigen Wirtschafts-studium in Frankreich und einemLehramts-Studium in Freiburg absol-vierte ich mein Referendariat in Ba-den-Württemberg. In Basel unterrich-te ich seit zehn Jahren. Da hatten wirbereits ein Kind. Deshalb wollte ichnach Studienabschluss möglichstrasch eine Vollzeitstelle finden. Aberes war damals nicht möglich in Frei-burg Fuss zu fassen, weil man nurdurch eine Versetzung aus einer ande-ren Schulgemeinde zu einem Job inder Stadt kam.

Auch meine Fächerkombinationwar unvorteilhaft – ich unterrichteFranzösisch, Deutsch, Geografie undNaturkunde. An einer Berufsschulefand ich trotzdem eine Stelle. Abernur in einem 50-Prozent-Pensum. Daswar zu wenig. So arbeitete ich neben-bei als Aushilfslehrer in der Schweiz.Aber auf die Dauer waren zwei Stellenzu anstrengend. Also bewarb ich michan der Orientierungsschule in Klein-hüningen.

Die Schweizer Kollegen haben michwarm empfangen. Was der grössteUnterschied zu Deutschland ist? Manbegrüsst sich hier mit drei Küsschen.Aber im Ernst: Das Lehrerkollegiumist jünger als in Deutschland und vielharmonischer. In der Schweiz arbeitendie Lehrer enger zusammen, man dis-kutiert häufiger miteinander. Es gibtjede Woche eine zweistündige Lehrer-konferenz, wir haben klassenüber-greifende Lehrerteams, unterstützenuns beim «Teamteaching» und mitgegenseitigen Unterrichtsbesuchen.In Deutschland gibt es zweimal proSchuljahr eine Notenkonferenz, das istes dann aber.

Nein, das Geld war nicht ausschlag-gebend. Auch wenn das meine deut-schen Kollegen erst nicht glaubten.Brutto verdient man schon mehr, abernetto rechnet es sich nicht. Allein fürKrankenversicherung und Steuerngehen heute pro Monat 3200 Frankendrauf. Dazu kommen noch die Kostenfür die Pensionskasse, in die ich micheingekauft habe. Ja, ich hätte in Ba-den-Württemberg den Beamtenstatus.Das hat mich jedoch nie gekümmert.Auch in der Schweiz habe ich alsLehrer einen sehr sicheren Job. Wennman nichts Dummes anstellt, kannman eigentlich bis zur Pensionierungunterrichten.

Ressentiments gegen Deutsche er-lebte ich nie. Aber an unserer Schulesind sowieso 95 Prozent der SchülerMigranten, da fällt man als Deutscherbzw. als Österreicher nicht auf. Ver-einzelt fragt ein Schüler, weshalb ich

nicht in Basel wohne. Und anfangswar der Dialekt ein Thema. Aber nachzehn Jahren verstehe ich alles. Zumaldie Eltern meiner Frau Alemannischsprechen.

Nach Basel ziehen? Nein, ich willmeine Kinder nicht aus ihrem sozialenUmfeld herausreissen. Ich bin auchnicht lange unterwegs. 5 Minuten mitdem Velo von meiner Haustür zumBahnhof. 35 Minuten Zugfahrt. Dannnoch 10 Minuten Velo zur Schule. Abnächstem Jahr dauert die Zugfahrtsogar nur noch 20 Minuten. Der ein-zige negative Punkt sind die Ferien.Die sind immer unterschiedlich. ImSommer können meine Familie undich nur eine Woche gemeinsam Ur-laub machen. Schlimm ist das nicht.Ich kann ja nicht erwarten, dass Ba-den-Württemberg und Basel-Stadtwegen mir die Ferien abgleichen.»Aufgezeichnet von Matthias Daum

Wo nehmen, wenn nicht stehlen?Auf der Suche nach Lehrkräften schielen Schweizer Schulen immer öfter ins Ausland. Das bringt Ärger,denn im gesamten deutschen Sprachraum fehlen schon bald eine halbe Million Lehrer. Von Matthias DaumDie Zahl ist beängstigend. Bis 2020 feh-len im gesamten deutschen Sprach-raum rund eine halbe Million Lehrer,schätzen die Lehrerverbände aus derSchweiz, Österreich und Deutschland.«Wir haben ein strukturelles Pro-blem», sagt Beat W. Zemp, Präsidentdes Schweizer Lehrerdachverbands. Inden nächsten Jahren gehen in allen dreiLändern die Lehrer der Babyboomer-Generation in Pension. Gleichzeitigsteigen ab 2013 die Schülerzahlen.

Wie soll dieses Loch gestopft wer-den? Mit Quereinsteigern, die eine ver-kürzte Ausbildung durchlaufen, lautetein Rezept, mit mehr Studierenden inden Pädagogischen Hochschulen einanderes. Doch manche Schulen kön-nen nicht warten, bis die erstenSchnellbleiche-Lehrer unterrichten.Sie müssen ihre freien Stellen sofortbesetzen.

Hoher LohnDeshalb gehen sie im Ausland auf Leh-rersuche. Allen voran der Kanton Aar-gau. Er schreibt seit einiger Zeit freieStellen in Deutschland und Österreichaus. Mit Erfolg. Heute unterrichten 668ausländische Lehrpersonen im Kanton.Das sind immerhin 9 Prozent der Aar-gauer Lehrer und 40 Prozent mehr, alsnoch vor drei Jahren. Auch in den Kan-tonen Schaffhausen (12 Prozent Aus-länderanteil), Genf (11 Prozent) oderBaselland (9 Prozent) unterrichten re-lativ viele ausländische Lehrer.

Am höchsten ist die Ausländerquotein der Stadt Basel. Am Rheinknie sindauf Sekundarstufe fast 20 Prozent derLehrer Nicht-Schweizer. Ohne diedeutschen und französischen Lehrerwürde das Basler Schulsystemschlichtweg kollabieren. Das hat auchdamit zu tun, dass die Schweizer Leh-rer in die umliegenden Kantone ab-wandern, wo die Arbeitsbedingungenattraktiver sind. In einigen Schulhäu-sern stammen bis zu einem Viertel derLehrer aus Deutschland oder Frank-reich. «Es gibt Klassen, die gar keineSchweizer Lehrpersonen mehr haben»,sagt Beat Zemp.

