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Binomialverteilung und Anwendungen Elke Warmuth Humboldt-Universit¨ at Berlin Sommersemester 2010 1 / 61

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Binomialverteilung und Anwendungen

Elke Warmuth

Humboldt-Universitat Berlin

Sommersemester 2010

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Unabhangigkeit von Ereignissen

1 Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Kolmogorow:”The concept of mutual independence of two or

more experiments holds, in a certain sense, a central position inthe theory of probability....Historically, the independence of experiments and random variablesrepresents the very mathematical concept that has given the theoryof probability its peculiar stamp.“

Quelle: A. N. Kolmogorov: Foundations of the Theory of Probability. New York: Chelsea Publishing Company, 1950.

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Was soll erfasst werden?

Ereignisse A und B haben folgende Eigenschaft:

Information uber das Eintreten von A beeinflusst unsere Bewertungder Chancen fur das Eintreten von B nicht.

Prototypen: Ziehen mit und ohne Zurucklegen

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

R1 – rote Kugel im 1. Zug, R2 – rote Kugel im 2. Zug

ohne Zurucklegen mit Zurucklegen

P(R2) = 310 P(R2) = 3

10

P(R2|R1) = 29 < 3

10 P(R2|R1) = 310

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Ziehen ohne Zurucklegen:

P(R1|R2) =P(R1 ∩ R2)

P(R2)=

310 ·

29

310

=2

9

Die Information daruber, dass die zweite Kugel rot ist, verandertdie Chancen fur eine rote Kugel im ersten Zug. Es istwahrscheinlicher, dass die erste Kugel weiß war.

Real ist R1 unbeeinflusst von R2, aber stochastisch, im Sinne derChancen, schon.

Provisorische Festlegung: Das Ereignis A ist stochastischunabhangig vom Ereignis B mit P(B) > 0, falls

P(A|B) = P(A)

gilt.

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Folgerungen aus der provisorischen Festlegung fur P(A) und P(B)positiv:

A unabhangig von B⇔ P(A|B) = P(A)

⇔ P(A ∩ B)

P(B)= P(A)

⇔ P(A ∩ B) = P(A) · P(B)

⇔ P(A ∩ B)

P(A)= P(B)

⇔ P(B|A) = P(B)

A unabhangig von B genau dann, wenn B unabhangig von A,stochastische Unabhangigkeit ist symmetrisch in A und B⇒ endgultige Definition

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Definition: Unabhangigkeit zweier Ereignisse

Zwei Ereignisse A und B heißen (stochastisch) unabhangig, fallsdie Produktformel

P(A ∩ B) = P(A) · P(B)

gilt.

Symmetrie

ohne Voraussetzung P(A) > 0 bzw. P(B) > 0.

Aspekte von Unabhangigkeit

Unabhangigkeit als Modellannahme

Unabhangigkeit in einem Modell nachweisen

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

gutes Beispiel:

Quelle: Barth, Haller: Stochastik Leistungskurs. Munchen: Oldenbourg Schulbuchverlag, 1998

Sehr empfehlenswertes Lehrbuch (fur Lehrerinnen und Lehrer)

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

schlechtes Beispiel:

Quelle: Mathematik. Band 2. Sachsen-Anhalt. Berlin: Cornelsen Verlag, 2005

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Begriff Unabhangigkeit festigen

Unabhangigkeit und Unvereinbarkeit

Unabhangigkeit in Vierfeldertafel

Beispiele und Gegenbeispiele

Verallgemeinerung auf n Ereignisse

Unabhangigkeit von Vorgangen

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Unabhangigkeit und Unvereinbarkeit

i.A. krasse Abhangigkeit:Eintreten von A macht Eintre-ten von B unmoglich und um-gekehrt.

Nagelprobe fur inhaltlichesVerstandnis

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Ausnahme: P(A ∩ B) = P(A) · P(B)0 = P(A) · P(B)P(A) = 0 oder P(B) = 0

Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit 0 sind von allen Ereignissenunabhangig.

Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit 1 auch. Sei namlichP(A) = 1

P(A) · P(B) = P(B) = P(B ∩ A) + P(B ∩ A) = P(B ∩ A)

Entspricht das inhaltlichem Verstandnis?

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Unabhangigkeit in Vierfeldertafel

A A

B P(A) · P(B) P(B)

B P(B)

P(A) P(A) 1

P(B)− P(A) · P(B) = P(B) [1− P(A)] = P(B) · P(A)

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Unabhangigkeit in Vierfeldertafel

A A

B P(A) · P(B) P(A) · P(B) P(B)

B P(A) · P(B) P(A) · P(B) P(B)

P(A) P(A) 1

Aus der Unabhangigkeit fur ein”Parchen“ folgt die

Unabhangigkeit fur alle anderen.

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Beispiele und Gegenbeispiele

1. Zweimaliges Wurfeln mit einem fairen Wurfel

A – erster Wurf 6, B – zweiter Wurf 3

Unabhangigkeit als Modellierungselement:

Argumentation: Das Eintreten von A beeinflusst die Chancenfur das Eintreten von B nicht (Gedachtnislosigkeit).

⇒ P(A ∩ B) =1

6· 1

6

Unabhangigkeit in einem Modell nachprufen:

Ω = (w1,w2) : w1,w2 ∈ 1, 2, . . . , 6Annahme: gleichwahrscheinlich, |Ω| = 36|A| = |B| = 6, |A ∩ B| = 1 ⇒ P(A ∩ B) = P(A) · P(B)⇒ A und B unabhangig

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

2. Zweimaliges Wurfeln mit einem fairen Wurfel

A – Augensumme gerade, B – zweite Augenzahl gerade

Was sagt die Intuition?

Ω = (w1,w2) : w1,w2 ∈ 1, 2, . . . , 6

Annahme: gleichwahrscheinlich, |Ω| = 36

P(A) = 1836 ,P(B) = 1

2

A ∩ B = (2, 2), (2, 4), (2, 6), (4, 2), (4, 4), (4, 6), (6, 2), (6, 4), (6, 6)

⇒ P(A ∩ B) = 936 = 1

4 = P(A) · P(B)

⇒ A und B stochastisch unabhangig,

obwohl reale gegenseitige Beeinflussung von A und B.

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

3. Test auf Unabhangigkeit

Verungluckte Verkehrsteilnehmer bei Verkehrsunfallen in Berlin vonJanuar bis Juli 2006

Quelle: http://www.statistik-berlin.de/home.htm

unter 15 ab 15

mannlich 369 4716 5085

weiblich 288 3733 4021

657 8449 9106

1√9106

≈ 0, 01, sinnvoll runden

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

unter 15 ab 15

mannlich 0, 04 0, 52 0, 56

weiblich 0, 03 0, 41 0, 44

0, 07 0, 93 1, 00

0, 07 · 0, 56 ≈ 0, 04

Spricht fur Unabhangigkeitsannahme

Frage: Wie große Abweichungen von der Produktformel sind nochmit Zufallsschwankungen vertraglich?Typische Fragestellung bei statistischem Test.

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Was soll erfasst werden?

Information uber das Eintreten von A beeinflusst unsereBewertung der Chancen fur das Eintreten von B bzw. Cnicht.Analog B und C . Kurz paarweise Unabhangigkeit:

P(A ∩ B) = P(A) · P(B)P(A ∩ C ) = P(A) · P(C )P(B ∩ C ) = P(B) · P(C )

Aber auch: Information uber das Eintreten von A ∩ Bbeeinflusst unsere Bewertung der Chancen fur das Eintretenvon C nicht:

P((A ∩ B) ∩ C ) = P(A ∩ B) · P(C )P(A ∩ B ∩ C ) = P(A) · P(B) · P(C )

