Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona ... · Der individuelle Blick auf die Familie...

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Staatsinstitut für Frühpädagogik www.ifp.bayern.de Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

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Staatsinstitut fürFrühpädagogik

www.ifp.bayern.de

Bildung, Erziehung und Betreuungin Zeiten von Corona

Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

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Sehr geehrte Fachkräfte,Sie alle leisten weiterhin, auch jetzt in der Corona-Krise, hervorragende Arbeit. Gleichzeitigist diese Ausnahmesituation für Sie – wie für unsalle – sehr verunsichernd. Die stufenweise Aus-weitung der Kindertagesbetreuung stellt Kita-Teams, Kinder und ihre Familien vor neueHerausforderungen.

Die Kinder haben erlebt, dass sie für andere Kin-der oder für ihre Familie und vor allem für Omaund Opa eine Gefahr darstellen können. Das istfür sie kaum zu verstehen und wird als besondersschlimm empfunden. Die Ängste der Erwachse-nen sind und waren für Kinder in den letztenWochen überall zu spüren. Umso wichtiger isteine gute Vorbereitung der Kindertageseinrich-tung auf die Rückkehr der Kinder. Klare Abspra-chen im Team und mit dem Träger zu Schutz-maßnahmen, Abläufen und Gestaltung der Rück-kehr der Kinder geben Ihnen Sicherheit für Ihrprofessionelles Handeln. Erst dann kann bei denKindern Freude aufkommen, wieder in die Kitagehen zu dürfen, Freunde zu treffen und unbe-schwert miteinander spielen, lernen und tobenzu können.

Nicht alle Kinder haben in den letzten Wochendie gleichen Erfahrungen gemacht. Manche wur-den ausschließlich zu Hause betreut, anderehaben weiterhin die Notbetreuungsgruppe be-sucht. Nicht alle Kinder werden zur gleichen Zeitwieder in die Kita kommen und die Kinder, dieschon da sind, werden vielleicht nicht die glei-chen Kinder sein, die vor der Schließung in derKindergruppe waren.

• Wie können Sie sich im pädagogischen Teamdarauf vorbereiten, wenn Kinder nun nacheiner längeren Betreuungspause wieder in dieKita kommen?

• Wie können sie mit den Kindern, die noch nichtkommen, weiterhin gut Kontakt halten?

• Wie können Sie die unterschiedlichen Erfahrun-gen der Kinder während der Betreuungspauseberücksichtigen?

• Was ist für die verschiedenen Altersgruppender Kinder in Hinblick auf Partizipation undMitbestimmung zu berücksichtigen?

• Wie können Übergänge in dieser besonderenZeit gut gestaltet werden?

Das Bayerische Sozialministerium hat bereitswichtige a Informationen und Handlungs-empfehlungen zusammengestellt.

Mit den folgenden Anregungen wollen wir Siebei der Bildung, Erziehung und Betreuung derKinder in Zeiten von Corona unterstützen,damit die Kinder ihre Kita als einen positiven,sicheren und angstfreien Ort erleben können –ein Ort, in dem es eine klare Richtschnur gibt,an die sich alle halten und wo alle an einemStrang ziehen.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

Inhalt1 | Wieder in der Kita ankommen 32 | Organisation im Kita-Alltag 63 | Kinderrechte und Partizipation 84 | Hygiene und Infektionsschutz

kindgerecht und feinfühlig umsetzen 105 | Kinderfragen zum Thema „Corona“

feinfühlig beantworten 126 | Kinder für den Übergang in die Schule

stärken – auch in Zeiten von Corona 157 | Hort und das Lernen zuhause 168 | Anregungen aus dem Kita-Alltag

für Zuhause 199 | Mit Kindern und Familien in Kontakt bleiben 20

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Familien haben die Corona-bedingte Schließzeitder Kindertageseinrichtungen unterschiedlich er-lebt. Daher ist es wichtig, darauf zu achten, mitwelchen Erfahrungen die einzelnen Kinder in dieEinrichtung zurückkommen. Das pädagogischeTeam sollte im Vorgespräch mit den Eltern klä-ren, wie und von wem die Kinder während derSchließzeit betreut wurden und ob es in der Fa-milie zu spezifischen Belastungen gekommen istoder nicht.

Auf der Grundlage folgender Informationen kanndas Kita-Team überlegen und planen, wie dieRückkehr der Kinder jeweils gestaltet werdenkann und mit wem eine engere Zusammenarbeithilfreich sein könnte: • Wurden Geschwisterkinder gemeinsam

betreut? • Wie war in etwa der Tagesablauf? • Gab es andere Betreuungspersonen?• Gibt es Bedenken oder besondere Anliegen der

Eltern im Hinblick auf die Fortsetzung des Kita-Besuchs?

So könnte es z.B. hilfreich sein, wenn die Persondas Kind bringt, die bisher die Zwischenbetreu-ung übernommen hat oder wenn das Geschwis-terkind anfangs noch mit dabei ist.

Das Wichtigste: Zeigen Sie Freude auf dieWiedereröffnung der Kita!

Es ist wichtig, alle Kinder und Eltern explizit will-kommen zu heißen und jedem Kind zu zeigen,dass Sie sich über sein Zurückkommen freuen.Damit ist nicht ein großes Startfest gemeint, sondern ein wohlüberlegtes, professionelles Vorgehen bei der Begrüßung, beim erneuten

Aufeinandertreffen, bei der dezenten Unterstüt-zung in den ersten Morgenstart. So können alleKinder in ihrer Geschwindigkeit wieder ankom-men. Neben der Rückkehr zur Alltagsroutine wirdes besonders wichtig sein, jedes Kind genau zubeobachten und sich im Team auszutauschen,was es als Starterleichterung braucht.

Den Wiedereinstieg in die Kita erleichternMit vertrauten Situationen wie dem Morgenkreiskönnen Sie Kindern helfen, wieder in die Kita zufinden. Wichtige Startfragen für alle zurückkeh-renden Kinder sind: „War es schön zuhause?“,„Was habt ihr erlebt?“, „Was hat euch gefehlt?“

Daneben kann es für die ersten Wochen eine Ein-stiegsmusik geben, zu der mit einem gemeinsa-men Tanz in den Tag gestartet wird. Das eignetsich besonders gut, falls die Kinder zunächst imAußenbereich der Kita ankommen, wenn sie vonihren Eltern gebracht werden. Aber auch andereRituale eignen sich im Morgenkreis, wie Übun-gen zum genauen Hinhören, und natürlich ver-traute Lieder, die die Kinder schon aus der Zeitvor der Kita-Schließung kennen.

Das Ankommen der Kinder in die Kita-Gemeinschaft erleichternEine wichtige Ressource für das Wiederankom-men in der Kita sind die Kinder, die bereits imRahmen der Notbetreuung die Kita besuchen,vor allem dann, wenn sie den Rückkehrkindernbekannt sind. Denn grundsätzlich tragen Gleich-altrige dazu bei, dass neue Situationen unddamit auch der Übergang von der Familie odervon einer anderen Zwischenbetreuung in die Kita

1 | Wieder in der Kita ankommen – Kinder und Eltern bei der Rückkehr willkommenheißen und unterstützen

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entspannter bewältigt werden. Sie können dasAnkommen der „neuen“ Kinder so gestalten,dass diese von der Kindergruppe oder einzelnenKindern in einer entspannten Atmosphäre will-kommen geheißen werden.