Besonders beliebt in Deutsch-schweizer Schulen sind Lehrer ausdem grenznahen Baden-Württembergund Vorarlberg. Manche sind Grenz-gänger (siehe Porträt unten), die meis-ten aber ziehen an ihren neuen Ar-beitsort um. Die Schweiz lockt mit «in-novativen Schulen, kleinen Klassen,unbefristeten Stellen, hohem Lohn»,wie man in den Stelleninseraten liest.Angesprochen werden vor allem mo-bile, kinderlose Junglehrer. So verdienteine österreichische Primarlehrerinnetto rund 2000 bis 2700 Franken. InZürich ist der monatliche Einstiegs-lohn doppelt so hoch. Auch im Ver-gleich mit den jeweiligen Durch-

schnittseinkommen ihres Landes sindLehrer in der Schweiz besser dran alsin Österreich und Deutschland, wieeine Studie der OECD für 2006 zeigte.

Trotzdem gibt es keine Lehrer-Massenwanderung aus den Nachbar-ländern in die Schweiz. Die Verhält-nisse in Basler Lehrerzimmer – mit ih-rem hohen Ausländeranteil – sind einlokales Phänomen. Gesamtschweize-risch sind 96 Prozent aller Lehrer Ein-heimische (Stand: Schuljahr 2007/2008). Der Ausländeranteil auf demgesamten Schweizer Arbeitsmarkt be-trägt dagegen 27,7 Prozent. Die Pri-marschule ist fast ausschliesslich inSchweizerinnenhand. Auf der Sekun-

darstufe unterrichten immer noch ge-gen 97 Prozent Schweizer. Am meistenausländische Lehrer stehen in denGymnasien hinter dem Katheder, näm-lich 7 Prozent. Wie viele davon aktivabgeworben wurden, darüber wird nir-gends Buch geführt.

Extrem sesshaftZahlen aus Deutschland lassen abervermuten: Lehrer sind extrem sesshaft.Im Bundesland Sachsen folgten nur 50bis 60 von 35 000 Lehrern dem Lockrufder reicheren Bundesländer Hessenund Baden-Württemberg, die vor Jah-resfrist intensiv um neue Lehrer buhl-ten. Dies, obschon sie dort Beamten-status hätten, das heisst einen lebens-langen Job und überdurchschnittlichgute Renten. Beat Zemp meint deshalb:«Die Abwanderung fällt angesichts desstrukturellen Lehrermangels nicht insGewicht.» Die deutschen Kultusminis-ter widersetzten sich denn auch einemgenerellen Abwerbeverbot innerhalbDeutschlands.

Dennoch: Abwerbungen aus demAusland sorgen in Deutschland undÖsterreich weiterhin für rote Köpfe.Zumal Schweizer Schulen jeweils rechtunverfroren vorgehen und mehr Wett-bewerb um das Lehrerpult kaum denLehrern selbst zugutekommt. Denn derLehrerberuf ist stark reguliert. Hier be-stimmt die Politik die Gehälter, nichtder freie Markt. «Ich bezweifle, dassein verstärkter Kampf um die Lehrer-talente automatisch zu höheren Löh-nen in unseren Nachbarländern führt»,sagt Lehrerpräsident Zemp.

Zudem gebe es eine Akzeptanz-grenze für ausländische Kollegen.Zemp kamen schon Klagen zu Ohrenüber aufwendiges Einarbeiten der neu-en Kollegen, die mit Schweizer Ver-hältnissen nicht vertraut sind. «UndHeimatkunde oder politische Bildungkann nicht von frisch zugewandertenLehrern unterrichtet werden.» Voneiner Anti-Deutschen-Stimmung, wiesie teilweise an Hochschulen herrscht,sei man aber weit entfernt: «Man istum jeden froh, der unterrichtet.»

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Ohne die Lehrkräfte ausDeutschland undFrankreich würdedas Basler Schulsystemschlicht kollabieren... . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

Im Lehrerzimmer im Schulhaus Hofacker, Zürich. (10. 11. 2010)

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Dieter Schalk, Orientierungsschule Insel, Basel. (16. 10. 2010)

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Lernatmosphäre auszeichnet.»Thomas Kälin, Sekundarlehrer

KEYSTONE

Lehrpersonen verdienen wenig

Jahresgesamtlohn nach sechs Berufsjahren

Quelle: PricewaterhouseCoopers

Brutto in Franken (2009, Kanton Bern)*

Primarlehrer/-in Sekundarlehrer/-in ÖffentlicheVerwaltung

Finanz-dienstleistung

Privatwirtschaft,Industrie

* Ohne Boni und Fringe-Benefits (Finanzindustrie), ohne durch Lehrkräfte selbst getragene Arbeitsplatzkosten

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91 50077 800

6 Bildung NZZ am Sonntag § 21. November 2010

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«In den nächstenzehn Jahren gehen inder Schweiz rund30000 Lehrpersonenin die Pension.».. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

«Wir haben in unseremBeruf eine ArtHebammenfunktion»Beat W. Zemp, der Präsident des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen undLehrer, erklärt, warum zu wenig junge Männer den Lehrerberuf ergreifen,die Anforderungen in der Ausbildung aber nicht sinken dürfen, dafür die Löhnesteigen müssen und warum die Mehrheit der Lehrer und Lehrerinnen ihren Berufauch heute wieder wählen würden. Interview: Kathrin Meier-Rust

NZZ am Sonntag: Seit Jahrzehnten hatjeder Lehrermangel mit schöner Regel-mässigkeit zu einer Lehrerschwemmegeführt. Warum soll es diesmal anderssein?

Beat W. Zemp: Weil es sich diesmalnicht um eine konjunkturelle Schwan-kung, sondern um eine strukturelleKrise handelt. Dafür gibt es zwei Indi-katoren: zum einen die Überalterungder Lehrerschaft. Heute sind imDurchschnitt in der Schweiz 35 Pro-zent der Lehrerschaft über 50 Jahrealt, vor 12 Jahren lag dieser Anteil bei20 Prozent. Die kommende Pensionie-rungswelle ergibt einen viel grösserenAderlass als die normale Fluktuation.Zum anderen werden die Schülerzah-len, die heute noch zurückgehen, inden nächsten Jahren wieder ansteigen,in der Primarschule ab 2013, in derOberstufe ab 2017. Das Zusammen-spiel dieser beiden Faktoren ist in je-dem Kanton anders, am schlimmstenzeichnet sich der Lehrermangel in denMittellandkantonen, in der Nordwest-schweiz und in Zürich ab. Aber auchBern, Genf und die Waadt sind betrof-fen.

Und der Nachwuchs aus den Pädagogi-schen Hochschulen kann diesen Bedarfnicht decken?

Die sieben Pädagogischen Hoch-schulen der Schweiz bilden im Mo-ment etwa halb so viele Lehrpersonenaus, wie es brauchte, um den Bedarflangfristig zu decken. In den nächstenzehn Jahren werden rund 30 000Lehrpersonen in der Schweiz pensio-niert. Im gesamten deutschsprachigenRaum sind es weit über eine halbeMillion.