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Unabhangigkeit von EreignissenBedeutung der UnabhangigkeitUnabhangigkeit von zwei EreignissenUnabhangigkeit von 3 Ereignissen

Definition: Vollstandige Unabhangigkeit von drei Ereignissen

Drei Ereignisse A, B und C heißen (vollstandig stochastisch)unabhangig, falls die folgenden Produktformeln

P(A ∩ B) = P(A) · P(B) (1)P(A ∩ C ) = P(A) · P(C ) (2)P(B ∩ C ) = P(B) · P(C ) (3)P(A ∩ B ∩ C ) = P(A) · P(B) · P(C ) (4)

gelten.

Weder die Gleichungen (1) bis (3) zusammen, noch die Gleichung(4) alleine reichen aus fur vollstandige Unabhangigkeit.

Naheliegende Verallgemeinerung auf n Ereignisse.

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Bernoulli-Ketten

2 Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Unabhangige Experimente

Was heißt eigentlich”unabhangige Wiederholungen eines

Experiments“ oder auch”unabhangige Teilexperimente“?

Vorstellung: Gesamtexperiment besteht aus n Teilexperimenten.

Welche Eigenschaft musste das Modell dieses Gesamtexperimentshaben, wenn die Teilexperimente unabhangig heißen sollen?

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Halbformale Definition

Teilexperimente heißen unabhangig, wenn beliebige Ereignisse, dieetwas uber die Ausgange verschiedener Teilexperimente aussagen,unabhangig sind. Wenn A1 zum ersten, A2 zum zweiten, ..., An

zum n-ten von n unabhangigen Teilexperimenten gehort, dann giltdie Produktformel

P(A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An) = P(A1) · (A2) · . . . · P(An).

Genau diese Situation liegt bei Bernoulli-Ketten vor.

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Quelle: Mathematik. Band 2. Sachsen-Anhalt. Berlin: Cornelsen Verlag, 2005

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Was heißt”in exakt gleicher Weise“

Warum wird der eingefuhrte Begriff”Unabhangigkeit“ nicht

benutzt?

Bernoulli-Kette

Vorgange mit zufalligem Ergebnis, bei denen nur zwischen Erfolg(1) und Misserfolg (0) unterschieden wird, heißenBernoulli-Experimente oder Bernoulli-Versuche.

Wird ein Bernoulli-Experiment mit derselbenErfolgswahrscheinlichkeit n mal unabhangig voneinanderausgefuhrt, so entsteht eine Bernoulli-Kette der Lange n mit derErfolgswahrscheinlichkeit p.

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Jakob Bernoulli (1654-1705)

Ars conjectandi (1713)

Schweizer Briefmarke 1994

Quelle: www.fh-friedberg.de/.../marke04 09 bild01.jpg”

Bernoulli-Ketten u.a. als Rahmen fur den Beweis des Gesetzes dergroßen Zahlen

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Bernoulli-Experiment: Ω = 0, 1,P(1) = p, 1.= Erfolg

Bernoulli-Kette:

Ergebnismenge: Ω = w = (w1, . . . ,wn) : wi ∈ 0, 1

Einzelwahrscheinlichkeiten:

P((w1, . . . ,wn)) = pAnzahl der Einsen·(1−p)Anzahl der Nullen

(Unabhangigkeit)

P(nur Erfolge) = p · p · . . . · p = pn

P(nur Misserfolge) = (1− p) · (1− p) · . . . · (1− p) = (1− p)n

P(genau einen Erfolg) = n · p · (1− p)n−1

P(genau k Erfolge) =(nk

)pk(1− p)n−k

Bernoulli-Experimente zeitlich parallel oder nacheinander

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Beispiele und Gegenbeispiele

Wurfeln, Erfolg – 6

Ziehen mit Zurucklegen, Erfolg – rote Kugel

Tageshochsttemperatur an aufeinanderfolgenden Tagen imJuli in Berlin, Erfolg – Sommertag