Auch hier gilt es, die individuellen Unterschiededer Kinder hinsichtlich ihrer aktuellen Erfahrun-gen und ihrer Bewältigungsstrategien zu berück-sichtigen und ihren aktuellen (vielleicht in derZwischenzeit veränderten) Entwicklungsstand imAuge zu haben. Jüngere und sensiblere Kindertun sich mit der Rückkehr in die Kita meistschwerer und werden eine längere individuelleEingewöhnungsphase benötigen.

Jedes Kind ist anders und hat eigene Bedürfnisse.

Wichtig ist, dass jedes Kind individuell die Auf-merksamkeit, die Zeit und die Hilfsmittel (z.B. ein Stofftier als Übergangshilfe) bekommt, die eszum Ankommen in die Kita-Gemeinschaft undden (evtl. veränderten) Kita-Alltag braucht.

Aus dem Vorgespräch mit den Eltern kann dasKita-Team die Unterschiede zwischen den Kin-dern heraushören, zudem kennen die pädagogi-schen Kräfte ihre Bezugskinder gut und wissen,was diese jeweils in einer neuen, ungewohntenSituation brauchen. Entsprechend kann die An-komm-Situation geplant und gestaltet werden:Manche, aber nicht alle Kinder, möchten gleicherzählen, was sie während der Schließzeit erlebthaben; andere kommen leichter an, wenn siesich einfach nur mit an den Brotzeittisch setzenoder mit dem besten Freund in ein Spiel vertiefen.

Eltern Sicherheit gebenAuch Eltern haben unterschiedliche Erfahrungengemacht und stehen vor individuellen Herausfor-derungen, die für die Rückkehr in die Kita eineRolle spielen können. Eltern, die in systemrele-vanten Berufen arbeiten und in der aktuellen Krisen-Situation ihr Kind zur Betreuung in dieKindertageseinrichtung bringen, stehen mögli-cherweise auch unter Anspannung oder sind verunsichert. Manche Familien trifft die Corona-Krise besonders hart, z.B. wegen Sorgen um denArbeitsplatz.

Der individuelle Blick auf die Familie und das Vor-gespräch helfen dem Team, die jeweilige Famili-ensituation nachzuvollziehen und im Hinterkopfzu behalten. Sie können Eltern und ihre Kinderam besten unterstützen, wenn Sie den Eltern sig-nalisieren, dass Sie ihr Kind gerne betreuen, dieEltern in ihrer jeweiligen Situation entlasten undalles daran setzen werden, dem Kind die Rück-kehr in die Kita zu erleichtern, damit es sich dortwieder rundum wohl fühlen kann.

Umgang mit Kindern aus belasteten Familien Kinder aus vorbelasteten Familien brauchen beider Rückkehr in die Kita besondere Aufmerksam-keit und Zuwendung, zur Sicherung des Kindes-wohls, aber vor allem, um ihnen in der Kita einenSchutzort zu bieten.

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Vielleicht haben Kinder in dieser Zeit wichtige Familienmitglieder oder liebevolle Nachbarn ver-loren, vielleicht sind ihre Eltern durch Kurzarbeitund Existenzängste zusätzlich belastet und kön-nen ihrem Kind nur wenig Sicherheit geben. Hiersind also genaues Beobachten und gutes Hinhö-ren besonders wichtig. Diese Kinder brauchenjetzt ganz besonders den Halt von ihren Bezugs-personen, die ihnen feinfühlig zuhören, ihnen Zuversicht geben und sie spüren lassen, dass siehier in der Kita in Sicherheit sind.

Achten Sie daher ganz besonders auf Verhaltens-änderungen bei Kindern, damit sie z.B. durchHinzuziehen weiterer Fachdienste Kindern dieHilfe und den Schutz zukommen lassen können,den sie brauchen.

Weiterführende Links und Literatur

a Haug-Schnabel, G. (2020). Vorbereiten fürdie Zeit danach. Kindergarten heute, 5, 10-13.a Unabhängiger Beauftragter für Fragen dessexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bun-desregierung warnt: Schrittweise Öffnung derSchulen ist keine Rückkehr in eine behütete Nor-malität für Kinder und Jugendlichea Auf der Website www.kein-kind-alleine-las-sen.de finden sich Ideen und Projekte von A wie„Arche Berlin" bis Z wie „Zuper-Q"a Beller, E. K. (2002). Eingewöhnung in dieKrippe. Ein Modell zur Unterstützung der aktivenAuseinandersetzung aller Beteiligten mit Verän-derungsstress. Frühe Kindheit (2), 9-14.a Winner, A. & Erndt-Doll, E. (2009). Anfanggut? Alles besser! Ein Modell für die Eingewöh-nung in Kinderkrippen und anderen Kindertages-einrichtungen für Kinder. Berlin & Weimar: verlagdas netz.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

Für die Kindertageseinrichtung stellt die Erweite-rung der Notgruppen und Neuorganisation vonfesten Kindergruppen eine große Herausforde-rung dar, die je nach Situation und Größe derEinrichtung sehr unterschiedlich gelöst werdenmuss.

In den Vorbereitungsgesprächen mit den Eltern können Sie klären, welche Familie

einen akuten Betreuungsbedarf hat und wo esfür manche Familien vielleicht auch alternativeBetreuungsmöglichkeiten gibt, wie z.B. privat organisierte „Eltern-Betreuungsgruppen“. Infor-mationen hierzu hat das Bayerische Sozialmini-sterium in den a Aktuellen Informationen zurKindertagesbetreuung zusammengestellt. Dabeikann es auch schon aus Gründen des Infektions-schutzes sinnvoll sein, Geschwisterkinder in dergleichen Gruppe zu betreuen.

Wenn Hortkinder aus verschiedenen Grundschu-len betreut werden, sollten möglichst Kinder auseiner Grundschule zusammen betreut und auchim Hort auf feste Gruppen mit festen Betreu-ungspersonen geachtet werden. Hier kann aucheine Abstimmung mit der Grundschule bezüglichder Hygieneregeln sinnvoll sein (siehe Kapitel 4).

Normalität im Alltag und gewohnte Routinen geben SicherheitVersuchen Sie so viel Normalität im Kitaalltag wiemöglich herzustellen und mit den Kindern an denAlltagsritualen und der gewohnten Tagesstruktur,soweit es möglich und für die Kinder gut ist, fest-zuhalten.

In Hinblick auf das Wohlbefinden der Kindermuss beachtet werden, dass viele Kinder in denletzten Wochen sehr wenig Kontakt zu Gleichalt-rigen hatten und sich in kurzer Zeit an stark ver-änderte Tagesabläufe gewöhnen mussten.

Manche Kinder brauchen Zeit, um sich wieder anden Umgang mit anderen Kindern und an die ge-änderten Gegebenheiten in der Kita zu gewöh-nen. Für viele Kinder stellt die neue Situationeine große Herausforderung dar. Umso wichtigersind für die Kinder konstante und vorhersehbareAbläufe. Je jünger die Kinder sind, desto gleich-mäßiger sollten die Kita-Zeiten sein.