Nun bieten verschiedene Kantoneschnelle Ausbildungen für Quereinstei-

ger an. Ist das eine gute Lösung?Das ist eine Notmassnahme. Doch

selbst wenn sich viele geeignete Quer-einsteiger finden, reicht das bei wei-tem nicht. Wir müssen langfristig da-für sorgen, dass wieder mehr Junge indiesen Beruf einsteigen.

Was ist mit dem Lehrerberuf los, dasssich offenbar zu wenig junge Menschendafür interessieren?

Zu wenige junge Männer, muss mandazu sagen, denn bei jungen Frauenist unser Beruf nach wie vor beliebt.Dafür gibt es eine ganze Palette vonGründen: Zum einen schauen sichjunge Männer heute sehr genau an,welche Chancen ihnen eine Ausbil-dung bietet. Immerhin muss man fürden Lehrerberuf eine Matur machen –damit steht die Ausbildung in Konkur-renz zu anderen universitären Ausbil-dungen, denn mit einer Matur kannman ja auch Jus studieren oder Wirt-schaft. Und hier kommen die Arbeits-bedingungen ins Spiel: Dass Lehrersein kein gut bezahlter Traumjob mit12 Wochen Ferien ist, hat sich mittler-weile herumgesprochen.

Ihre Arbeitszeiterhebungen ergeben imGegenteil, dass Lehrkräfte im Schnitt2100 Stunden im Jahr arbeiten.

So ist es, und das ergibt, gemessenan der Sollzeit, immerhin 3 bis 4 Wo-chen unbezahlte Überzeit pro Jahr.Leute aus der Wirtschaft lachen dajeweils, denn heute wird überall Über-zeit gearbeitet. Es ist aber nicht dasGleiche, ob ich eine Stunde allein ineinem Büro arbeite oder vor einerKlasse stehe. Letzteres braucht vielmehr Kraft. Es gibt wohl keinen ande-ren Beruf, in welchem 20 Menschengleichzeitig geführt und angeleitetwerden müssen, oft über viele Stun-

den am Tag. Zudem haben wir in derSchweiz Spitzen-Pensen: Während inden meisten europäischen Länderndas Normalpensum bei 20 bis 24 Lek-tionen pro Woche liegt, sind es in derSchweizer Volksschule immer noch 28bis 30 Lektionen. Das ist die gleicheAnzahl wie vor 150 Jahren. Die Pflicht-lektionenzahl steht bei uns offenbarunter Heimatschutz.

Und dabei sind Kinder und Jugendlicheauch nicht mehr, was sie einmal waren.

Nun, die Klassengrösse ist im Ver-gleich zu früher natürlich deutlichgesunken. Kinder, Jugendliche undEltern stellen heute aber ganz andereAnsprüche als früher. Heute wollenSchüler individuell angesprochen undgefördert werden, um ihr Potenzial zuentwickeln. Diese individuelle Betreu-ung benötigt viel Zeit.

Was ist also zu tun?

Weil die Politik unsere Warnungenso lange verschlafen hat, haben nunhektische Notmassnahmen Einzuggehalten. Diese Hektik schafft leiderauch sehr problematische Lösungen:So stehen bereits heute viele nichtvollständig ausgebildete Lehrerinnenund Lehrer vor den Klassen. Manmuss sich das mal in anderen Berufenvorstellen bei Polizisten, Kranken-schwestern oder bei Piloten: Würdeman da auch Leute einsetzen, dienoch nicht fertig ausgebildet sind? EinLehrer ist doch der Pilot im Klassen-zimmer.

Und die Quereinsteiger, die etwa in derPHZH nach einem Semester Theoriebereits im nächsten August vor eineKlasse treten sollen?

Zunächst: Wir Lehrer sind nichtgegen Quereinsteiger, es gibt sie jaschon lange, und es gibt sehr guteLeute, die wir uns in unserem Berufnur wünschen können. Wenn, wie ander Pädagogischen Hochschule Zü-rich, zur Kurz-Ausbildung nur Leutezugelassen werden, die bereits einenBachelor in einem verwandten Be-reich haben, etwa in Pädagogik oderPsychologie, und Erfahrung mit Kin-dern und Jugendlichen vorweisenkönnen, dann ist das akzeptabel. Waswir jedoch nicht akzeptieren können,ist eine Schnellbleiche, die Leute ausvöllig fremden Berufen nach einer«pädagogischen Rekrutenschule» vonein paar Wochen in den Klassen ein-setzen will. Das ist fahrlässig und ver-antwortungslos gegenüber den betrof-fenen Kindern und Jugendlichen.

Immerhin sollen diese über einen Eig-nungstest ausgewählt werden. Welchessind die wichtigsten Eigenschaften, dieein Lehrer braucht?

Wir brauchen Leute, die eine Klasseführen können, denn es handelt sichum eine Führungsaufgabe. Sie müssenpsychisch stabil sein und mit hohenBelastungen umgehen können. Undnatürlich braucht es intellektuelleFähigkeit und einen guten Bildungs-rucksack, das heisst in der RegelMatura mit Hochschulstudium. Undschliesslich braucht es Einfühlvermö-gen in Kinder und Jugendliche. Dennjedes Kind ist anders. Wir haben imLehrberuf eine Art Hebammenfunk-tion: Wir müssen helfen, dass sichmöglichst alle Kinder ihren Anlagengemäss entwickeln können und vor-handene Stärken wachsen können.

Kann man alle diese Fähigkeiten miteinem Assessment testen?

Der oberste Lehrer

Beat W. Zemp ist Präsident des Dach-verbandes Schweizer Lehrerinnen undLehrer LCH. Zemp studierte an der Uni-versität Basel Mathematik, Geografieund Pädagogik und unterrichtet seit1978 am Gymnasium Liestal. Heute hater noch ein Teilpensum Mathematikan dieser Schule. Seit 1998 ist Zemphauptamtlich für den LCH tätig. (kmr.)

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Wo Lehrkräfte fehlen werden

Überalterung des Lehrkörpers und Prognose der Schülerzahlen

Quelle: S. Denzler

Lesebeispiel: Im Kanton Zürich sind 34 Prozent der Lehrkräfte über 50, gleichzeitig wird dieSchülerzahl bis 2017 um 10 Prozent zunehmen. Daraus ergibt sich ein hoher Bedarf an neuenLehrern. Im Kanton Glarus sinken die Schülerzahlen, wodurch sich die Lage bei gleicherÜberalterung entspannter präsentiert.