Multiple-Choice-Test, Erfolg – richtige Antwort

Totoschein 13er-Wette, Erfolg – richtiger Tipp

kleine Stichproben ohne Zurucklegen aus großenGrundgesamtheiten, Erfolg – Merkmal liegt vor

1000 Buchstaben eines Textes auswerten, Erfolg – Vokal

Elfmeterschusse, Erfolg – Tor

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

realer Vorgang als Bernoulli-Kette:

Unabhangigkeit der Teilvorgange

gleichbleibende Erfolgswahrscheinlichkeit

in der Regel idealisierende Annahmen, deshalb Modellkritikwichtig

aber

auch einfache Modelle konnen helfen Einsichten zu gewinnen

einfache Modelle als erster Schritt

PS: Wir lassen die Pfadregeln hinter uns.

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Zufallsgroßen als Modellierungswerkzeuge nutzen!

Xi =

1 falls i-ter Teilversuch Erfolg, d.h. wi = 10 falls i-ter Teilversuch Misserfolg, d.h. wi = 0

Xi unabhangig und identisch verteilt mit

P(Xi = 1) = p, E (Xi ) = p, Var(Xi ) = p(1− p)

Anzahl der Erfolge Sn = X1 + X2 + . . . + Xn

P(Sn = k) =(nk

)pk(1− p)n−k

E (Sn) = E (X1) + E (X2) + . . . + E (Xn) = np (Additivitat)

Var(Sn) = Var(X1) + Var(X2) + . . . + Var(Xn) = np(1− p)

(Additivitat bei Unabhangigkeit)

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

kσ-Intervalle

Mit σn =√

np(1− p) gilt fur große n

P (np − kσn ≤ Sn ≤ np + kσn) ≈

0, 683 k = 10, 954 k = 20, 997 k = 3

nur experimentell uberprufbar ⇒ experimentell uberprufen!

Faustregel fur Anwendung np(1− p) > 9

Wahrscheinlichkeiten fest, Lage und Lange der Intervalleabhangig n und p

Kleine Standardabweichung ⇒ kurze Intervalle

große Standardabweichung ⇒ lange Intervalle

sehr schone Interpretation von Erwartungswert undStandardabweichung

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Beispiele fur 2σ-Intervalle

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

B(50; 0, 3) : 15± 6 und B(150; 0, 3) : 45± 11

Intervalllange wachst mit n. Wachstum mit Großenordnung√

n.34 / 61

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Bernoulli-KettenUnabhangigkeit von ExperimentenModell Bernoulli-KetteGestalt der Binomialverteilung

Exakte Aussagen uber kσ-Intervalle

Tschebyschewsche Ungleichung:

P(|X − EX | ≥ ε) ≤ VarXε2

⇔ P(|X − EX | < ε) ≥ 1− VarXε2

X ∼ B(n; p) und ε = kσ

P(|X − np| < kσ) ≥ 1− np(1−p)k2np(1−p)

0 k = 10, 75 k = 20, 89 k = 3

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Normalverteilung als Grenzfall der Binomialverteilung

3 Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

fur große n:E (Sn) → ∞

Var(Sn) → ∞

σn → ∞

Verteilungen (Histogramme)”fließen auseinander“, aber

Gesamtflache 1

Standardisierung in drei Schritten:

1. Zentrieren: Sn − np

2. Stauchen der Intervallbreite:Sn − np√np(1− p)

3. Strecken der Saulenhohe

Anpassung einer universellen Kurve an die standardisiertenHistogramme

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

1. Zentrieren

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

2. Stauchen und 3. Strecken

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

Beim 2. Schritt entstehen reelle Zahlen, die keine naturlichen sind:

Sn = k

⇔ k − 0, 5 ≤ Sn ≤ k + 0, 5

⇔ k − 0, 5− np ≤ Sn − np ≤ k + 0, 5− np

⇔ k − 0, 5− np

σn≤ Sn − np

σn≤ k + 0, 5− np

σn

Somit

P(Sn = k) = P

(k − 0, 5− np

σn≤ Sn − np

σn≤ k + 0, 5− np

σn

)= pk

±0, 5 – Stetigkeitskorrektur

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

P(Sn = k) = P

(k − 0, 5− np

σn≤ Sn − np

σn≤ k + 0, 5− np

σn

)= pk

Intervallbreite:k + 0, 5− np − (k − 0, 5− np)

σn=

1

σn41 / 61

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

Intervallbreite: 1σn

Saulenflache := pk , folglich Saulenhohe = pk · σn

universelle Kurve: ϕ – Gaußsche Glockenkurve

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

Quelle: www.geogebra.org/de

ϕ(x) = 1√2π

e−x2

2

X ∼ N(0, 1): P(a ≤ X ≤ b) =b∫a

ϕ(x)dx = φ(b)− φ(a)

siehe auch www.geogebra.org/de/examples/normalverteilung/normalverteilung.html

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

Grenzwertsatz von de Moivre-Laplace

Sei Sn ∼ B(n, p) mit 0 < p < 1. Dann gilt fur alle α < β

limn→∞

P

(α ≤ Sn − np√

np(1− p)≤ β

)= φ(β)− φ(α)

Praktische Anwendung:

Ersetze das n-te Folgeglied durch den Grenzwert

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

P(a ≤ Sn ≤ b) (∗)

= P(a− 0, 5 ≤ Sn ≤ b + 0, 5) Stetigkeitskorrektur

= P

(a−0,5−np√

np(1−p)≤ Sn−np√

np(1−p)≤ b+0,5−np√

np(1−p)

)Standardisierung

≈ φ

(b−0,5−np√

np(1−p)

)−(

a+0,5−np√np(1−p)

)Approximation

auf schwache Ungleichungen im Ansatz (*) achten

Stetigkeitskorrektur bei großen σn vernachlassigbar

Faustregel fur die Approximation: np(1− p) > 9

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Normalverteilung als Grenzfall der BinomialverteilungStandardisierenStandardnormalverteilungGrenzwertsatz von de Moivre-Laplace

2σ-Intervalle:

P (np − 2σn ≤ Sn ≤ np + 2σn)

= P

(−2 ≤ Sn − np

σn≤ 2

)≈ φ(2)− φ(−2)

≈ 0, 954

Beispiel

X ∼ B(600, 1

6

),E (X ) = 100,Var(X ) = 500

6 , σ ≈ 9, 13

100− 2σ = 81, 74, 100 + 2σ = 118, 26

2σ-Intervall: [82; 118]

exakt: P(82 ≤ X ≤ 118) = 0, 958

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AnwendungenPS

4 AnwendungenVerdeckte BefragungStatistische QualitatskontrolleWeitere Beispiele

5 PS

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AnwendungenPS

Verdeckte BefragungStatistische QualitatskontrolleWeitere Beispiele

Verdeckte Befragung

Prozentsatz sozial unerwunschter, peinlicher oder strafbarerHandlungen soll geschatzt werden

ehrliche Antworten auf direkte peinliche Fragen nicht zuerwarten

S. L. Warner (1965): RRT, Idee: verstarke das Gefuhl vonAnonymitat

W. R. Simmonds (1967): Unrelated Question Model, wieRRT, aber unverfanglicher.

P. T. Liu, L. P. Chow (1976): Quantitative RandomizedResponse Model

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AnwendungenPS

Verdeckte BefragungStatistische QualitatskontrolleWeitere Beispiele

Beispiel

Gesucht: Prozentsatz der Studierenden, die schon einmal beieiner Prufung betrogen haben

Befragungsdesign:

10 Kartchen: 7 mit der Aufforderung”Sagen Sie Ja!“ (Typ A)

3 mit der Frage”Haben Sie schon einmal bei einer Prufung

betrogen?“ (Typ B)

Kartchen auf der Ruckseite gleich.

befragte Person zieht eine Karte

Annahme: Die Befragten folgen der Aufforderung bzw.antworten wahrheitsgemaß.