Bei Hortkindern ist die Unterstützung bei der Erledigung der Arbeitsaufträge aus der Schuledurch Fachkräfte aus der Kita per Telefon oderVideo-Chat gut möglich und hilft insbesondereden Kindern, die hier von ihren Eltern – z.B. auf-grund von Sprachproblemen – nicht genügendUnterstützung erfahren.

Von der offenen Arbeit zur festen Gruppe Aufgrund der Infektionsschutzvorgaben könnenoffene und teiloffene Konzept bis auf weiteresnicht umgesetzt werden. Die Fachkräfte könnenjedoch gemeinsam mit den Kindern überlegen,wie die Kinder trotzdem in Kontakt bleiben kön-nen, obwohl sie durch die Aufteilung in Klein-gruppen räumlich voneinander getrennt sind. Aus einigen Kitas gibt es dazu bereits verschie-dene Anregungen:

2 | Organisation im Kita-Alltag

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

• Hauspost: Die Kinder können Briefkästen bas-teln und an der Tür ihres jeweiligen Gruppen-raums anbringen. So können sie sich gegen-seitig Bilder malen oder mit Hilfe der Fach-kräfte Briefe schreiben. Die Briefkästen werdentäglich mit den Kindern geleert.

• Fensterbotschaften: Mit Fenstermalfarbe kön-nen sich die Kinder gegenseitig Botschaften andie Fenster malen oder mit Hilfe der pädagogi-schen Fachkraft schreiben. Aus dem Garten,auf dem Hin- oder auf dem Nachhausewegsehen die Kinder dann die Botschaften.

• Videos: Innerhalb der Einrichtung können dieGruppen miteinander über Videos kommuni-zieren. Entweder sie schicken sich gegenseitigVideobotschaften hin und her oder rufen ei-nander mit einem Tablet/Smartphone undeiner App mit Videofunktion an.

• Walkie-Talkies: Mithilfe dieser Funkgeräte können Kinder raumübergreifend miteinanderreden und spielen. Die Walkie-Talkies solltenjedoch nur unter Beachtung von Hygiene-regeln, wie z.B. deren regelmäßige Reinigung,benutzt werden, da sie nahe ans Gesicht gehal-ten werden.

Weiterführende Literatur

a Der Paritätische Gesamtverband (Hrsg.).Orientierungshilfe für Träger von Kindertagesein-richtungen in Zeiten der Corona-Pandemie.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

„Demokratische Partizipation heißt in Zeiten vonCorona das Gleiche wie vor und nach Corona:Denjenigen Stimme und Gehör zu geben, die voneiner Situation betroffen sind, Auseinanderset-zungsprozesse zuzulassen und ggf. zu moderierenund dann gemeinsam Lösungen zu suchen und zuleben“

(Sturzenhecker, Knauer & Hansen, 2020)

Dieses Zitat zeigt deutlich, auch in Zeiten von Co-rona sind die Kinderrechte einzuhalten und müs-sen die Basis allen pädagogischen Handelns sein.Es ist Ihre Aufgabe als Fachkraft, sich dafür einzu-setzen, dass Grund- und Beteiligungsrechte derKinder auch in dieser herausfordernden Situationgewahrt bleiben und eingehalten werden. Dort,wo diese Möglichkeiten durch übergeordnete Er-lasse und Bestimmungen eingeschränkt werden,ist es besonders wichtig, dass Sie als Fachkraftden Kindern die Maßnahmen gut erklären undbegründen. Nur dann können die Kinder aktiv beider konkreten Umsetzung beteiligt werden.

Wenn die Kinder nach und nach in die Kinderta-geseinrichtungen zurückkommen, finden sie auf-grund der notwendigen Umorganisation zurSicherung des Infektionsschutzes oft völlig neueSituationen in ihrer Kita vor. Jedes Kind brauchtjetzt Erklärungen, um zu verstehen, warum dieseEntscheidung getroffen wurde und welche neuenRegeln jetzt gelten.

Sie können die Kinder, die bereits in der Notbe-treuung sind, dabei einbeziehen, so dass dieseden zurückkehrenden Kindern gemeinsam mitIhnen die neuen Regeln erklären und zeigen.Geben Sie dabei den Kindern auch die Möglich-keit, Verbesserungsvorschläge zu machen und eigene Ideen zu einzubringen.

Die neue, Corona-bedingte Situation in der Kin-dertageseinrichtung kann aber auch ein Anlasssein, generell mit den Kindern über Kinderrechteund Meinungsfreiheit zu reden. Die Kinder ler-nen hierbei, dass zwar momentan die Beteili-gungsrechte eingeschränkt sind, dies aber demInfektionsschutz dient. Andere Rechte dagegen,wie z. B. das Recht auf freie Meinungsäußerung,bleiben gewahrt.

In Kindertageseinrichtungen, die offen arbeiten,können Sie auch in ähnlicher Form mit den Kin-dern besprechen, warum unter den jetzigen Um-ständen vorübergehend keine offene Arbeitmöglich ist und ihre Entscheidungsfreiheit damiteingeschränkt werden muss. Auch hier könnenBezüge zu den allgemein geltenden Regeln her-gestellt werden.

Auch wenn derzeit v. a. die strukturellen Mitwir-kungsmöglichkeiten, wie bspw. Kinderkonferen-zen, stark eingeschränkt sind, können Sie alsFachkraft überlegen, welche alternativen Mög-lichkeiten es hier gibt. Damit zeigen Sie den Kindern, dass die bisher errungenen Mitsprache-rechte der Kinder nicht aufgrund der Corona-Pandemie abgeschafft wurden.

3 | Kinderrechte und Partizipation

Tipps aus der PraxisGemeinsam mit den Kindern können Ideen ge-sammelt werden, wie das Leben in der Kitaunter den vorhandenen Umständen gestaltetwerden kann und wie sie daran konkret mit-wirken können. Machen Sie den Kindern deut-lich, wo sie nach wie vor mitbestimmen kön-nen und dass sie viele Entscheidungen, die sieselbst betreffen, immer noch treffen können.

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Denkbar sind z. B. Abstimmungen in der kleinenGruppe oder visuell gestaltete Abstimmungenauf einem Flipchart. Bei einer entsprechendendigitalen Ausstattung und Medienaffinität derKita können hiermit auch zwischen KleingruppenAbstimmungsprozesse moderiert werden undsogar Kinder, die sich nicht in der Notbetreuungbefinden, eingebunden werden, wenn die Fach-kräfte über digitale Medien Kontakt mit den Kin-dern und ihren Familien halten.

Beobachtung der Kinder und pädagogischeReflexion sind jetzt besonders wichtigUnabhängig vom (Nicht-)Vorhandensein struktu-reller Gegebenheiten der Beteiligungsmöglich-keiten muss darauf geachtet werden, dass jedemKind Partizipation und Mitbestimmung ermög-licht wird, wann immer es geht. Dies gelingtdurch eine wertschätzende und wahrnehmendeHaltung den Kindern gegenüber, indem Sie sichZeit für die Kinder nehmen, sie aufmerksam be-obachten und, am besten gemeinsam im Team,die Bedürfnisse der Kinder reflektieren.

Kinder sollen ihre persönlichenErfahrungen aus der Corona-Zeitthematisieren und ihre Ängsteund Wünsche äußern dürfen,nicht nur im Gespräch, sondernganzheitlich, z. B. durch Rollen-spiele, Zeichnungen oder andereAktivitäten.