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Veränderung der Schülerzahlen 2007–2017 in Prozenten

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Reformmüde Lehrkräfte

Zufriedenheit der Lehrpersonen in einzelnen Bereichen

Quelle: LCH/Landert

Lehrpersonen arbeiten immer länger

Zunahme der Jahresarbeitszeit nach Tätigkeitsbereich

Quelle: LCH Arbeitszeiterhebung 2009

Zusammenarbeitim Kollegium

Anteil der (eher) Zufriedenen Jahresarbeitszeit in Stunden

Mitsprachebei schulischenEntscheidungen

Machbarkeit bzw.seriöse Umsetzbarkeitder Reformen

1990 2001 2006 1999 2009

Unterricht

Vor-/Nachbereitung

Planung

Administration

Gemeinschaftsarbeit

Beratung

Weiterbildung

974930

476567

190140

71107

86145

6378

79105

62%

76%

84%

61%57%

75%

60%

52%

26%

MARION NITSCH

NZZ am Sonntag § 21. November 2010 Bildung 7

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Ich glaube schon; da habe ich Ver-trauen in die Pädagogischen Hoch-schulen, die langjährige Erfahrungenmit Eignungsabklärungen haben.

Die normalen PH-Studierenden müssenaber kein Assessment durchlaufen.

Alle Studierenden erhalten wäh-rend der Ausbildung laufend Feed-back, sowohl von Dozenten, Fach-didaktikern und Praxislehrern alsauch von den Schülerinnen und Schü-lern, denn sie stehen schon früh in derAusbildung vor den Klassen. Da mer-ken angehende Lehrpersonen dannselbst, ob sie für den Beruf geeignetsind.

Eine Studie hat gezeigt, dass Studieren-de von Pädagogischen Hochschulendieses Studium vor allem wählen, weiles kurz ist und praxisnah und relativeinfach zu meistern.

Es gibt bei allen Studiengängennicht nur berufsbezogene Wahlgründesondern auch individuelle. Es gibt z. B.Medizinstudentinnen, die gar nie alsÄrztin arbeiten wollen, sondern nureine spannende Ausbildung mit ho-hem Sozialprestige suchen, von demsie sich zudem gute Heiratschancenversprechen. Aber das erwähnte Profildes PH-Studierenden ist schon irritie-rend: Leute, die möglichst nichts mitWissenschaft zu tun haben wollen, dievor allem ein kurzes Studium suchen– das ist nicht unser Wunschprofil fürden Lehrberuf. Denn die Ansprüchesind heute sehr hoch. Die Mindest-anforderungen in der Ausbildungdürfen deshalb nicht gesenkt werden.In Finnland hat jede Lehrperson eineMasterausbildung, und die jungenLeute stehen Schlange: Nur einer von8 Bewerbern kann in die Lehrerausbil-dung einsteigen. Dort werden die bes-ten Maturanden Lehrer, und entspre-chend hat der Beruf ein sehr hohesAnsehen. Bei uns dagegen liegenLehrkräfte weit hinter dem «Triple-A»von Arzt, Anwalt und Architekt.

Wodurch entsteht ein solches Image?Das Image hängt direkt vom sozia-

len Status eines Berufs in der Gesell-schaft und in der Politik ab. Ein wich-tiger Indikator für die gesellschaftli-che Wertschätzung ist der Lohn. Des-halb müssen die Anstellungsbedin-gungen verbessert werden. Die Ein-stiegslöhne für Lehrkräfte sind nichtmehr konkurrenzfähig zur Privatwirt-schaft und müssen dringend erhöhtwerden. So gibt es in einigen Kanto-nen tatsächlich Berufseinsteiger, dieheute in Franken und Rappen wenigerverdienen als die Berufseinsteiger von1993. Und dies bei einer Teuerung von

15,3 Prozent! Jeder Unternehmer wür-de auf diese Weise seine Angestelltenaus der Firma vertreiben.

Aber unsere Lehrerlöhne sind doch iminternationalen Vergleich sehr hoch?

Das gilt für fast alle SchweizerLöhne in sämtlichen Branchen. DieSchweiz ist aber auch eine Hochpreis-Insel. Deshalb brauchen wir höhereLöhne.

Wie zufrieden ist die heutige Lehrer-schaft?

Oft sehen wir die paradoxe Situa-tion, dass Lehrpersonen ihren Beruf –

das Unterrichten, die Arbeit in derKlasse – sehr lieben, diesen aber jun-gen Menschen nicht empfehlen, da siedie Belastungen als zu gross empfin-den – ähnlich wie dies auch von Haus-ärzten bekannt ist. Unsere Studienzeigen, dass die Berufszufriedenheit inden letzten Jahren gesunken ist vorallem wegen der vielen Reformen, dienicht nachhaltig und ohne genügendRessourcen umgesetzt werden muss-ten. Trotzdem würde die Mehrheitden Beruf wieder wählen.

Ein vielgenannter Mangel des Berufssind fehlenden Karriere- und Aufstiegs-möglichkeiten.

Das ist so und stellt vor allem fürjunge Männer ein Problem dar, weilMänner nach wie vor eine Vollzeit-stelle mit Karrieremöglichkeiten be-vorzugen, während Frauen meistenseine Teilzeitstelle suchen, um Familieund Beruf unter einen Hut zu bekom-men.

Darum wandern ja auch viele Lehrer inandere Berufe ab. In Wahrheit machenviele männliche Lehrer nämlich schonKarriere, aber nicht in der Schule. Wiekönnte man die Verweildauer im Kern-beruf stärken?

Eine Umfrage betreffend Laufbahn-perspektiven in Lehrberufen hat ge-zeigt, dass lohnrelevante Spezialisie-rungen erwünscht wären. Der IT-Fachmann oder die Spezialistin fürGewaltprobleme – Lehrkräfte würdenes als Entlastung begrüssen, solcheSpezialisten im Team zu haben. DieEinführung von Hierarchiestufen imKerngeschäft selbst – also die Ideeeines besser bezahlten «Master Tea-cher» analog zum Senior Consultant– sieht unsere Lehrerschaft dagegen

eher kritisch. Man möchte sich in deneigenen Unterricht eben nicht drein-reden lassen.

Was also tun, um den Lehrerberuf wie-der attraktiver zu machen?

Der Lohn muss konkurrenzfähigwerden zu anderen akademischen Be-rufen mit vergleichbar hohen Anfor-derungen. Die Pflichtpensen müssenrunter, und der Berufsauftrag mussgeklärt werden. Diese drei Punktesind die wichtigsten.