Was spricht dafur, dass Befragte bei dieser Form eher ehrlichantworten?

Worin bestehen Nachteile dieses Verfahrens?

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Verdeckte BefragungStatistische QualitatskontrolleWeitere Beispiele

Modell

π – Anteil der Typ-B-Karten, p – unbekannter Anteil derBetruger

P(Ja) = 1− π + π · pp – Schatzwert fur p aus einer großen Anzahl n von Befragten

Ansatz P(Ja) = hn(Ja) liefert p =hn(Ja)− 1 + π

π

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Verdeckte BefragungStatistische QualitatskontrolleWeitere Beispiele

Eigenschaften des Schatzers p

Arbeiten im Modell, Nutzen von Zufallsgroßen, Eigenschaften vonErwartungswert und Varianz

p ist eine Zufallsgroße, E (p) =?,Var(p) =?

E (p) = E(

hn(Ja)−1+ππ

)= E(hn(Ja))−1+π

π

Var(p) = Var(

hn(Ja)−1+ππ

)= Var(hn(Ja))

π2

hn(Ja) = Snn , Sn – Anzahl der Ja-Antworten

E (hn(Ja)) = 1nE (Sn)

Var(hn(Ja)) = 1n2 Var(Sn)

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Verdeckte BefragungStatistische QualitatskontrolleWeitere Beispiele

Verteilung von Sn – Anzahl der Ja-Antworten?

Annahmen:

1. Befragungen der n Personen sind unabhangige Teilexperimente2. Jede Person antwortet mit Wahrscheinlichkeit p auf eine

B-Frage mit”Ja“

Dann Sn ∼ B(n, 1− π + πp)

E (Sn) = n(1− π + πp),Var(Sn) = n(1− π + πp)(π − πp) = nπ(1− π + πp)(1− p)

Einsetzen in die bereitgestellten Formeln liefert

E (p) = p

Var(p) =p(1− p)

n+

(1− π)(1− p)

πn

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Verdeckte BefragungStatistische QualitatskontrolleWeitere Beispiele

Diskussion der Eigenschaften des Schatzers

E (p) = p – im Mittel schatzen wir richtig

Var(p) =p(1− p)

n+

(1− π)(1− p)

πn

π = 1 bedeutet direkte BefragungVarianz erhoht sich durch RRT

p, n fest: Erhohung um so großer, je kleiner π

psychologisch gut ist π = 0, 5

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Verdeckte BefragungStatistische QualitatskontrolleWeitere Beispiele

Zahlenbeispiel

n = 2000, π = 0, 5

p =h2000(Ja)− 0, 5

0, 5= 2 · h2000(Ja)− 1

Var(p) =p(1− p)

2000+

1− p

2000=

1− p2

2000≤ 1

2000

Genauigkeit der Schatzung: σ(p) ≤ 0, 022

Beispiel: hn(Ja) = 0, 67 liefert p = 2 · 0, 67− 1 = 0, 34

2σ-Intervall fur das unbekannte p: [0, 30; 0, 38].

Literaturhinweise:

K.Kruger: Wahrheit oder Pflicht. In: mathematik lehren, Heft 125, August 2004

A. Engel: Stochastik. Stuttgart: Klett, 1987

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Qualitatskontrolle des Ausschussanteils p bei Massenproduktion

Sollwert p ≤ 0, 05 durch zufallige Stichprobe vom Umfang nkontrolliert

X – Anzahl Ausschussteile in der StichprobeAnnahme: X ∼ B(n, p)

bei p = 0, 05 gilt EX = n · 0, 05 und σ =√

n · 0, 05 · 0, 95

Wenn K = X > n · 0, 05 + 2σ eintritt, dann Postenablehnen.