Kinder können auch gezielt in dieUmsetzung der Hygienemaßnah-men eingebunden und ihr Be-wusstsein hierfür kann geschärftwerden, indem z. B. gemeinsamüberlegt und darauf geachtet

wird, welche Flächen und Gegenstände sie be-rühren und was wie oft gereinigt werden muss,damit sich auch in Bezug auf den Infektions-schutz ähnliche Routinen entwickeln wie bei-spielsweise beim Tisch decken.

Es sollte auch für die nicht anwesenden Kindernach Möglichkeiten der Partizipation gesuchtwerden. Dies setzt voraus, dass die Fachkräfte zuden Kindern und ihren Familien Kontakt halten,z. B. mittels digitaler Medien, Bücher- und Spiele-kisten (siehe Kapitel 8) oder sie auch bei der Ge-staltung der Wiedereingewöhnung beteiligtwerden.

Weiterführende Links und Literatur

a Sturzenhecker, B., Knauer, R. & Hansen, R.(2020). Partizipation in Kitas in Zeiten von Corona.a Spickschen, L., Meyer, D. & Hilpert, W.(2020). Das Coronavirus und die Grundrechte.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

Die stufenweise Öffnung von Kindertageseinrich-tungen erleben manche Fachkräfte, aber auch Eltern und Kinder als Gefahr für weitere Anste-ckungen mit dem Coronavirus. Damit Sie als pä-dagogische Fachkräfte die Ängste der Kinder vorAnsteckung verstehen und diesen achtsam be-gegnen können, ist es wichtig, dass Sie sich imTeam mit den eigenen Ängsten vor einer Anste-ckung mit dem Coronavirus auseinander setzenund und Sie gemeinsam mit Ihrem Träger abstim-men, welche Maßnahmen Sie in der Kita einset-zen, um sich und die Kinder vor Ansteckung zuschützen.

Hygienemaßnahmen feinfühlig umsetzenAllen Fachkräften im Team muss bewusst sein,dass jedes Kind zumindest anfangs durch dieneuen Hygienemaßnahmen verunsichert ist. Kinder brauchen hier eine ganz besonders fein-fühlige und sicherheitsgebende Unterstützungdurch ihre Bezugspersonen.

So sehr der Infektionsschutz und die Hygiene-maßnahmen wichtig sind: Achten Sie bitte

bei der Umsetzung darauf, dass diese von denKindern nicht als angsteinflößend oder bedroh-lich betrachtet werden. Kindern, die bereits inder Notbetreuung waren, sind die Regeln inzwi-schen vertraut. Kinder, die nun nach und nachwieder in die Einrichtung kommen, sollten diejetzt geltenden, zusätzlichen Maßnahmen sach-lich, aber auch feinfühlig erklärt bekommen.Geben Sie allen Kindern genügend Zeit und Ge-legenheit, um die neuen Regeln einzuüben.

Hände waschen, abtrocknen und eincremenRichtig Hände waschen sollte jedes Kind in derEinrichtung beherrschen. Die meisten Einrichtun-gen hatten auch bereits vor Corona Rituale, mitdenen das richtige Händewaschen erlernt wird –Fotostrecken, Begleitlieder etc. Auf der Seite desStMAS finden Sie ein Plakat zum Download, dasauch die jüngsten Kinder anspricht:ahttps://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/downloadmaterialien-kitas_a4_richtig-haende-waschen.pdfDie Kinder können auch selbst Plakate zu denVerhaltensregeln gestalten.

Es sollte in jeder Einrichtung klare Regeln geben,wann und warum die Hände gewaschen werden,also nach dem Ankommen am Morgen, vor demEssen, nach dem Essen, nach der Rückkehr vomAußenbereich sowie situationsbedingt natürlichauch zwischendurch.

Bitte achten Sie darauf, dass die Kinder nichtunnötig oft die Hände waschen – es kann da-

durch zu schmerzhaften Handekzemen kommen.Verwenden Sie nach Möglichkeit pH-neutraleWaschmittel mit möglichst wenigen Zusatzstoffen.

Unterstützen Sie die kleineren Kinder liebevollbeim Händewaschen und zeigen Sie ihnen, wiewichtig es ist, sich nach dem Waschen die Händegründlich abzutrocknen. Ebenso wichtig ist es,dass die Hände danach gut eingecremt werden.Hierbei benötigen gerade die Jüngeren Ihre Hilfe.

4 | Hygiene und Infektionsschutz kindgerecht und feinfühlig umsetzen

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungenkindgerecht umsetzenGenerell gilt, dass es für Kinder keine Verpflich-tung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungenin der Einrichtung gibt. Gerade bei jüngeren Kin-dern besteht das Risiko, dass diese unsachgemäßverwendet werden. Situationsbedingt sollte dasPersonal eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen,zum Beispiel in der Bring- und Abholsituationoder beim Kontakt mit Lieferanten.

In Deutschland gibt es noch wenig Erfahrung mitMund-Nasen-Bedeckungen für Fachkräfte. Esgibt aber Untersuchungen, die zeigen, dass Kin-der bereits bei einer neuen Frisur der Betreu-ungspersonen verunsichert reagieren. Ob zuFasching verkleidet oder mit ungewohnter Kopf-bedeckung – Kleinkinder mögen generell keineVeränderungen im Gesichtsbereich ihrer Bezugs-personen. Eine Mund-Nasen-Bedeckung verän-dert das Gesicht noch mehr, weil die untereGesichtspartie und damit der sprechende oderlächelnde Mund als Zusatzinformationen zumSprachverständnis fehlen.

Hortkinder kennen aus dem Schulbetrieb dasTragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Diese soll-ten auch in ähnlicher Weise im Hort eingeführtwerden, also beispielsweise beim Ankommen im Hort, auf dem Weg zur Toilette oder in den Gän-gen. Klären Sie mit den Kindern, wo die Mund-Nasen-Bedeckung aufbewahrt werden soll, wennsie nicht getragen wird, und welche Handhygienebeim Auf- und Absetzen eingehalten werden soll.

Grundschulkinder erleben die jetzige Zeit be-wusster als kleinere Kinder und kämpfen

teilweise auch mit Ängsten. Gerade das Trageneiner Mund-Nasen-Bedeckung wirkt auf einigeKinder bedrohlich. Nehmen Sie sich der Kinderan, die sich sichtlich unsicher fühlen oder ver-ängstigt wirken. Emotionale Zuwendung hilft denKindern, über ihre Sorgen und Nöte im vertrau-ensvollen Dialog zu sprechen.

Weiterführende Links und Literatur

a Der Paritätische Gesamtverband (Hrsg.).Orientierungshilfe für Träger von Kindertagesein-richtungen in Zeiten der Corona-Pandemie.a Das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn gibt Hygiene-Tipps für Kids.a Die Seite www.infektionsschutz.de gibt Antworten auf häufige Fragen und stellt Filme,Hygienetipps und Materialien zum Download zurVerfügung.