Was können wir – Eltern, Grosseltern,an Schule Interessierte – tun?

Es ist wichtig, dass Eltern ihrenKindern, vor allem Söhnen, dazuraten, bei der Berufswahl auch denLehrerberuf in Betracht zu ziehen,wenn diese gerne mit Kindern undJugendlichen arbeiten wollen. Ichselbst bin Lehrer geworden, weil ichschon als Gymnasiast gerne Nachhil-feunterricht erteilt habe und einentollen Mathelehrer hatte. Diese Vor-bildwirkung ist ganz wichtig. Wirbrauchen Lehrpersonen, die gerneSchule geben, damit Kinder und Ju-gendliche wieder sagen können: Dasmöchte ich auch tun!

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«Offenbar steht diePflichtlektionenzahl beiuns unter Heimatschutz:Sie ist seit 150 Jahrengleich geblieben.».. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

Heilpädagogin im Unterricht. (5. 11. 2010)

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Ich kenne beide Berufs-welten und kann dahervergleichen. Ich glaube,dass viele völlig falscheVorstellungen haben... . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

«MeinenBerufswechselhabeichnochniebereut»Markus Angst ist ein Quereinsteiger: Er hat vor zehn Jahrenvom Elektroplaner zum Primarlehrer umgesattelt«Ich habe eine Lehre als Elektroinstal-lateur absolviert und legte später dieMeisterprüfung zum Elektroplaner ab.Nachdem ich acht Jahre in diesem Me-tier gearbeitet hatte, bekam ich Lust,mich beruflich zu verändern. Ich fühltemich damals auch etwas ausgebrannt.Ich holte die Matura nach und begannan der FH Zürich Biotechnologie zustudieren. Bald sah ich aber, dass dasdoch nicht das Richtige war. Ich würdespäter wieder in irgendwelchen Pro-jekten tätig sein und einen grossen Teilmeiner Zeit im Labor verbringen. Daswollte ich nicht. Ich wollte vermehrtmit Menschen arbeiten.

In meinem ersten Beruf betreute ichdie Lehrlinge des Betriebs. Lange Zeitbetrieb ich auch Leistungssport und ar-beitete als Trainer. Zudem war ich Ski-lehrer. Ich merkte, dass ich als Ausbild-ner gut ankam und mich durchsetzenkonnte. So kam ich zum Schluss: Leh-rer, das ist es. Ich absolvierte im Kan-ton Aargau die Ausbildung zum Pri-marlehrer, ein zweieinhalbjähriges Stu-dium für Quereinsteiger. Ich hatte da-mals noch keine Familie, war unabhän-gig und kam daher mit wenig Geld aus.

Seit zehn Jahren unterrichte ich nunin Nänikon bei Zürich. Obwohl ich da-mals viel Lebenserfahrung mitbrachte,empfand ich den Einstieg in den neuenBeruf als hart. Ich hinterfragte michund war unsicher, ob ich alles richtigmachte, und hatte einige schlafloseNächte.

Der Lehrerjob gefällt mir ausgespro-chen gut. Ich arbeite gerne mit meinenDritt- bis Sechstklässlern und schätzedie Zusammenarbeit im Team. Ichhabe meist einen guten Draht zu denKindern. Ich freue mich über ihr Stau-nen und ihre Freude bei Lernerlebnis-sen. Als schwierig erlebe ich zum Teildie unablässigen Reformen, mit denenwir konfrontiert sind. Sie nehmen zuviel Zeit in Anspruch, die uns dannbeim Unterrichten fehlt. Vieles wirdnormiert, alles muss mit irgendwel-chen Formularen belegt werden. Diesscheint mir oft unnötig und nicht zumWohle der Kinder. Spannende undzeitintensive Schulprojekte bleibendadurch oft auf der Strecke.

Viele junge Menschen wollen nichtLehrer oder Lehrerin werden, weil sieglauben, dass Schüler immer schwieri-ger werden. Ich erlebe das nicht so. InNänikon ist die Situation im Vergleichzu anderen Gemeinden sicher komfor-tabel. Wir kennen zum Beispiel kaumProbleme mit Gewalt auf dem Pausen-platz, und der Anteil von fremdspra-

chigen Kindern mit Migrationshinter-grund ist gering.

Der Beruf hat sich in den letzten Jah-ren stark verändert. Lehrpersonen sindlängst nicht mehr die Einzelkämpfer,wie das früher der Fall war. Die Team-arbeit ist wichtig. Meist unterrichtenja drei bis vier Lehrer eine Klasse. Dasbedeutet, dass wir uns absprechenmüssen, und das Schulzimmer ist nichtnur mein Schulzimmer. Es herrscht da-durch eine relativ offene Arbeitskultur.Aber Organisationsaufwand und Koor-dination haben enorm zugenommen.

Meinen Berufswechsel habe ich niebereut. Ich bin sehr gerne Lehrer undmöchte nicht mehr tauschen. Ich ken-ne beide Berufswelten und kann dahervergleichen. Ich glaube, dass vieleMenschen völlig falsche Vorstellungenvon Arbeitswelten haben, die ihnennicht vertraut sind. Sie idealisierenoder reden das Unbekannte schlecht.

Der Lehrerjob ist, was Zeitbelastungund intellektuelle Anforderungen be-trifft, vergleichbar mit einer Stelle immittleren Kader in der Wirtschaft. EinVorteil liegt für mich in der relativgrossen Zeitautonomie. Ich entscheidehäufig selber, wann und wo ich arbeite.Allerdings darf man diese Freiheitauch nicht überbewerten. Bei einem100-Prozent-Pensum ist die zeitlicheBelastung sehr gross. Dies ist wohl mitein Grund, weshalb immer mehr Lehr-personen Teilzeit arbeiten.»Aufgezeichnet von Rolf Murbach

«DieAusbildunggefälltmirgut»Nuria Pereiro studiert Primarlehrerin ander Pädagogischen Hochschule Zürich. Sieschätzt den engen Bezug zur Praxis«Die Ausbildung zur Primarlehrerinwar nicht meine erste Wahl. Ich habenach der Matur mit Publizistik- undKommunikationswissenschaft an derUni Zürich begonnen. Das Studium hatmir aber wenig zugesagt, es war mir zutheoretisch. Zudem hatte ich keinekonkrete Vorstellung, in welche Berufedie Ausbildung führen würde. Alsobrach ich nach einem Semester ab undwechselte an die Pädagogische Hoch-schule Zürich. Hier wusste ich, welcheTätigkeit ich später ausüben würde.Die Freuden und Leiden, die der Berufmit sich bringt, kenne ich: Meine Mut-ter ist Primarlehrerin, mein Vater leiteteine eigene private Sprachschule.