”Zu viel Ausschuss!“

Wenn p = 0, 05 gilt, dann P(K ) ≈ 0, 023 (2σ-Intervall)

Herstellerrisiko: Es kann sein, dass K eintritt, obwohlp ≤ 0.05. Chance: 2,3%

Abnehmerrisiko: Es kann sein, dass K nicht eintritt, obwohlp > 0, 05.

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Herstellerrisiko und Abnehmerrisiko konkurrieren!

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Abnehmerrisiko umso großer, je naher p an 0,05.

Abnehmer gibt einen fur ihn gerade noch ertraglichenAusschussanteil π > 0, 05 und eine Risikowahrscheinlichkeit βan, so dass gilt:

Pπ(K ) ≤ β,

d.h. schlechter Posten wird hochstens mit Wkeit β nichtzuruckgewiesen.

erfullbar nur durch genugend großes n

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Wahlen π = 0, 07 und β = 0, 1:

Pπ(X ≤ n · 0, 05 + 2σ) ≤ 0, 1

⇔ Pπ(X − n · 0, 07 ≤ n · 0, 05 + 2σ − n · 0, 07) ≤ 0, 1

⇔ Pπ

(X−n·0,07√

n·0,07(1−0,07)≤ n(0,05−0,07)+2σ√

n·0,07(1−0,07)

)≤ 0, 1

Normalapproximation:

φ

(n(0,05−0,07)+2σ√

n·0,07(1−0,07)

)≤ 0, 1

⇔ 1− φ(

0,02n−2σ√n·0,07·0,93

)≤ 0, 1

⇔ φ(

0,02n−2σ√n·0,07·0,93

)≥ 0, 9

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⇔ φ

(0, 02

√n − 2σ√

0, 07 · 0, 93

)≥ 0, 9

⇔ 0, 02√

n − 2√

0, 05 · 0, 95√0, 07 · 0, 93

≥ 1, 28

n ≥ 1554

Ablehnungsbereich K = X > 87 sichert Herstellerrisiko vonhochstens 2, 3% und Abnehmerrisiko bei p = 0, 07 von 10%.

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Weitere Beispiele

Uberbuchung

u.a. in:”Einheitliche Prufungsanforderungen in der

Abiturprufung – Mathematik“ (Beschluss der KMK vom24.05.2002)

Sammelproben

Kernzerfall

Irrfahrten

Mendelsche Gesetze

Wahlen

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AnwendungenPS

Sunday, November 16, 2008Lieber Steini,als wir dieses Wochenende ein Spiel na-mens

”Abenteuer Menschheit“ (ahnlich wie

”Siedler von Catan“) spielten, beschwerte

sich mein kleiner Bruder ,dass mein Vaterviel mehr Karten bekam als er. Nach demSpiel berechnete ich aber die Wahrscheinlich-keit fur jede Farbe (rot, orange, blau, weiß) eine Karte zu bekommen (bei einen malwurfeln, mit zwei Wurfeln). Eine Karte be-kommt man, wenn ein Stamm (sieht so aus,wie eine Flamme; s. Bild) deiner Farbe an ei-nem Feld steht, worauf die Zahl zusehen ist,die gewurfelt wurde. Mein keiner Bruder hat-te blau und mein Vater rot. Aber nach derAusrechnung kam raus, dass WEISS (Mama)die beste Wahrscheinlichkeit von 27

36( 3

4) hat-

te und alle anderen Farben eine von 2636

( 1318

)hatten, eine Karte bei einen mal wurfelnzu bekommen. Ab jetzt an, kann ich wegender Wahrscheinlichkeitsrechnung viel strate-gischer gegen meine Familie spielen.Danke. Gruss Florian

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