Tipps aus der PraxisAuch Hortkinder brauchen am Anfang nochIhre Begleitung beim Händewaschen. Entwi-ckeln Sie positive Rituale, z.B. auch durch lus-tige Lieder, die dabei gesungen werden undsuchen Sie gemeinsam mit den Kindern nachguten Erklärungen, warum diese Maßnahmenwichtig und sinnvoll sind. Wenn die Kinderaktiv beteiligt sind, werden sie die Maßnah-men auch selbstbestimmter mittragen unddurchführen. Vielleicht möchten Sie mit dengrößeren Kindern ein Projekt machen, bei demsie selber Seife und Handcremes herstellen.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

Mittlerweile haben die Kinder im familiären Um-feld, in den Medien, und von Freunden sicherbereits einiges über Corona gehört. Als Einstieg,um mit den Kindern in der Kita über Corona insGespräch zu kommen, eignen sich Geschichtensehr gut. Daran lassen sich Erklärungen der Fach-kräfte gut anschließen und die Kinder bekommendie Gelegenheit, ihre Fragen zu dem Thema zustellen.

Das Eingehen auf die Fragen von Kindern ist sehr wichtig. Die Kinder sollen wissen,

dass die Fachkräfte zuhören, sie nicht alleine ge-lassen werden und dass sie in der Kita auch überschwierige Themen sprechen dürfen. Wenn Kin-der nach einem Gespräch aufhören zu fragen,sollte man das Thema aber wieder beenden undsich anderen Dingen widmen.

Mit Kindern über die Angst vor AnsteckungsprechenWichtig ist auch, im Gespräch über das Thema„Ansteckung mit Corona“ altersangemesseneund gute Formulierungen zu finden und den Kin-dern zu erklären, dass es bei einer Ansteckungmeist zu einer baldigen Genesung kommt und erkrankte Menschen im Krankenhaus Hilfe be-kommen, um nach einer Ansteckung mit demCoronavirus wieder gesund zu werden.

Schon für uns Erwachsene ist es fast nicht mög-lich, die vielfältigen, verunsichernden Informatio-nen rund um das Thema Coronavirus undAnsteckungsgefahr zu verstehen und richtig einzuordnen. Für Kinder im Kindergarten- oderGrundschulalter ist das schier unmöglich. Kinderschnappen aber verschiedene „Informationsfet-zen“ auf, die ihr inneres Bild von Gefahr bilden.So haben einige Kinder gehört, dass das Corona-virus aus China zu uns gekommen ist. Daraus

können Kinder Fehlschlüsse ziehen, z.B. dass einKind aus der Gruppe, das aus Asien stammt, jetztalle Kinder anstecken wird. So eine Gedanken-kette muss von den pädagogischen Fachkräftenschnellstens aufgelöst werden, bevor das Kindmit asiatischer Herkunft zum Mobbingopfer wird.

Weitere Anregungen und Hintergrundinformatio-nen zum feinfühligen Umgang mit Kindergarten-und Grundschulkindern finden Sie in den Bro-schüren des IFP zur Feinfühligkeit für Eltern undErzieherInnen:

a Feinfühligkeit von Eltern und ErzieherInnen– Beziehungen mit Kindern im Alter von 3bis 6 Jahren gestalten

a Feinfühligkeit von Eltern und PädagogInnenin Schulen und Horten – Beziehungen mit Kindern im Grundschulalter gestalten

5 | Kinderfragen zum Thema „Corona“ feinfühlig beantworten

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Weiterführende Links und Literatur

Inzwischen gibt es einige Kinderbücher und Bildergeschichten rund um das Thema Corona.a Die Geschichte „Aufregung im Wunder-wald“ wurde von Björn Enno Hermans erzähltund von Annette Walter illustriert. Sie kann inder Beratung von Familien mit jüngeren Kinderngenutzt werden. Es gibt das Bilderbuch in in ver-schiedenen Sprachen, auf deutsch gibt es auchein Hörbuch. a In einer kostenlosen Pixi-Geschichte desCarlsen Verlags erhalten Kinder Antworten aufviele ihrer Fragen rund um das Thema Corona.

Hilfreich kann es auch sein, einfach aufbereiteteInformationen dazu gemeinsam im Internet oderFernsehen (Mediathek) anzusehen und anschlie-ßend zu besprechen, z. B.:a Flimmo hat Wissen rund um Corona spe-ziell für Kinder aufbereitet.a Die Seite www.corona4kids.de erklärt dasCoronavirus kindgerecht und in vielen verschie-denen Sprachen, sehr gut für etwas ältere Kindergeeignet.a Auch die Stadt Wien hat auf YouTube einErklär-Video für Kinder veröffentlicht.a Unicef gibt 8 Tipps, wie man mit Kindernüber Corona sprechen soll.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

Für Kinder und Familien ist der Eintritt des Kin-des in die Schule ein wichtiger Übergang. Kinder-tageseinrichtungen und Grundschulen habenvielfältige Rituale, um gemeinsam mit der Fami-lie jedes Vorschulkind darin zu bestärken, dieneuen Herausforderungen gut zu bewältigen undsich auf den Schulstart zu freuen.

Viele bewährte Strategien in der Übergangsbe-gleitung können unter den Vorgaben in der Corona-Pandemie nicht mehr wie bisher durch-geführt werden, wie z.B. Schul- oder Unterrichts-besuche, besondere Aktionen der Vorschulkinder,Abschiedsfeste oder auch traditionelle Eltern-abende. Auch die speziellen Vorschulaktivitätensind über einen längeren Zeitraum ausgefallen.Außerdem ist derzeit noch nicht klar, wie die ers-ten Schultage der Kinder aussehen werden.

In der aktuellen unsicheren Zeit ist es besonderswichtig, dass Sie den Übergang der Vorschulkin-der mit deren Eltern möglichst individuell be-sprechen und die Eltern und Vorschulkinder gutüber die geplanten Aktivitäten informieren.Ebenso ist es jetzt noch wichtiger als sonst, Kin-der besonders in den Blick zu nehmen, die wenigBildungsanregung in ihren Familien erfahrenoder deren Familiensprache nicht Deutsch ist.

Eltern und Vorschulkinder brauchen jetztviel Ermutigung und UnterstützungKinder sind möglicherweise sehr enttäuscht, dassviele Vorschulaktivitäten und Rituale nun wegfal-len und haben vielleicht auch Ängste, was denÜbergang in die Schule betrifft. Besprechen Siemit den Kindern den Übergang und die Einschu-lung und versuchen Sie, ihnen so viel Sicherheitwie möglich zu geben.

Ermutigen Sie Kinder, Ängste und negative Ge-fühle zu benennen und sprechen Sie feinfühligdarüber. So fühlen sich Kinder wahrgenommenund können Strategien entwickeln, um mit die-sen Gefühlen umzugehen, ihre Bedürfnisse zuäußern und Fragen zu stellen.

Versuchen Sie, gerade jetzt eine noch engereKommunikation mit den Eltern der Vorschul-

kinder herzustellen und sprechen Sie (per Tele-fon oder Video-Chat) regelmäßig mit ihnen.Richten Sie in den Gesprächen einen Blick auf dieRessourcen in der Familie und des Kindes undgeben Sie den Eltern Selbstvertrauen, dass siemiteinander, trotz veränderter Rahmenbedin-gungen, diesen Übergang gut bewältigen wer-den. Dabei kann es die Eltern entlasten, wenn Sieihnen erklären, dass nicht nur das letzte Jahr imKindergarten für die Vorschulkinder wichtig ist,sondern dass in der gesamten Zeit die Kompe-tenzen des Kindes ganzheitlich durch das Spiel inder Kindergruppe gestärkt wurden.