Die Ausbildung gefällt mir, auchweil das Studium sehr praxisbezogenist und gut auf den Beruf vorbereitet.Bereits im ersten Semester stehen wirvor Klassen und unterrichten. An derUni fühlte ich mich im Massenbetriebverloren. An der Pädagogischen Hoch-schule sind die Klassen überschaubar,und das Studium ist gut strukturiert. Esgibt einen klaren Stundenplan. DieAusbildung ist breit, die Inhalte sindspannend. Neben den PflichtfächernDeutsch, Mathematik, Mensch undUmwelt können wir ein eigenes Profilwählen. Ich habe die folgenden Fächerbelegt: Musik, Sport, Englisch undBildnerisches Gestalten. Hinzu kom-men Methodik, Didaktik, Praxis sowiemehrere Projektwochen. Das Highlightwaren die Auslandaufenthalte. Ichstudierte ein halbes Jahr in Berlin undwar während eines Monats Assistentineines Lehrers auf Hawaii.

Nach jedem Semester absolvierenwir ein dreiwöchiges Praktikum, indem wir in einer Klasse unterrichten.Von den Praxislehrpersonen erhaltenwir Rückmeldungen auf unsere Arbeit,das ist hilfreich. In diesen Praktikahabe ich gesehen, dass mir das Unter-

richten Spass macht. Ich habe zumGlück einen guten Zugang zu denSchülern.

Das Studium an der PH ist nebendem Praxisbezug auch wissenschaft-lich ausgerichtet. Wir lernen vieleTheorien kennen und schlagen den Bo-gen zur Praxis. Das ist spannend. Den-noch hätte das Studium für meinen Ge-schmack teilweise etwas anspruchsvol-ler sein dürfen. Es gab Zeiten, in denenich mich unterfordert fühlte.

Man hört und liest viel Negativesüber den Beruf des Lehrers, der Lehre-rin. Sie müssen immer mehr Aufgabenübernehmen und eine Reform nach deranderen umsetzen. Burnout ist einThema, viele Lehrpersonen quittierenden Dienst denn auch nach wenigenJahren. Das ist schon abschreckend.

Andererseits vernehme ich auchGutes. Der Beruf sei erfüllend und derKontakt mit den Schülern bereichernd,sagen viele. So habe ich auch die Prak-tika erlebt. Wenn man noch wenig Er-fahrung hat, ist der Beruf aufwendig.Das darf man nicht unterschätzen. Vor-bereiten, Lektionen halten, Austauschmit den Kolleginnen und Kollegen,Elterngespräch – ich war nach denPraktika jeweils ziemlich erschöpft. Ineinem halben Jahr schliesse ich meinStudium ab. Dann werde ich zuerstvikarisieren. Ich möchte verschiedeneStufen und Schulhäuser kennenlernenund Erfahrungen sammeln. Ich kannmir noch nicht vorstellen, die gesamteVerantwortung für einen Klassenzugzu übernehmen. Die Aussicht, nachdem Studium leicht eine Stelle zufinden, ist natürlich angenehm.

Was mich an meinem Beruf einwenig stört, sind die eingeschränktenKarrieremöglichkeiten. Ich kann mirnoch nicht vorstellen, mein ganzesLeben zu unterrichten.»Aufgezeichnet von Rolf Murbach

Die zukünftige Primarlehrerin: Nuria Pereiro, Studentin an der PH Zurich. (4. 11. 2010)

Der Quereinsteiger: Markus Angst im Schulhaus Singvogel in Nänikon. (4. 11. 2010)

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«Die Abgrenzung zurSchule ist für michwichtig: Ich arbeite niedaheim und habe nie einHeft heimgenommen.».. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

«NatürlichverändertmansichalsLehrermitdemAlter»Bruno Dütsch unterrichtet seit über 36 Jahren in derPrimarschule – und ist immer noch nicht ausgebrannt«Ich unterrichte seit 36 und einem hal-ben Jahr in der Primarschule. Das warnicht von Anfang an geplant, nach derMatur wollte ich eigentlich Mittel-schullehrer in geisteswissenschaftli-chen Fächern werden. Aber ich machtezuerst das Oberseminar, um Geld ver-dienen zu können. Nach einigen Jahrenals Primarlehrer wurde mir klar, dassich mich nicht mehr auf die Geistes-wissenschaften beschränken wollte.Das Ganzheitliche gefällt mir bis heutean meinem Beruf: dass ich sowohlSprachen als auch Mathematik und Na-turwissenschaften unterrichten kann,sowohl turnen wie Theater spielen.Das ist auch der Grund, warum ichdann die Seklehrer-Ausbildung dochnicht machte: Für die Sek musste mansich zwingend zwischen Natur- undGeisteswissenschaften entscheiden.

Die Bandbreite in einer vierten Klas-se ist riesig – einige leben noch in einerMärchenwelt, hüpfen sozusagen vonBlume zu Blume wie Schmetterlinge,und andere sind schon voll da in derrealen Welt. Manche Eltern meinen des-halb, ich verlange zu viel von den Kin-dern. Aber ich erwarte ja nicht, dass siealle meine Anforderungen schon in dervierten Klasse erfüllen. Doch bis zumEnde der sechsten Klasse sollen meineSchüler nicht nur leistungsmässig,sondern auch was Arbeitstechnik undSelbständigkeit anbelangt, gewisse Zie-le erreicht haben. Wenn sie dann in dersechsten Klasse ein Theaterspiel ganzallein aufführen und ich nur am Flügelsitze und begleite – dann freut michdies jeweils ganz besonders.

Wie man ein ganzes Berufsleben mitKindern zubringen kann? Ich habe

immer ein festes Standbein in der Er-wachsenenwelt gehabt, zuerst im Mili-tär, am Schluss als Major in einem Re-gimentsstab. Dann war ich in der Ar-beitsgruppe für Informatik an der Pri-marschule, wir gehörten in Rafz 1987zu den ersten Primarschulen im Kan-ton Zürich, die einen Mac im Lehrer-zimmer hatten. Heue bin schulpoli-tisch engagiert, etwa in der standes-politischen Kommission des ZürcherLehrerinnen- und Lehrerverbandes.Ohne das Eingebundensein in Erwach-senengremien wäre es nicht gegangenmit meinem Beruf.

Auch die Abgrenzung zur Schule istfür mich wichtig. Ich arbeite nie da-heim, das habe ich immer so gehaltenund nie ein Heft heimgenommen. Die-se Abgrenzung ist auch der Grund,warum ich vor acht Jahren aus Rafz indie Stadt Zürich gewechselt habe: Dortwurde ich ständig und überall ange-sprochen auf die Schule, beim Spazie-ren, in der Beiz. Heute wohne ich nurnoch als Privatperson in Rafz. Das Pen-deln macht mir gar nichts aus, im Ge-genteil, es ist für mich geschenkte Zeitzum Lesen. Und wenn ich in Rafz aus-steige, bin ich ein freier Mensch.

Natürlich verändert man sich alsLehrer, wenn man älter wird. Als jun-

ger Lehrer habe ich die Kinder ummich geschart, habe selbst mit getschu-tet, war ein Teil der Gruppe. Heuteschare ich die Kinder nicht mehr ummich, sondern um ein Ziel, um eineIdee. Das eine ist nicht besser als dasandere, die Rolle verändert sich ein-fach mit dem Alter. Auch den Elterngegenüber: Am Anfang meiner Berufs-tätigkeit waren die Eltern 10, 15 Jahreälter als ich, ich war jeweils hyperner-vös vor Elterngesprächen. Dann warensie gleich alt wie ich – in dieser Phasesind Eltern besonders kritisch gegen-über dem Lehrer ihrer Kinder. Heutesind sie jünger und haben Respekt vormeiner Erfahrung.

Es ist schön, immer wieder die Fort-schritte der Kinder zu sehen. Wenn ichnach vielen Jahre einen ehemaligenSchüler treffe, und wenn er dann sagt:‹Es ist gut, dass Sie damals so strengwaren, sonst hätte ich es nicht so weitgebracht› – dann freut mich das natür-lich. Von dieser Seite her würde ichmeinen Beruf einem heutigen Matu-randen durchaus empfehlen. Aber dieUmgebung rundum muss stimmen,und das ist heute leider nicht mehr derFall, wir sind einem Monopolarbeit-geber ausgeliefert, der über unserenLohnanstieg entscheidet. Auch die Frei-heit im eigenen Schulzimmer wird im-mer mehr durch äussere Zwänge einge-schränkt, etwa weil man sich den Teil-zeitpensen im Team anpassen muss.

Dabei ist mir gerade diese Freiheitsehr wichtig: dass ich entscheidenkann, ob wir heute zwei Stunden Ma-the machen – oder den halben Morgenlang nur das Theater proben.»Aufgezeichnet von Kathrin Meier-Rust

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«Zu zweit haben wirviel mehr Ideen. Undvier Augen beobachtenin einer Klasse doppeltso viel.».. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

«WirtragendieVerantwortungzuzweit»Die Primarlehrerin Cristina Oss und dieHeilpädagogin Brigitte Sommerunterrichten zusammen eine Klasse. Siemöchten es beide nie mehr anders tun

Cristina Oss: Ich un-terrichte meine vier-te Klasse nun schondas zweite Jahr zu-sammen mit BrigitteSommer, und das istfür mich eine ideale

Situation. Da wir nebst Schülern mitintegrativer Förderung auch zwei Inte-grationskinder in der Klasse haben, hatBrigitte ein relativ grosses Pensum von17 Lektionen. Wir sind also einen gros-sen Teil der Zeit zusammen in derKlasse und machen auch alle Vor- undNachbereitungen zusammen. UnsereRessourcen ergänzen sich gut – Brigit-te bringt ihre Sprachkenntnisse ein,meine Stärke ist das Zeichnen. Wirverwenden bei der Vorbereitung sehrviel Gedankenarbeit darauf, unsereLernarrangements so zu gestalten, dassjedes Kind auf seinem Niveau arbeitenkann. Und da haben wir zu zweit ein-fach viel mehr Ideen, denken vieles ge-nauer durch. Und natürlich beobachtetman mit vier Augen in einer Klasse

doppelt so viel. Das alles empfinde ichals grosse Entlastung – wir tragen dieVerantwortung zu zweit.Brigitte Sommer: Im Gegensatz zu frü-her besteht heute die Möglichkeit, Kin-der mit einer Behinderung in Regel-klassen zu integrieren. Bei uns befin-den sich die Integrationsschüler in ei-ner Klasse, in der jedes Kind möglichstimmer auf seinem eigenen Niveau ar-beiten kann. Es ist erstaunlich, welcheFortschritte die beiden gemacht haben.Nebst individueller Förderung lernensie eben sehr vieles ungeplant, auf ganzandere Art, auch von den anderen Kin-dern zum Beispiel. Das vermeidet dasHerumreiten auf ihren Schwächen undermöglicht einen neuen Zugang zumLernen.Cristina Oss: Wir haben uns bei derArbeit mit einer 6. Klasse kennenge-lernt und festgestellt, dass wir gut har-monieren. Dass ist wichtig, denn esgibt Punkte, die man unterschätzenkann, zum Beispiel den Lärmpegel, denjemand erträgt, oder die Art, wie je-

mand mit den Kindern umgeht. Wennman in solchen Dingen sehr verschie-den ist und sich dann dauernd ärgertüber die andere, ist das schwierig. Mankann sich ja gerade in diesem sehrpersönlichen Bereich schwer ändern.Brigitte Sommer: Eine Integrationkann nur gelingen, wenn die Heilpäd-agogin gut in der Klasse integriert ist,und das setzt eine relativ hohe Präsenzvoraus. Oft ist es ja so, dass nur derKlassenlehrer bei den Schülern wirk-lich zählt. Bei uns ist das nicht so: DieSchüler wenden sich an uns beide, ein-fach an die, die am nächsten ist, unddas finde ich schön. Das funktioniert

im Unterricht nur dank präziser ge-meinsamer Vorbereitung.Cristina Oss: Vor allem offene Unter-richtsformen gelingen zu zweit vielbesser. Häufig braucht ein Kind nur ei-nen kleinen Hinweis, um weiterarbei-ten zu können. Und den bekommt esdann unkompliziert von meiner Team-Lehrerin und muss nicht warten, bisich selbst Zeit habe. Dadurch langwei-len sich die Kinder viel weniger – wersich langweilt, der fängt bekanntlichleicht an zu stören. Nein, ich möchtenie mehr anders arbeiten als im Team.Ich unterrichte nun seit zehn JahrenPrimarschule und habe nur kurze Zeiteine Klasse allein geführt: Zuerst habeich eine Stelle geteilt und dann in derGrundstufe das Team-Teaching ken-nengelernt, das ich nun in der Integra-tionsklasse weiterführen kann. Als ichmit Brigitte feststellte, dass wir gutharmonieren, war es deshalb unserZiel, weiterhin eine Klasse mit Integra-tionsschülern zu führen, und ich binglücklich, dass es auch gelang.