Hier einige Fragen, die Sie im Gespräch mit denEltern und den Vorschulkindern klären können:• Welche Wünsche und Bedürfnisse hat das Kind

in Bezug auf den Übergang in die Schule?• Welche Kompetenzen und Interessen hat das

Kind, und wie können diese in der Kita und zuHause am besten gestärkt werden?

• Wo wünschen sich das Kind und/oder die Eltern Unterstützung oder Förderung?

• Welche Rituale können für den Übergang in dieSchule in der Familie und der Einrichtung etab-liert werden?

6 | Kinder für den Übergang in die Schule stärken

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Projektarbeit in Kleingruppen stärkt Vorschulkinder Legen Sie in den wenigen verbleibenden Kita-Wochen den Fokus auf eine ganzheitliche undalltagsintegrierte Bildung der Kinder. Dafür eig-net sich Projektarbeit in kleinen Gruppen sehrgut. Versuchen Sie diese Projekte gemeinsam mitden Kindern zu dokumentieren, so dass die Kin-der auch mit ihren Eltern darüber sprechen kön-nen. Versuchen Sie insbesondere die für denÜbergang zentralen Basiskompetenzen und vorallem die Sprachkompetenzen der Kinder mit an-deren Familiensprachen in den Blick zu nehmen.Hinweise dazu finden Sie auch auf der a Qualifizierungsplattform Fachlich Fit des IFP.

Die Zusammenarbeit mit der Schule istjetzt besonders wichtigDie Corona-Situation erfordert es, dass alle, dieden Übergang des Kindes begleiten, eine neueStrategie und innovative, kreative Ansätze fin-den. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mitden Schulen.

Sprechen Sie mit den aufnehmenden Schulen da-rüber, welche Lösungen sie für ausgefallene Un-terrichtsbesuche und die Schulhausrally findenkönnen. Vielleicht kann die Schule gemeinsammit den Schulkindern Videos für die Vorschulkin-der herstellen. Den zukünftigen Schulkinderngibt es Sicherheit, wenn sie das Gefühl haben,die Schule als Ort schon zu kennen und aucheinen Eindruck von der praktischen Unterrichts-situation zu haben.

Wenn Unsicherheiten darüber bestehen, ob einKind zurückgestellt werden soll, empfiehlt sichein gemeinsames Gespräch mit den Eltern undder Lehrkraft und/oder entsprechenden Bera-tungsstellen. Möglicherweise gibt es auch lokaleFerienangebote verschiedener Träger, die sich fürVorschulkinder eignen und in denen Kompeten-zen spielerisch vertieft werden können.

Weiterführende Links und Literatur

a Spindler, A. (2013). Bildungsprozesse ge-meinsam gestalten. Praxisbausteine zum Modell-projekt QSV. a Video des Goethe-Instituts: Wie KinderSprache entdeckena Zum Anhören – nicht nur für Eltern: Pod-cast „Ganzschoenfamilie“ #5 EXTRA „Vorschulezuhause – Worauf kommt es an?“a Spindler, A. & Radan, J. (2017). Von der Kitain die Grundschule. Kindergarten heute, 4, 10-14.a Spindler, A. & Radan, J. (2017). Gemeinsamden Übergang gestalten. Kindergarten heute, 4,18-21.

Tipps aus der PraxisDiese Tipps können Sie den Eltern im Gesprächmitgeben: Eltern können gemeinsam einmalpro Woche mit ihren Vorschulkindern den zu-künftigen Schulweg erkunden. Beim Spazie-rengehen können die Kinder über ihre Erwar-tungen an die Schule sprechen und möglicheSorgen äußern, Eltern können Erinnerungenaus ihrer Schulzeit erzählen. Ganz nebenbeiüben die Kinder damit auch das sichere Gehendes Schulwegs ein. Vielleicht kann auch ein be-freundetes Vorschulkind mitkommen, das dengleichen Schulweg haben wird. Auch in derKindertageseinrichtung können Sie über dieSchulwege der Kinder sprechen und dieseauch gemeinsam ablaufen, wenn sie in derNähe liegen.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

Was haben die Kinder zuhause erlebt in der Zeit,in der der Hort und alle anderen Kitas geschlos-sen waren? Was sind die Bedürfnisse, die Kinderjetzt haben? Diese Fragen geben erste wichtigeImpulse für Ihre Gedanken und Ihr Handeln indieser Zeit. Nach der langen Zeit der Kontakt-und Ausgangsbeschränkungen werden sich diemeisten Kinder auf das Spielen und Toben mitanderen Kindern freuen. Die Möglichkeit, sichfrei zu bewegen, bevorzugt draußen, wird aufder Bedürfnisliste der Kinder ganz oben stehen.

Bedürfnisse und Perspektiven der Kinder in den Mittelpunkt stellenKinder haben in dieser Zeit Vieles erlebt, das fürsie ungewohnt und eventuell auch mit starkenGefühlen verbunden war; vielleicht mit Freudeaufgrund einer intensiven Familienzeit, vielleichtaber auch mit Anspannung und Ängsten. EinigeKinder werden ein großes Bedürfnis haben,davon zu erzählen. Geben Sie den Kindern expli-zit Raum dafür. Damit ermöglichen Sie den Kin-dern einen guten Start und stärken die Gemein-schaft in der Gruppe. Gleichzeitig haben Sie dieMöglichkeit, authentisch Interesse zu zeigen fürdas, was die Kinder in der Zeit der Kita-Schlie-ßung erlebt und empfunden haben.

Vielleicht können die Kinder im Hort oderKinderhaus zum ersten Mal über ihre Ge-

fühle und Ängste sprechen. Das sind wichtigeMomente, um wieder in Kontakt zu kommen undan die vorherige Beziehung anzuschließen. Siebekommen durch diese Gespräche auch Hin-weise, was die Kinder (und deren Eltern) jetztvielleicht brauchen. Gleichzeitig erleben die Kin-der Partizipation und Mitbestimmung, indemihre Bedürfnisse und Wünsche gehört und aufge-griffen werden.

Lernen zuhause individuell unterstützenund begleitenAuch das Lernen zuhause hat die Zeit in den letz-ten Wochen geprägt und ist zu einem wichtigenThema für Kindern und Eltern geworden. Siekönnen mit den Kindern im Gespräch folgendeFragen reflektieren:• Wie lief bei dir das Lernen zuhause? • Was war für dich schwierig und hat dich beim

Lernen gestört? • Was war für dich gut und hat dich beim Lernen

unterstützt?

Erst auf Nachfragen wird oftmals deutlich, wieKinder die Situation erlebt haben. Manche Kin-der brauchen dafür das Zwiegespräch mit Ihnenals Fachkraft – gerade wenn die Situation schwie-rig war. Gemeinsam mit dem Kind finden Sie viel-leicht heraus, was es gerne anders gehabt hätteund was es konkret in den nächsten Tagen tunkann, um die Situation zu verbessern.

Dieses Vorgehen können Sie systematisch zueiner Lernsituation machen: Regen Sie die Kinderan, eine Idee aufzuschreiben, die sie in dennächsten Tagen ausprobieren, um das Lernen zuhause zu verbessern; fragen Sie nach, wie esläuft und ob das Kind diese Veränderung als hilf-reich erlebt. Planen Sie aufbauend auf den Erfah-rungen der Kinder mit ihnen den nächstenSchritt. So lernt jedes Kind, wie es eigenverant-wortlich und selbstreguliert lernen kann. Damitstärken Sie die lernmethodischen Kompetenzenjedes Kindes. Dieser Prozess ist vielleicht beimanchen Kindern wichtiger als bei anderen.