Brigitte Sommer: Ich habe zuerst inder Primarschule, dann zehn Jahre inder Sekundarschule sowie weiterezehn Jahre mit IF-Schülern an derOberstufe gearbeitet, bevor ich dieheilpädagogische Ausbildung gemachthabe, ich kann also vergleichen. Ichfinde, die Integration bringt allen Kin-dern etwas. Denn jede Klasse bestehtimmer aus ganz unterschiedlich begab-ten Kindern, jedes hat seine Stärkenund seine Schwächen. Wir thematisie-ren das übrigens auch mit den Kindern,und wir lassen auch die Integrations-schüler ihre Stärken zeigen, die sie jadurchaus auch haben, einer von ihnenist zum Beispiel ganz stark im Radball.Aber unser Grundanliegen ist es, dassjedes Kind auf seinem Niveau arbeitetund weiterkommt – und das motiviertalle Kinder sehr stark.Aufgezeichnet von Kathrin Meier-Rust

Das Team: Cristina Oss (links) undBrigitte Sommer im PrimarschulhausHegi, Oberwinterthur (2. 11. 2010)

Der Erfahrene: Bruno Dütsch im Schulhaus Hofacker in Zürich. (10. 11. 2010)

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Die Fachhochschule Nordwestschweiz eröffnet Perspektiven.www.fhnw.ch

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Bücher machen SchuleWarum eigentlich sollten Kinder gern lesen, wenn ihre Eltern es auch nicht tun? So fragt Fabio Pusterla,Italienischlehrer im Tessin. Recht hat er

Geglückter UnterrichtSchwester Johannes wollte schon alsKind nur zwei Dinge: ins Kloster gehenund Lehrerin werden. Heute ist sie dieheissgeliebte Lehrerin der 1. Klasse inGersau und die letzte Primarlehrerindes Klosters Ingenbohl. Daniel Bad-rauns Traumziel als Kleinklassen-Lehrer im Thurgau ist es, dass seineNeuntklässler «gerne lesen und schrei-ben ein Leben lang». Brigitta Emmen-egger kocht mit ihren Drittklässlernregelmässig das Mittagessen für dieganze Rudolf-Steiner-Schule in Schuls.Vier Autorinnen suchten nach Men-schen, die gerne Lehrer sind, setztensich in die Klassenzimmer und führtenlange Gespräche. Entstanden sind 14ausführlich-liebevolle Porträts vonLehrerinnen und Lehrern, die ihreSchüler mit Vertrauen und grossempädagogischem Können unterrichtenund damit zeigen, wie Schule heutegelingen kann. (kmr.)

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Corina Lanfranchi,u. a.: Schulbesuch.Wie Lehrerinnen undLehrer heute unterrich-ten. 14 Porträts.Limmat-Verlag, Zürich2010. 176 Seiten,Fr. 36.50.

Zankapfel BildungspolitikRolf Dubs, hochangesehener Doyender Schweizer Bildungsforschung undehemals Rektor der Universität St. Gal-len, möchte mit seinem neuen Buch dieGrundlage legen für eine Versachli-chung der erhitzten öffentlichen Dis-kussion über Schulfragen. Kurz und

prägnant, wenn auch etwas trocken,immer ausgehend vom Stand wissen-schaftlicher Erkenntnis, beantwortetder Autor rund 40 Fragen von Klassen-grösse bis Hausaufgaben, von Schul-finanzen bis zu freier Schulwahl. Er er-hebt dabei keinen Anspruch auf objek-tive Wahrheit, die er der Bildungsfor-schung überhaupt abspricht. Vielmehrgeht Dubs offen von seiner persön-lichen Wertvorstellung aus, dass dieSchule sowohl Leistungsschule bleibensowie Erziehungsaufgaben überneh-men müsse, der Chancengerechtigkeitverpflichtet sein müsse, doch nicht derGleichmacherei verfallen dürfe. Vor al-lem müssten Reformen, so seine For-derung, bildungsphilosophisch besserfundiert werden als bisher. (kmr.)

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Rolf Dubs: Bildungs-politik und Schulewohin? Tobler-Verlag, Altstätten2010. 255 Seiten,Fr. 38.–.

Kindgerechte SchuleIn diesem klar geschriebenen kleinenBand fasst der Kinderarzt und Ent-wicklungsspezialist Remo Largo nocheinmal zusammen, worauf es ankommtbei der Erziehung und Bildung vonKindern und was demnach eine kind-gerechte Schule unterstützen muss:aktives Handeln und Erleben, selbstbe-stimmtes Lernen, Geborgenheit in ei-ner vertrauensvollen Beziehung zu denLehrpersonen und vor allem die Be-rücksichtigung des individuellen Lern-tempos jedes einzelnen Kindes. Stän-

dige Förderung, Leistungs- und Selek-tionsdruck, disziplinarische Kontrolleund Überforderung sieht Largo dage-gen als kontraproduktiv in diesem Plä-doyer für eine neuerdings zu Unrechtin Misskredit geratene Pädagogik deskindlichen Wohlfühlens als Grundvor-aussetzung jeden Lernens. (kmr.)

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Remo H. Largo: Lernengeht anders. Bildungund Erziehung vomKind her denken.Edition Körber-Stiftung,Hamburg 2010.188 Seiten, Fr. 21.90.

Geschichten eines LehrersEine Schülerin stösst ihren Lehrer vorden Kopf, indem sie beim biblischenGleichnis vom Kamel, das nicht durchsNadelöhr geht, in lautes Lachen aus-bricht. Erst im Nachhinein erkennt derLehrer die verstecke Aufforderung, diein diesem frechen Lachen steckt: Er-klär mir, was es auf sich hat mit dieseralten Geschichte, die vor dem heutegängigen Prestige von Reichtum ab-surd erscheint. So selbstkritisch undtiefgründig denkt Fabio Pusterla, Leh-rer und Lyriker aus Lugano, über die«Unruhezone» Schule nach. Auchwenn es in seinem Fall um das Gymna-sium geht, gehören seine «37 kurzenGeschichten eines Lehrers», die als

Kolumne in der Tessiner Wochenzei-tung «Azione» erschienen sind, zumSchönsten, was zum Thema Schuleheute zu lesen ist: Nicht ohne Trauerund Zweifel, ist Pusterla doch erfülltvon einem ganz unvoreingenommenenEngagement für seine Schüler. (kmr.)

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Fabio Pusterla:Zur Verteidigung derSchule. 37 kurzeGeschichten einesLehrers. Limmat-Verlag,Zürich 2010. 125 Seiten,Fr. 28.50.

Werkunterricht. (5. 11. 2010)