7 | Hort und das Lernen zuhause: Lern- und Übungs-zeiten in Kita und Familie pädagogisch gestalten

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Lernen zuhause – Zusammenarbeit mitden ElternUm die Weiterentwicklung des Lernens zuhausezu unterstützen, sollten Sie die Eltern mit einbe-ziehen. Fragen Sie, wie aus deren Sicht das Ler-nen zuhause lief, was hilfreich und was schwierigwar.

Manchmal ist großes Vertrauen notwendig,um Probleme anzusprechen. Manche Eltern

haben möglicherweise Bedenken, dass Problemeals mangelnde Kompetenz angesehen werden.Übergangsstudien zeigen, dass Eltern sich imKontext von Lernproblemen als „schlechte El-tern“ erleben. Als Fachkraft können Sie Eltern unterstützen, indem Sie ansprechen, dass dasLernen zuhause möglicherweise eine schwierigeSituation darstellt und dass das Wahrnehmenvon Schwierigkeiten hilfreich ist, weil sie Verän-derungsbedarf aufzeigen und damit Veränderun-gen erst möglich machen.

Die Eltern sollten Ihre Wertschätzung für derenHandeln in der schwierigen Situation spüren undIhren authentischen Wunsch, sie bei einer Wei-terentwicklung der Lernsituation mit dem Kindzuhause zu unterstützen. Dies ist eine gute Aus-gangsbasis für Gespräche.

Wie können Eltern das Lernen ihrer Kinderbestmöglich unterstützen? Unsere Forschungen haben gezeigt, dass vierPunkte besonders wichtig sind, damit Kindernachhaltig selbstbestimmt lernen:

1. Die Kinder müssen sich in der Lernsituationwohlfühlen: Sie sollten dazu Aspekte wie Wärme,Zuneigung und Aufmerksamkeit der Eltern spü-ren sowie deren Vertrauen und Wertschätzung.Strenge, mangelndes Vertrauen, Einmischungund kontrollierendes Verhalten wirken sich nega-tiv aus. Stehen Eltern unter Druck, äußert sichdies auch vermehrt in einem entsprechendenVerhalten den Kindern gegenüber.

2. Die Kinder sollten sich als kompetente, erfolg-reiche Lerner erleben können: Sie sollten dieMöglichkeit haben zu zeigen, was sie können undeine wertschätzende Rückmeldung insbesonderezu ihrem Lernverhalten erhalten.

3. Die Kinder sollten die Erfahrung machen,selbstbestimmt lernen zu können: So viel wiemöglich selbst zu bestimmen, motiviert; die Um-setzung klappt, wenn dies in einem strukturie-renden Rahmen umgesetzt wird, der mit demKind vereinbart wird – angepasst an seine Fähig-keiten.

4. Lernen sollte Spaß machen und als sinnvoll erlebt werden: Positive Gefühle und Begeiste-rung vertiefen eine Lernerfahrung; Lernerleb-nisse sollten mit dem Lebensalltag der Kinderverknüpft werden, besonders Aspekte, die denKindern wichtig sind.

Hilfreich für die Kooperation mit den Eltern ist die a Infografik „Hausaufgaben: Begleiten stattEinmischen“. Diese Anregungen sind generell fürdas Lernen zuhause und im Hort relevant.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

Schlagen Sie doch den Eltern vor, dass diese, gemeinsam mit ihren Kindern, eine Woche langtäglich nach dem Lernen zuhause einen Blick da-rauf werfen, um es zu verbessern: Was war fürdas Lernen heute hilfreich, was hat gestört? DieEltern sollten neugierig auf die Perspektive desKindes sein und diese akzeptieren. Sich als Lern-gemeinschaft zu erleben, stärkt. Eine Hilfe fürdiese Reflexion kann auch das a Tagebuch sein,das auf der Homepage des IFP zum Downloadzur Verfügung steht.

Kooperation mit der Schule Wie in Zeiten jenseits von Corona ist auch die Ko-operation mit der Schule jetzt von besondererBedeutung. Sprechen Sie sich mit den Lehrkräf-ten ab: Was war in der Schule Thema und wassollte im Hort aufgegriffen und bearbeitet wer-den? Ziehen Sie in der Kooperation mit den Eltern mit der Schule an einem Strang – im ge-meinsamen Interesse für das Kind.

Weiterführende Links und Literatur

a Zum Anhören – nicht nur für Eltern: Pod-cast „Ganzschoenfamilie“ #5 EXTRA „Vorschulezuhause – Worauf kommt es an?“a Die Seite www.mit-kindern-lernen.ch derPsychologen Fabian Grolimund und StefanieRietzler steckt voller wertvoller Lerntipps für Kinder, Eltern und Fachkräfte.a Wildgruber, A. & Griebel, W. (2016). Erfolg-reicher Übergang vom Elementar- in den Primar-bereich. WiFF-Expertisen, Band 44. München: DJI.a Flack, L., Wildgruber, A., Reiche, M. &Plehn, M. (2019). Hausaufgaben. Lern- undÜbungszeiten pädagogisch gestalten. Freiburg:Herder.

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Für Kinder aller Altersstufen kann die Kita denFamilien für zu Hause Bücher und Spiele auslei-hen. Einige Kitas haben dazu eine Liste von Bü-chern und Spielen erstellt und diese per E-Mailan die Eltern verschickt. Ebenso können Paketefür Bastel- und Werkarbeiten – orientiert an denInteressen und dem jeweiligen Entwicklungs-stand der Kinder – zusammengestellt und ausge-geben werden. Die Anleitung kann beigelegtoder in einem Video erklärt werden, so dient dasBastelangebot gleichzeitig der Kontaktpflege.

Ideen für KrippenkinderJe jünger Kinder sind, desto schneller werden siesich von der Kita entwöhnen. Wir empfehlenIhnen daher, sich bei den Familien Ihrer Bezugs-kinder zu melden, sich nach ihnen zu erkundigenund anzubieten, z. B. einmal pro Woche einekurze Sprach- oder Videobotschaft zu senden, in der Sie sich direkt an das Kind wenden. Die Eltern haben dann die Möglichkeit, Sie alsBezugsperson und die Kita mit dem Kind zu be-sprechen und damit in Erinnerung zu halten. Jelebendiger die Erinnerung bleibt, desto leichterwird die Rückkehr in die Kita gelingen.

Sie können in Ihren Botschaften auch die Erinne-rung an Kita-Rituale und Spiele wach halten,indem Sie ein Lieblingslied der Kinder singen, einkurzes Bilderbuch zeigen oder Kita-Fotos von ge-meinsamen Erlebnissen versenden. Für Elternund Kinder können das auch Anregungen für Zu-hause sein und auf jeden Fall tragen diese Bot-schaften dazu bei, die Erinnerung an die Kita, anSie als Bezugserzieher/in und an die anderen Kin-der lebendig zu halten und so die gegenseitigeVerbundenheit trotz der räumlichen Trennung zustärken.

Ideen für KindergartenkinderViele Kitas versenden E-Mails mit Anregungen zubestimmten Themen, wie z.B. „Schmetterling“mit einem vergnüglichen Kinderlied zum Themaund einer Anleitung, wie sich die bunten Faltermithilfe der Abklatschtechnik auf Papier bringenlassen. Andere Kitas entwickeln ganze Ideen-sammlungen mit Bildern, Geschichten, Reimen,Liedern, einfach umsetzbaren Bastel- , Experi-mentier- und Verkleidungsideen, Rezepten undRätseln rund um ein aktuelles Thema. Eine nie-derschwellige Idee für Familien sind „Überra-schungssäckchen zum Ausleihen“, die mit Spielenund Materialien aus der Kita gefüllt sind und dieEltern für einige Tage mitnehmen können.

Ideen für VorschulkinderÄltere Kinder können Sie auch ermutigen, Ihnenzu einer Aktivität ein Bild zu malen, etwas zubauen und dies mit einem Foto zu dokumentie-ren und Ihnen zuzuschicken. Oder Sie sendenVorschulkindern Anregungen und kreative Mate-rialien für die Schultüte.

Sie haben auch die Möglichkeit, den Kontakt zwi-schen den Kindern virtuell, d.h. etwa per Video-Chat herzustellen. Damit helfen Sie Kindern undihren Familien, sich in dieser Krisensituationnicht ausgeschlossen zu fühlen und stärken dasMiteinander in Ihrer Kindertageseinrichtung.

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

8 | Anregungen aus dem Kita-Alltag für Zuhause

Tipps aus der Praxis

Das Initiativbüro Gutes Aufwachsen mit Me-dien gibt Tipps, wie mediale Brücken einenkreativen Weg von der Kita zu den Familien bil-den: Praxistipps „Kita kreativ“ – Digitale Wegezu den Kindern in Corona-Zeiten

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Vielen Fachkräften ist es trotz aller Schwierigkei-ten gelungen, während der Notbetreuung mitden Kindern und ihren Familien in Kontakt zubleiben. Sie haben damit allen geholfen, dasgrundlegende Bedürfnis nach sozialer Zugehörig-keit zur Kita-Gemeinschaft zu erhalten, zu denanderen Kindern, zu den Erwachsenen, insbe-sondere zu den Bezugspersonen in der Kita undzu der Einrichtung selbst.

Wenn Sie als pädagogische Kraft zu Ihren Bezugs-kindern und Familien auch während der Betreu-ungspause der Kinder in Kontakt geblieben sind,zeigen Sie Ihr Interesse und Ihre Wertschätzunggegenüber dem Kind und seiner Familie. Sie kön-nen damit Eltern in der Betreuungssituation da-heim unterstützen und erleichtern den Übergangzur Rückkehr in den Kita-Alltag für alle. Sie zeigenso, dass Ihnen die Kinder und ihre Familien amHerzen liegen und dass Sie sich darauf freuen,wenn die Kinder wieder in die Kita kommen.

Eltern und Kinder freuen sich über Aufmerksam-keiten und Anregungen aus der Kita und berich-ten begeistert davon, dass „ihre Kita“ denKindern z. B. Geburtstagskarten geschickt hat. Alle Kinder freuen sich über regelmäßige Postvon ihrer Kita, den Wochenanruf oder das Video-treffen mit den Kindern aus der Notbetreuung.

Von der Kita-Zeitung bis zum Blumentopf, in demKinder etwas aussähen und das Wachsen ihrerKita-Pflanze beobachten können – hier sindschon viele kreative Ideen umgesetzt worden.Um den Kontakt wieder aufzunehmen und zuhalten, eignet sich ein regelmäßiger Brief (posta-lisch oder per E-Mail) der Kita an die Eltern und/oder Kinder, in dem Sie sich nach ihnen erkundi-gen und erzählen, was sie gerade in der Kita tun,über Neuigkeiten informieren und Kindern wieEltern anbieten, in Kontakt zu bleiben, egal, obper Telefon, Brief, Online-Chat oder E-Mail.

Je jünger die Kinder sind, desto wichtiger ist derpersönliche, unmittelbare Kontakt oder zumin-dest ein Kontakt, der mit möglichst vielen Sinnenerfahrbar ist (z.B. ein videogestütztes Online-Treffen, bei dem sich auch die Kinder gegenseitigsehen und hören können).

Für einige Familien eignet sich ein Anruf dervertrauten Fachkraft besser als ein Brief.

Der regelmäßige Kontakt der Kita zu Familien, diein kleinen Wohnungen mit mehreren Kindernleben oder unter weiteren Belastungen leiden,ist besonders wichtig. Die pädagogischen Kräftesind mit ihren Familien vertraut und können die-sen im Bedarfsfall effektiv helfen, wenn diese an

Auch ältere Kinder tun sich leichter, wenn dieserKontakt möglichst regelmäßig und unmittelbarstattfindet; Video-Chats und Telefonate könnenim Dialog stattfinden und sind damit unmittelba-rer als eine E-Mail.

Weiterführende Links und Literatur

a Beispiele für die Elternpartnerschaft undIdeensammlungen für Kinder zuhause gibt esunter: https://www.kitaqualitaet.de/detail/die-dellbruecker-waldkaeuzchen-elternpartner-schaft-in-coronazeiten-aufrecht-erhalten.html

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona

9 | Mit Kindern und Familien in Kontakt bleiben

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ihre Grenzen kommen, indem sie persönlicheund vertraute Ansprechpartner bleiben oder Zu-gang zu niederschwelliger Beratung vermitteln,z.B. in Beratungsstellen oder am Sorgentelefon.

Weiterführende Links und Literatur

a Haug-Schnabel, G. (2020). Vorbereiten fürdie Zeit danach. Kindergarten heute, 5, 10-13.a Auf der Seite www.kitaqualitaet.de berich-ten sechs Kölner Kindertageseinrichtungen vonihren Erfahrungen in Corona-Zeiten.a Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen hat dieAdressen von Beratungsstellen gesammelt, andie sich Eltern wenden können.a Kinderbetreuung während der Corona-Krise: Kitas in Kehl versenden Spiele und Bastel-ideen

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Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Tipps aus der PraxisViele Kitas haben in der Corona-Zeit per Post,am Telefon, über E-Mails, Newsletter odersogar über Videomeetings und Videobotschaf-ten, Kontakt zu den Kindern und ihren Fami-lien gehalten. Die Kita-Teams haben sich aufdiesen Wegen nach den Kindern und Familienerkundigt, sie über die Situation in der Kita in-formiert, und Vorschläge gemacht, was zu-hause mit den Jüngsten gespielt, gesungenoder gebastelt werden kann. Manche Fach-kräfte haben sogar durch „Live-Übertragung“per Video eine Verbindung zwischen den Kin-dern in der Notbetreuung und den Kindern zuhause hergestellt, indem sie z.B. den Mor-genkreis und das gemeinsame Singen perVideo täglich übertragen.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung

Autorinnen und Autoren: Fabienne Becker-Stoll, Beatrix Broda-Kaschube, Martin Krause, Susanne Kreichauf, Jutta Lehmann, Anna Spindler, Monika Wertfein, Andreas Wildgruber

Herausgeber: Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP)Winzererstr. 9, 80797 MünchenTel.: 089/99825-1900

Gestaltung: Susanne KreichaufBildnachweis: ShutterstockStand: Mai 2020